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German Pages 259 Year 2008
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 210
Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots Von Marc Alexander Schmieder
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
MARC ALEXANDER SCHMIEDER
Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 210
Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots
Von Marc Alexander Schmieder
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 29 Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-12808-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Januar 2007 an der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind weitgehend bis März 2008 berücksichtigt. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rüdiger Krause, GeorgAugust-Universität Göttingen, danke ich sehr für die Inspiration und Prägung während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem damaligen Lehrstuhl in Erlangen. Für die zügige Zweitbegutachtung bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Reinhard Greger. Meinen lieben Eltern, Günter und Liliane Gabrielle Schmieder, danke ich vielmals für die Ermöglichung meines Werdegangs und die vielfältigste Unterstützung bei meiner Ausbildung. Die Arbeit widme ich meiner Frau Nadine. Du hast mir in einer entscheidenden Phase zum Durchbruch verholfen. Dafür und für so vieles mehr danke ich Dir von Herzen. München, im März 2008
Marc Alexander Schmieder
Inhaltsverzeichnis Teil 1
Einführung
15
§1
Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
I.
Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
II.
Abgrenzung der Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
III.
Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
IV.
Charakteristika des Übernahmeangebots nach dem WpÜG . . . . . . . . . . . . . .
18
V.
Alternative Wege der Unternehmensübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
VI.
Anwendbarkeit des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 20 20
VII. Ablauf eines Übernahmeangebots nach dem WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters, ein öffentliches Angebot abzugeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veröffentlichung der Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ablauf der Annahmefrist und der weiteren Annahmefrist . . . . . . . . . . . .
21 22 23 23
VIII. Die Interessen der an einem feindlichen Übernahmeverfahren Beteiligten 1. Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 25 25 25 26 27
Teil 2
Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
28
§2
Ökonomische Betrachtung von Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . .
28
I.
Wertsteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Synergiegewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verringerung des free cash flow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 30 30
8
Inhaltsverzeichnis
II.
Wertverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
III.
Wertrealisierungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
IV.
Wertindifferente Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
V.
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
§3
Die Regelung von Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft gegen feindliche Übernahmeversuche in anderen Rechtsordnungen . . . . . . . . . 34
I.
Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
II.
Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
§4
Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen auf Ebene der EG und Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
I.
Entwicklung europäischer Vorgaben für die Organe einer Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung bis 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über die Gesetzgebungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung der Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen der Verwaltung in den Richtlinienentwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung von 2001 bis zur Verabschiedung der Übernahmerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehung der Übernahmerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorgaben für Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Entwicklung des Konzepts einer nationalen Regelung in Deutschland . . . . 1. Leitsätze, Übernahmekodex (ÜbK) und Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (ÜbG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskussionsentwurf eines Übernahmegesetzes (DiskE-ÜG), Referentenentwurf eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (RefEWÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regierungsentwurf eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (RegE-WÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (ÜbRL-UG) . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 38 38 39 39 39 41 42 42
43 45 46 46
Teil 3
Die rechtlichen Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots
48
§5
Der Aufsichtsrat im Rahmen des Regelungsregimes des § 33 WpÜG
48
I.
Inhalt des Verhinderungsverbots gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG . . . . . . . . 50 1. Angebotserfolg als Bezugspunkt der Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . 50 2. Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Inhaltsverzeichnis
9
a) Auswirkung der Bindung des Bieters an sein Angebot auf die Annahme einer Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Maßstab der Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II.
Die Mitwirkung des Aufsichtsrats an Abwehrmaßnahmen des Vorstands im Rahmen der gesetzlichen Ausnahmen vom Verhinderungsverbot . . . . . 1. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand der Zustimmung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorstandshandeln mit Verhinderungseignung bzw. Verhinderungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorstandshandeln im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Handlungen im Bereich originärer Vorstandszuständigkeit (2) Handlungen im Bereich abgeleiteter Vorstandszuständigkeit (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organschaftliche Bindung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielvorgaben für das Aufsichtsratshandeln im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermessensspielraum für unternehmerische Entscheidungen . . . (1) Ermessensspielraum nach §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beschränkung des Handlungsspielraums durch ein Neutralitätsgebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Folge der Unanwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formelle Fragen der Aufsichtsratszustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand der Zustimmung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relevanz einer aktienrechtlichen Delegationsbefugnis . . . . . . . . bb) Erstreckung auf Maßnahmen der Geschäftsführung . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle der Voraussetzungen des Ermächtigungsbeschlusses durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfang der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überprüfung des Ermächtigungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formelle Fragen der Aufsichtsratszustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54 55 55 55 56 56 57 62 63 63 66 66 68 68 70 70 70 71 71 74 74 75 75 76 78 78 78 79 81 81
10
Inhaltsverzeichnis 3. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Maßnahmen des Vorstands im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Vorstandshandlungen auf der Grundlage eines Ad-hoc-Beschlusses der Hauptversammlung . . . . . . . . . a) Ad-hoc-Ermächtigungsbeschluss zur Vornahme einer abwehrgerichteten Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ad-hoc-Ermächtigungsbeschluss zur Vornahme einer abwehrgerichteten Geschäftsführungsmaßnahme nach § 119 Abs. 2 AktG c) Ad-hoc-Ermächtigungsbeschluss zur Vornahme einer abwehrgerichteten Geschäftsführungsmaßnahme jenseits des § 119 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine obligatorische Mitwirkung des Aufsichtsrats an einer Suche nach einem konkurrierenden Angebot durch den Vorstand gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82 83
83 84
84 86
87
III.
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
§6
Anwendbarkeit des Verhinderungsverbots nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
I.
Unmittelbare Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . 90
II.
Analoge Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf Handlungen des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
III.
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
§7
Verhinderungsverbot des Aufsichtsrats aufgrund allgemeiner kapitalmarktrechtlicher Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
I.
Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
II.
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
§8
Verhältnis des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots und seiner Ausnahmetatbestände zur aktienrechtlichen Pflichtenbindung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
I.
Kapitalmarktrechtliche bzw. gesellschaftsrechtliche Einordnung des § 33 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
II.
Anwendbarkeit des allgemeinen Aktienrechts neben § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussage des beredeten Schweigens in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III.
104 104 105 109
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Inhaltsverzeichnis
11
§9
Aktienrechtliche Vorgaben für das Handeln des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
I.
Maßnahmen des Aufsichtsrats mit der Eignung, den Erfolg eines Übernahmeangebots zu verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personalentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlängerung der Amtszeiten von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . aa) Verhinderungseignung wegen Übernahmefolgeabwehr-Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktienrechtliche Voraussetzungen einer Amtszeitverlängerung cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staffelung der Amtszeiten der Vorstandsmitglieder (staggered board) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergütungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besondere Abfindungsversprechen für amtierende Vorstandsmitglieder („golden parachutes“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhinderungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktienrechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusage von Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhinderungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktienrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsgrundlage für Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ursprünglicher Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtsgrundlagen außerhalb des ursprünglichen Dienstvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung von vinkulierten Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aktienrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertretung des Vorstands (§ 112 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Suche nach einem konkurrierenden Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Stellungnahme zum Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Ansätze, die ein Neutralitätsgebot der Verwaltung ablehnen . . . . . . . . . . . . . 1. Ermessensentscheidung der Verwaltung über Abwehrmaßnahmen am Maßstab des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifizierte business judgement rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 111 111 111 113 117 118 119 119 119 122 123 123 123 124 124 124 124 128 130 131 131 131 132 132 134 134 134 135 136 137 140 141 143
12
Inhaltsverzeichnis
III.
Ansätze einer Neutralitätspflicht der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Instrumentelle und übergreifende Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überfremdungsschutz-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begründungsansätze für ein Neutralitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unzulässige Beschneidung des Einflusses der Hauptversammlung auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft (Mestmäcker) . . bb) Unzulässige Einflussnahme des Vorstands auf seine Kontrolleure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss der Einflussnahme auf den Aktionärskreis von der Leitungsaufgabe des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aktienrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG) . . . . . d) Unzulässige Vorwegnahme einer Hauptversammlungsentscheidung über Strukturänderungen, die Auflösung der Gesellschaft oder eine Änderung des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unzuständigkeit des Vorstands für einen Eingriff in die ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aktienrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Fremdinteressenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neutralitätsgebot wegen mutmaßlich eigensüchtiger Motivation für Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Typisierte Gefahr eigennützigen Handelns (Hopt) . . . . . . . . (2) Eigennütziger Einsatz von Gesellschaftsmitteln gegen die Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckentfremdung des Gesellschaftsvermögens zum Eingriff in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre (Maier-Reimer) . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV.
Eigene Ansicht: Verbot für das Management, die Aktionäre der Zielgesellschaft darin zu beeinträchtigen, das öffentliche Erwerbsangebot anzunehmen (Exzesshandlungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beeinträchtigung der Angebotsadressaten, die Offerte anzunehmen . . . . a) Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG und Abwehrexzesshandlungen . . . . . . b) Durch das WpÜG vermittelter Schutz der Adressaten eines unbedingten Angebots vor Exzesshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz vor Exzesshandlungen durch §§ 17, 18 i. V. m. § 34 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz vor Exzesshandlungen durch § 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 34 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wille des Gesetzgebers zum Schutz der Aktionäre vor Exzesshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 144 146 151 151 151 155 157 162
164 164 166 168 172 174 175 175 176 177 179 181
182 183 183 186 186 188 189
Inhaltsverzeichnis dd) Exzesshandlungen aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exzesshandlungsschutz bei bedingten Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedingungsfreundlichkeit von Übernahmeangeboten . . . . . . . . . bb) Ausschalter-Angebotsbedingungen als Einfallstor für Exzesshandlungen der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bedingungen mit Ausschalter-Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausbleiben jedweder Abwehrmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausbleiben bestimmter, in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallender Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausbleiben einer Mitwirkung des Aufsichtsrats an Abwehrmaßnahmen des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Mindestannahmeschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Abgabe einer unterstützenden Stellungnahme des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien dd) Auswirkungen von Angebotsänderungen nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Nr. 4 WpÜG auf die Exzesshandlungsqualität . . . . . . . . . (1) Herabsetzung der Akzeptanzschwelle, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verzicht auf sonstige Bedingungen, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Zulässigkeit eines nachträglichen Bedingungsverzichts nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Zulässigkeit eines nachträglichen Bedingungsverzichts anhand von § 21 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . (b) Beeinträchtigung der Angebotsadressaten durch die Rechtsfolge einer Angebotsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zeitpunkt für die Beurteilung der Exzesshandlungsqualität/Heilung der Pflichtverletzung durch Bedingungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsatz von Gesellschaftsvermögen zur Durchführung der Exzesshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.
Ausnahmen vom Exzesshandlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drohende Beeinträchtigung von Gruppen- oder Gemeinwohlinteressen 2. Verhinderung von Gesetzesverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abwehr von Gefahren, die mit der Person des Bieters verbunden sind 4. Mangelnde Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Änderung des wirtschaftlichen Konzepts, Verlust der Unabhängigkeit 7. Handlungen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Zielgesellschaft
13
190 192 193 193 194 194 197 198 199 200 203 203 205 205 205
206 207 210
213 214 215 216 217 218 219 221 222 223 224
14
Inhaltsverzeichnis a) Regelungen zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der Organe der Zielgesellschaft im Rahmen von §§ 33, 33 a WpÜG . . . . . . . . . . . . . . aa) § 33 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 33 a Abs. 2 S. 2 WpÜG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aktienrechtliche Regelungen zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überantwortung der Entscheidung auf die Hauptversammlung bb) Aktienrechtliche Mechanismen zur Vermeidung einer Handlungsunfähigkeit der Zielgesellschaft im Bereich des Aufsichtsratshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI.
225 225 226 227 227
228 230
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Teil 4
Schluss
232
§ 10 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Teil 1
Einführung § 1 Problemstellung I. Problemaufriss Übernahmen von börsennotierten Unternehmen kommen in den Organismen der Volkswirtschaften nicht mehr nur im Quantum eines Spurenelements vor. Sie sind zu einem festen Bestandteil der Wirtschaftsordnungen – auch der deutschen – geworden. Dabei handelt es sich keineswegs durchweg um Transaktionen, bei denen sich das Management des Übernehmers mit der Führung der Zielgesellschaft vorher ins Benehmen gesetzt und einen Konsens über den Takeover erzielt hat. Die Rede ist von sog. feindlichen Übernahmeangeboten. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ein Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft ein öffentliches Angebot zum Erwerb ihrer Aktien an der Gesellschaft unterbreitet, ohne dass die Verwaltung der Zielgesellschaft dieses Unterfangen unterstützen würde.1 Feindliche Übernahmeversuche mit deutscher Beteiligung sind keine Rarität: Im Frühjar 2006 scheiterte etwa die Darmstädter Merck Gruppe mit ihrem Versuch, den Berliner Pharmakonzern Schering AG feindlich zu übernehmen.2 Erfolgreich war dagegen die im Ausgangspunkt ebenfalls feindliche Übernahme des US-amerikanischen Chemie-Unternehmens Engelhardt durch die Ludwigshafener BASF AG.3 In den Fällen feindlicher Übernahmen werden Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft danach trachten zu verhindern, dass der Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt. Die 1
Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 5; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, S. 1; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 8; Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 530; Kirchner, WM 2000, 1821. 2 Handelsblatt, 13. März 2006, Nr. 51/2006, S. 1, „Merck greift nach Schering“; Handelsblatt, 15. März 2006, Nr. 53/2006, S. 14, „Merck wirbt um die Gunst der Berliner Landespolitik“; Handelsblatt, 13. Juni 2006, Nr. 112/2006, S. 2, „Showdown um Schering“. 3 Handelsblatt, 4. Januar 2006, Nr. 3/2006, S. 1, „BASF plant Kauf in den USA“; Handelsblatt, 10. Januar 2006, Nr. 8/2006, S. 12, „Engelhards Giftpillenschrecken schrecken BASF nicht“; Handelsblatt, 31. Mai 2006, Nr. 4/2006, S. 1, „BASF ist bei Engelhard am Ziel“.
16
Teil 1: Einführung
Antwort auf die Frage, welche rechtlichen Grenzen Vorstand und Aufsichtsrat bei der Abwehr eines feindlichen Übernahmeversuchs gesteckt sind, wurde bis zum Inkrafttreten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zum 1. Januar 2002 vor allem im allgemeinen Aktienrecht sowie in kapitalmarktrechtlichen Grundsätzen gesucht. Eine spezialgesetzliche Regelung dieser Problematik fehlte. Die Regelung des § 33 WpÜG wurde vom Gesetzgeber geschaffen, um dieses Manko zu beheben. Befragt man diese Norm nach den Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots, werden sich schon bald Sorgenfalten auf der Stirn des Fragenden abzeichnen. Die Vorschrift betrifft unmittelbar – wie schon die amtliche Überschrift zu erkennen gibt – nur Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens. Nur ihm, nicht auch dem Aufsichtsrat, verbietet das sog. Verhinderungsverbot grundsätzlich die Vornahme von Handlungen, die geeignet sind, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Vorstand und Aufsichtsrat werden damit unterschiedlich behandelt. Diese Regelung wirft die Frage nach den Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots auf: Inwieweit darf der Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen des Vorstands legalisieren? Muss der Vorstand den Aufsichtsrat beteiligen, wenn er gegen das Übernahmeangebot vorgehen möchte? Kann der Aufsichtsrat aus eigenem Antrieb Abwehrmaßnahmen gegen das Übernahmeangebot initiieren? Diese Fragen zu beantworten, ist Ziel dieser Untersuchung. Sie soll klären, welche Verhaltenspflichten für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bestehen, wenn die Gesellschaft zum Target eines feindlichen Übernahmeangebots wird. II. Abgrenzung der Thematik Die Arbeit behandelt die Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft als Organ. Nicht beleuchtet wird daher die rechtliche Lage in Hinblick auf das einzelne Aufsichtsratsmitglied.4 Daher werden auch Rechtsfragen in Zusammenhang mit dem Verbot der Gewährung ungerechtfertigter Leistungen gemäß § 33 d WpÜG n. F. nicht erörtert. Verfassungsrechtliche Fragen in Zusammenhang mit der Unternehmensmitbestimmung bleiben ebenfalls ausgeklammert. Diese Fragen stellen sich nicht nur bei Entscheidungen des Aufsichtsrats in Zusammenhang mit Übernahmeangeboten, sondern lösgelöst von einem etwaigen Übernahmekontext. Sonderprobleme eines Management-Buyouts werden bei der Betrachtung ebenfalls außen vor gelassen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Pflicht 4 Zu Interessenkonflikten des einzelnen Aufsichtsratmitglieds siehe etwa: Schander/Posten, ZIP 1997, 1534, 1536 f.; Lange, WM 2002, 1737, 1745 f.
§ 1 Problemstellung
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des Aufsichtsrats gemäß § 29 WpÜG zur Abgabe einer Stellungnahme zum Übernahmeangebot findet ebenfalls nicht statt.5 Diese Pflicht besteht nicht spezifisch bei feindlichen Übernahmeangeboten, sondern generell bei öffentlichen Erwerbsangeboten. Nicht zum Untersuchungsgegenstand zählen ferner Fragen der Haftung und des Rechtsschutzes6 in Zusammenhang mit Abwehrmaßnahmen. Schließlich konzentriert sich die Untersuchung auf den Verhaltensstandard des Aufsichtsrats nach dem gesetzlichen Grundmodell, das von § 33 WpÜG – nicht von § 33 a WpÜG n. F.7 – bestimmt wird. III. Gang der Untersuchung Die Frage, welche Verhaltenspflichten für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bei einem feindlichen Übernahmeversuch bestehen, ist stets aufgeworfen, wenn ein öffentliches Übernahmeangebot für die Aktien der Zielgesellschaft im Raum steht. Was aber versteht das Gesetz unter einem öffentlichen Übernahmeangebot? Gibt es andere Wege, die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen? Auf welche Sachverhalte sind die im WpÜG enthaltenen Regelungen über das öffentliche Übernahmeangebot anwendbar? Welches Verfahren sieht das Gesetz für die Unterbreitung einer solchen Offerte vor? Über diese grundlegenden Fragestellungen gibt der erste Teil der Untersuchung Auskunft. Er schließt mit einer Analyse der Interessen der auf Seiten des Bieters und der Zielgesellschaft beteiligten Personen. Der zweite Teil bildet den Rahmen der Untersuchung. Zunächst werden feindliche Übernahmen aus dem Blickwinkel der ökonomischen Analyse in Augenschein genommen. Es schließt sich ein Länderbericht über die rechtliche Behandlung feindlicher Übernahmen in Großbritannien und den USA an. Schließlich widmet sich der zweite Teil der Frage, in welchen Etappen sich rechtliche Vorgaben für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft auf europäischer und deutscher Ebene entwickelt haben. Das Herzstück der Arbeit findet sich im dritten Teil. Hier sollen die rechtlichen Vorgaben herausgearbeitet werden, die de lege lata für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots gelten. Analysiert wird nicht nur die Mitwirkung des Aufsichtsrats an Abwehrmaßnahmen des Vorstands. Besonderes Augenmerk wird vielmehr den Grenzen gewidmet, die dem Aufsichtsrat gezogen sind, wenn er selbst aus eigenem Antrieb Maßnahmen initiiert, um das Übernahmeangebot zu torpedieren. 5 Siehe hierzu: Harbarth, ZIP 2004, 3; Friedl, NZG 2004, 448; Horstmann, Arbeitsrechtliche Maßnahmen, S. 108 ff. 6 Siehe hierzu: Seibt, in: Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 25, S. 337; Dolde, in: Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 25, S. 377. 7 Siehe hierzu etwa Meyer, WM 2006, 1135, 1139 f.
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Teil 1: Einführung
IV. Charakteristika des Übernahmeangebots nach dem WpÜG Das Übernahmeangebot ist in §§ 29 ff. WpÜG geregelt. Bei einem Übernahmeangebot handelt es sich um ein an die Aktionäre der betroffenen Gesellschaft (Zielgesellschaft8) gerichtetes Angebot, ihre Aktien an die das Angebot unterbreitende Person (Bieter9) gegen ein bestimmtes Entgelt und zu bestimmten Konditionen innerhalb einer bestimmten Frist zu veräußern.10 Das entscheidende Merkmal von Übernahmeangeboten ist ihre Stoßrichtung: Übernahmeangebote sind auf den Erwerb der Kontrolle der Zielgesellschaft gerichtet.11 Der Bieter beabsichtigt durch den angestrebten Aktienerwerb12 – genauer: durch die Stimmrechte, die mit den zu erwerbenden Aktien verbunden sind – die Kontrolle über die Hauptversammlung der Zielgesellschaft – und dadurch über die Zielgesellschaft selbst – zu erlangen.13 Von einem Kontrollerwerb geht der Gesetzgeber aus, wenn mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft gehalten werden.14 Für den Bieter ist die Kontrollausübung wirtschaftlich mehr wert, als die Summe aller Aktien, die für die Kontrollausübung erforderlich sind, man spricht von einer Kontrollprämie.15 Die Motivation zur Abgabe des Übernahmeangebots geht von dem die Kontrolle begehrenden Bieter aus, es handelt sich um ein freiwilliges Angebot. Das WpÜG kennt neben dem Übernahmeangebot das sog. einfache Erwerbsangebot als eine weitere Form des freiwilligen Angebots.16 Einfache Erwerbsangebote sind im Gegensatz zu Übernahmeangeboten nicht auf den Erwerb der Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet.17 Auf Übernahmeangebote finden die Vorschriften über einfache Erwerbsangebote Anwendung, soweit für Übernahmeangebote 8
Zum Begriff „Zielgesellschaft“ siehe § 2 Abs. 3 WpÜG. Zum Begriff „Bieter“ siehe § 2 Abs. 4 WpÜG. 10 Kessler, Übernahmeangebote, S. 12 ff.; Dietrich, AWD 1973, 304; Gross, AWD 1973, 592; Bess, AG 1976, 210; Behrens, ZGR 1975, 433, 437; Heinsius, in: Schmitthoff/Goré/Heinsius, S. 35, 48. 11 Siehe § 29 Abs. 1 WpÜG. 12 Das Übernahmeangebot erstreckt sich grundsätzlich auf alle von der Zielgesellschaft ausgegebenen Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 2 WpÜG. Ausschlaggebend für den Kontrollerwerb nach § 29 WpÜG sind aber die Aktien der Zielgesellschaft, da sie das Stimmrecht vermitteln (§ 12 Abs. 1 AktG); vgl. Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 32, Rn. 10. 13 Behrens, ZGR 1975, 433, 438; Bess, AG 1976, 210; Immenga, in: Kreuzer, Übernahmeangebote, S. 11, 17. 14 Siehe § 29 Abs. 2 WpÜG. 15 Immenga, in: Kreuzer, Übernahmeangebote, S. 11, 17; Hopt, ZGR 1993, 534, 544. 16 Siehe §§ 10 ff. WpÜG; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 29, Rn. 11. 17 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 29, Rn. 11. 9
§ 1 Problemstellung
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keine Spezialvorschriften gelten.18 Neben den freiwilligen Angeboten kann auch eine Rechtspflicht zur Abgabe eines Angebots bestehen, es wird von einem Pflichtangebot gesprochen.19 Beim Übernahmeangebot handelt es sich – ebenso wie bei den übrigen vom WpÜG geregelten Angebotsarten – um ein öffentlich abzugebendes Angebot.20 Da sich das Übernahmeangebot gemäß § 1 WpÜG auf den Erwerb von Wertpapieren, die an einem organisierten Markt21 zugelassen sind, bezieht, bedarf es des öffentlichen Angebots als eines Mediums, das es dem Bieter ermöglicht, eine Vielzahl ihm unbekannter Aktionäre, insbesondere auch Kleinaktionäre, zu erreichen. Dabei richtet sich das Übernahmeangebot grundsätzlich an alle Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft.22 V. Alternative Wege der Unternehmensübernahme Das Übernahmeangebot ist nicht der einzig mögliche Weg, die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen. Eine weitere Möglichkeit, außerbörslich einen hinreichenden Aktienbesitz zu beziehen, ist der Erwerb aufgrund bilateraler Vereinbarung mit einem oder mehreren (Groß-)Aktionären.23 Dies setzt voraus, dass Aktionäre mit einem hinreichend großen Aktienpaket vorhanden und bereit sind, die Aktien an den Bieter zu einem für diesen akzeptablen Preis zu veräußern.24 Schließlich kann der Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft durch Aktienkäufe über die Börse erlangen. Dies kann die Übernahme jedoch verteuern, da der Kapitalmarkt auf eine nachhaltige Nachfrage von Aktien einer Gesellschaft mit einem deutlichen Kursanstieg reagieren wird.25 Zur Vermeidung eines sprunghaften Anstiegs des Börsenkurses ist ein sukzessiver Zukauf von Aktien der Gesellschaft über die Börse denkbar.26 Diese Form der Übernahme erschwert jedoch eine ver18
Siehe § 34 WpÜG. Siehe §§ 35 ff. WpÜG. 20 Siehe §§ 2 Abs. 1, 10 i. V. m. §§ 29, 34 WpÜG; siehe hierzu Fleischer, ZIP 2001, 1653 ff. 21 Der Begriff „organisierter Markt“ ist legaldefiniert in § 2 Abs. 7 WpÜG. 22 Siehe § 32 WpÜG; Kleindiek, ZGR 2002, 546; Wymeersch, ZGR 2002, 520; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2, Rn. 88. 23 Immenga, SAG 1975, 89; Behrens, ZGR 1975, 433, 439; Schanz, NZG 2000, 337, 339. 24 Immenga, SAG 1975, 89; Klein, NJW 1997, 2085; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 10; Riehmer/ Schröder, BB Beilage Nr. 5/2001, 1; Schanz, NZG 2000, 337, 339. 25 Immenga, SAG 1975, 89; Otto, DB 1988, Beilage 12, S. 1, 4; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1107. 26 Behrens, ZGR 1975, 433, 439. 19
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Teil 1: Einführung
lässliche unternehmerische Planung und finanzielle Kalkulation der Übernahme. Denn der Börsenkurs der Zielgesellschaft kann innerhalb des maßgeblichen Zeitfensters durch externe Einflüsse Veränderungen größeren Ausmaßes unterworfen sein.27 Eine Übernahme durch „Anschleichen“ an die Zielgesellschaft kann das Management der Zielgesellschaft kaum unvorbereitet treffen: Ein für den Übernehmer vorteilhafter Überraschungseffekt28 wird durch die kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG weitgehend ausgeschlossen.29 VI. Anwendbarkeit des WpÜG Diese Untersuchung beschränkt sich auf Sachverhalte, in denen ein öffentliches Übernahmeangebot vorliegt, das nach den Regeln des WpÜG beurteilt wird. Die Antwort auf die Frage, auf welche Sachverhalte das WpÜG Anwendung findet, wird daher im Folgenden umrissen. 1. Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug Der sachliche Anwendungsbereich des WpÜG umfasst alle öffentlichen Angebote zum Erwerb (also namentlich zum Kauf oder Tausch) von Wertpapieren i. S. d. § 2 Abs. 2 WpÜG, die von einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz im Inland ausgegeben wurden, sofern die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG zugelassen sind (§§ 1, 2 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 WpÜG). 2. Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug Das Übernahmerichtlinienumsetzungsgesetz (ÜbRL-UG)30 hat eine weit reichende Neuerung für den Geltungsbereich des WpÜG bei Übernahmen mit grenzüberschreitendem Bezug i. S. d. Artikel 4 Übernahmerichtlinie31 (ÜbRL) gebracht.32 Für eine Zielgesellschaft mit Sitz im Inland findet das WpÜG nur noch hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Fragen Anwen27 Immenga, SAG 1975, 89, 4; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 10. 28 Siehe hierzu Otto, DB 1988, Beilage 12, S. 1, 4. 29 Hopt, ZGR 2002, 333, 350 f.; hierzu auch Fleischer, NZG 2006, 561 f., mit Hinweis auf die Transparenzrichtlinie. 30 BGBl. Teil I 2006, S. 1426 ff. 31 ABl. EU Nr. L 142, S. 12. 32 BR-Drucks. 154/06, S. 21.
§ 1 Problemstellung
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dung, wenn die Wertpapiere dieser Gesellschaft ausschließlich im Ausland zum Handel an einem organisierten Markt im Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, § 1 Abs. 2 WpÜG n. F.33 Besondere Bestimmungen trifft das WpÜG für Europäische Angebote. Europäische Angebote betreffen Zielgesellschaften mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG n. F.). Die Gesetzesmaterialien sprechen aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung von Zielgesellschaften mit Sitz im europäischen Ausland.34 Ein Europäisches Angebot ist gemäß § 2 Abs. 1 a WpÜG n. F. ein Angebot, das erstens eine Zielgesellschaft mit Sitz im europäischen Ausland betrifft. Hinzukommen muss zweitens, dass das konkrete Angebot auch nach dem Recht des Sitzstaates der Zielgesellschaft als Angebot im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a ÜbRL gilt. Für Europäische Angebote zum Erwerb stimmberechtigter Wertpapiere gelten die Vorschriften über das Angebotsverfahren, die Gegenleistung und den Inhalt der Angebotsunterlage, wenn die Wertpapiere dieser Gesellschaft nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a WpÜG n. F.35 Sind bei einem Europäischen Angebot die Wertpapiere der Zielgesellschaft in mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, hängt die Anwendbarkeit der Vorschriften des WpÜG über das Angebotsverfahren, über die Gegenleistungen als auch über den Inhalt der Angebotsunterlage von verschiedenen, in § 1 Abs. 3 Nr. 2 lit. b bb WpÜG n. F. aufgeführten Kriterien ab. Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des WpÜG nach § 1 Abs. 3 WpÜG ist zu beachten, dass gemäß § 11 a WpÜG n. F. eine von der zuständigen Aufsichtsstelle eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums gebilligte Angebotsunterlage im Inland anerkannt wird.36 VII. Ablauf eines Übernahmeangebots nach dem WpÜG Das WpÜG hat ein formalisiertes Verfahren geschaffen, um öffentliche Angebote abzuwickeln, die auf den Erwerb der Kontrolle einer Gesellschaft gerichtet sind. Liegt ein öffentliches Übernahmeangebot vor, bedeutet dies für die Zielgesellschaft einen Ausnahmezustand. Wer sich mit den spezifischen materiell-rechtlichen Pflichten der Organe der Zielgesellschaft, na33 34 35 36
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154/06, 154/06, 154/06, 154/06,
S. S. S. S.
21. 21. 21. 33.
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mentlich des Aufsichtsrats, in dieser besonderen Situation beschäftigt, sollte sich auch den prozeduralen Kontext dieser Pflichtenlage vor Augen halten. Die Stationen, die das Gesetz im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots vorgibt, werden daher im Folgenden nachgezeichnet. 1. Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters, ein öffentliches Angebot abzugeben Möchte der Bieter die Kontrolle über eine Zielgesellschaft im Wege eines öffentlichen Angebots erlangen, muss er ein formalisiertes Verfahren durchlaufen. Der Ablauf dieses Übernahmeverfahrens unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von den anderen im WpÜG geregelten Angebotsverfahren.37 Das Verfahren wird eingeleitet, indem der Bieter seine Entscheidung veröffentlicht, ein öffentliches Angebot zum Erwerb der Aktien der Zielgesellschaft abzugeben. Diese Veröffentlichung hat nach § 10 Abs. 1 WpÜG unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), zu erfolgen. Die Veröffentlichung hat im Internet sowie zusätzlich über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem zu erfolgen.38 Bevor der Bieter seine Entscheidung veröffentlicht, hat er zum einen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) vorab zu informieren, und zum anderen die Geschäftsführungen der Börsen, an denen Wertpapiere der von dem Angebot betroffenen Unternehmen zum Handel zugelassen sind oder an denen auf sie bezogene Derivate i. S. v. § 2 Abs. 2 WpHG gehandelt werden.39 Bieter mit Wohnort oder Sitz im Ausland können von der BAFin davon befreit werden, die Börsen vorab zu informieren.40 Dem Informationsbedürfnis der Arbeitnehmer wird bereits in diesem Verfahrensstadium Rechnung getragen: Nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines öffentlichen Angebots hat er seine Entscheidung unverzüglich dem Vorstand der Zielgesellschaft mitzuteilen.41 Dieser ist verpflichtet, den zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar die Arbeitnehmer unverzüglich über die Mitteilung des Bieters zu informieren.42 In gleicher Weise wie die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft sind nach Inkrafttreten des ÜbRL-UG die Arbeitnehmer des Bieters von der Absicht des Bieters, ein öffentliches Angebot abzugeben, in Kenntnis zu setzen.43 37 38 39 40 41 42 43
H. Krause, ZGR 2002, 500, 510. § 10 Abs. 3 WpÜG n. F. § 10 Abs. 2 WpÜG. § 10 Abs. 2 S. 3 WpÜG. § 10 Abs. 5 S. 1 WpÜG. § 10 Abs. 5 S. 2 WpÜG; siehe hierzu Seibt, DB 2002, 529, 531 ff. § 10 Abs. 5 S. 3 WpÜG n. F.
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2. Veröffentlichung der Angebotsunterlage Nachdem der Bieter das öffentliche Angebot angekündigt hat, muss er Taten folgen lassen. Er hat grundsätzlich innerhalb von vier Wochen sein eigentliches Angebot, die Angebotsunterlage, der BAFin zu übermitteln.44 Der Inhalt der Angebotsunterlage richtet sich nach § 11 WpÜG sowie nach der auf Grund des § 11 Abs. 4 WpÜG erlassenen Angebotsverordnung. Die Angebotsunterlage enthält den bindenden Antrag i. S. d. § 145 BGB auf Abschluss eines Erwerbsvertrags, wobei diese Willenserklärung in dem formalisierten Verfahren des öffentlichen Angebots abgegeben wird.45 Die BAFin kann das Angebot nach Maßgabe des § 15 WpÜG untersagen. Gestattet die BAFin die Veröffentlichung der Angebotsunterlage oder verstreichen zehn Tage seit dem Eingang der Angebotsunterlage bei der BAFin, ist der Bieter zur Veröffentlichung der Angebotsunterlage verpflichtet.46 Dies hat zu erfolgen durch Bekanntgabe im Internet sowie zusätzlich durch Bekanntgabe im elektronischen Bundesanzeiger oder im Wege der Schalterpublizität.47 Die Information der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft und des Bieters über die Angebotsunterlage wird in diesem Verfahrensstadium durch § 14 Abs. 4 WpÜG n. F. sichergestellt. 3. Ablauf der Annahmefrist und der weiteren Annahmefrist Die Veröffentlichung der Angebotsunterlage durch den Bieter setzt die Frist zur Annahme des Angebots in Gang.48 Die Annahmefrist ist in der Angebotsunterlage zu bestimmen49 und beträgt grundsätzlich zwischen vier und zehn Wochen.50 Die Frist verlängert sich, wenn die Zielgesellschaft eine Hauptversammlung einberuft51, ein anderer Bieter ein konkurrierendes Angebot abgibt52 oder der Bieter sein ursprüngliches Angebot verändert.53 Unverzüglich nach der Übermittlung der Angebotsunterlage durch den Bieter haben Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft eine begründete Stellungnahme zum Angebot sowie später zu etwaigen Änderungen des An44 45 46 47 48 49 50 51 52 53
§ 14 Abs. Holzborn, § 14 Abs. § 14 Abs. § 16 Abs. § 11 Abs. § 16 Abs. § 16 Abs. § 22 Abs. § 21 Abs.
1 S. 1 WpÜG. in: Bad Homburger Hdb., Teil C, Rn. 17. 2 S. 1 WpÜG. 3 S. 1 WpÜG n. F. 1 S. 2 WpÜG. 2 S. 2 Nr. 6 WpÜG. 1 Satz 1 WpÜG. 3 WpÜG. 2 WpÜG. 5 WpÜG.
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gebots zu veröffentlichen.54 Gleichzeitig haben sie die Stellungnahme dem zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar den Arbeitnehmern zu übermitteln.55 Während des Laufs der Annahmefrist darf der Bieter die Hände nicht in den Schoss legen. Er hat nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage wöchentlich und in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täglich der BAFin mitzuteilen und zu veröffentlichen, wie hoch sein Wertpapier- und sein Stimmrechtsbestand an der Zielgesellschaft ist.56 Der Bestand von mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen und deren Tochterunternehmen ist einzubeziehen. Dieselbe Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht, sog. Wasserstandsmeldungen, besteht nach Ablauf der Annahmefrist. Bei einem Übernahmeangebot folgt auf die Annahmefrist grundsätzlich die sog. weitere Annahmefrist.57 Die Aktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben, erhalten hierdurch die Möglichkeit, nach Ablauf der Angebotsfrist und nach der Veröffentlichung der Annahmequote innerhalb einer Zweiwochenfrist das Angebot doch noch anzunehmen. Diese sog. Zaunkönigsregelung soll das Informationsdefizit von Minderheitsaktionären, die sich untereinander aus tatsächlichen Gründen regelmäßig nicht abstimmen können, kompensieren.58 Nach Ablauf der weiteren Annahmefrist hat der Bieter letztmalig über den Erfolg seines Angebots zu informieren.59
VIII. Die Interessen der an einem feindlichen Übernahmeverfahren Beteiligten Es gehört zu den Grundaufgaben der Jurisprudenz herauszuarbeiten, welche von einer rechtlichen Regel tangierten, menschlichen Interessen bestehen und wie der Konflikt dieser Interessen durch die jeweils anzuwendende Norm entschieden werden soll.60 Von einem Übernahmeangebot wird eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen tangiert. Rechtliche Spielregeln, die das Verhalten des Managements der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens normieren, implizieren zwangsläufig eine Bewertung der konfligierenden Interessen. Eine Beleuchtung der Interessen der Personen, 54
§ 27 Abs. 3 S. 1 WpÜG. § 27 Abs. 3 S. 3 WpÜG. 56 § 23 Abs. 1 S. 1 WpÜG. 57 § 16 Abs. 2 S. 1 WpÜG. 58 Santelmann, AG 2002, 497, 499; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 61; ausführlich zum sog. Prisoner’s Dilemma: Witt, NZG 2000, 809, 812. 59 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG. 60 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 115. 55
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die von einem Übernahmeangebot berührt werden, hilft dabei, rechtliche Wertungen nachvollziehen und interessensgerecht entwickeln zu können. Im Folgenden wird der Blick auf die Interessen der Personen auf Seiten der Zielgesellschaft und des Bieters gerichtet. Sie werden unmittelbar von einer feindlichen Übernahme tangiert. 1. Bieter Beim Bieter kann es sich um eine natürliche oder juristische Person sowie um eine Personengesellschaft handeln.61 Aufgrund des Kapitalbedarfs, der mit der Übernahme einer börsennotierten Gesellschaft verbunden ist, wird der Bieter regelmäßig selbst ein Unternehmen sein. Hat der Bieter bzw. sein Management die Entscheidung getroffen, eine Zielgesellschaft im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots zu übernehmen, ist er daran interessiert, das Angebotsverfahren durchführen zu können, ohne durch Maßnahmen des Managements der Zielgesellschaft behindert zu werden.62 Abwehrmaßnahmen, die den beabsichtigten Kontrollerwerb vereiteln, verteuern oder die spätere Kontrollausübung erschweren können, sind von Seiten des Bieters unerwünscht. Abhängig von der Gesellschaftsform, in der der Bieter korporiert ist, können im Verhältnis zwischen den Anteilseignern des Bieters und seinem Management Interessensgegensätze auftreten. Es handelt sich um die der Organverfassung immanenten Konflikte, die typischerweise bestehen, wenn die Anteilseigner der Bietergesellschaft – obwohl sie das wirtschaftliche Risiko der Unternehmung tragen – nicht selbst die Entscheidung treffen, die Zielgesellschaft zu übernehmen. Die Übernahme der Zielgesellschaft kann auch Auswirkungen auf die Arbeitnehmer des Bieters mit sich bringen. Will der Bieter nach dem Erwerb der Kontrolle über die Zielgesellschaft Synergieeffekte erreichen, kann dies für Arbeitnehmer des Bieters mit einem Arbeitsplatzabbau und Betriebsverlagerungen verbunden sein. 2. Zielgesellschaft a) Aktionäre Die Aktionäre der Zielgesellschaft sind die Adressaten des öffentlichen Angebots des Bieters. Sie entscheiden durch die Annahme oder die Ableh61 62
Siehe § 2 Abs. 4 WpÜG. Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 725.
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nung des Angebots über den Erfolg des Übernahmeangebots.63 Wird der Aktionär bei seiner Entscheidung ausschließlich von ökonomischen – und nicht strategischen – Gesichtspunkten geleitet, strebt er die größtmögliche Steigerung der Rendite seiner Kapitalanlage an. Gelangt er zu der Ansicht, dass seine Aktien ein höheres Renditepotential aufweisen, wenn das Übernahmeangebot erfolglos ist, wird er das an ihn gerichtete Angebot ablehnen. Schätzt der Aktionär dagegen seine Renditechancen höher ein, wenn er seine Aktien an der Zielgesellschaft an den Bieter zu den Konditionen des öffentlichen Angebots veräußert, ist er daran interessiert, die Offerte zu akzeptieren.64 Abwehrmaßnahmen des Managements der Zielgesellschaft, die dem Aktionär die Möglichkeit nehmen, das öffentliche Angebot anzunehmen, laufen den Interessen des Aktionärs zuwider, weil er nicht selbst über das an ihn adressierte Angebot entscheiden kann.65 Das heißt nicht, dass Abwehrmaßnahmen der Verwaltung der Zielgesellschaft dem Aktionär stets ein Dorn im Auge sein müssen: Verteidigungsmaßnahmen, die dazu führen, dass der Bieter im Laufe des Übernahmeverfahrens sein Angebot aufstockt, werden dem Aktionär willkommen sein, kann der doch seine Aktien zu einem höheren als dem ursprünglich angebotenen Preis an den Bieter veräußern. b) Vorstand und Aufsichtsrat Hält es der Bieter nicht für erforderlich, sein Übernahmeangebot mit der Verwaltung der Zielgesellschaft abzustimmen, verheißt dies für die Mitglieder des Vorstands und die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft in aller Regel nichts Gutes: Ihnen droht der Verlust ihrer Ämter nach einem Kontrollerwerb durch den Übernehmer. Der Bieter wird in aller Regel ein anderes Unternehmenskonzept und andere Leitlinien der Geschäftspolitik verfolgen als das amtierende Management.66 Dies wird er auch durch personelle Veränderungen im Management zum Ausdruck bringen, indem er die Verwaltung der Zielgesellschaft nach erfolgter Übernahme mit Personen seines Vertrauens besetzt.67 Das Management der Ziel63
Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 14; Kirchner, AG 1999, 481, 483; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157 f.; Horn, ZIP 2000, 473 f. 64 Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 2. 65 Hopt, in: FS Zöllner (1998), S. 253, 254. 66 Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 207. 67 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 16.
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gesellschaft wird daher ein ausgeprägtes persönliches Eigeninteresse daran haben, die Übernahme zu verhindern.68 Das Damoklesschwert des Amtsverlustes schwebt dabei über dem Vorstand in gleicher Weise wie über dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft.69 Auch die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat müssen mit einiger Wahrscheinlichkeit ihren Hut nehmen, wenn die Übernahmepläne des Bieters aufgehen.70 Der Vorstand und die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben also, wenn der Bieter seine Übernahmepläne über ihre Köpfe hinweg ins Werk setzen will, regelmäßig ein Interesse daran, dass die Übernahme scheitert. c) Arbeitnehmer Für die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft sind die Umstrukturierungen, die sich häufig an Übernahmen anschließen, mit weit reichenden Folgen verbunden. Die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft müssen – noch mehr als die Arbeitnehmer des Bieters – damit rechnen, dass ihr Arbeitsplatz nach der Übernahme durch den Bieter wegfällt oder verlegt wird, um Synergien zu erreichen.71
68 Hauschka/Roth, AG 1988, 181, 186; Hopt, in: FS Zöllner (1998), S. 253, 254; derselbe, in: FS Koppensteiner (2001), S. 61, 68; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105. 69 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 29; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, 185; Hopt, ZGR 1993, 534 546 ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 95. 70 Grunewald, AG 2001, 288 50; die Ablösung des Managements der Zielgesellschaft muss aber nicht zwingend vom Bieter beabsichtigt sein; daher erscheint es als überspitzt, Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft als „Zielmanagement“ zu bezeichnen, so aber Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105 f. 71 Behrens, ZGR 1975, 433 f.; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, S. 13; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 16; Grobys, NZA 2002, 1.
Teil 2
Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen § 2 Ökonomische Betrachtung von Unternehmensübernahmen Welche Gründe bewegen den Bieter, den Erwerb der Kontrolle über ein anderes Unternehmen anzustreben und welche Wirkungen zeitigt eine Übernahme? Die ökonomische Analyse des Rechts hat Ansätze zur Beantwortung dieser Fragen entwickelt. Der ökonomische Blickwinkel unterstützt das Verständnis des Übernahmerechts und hält Kriterien für die Anwendung und Fortbildung des Rechts bereit.1 I. Wertsteigerung 1. Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle Ausgangspunkt dieser Theorie ist die Überlegung, dass der Börsenkurs eines Unternehmens Aufschluss über die Effizienz seines Managements gibt.2 Eine überdurchschnittliche Performance des Aktienkurses ist demnach Ausdruck einer effizienten Unternehmensführung. Ein unterdurchschnittlicher Aktienkurs offenbart eine unwirtschaftlich arbeitende Unternehmensleitung. Der Austausch eines leistungsschwachen Managements durch eine effizientere Führung ist mit der Aussicht auf eine Wertsteigerung des Unternehmens verbunden. Der Erwerb eines Unternehmens mit unterdurchschnittlichem Börsenkurs bietet für den Übernehmer die Perspektive steigenden Wertes der erworbenen Anteile. Ein inadäquat niedriger Börsenkurs weckt das Interesse, die Gesellschaft zu erwerben und ihr Management auszutauschen. Die Mana1 Vgl. allgemein zur Bedeutung der ökonomischen Analyse für die Rechtsanwendung und -fortbildung: Ott, in: Freundesgabe Kübler (1997), S. 19, 30 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, § 10; derselbe, AcP 197 (1997), S. 80, 116 ff.; R. Krause, Mitarbeit in Unternehmen, S. 147 f. 2 Manne, 73 J. Pol. Econ. 110 (165); Easterbrook/Fischel, 91 Yale Law Journal 1982, S. 698; aus der deutschsprachigen Literatur: Röhrich, Feindliche Übernahmeangebote, S. 42 ff.; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl., Rn. 6; auch der BGH scheint ein entsprechendes Verständnis zu teilen, vgl. BGH 12.3.2001, BGHZ 147, 108 = BB 2001, 1053, 1055 = ZIP 2001, 734 – „DAT/Altana“.
§ 2 Ökonomische Betrachtung von Unternehmensübernahmen
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ger stehen unter dem Druck, durch einen unangemessen niedrigen Börsenkurs als „lame duck“ kompromittiert3 und vom Kapitalmarkt abgestraft zu werden.4 Eine Disziplinierung des Managements ist der Fall.5 Beim Markt für Unternehmenskontrolle handelt es sich um eine Form gesellschaftsexterner Überwachung, die das Bedürfnis nach kostenintensiver gesellschaftsinterner Beaufsichtigung des Managements (sog. „agency costs“) vermindert.6 Diese Form der externen Kontrolle vermindert das Risiko, dass die Geschäftsleiter ihren Informationsvorsprung gegenüber den Anteilseignern opportunistisch ausspielen (sog. „principal agent conflict“).7 Unternehmensübernahmen können nach dieser Theorie somit eine Effizienz steigernde Wirkung entfalten, indem sie die Allokation der in den Unternehmern gebundenen Ressourcen verbessern, den Strukturwandel der Volkswirtschaft fördern und den Wettbewerb auf den Gütermärkten stimulieren, weil das Management zu effizienterem Handeln angetrieben wird.8 Dieses Konzept eines Marktes für Unternehmenskontrolle wird vereinzelt von einigen Stimmen im Schrifttum in Frage gestellt. Die Ausgangsthese, die Ineffizienz des Managements spiegele sich im Börsenkurs wider, sei empirisch nicht nachgewiesen.9 Nach profitablen Unternehmen würden in der Regel potentielle Übernehmer häufiger die Hand ausstrecken.10 Die ganz überwiegende Meinung in der Wirtschafts- wie Rechtswissenschaft befürwortet das Modell eines market for corporate control, weist aber darauf hin, dass die Funktionsfähigkeit dieses Marktes davon abhängt, wie das Übernahmerecht ausgestaltet ist.11 3 Adams, AG 1989, 333, zeichnet das Bild eines „konsumbetonten, machthungrigen, phantasielosen, uninteressierten oder auf andere Weise unfähigen Managements“. 4 Kirchner, AG 1999, 481, spricht von einem Anreiz- und Sanktionsmechanismus. 5 Immenga, in: Kreuzer, Übernahmeangebote, S. 11, 12; Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl., Rn. 6. 6 Jensen, in: Coffee/Lowenstein/Rose-Ackermann, S. 314, 321; Kirchner, AG 1999, 481. 7 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 9; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 171 ff.; Mühle, Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 54 ff.; Kirchner, WM 2000, 1821, 1824; Hirte, in: KK-WpÜG, Einl., Rn. 27; allgemein zur Prinzipal-Agent-Theorie: Fleischer, ZGR 2001, 1, 7 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, IV.4, S. 173 ff.; Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/ Kanda/Rock, Anatomy of Corporate Law, S. 21 ff. 8 Adams, AG 1990, 243 f.; Immenga, in: Kreuzer, Übernahmeangebote, S. 11, 12 f.; Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 371. 9 Liekefett, RIW 2004, 824, 825. 10 Ravenscraft/Scherer, in: Coffee/Lowenstein/Rose-Ackermann, S. 194, 196; Hirte, in: KK-WpÜG, Einl., Rn. 16; Liekefett, RIW 2004, 824, 825. 11 Adams, AG 1989, 333; Hopt, ZGR 1993, 534, 543 ff.; Kirchner, AG 1999, 481 m. w. Nachw.; Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahme-
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
2. Synergiegewinne Ein Grund für das Phänomen Unternehmensübernahmen wird in der Realisierung von Synergiegewinnen erblickt. Der Wert des Unternehmensverbundes ist größer als der beider Einzelunternehmen zusammen.12 Der Wertzuwachs kann erreicht werden durch echte operative sowie durch finanzielle Synergien. Operative Synergieeffekte resultieren zum einen daraus, dass sich die Fixkosten des Unternehmensapparates auf ein größeres Produktionsvolumen beziehen („economies of scale“).13 Zum anderen können bei einer Unternehmensübernahme sich ergänzende Ressourcen und Strukturen beider Unternehmen zusammengeführt werden („economies of scope“).14 Die Einsparungen im operativen Bereich beziehen sich auch auf die Personaldecke des Unternehmensverbundes: Arbeitsplatzabbau bzw. die Schließung von Standorten sind ein häufiges Mittel zur Schaffung operativer Synergieeffekte.15 Auch finanzielle Einsparungen aufgrund der Verringerung der Kapitalkosten werden neben operativen Synergieeffekten als Grund für Akquisitionen genannt.16 Empirische Untersuchungen stützen überwiegend die Annahme, dass Synergien durch Übernahmen erreicht werden.17 3. Verringerung des free cash flow Ein weiterer Ansatz sieht den Grund für Unternehmensübernahmen in einer verfehlten Ausschüttungspolitik des Managements. Ziel von Unternehmensübernahmen werden nach diesem Konzept besonders Gesellschaften mit einem großen Polster an liquiden Mitteln, die aktuell nicht benötigt werden („free cash flow“). Das Management füllt seine Kriegskasse, um weitere Akquisitionen zu tätigen, die das Unternehmen und die Interessen der Aktionäre überfordern. Grund für diese Entwicklung ist, so die Vertreter dieses Konzepts, der von den Geschäftsleitern angestrebte Macht- und Einflussgewinn, der mit der Kontrolle über weitere Unternehmen verbunden ist.18 Durch das Anhäufen von Kapital kommen die Geschäftsleiter nicht in angebote, § 33, Rn. 15; Escher-Weingart, ZVglRWiss 2000, 387, 391; Grundmann, NZG 2005, 122; in diese Richtung auch Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 713. 12 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 7; von Falkenhausen, in: FS Stiefel (1987), S. 163, 166 f. 13 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 7. 14 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 7. 15 Hirte, in: KK-WpÜG, Einl., Rn. 12. 16 Siehe hierzu Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 9 f. 17 Liekefett, RIW 2004, 824, 825; Hirte, in: KK-WpÜG, Einl., Rn. 14; Schwartze, in: Ott/Schäfer, S. 264, 267, alle m. w. Nachw. 18 Jensen, in: Coffee/Lowenstein/Rose-Ackermann, S. 314, 321.
§ 2 Ökonomische Betrachtung von Unternehmensübernahmen
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die Verlegenheit, sich die Mittel über den Kapitalmarkt besorgen und sich damit dessen kritischen Augen stellen zu müssen.19 Die finanziellen Ressourcen, die in die Kriegskassen der Unternehmen fließen, werden dem Zugriff der Aktionäre entzogen, obwohl diese das Kapital profitabler einsetzen können. Die Gefahr, durch das übermäßige Einbehalten von Kapital zum Übernahmeziel zu werden, diszipliniert das Management. Dividenden werden eher ausgeschüttet, um die Anleger bei Laune zu halten. Die Kosten des Konflikts zwischen dem Management und den Anteilseignern über die Ausschüttung des free cash flow werden durch die Möglichkeit der Unternehmensübernahme gesenkt.20 Die Frage, ob sich die „Free Cash FlowTheorie“ durch empirische Daten belegen lässt, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet.21 II. Wertverschiebung Die Effizienz steigernde Wirkung von Übernahmen stellen die Vertreter der sog. Umverteilungstheorien in Frage. Unternehmensübernahmen führen nach diesem Begründungsansatz zu einer Gewinnmaximierung des Übernehmers, die von der Ausbeutung Dritter genährt wird. Es wird davon ausgegangen, dass der Bieter seinen individuellen Nutzen auf Kosten derjenigen Aktionäre maximiert, die als Minderheit in der Gesellschaft verbleiben.22 Nach den Vertretern dieses Ansatzes droht den Minderheitsaktionären nach erfolgter Übernahme oftmals die offene Ausplünderung des Gesellschaftsvermögens (sog. „asset stripping“ oder „looting“).23 Aber selbst wenn der Erwerber ein solches Vorgehen nicht beabsichtigt, spiegelt sich jedenfalls der große Vorteil, den der Bieter aus der Übernahme zieht, nicht in dem Preis wider, den er für den Kontrollerwerb aufbringen muss. Die Möglichkeit, durch Übernahmen Wertverluste auf die Minderheitsaktionäre auslagern zu können, wirkt nach dieser Theorie als Anreiz, die Kontrollmacht auf andere Unternehmen auszuweiten, ohne dass dies mit einer verbesserten Nutzung der Unternehmensressourcen verbunden ist.24 Dieser Anreiz zur Fehlleitung von Ressourcen wirkt sich nachteilig auf die Volkswirtschaft aus. 19
Adams, AG 1989, 333. Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 11. 21 Siehe hierzu Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 17 a. E. 22 Stützel, in: Arndt, Konzentration in der Wirtschaft, S. 907, 959 ff.; Mühle, Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 73; Schwartze, in: Ott/Schäfer, S. 264, 272. 23 Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 36; in dieser Richtung wohl auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 VII 3 c ff, S. 515 f. 24 Schwartze, in: Ott/Schäfer, S. 264, 275. 20
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
Die These von einer Ausbeutung der Minderheitsaktionäre wird überwiegend abgelehnt, da sich das Konzept empirisch nicht bestätigen lasse.25 Auch der Gesetzgeber folgt der These offensichtlich nicht. Er hält die Minderheitsaktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben, zwar für schutzwürdig, in dem er ihnen nach erfolgter Übernahme ein Andienungsrecht gemäß § 39 c WpÜG n. F. einräumt. Die Annahme, dass das Andienungsrecht eine Antwort des Gesetzgebers auf die behauptete Gefahr vor Ausbeutung der Minderheit durch den Bieter ist, geht jedoch zu weit. Denn das Andienungsrecht nach § 39 c WpÜG n. F. setzt voraus, dass der Bieter berechtigt ist, einen Antrag nach § 39 a WpÜG n. F. auf Squeeze-out der verbleibenden Aktionäre zu stellen, dem Bieter also Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals gehören und er über mindestens 95 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft verfügt. Da diese Schwelle deutlich über der Kontrollschwelle des § 29 Abs. 1 WpÜG liegt, wäre die Regelung des Andienungsrechts von vornherein unzulänglich, wenn sie eine Ausbeutung der Minderheit verhindern wollte. Andere Autoren stimmen in dem Ausgangspunkt ein, dass Übernahmen die Möglichkeit eröffnen, durch Ausbeutung Dritter den eigenen Nutzen zu erhöhen. Die Opfer der Ausbeutung sind nach dieser Spielart der Ausbeutungstheorien – neben Fremdkapitalgebern26, dem Fiskus27 und den Verbrauchern28 – insbesondere die Arbeitnehmer.29 Arbeitnehmer treffen mit dem bisherigen, vertrauenswürdigen Management implizite Vereinbarungen, die u. a. ihre berufliche Zukunft und eine faire Behandlung30, auch in finanzieller Hinsicht, zum Gegenstand haben. Das vertrauenswürdige Management wird diese impliziten Vereinbarungen und Versprechen nicht brechen. Übernahmen bieten nach dieser Theorie die Chance, das vertrauenswürdige Management zugunsten eines neuen Managements auszuwechseln, das sich an die impliziten Vereinbarungen seines Vorgängers im Amt nicht gebunden fühlt bzw. diese zu brechen bereit ist.31 Dadurch können Kosten reduziert 25 Hirte, in: KK-WpÜG, Einl., Rn. 21 m. w. Nachw.; Schwartze, in: Ott/Schäfer, S. 264, 274, weist selbst darauf hin, dass sich die von ihm behauptete Beeinträchtigung der Eigentumsrechte der Minderheitsaktionäre im Falle einer Übernahme nur „schwer nachweisen“ ließen. 26 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 15. 27 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 13 f. 28 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 184; Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 19. 29 Siehe hierzu Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 181 ff.; Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 15 f. 30 Siehe Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 181. 31 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 182.
§ 2 Ökonomische Betrachtung von Unternehmensübernahmen
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sowie im Unternehmen schlummernde Werte freigesetzt und diese den Anteilseignern zugewendet werden.32 Die Richtigkeit dieser Theorie wird im Schrifttum überwiegend in Zweifel gezogen.33 III. Wertrealisierungstheorien Ein weiterer Begründungsansatz führt Übernahmen darauf zurück, dass effiziente Kapitalmärkte nicht existierten, d.h. der Börsenkurs das Aktionärspublikum nicht hinreichend über den wahren Wert des Unternehmens informiert.34 Nach einer teilweise vertretenen Ansicht sei die Ineffizienz der Kapitalmärkte auf die Einstellung der Investoren zurückzuführen, die langfristige Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht zu schätzen wissen, sondern kurzfristige Projekte mit kurzlebigen Gewinnen honorieren.35 Dies führt zu einer Unterbewertung von weitschauend planenden Gesellschaften. Bestimmte Unternehmen, die potentiellen Übernehmer, sind in der Lage, eine generelle oder durch Kurzsichtigkeit der Investoren („Markt Myopia“) hervorgerufene Unterbewertung des fraglichen Unternehmens zu ermitteln und ihren Informationsvorsprung dazu zu nutzen, das Unternehmen unter Wert zu erwerben. Die These einer generellen Ineffizienz der Kapitalmärkte lässt sich durch empirische Befunde nicht stützen und wird überwiegend abgelehnt.36 IV. Wertindifferente Theorien Persönliche Beweggründe der Unternehmenslenker werden des Weiteren als Grund für Unternehmensübernahmen genannt. Indem Manager eine Mehrzahl von Unternehmen unter ihre Kontrolle bringen („empire building“), befördern sie sich selbst zu Vorstehern eines „corporate empires“ und genießen die damit verbundenen Zuwächse an Gehalt, Prestige und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.37 Mit einer steigenden Größe des Un32
Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 182. Siehe hierzu Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 16 ff.; Mühle, Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 82 f. 34 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 20. 35 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 183 f. 36 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 20; Herkenroth, Konzernierungsprozesse, S. 333; Mühle, Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 90 ff.; Hirte, in: KK-WpÜG, Rn. 26; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, Einl., Rn. 11. 37 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 24 f.; H. Krause, Das obligatorische Übernahmeangebot, S. 103 ff.; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 33
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
ternehmens sinkt das Risiko, dass das Unternehmen selbst feindlich übernommen und sein Management abgelöst werde. Übernahmen werden nach den Vertretern dieser These aus eigensüchtigen und eitlen Motiven des Managements der Bietergesellschaft ins Werk gesetzt. Nach einem verwandten Ansatz ist das Management zwar bestrebt, die Effizienz der Unternehmung mit der Übernahme zu verbessern, fällt hierbei jedoch einer Überschätzung der eigenen Fähigkeit zum Opfer, den Nutzen der Zielgesellschaft für die Bietergesellschaft richtig einschätzen und Effizienzgewinne herbeiführen zu können (Hubris Hypothesis).38 Die Selbstüberschätzung sowie die Eigensucht der Verwaltung des Bieters muss von den Aktionären der Bietergesellschaft bezahlt werden, wenn die Kontrolle über die Zielgesellschaft – gemessen an ihrem Nutzen für den Übernehmer – zu teuer bezahlt wird.39 Die Hubris Hypothesis kann sich z. T. auf empirische Daten stützen, so dass sie zumindest als ein Erklärungsansatz für Unternehmensübernahmen anzuerkennen ist.40 V. Ergebnis Eine generalisierende Aussage, warum Übernahmen stattfinden und wie sie wirken, vermag die ökonomische Analyse des Rechts nicht zu treffen.
§ 3 Die Regelung von Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft gegen feindliche Übernahmeversuche in anderen Rechtsordnungen Die Regelung des Verhaltens der Organe der Zielgesellschaft in einer Übernahmeauseinandersetzung ist Kernbestandteil jedes Übernahmerechts. Das britische und US-amerikanische Recht können in diesem Punkt als die Ausprägung zweier wirtschaftspolitisch diametral entgegengesetzter Grundpositionen bezeichnet werden. Dem englischen Recht liegt eine liberale Überzeugung zugrunde, wonach in erster Linie der Markt entscheiden soll, ob das Anteilseigentum an börsennotierten Gesellschaften den Inhaber wechselt oder nicht.41 Demgegenüber steht eine eher protektionistische Auf707; Hirte, in: KK-WpÜG, Einl., Rn. 28 ff.; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl., Rn. 12. 38 Romano, in: Hopt/Wymeersch, European Takeovers, S. 3, 25 f.; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 707. 39 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 184, sprechen von einer Ausbeutung der Anteilseigner der Bietergesellschaft. 40 Herkenroth, Konzernierungsprozesse, S. 331. 41 Merkt/Binder, BB 2006, 1285.
§ 3 Die Regelung von Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft
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fassung, die dem US-amerikanischen Recht entspricht. Um den Standort des deutschen Übernahmerechts zu ermitteln, bedarf es eines Seitenblickes auf das britische und das US-amerikanische Takeover Recht. Welche tendenzielle Stoßrichtung das jeweilige Übernahmerecht aufweist, wird im Folgenden skizziert. I. Großbritannien Die rechtlichen Regeln, die in Großbritannien für Übernahmeangebote gelten, sind im City Code on Takeovers and Mergers niedergelegt (City Code). Wie sich die Verwaltung einer Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots verhalten darf, wird in Rule 21 des City Code bestimmt. Dort findet sich ein strenges Verhinderungsverbot für den board der Zielgesellschaft als ihrem einheitlichen Leitungs- und Verwaltungsorgan. Das britische Recht kennt enge Ausnahmen vom strikten Verhinderungsverbot. Eine dem § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG korrespondierende Regelung ist ihm schon in Hinblick auf die monistische Verwaltungsstruktur britischer Gesellschaften fremd. Die Umsetzung der ÜbRL ins britische Recht42 hält am strengen Verhinderungsverbot für den board als Grundregelung fest. II. Vereinigte Staaten von Amerika Das Übernahmerecht ist in den Vereinigten Staaten von Amerika teilweise im Bundesrecht verankert, teilweise im Recht der Bundesstaaten.43 Die Gesetzgebungskompetenz für den Wertpapierhandel liegt beim Bundesgesetzgeber, die für das Gesellschaftsrecht bei den einzelnen Bundesstaaten.44 Der Williams Act von 196845 normiert auf Bundesebene insbesondere formale Pflichten des Bieters in Zusammenhang mit der Abgabe des öffentlichen Angebots.46 Die Frage, wie sich das Leitungsorgan der Zielgesellschaft verhalten darf, wird im Williams Act nicht geregelt. Der Pflichtenstandard der Verwaltung der Zielgesellschaft ergibt sich aus dem Gesellschaftsrecht der einzelnen Bundesstaaten. Daher gibt es auch keine einheitliche Regelung dieser Fragestellung. Viele Bundesstaaten haben Ende der 80er Jahre unter dem Eindruck einer Übernahmewelle Ge42 Siehe hierzu Company Law Reform Bill, Part 22, Chapter 2, Clauses 641 ff. (Interimsumsetzung); Companies Act 2006, Part 28. 43 von Falkenhausen, in: FS Stiefel (1987), S. 163, 171; Zinser, RIW 1999, 844. 44 von Falkenhausen, in: FS Stiefel (1987), S. 163, 171; Ebenroth/Rapp, DWiR 1991, 2, 8. 45 Williams Act, 15 u. s. c., §§ 78m (d)–(e) und 78n (d)–(f) (1996). 46 Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150.
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
setze erlassen, um takeovers zu erschweren (anti Takeover statutes).47 Soweit das Übernahmerecht nicht gesetzlich geregelt ist, wird es durch Rechtsprechung ausgeformt. Die treuhänderischen Pflichten (fiduciary duties) des board of directors, dem monistisch verfassten Leitungsorgan der Publikums-Aktiengesellschaft48, bestimmen das Verhalten dieses Organs bei Vorliegen eines Übernahmeangebots.49 Die treuhänderischen Pflichten werden konkretisiert durch die sog. business judgment rule.50 Diese Beweislastregel hat sich als allgemeiner – auch jenseits von Übernahmesachverhalten geltender – Grundsatz im Gesellschaftsrecht der Einzelstaaten, wenn auch mit teilweise unterschiedlicher Akzentuierung, herausgebildet51: Es wird widerleglich vermutet, dass das Leitungsorgan bei Geschäftsführungsmaßnahmen unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Informationen in dem guten Glauben gehandelt hat, die Entscheidung im Interesse der Gesellschaft zu treffen.52 Dem Leitungsorgan wird damit ein weiter, gerichtlich nicht nachprüfbarer Ermessensspielraum zugestanden.53 Zeichnet sich ein Übernahmeszenario ab, besteht eine besondere Treuepflicht des Leitungsorgans, weil nunmehr typischerweise Eigeninteressen der Mitglieder des Managements am Erhalt ihrer Ämter bestehen. Es gilt eine qualified oder enhanced business judgment rule, die durch die sog. Unocal- und die sog. Revlon-Doktrin konkretisiert wird.54 Die Unocal-Doktrin wird geprägt von der Entscheidung Unocal Corp. v. Mesa Petroleum des Supreme Court of Delaware55: Will der board of directors Abwehrmaßnahmen gegen ein konkretes Übernahmeangebot ergreifen, muss er nachweisen, dass nachvollziehbare Gründe für die Annahme bestehen, dass mit der Übernahme eine Gefahr für den Unternehmenserfolg verbunden ist.56 Hinzukommen muss, dass die Abwehrmaßnahmen in einem 47 Ebenroth/Eyles, RIW 1988, 413, 418; Wackerbarth, in: WM 2001, 1741, 1751; Schuster, in: Bad Homburger Hdb., Teil A, Rn. 73. 48 von Falkenhausen, in: FS Stiefel (1987), S. 163, 168. 49 Ebenroth/Eyles, RIW 1988, 413, 425; Lammers, Verhaltenspflichten, S. 38 ff. 50 Helmis, RIW 2001, 825, 832. 51 Trockels, AG 1990, 139, 141; Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827, 833. 52 von Falkenhausen, in: FS Stiefel (1987), S. 163, 187; Ebenroth/Eyles, RIW 1988, 413, 425; Ebenroth/Rapp, DWiR 1991, 2, 9; Davies, in: Hopt/Wymeersch, S. 195, 204; Helmis, RIW 2001, 825, 832; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 37. 53 Ebenroth/Eyles, RIW 1988, 413, 425; Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 37. 54 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 52; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 38. 55 493 A. 2nd 946 (Del. Supr. Ct. 1985).
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen
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angemessenen Verhältnis zu der Übernahmebedrohung stehen.57 Wird diese Zwei-Stufen-Prüfung bestanden, genießt die Entscheidung des board of directors den weiten Entscheidungsspielraum der business judgment rule.58 In weitaus größerem Maße wird das Handlungsspektrum des board of directors nach den Grundsätzen eingeengt, die in der Entscheidung Revlon, Inc. v. Mac Andrews & Forbes Holdings, Inc. des Supreme Court of Delaware entwickelt wurden.59 Ist die Übernahme für die Zielgesellschaft unabwendbar, beschränken sich die zulässigen Maßnahmen des board of directors auf das Aushandeln des bestmöglichen Angebots für die Aktionäre.60 Dem Management US-amerikanischer Unternehmen steht damit ein insgesamt eher großzügiges Repertoire an zulässigen Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot zur Verfügung. In jüngster Zeit wird des Weiteren über politische Bestrebungen berichtet, die darauf abzielen, per Gesetz die Übernahme US-amerikanischer Unternehmen durch ausländische Gesellschaften zu erschweren.61
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen auf Ebene der EG und Deutschlands Dass der deutsche Rechtsanwender mit dem WpÜG eine rechtliche Regelung öffentlicher Übernahmeangebote vorfindet, mag angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands und seines Finanzmarktes nicht verwundern. Erstaunen mag aber der Befund, dass es sich bei dem im Jahr 2002 in Kraft getretenen WpÜG um eine vergleichsweise junge Regelung handelt, zu der sich der bundesdeutsche Gesetzgeber erst nach der feindlichen Übernahme der Mannesmann AG durch die britische Vodafone Airtouch plc. im Frühjahr 2000 veranlasst sah und die in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregte. Um die in § 33 WpÜG normierte Regelung der Verhaltenspflichten der Verwaltung einer Zielgesellschaft durchdringen zu können, empfiehlt sich ein Rückblick auf die gesetzgeberischen Anstrengungen, die letztlich zu der 56
Davies, in: Hopt/Wymeersch, S. 195, 204; Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150,
151. 57
Ebenroth/Eyles, RIW 1988, 413, 426; Ebenroth/Rapp, DWiR 1991, 2, 10. Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150, 151. 59 506 A. 2nd 173 (Del. Supr. Ct. 1985). 60 Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 91 ff.; Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150, 151; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 39. 61 Handelsblatt, 28./29./30. April 2006, Nr. 83/2006, S. 7, „Investoren fürchten Abschottung der USA“; Handelsblatt, 6. Juni 2006, Nr. 107/2006, S. 1, „Konzerne mahnen USA zu Offenheit“. 58
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
Regelung mit ihrem heutigen Inhalt geführt haben. Freilich dürfen dabei nicht nur die Aktivitäten des deutschen Normgebers ins Visier genommen werden. Vielmehr sind auch die europäischen Entwicklungen und Vorgaben und deren Einfluss auf den deutschen Gesetzgeber zu berücksichtigen. I. Entwicklung europäischer Vorgaben für die Organe einer Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots 1. Entwicklung bis 2001 a) Überblick über die Gesetzgebungsbemühungen Geburtsstunde für europäische Vorgaben eines Übernahmerechts ist das Jahr 1974. Der britische Professor und Sonderberater der EWG Robert Pennington legt seinen Bericht über „Übernahme und andere Angebote“ samt Entwurf einer Übernahmerichtlinie vor.62 Art. 22 seines im Auftrag der Kommission erstellen Richtlinienvorschlags verbietet dem „Zielunternehmen“ und den „für es handelnden Direktoren“ grundsätzlich die Vornahme bestimmter Handlungen, um den Erfolg des Übernahmeangebots nicht zu gefährden. Robert Pennington hat primär Maßnahmen des Vorstands im Auge, denn nach Art. 2 seines Richtlinienentwurfs umfasst der in Art. 22 verwendete Begriff des „Direktors“ in Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat ausdrücklich nur Vorstandsmitglieder. Das Projekt einer Übernahmerichtlinie wird zunächst nicht weiterverfolgt, weil bei den Mitgliedstaaten das Bestehen eines Regelungsbedarfs negiert wird. Mitte der 80er Jahre erlangt das Thema eine neue Dynamik. 1987 präsentiert die Kommission den ersten Vorentwurf einer Übernahmerichtlinie,63 1989 den ersten Richtlinienvorschlag.64 Weitere Richtlinienentwürfe folgen zunächst in den Jahren 1990, 1996 und 1997.65 Der Kommissionsvorschlag vom 11. November 1997 wird im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens erheblich umgestaltet. Am 19. Juni 2000 62 Komm.-Dok. XI/56/74-D; abgedruckt bei: Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 831 ff.; siehe hierzu: Bess, AG 1976, 206 ff.; derselbe, AG 1976, 210 ff. 63 EG-Komm. – Dok. XV/63/87-DE rev. 1; dazu: Hauschka/Roth, AG 1988, 181 ff. 64 Abl. EG Nr. C 64/8 vom 14. März 1989; abgedruckt bei: Assmann/Basaldua/ Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 236 ff.; siehe hierzu: Grunewald, WM 1989, 1233 ff.; Stoll, BB 1989, 1489 ff.; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106 ff.; Mertens, AG 1990, 252 ff.; Hopt, in: FS Rittner (1991), S. 187 ff. 65 ABl. EG Nr. C 240/7 vom 26. September 1990; Abl. EG Nr. C 162/5 vom 6. Juni 1996 sowie Abl. EG Nr. C 378/10 vom 13. Dezember 1997.
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen
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einigt sich der Rat auf einen Gemeinsamen Standpunkt,66 der – abweichend vom Kommissionsvorschlag – der Verwaltung der Zielgesellschaft größeren Handlungsspielraum zur Übernahmeabwehr einräumt. Das Europäische Parlament lehnt den Gemeinsamen Standpunkt ab und sieht in seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 2002 weiteren erheblichen Änderungsbedarf.67 Die Kommission weist die Änderungsvorschläge überwiegend zurück und auch eine Billigung des Rats kommt nicht zustande. Daher wird im Vermittlungsausschuss ein Kompromissvorschlag erarbeitet.68 In seiner Abstimmung am 4. Juli 2001 lehnt das Europäische Parlament den Kompromissvorschlag mit denkbar knappem Ergebnis – Stimmgleichheit – ab.69 b) Regelung der Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen der Verwaltung in den Richtlinienentwürfen Die bis zum Jahr 2001 vorgelegten Richtlinienentwürfe enthalten allesamt ein Verhinderungsverbot, das mit Fortschreiten des Gesetzgebungsverfahrens zunehmend abgeschwächt wird. In einem Punkt ist die Regelung über das Verhalten der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots in allen Vorlagen identisch: Das in den Richtlinienentwürfen in Art. 8 bzw. Art. 9 enthaltene Verhinderungsverbot ist an „das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan“ der Zielgesellschaft adressiert. Eine Definition dieses Begriffs enthalten die Richtlinienvorschläge nicht. Die Vorschrift scheint noch stärker als ihre Vorgängerin im Penntington-Entwurf auf den Vorstand der deutschen Aktiengesellschaft zugeschnitten. Dessen ungeachtet fordern bereits Teile des aktienrechtlichen Schrifttums die Anwendung dieses Verhinderungsverbots auch auf den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft.70 2. Entwicklung von 2001 bis zur Verabschiedung der Übernahmerichtlinie a) Entstehung der Übernahmerichtlinie Dem politischen Willen, eine europäische Übernahmerichtlinie zu schaffen, wird durch das vorläufige Scheitern des Projekts kein Abbruch getan. Der neuerlich vorgelegte Richtlinienvorschlag vom 2. Oktober 2002 der 66 ABl. EG C/23/1 vom 24. Januar 2001; abgedruckt bei Pötzsch/Möller, WM Sonderbeilage 2/2000, S. 32 ff.; siehe hierzu: Neye, AG 2000, 289 ff. 67 ABl. EG 2001, Nr. C 232/168. 68 PE-CONS 3629/2001; siehe hierzu: Neye, ZIP 2001, 1120 ff. 69 Neye, NZG 2002, 1144. 70 Peltzer, AG 1997, 145, 148 f.; Hopt, in: FS Zöllner (1998), S. 253, 261.
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
EU-Kommission71 beruht in mehreren Punkten auf den Vorschlägen einer von der EU-Kommission eingesetzten Expertengruppe unter Leitung des niederländischen Gesellschaftsrechtlers Jaap Winter.72 Einzelne Elemente des sog. Winter-Berichts, darunter das politisch umstrittene, strenge Verhinderungsverbot, finden sich im neuerlichen Richtlinienvorschlag der Kommission vom 2. Oktober 2002 wieder.73 Bei der Bundesregierung und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments stößt der Vorschlag auf Kritik, da er – wie bereits die vorangegangenen Richtlinienentwürfe – keine einheitlichen Ausgangsbedingungen (level playing field) für Unternehmensübernahmen in der Europäischen Union schaffe.74 Insbesondere deutsche Unternehmen sehen sich in Übernahmeauseinandersetzungen benachteiligt. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)75 vom 27. April 1998 hatte in Deutschland Höchst- und Mehrfachstimmrechte abgeschafft, so dass deutschen Unternehmen seitdem insbesondere das Instrument der Mehrfachstimmrechte als „Giftpille“ gegen ein feindliches Übernahmeangebot nicht mehr zur Verfügung steht – im Gegensatz zu Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten. Der Richtlinienentwurf verbietet damit zwar Abwehrmaßnahmen der Verwaltung, harmonisiert aber das europäische Recht nicht in Hinblick auf Höchst- und Mehrfachstimmrechte.76 Der Rat löst den gordischen Knoten: Er greift im November 2003 einen Kompromissvorschlag Portugals auf, der den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Europäischen Verhinderungsverbots im Rahmen eines Optionsmodells Spielraum belässt. Dieses Optionsmodell sieht im Ausgangspunkt in Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 ÜbRL nach wie vor ein strenges Verhinderungsverbot vor. Der einzelne Mitgliedstaat darf indes – und dies ist das Novum – gemäß Art. 12 Abs. 1 ÜbRL auf der ersten Stufe davon absehen, die Anwendung dieses Europäischen Verhinderungsverbots verbindlich vorzuschreiben (Opt-out des jeweiligen Mitgliedstaats).77 Macht der Mitglied71 ABl. EG Nr. C 45 E/1 vom 25. Februar 2003; abgedruckt in: ZIP 2002, 1863 ff.; dazu: H. Krause, BB 2002, 2341; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193 ff. 72 Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten vom 10.1.2002 (sog. „Winter-Bericht“), abrufbar unter: http://www.europa.eu.int/comm/inter-nal_market/ compa-ny/docs/takeoverbids/2002-01-hlg-report_de.pdf. 73 ABl. EG Nr. C 45 E vom 25.2.2003, S. 1 ff., abgedruckt in ZIP 2002, 1863 ff.; siehe hierzu H. Krause, BB 2002, 2341 ff.; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193 ff. 74 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 12; Kessler, in: Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann, § 8, Rn. 140. 75 BGBl. 1989 Teil I S. 786. 76 Wiesner, ZIP 2004, 343, 344.
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen
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staat von dieser Befugnis Gebrauch, muss er es nach Art. 12 Abs. 2 ÜbRL auf der zweiten Stufe den Gesellschaften ermöglichen, freiwillig die Regelungen des Europäischen Verhinderungsverbots anzuwenden (Opt-in der Gesellschaft). Der Mechanismus des Opting-out und Opting-in nach Art. 12 ÜbRL gilt in gleicher Weise für die Anwendung der sog. Durchbruchsregel in Art. 12 ÜbRL, nach der bestimmte Übernahmehindernisse keine Wirkung entfalten.78 Das Optionsmodell des Art. 12 ÜbRL erweist sich als konsensfähig: Nachdem das Europäische Parlament den Richtlinienvorschlag mit einigen Änderungsvorschlägen am 16. Dezember 2003 angenommen hat79, stimmt der Ministerrat am 30. März 2004 einstimmig zu. Hierdurch ist die ÜbRL verabschiedet. Mit ihrem Inkrafttreten am 20. Mai 2005 nimmt ein Jahrzehnte langer Prozess sein vorläufiges80 Ende. b) Vorgaben für Vorstand und Aufsichtsrat Wie bereits in den vorangegangenen Richtlinienvorschlägen richtet sich das strenge Europäische Verhinderungsverbot nach Art. 9 Abs. 2 ÜbRL an das „Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan“. Die Zweifel, ob bei der deutschen Aktiengesellschaft mit ihrer dualistischen Verwaltungsstruktur neben dem Vorstand der Zielgesellschaft auch der Aufsichtsrat Adressat des Verhinderungsverbots sei,81 räumt der Gesetzgeber aus. Art. 9 Abs. 6 ÜbRL legaldefiniert den Begriff des „Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans“ in Art. 9 Abs. 6 ÜbRL: Bei Gesellschaften mit dualistischer Leitungsstruktur bezeichnet „Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan“ Vorstand sowie Aufsichtsrat. Die ÜbRL verbietet es damit Vorstand und Aufsichtsrat im Grundsatz gleichermaßen, Maßnahmen zu ergreifen, durch die der Erfolg eines Übernahmeangebots vereitelt werden kann.82
77 Wiesner, ZIP 2004, 343, 348; Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866, 869; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 310; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 231. 78 Wiesner, ZIP 2004, 343, 348; Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866, 869; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 311 ff.; Harbarth, ZGR 2007, 37, 39 ff. 79 Legislative Entscheidung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote P 5 TA-PROV (2003) 0570. 80 Art. 20 ÜbRL enthält eine Revisionsklausel, wonach die Kommission verpflichtet ist, den Inhalt der Richtlinie fünf Jahre nach ihrer Umsetzung vor dem Hintergrund der gewonnenen Erfahrungen zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge abzugeben. 81 Siehe oben § 4 I.1.b). 82 Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 311.
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
II. Entwicklung des Konzepts einer nationalen Regelung in Deutschland 1. Leitsätze, Übernahmekodex (ÜbK) und Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (ÜbG-E) Die ersten Anstrengungen, Regeln für öffentliche Übernahmeangebote in der Bundesrepublik aufzustellen, werden von der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen (BSK) unternommen. Dieses Expertengremium präsentiert 1979 seine „Leitsätze für öffentliche freiwillige Kauf- und Umtauschangebote bzw. Aufforderungen zur Abgabe derartiger Angebote für im amtlich notierten oder im geregelten Freiverkehr gehandelte Aktien oder Erwerbsrechte“83. Die Leitsätze sind als „soft law“ konzipiert, sie sind kein förmliches Gesetz, sondern sollen ihre praktische Bedeutung durch Selbstregulierung erhalten.84 Die Leitsätze erfassen die von öffentlichen Übernahmeangeboten tangierten Fragestellungen nur rudimentär. Eine Aussage über zulässiges Verhalten der Organe der Zielgesellschaft sucht man in ihnen vergeblich.85 Sechs Jahre später, im Jahr 1995, stellt die BSK mit dem Übernahmekodex86 (ÜbK) ein Regelwerk vor, das dieses Manko nicht aufweist: Art. 19 ÜbK bestimmt, dass das Verwaltungs- oder Leitungsorgan der Zielgesellschaft nach Bekanntgabe des öffentlichen Angebots bis zur Offenlegung des Ergebnisses des Angebots keine Maßnahmen ergreifen darf, die dem Interesse der Wertpapierinhaber, von dem Angebot Gebrauch zu machen, zuwiderlaufen. Diese Regelung ist auf den Vorstand der Zielgesellschaft als dem Leitungsorgan der Gesellschaft zugeschnitten.87 Der Aufsichtsrat ist nicht Adressat der Pflicht aus Art. 19 ÜbK. Ebenso wie die Leitsätze ist der ÜbK als Instrument der Selbstregulierung88 ausgestaltet und birgt die damit einhergehenden Funktionsdefizite.89
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Abgedruckt bei: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Auflage, S. 1399 ff. Assmann, AG 1995, 563; Schander, NZG 1998, 799. 85 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Einl., Rn. 17. 86 Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen vom 14. Juli 1995, abgedruckt in ZIP 1995, 1467 und AG 1995, 572; geändert durch Bekanntmachung vom 28. November 1997 mit Wirkung vom 1. Januar 1998, abgedruckt bei: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 30. Auflage, Nr. (18), S. 1644 ff. 87 Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 394. 88 Zur ökonomischen Theorie der freiwilligen Selbstkontrolle: Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 396 ff. 89 Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105. 84
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen
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Der erste Anlauf zu einer gesetzlichen Regelung öffentlicher Übernahmeangebote in Deutschland wird 1997 unternommen. § 39 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (ÜbG-E)90 der SPD-Fraktion enthält eine Vorschrift über das Verhalten der Organe der Zielgesellschaft: Der mit dem Übernahmekodex eingeschlagene Kurs wird beibehalten: § 39 Abs. 1 S. 2 ÜbG-E untersagt es nur dem Vorstand der Zielgesellschaft, den Erfolg des Angebots zu verhindern. Der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft wird von der Regelung nicht erfasst. Der Gesetzesentwurf verläuft im Sande. Wegen mangelnder Akzeptanz des ÜbK durch die deutsche Wirtschaft empfiehlt die BSK 1999 den Erlass einer verbindlichen Regelung in Form eines Gesetzes.91 2. Diskussionsentwurf eines Übernahmegesetzes (DiskE-ÜG), Referentenentwurf eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (RefE-WÜG) Anno 2000 liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen des Bundesfinanzministeriums92 auf dem Tisch. Art. 1 dieses Gesetzes sieht den Erlass eines Übernahmegesetzes (DiskE-ÜG) vor. Die Bestimmungen über das Verhalten der Organe der Zielgesellschaft haben sich von den Konzepten des ÜbK und des ÜbG-E emanzipiert: § 31 Abs. 1 DiskE-ÜG adressiert das Gebot zu Unterlassung aller Handlungen, die geeignet sind, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern, ausdrücklich nicht nur an den Vorstand der Zielgesellschaft, sondern auch an den Aufsichtsrat. Woher stammt der in § 31 DiskE-ÜG manifestierte Wille, das Verhalten des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots in derselben Weise wie das des Vorstands zu reglementieren? § 31 DiskE-ÜG absorbiert die Diskussion über die europäischen Vorgaben zur Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen zu dieser Zeit. Der DiskE-ÜG versteht sich als eine antizipierte Umsetzung der seinerzeit erwarteten Übernahmerichtlinie93 mit dem Inhalt des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der Europäischen Union vom 19. Juli 2000.94 Die Entwurfsverfasser begnügen 90
BT-Drucks. 13/8164. Zehetmeier-Müller, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, Einl., Rn. 5. 92 Abgedruckt in: NZG 2000, 844 und Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 237 ff. 93 Siehe § 4 I.1. 94 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote vom 19. Juni 2000, ABl. (EG) C/23/1 v. 24.1.2001, abgedruckt bei: Pötzsch/Möller, WM Sonderbeilage 2/2000, S. 32 ff. und Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 995 ff.; siehe hierzu Neye, AG 2000, 289. 91
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
sich damit, auf die intendierte Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b ÜbRL95 zu verweisen und sehen davon ab, die Erstreckung der Neutralitätspflicht auf den Aufsichtsrat näher zu erläutern. Offenbar gehen die Entwurfsverfasser nicht davon aus, dass der Aufsichtsrat aktienrechtlich schon bestimmten Einschränkungen unterliegt, wenn ein Übernahmeangebot abgegeben wird. Die Entwurfsbegründung betont, dass die durch § 31 DiskE-ÜG normierte Verhaltenspflicht für den Vorstand bereits geltendes Recht sei, wenn die Gesellschaft Ziel eines Übernahmeangebots werde. Dies folge, so die Entwurfsbegründung, aus der Funktion des Vorstands als Wahrer fremder Interessen. Lediglich einen sachlichen Gesichtspunkt für die Annahme einer schon aktienrechtlich bestehenden Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats spricht der Gesetzesentwurf an. Er bemerkt, dass Vorstand wie Aufsichtsrat bei Vorliegen eines Übernahmeangebots ein Eigeninteresse hätten, durch die Übernahme nicht ihre Ämter zu verlieren.96 § 31 Abs. 2 DiskE-ÜG enthält einen Katalog, der das Verhinderungsverbot nach § 31 Abs. 1 DiskE-ÜG konkretisiert, indem er beispielhaft Maßnahmen aufführt, die dem Verhinderungsverbot unterfallen, nämlich die Ausgabe von Aktien (Nr. 1), der Erwerb eigener Aktien durch die Zielgesellschaft (Nr. 2) sowie der Abschluss von Rechtsgeschäften, die zur Folge hätten, dass der Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft in bedeutender Weise geändert würde (Nr. 3). § 31 Abs. 3 DiskE-ÜG führt aus, welche Maßnahmen nicht als Verstoß gegen das Verhinderungsverbot gelten. An exponierter Stelle steht die Suche nach einem konkurrierenden Übernahmeangebot (Nr. 1) sowie die Vornahme von Handlungen aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung der Zielgesellschaft, der ad hoc, d.h. nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage, gefasst worden ist (Nr. 2). Ebenso wird die Ausgabe von Aktien unter Beachtung des Bezugsrechts der Aktionäre zugelassen, sofern der zugrunde liegende Beschluss der Hauptversammlung der Zielgesellschaft nicht früher als 18 Monate vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage erfolgt ist (Nr. 3). Ferner sieht § 31 DiskE-ÜG vor, dass die sorgfältige Führung der laufenden Geschäfte im Interesse der Gesellschaft (Nr. 4) nicht mit dem Verhinderungsverbot nach § 31 Abs. 1 DiskE-ÜG konfligiert. Die übrigen Ausnahmen vom Verhinderungsverbot betreffen der Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Fortführung ihres Kerngeschäfts (Nr. 5) sowie die Erfüllung von vertraglichen oder sonstigen Rechtspflichten, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots begründet worden sind (Nr. 6). 95
Begründung des DiskE-ÜG, abgedruckt bei: Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 275 ff. Begründung des DiskE-ÜG, abgedruckt bei: Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 275 ff. 96
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen
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Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen97 behält in § 33 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (RefE-WÜG) das im DiskE-ÜG entwickelte Konzept eines Verhinderungsverbots von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft ohne inhaltliche Änderung bei. 3. Regierungsentwurf eines Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetzes (RegE-WÜG) Der RefE-WÜG mündet in den Regierungsentwurf eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (RegE-WÜG)98. Bereits mit Vorliegen dieses Regierungsentwurfs zeichnet sich ab, dass das bisherige Konzept eines Verhinderungsverbots nicht unberührt bleibt, sondern grundlegend umgestaltet wird. Die Regelungstechnik lässt erkennen, dass § 33 RegE-WÜG nicht mehr in der Tradition des § 33 DiskE-ÜG steht: § 33 Abs. 1 RegEWÜG formuliert das Verhinderungsverbot nicht mehr wie in § 31 Abs. 1 DiskE-ÜG als grundsätzliches Verbot, sondern als Kompetenznorm, d.h. Handlungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, die geeignet sind, den Erfolg des Angebots zu verhindern, sind nicht grundsätzlich verboten, sondern bedürfen der Ermächtigung der Hauptversammlung. Diese in § 33 Abs. 1 S. 1 RegE-WÜG formulierte Zuständigkeitsregel wendet sich zwar – wie das Verhinderungsverbot des § 31 DiskE-ÜG – im Ausgangspunkt sowohl an den Vorstand, als auch an den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft. Dennoch weicht der RegE-WÜG den Grundsatz auf, dass der Handlungsspielraum von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots den gleichen Restriktionen unterworfen ist. Nach § 33 Abs. 2 RegE-WÜG darf der Vorstand der Zielgesellschaft – nicht auch der Aufsichtsrat – im Übernahmekampf von einer Vorratsermächtigung der Hauptversammlung Gebrauch machen, d.h. von einer vor Beginn des Übernahmeverfahrens (post bid) erteilten Ermächtigung der Hauptversammlung, die dem Vorstand die Vornahme von Handlungen gestattet, um den Erfolg des Angebots zu verhindern. Dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft ist nach § 33 Abs. 2 S. 4 RegE-WÜG eine präventive Überwachungsfunktion zugedacht, indem er seine Zustimmung zu erteilen hat, wenn der Vorstand eine Vorratsermächtigung der Hauptversammlung in Anspruch nehmen will. Die Regelung von Vorratsermächtigungen in § 33 Abs. 2 RegE-WÜG ist dem zu dieser Zeit aufkeimenden politischen Willen geschuldet, deutsche 97 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 12. März 2001, abgedruckt bei: Fleischer/Kalss, S. 274 ff. 98 BT-Drucks. 14/7034.
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Teil 2: Rahmengegebenheiten feindlicher Übernahmen
Gesellschaften in Übernahmeauseinandersetzungen zu stärken, indem ihnen Instrumentarien an die Hand gegeben werden, um sich gegen feindliche Übernahmen wehren zu können. 4. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Der Paukenschlag erfolgt nach der Einbringung des Gesetzesvorhabens ins förmliche Gesetzgebungsverfahren: Der zur federführenden Beratung berufene Finanzausschuss legt am 14. November 2001 eine Beschlussempfehlung vor,99 die substanzielle Änderungen des Verhinderungsverbots enthält. Vordergründig betrifft dies zunächst die Regelungstechnik. Die Ausschussfassung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist, anders als § 33 Abs. 1 S. 1 RegE-WÜG, nicht als Zuständigkeitsnorm ausgestaltet, sondern als Verbotstatbestand, wie bereits im RefE-WÜG. Weitaus bedeutsamer sind die inhaltlichen Änderungen der Ausschussfassung: Das Verhinderungsverbot ist nicht gleichermaßen an Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft adressiert. Vielmehr richtet sich das vom Finanzausschuss formulierte Verhinderungsverbot ausschließlich an den Vorstand. Der Aufsichtsrat ist nach dem Wortlaut der vom Finanzausschuss präferierten Gesetzesfassung nicht nur nicht an das Verhinderungsverbot gebunden, sondern kann darüber hinaus nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 des Gesetzentwurfs durch Erteilung seiner Zustimmung Abwehrmaßnahmen des Vorstands legalisieren. Der Deutsche Bundestag folgt der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses. Am 1. Januar 2002 tritt das Wertpapierwerbs- und Übernahmegesetz in der Ausschussfassung in Kraft.100 5. Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (ÜbRL-UG) Nach Maßgabe des Art. 21 Abs. 1 ÜbRL sind die europäischen Vorgaben für Unternehmensübernahmen bis 20. Mai 2006 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber nimmt sich dieses Projekts zunächst nicht an. Erst nach Ende der vorgezogenen Wahl zum Deutschen Bundestag 2005 veröffentlicht das Bundesministerium der Finanzen am 19. Dezember 2005 den Referentenentwurf eines Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes (RefE-ÜbRL-UG).101 Nach einer Anhörung am 26. Januar 99
BT-Drucks. 14/7477. Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001, BGBl. Teil I 2001, S. 3822. 100
§ 4 Entwicklung rechtlicher Vorgaben für feindliche Übernahmen
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2006 beschließt das Bundeskabinett am 24. Februar 2006 den Regierungsentwurf eines Übernahmerichtlinien-Umsetzungsgesetzes102 (RegE-ÜbRL-UG), der vom entsprechenden Referentenentwurf nur marginal abweicht. In seiner Beschlussempfehlung vom 18. Mai 2006 empfiehlt der Finanzausschuss die Annahme des Gesetzesentwurfs mit einigen Änderungen.103 Das ÜbRL-UG tritt in den meisten Teilen am 14. Juli 2006 in Kraft.104 Das Gesetz zielt ab auf eine Umsetzung der Vorgaben der ÜbRL „Eins zu Eins“.105 Darunter versteht der Gesetzgeber nicht etwa, dass die Vorgaben der Richtlinie vollständig umgesetzt werden. Leitbild der Umsetzungsgesetzgebung ist es vielmehr, das bestehende Übernahmerecht weitestgehend unangetastet zu lassen, und Änderungen nur insoweit vorzunehmen, als die Richtlinie dies zwingend erfordert.106 Dementsprechend schreibt der Gesetzgeber die Anwendung des Europäischen Verhinderungsverbots in Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 ÜbRL nicht zwingend vor, sondern macht von seiner Opt-out – Möglichkeit nach Art. 12 Abs. 1 ÜbRL Gebrauch. Konkret bedeutet dies, dass das ÜbRL-UG die Regelung zum Verhinderungsverbot in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG unberührt lässt. Seiner in Art. 12 Abs. 2 ÜbRL begründeten Pflicht, den in Deutschland ansässigen Gesellschaften freiwillig die Anwendung des Europäischen Verhinderungsverbots zu ermöglichen, kommt der deutsche Gesetzgeber durch § 33 a WpÜG in der Fassung des ÜbRL-UG nach: Die Satzung der Zielgesellschaft kann nach § 33 a Abs. 1 WpÜG vorsehen, dass § 33 WpÜG keine Anwendung findet. Optiert eine Zielgesellschaft dementsprechend, gilt für sie das Europäische Verhinderungsverbot nach Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 ÜbRL, das der Gesetzgeber in § 33 a Abs. 2 WpÜG in der Fassung des ÜbRL-UG umgesetzt hat. Das WpÜG sieht damit zwei Verhinderungsverbote unterschiedlichen Inhalts vor, wobei die Regelung in § 33 WpÜG die Grundregelung darstellt.107 101
Abgerufen am 20. Dezember 2005 unter: https://www.jura.uni-duesseldorf.de/ dozenten/noack/Texte/Normen/RefEntw19.12.12.05.pdf; siehe dazu: manager-magazin.de vom 19. Dezember 2005, „Mehr Schutz vor Übernahmen“, abgerufen am 19. Dezember 2005 unter: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/ 0,2828,391230,00.html; Handelsblatt, 19. Dezember 2005, Nr. 246/2005, S. 3, „Regierung will Konzerne schützen“. 102 BT-Drucks. 16/1006. 103 BT-Drucks. 16/1541. 104 BGBl. Teil I 2006, S. 1426; siehe zum ÜbRL-UG: Knott, NZG 2006, 849; Diekmann, NJW 2007, 17; Schanz, NZG 2007, 927; Klemm/Reinhardt, NZG 2007, 281. 105 BR-Drucks. 154/06, S. 12. 106 BR-Drucks. 154/06, S. 12. 107 Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 310; Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1288; van Kann/Just, DStR 2006, 328, 329 f.
Teil 3
Die rechtlichen Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots § 5 Der Aufsichtsrat im Rahmen des Regelungsregimes des § 33 WpÜG Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG darf der Vorstand der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Dieses Verbot für den Vorstand wird im Schrifttum sprachlich verknappt als „Verhinderungsverbot“1, „Behinderungsverbot“2, „Neutralitätspflicht“3 bzw. „Vereitelungsverbot“4 bezeichnet. In zeitlicher Hinsicht gilt das auf Übernahmeangebote zugeschnittene Verhinderungsverbot5 ab Veröffentlichung der Entscheidung zur Angebotsabgabe durch den Bieter. Es endet mit Veröffentlichung des Ergebnisses nach Ablauf der Annahmefrist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG. Adressat des Verhinderungsverbots ist nach dem Wortlaut der Gesetz gewordenen Fassung des § 33 Abs. 1 WpÜG ausschließlich der Vorstand der 1 Bayer, ZGR 2002, 588, 603; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 419; Haouache, in: Heidel, AnwaltKomm, WpÜG § 33, Rn. 3; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 4; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 58; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 70. 2 Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1259; Mülbert/Birke, WM 2001, 705; Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 123; Fleischer, NZG 2002, 545; Zinser, WM 2002, 15, 19. 3 Witte, BB 2000, 2161, 2164; Körner, DB 2001, 367, 367; Pluskat, DStR 2001, 897, 900 Fn. 27; Cahn/Senger, Finanz Betrieb 2002, 277, 288; Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 3; Thoma, NZG 2002, 105, 110. 4 Drygala, ZIP 2001, 1861, 1863; Land, DB 2001, 1707, 1711; Ekkenga, in: FS Kümpel (2003), S. 95, 99; derselbe, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 19; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 104; Seibt, AG 2003, 465, 474; Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 359; Liekefett, AG 2005, 802, 803 f. 5 Für eine Anwendbarkeit des § 33 WpÜG auch auf einfache Erwerbsangebot siehe etwa Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 12; Hirte, in: KKWpÜG, § 33, Rn. 30; dagegen Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1258; Steinmeyer/ Häger, WpÜG, § 33, Rn. 11; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 80 f.; Nippgen, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten, S. 105; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 78.
§ 5 Aufsichtsrat im Rahmen des Regelungsregimes des § 33 WpÜG
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Zielgesellschaft, nicht auch der Aufsichtsrat. Hierdurch unterscheidet sich das Verhinderungsverbot nach § 33 WpÜG vom Europäischen Verhinderungsverbot des § 33 a Abs. 2 S. 1 WpÜG n. F., wonach dem Vorstand ebenso wie dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft die Vornahme von Handlungen verboten sind, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Statt den Aufsichtsrat selbst dem Verhinderungsverbot zu unterstellen, wie dies in den Vorentwürfen des WpÜG konzipiert war, hat der Gesetzgeber diesem Organ im Bereich des § 33 WpÜG eine delikate Funktion zugewiesen: Nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG gilt das Verhinderungsverbot nicht für solche Handlungen des Vorstands, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat. Über die Reichweite dieses Ausnahmetatbestands gehen die Meinungen im Schrifttum auseinander. Viele Autoren gehen davon aus, dass das Verhinderungsverbot für den Vorstand durch die Ausnahmevorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG in erheblichem Maße ausgehebelt würde.6 Andere halten diese Einschätzung für überzogen.7 Neben diesem rechtspolitisch heftig kritisierten Ausnahmetatbestand8 hält das Gesetz eine weitere Vorschrift bereit, die die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands an eine Zustimmung des Aufsichtsrats knüpft: Nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG darf der Vorstand Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte, wenn er damit eine sog. Vorratsermächtigung der Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 S. 1–3 WpÜG ausübt und der Aufsichtsrat der Maßnahme zustimmt. Inwieweit kann der Aufsichtsrat aufgrund dieser beiden Ausnahmetatbestände Abwehrmaßnahmen des Vorstands tatsächlich zur Zulässigkeit verhelfen? An welche Grenzen stößt das Aufsichtsratshandeln hierbei? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Darüber hinaus soll die Rolle des Aufsichtsrats auch in den Fällen untersucht werden, in denen der Vorstand eine Maßnahme mit Verhinderungseignung ohne übernahmerechtliche Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf. Es handelt sich dabei zum einen um den Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG, wonach das Verhinderungsverbot für solche Handlungen des Vorstands nicht gilt, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte. Des Weiteren wird danach gefragt, ob der Vorstand der Zielgesellschaft Handlungen 6
Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 79; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 41. 7 Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 15; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 55. 8 Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1378; derselbe, in: FS Koppensteiner (2001), S. 61, 86; derselbe, ZHR 166 (2002), 383, 427 etwa spricht von einem „Sündenfall“; Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 95; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 42.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
mit Verhinderungswirkung auf eine Ad-hoc-Zustimmung der Hauptversammlung stützen darf, und welche Funktion dem Aufsichtsrat hierbei zukommt. Schließlich wird der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG zu untersuchen sein, wonach der Vorstand der Zielgesellschaft Handlungen zur Suche eines konkurrierenden Angebots vornehmen darf. Um die Reichweite dieser Ausnahmen von § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG feststecken zu können, bedarf es aber zunächst einer inhaltlichen Erfassung des Verhinderungsverbots. I. Inhalt des Verhinderungsverbots gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zählt die dem Vorstand untersagten Handlungen nicht explizit auf. Vielmehr erstreckt sich das Verhinderungsverbot auf „Handlungen, durch die der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte“. Zunächst ist klärungsbedürftig, wann von einem erfolgreichen Übernahmeangebot die Rede sein kann, da das Gesetz den Erfolg des Angebots als Bezugspunkt der Verhinderungseignung vorgibt. Sodann soll der Frage nachgegangen werden, wann eine Maßnahme zur Verhinderung des Angeboterfolges tauglich ist. 1. Angebotserfolg als Bezugspunkt der Verhinderungseignung Eine erfolgreiche Übernahme setzt zunächst voraus, dass der Bieter die angestrebte Aktienmehrheit an der Zielgesellschaft mit der Folge eines beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft gewinnt.9 Des Weiteren muss das wirtschaftliche Interesse des Bieters an der Erlangung der unternehmerischen Kontrolle über die Zielgesellschaft gewahrt sein.10 Ausgehend von diesen beiden Voraussetzungen eines erfolgreichen Angebots können spiegelbildlich zwei unterschiedliche Kategorien von Abwehrmaßnahmen ausgemacht werden, die vom Verbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG gleichermaßen erfasst sind. Übernahmeabwehrhandlungen zielen auf die Errichtung wirtschaftlicher und/oder rechtlicher Erwerbshindernisse ab.11 Hierunter fällt etwa die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien. Demgegenüber setzen Maßnahmen der Übernahmefolgen9
Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 112. Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 112; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 113 ff.; im Ergebnis wohl auch H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 84. 11 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 91. 10
§ 5 Aufsichtsrat im Rahmen des Regelungsregimes des § 33 WpÜG
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abwehr eine Stufe später an, namentlich wenn der Bieter im Wege des Übernahmeangebots mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft erlangt hat (§ 29 Abs. 2 WpÜG). Maßnahmen der Übernahmefolgeabwehr sollen in diesem Stadium die Übernahme der Kontrolle durch den Bieters erschweren bzw. verhindern, d.h. den Bieter darin beeinträchtigen, auf die Zielgesellschaft Einfluss zu nehmen.12 Prototypisch für diese Art von Abwehrmaßnahmen sind Handlungen, die es dem Bieter erschweren, das Management der Zielgesellschaft auszuwechseln. Die Aufgliederung der Handlungen nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG in Übernahmeabwehr und Übernahmefolgenabwehr ist indes keine rechtliche Kategorie, auf das Gesetz aufsetzt, sondern lediglich eine dem Verständnis dienende Systematisierung.13 2. Verhinderungseignung Für die Beurteilung, ob eine Handlung des Vorstands dem Verbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG unterfällt, ist auf die objektive Eignung der Handlung abzustellen, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Ob die Handlung des Vorstands von einer Verhinderungsabsicht getragen wird oder nicht, ist daher ohne Belang.14 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Maßnahme im Fall ihrer Verwirklichung den Angebotserfolg tatsächlich verhindert.15 a) Auswirkung der Bindung des Bieters an sein Angebot auf die Annahme einer Verhinderungseignung Das Merkmal der Verhinderungseignung steht in einem Spannungsverhältnis zu den Vorschriften, die eine Bindung des Bieters an sein Angebot vorschreiben. Mit der Unterbreitung des Angebots gemäß § 14 WpÜG wird es für den Bieter grundsätzlich bindend. Ab diesem Zeitpunkt liegt es daher in den Händen der Aktionäre, ob das Angebot erfolgreich sein wird. Z. T. wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass – bei wörtlicher Interpretation – eine Verhinderung des Angeboterfolgs nicht mehr denkbar ist, sobald der Bieter an sein Angebot gebunden ist.16 Beließe man es bei dieser aus12
Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 91. Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 91 (unter Hinweis auf ein fehlendes einheitliches Verständnis des Begriffs der Giftpillen). 14 BT-Drucks. 14/7034, S. 57; Cahn/Senger, Finanz Betrieb 2002, 277, 288; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 60; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 55; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 83; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 17. 15 BT-Drucks. 14/7034, Regierungsentwurf S. 57. 16 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 20; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 18. 13
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
schließlich am Wortlaut ortientierten Betrachtung, gelänge man zu dem Ergebnis, dass für eine Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG kein Raum besteht, soweit das Angebot für den Bieter bindend ist.17 Träfe dieses Verständnis zu, verbliebe für das Verhinderungsverbot ein mikroskopisch kleiner Restanwendungsbereich: Dies beträfe in erster Linie den Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Angebots (§§ 33 Abs. 1 S. 1, 10 WpÜG) bis zur eigentlichen Unterbreitung des Angebots. Als Restanwendungsbereich für § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG blieben außerdem noch bestimmte Fälle, in denen das Übernahmeangebot gemäß § 18 WpÜG zulässigerweise unter eine Bedingung gestellt wurde.18 Anhaltspunkte für eine solch einschränkende Interpretation des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG lassen sich in den Gesetzesmaterialien finden. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesmaterialien mit der Normierung des Verhinderungsverbots den Adressaten eines Übernahmeangebots die Möglichkeit erhalten, in Kenntnis der Sachlage selbst über das Übernahmeangebot zu entscheiden.19 Dies deutet darauf hin, dass die Vorschrift dem Schutz der Interessen der Aktionäre dient. Ein solcher Schutz durch das Verhinderungsverbot ist aber unnötig, soweit ein bindendes Angebot vorliegt. In diesem Fall können die Aktionäre selbst dann über die Annahme des Angebots entscheiden, wenn Abwehrmaßnahmen ergriffen werden. Eines Verhinderungsverbots zum Schutz der Aktionäre bedarf es also nicht, wenn ein bindendes Angebot vorliegt. Konsequenterweise wäre eine Verhinderungseignung bei Vorliegen eines bindenden Angebots stets abzulehnen. Diese Interpretation vermag nicht zu überzeugen. Hiergegen lässt sich schon der Wortlaut des Gesetzestextes anführen. Dieser spricht nicht von einem Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre, sondern von der Eignung zur Verhinderung des Angebotserfolgs.20 Das Verhinderungsverbot entfaltet damit zumindest auch Schutz für die Interessen des Bieters.21 Er bedarf dieses Schutzes insbesondere dann, wenn sein Angebot für ihn bindend geworden ist. Überdies fördert eine Auslegung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nach seinem Sinn und Zweck zutage, dass das an den Vorstand der Zielgesellschaft adressierte Verbot in dem maßgeblichen Zeitfenster umfassend, also für alle Übernahmeangebote, gelten soll.22 Dem Zweck des Verhinderungsverbots widerspräche es, wenn der Vorstand der Zielgesellschaft 17
Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 18. Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 732; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 20. 19 BT-Drucks. 14/7034, S. 57; siehe hierzu auch Drygala, ZIP 2001, 1861, 1863. 20 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 84. 21 Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 732. 22 BT-Drucks. 14/7034, S. 58; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 19. 18
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bei unbedingten Angeboten zunächst die Veröffentlichung des Angebots bzw. den Ablauf der Frist zur Veröffentlichung der Angebotsunterlage abwarten müsste, um dann freie Hand für die Einleitung von Abwehrmaßnahmen zu erhalten.23 Dass sich die zeitliche Geltung des Verhinderungsverbots ausschließlich bei bedingten Angeboten bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses des Angebots erstrecken soll, ist mit dem Zweck einer umfassenden Geltung des Verhinderungsverbots für den Vorstand kaum vereinbar. Überdies ist davon auszugehen, dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Verhaltenspflichten des Vorstands für alle Übernahmeangebote bestimmen will. Würde man die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Angebote beschränken, die (noch) nicht bindend sind, würde letztlich der Bieter durch seine Angebotsgestaltung, namentlich durch die Aufnahme von Bedingungen, darüber entscheiden, inwieweit dem Vorstand die Hände gebunden werden.24 Das entscheidende Argument dafür, dass die Geltung des Verhinderungsverbots nicht durch die rechtliche Bindung des Bieters an das Angebot substituiert wird, setzt am Merkmal der „Erfolgsverhinderung“ an. Oben25 wurde dargelegt, dass zum Erfolg des Übernahmeangebots auch der Fortbestand des wirtschaftlichen Interesses des Bieters am Kontrollerwerb gehört. Maßnahmen, die sich gegen dieses Interesse des Bieters richten, torpedieren den Erfolg des Angebots, können somit ohne Not unter das Merkmal „Erfolgsverhinderung“ subsumiert werden. Maßnahmen der Übernahmefolgenabwehr richten sich qua Definition nicht gegen die Entscheidungsfreiheit der Angebotsadressaten, sondern gegen den Bieter. Mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum ist daher davon auszugehen, dass im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Eignung einer Maßnahme, den Erfolg eines Angebots zu verhindern, nicht durch die Bindung des Bieters an sein Angebot ausgeschlossen wird.26 b) Maßstab der Verhinderungseignung Es wurde bereits festgestellt27, dass der Angebotserfolg zwei Bezugspunkte hat, nämlich die Erlangung einer die Kontrolle vermittelnden Stimmrechtsmehrheit und die anschließende Übernahme der Kontrolle über die Zielgesellschaft im Sinne der Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ab welcher Intensität der 23
Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 732. Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 732. 25 Siehe § 5 I.1. 26 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 19; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 732. 27 Siehe § 5 I.1. 24
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Vorstandshandlungen von einer Erfolgsverhinderung gesprochen werden kann.28 Nach einhelliger Ansicht im Schrifttum wird die Verhinderungseignung von Maßnahmen des Vorstands bejaht, die den Erfolg des Übernahmeangebots lediglich behindern oder erschweren.29 Erschwert die Verwaltung der Zielgesellschaft dem Bieter etwa die Auswechslung des Managements, so dass sich die Durchsetzung des unternehmerischen Konzepts des Bieters für die Zielgesellschaft verzögert, wird man von einer gänzlichen Erfolgsverhinderung nicht sprechen können, wenn für den Bieter eine spätere Änderung des Geschäftspolitik auch noch von Interesse ist. Da für die Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nach h. M. indes die bloße Eignung der Maßnahme ausreichend ist, das wirtschaftliche Interesse des Bieters an der Übernahme zu beeinträchtigen, würde im genannten Beispiel gleichwohl von einer Maßnahme mit Verhinderungseignung auszugehen sein. 3. Zwischenergebnis Das Verhinderungsverbot gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG verbietet dem Vorstand der Zielgesellschaft, Handlungen vorzunehmen, die geeignet sind, den Erfolg des Angebots zu verhindert. Eine Verhinderungseignung i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG kann eine Abwehrmaßnahme auch bei einem unbedingt abgegebenen Angebot aufweisen. Das Verhinderungsverbot schützt damit neben den Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft auch die Interessen des Bieters. II. Die Mitwirkung des Aufsichtsrats an Abwehrmaßnahmen des Vorstands im Rahmen der gesetzlichen Ausnahmen vom Verhinderungsverbot Das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist nur an den Vorstand der Zielgesellschaft adressiert. Maßnahmen des Vorstands, die unter das Verhinderungsverbot fallen und unter Beachtung der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung ergriffen werden30, können durch das Eingreifen eines Ausnahmetatbestands legalisiert werden. Die Rolle des Aufsichtsrats im 28
Die Unterscheidung dieser beiden Gesichtspunkte – Bezugspunkt und Maßstab der Erfolgsverhinderung – kommt im Schrifttum nicht immer hinreichend zum Ausdruck; siehe etwa H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 84. 29 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 23; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 110. 30 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 42; Kopp/von Dryander, in: Apfelbacher/Berthelmess/Buhl/von Dryander, § 33, Rn. 5.
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Rahmen dieser Ausnahmetatbestände bildet im Folgenden den Gegenstand der Betrachtung. 1. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG Das an den Vorstand der Zielgesellschaft adressierte Verhinderungsverbot gilt nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nicht für Maßnahmen, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat. Welche Anforderungen an die Vorstandshandlung gestellt werden müssen, damit sie tauglicher Beschluss einer Aufsichtsratszustimmung sein kann, soll in einem ersten Schritt herausgestellt werden. Darauf aufbauend wird der Frage nachzugehen sein, welchen Bindungen der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung unterliegt und welche formellen Voraussetzungen das Organ bei der Zustimmungserteilung zu beachten hat. a) Gegenstand der Zustimmung des Aufsichtsrats aa) Vorstandshandeln mit Verhinderungseignung bzw. Verhinderungszweck Maßnahmen des Vorstands können nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG durch die Zustimmung des Aufsichtsrats legalisiert werden, wenn sie gerade aus Anlass des Übernahmeangebots getroffen werden, also abwehrgerichtet sind.31 Fraglich ist, ob sich der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG auf solche abwehrgerichtete Maßnahmen beschränkt oder sich auch auf Handlungen des Vorstands erstreckt, die zwar geeignet sind, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern, mit denen aber eine solche Verhinderung nicht bezweckt ist. Einer Literaturansicht zufolge können ausschließlich abwehrgerichtete Maßnahmen des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgen. Fehle es an der Abwehrzwecksetzung, könne die Maßnahme nur unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG durchgeführt werden.32 Die überwiegende Meinung im Schrifttum erkennt einen auf diese Weise zurückgestutzten Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nicht an.33 Diese Meinung verdient Zustim31 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 83; Schlitt, in: MünchKomm § 33, Rn. 164; Grunewald, AG 2001, 288; H. Krause/Pötzsch, Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 175. 32 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 56; tung wohl auch Schneider, AG 2002, 125, 129. 33 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 83; Schlitt, in: MünchKomm § 33, Rn. 163; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 48.
AktG, WpÜG in: Assmann/ in diese RichAktG, WpÜG
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mung. Dem Wortlaut der Vorschrift lassen sich keine Anhaltpunkte dafür entnehmen, dass ausschließlich solche verhinderungsgeeigneten Maßnahmen nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG vom Aufsichtsrat freigestellt werden können, die auch abwehrgerichtet sind. Auch die Gesetzessystematik spricht für ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Ausnahmetatbestände des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und Alt. 3 WpÜG, da sie beide Ausnahmetatbestände in einem Atemzug, nämlich innerhalb desselben Satzes aufführt. Ein Wille des Gesetzgebers, die Zielgesellschaft in Hinblick auf Maßnahmen, die nicht unter § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG fallen, in eine Starre zu versetzen, ist nicht erkennbar. Zwar wird in der Begründung des Finanzausschusses ausgeführt, § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG ermögliche dem Vorstand die Vornahme von Abwehrmaßnahmen, wenn der Aufsichtsrat zugestimmt hat.34 Die Verwendung des Begriffs Abwehrmaßnahme scheint zwar auf abwehrgerichtete Maßnahmen gemünzt zu sein. Dass die Anwendbarkeit der Vorschrift auf solche Maßnahmen beschränkt sein solle, wird man daraus aber nicht schließen können. Stattdessen erscheinen die Ausführungen des Finanzausschusses als Hervorhebung des von der Beschlussempfehlung vorgeschlagenen, erweiterten Anwendungsbereichs des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG. Mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum können daher Handlungen des Vorstands durch die Zustimmung des Aufsichtsrats autorisiert werden, die außerhalb des Tagesgeschäfts liegen und mit denen der Vorstand den Pfad einer bereits eingeschlagenen Unternehmensstrategie verlässt oder die aus anderen Gründen ungewöhnlich sind, und zwar unabhängig von einer etwaigen Abwehrrichtung der Handlung.35 bb) Vorstandshandeln im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzordnung (1) Handlungen im Bereich originärer Vorstandszuständigkeit Fraglich ist, welche verhinderungsgeeigneten Maßnahmen der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf. Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses unterstreicht, dass sich die Ausnahme des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG auf solche Handlungen des Vorstands beschränkt, die innerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz liegen.36 Dieser Befund wird auch durch systematische Erwägungen flankiert. Die in § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG vorgesehene Möglichkeit der Hauptversammlung, den Vorstand 34
BT-Drucks. 14/7477, S. 53. Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 164; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 177. 36 BT-Drucks. 14/7477, S. 53. 35
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pre bid, d.h. vor dem in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG bestimmten Zeitraum, zur Vornahme von Abwehrmaßnahmen zu ermächtigen, ist ausdrücklich beschränkt auf Handlungen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen. Könnte der Vorstand Maßnahmen, die nach allgemeinem Aktienrecht der Kompetenz der Hauptversammlung zugewiesen sind und damit grundsätzlich als Gegenstand einer Vorratsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG in Betracht kommen, bereits nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG vornehmen, verbliebe für die Regelung des § 33 Abs. 2 WpÜG kein eigener Anwendungsbereich.37 Maßnahmen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, verbleiben daher in deren Zuständigkeit.38 Nach alledem können jedenfalls solche Maßnahmen des Vorstands durch den Aufsichtsrat vom Verhinderungsverbot entbunden werden, die in die originäre Zuständigkeit des Vorstands gehören, wie etwa die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien.39 (2) Handlungen im Bereich abgeleiteter Vorstandszuständigkeit Besonderes Augenmerk ist der Frage zu widmen, inwieweit Vorstandshandeln im derivativen Bereich dem Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG unterliegt. Im Bereich des derivativen Vorstandshandelns leitet der Vorstand seine Kompetenz von der Hauptversammlung ab, die ihn zur Vornahme einer an sich in ihre Zuständigkeit fallende Handlung ermächtigt. Zum einen ist Vorstandshandeln im derivativen Bereich aufgrund einer Ermächtigung der Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 WpÜG denkbar. Die Ausnutzung einer solchen, zweckgerichtet zur Abwehr eines möglichen Übernahmeangebots erteilten Vorratsermächtigung richtet sich nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG. Der Bereich des derivativen Vorstandshandelns ist hierauf jedoch nicht beschränkt. In Betracht kommt darüber hinaus die Ausnutzung einer von der Hauptversammlung nach anderen Vorschriften erteilten Ermächtigung. Solche „einfachen“ Ermächtigungen, die nicht auf § 33 Abs. 2 S. 2 WpÜG beruhen und daher ohne eine Maßgabe über die Nutzung zur Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots erteilt werden, kön37 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 174; Winter/Harbarth, ZIP 2001, 19; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG, § 33 Rn. 165. 38 BT-Drucks. 14/7477, S. 53; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 174; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 49; Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 121; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 80; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 165, 181 f. 39 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 176.
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nen insbesondere die Ausnutzung genehmigten Kapitals nach § 202 AktG betreffen, den Rückerwerb eigener Aktien der Zielgesellschaft gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, die Ausgabe von Bezugsrechten an Arbeitnehmer oder Mitglieder der Geschäftsleitung im Rahmen eines bedingten Kapitals gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG sowie den Abschluss oder die Aufhebung von Unternehmensverträgen.40 Im Schrifttum ist streitig, ob die verhinderungsgeeignete Inanspruchnahme eines solchen generellen Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung mit Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG legalisiert werden kann. Manche Autoren wollen nur solche Handlungen des Vorstands dem Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG zuführen, die zum originären Zuständigkeitsbereich dieses Organs gehören.41 Dies ergäbe sich aus dem Regelungszusammenhang. § 33 Abs. 2 WpÜG enthalte eine abschließende Regelung für Handlungen des Vorstands, die „in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fallen“. Der Anwendungsbereich erstrecke sich auf alle Handlungen, für deren Vornahme die Hauptversammlung die originäre Kompetenz besitzt.42 Soweit es das Aktienrecht der Hauptversammlung gestatte, Entscheidung in ihrem Zuständigkeitsbereich an den Vorstand durch Ermächtigungsbeschluss zu delegieren, ändere dies nichts daran, dass eine Maßnahme in Rede steht, die in die originäre Zuständigkeit der Hauptversammlung falle. Dies gelte unabhängig davon, ob die Hauptversammlung von einer bestehenden Delegationsbefugnis Gebrauch mache oder nicht.43 Wenn § 33 Abs. 2 WpÜG verlangt, dass neben einer speziellen Abwehrermächtigung der Hauptversammlung auch die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist, könne die Ausnutzung einer generellen Ermächtigung durch den Vorstand nicht ebenfalls von einer Aufsichtsratszustimmung abhängen.44 Die Gesetzesmaterialien45 seien in diesem Punkt zwar mehrdeutig, könnten aber insoweit zur Begründung dieses Ergebnisses herangezogen werden, als der Vorstand nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nur zu Maßnahmen „innerhalb seiner Geschäftsführungsbefugnis“ befugt sein soll. § 33 Abs. 2 WpÜG wäre über40 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 91; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 208. 41 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 8 f.; Diregger/Winner, WM 2002, 1583, 1591; im Ergebnis ebenso Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 92, der zwar die eine Ausnutzung von generellen Ermächtigungsbeschlüssen auch nach § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG für möglich hält, aber nur, wenn in Bezug auf die Ermächtigung die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 WpÜG erfüllt sind. 42 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 9. 43 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 9. 44 Bayer, ZGR 2002, 588, 613. 45 BT-Drucks. 14/7477, S. 53.
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flüssig, wenn der Vorstand anstelle der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats für ein Vorgehen nach § 33 Abs. 2 WpÜG nur den Aufsichtsrat für ein Vorgehen nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG bemühen müsste.46 Eine andere Literaturmeinung möchte die Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG zwar nicht auf Maßnahmen im originären Kompetenzbereich des Vorstands beschränken, sondern durchaus derivatives Vorstandshandeln miteinbeziehen. § 33 Abs. 2 WpÜG treffe jedoch eine Sondervorschrift für abwehrgerichtetes Handeln des Vorstands im Bereich abgeleiteter Kompetenz. Daher könne sich die Ausnutzung einer generellen Ermächtigung nicht nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG richten, wenn es sich um eine abwehrgerichtete Maßnahme des Vorstands handle.47 Mit bloßer Zustimmung des Aufsichtsrats soll daher die Ausübung einer generellen Ermächtigung durch den Vorstand möglich sein, wenn mit der Maßnahme kein direkter Eingriff in die Aktionärsstruktur verbunden ist, wie beispielsweise bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals ohne Bezugsrechtsausschluss oder Rückkauf eigener Aktien.48 Die überwiegende Literaturansicht hält die Ausnutzung eines einfachen Ermächtigungsbeschlusses durch den Vorstand während einer Übernahmeauseinandersetzung auch auf Grundlage des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG für möglich.49 Für diese Ansicht spricht der Wortlaut des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Dieser gibt keinen Anlass zur Differenzierung zwischen originärer und entliehener Vorstandskompetenz.50 Die Notwendigkeit einer solchen Unterscheidung wird auch nicht durch § 33 Abs. 2 WpÜG begründet. Die Begründung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses trifft eine klare Aussage zum Verhältnis von Ermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG zu Ermächtigungen auf allgemeinen aktienrechtlichen Grundlagen: 46
Bayer, ZGR 2002, 588, 613. Bayer, ZGR 2002, 588, 613; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 202, Rn. 75; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 366. 48 Bayer, ZGR 2002, 588, 614. 49 H. Krause, BB 2002, 1053, 1054 f.; Thoma, NZG 2002, 105, 110; Tröger, DZWiR 2002, 397, 403; Zschoke, DB 2002, 79, 83; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 51; Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150, 154; Dohrmann, Übernahmerechtliche Zustimmungsvorbehalte, S. 98; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 169 ff.; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 169; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 51; Nippgen, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten, S. 211 f.; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 138 ff.; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 135; Fuchs, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 22, Rn. 131. 50 H. Krause, BB 2002, 1053, 1054; derselbe/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 139; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 51. 47
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„Maßnahmen des Vorstands, die auf Ermächtigungen nach anderen Rechtsvorschriften [als nach § 33 Abs. 2 WpÜG] beruhen – wie zum Beispiel die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals nach § 202 AktG oder der Rückkauf von Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG – können … vom Vorstand auch während eines Angebots durchgeführt werden, sofern die Anforderungen von § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG eingehalten werden“.51
Auch die Regelungstechnik drängt die Annahme einer Sperrwirkung des § 33 Abs. 2 WpÜG gegenüber § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG nicht auf. Indes wird man § 33 Abs. 2 WpÜG nicht schon deswegen den Charakter einer gegenüber § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG abschließenden Spezialregelung absprechen können, weil der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 2 WpÜG sich nicht vollständig mit dem des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG deckt, sondern über diesen hinausreicht.52 Denn die Verdrängung einer Vorschrift durch eine andere ist auch dann möglich, wenn sich die Tatbestände der beiden Normen nur teilweise decken.53 Schwerer wiegt dagegen das Argument, dass das gesetzliche Konzept nicht stimmig sei, wenn es einerseits die Ausnutzung eines einfachen Ermächtigungsbeschlusses wahlweise neben die Ausnutzung einer Vorratsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG stelle, andererseits aber nur an das wirksame Zustandekommen der Vorratsermächtigung gemäß § 33 Abs. 2 S. 1–3 WpÜG hohe Anforderungen stelle, wie z. B. das Erfordernis einer Kapitalmehrheit von Dreivierteln gemäß § 33 Abs. 2 S. 3 WpÜG. Diese Argumentation suggeriert, dem Vorstand wäre mit dem Gebrauch einer einfachen Ermächtigung ein Handlungsspielraum eröffnet, wie er beim Ausnutzen einer Vorratsermächtigung besteht. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Möchte der Vorstand einen generellen Ermächtigungsbeschluss im Übernahmekampf gebrauchen, ist er an die Vorgaben dieses Ermächtigungsbeschlusses gebunden.54 Die Hauptversammlung kann etwa ein genehmigtes Kapital in Hinblick auf seinen Verwendungszweck inhaltlich in nahezu unbegrenzten Umfang beschränken.55 Ein Bezugsrechtsausschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum und der Rechtsprechung einer positiven sachlichen Rechtfertigung.56 51 BT-Drucks. 14/7477, S. 53 (Einschube in eckigen Klammern stammen vom Verfasser). 52 So aber H. Krause, BB 2002, 1053, 1054; derselbe/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 141. 53 Larenz, Methodenlehre, S. 268. 54 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 53; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 175. 55 Bayer, in: MünchKomm AktG, § 202, Rn. 76. 56 Peifer, in: MünchKomm AktG, § 186, Rn. 71; Hüffer, Aktiengesetz, § 186, Rn. 25.
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Soll dem Vorstand das Recht zum Bezugsrechtsausschluss im Ermächtigungsbeschluss zur Schaffung des genehmigten Kapitals eingeräumt werden, bedarf es daher einer obligatorischen abstrakten Umschreibung des Vorhabens57, d.h. des Zwecks des genehmigten Kapitals und der Einsatzmöglichkeiten der jungen Aktien.58 Der Vorstand kann daher, macht er von einem allgemeinen Ermächtigungsbeschluss im Übernahmekampf Gebrauch, mit den jungen Aktien nicht nach Gutdünken verfahren, sondern muss die im Ermächtigungsbeschluss aufgestellten Grenzen einhalten. Wurde der Vorstand etwa ermächtigt, bezugsrechtsfreie Aktien zu schaffen, um sie als Akquisitionswährung für den Zukauf von Unternehmensbeteiligungen zu verwenden, darf er die jungen Aktien nicht einem das Übernahmeangebot ablehnenden Dritten (white squire) zuwenden, wenn eine Akquisition von Unternehmensanteilen nicht in Rede steht.59 Diese Restriktionen beschneiden die Möglichkeiten des Vorstands, einen einfachen Ermächtigungsbeschluss zur Übernahmeabwehr einzusetzen, in beachtlichem Umfang. Demgegenüber gewähren Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG dem Vorstand ein weitaus größeres Maß an Handlungsfreiheit.60 Denn nach § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG braucht die Hauptversammlung die Handlungen, die der Vorstand zur Übernahmeabwehr einsetzen darf, nur „der Art nach“ zu bestimmen. Die noch im RegE-WÜG61 vorgesehene Formulierung, wonach die Maßnahmen „im Einzelnen“ zu bestimmen wären, hat keinen Eingang ins Gesetz gefunden. Dies hat zur Folge, dass zwar auch ein Vorratsbeschluss nach § 33 Abs. 2 WpÜG nur innerhalb der Grenzen des geltenden Aktienrechts gefasst werden kann.62 Die Vorschrift ermöglicht es jedoch der Hauptversammlung, die Maßnahmen, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt wird, dem alleinigen Zweck der Verhinderung des Angebotserfolgs zu widmen.63 Dies wird man auch für einen Bezugsrechtsausschluss annehmen können. Zwar bestand im aktienrecht57 BGH 23.6.1997, BGHZ 136, 133 = NJW 1997, 2815 = ZIP 1997, 1499 – „Siemens/Nold“. 58 Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, § 58, Rn. 44; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 158 f. 59 von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 175. 60 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 75. 61 BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 62 BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 63 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 75, 77; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 160; ebenso speziell zum Bezugsrechtsausschluss: Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 63; a. A. offenbar Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 144 (zum Bezugsrechtausschluss); mit grundsätzlichen Bedenken: Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1079 f.
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lichen Schrifttum bislang Uneinigkeit darüber, ob ein Bezugsrechtsausschluss mit dem Zweck der Übernahmeabwehr begründet werden könne.64 Wegen der ausdrücklichen Zulassung von Vorratsbeschlüssen zur Übernahmeabwehr in § 33 Abs. 2 WpÜG kann nunmehr auch ein Bezugsrechtsausschluss im Rahmen einer Kapitalmaßnahme ausschließlich mit einer Abwehrzielsetzung begründet werden, wenn die Voraussetzungen einer Vorratsermächtigung gemäß § 33 Abs. 2 WpÜG eingehalten sind.65 Die Annahme eines Nebeneinander von einfachen Ermächtigungsbeschlüssen und Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG ist daher nicht mit einem Wertungswiderspruch verbunden, der im Wege der systematischen Auslegung aufzulösen wäre. Auch mit teleologischen Gesichtspunkten lässt sich begründen, dass nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG Maßnahmen des Vorstands aufgrund entliehener Kompetenz mit Zustimmung des Aufsichtsrats zulässig sind. Die Gesetzesmaterialien führen aus, dass durch die Regelung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG deutschen Zielgesellschaften ein größerer Spielraum zur Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots eingeräumt werden soll. Denn Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedsstaaten der EU und auch mit Sitz in den USA genössen ebenfalls größere Freiheiten bei der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote.66 Vor diesem Hintergrund wird eine Auslegung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG, die die Ausnutzung eines einfachen Ermächtigungsbeschlusses mit einbezieht, der Funktion dieser Vorschrift eher gerecht.67 Daher kann auch ein Handeln des Vorstands aufgrund einfachen Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung einen zulässigen Gegenstand einer Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG darstellen. (3) Zwischenergebnis Der Aufsichtsrat darf seine Zustimmung nicht nur zu verhinderungsgeeigneten Maßnahmen, sondern darüber hinaus auch zu abwehrgerichteten Handlungen des Vorstands erteilen. Das Kontrollorgan kann an Handlungen mitwirken, die zum originären Zuständigkeitsbereich des Vorstands gehören. 64 Zu den Fürsprechen gehören Lutter, in: KK-AktG, § 186, Rn. 71; derselbe/ Tim, NJW 1982, 415; M. Wolf, AG 1998, 212, 215; Wiedemann, in: Großkomm AktG, § 186, Rn. 161; dagegen sprechen sich aus Otto, DB 1988, Beilage 12, S. 1, 8 f.; Stoll, BB 1989, 301; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, S. 43 ff.; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 128 f.; Hopt, ZGR 1993, 534, 548 f.; Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 212. 65 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 63. 66 BT-Drucks. 14/7477, S. 50. 67 Ähnlich H. Krause, BB 2002, 1053, 1054.
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Die Zustimmung des Aufsichtsrats kann aber auch dann erteilt werden, wenn der Vorstand seine Zuständigkeit von der Hauptversammlung ableitet, namentlich wenn er aufgrund einer Ermächtigung der Hauptversammlung handelt, die nach allgemeinem Aktienrecht erteilt wurde. In diesem Falle darf der Aufsichtsrat seine Zustimmung aber nur erteilen, wenn der Vorstand die Grenzen, die ihm im Ermächtigungsbeschluss gezogen werden, einhält. b) Organschaftliche Bindung des Aufsichtsrats Bei der Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG handelt es sich um eine Tätigkeit im Bereich der präventiven Vorstandskontrolle, wie sie insbesondere durch § 111 Abs. 4 AktG vorgesehen ist.68 Entsprechend den zu § 111 Abs. 4 AktG entwickelten Grundsätzen muss der Aufsichtsrat prüfen, ob das Verhalten des Vorstands rechtmäßig, ordnungsmäßig und zweckmäßig ist.69 Dabei trifft der Aufsichtsrat eine unternehmerische Entscheidung.70 Dieser ist immanent, dass sie auf Prognosen und Einschätzungen beruht. Dies wirft die Frage auf, ob und gegebenenfalls welchen Einschränkungen der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG unterliegt. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es zunächst einer Vergegenwärtigung der Zielvorgaben, die das Aktien- und das Übernahmerecht für das Verwaltungshandeln festlegen. In einem zweiten Schritt soll erhellt werden, inwieweit dem Aufsichtsrat ein Ermessensspielraum bei der Verfolgung der Zielvorgaben eingeräumt wird, wenn er Abwehrmaßnahmen des Vorstands autorisiert. aa) Zielvorgaben für das Aufsichtsratshandeln im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG Eine Aussage zum Maßstab für das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft enthalten die allgemeinen Grundsätze des § 3 WpÜG. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift müssen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft handeln. Die Gesetzesmaterialien erläutern, dass § 3 Abs. 3 WpÜG nur deklaratorische Funktion 68
Vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 58 zur Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG; für Zustimmungen nach § 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 WpÜG kann nichts anderes gelten, siehe hierzu Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 26; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 84. 69 Hüffer, Aktiengesetz, § 111, Rn. 6; Henze, BB 2000, 209, 214. 70 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 11; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 62; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 84; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 185.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
zukommt.71 Das Handeln der Verwaltungsorgane der Zielgesellschaft soll daher auch während eines Angebotsverfahrens am Interesse des Unternehmens ausgerichtet sein.72 Das Management der Zielgesellschaft hat ausweislich der Gesetzesmaterialien die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer, das Gemeinwohl und die Interessen der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen.73 Der RegE-WÜG greift in den Begründungen zu § 3 Abs. 3 WpÜG sowie zu § 33 WpÜG die h. M. im Aktienrecht auf, die – obwohl sich ein entsprechendes Konzept dem AktG nicht unmittelbar entnehmen lässt74 – Vorstand und Aufsichtsrat auf ein interessenspluralistisches Unternehmensinteresse verpflichtet sieht.75 Damit korreliert die Bestimmung in Nr. 3.7 Uabs. 2 S. 2 Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK), wonach Vorstand und Aufsichtsrat bei ihren Entscheidungen über Abwehrmaßnahmen an das beste Interesse der Aktionäre und des Unternehmens gebunden sind. Die Aggregation verschiedener, unterschiedlich gelagerten Interessen unter dem Dach des Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresses führt dazu, dass eine hinreichende Justiziabilität dieses Rechtsbegriffs oftmals nur in eindeutigen Fallkonstellationen oder bei Annahme eines weiten Ermessensspielraums nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gegeben sein wird.76 Im Schrifttum gibt es daher Bestrebungen, im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG von einem Handeln des Aufsichtsrats im Gesellschaftsinteresse nur in eindeutig gelagerten Fällen auszugehen. Als Oberbegriff für derartige Konstellationen wurde der Terminus des „qualifizierten“ bzw. „dringenden“ Unternehmensinteresses entwickelt.77 Nach diesem Konzept kann nicht jede im Gesellschaftsinteresse aggregierte Position die Vornahme einer Abwehrmaßnahme durch den Vorstand bzw. die Billigung der Maßnahme durch den Aufsichtsrat rechtfertigen, sondern nur ein dringendes Unternehmensinteresse. Dieses müsse zudem das Interesse der Aktionäre an einer ungestörten Veräußerung 71
BT-Drucks. 14/7034, S. 35. BT-Drucks. 14/7034, S. 35. 73 BT-Drucks. 14/7034, S. 35, 58. 74 Mülbert, IStR 1999, 83 f.; Zöllner, AG 2003, 3, 7; von Bonin, Leitung der Aktiengesellschaft, S. 88 ff. 75 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 68; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14, Rn. 13; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 23 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1, S. 805; Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 40; Hüffer, Aktiengesetz, § 76, Rn. 12; Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 16; von der Maßgeblichkeit des Unternehmensinteresses geht auch aus die Begründung. des Regierungsentwurfs des AktG 1965, abgedruckt bei: Kropff, Aktiengesetz, S. 97. 76 Zur Kritik am Begriff des Unternehmensinteresses siehe etwa: Mülbert, ZGR 1997, 129, 156 ff.; Zöllner, AG 2003, 3, 7 f.; Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76, Rn. 57 ff.; von Bonin, Leitung der Aktiengesellschaft, S. 88 ff. 77 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 10. 72
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ihres Anteilsbesitzes deutlich überwiegen.78 Als Beispiel eines Sachverhalts, in dem das Bestehen eines dringenden, die Veräußerungsinteressen der Aktionäre deutlich überwiegenden Unternehmensinteresses angenommen werden könne, wird die Übernahme der Gesellschaft durch eine Mafia-Organisation genannt sowie die drohende Beeinträchtigung der Vermögens- und Ertragslage der Zielgesellschaft.79 Im Ergebnis sind nach dieser Ansicht daher Abwehrmaßnahmen des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nur in Ausnahmefällen zulässig. Dieser Literaturmeinung ist zugute zu halten, dass sie die Schwierigkeiten, die mit der Ermittlung, Bewertung und Abwägung der einzelnen zum Gesellschaftsinteresse gehörenden Belange verbunden sind, auf ein Minimum reduziert. Indes begegnet die Ansicht methodischen Bedenken. Die Annahme eines „dringlichen Unternehmensinteresses“ findet weder im Gesetz, noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze.80 Eine teleologische Auslegung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG hat in Rechnung zu stellen, dass § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG eine Erweiterung der Abwehrmöglichkeiten deutscher Zielgesellschaften bezweckt.81 Die Zurückstutzung des Anwendungsbereichs des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG auf Ausnahmefälle ist damit nicht in Einklang zu bringen. Daher kann der Umstand, dass die Vorschrift regelungstechnisch in die Gestalt einer Ausnahmevorschrift gegossen wurde, für sich allein eine enge Auslegung nicht gebieten.82 Die Forderung, die Interessen anderer Interessensgruppen müssten gegenüber dem Veräußerungsinteresse der Aktionäre deutlich überwiegen, ermangelt einer belastbaren Verknüpfung zum § 33 Abs. 1 WpÜG. Wie gezeigt, können Abwehrmaßnahmen des Vorstands das Veräußerungsinteresse in weiten Teilen überhaupt nicht beeinträchtigen.83 Überdies verbietet § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG Maßnahmen, die den Erfolg des Angebots verhindern könnten, nicht aber Maßnahmen, die die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre beeinträchtigen.84 Auch die These, bei feindlichen Übernahmen würden jegliche inhaltliche Kriterien für eine Abwägung aller im Gesellschaftsinteresse zusammengefassten und durch das Übernahmeangebot tangierten Interessen 78 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 10; zustimmend: Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 30; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 185; Fuchs, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 22, Rn. 134. 79 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 10. 80 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 49; Fuchs, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 22, Rn. 134. 81 BT-Drucks. 14/7477, S. 50. 82 Vgl. zur Auslegung von Ausnahmevorschriften Larenz, Methodenlehre, S. 355. 83 Siehe oben § 5 I.2.a) sowie ausführlich in Hinblick auf Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats unten § 9 IV.1.b). 84 Siehe oben § 5 I.2.a).
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fehlen,85 erscheint überzogen.86 Der Aufsichtsrat muss seine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG daher am Gesellschaftsinteresse i. S. v. § 3 Abs. 2 WpÜG ausrichten, ein Vorrang der Veräußerungsinteressen der Aktionäre im Rahmen eines „dringenden Unternehmensinteresses“ ist abzulehnen. bb) Ermessensspielraum für unternehmerische Entscheidungen (1) Ermessensspielraum nach §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG? Bei der Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Aufsichtsrats.87 Mit diesem Befund ist die erste Station auf dem Weg hin zur Ermittlung des Entscheidungsspielraums des Aufsichtsrats erreicht. Denn die durch das UMAG88 eingeführte Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, die gemäß § 116 S. 1 AktG auch für den Aufsichtsrat gilt89, betrifft den Ermessensspielraum unternehmerischer Verwaltungsentscheidungen. Hiernach können unternehmerische Entscheidungen nicht beanstandet werden, wenn das Organmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Die Vorschrift lehnt sich ausweislich der Gesetzesbegründung an der Figur der business judgment rule aus dem angelsächsischen Rechtskreis an90 und orientiert sich an der bisherigen Rechtsprechung, die der BGH durch die ARAG-Garmenbeck-Entscheidung91 eingeschlagen hat.92 Die Entscheidung des Aufsichtsrats muss, wenn sie von der Privilegierung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfasst sein soll, als Handlung zum Wohl der Gesellschaft qualifiziert werden können. Ein Handeln zum Wohl der 85
Mülbert, IStR 1999, 83, 86. Siehe hierzu ausführlich von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 196 ff., der die Kriterien zur Ausfüllung des Unternehmensinteresses anhand der Vorschriften des WpÜG herleitet; vgl. hierzu auch Dohrmann, Übernahmerechtliche Zustimmungsvorbehalte, S. 162 ff. 87 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 11; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 62; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 84; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 185. 88 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierungdes Anfechtungsrechts, BGBl. Teil I 2005, S. 2802. 89 Roth, BB 2004, 1066, 1068. 90 Siehe oben § 3 II. 91 BGH 21.4.1997, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926 = ZIP 1997, 883 – „ARAG/Garmenbeck“ . 92 BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 86
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Gesellschaft setzt voraus, dass die Entscheidung „unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz“ getroffen wird.93 Daher ist die privilegierende Wirkung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht gegeben, wenn Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses die Entscheidung beeinflussen. Die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist daher insbesondere ausgeschlossen bei einem Handeln zum eigenen Nutzen.94 Für die Frage, ob ein Handeln des Aufsichtsrats in der Annahme, dem Gesellschaftswohl zu dienen, vorliegt oder nicht, ist kein subjektiver Maßstab anzulegen, d.h. ausreichend ist nicht bereits, dass die Handelnden davon ausgehen, im Gesellschaftsinteresse zu handeln. Vielmehr ist – und das wird sich im vorliegenden Zusammenhang als entscheidend erweisen – eine verobjektivierte Betrachtung angezeigt. Denn das subjektive Merkmal der „Annahme“ wird durch das Erfordernis des „annehmen Dürfen“ objektiviert.95 Wie gezeigt, ist für die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat und die Mitglieder des Vorstands der Erfolg eines Übernahmeangebots typischerweise mit der Gefahr des Amtsverlusts verbunden.96 Mögen die Organmitglieder des Aufsichtsrats sich selbst für unbefangen halten und sich die Professionalität zuschreiben, persönliche Interessen auch während einer Übernahmeauseinandersetzung hintanzustellen, so ist doch eine objektivierte Betrachtungsweise angezeigt. Aus dieser Perspektive wird man eine Beeinflussung durch Sonderinteressen nicht negieren können. Nicht überzeugen kann daher die Ansicht, wonach für Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit einer Interessenkollision im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG auszublenden sei.97 Diese Auffassung setzt sich über die rechtlichen Vorgaben des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sowie über die in der ARAG-Garmenbeck-Entscheidung des BGH vorgegebenen Grundsätze leichtfertig hinweg. Auch der Hinweis darauf, dass die typischen Konfliktlagen bei Aufsichtsratsmitgliedern auf anderer Ebene als beim Vorstand lägen98, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Aufgrund der aktienrechtlichen Organverfassung müssen Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat sogar früher mit ihrer Amtsenthebung rechnen, weil der Bieter über seine Stimmmehrheit in der Hauptversammlung den Aufsichtsrat nach seinen Vorstellungen umgestalten kann, nicht jedoch auch unmittelbar das Vorstandsgremium. Der Aufsichtsrat ankert im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG daher stets außerhalb des sicheren Hafens des § 93 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 116 S. 1 AktG. Dies entspricht der 93 94 95 96 97 98
BT-Drucks. 15/5092, S. 11. BT-Drucks. 15/5092, S. 11. BT-Drucks. 15/5092, S. 11. Siehe oben § 1 VIII.2.b). So aber Fuchs, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 22, Rn. 135. Fuchs, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 22, Rn. 135.
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h. M. im Schrifttum, die eine Anwendung des „ARAG-Privilegs“ im Rahmen des Verhinderungsverbots ablehnt.99 (2) Beschränkung des Handlungsspielraums durch ein Neutralitätsgebot? Der Frage, inwieweit sich aus § 33 WpÜG oder aus allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen ein Verhinderungsverbot für den Aufsichtsrat ergibt, wird noch nachzugehen sein.100 Selbst wenn man unterstellen wollte, dass für den Aufsichtsrat das Verhinderungsverbot aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG oder ein ähnlicher Verhaltensmaßstab gelte, könnten diese Beschränkungen jedenfalls nicht für den Zustimmungsvorbehalt nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG maßgeblich sein. Denn diese Bestimmung hätte anderenfalls keinen sinnvollen Anwendungsbereich mehr.101 Eine solche Betrachtungsweise würde auch das Telos der Vorschrift, der Verwaltung der Zielgesellschaft die Übernahmeabwehr zu erleichtern102, konterkarieren. (3) Folge der Unanwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Wie gezeigt103 dürfen Aufsichtsratsmitglieder, die über die Autorisierung von verhinderungsgeeigneten Maßnahmen des Vorstands nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG entscheiden, nicht annehmen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Daher ist eine Privilegierung der Entscheidung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausgeschlossen. Welche Folgen zeitigt das Ausbleiben der Privilegierung? Damit ist die Frage nach der dogmatischen Begründung des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG gestellt. Dogmatisch kann die Vorschrift zum einen mit der Rechtsfigur des Beurteilungsspielraums erklärt werden.104 Hiernach würde dem Verwaltungsmitglied eine Einschätzungsprärogative in Hinblick auf die Konkretisierung des Unternehmenswohls zugebilligt und ein Abwägungsspielraum in Hinblick auf das Kosten/Nutzen-Verhältnis einer die Entscheidungsfindung vor99 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 62; Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827, 842; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 84; H. Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 185; a. A. von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 203. 100 Siehe § 6, § 7, § 8 und § 9. 101 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 11. 102 BT-Drucks. 14/7477, S. 50. 103 Siehe § 5 II.1.b)bb)(1). 104 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 7, Rn. 50; vgl. auch Lutter, ZIP 2007, 841, 842.
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bereitenden Tatsachenermittlung gewährt.105 Ein anderer dogmatischer Begründungsansatz sieht in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht die Regelung des Sorgfaltsmaßstabes für Verwaltungsmitglieder bei unternehmerischen Entscheidungen. Stattdessen wird die Anordnung der Vorschrift lediglich in der Zurückdrängung des richterlichen Prüfungsmaßstabs in Hinblick auf unternehmerische Entscheidungen erblickt.106 Für erstgenannte Ansicht kann der Wortlaut der Vorschrift herangezogen werden, der auf das Nichtvorliegen einer Pflichtverletzung abstellt. Dies deutet hin auf eine inhaltliche Determinierung des Sorgfaltsmaßstabs, die freilich auf die Umschreibung des „sicheren Hafens“107 für die Aufsichtsratsentscheidung beschränkt ist. Für die Annahme einer Beschränkung des richterlichen Prüfungsmaßstabs finden sich Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien. Diese verstehen den Regelungsgehalt des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Normierung eines „Haftungsfreiraums“108. Hierin kann ein Fingerzeig auf eine Entkoppelung von Sorgfaltsmaßstäben einerseits und Prüfungsmaßstäben andererseits gesehen werden. Zwar setzt eine Haftung eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus. Indes kann für den Richter durchaus ein anderer Prüfungsmaßstab maßgeblich sein, als für den Normunterworfenen.109 Dadurch wird ein organschaftliches Handelns akzeptiert, das den Bereich der sorgfältigen unternehmerischen Tätigkeit verlässt, gleichwohl aber nicht zur Haftung führt.110 Bei dieser Leseart des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bleibt das Leitbild einer „makellosen“ unternehmerischen Tätigkeit aufrechterhalten. Die Etikettierung des Organhandelns als sorgfaltspflichtwidrig ist nicht von vornherein auf Fälle beschränkt, in denen eine Haftung des Organmitglieds in Betracht kommt. Dies wird man als vorteilhaft für die Effizienz der Kapitalmärkte sehen können, weil mit der Möglichkeit einer differenzierenden Beurteilung des Managementverhaltens zugleich ein höheres Maß an Information verbunden ist. Die Beurteilung der Qualität der Tätigkeit der Verwaltungsorgane durch den Anleger kann dadurch auf verbreiterter Grundlage erfolgen. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 161 AktG zum Ausdruck gebracht, dass das Informationsbedürfnis des Kapitalmarkts auch in Hinblick auf die Qualität der Unternehmensführung zu befriedigen ist. Daher erscheint es vorzugswürdig, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Regelung des richterlichen Prüfungsmaßstabs, nicht als materiellen Sorgfaltsmaßstab aufzufassen. 105 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des UMAG: Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 93, Rn. 25 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 81 ff. 106 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 7, Rn. 50. 107 RegE-UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 108 RegE-UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 109 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827, 689. 110 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827, 689, spricht von einer „Grauzone“ zwischen Pflichtverletzung und Haftung.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
Dürfen die Organmitglieder vernünftigerweise nicht davon ausgehen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln – wie es bei Aufsichtsratsentscheidungen nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG stets der Fall ist111 – gilt im Rahmen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ebenso wie bei seinem Paten, der business judgement rule112, ein auf Inhalt und Ergebnis der Entscheidung bezogener Überprüfungsmaßstab.113 Angezeigt ist daher eine umfassende gerichtliche Überprüfung der Entscheidung in Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unternehmensinteresse.114 cc) Zwischenergebnis Der Aufsichtsrat ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet, wenn er über die Legalisierung von Abwehrmaßnahmen des Vorstands entscheidet. Ein qualifiziertes oder dringendes Unternehmensinteresse ist nicht Voraussetzung dafür, dass der Aufsichtsrat seine Zustimmung erteilen darf. Auch ist er im Rahmen des § 33 Abs.1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nicht selbst an ein Verhinderungsoder Neutralitätsgebot gebunden. Das Plazet des Aufsichtsrats unterliegt indes der vollen Überprüfung durch die Gerichte. Eine Beschränkung des richterlichen Prüfungsmaßstabs nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG greift nicht Platz. c) Formelle Fragen der Aufsichtsratszustimmung aa) Zeitpunkt Unter den Begriff Zustimmung wird nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen sowohl die Einwilligung im Sinne einer vorherigen Zustimmung (§ 183 S. 1 BGB) subsumiert, als auch Genehmigung im Sinne einer nachträglichen Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB). Der Wortlaut des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG spricht dafür, dass im Zeitpunkt der Vorstandshandlung die Zustimmung des Aufsichtsrats bereits vorliegen muss. Denn der Ausnahmetatbestand ist in der Vergangenheitsform formuliert.115 Die Begründung zur Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum RegEWÜG erkennt eine Ausnahme vom Verhinderungsverbot für Handlungen des Vorstands ausdrücklich für den Fall an, dass „der Aufsichtsrat diesen Maßnahmen zuvor zugestimmt hat“116. Die Möglichkeit einer nachträglichen 111
Siehe § 5 II.1.b)bb)(1). Roth, BB 2004, 1066, 1067; Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249, 252; Hauschka, ZRP 2004, 65; Kuthe, BB 2004, 449. 113 Paefgen, AG 2004, 245, 249. 114 Paefgen, AG 2004, 245, 249. 115 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 179. 112
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Zustimmung zu Maßnahmen des Vorstands ist im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG auch deswegen abzulehnen, weil sie kaum mehr als präventives Kontrollinstrument verstanden werden könnte. Die Entscheidungsfindung des Aufsichtsrats würde, wenn die Maßnahme bereits vollzogen ist, in einer Weise unter Druck stehen, die auf eine faktische Präjudizierung der Zustimmungserteilung hinausliefe.117 bb) Inhalt der Zustimmung Gegenstand der Zustimmung kann nur eine hinreichend konkrete Abwehrmaßnahme sein.118 Insbesondere eine generelle Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen ist mit der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats nicht vereinbar.119 Das Erfordernis hinreichender Konkretisierung der Abwehrmaßnahme wird auch nicht dadurch substituiert, dass der Aufsichtsrat Bedingungen für die Vornahme nicht konkretisierter Abwehrmaßnahmen formuliert.120 Denn damit könnte sich der Aufsichtsrat seiner Verantwortung entledigen, eine konkret beabsichtigte Abwehrmaßnahme auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Diese Bedenken bestehen freilich nicht, wenn der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer hinreichend konkreten Abwehrmaßnahme unter eine oder mehrere Bedingungen stellt.121 cc) Verfahren Der Aufsichtsrat entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 AktG. Erforderlich ist die einfache Mehrheit der Stimmen.122 Bedarf die Maßnahme auch nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen der Zustimmung des Aufsichts116
BT-Drucks. 14/7477, S. 53. Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 8; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 86; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 174; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 179; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 165. 118 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 8; Schneider, AG 2002, 125, 129; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 86; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 165. 119 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 86; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 165; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 180; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 165. 120 A. A. Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 86. 121 Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 186. 122 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 97; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 175; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 181. 117
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
rats, ist eine Zusammenfassung der Beschlüsse möglich.123 Es muss jedoch aus dem Beschluss hervorgehen, dass die Entscheidung auch in Hinblick auf eine Verhinderungseignung der Maßnahme getroffen wird.124 Nach h. M. ist die Übertragung der Zustimmungsentscheidung an einen Aufsichtsratsausschuss nach Maßgabe des § 107 Abs. 3 AktG zulässig.125 Die Gegenansicht wird zum einen mit der Tragweite der Aufsichtsratsentscheidung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG begründet. Verwiesen wird auf den Vorbehaltskatalog des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG, der analog anzuwenden sei.126 Des Weiteren berge die Möglichkeit der Delegation der Zustimmungsentscheidung an einen Aufsichtsratsausschuss die Gefahr, dass Arbeitnehmervertreter – entgegen der Intention des Gesetzgebers – aus dem Entscheidungsprozess herausgedrängt würden.127 Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Der Forderung einer entsprechenden Anwendung des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG liegt die Annahme zugrunde, die Vorschrift sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, wonach besonders wichtige Entscheidungen stets vom Gesamtorgan getroffen werden müssten. Ein solcher Grundsatz wird jedoch mit Recht abgelehnt.128 Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG dezidiert zum Ausdruck gebracht, welche Entscheidungen dem Aufsichtsratsgremium vorbehalten sein sollen. Dabei hat er sich nicht einer Generalklausel bedient, sondern einen Katalog geschaffen. Eine Anwendung der Vorschrift auf Sachverhalte außerhalb des Katalogs kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. In Betracht kommt etwa das völlige Fehlen einer Vorschrift über den Gegenstand der zu treffenden Entscheidung. So wird in der Literatur die Anwendung des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG auf die Abberufung des Vorsitzenden angewandt, weil zwar die Bestellung zum Vorsitzenden im Katalog enthalten ist, eine Vorschrift über die Abberufung indes gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen ist.129 Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur 123
Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 177. Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 177; Grunewald, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 53. 125 Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 176; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 87; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 62; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 182; a. A. Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 50; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 53; Dohrmann, Übernahmerechtliche Zustimmungsvorbehalte, S. 131. 126 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 50; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 53. 127 Dohrmann, Übernahmerechtliche Zustimmungsvorbehalte, S. 131. 128 Mertens, in: KK-AktG, § 107, Rn. 152; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 258; Seibt, DB 2002, 529, 531. 129 Siehe hierzu Geßler, Aktiengesetz, § 107, Rn. 76; Hüffer, Aktiengesetz, § 107, Rn. 18. 124
§ 5 Aufsichtsrat im Rahmen des Regelungsregimes des § 33 WpÜG
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Autorisierung von Abwehrmaßnahmen ist in § 33 WpÜG jedoch spezialgesetzlich geregelt. Die mit Einführung des WpÜG durch Art. 7 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001130 vorgenommenen Änderungen des AktG betreffen nicht eine Implementierung übernahmerechtlicher Zustimmungsentscheidungen des Aufsichtsrats in den Katalog des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG. Daher kann ein entsprechender gesetzgeberischer Wille nicht unterstellt werden. Aus diesem Grund verfängt auch das Argument nicht, eine zulässige Ausschussbildung gefährde den Einfluss der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf den Entscheidungsprozess. Zwar trifft es zu, dass der Aufsichtsrat die Entscheidung über die Besetzung eines Ausschusses grundsätzlich autonom trifft, es mithin kein Paritätsgebot gibt, wonach die Parität des Plenums in den Ausschüssen abgebildet werden müsse.131 Dabei handelt es sich jedoch um einen allgemeinen Befund ohne einen spezifischen Bezug zu einem Verteidigungsausschuss. Hätte der Gesetzgeber eine repräsentative Beteiligung der Arbeitnehmervertreter in mitbestimmten Gesellschaften an der Aufsichtsratsentscheidung sicherstellen wollen, würde er den Katalog des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG entsprechend erweitert haben. Fraglich erscheint, ob die Mindestrepräsentanz eines Arbeitnehmervertreters in mitbestimmten Gesellschaften zu fordern ist. Es handelt sich hierbei zwar um eine Ansicht, die losgelöst vom Kontext feindlicher Übernahmen diskutiert wird,132 aber gerade auch in Hinblick auf einen über Aufsichtsratsentscheidungen nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG befindenden Ausschuss vertreten wird.133 Der Gesetzgeber habe die Regelung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG ausweislich der Gesetzesmaterialien auch aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes getroffen, weil Anliegen der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat eingebracht werden können. Daher müsse in mitbestimmten Gesellschaften mindestens ein Arbeitnehmervertreter einem etwaigen Übernahmeausschuss angehören. Die Rechtsprechung und die h. M. im Schrifttum134 lehnen dies zu Recht ab, und verlangen eine diskriminierungsfreie Entscheidung über die Besetzung des Aufsichtsrats. Die Entscheidung über die Zusammensetzung eines Übernahmeausschusses, die Ar130
Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001, BGBl. Teil I 2001, S. 3822. 131 Gach, in: MünchKomm AktG, MitbestG § 25, Rn. 10; Brandes, WM 1994, 2177, 2182; Hüffer, Aktiengesetz, § 107, Rn. 21 m. w. Nachw.; a. A. Naendrup, in: GK-MitbestG, § 25, Rn. 35. 132 Überblick über den Meinungsstand bei: R. Krause, WM 2003, 763. 133 Seibt, DB 2002, 529 531. 134 Siehe hierzu die Nachweise bei R. Krause, WM 2003, 763, 770.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
beitnehmervertreter nicht berücksichtigt, ist dem Vorwurf der Diskriminierung von vornherein entzogen, wenn sachliche Gründe für einen völligen Ausschluss der Arbeitnehmervertreter vorliegen.135 Dies kommt in Betracht, wenn die Aufgabe des Ausschusses ausschließlich in der Wahrung von Interessen der Aktionäre besteht, etwa bei einem audit commitee nach dem Sarbanes-Oxley Act.136 Die Entscheidung über die Abwehr eines vom Management der Zielgesellschaft nicht unterstützten Übernahmeangebots soll aber nach den Gesetzesmaterialien zum WpÜG auch durch Belange der Arbeitnehmer beeinflusst werden können.137 Damit verbleibt es beim Gebot einer diskriminierungfreien Entscheidung über die Besetzung des Ausschusses, so dass ein Ausschluss von Arbeitnehmervertretern auch auf sonstige sachliche Gründe gestützt werden kann. dd) Zwischenergebnis Eine Abwehrmaßnahme des Vorstands kann nur dann vom Verhinderungsverbot freigestellt werden, wenn der Aufsichtsrat zuvor seine Zustimmung erteilt hat. Die Zustimmung muss sich auf eine konkrete Maßnahme beziehen. Der Aufsichtsrat entscheidet nach Maßgabe von § 108 Abs. 1 AktG. Soweit die Abwehrmaßnahmen des Vorstands bereits nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen einer Aufsichtsratszustimmung bedürfen, braucht das Kontrollorgan nur einen Beschluss zu fassen. Anstelle des Aufsichtsrats kann auch ein Aufsichtsratsausschuss über die Zustimmungserteilung befinden. Ein solcher Verteidigungsausschuss muss, wenn es sich bei der Zielgesellschaft um eine mitbestimmte Gesellschaft handelt, nicht zwingend mit mindestens einem Arbeitnehmervertreter besetzt sein. 2. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG betrifft die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Maßnahmen des Vorstands, die in der Ausnutzung einer sog. Vorratsermächtigung der Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 WpÜG bestehen. Vorratsermächtigungen werden nach § 33 Abs. 2 WpÜG explizit zur Verhinderung des Erfolgs eines Übernahmeangebots erteilt. Dies kann bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem ein konkretes Übernahmeangebot noch nicht vorliegt und daher weder die Person des Bieters, noch die Konditionen seines Angebots bekannt sind. Das Erfordernis der Zustimmung des 135 136 137
R. Krause, WM 2003, 763, 770. R. Krause, WM 2003, 763, 770 f. BT-Drucks. 14/7477, S. 61.
§ 5 Aufsichtsrat im Rahmen des Regelungsregimes des § 33 WpÜG
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Aufsichtsrats soll nach dem Willen des Gesetzgebers Ausgleich dafür sein, dass der ermächtigende Hauptversammlungsbeschluss nicht in Kenntnis des konkreten Angebots gefasst wird.138 Welche rechtliche Vorgaben die Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG prägen, wird im Folgenden erörtert. Die erste zu klärende Frage lautet: Wie sind die Maßnahmen, die tauglicher Gegenstand einer Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG sind, zu charakterisieren? Was die organschaftlichen Bindungen des Aufsichtsrats bei seiner Zustimmungsentscheidung sowie die formellen Anforderungen an die Aufsichtsratsentscheidung anbelangt, drängt sich die Parallele zu § 33 Abs. 1 S. 2 Alt 3 WpÜG auf. Inwieweit die hierzu gefundenen Ergebnisse im Rahmen des § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG tragen, wird daher zu klären sein. a) Gegenstand der Zustimmung des Aufsichtsrats Gegenstand der Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG sind Handlungen des Vorstands aufgrund einer Ermächtigung der Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG. Die Aufsichtsratszustimmung kann sich daher nur auf Maßnahmen des Vorstands erstrecken, zu denen der Vorstand von der Hauptversammlung wirksam ermächtigt werden kann. Die Frage nach dem tauglichen Gegenstand der Aufsichtsratszustimmung führt daher zur Frage nach dem tauglichen Gegenstand des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung. Das Gesetz umschreibt den Gegenstand des Ermächtigungsgegenstands in § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG mit „Handlungen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“. Über die Reichweite dieses Tatbestandsmerkmals herrscht im Schrifttum in mehrfacher Hinsicht Streit. aa) Relevanz einer aktienrechtlichen Delegationsbefugnis Die Fürsprecher einer weiten Auslegung der Vorschrift wollen Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG grundsätzlich auf alle Maßnahmen beziehen, für die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach aktienrechtlichen Vorschriften besteht. Keine Bedeutung wird nach dieser Ansicht der Frage beigemessen, ob das Aktienrecht für die fragliche Maßnahme eine Delegationsbefugnis vorsieht oder nicht.139 Die Ermächtigung könne 138 BT-Drucks. 14/7034, S. 58 f.; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 231; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 239. 139 Schneider, AG 2002, 125, 131; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 37; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 62.
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sich daher – entgegen der an sich maßgeblichen aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung – nicht nur auf Maßnahmen beziehen, die auch tauglicher Gegenstand eines generellen Ermächtigungsbeschlusses sind. Vielmehr würden auch die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns gemäß § 174 Abs. 1 AktG, eine reguläre Kapitalerhöhung nach §§ 182 ff. AktG sowie der Abschluss von Unternehmensverträgen nach §§ 291 ff. AktG erfasst. Möglich wäre zudem eine Ermächtigung des Vorstands, die Gesellschaft gemäß § 262 Abs. 2 Nr. 2 AktG aufzulösen.140 Dies wird mit systematischen Erwägungen begründet. § 33 Abs. 2 WpÜG käme kein eigener Anwendungsbereich zu, wenn man den Ermächtigungsumfang auf schon nach allgemeinem Aktienrecht delegierbare Entscheidungen beschränkt.141 Die überwiegende Meinung im Schrifttum tritt dem entgegen.142 Sie verweist mit Recht darauf, dass die Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für eine die aktienrechtliche Kompetenzverteilung bis ins Mark erschütternde Leseart des § 33 Abs. 2 WpÜG nicht enthielten.143 Die Behauptung, der Anwendungsbereich der Norm verkümmere, wenn man ihn nicht auf alle Hauptversammlungszuständigkeiten bezöge, wurde oben bereits widerlegt.144 bb) Erstreckung auf Maßnahmen der Geschäftsführung Einige Stimmen sehen auch in Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands einen tauglichen Ermächtigungsgegenstand.145 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG wäre eine Kompetenznorm, die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für alle verhinderungsgeeigneten Maßnahmen begründe.146 Diese Ansicht gerät in Hinblick auf § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG in Erklärungsnöte, wonach Maßnahmen in der 140
Schneider, AG 2002, 125, 131. Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 38. 142 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 66 f.; Dohrmann, Übernahmerechtliche Zustimmungsvorbehalte, S. 76; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 141 ff.; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 207; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 206. 143 von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 141 ff.; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 206. 144 Siehe oben § 5 II.1.a)bb)(2). 145 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 172; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 145 ff.; Grunewald, AG 2001, 288 § 33, Rn. 61. 146 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 77; siehe hierzu auch Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 17. 141
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Geschäftsführungskompetenz des Vorstands von diesem auch zur Übernahme eingesetzt werden können, wenn der Aufsichtsrat zustimmt. Um das Konzept einer umfassenden übernahmerechtlichen Hauptversammlungszuständigkeit aufrechterhalten zu können, wird der Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG eine „Doppelfunktion“ beigemessen. Neben der Billigung der Vorstandsmaßnahme würde die Zustimmungsentscheidung des Aufsichtsrats die Vorstandskompetenz erst schaffen.147 Die h. M. negiert eine aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG abgeleitete generelle Zuständigkeit der Hauptversammlung für erfolgsverhinderungsgeeignete Maßnahmen.148 Die h. M. verdient Zustimmung. Gerade die Implementierung des einschränkenden Merkmals „Handlungen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“ in den Wortlaut des § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG durch den Finanzausschuss und die grundsätzliche Zurückdrängung des Verhinderungsverbots für Maßnahmen des Vorstands innerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz nach § 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 WpÜG verleihen dem Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG den Charakter einer Organpflicht. Die grundsätzliche Unzuständigkeit der Hauptversammlung für Maßnahmen der Geschäftsführung nach § 119 Abs. 2 AktG bleibt damit aufrechterhalten. Entsprechend den allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen ist die Hauptversammlung auch in Übernahmesituationen zur Entscheidung von Maßnahmen berufen, die den Grundsätzen des BGH in den Entscheidungen „Holzmüller“149 und „Gelatine“150 unterfallen. Hält man die Delegation entsprechender Hauptversammlungsentscheidungen nach allgemeinem Aktienrecht für zulässig151, kommen sie konsequenter Weise auch als Gegenstand eines Vorratsbeschlusses nach § 33 Abs. 2 WpÜG in Betracht.152
147
Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 152. 148 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 18; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 56; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 77 f.; derselbe, in: FS Kümpel (2003), S. 95, 104; Bürgers/Holzborn, ZIP 2003, 2273, 2274; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 59; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 42; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 87. 149 BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 – „Holzmüller“. 150 BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30 = NJW 2004, 1860, 1863 = ZIP 2004, 993, 1001 = AG 2004, 384 = NZG 2004, 571, 575 = WM 2004, 1090 = BB 2004, 1200 – „Gelatine“. 151 So die wohl h. M., siehe hierzu Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 811 ff.; H. Krause, NJW 2002, 705, 712 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, S. 179 ff.; derselbe, in: Großkomm AktG, § 202, Rn. 189; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 144 f.; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 210.
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cc) Zwischenergebnis Die Frage nach dem tauglichen Gegenstand einer Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG ist die Frage danach, zu welchen Maßnahmen die Hauptversammlung den Vorstand vorab zur Übernahmeabwehr ermächtigen kann. Richtigerweise kann die Hauptversammlung im Wege des Vorratsbeschlusses nur solche Maßnahmen an den Vorstand delegieren, für die im allgemeinen Aktienrecht eine entsprechende Delegationsnorm enthalten ist. Der Hauptversammlung ist es ferner nicht möglich, den Vorstand für den Fall eines Übernahmekampfes zur Vornahme einer Geschäftsführungsmaßnahme zu ermächtigen. Denn Geschäftsführungsmaßnahmen entziehen sich auch in Übernahmesituationen grundsätzlich dem Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung. Schließlich handelt es sich bei § 33 WpÜG nicht um eine Kompetenznorm, sondern die Normierung einer Organpflicht des Vorstands. b) Kontrolle der Voraussetzungen des Ermächtigungsbeschlusses durch den Aufsichtsrat Bei der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung zur Ausübung einer Hauptversammlungsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG handelt es sich – ebenso wie bei § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG – um ein Instrument der präventiven Vorstandskontrolle.153 aa) Umfang der Prüfung Der Sorgfaltsmaßstab, der für die vom Aufsichtsrat zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen gilt, wurde in Zusammenhang mit der Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG untersucht.154 Bei der Entscheidung über die Ausnutzung von Vorratsermächtigungen besteht jedoch die Besonderheit, dass die fragliche Maßnahme nach dem Willen der Hauptversammlung final zur Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots eingesetzt werden darf. Dies dürfen sowohl der Vorstand, als auch der Aufsichtsrat bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses in Rechnung stellen.155 152 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 105, sieht dagegen in § 33 Abs. 2 WpÜG eine von den Beschränkungen des allgemeinen Aktienrecht losgelöste eigenständige Delegationsbefugnis für Holzmüller-Entscheidungen. 153 Siehe oben § 5 II.1. 154 Siehe oben § 5 II.1.b).
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Im Rahmen der Entscheidung des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG erstreckt sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns zum einen darauf, ob sich die Vorstandshandlung in dem vom Ermächtigungsbeschluss vorgezeichneten Rahmen hält.156 Besteht nach allgemeinem Aktienrecht eine Berichtspflicht des Vorstands, muss die Maßnahme auch in dem die Hauptversammlung vorbereitenden Bericht des Vorstands aufgestellt sein.157 Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands kann rechtmäßig erst erteilt werden, wenn die Angebotsunterlage veröffentlicht ist.158 Denn erst in diesem Zeitpunkt ist ein Handeln des Aufsichtsrats und des Vorstands auf der Grundlage angemessener Information möglich. Überdies hat der Aufsichtsrat auch über die Tragfähigkeit des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 WpÜG zu befinden.
bb) Überprüfung des Ermächtigungsbeschlusses Die Ermächtigung muss jedenfalls wirksam, also frei von formellen oder materiellen Mängeln sein, die die Nichtigkeit des Ermächtigungsbeschlusses nach § 241 AktG zur Folge haben.159 Eine sorgfältige Kontrolltätigkeit wird sich darüber hinaus mit der Möglichkeit der Anfechtbarkeit des Beschlusses gemäß § 243 AktG befassen.160 Die Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen richtet sich nach den allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen. Im Rahmen seiner Zustimmungserteilung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG hat der Aufsichtsrat daher zu prüfen, ob der Ermächtigungsbeschluss den durch § 33 Abs. 2 S. 1–S. 3 WpÜG aufgestellten Anforderungen genügt. 155 In diese Richtung wohl Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 68 a. E.; abweichend Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 86, wonach die Entscheidungen des Managements im Rahmen von § 33 Abs. 2 WpÜG nicht am Unternehmensinteresse, sondern am Gedanken des Shareholder Value auszurichten seien. 156 LG München 23.12.2004, AG 2005, 261 = ZIP 2005, 352 – „IM International AG“. 157 LG München 23.12.2004, AG 2005, 261; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 223; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 80; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 231 u. 236; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 66; für eine Berichtspflicht erst bei Ausübung der Ermächtigung: Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 116. 158 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 241. 159 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 236. 160 Siehe allgemein zur Prüfungspflicht vor Ausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses: Geßler, Aktiengesetz, § 93, Rn. 48.
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Da sich § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG auf Ermächtigungen bezieht, „um den Erfolg eines Übernahmeangebots zu verhindern“ muss der Ermächtigungsbeschluss dem Vorstand das Ziel der Abwehr eines Übernahmeangebots ausdrücklich aufgeben.161 Überdies muss die jeweilige Abwehrmaßnahme „der Art nach“ bestimmt sein.162 Die Gesetzesmaterialien führen die Formulierungen „Durchführung einer Kapitalerhöhung“ und „Veräußerung von Beteiligungen“ als Beispiele einer zulässigen Bestimmung der Abwehrmaßnahme an.163 Ausreichend ist also eine sehr abstrakte Umschreibung.164 Der Aufsichtsrat darf aber eine Vorstandshandlung, die in die Kompetenz der Hauptversammlung nach „Holzmüller/Gelatine“165 – Grundsätzen fällt, nicht nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG autorisieren, wenn das Vorstandshandeln auf eine entsprechend abstrakte Umschreibung im Ermächtigungsbeschluss gestützt werden soll.166 Anderenfalls würde dem Ermächtigungsbeschlusses eine Tragweite zukommen, die der Aktionär bei Beschlussfassung in der Hauptversammlung kaum überschauen können wird. Gerade in Hinblick auf Grundlagen- und Strukturentscheidungen wird damit die Grenze einer zulässigen Selbstentmachtung der Hauptversammlung erreicht. Das Zurückbleiben des Ermächtigungsbeschlusses hinter den Bestimmtheitsanforderungen macht den Beschluss nach h. M. nur anfechtbar, nicht nichtig.167 D. h. der Beschluss ist bis zu seiner erfolgreichen Anfechtung wirksam. Ferner hat der Aufsichtsrat zu beachten, dass die Ermächtigung gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 WpÜG für höchstens 18 Monate erteilt werden darf. Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen führt zur Nichtigkeit des Beschlusses gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 AktG.168 161 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 116; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 219. 162 Siehe bereits oben § 5 II.1.a)bb)(2). 163 BT-Drucks. 14/7477, S. 53. 164 Siehe hierzu etwa LG München 23.12.2004, AG 2005, 261. 165 BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122; BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30. 166 Ebenso Bayer, ZGR 2002, 588, 612; a. A. Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 62; das LG München 23.12.2004, AG 2005, 261, hält eine Berichtspflicht des Vorstands zum Schutz der Aktionärsinteressen für ausreichend. 167 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 218; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 118; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 213 a. E.; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 180; anders aber noch Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 106. 168 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 45; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 78; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, 217 a. E.; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 64; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 223; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum
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Der Ermächtigungsbeschluss bedarf einer Mehrheit von mindestens 75% des vertretenen Grundkapitals, wobei die Satzung eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen kann (§ 33 Abs. 2 S. 3 WpÜG). Für ihn gelten im Übrigen die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze.169 cc) Zwischenergebnis Bei seiner am Unternehmensinteresse ausgerichteten Entscheidung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG steht dem Aufsichtsrat ein verbreiterter Handlungsspielraum zu. Denn die die Ausnutzung der Vorratsermächtigung durch den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats soll nach dem Willen der Hauptversammlung zielgerichtet zur Übernahmeabwehr eingesetzt werden. Voraussetzung der Zustimmungserteilung ist aber, dass der Vorstand die Maßgaben des Ermächtigungsbeschlusses beachtet. Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung muss die Maßnahmen der Art nach bestimmen und den Anforderungen des § 33 Abs. 2 S. 1–S. 3 WpÜG auch im Übrigen genügen. c) Formelle Fragen der Aufsichtsratszustimmung Im Ausgangspunkt gelten für die Aufsichtsratszustimmung nach § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG dieselben Verfahrensgrundsätze wie bei der Entscheidung des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG.170 Die Forderung nach einer vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats wird im Schrifttum jedoch im Rahmen des § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG relativiert. Zwar solle am Grundsatz einer vorherigen Zustimmung festgehalten werden. In Ausnahmefällen, etwa bei Eilbedürftigkeit, sei jedoch auch eine nachträgliche Zustimmung ausreichend.171 Als Begründung hierfür wird die partielle Legitimation der Maßnahme durch eine frühere Mitwirkung der Hauptversammlung angeführt. Für diese Meinung kann angeführt werden, dass auch die Begründung des RegE-WÜG davon spricht, dass die Zustimmung nur „in aller Regel als Einwilligung, d.h. vor Durchführung der Maßnahme“ erteilt werden müsse.172 Eine größere Anzahl an Literaturstimmen hält dageWpÜG, § 33, Rn. 181; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 153 f.; a. A. Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 81 (bloße Anfechtbarkeit). 169 BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 170 Siehe oben § 5 II.1.c). 171 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 239; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 50. 172 BT-Drucks. 14/7034, S. 58.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
gen eine vorherige Zustimmung für zwingend.173 Eine unterschiedliche Behandlung der Zustimmungsvorbehalte nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG und § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG kann richtigerweise nicht überzeugen. Zwar ist zutreffend, dass die Hauptversammlung an der Ermöglichung der Abwehrmaßnahme mitgewirkt hat. Dies erfolgte jedoch in einem Zeitpunkt, in dem weder Bieter, noch seine Angebotskonditionen bekannt waren. Überdies wird im Schrifttum zureffend darauf hingewiesen, dass Eilbedürftigkeit immer gegeben sein dürfte und daher keinen geeigneten Ausnahmetatbestand begründen kann.174 3. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Maßnahmen des Vorstands im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG Während die Ausnahmetatbestände des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG und § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG die Zulässigkeit von angebotserfolgsverhindernden Maßnahmen des Vorstands an die Zustimmung des Aufsichtsrats knüpfen, verzichtet der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG auf einen Zustimmungsvorbehalt. Vielmehr darf der Vorstand nach dieser Vorschrift Handlungen, die geeignet sind, den Erfolg des Angebots zu verhindern, ohne die Mitwirkung des Aufsichtsrats vornehmen, wenn sie auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen Gesellschaft vorgenommen hätte. Die Regelung soll eine unangemessene Behinderung der Zielgesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit während des Übernahmeverfahrens vermeiden, indem sie es dem Vorstand der Zielgesellschaft ermöglicht, das Tagesgeschäft weiterzuführen und den Pfad bereits eingeschlagener Unternehmensstrategien fortzuschreiten.175 Ein Einfrieren der Geschäftsführung würde die Zielgesellschaft schädigen und dadurch Druck auf die Aktionäre ausüben, das Angebot anzunehmen.176 Soweit die fragliche Vorstandsmaßnahme nach allgemeinem Aktienrecht der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, etwa aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung auf der Grundlage des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, bleibt es bei der Zustimmungspflichtigkeit.177 Bei der Erteilung einer nach 173 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 80; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 163 f.; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 185. 174 Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 185. 175 BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 176 Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 131. 177 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 52.
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allgemeinem Aktienrecht erforderlichen Zustimmung handelt der Aufsichtsrat ebenso wie im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG als Kontrollorgan. In dieser Funktion ist er dem Verhinderungsverbot nicht unterworfen.178 4. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Vorstandshandlungen auf der Grundlage eines Ad-hoc-Beschlusses der Hauptversammlung Nach h. M. ist es der Hauptversammlung unbenommen, über angebotserfolgsverhindernde Maßnahmen zu beschließen, nachdem der Bieter kundgetan hat, ein Übernahmeangebot abgeben zu wollen.179 Soweit der Aufsichtsrat aufgerufen ist, die Geschäftsführung des Vorstands präventiv zu kontrollieren, etwa aufgrund einer gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG erlassenen Bestimmung der Satzung oder des Aufsichtsrats, berührt eine Befugnis der Hauptversammlung zur Entscheidung über verhinderungsgeeignete Geschäftsführungsmaßnahmen auch den Funktionskreis des Aufsichtsrats. a) Ad-hoc-Ermächtigungsbeschluss zur Vornahme einer abwehrgerichteten Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 WpÜG Die Hauptversammlung kann auch während einer Übernahmeauseinandersetzung im Rahmen ihrer aktienrechtlichen Delegationsbefugnis den Vorstand ermächtigen, die delegierte Maßnahme zur Übernahmeabwehr einzusetzen. Voraussetzung ist, dass die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 WpÜG erfüllt sind.180 Zu diesem Ergebnis führt ein Erst-Recht-Schluss aus § 33 Abs. 2 WpÜG: Wenn die Hauptversammlung ohne Ansehung eines konkreten Angebots und seiner Konditionen die Übernahmeabwehr als Zweck der jeweiligen Maßnahme vorgeben darf, muss dies erst recht gelten, wenn die Person des Bieters und die Konditionen der Offerte bekannt sind. Besteht für die fragliche Maßnahme aktienrechtlich ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats, gelten für dessen Entscheidung die oben dargestellten Grundsätze entsprechend.181 178 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 52; siehe auch oben § 5 II.1.b)bb)(2). 179 Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1,13 f.; Bayer, ZGR 2002, 588, 606; H. Krause, NJW 2002, 705, 713; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 57; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 89; Hirte, ZGR 2002, 623, 646; derselbe, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 88 f.; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 60. 180 von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 184. 181 Siehe oben § 5 II.2.b) und § 5 II.2.c).
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b) Ad-hoc-Ermächtigungsbeschluss zur Vornahme einer abwehrgerichteten Geschäftsführungsmaßnahme nach § 119 Abs. 2 AktG Über Fragen der Geschäftsführung entscheidet die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG, wenn der Vorstand es verlangt. Dies gilt auch für abwehrgerichtete Geschäftsführungsmaßnahmen. Hat die Hauptversammlung eine vom Vorstand intendierte Geschäftsführungsmaßnahme mit Abwehrcharakter nach § 119 Abs. 2 AktG legitimiert, ist der Vorstand nach allgemeinen Grundsätzen182 aus § 83 Abs. 2 AktG verpflichtet, den gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung – wenn er als verbindlicher Beschluss gefasst ist – umzusetzen. Der Vorstand kann daher nicht mehr an das Verhinderungsverbot gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG gebunden sein. Da der Vorstand vom Verhinderungsverbot bereits durch den Hauptversammlungsbeschluss freigestellt ist, bedarf es keiner weitergehenden Freistellung durch Zustimmung des Aufsichtsrats mehr: Die Zustimmung der Hauptversammlung tritt funktional an Stelle einer übernahmerechtlichen oder aktienrechtlich vorgesehenen Aufsichtsratszustimmung. Die Ausführungspflicht aus § 119 Abs. 2 AktG würde unterlaufen, wenn der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer Maßnahme, zu deren Vornahme der Vorstand aus § 119 Abs. 2 AktG verpflichtet ist, verweigern dürfte. Eine Aufsichtsratszustimmung muss der Vorstand zur Befolgung eines Hauptversammlungsbeschlusses daher nicht einholen.183 c) Ad-hoc-Ermächtigungsbeschluss zur Vornahme einer abwehrgerichteten Geschäftsführungsmaßnahme jenseits des § 119 Abs. 2 AktG Eine beträchtliche Anzahl an Autoren erblickt generell – also losgelöst von den Voraussetzungen des § 119 Abs. 2 AktG – in Geschäftsführungsmaßnahmen einen zulässigen Gegenstand eines Ad-hoc-Abwehrbeschlusses der Hauptversammlung.184 182
Vgl. Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 83, Rn. 11; Hüffer, Aktiengesetz, § 83, Rn. 5; a. A. Godin-Wilhelmi, Aktiengesetz, § 93, Rn. 22, § 119, Rn. 6. 183 Im Ergebnis ebenso: von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 186; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 199. 184 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 58; Hirte, in: KKWpÜG, § 33, Rn. 90; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 189; wohl auch von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 184 f.; Birke, Neutralitätspflicht, S. 111.
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Je nachdem, ob der Vorstand durch den Ad-hoc-Beschluss der Hauptversammlung gebunden werden soll oder nicht, können zwei Arten von Hauptversammlungsbeschlüssen unterschieden werden, nämlich der Legitimationsbeschluss einerseits und der Initiativbeschluss andererseits. Der Legitimationsbeschluss wäre das Mittel der Wahl, wenn die Hauptversammlung darauf abzielt, den Vorstand zur Vornahme einer erfolgsverhinderungsgeeigneten Geschäftsführungsmaßnahme zu autorisieren und ggf. auch zu ermuntern. Der Vorstand wäre von der Geltung des Verhinderungsverbots aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG befreit, ohne die fragliche Handlung vornehmen zu müssen. Man könnte auch insoweit von einem Ermächtigungsbeschluss sprechen, obwohl freilich die Hauptversammlung dem Vorstand keine eigene Zuständigkeit entleiht, sondern über Maßnahmen befindet, deren Vornahme nach der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung dem Vorstand gemäß § 76 AktG obliegt.185 Denkbar sind daneben Initiativbeschlüsse der Hauptversammlung, mit denen sie aus eigener Initiative dem Vorstand die Durchführung bestimmter Abwehrmaßnahmen befiehlt. Der Vorstand hätte in diesem Fall die Vorgabe der Hauptversammlung gemäß § 83 Abs. 2 AktG zu exekutieren.186 Die Zulässigkeit sowohl von Legitimations- als auch von Initiativbeschlüssen käme in Betracht, wenn die Hauptversammlung jenseits einer Holzmüller/Gelatine-Kompetenz187 über Geschäftsführungsmaßnahmen befinden dürfte. Diese Ansicht kann sich nicht auf den Gesetztext stützen. Das WpÜG normiert die Zulässigkeit von Ad-hoc-Abwehrbeschlüssen der Hauptversammlung nur im Rahmen des Europäischen Verhinderungsverbots gemäß § 33 a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 WpÜG n. F. Zwar sah auch § 33 Abs. 1 S. 1 RegE-WÜG dieses Instrument vor.188 Die vom Finanzausschuss angeregten und Gesetz gewordenen Änderungen dieser Vorschrift haben aber zum Wegfall dieser gesetzlichen Ausnahme vom Verhinderungsverbot geführt. Z. T. wird eine konkurrierende Zuständigkeit der Hauptversammlung für Geschäftsführungsmaßnahmen der Übernahmeabwehr aus § 16 Abs. 3, Abs. 4 WpÜG hergeleitet. Diese Bestimmungen betreffen Erleichterungen für die Einberufung und Abhaltung einer „Abwehrhauptversammlung“. Anhaltspunkte dafür, dass die Hauptversammlung entgegen § 119 Abs. 2 AktG bei Vorliegen eines Übernahmeangebots unmittelbar die Geschäftsführung gestalten können soll, lassen sich aus § 16 Abs. 3, Abs. 4 WpÜG nicht entnehmen. Eine All- oder Auffang185
Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 75. Schneider, AG 2002, 125, 132; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 75. 187 BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122; BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30. 188 BT-Drucks. 14/7034, S. 16. 186
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zuständigkeit der Hauptversammlung für Abwehrmaßnahmen kann auch nicht aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG hergeleitet werden.189 Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit den Regelungen des § 33 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG die aktienrechtlichen Organzuständigkeiten im Wesentlichen unberührt lassen wollte.190 Überzeugender ist es daher, eine Kompetenz der Hauptversammlung zur Herbeiführung von Initiativbeschlüssen, die auf die Einleitung von Geschäftsführungsmaßnahmen zur Übernahmeabwehr gerichtet sind, abzulehnen.191 Auch aufgedrängte, d.h. auf Eigeninitiative der Hauptversammlung beruhende Legitimationsbeschlüsse der Hauptversammlung sind in Hinblick auf § 119 Abs. 2 AktG abzulehnen. Vielmehr verbleibt es bei den allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen, wonach die Hauptversammlung – auch und gerade bei Vorliegen eines Übernahmeangebots – über Maßnahmen der Geschäftsführung nur entscheidet, wenn der Vorstand es gemäß § 119 Abs. 2 AktG verlangt oder die Hauptversammlung ausnahmsweise nach Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen192 ohnehin selbst zuständig ist. d) Zwischenergebnis Während eines Übernahmeverfahrens kann die Hauptversammlung den Vorstand zu abwehrgerichteten Maßnahmen ad hoc ermächtigen. Dazu müssen aber die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 WpÜG vorliegen. Insbesondere muss das allgemeine Aktienrecht eine Delegationsbefugnis vorsehen. Für die Aufsichtsratszustimmung zu einem solchen Ad-hoc-Beschluss gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG. Maßnahmen der Geschäftsführung können dagegen auch während des Laufs eines Übernahmeverfahrens nur dann Gegenstand eines Beschlusses der Hauptversammlung sein, wenn der Vorstand die Hauptversammlung zu einer Entscheidung auffordert. Neben dem Hauptversammlungsbeschluss ist vor der Durchführung der fraglichen Maßnahme eine Zustimmung des Aufsichtsrats nicht erforderlich: Soweit das allgemeine Aktienrecht für die Vornahme der fraglichen Handlung eine Aufsichtsratszustimmung verlangt, wird sie durch die Hauptversammlungsentscheidung substituiert.
189
So aber Schneider, AG 2002, 125, 132. Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 78; zur Verneinung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG als Kompetenznorm siehe oben § 5 II.2.a)bb). 191 Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768. 192 BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122; BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30. 190
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5. Keine obligatorische Mitwirkung des Aufsichtsrats an einer Suche nach einem konkurrierenden Angebot durch den Vorstand gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG Eine weitere Ausnahme vom Verhinderungsverbot betrifft die Suche des Vorstands nach einem konkurrierenden Angebot, § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es für die Aktionäre von Vorteil ist, wenn sie zwischen zwei oder mehreren Angeboten wählen können. Daher wird die Suche nach einem konkurrierenden Angebot durch den Vorstand vom Verhinderungsverbot freigestellt, ohne dass es hierfür einer Mitwirkung des Aufsichtsrats bedürfe. III. Ergebnis Das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG verbietet dem Vorstand der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens die Vornahme von Handlungen, durch die der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden kann. Dieses Verhinderungsverbot unterliegt gesetzlichen Ausnahmen. Im Rahmen zweier Ausnahmetatbestände kommt dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft eine Schlüsselrolle zu. Dies betrifft zum einen die Zustimmung des Aufsichtsrats zu verhinderungsgeeigneten Maßnahmen des Vorstands nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG. Der Aufsichtsrat kann auf der Grundlage dieses Tatbestandes abwehrgerichtete Handlungen des Vorstands autorisieren. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Maßnahmen handelt, die zur originären Zuständigkeit des Vorstands gehören, oder ob der Vorstand aufgrund eines allgemeinen Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung handelt. Seine Entscheidung über die Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands hat der Aufsichtsrat am Unternehmensinteresse auszurichten. Dieses braucht nicht „dringend“ oder in anderer Weise qualifiziert zu sein. Auch ein Neutralitätsgebot oder Verhinderungsverbot kann im Rahmen von § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nicht anerkannt werden. Für die Entscheidung des Aufsichtsrats gilt aber nicht der beschränkte richterliche Prüfungsmaßstab nach § 93 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 116 S. 1 AktG. Der Aufsichtsrat muss gewisse prozedurale Anforderungen einhalten, insbesondere darf er seine Zustimmung nur erteilen, wenn die fragliche Maßnahme des Vorstands noch nicht ins Werk gesetzt wurde. Die Zustimmung kann auch von einem Verteidigungsausschuss gefällt werden, für dessen Zusammensetzung auch in Übernahmekontexten keine Besonderheiten gelten. Der zweite Ausnahmetatbestand zum Verhinderungsverbot, der dem Aufsichtsrat eine tragende Rolle in Übernahmekämpfen sichert, ist in § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG normiert. Hier braucht der Vorstand die Zustimmung
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des Aufsichtsrats, wenn er von einer Vorratsermächtigung der Hauptversammlung Gebrauch machen möchte. Im Rahmen seiner Zustimmungsentscheidung prüft der Aufsichtsrat auch die Rechtmäßigkeit des Vorratsbeschlusses. Dieser darf sich nur auf solche Maßnahmen beziehen, die die Hauptversammlung nach allgemeinem Aktienrecht an den Vorstand delegieren kann. Geschäftsführungsmaßnahmen können nicht Gegenstand einer Vorratsermächtigung sein. Bei seiner unternehmerischen Entscheidung über die Erteilung seiner Zustimmung darf der Aufsichtsrat in Rechnung stellen, dass der Zweck einer Vorratsermächtigung gerade in der Übernahmeabwehr besteht. Insoweit steht ihm daher ein verbreiterter Handlungsspielraum zu. Im Übrigen wird die Aufsichtsratszustimmung gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG im Wesentlichen nach denselben Grundsätzen beurteilt, wie diejenige nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG. Eine Aufsichtsratszustimmung ist außerdem erforderlich, wenn der Vorstand von einer abwehrgerichteten Ermächtigung Gebrauch machen möchte, die ihm die Hauptversammlung ad hoc erteilt hat. Es gelten die zu § 33 Abs. 2 WpÜG entwickelten Grundsätze. Der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG setzt eine übernahmerechtliche Zustimmung des Aufsichtsrats nicht voraus. Eine etwaige Zustimmungspflichtigkeit nach allgemeinem Aktienrecht bleibt aber bestehen. Auch in diesem Fall gilt für den Aufsichtsrat keine Neutralitätspflicht oder ein Verhinderungsverbot, weil der Aufsichtsrat ebenso wie im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG als Kontrollorgan auf den Plan tritt. Die in der Praxis sehr bedeutsame Suche nach einem konkurrierenden Angebot (§ 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG) kann der Vorstand vollkommen ohne Mitwirkung des Aufsichtsrats durchführen. Der Aufsichtsrat braucht auch dann nicht eingeschaltet zu werden, wenn der Vorstand eine Abwehrmaßnahmen lanciert, der die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG ihren Segen gegeben hat.
§ 6 Anwendbarkeit des Verhinderungsverbots nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf den Aufsichtsrat Adressat des Verhinderungsverbots nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift der Vorstand. Die Vorschrift verbietet es dem Aufsichtsrat nicht expressis verbis, Handlungen vorzunehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte – anders als noch im RegE-WÜG.193 Damit unterscheidet sich die Vorschrift auch vom Europäi193
Siehe oben § 4 II.3.
§ 6 Anwendbarkeit des Verhinderungsverbots nach § 33 WpÜG
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schen Verhinderungsverbot gemäß § 33 a Abs. 2 S. 1 WpÜG n. F., Art. 9 Abs. 2 ÜbRL, das Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft gleichermaßen anspricht. Das im Referentenentwurf ebenso wie im Gesetzesentwurf für den Aufsichtsrat ausdrücklich vorgesehene Verhinderungsverbot, wurde zugunsten des Ausnahmetatbestandes in § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG gestrichen. Wenn der Vorstand sich vom Verhinderungsverbot durch Einholung der Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG befreien können soll, könne der Aufsichtsrat nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht selbst an das Verhinderungsverbot gebunden sein. Die Regelung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG hätte ansonsten keinen Anwendungsbereich.194 Damit stellt sich die Frage, wie sich der Aufsichtsrat bei Vorliegen eines von ihm nicht unterstützen Übernahmeangebots zu verhalten hat. Einige Stimmen im Schrifttum haben den Schluss gezogen, dass der Aufsichtsrat den Einschränkungen des Verhinderungsverbots überhaupt nicht unterliegt.195 Die überwiegende Meinung im Schrifttum möchte diesen Weg nicht einschlagen. Der Aufsichtsrat sei nur dann nicht an das Verhinderungsverbot gebunden, wenn er in seiner Funktion als Kontrollorgan in Erscheinung trete, er namentlich die Zustimmung zu Vereitelungsmaßnahmen des Vorstands gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG erteile oder aber den Gebrauch einer Vorratsermächtigung durch den Vorstand gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG legitimiere. Handelt der Aufsichtsrat dagegen nicht als Kontroll-, sondern als Verwaltungsorgan, sei er ebenso wie der Vorstand an das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG gebunden.196 Hierzu werden verschiedene Begründungen angeboten. Nicht immer wird dabei das methodische Instrument zur Herleitung dieser Ansicht offen gelegt: Die Erstreckung des Verhinderungsverbots auf Handlungen des Aufsichtsrats in seiner Funktion als Verwaltungsorgan erschiene „angemessen“.197 Andere schlagen vor, das Organ Aufsichtsrat, wenn es als Initiativorgan tätig wird, im Rahmen der Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG 194 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 48; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 62; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 79. 195 Dohrmann, Übernahmerechtliche Zustimmungsvorbehalte, S. 127 f.; ebenso wohl noch Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 51; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 78; A. Wolf, ZIP 2008, 300, 303, der dies aus einem Umkehrschluss zu § 33 a Abs 2 WpÜG n. F. folgert. 196 Hirte, ZGR 2002, 623, 629; derselbe, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 49 ff.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 24; derselbe, in: FS Kümpel (2003), S. 95, 100; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 63 f.; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 164; Birke, Neutralitätspflicht, S. 93; in diese Richtung tendieren offenbar auch Holzborn/Peschke, BKR 2007, 101, 102, Fn 29. 197 Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 64; ebenso unklar Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 16, die argumentiert, für die Geschäfts-
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unter den Begriff „Vorstand“ zu subsumieren.198 Andere wollen im übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot einen „allgemeinen Grundsatz“ erblicken, der eine Anwendung auf den Aufsichtsrat in seiner Funktion als Verwaltungsorgan ohne weiteres rechtfertige.199 Z. T. wird eine analoge Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf den Aufsichtsrat als methodisches Werkzeug empfohlen, wenn dieser kraft eigener Geschäftsführungskompetenz Abwehrmaßnahmen durchführt.200 Die sich in den verschiedenen Ansichten widerspiegelnde Unsicherheit bezüglich der Anwendbarkeit des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots auf den Aufsichtsrat soll im Folgenden beseitigt werden. I. Unmittelbare Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG Der Aufsichtsrat würde dem Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG unterfallen, wenn die Vorschrift unmittelbar auf ihn Anwendung finden würde. Manche Stimmen in der Literatur scheinen einer unmittelbaren Anwendung das Wort zu reden, wenn der Aufsichtsrat als „Vorstand“ im Sinne der Norm behandelt werden soll.201 Dies würde voraussetzen, dass dem Tatbestandsmerkmal „Vorstand“ nach allgemeinem Sprachgebrauch oder dem Sprachgebrauch des Gesetzesgebers im Bereich des Aktien- und Übernahmerechts die Bedeutung „Aufsichtsrat“ beigemessen werden kann. Es bedarf keiner ausführlichen Begründung, dass der Begriff Aufsichtsrat nicht zum Bedeutungskern des Begriffs Vorstand gerechnet werden kann.202 Aber auch zum Bedeutungshof dieses Begriffs kann man den Aufsichtsrat nicht zählen. Den Aufsichtsrat in seiner Funktion als Geschäftsleiter könnte man allenfalls zum äußersten Randbereich des Bedeutungshofs des Terminus „Geschäftsleiter“ rechnen. Der Gesetzgeber hat aber den allgemeineren Begriff des Geschäftsleiters nicht verwendet. Damit ist auch die Türe der sog. ausdehnenden Auslegung verschlossen. Der Wortsinn des Begriffs „Vorstand“ in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG kann damit nicht im Sinne des Terminus „Aufsichtsrat“ gedeutet werden. Denn was jenseits des sprachlich möglichen Wortsinns liegt, kann auch nicht durch Auslegung dem Inhalt des Tatbestandsmerkmals zugeschrieben werden.203 Staatstheoretische Erführungsaufgaben des Aufsichtsrats könne nichts anderes gelten als für solche des Vorstands. 198 Hirte, ZGR 2002, 623, 629; derselbe, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 50. 199 Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 17. 200 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 79. 201 Hirte, ZGR 2002, 623, 629; derselbe, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 50. 202 Zu Bedeutungskern und Bedeutungshof S. Heck, AcP 112 (1914), S. 1, 173; Canaris, Feststellung von Lücken, S. 22; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 118 f.
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wägungen gebieten es, im Wortlaut eine Grenze der möglichen Auslegung zu sehen.204 Eine Auslegung im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kann allenfalls bei einem Redaktionsversehen erwogen werden.205 Von einem Redaktionsversehen kann ausgegangen werden, wenn die Gesetzesredaktoren lediglich versehentlich einen anderen Ausdruck gewählt oder im Text belassen haben, als sie beabsichtigten.206 Die Meinung, dass der Wortlaut des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG das Ergebnis eines Redaktionsversehens sei, weil der Aufsichtsrat in Wahrheit auch vom Verhinderungsverbot betroffen sei, wird im Schrifttum z. T. vertreten.207 In der Tat war der Aufsichtsrat in § 33 Abs. 1 RefE-WÜG sowie in § 33 Abs. 1 S. 1 RegE-WÜG als Adressat des Verhinderungsverbots ausdrücklich aufgeführt.208 Der Wortlaut der Gesetz gewordenen Fassung stimmt indes mit der Formulierung überein, die der Finanzausschusses in seiner Beschlussempfehlung209 „in letzter Minute“ des Gesetzgebungsverfahrens vorgestellt hat.210 Von einem Redaktionsversehen könnte dann gesprochen werden, wenn der Deutsche Bundestag einen anderen Wortlaut des Gesetzes beschlossen hätte, als den wirklich gewollten. Dies wird man schwerlich annehmen können. Die Streichung des Aufsichtsrats als Normadressaten steht in Zusammenhang mit der Schaffung des Ausnahmetatbestandes nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG. Der Gesetzgeber sah es als notwendig an, den Aufsichtsrat von der Geltung des Verhinderungsverbots auszunehmen, wenn er Abwehrmaßnahmen des Vorstands, die im Konflikt zum Verhinderungsverbot stehen, legalisieren können soll. Ausgeschlossen ist daher die Annahme, dass die Einbeziehung des Aufsichtsrats in die Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG versehentlich unter den Tisch gefallen wäre. Vielmehr wurde in der vom Finanzausschuss vorgeschlagenen und vom Deutschen Bundestag beschlossenen Fassung ein 203 Larenz, Methodenlehre, S. 322; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 441; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 2. Teil, § 17, 2 c), S. 182; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 124, 129 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 47. 204 Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 2. Teil, § 17, 2 c, S. 179; siehe in diesem Zusammenhang auch Zippelius, Methodenlehre, S. 22 f. 205 Heck, AcP 112 (1914), S. 1, 141 f., 145 f.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 393; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 227 f., 232. 206 Larenz, Methodenlehre, S. 400. 207 Ekkenga, in: FS Kümpel (2003), S. 95, 99 und derselbe, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 24, spricht von einem „Versehen des Gesetzgebers“, will § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf den Aufsichtsrat aber nicht direkt, sondern analog anwenden. 208 Siehe oben § 4 II.2. 209 BT-Drucks. 14/7477, S. 16. 210 Siehe hierzu BT-Drucks. 14/7090.
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Paradigmenwechsel gesehen: Weg von einer Abwehrfeindlichkeit, hin zur Abwehrbereitschaft deutscher Zielgesellschaften in Übernahmekämpfen. Selbst wenn man diesen Wechsel des Vorzeichens nicht sehen wollte, wäre doch nachzuweisen, dass der Gesetzgeber den Aufsichtsrat nur insoweit vom Verhinderungsverbot befreien wollte, als er in seiner Funktion als Kontrollorgan tätig wird. Denn zur Annahme eines Redaktionsversehens muss ein „nachweisbarer Erklärungsirrtum“ der gesetzgebenden Organe in Rede stehen.211 Dieser Nachweis kann nicht durch den bloßen Hinweis geführt werden, dass eine Privilegierung der Verwaltungstätigkeit des Aufsichtsrats im Gesetzgebungsverfahren nicht deutlich geworden sei.212 Auszugehen ist von der Formulierung der Gesetz gewordenen Fassung, die den Aufsichtsrat überhaupt nicht als Adressat des Verhinderungsverbots benennt. Wer ein Redaktionsversehen annehmen möchte, muss nachweisen, dass der Gesetzgeber den Aufsichtsrat doch dem Verhinderungsverbot unterwerfen wollte, und zwar in seiner Funktion als Verwaltungsorgan. Es reicht nicht aus nachzuweisen, dass der Gesetzgeber sich in den Gesetzesmaterialien nicht zusätzlich dagegen ausgesprochen hat, die Verwaltungstätigkeit des Aufsichtsrats vom Verhinderungsverbot auszunehmen wollte. Es erscheint widersinnig, dem Gesetzgeber, der eine aus seiner Sicht eindeutige Regel aufstellt, vorzuwerfen, er habe eine mit dem Wortlaut inkompatible Rechtsansicht nicht ausgeschlossen. Der Gesetzgeber wäre überfordert, wenn er in den Gesetzesmaterialien Fallgestaltungen ausdrücklich als nicht tatbestandsmäßig benennen sollte, die schon nach dem eindeutigen Wortlaut nicht tatbestandsmäßig sind. Zur Annahme eines Redaktionsversehens müsste sich vielmehr der eindeutige Wille des Gesetzgebers erschließen lassen, den Aufsichtsrat entgegen dem entäußerten Willen nicht für alle Funktionskreise vom Verhinderungsverbot zu befreien. Einen solchen Anhaltspunkt kann man auch im Regelungszusammenhang von § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG und § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nicht erblicken. Der Gesetzgeber hat durch § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG deutlich gemacht, dass der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Kontrollorgan Abwehrmaßnahmen eines anderen Gesellschaftsorgans, nämlich des Vorstands, nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG legalisieren können soll. Der Gesetzgeber drückt damit aus, dass der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Kontrollorgan sinnvollerweise nicht an das Verhinderungsverbot gebunden sein kann. Dass der Aufsichtsrat im Übrigen, also in seiner Funktion als Initiativorgan, selbst an das Verhinderungsverbot gebunden sein soll, kommt durch diese Regelung nicht zum Ausdruck, zumal der Gesetzgeber die Unterschei211
Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 393. In diese Richtung aber Hirte, ZGR 2002, 623, 629; derselbe, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 50. 212
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dung zwischen den beiden Funktionsfeldern des Aufsichtsrats terminologisch nicht aufgegriffen hat. Man mag entgegnen, dass der Regierungsentwurf des WpÜG den Aufsichtsrat in seiner Funktion als Initiativorgan dem Verhinderungsverbot unterstellt hat und dass dies auch sein Wille geblieben sei. Dem wird man jedoch nicht zustimmen können. Das grundsätzliche Verhinderungsverbot des Regierungsentwurfs umfasste die gesamte Tätigkeit des Aufsichtsrats, ohne Rücksicht auf die beiden unterschiedlichen Funktionskreise dieses Organs. Dass der Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den beiden Funktionskreisen des Aufsichtsrats für sinnvoll erachtet hätte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Der Gesetzgeber hat im RegE-WÜG vielmehr geäußert, dass der Aufsichtsrat vollständig dem Verhinderungsverbot unterliegen solle. In der Gesetz gewordenen Fassung hat er das Gegenteil ausgedrückt. Weder im einen, noch im anderen Falle hat er zu verstehen gegeben, dass er eine unterschiedliche Behandlung der Funktionen als Kontroll- bzw. Initiativorgan für sachgerecht halte. Vom Vorliegen eines Redaktionsversehens kann daher nicht ausgegangen werden. Eine Auslegung des § 33 Abs. 1 WpÜG kann daher nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Aufsichtsrat in einem Teilbereich seines Aufgabenbereichs, nämlich in seiner Funktion als Verwaltungsorgan, vom übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot erfasst wäre. II. Analoge Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf Handlungen des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft Zwar verbietet es sich, den Aufsichtsrat entgegen dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG als Vorstand im Sinne der Vorschrift zu behandeln. Wie gezeigt213, stößt eine Rechtsfindung secundum legem hier an das unüberwindbare Hindernis des Wortlauts. Das heißt freilich nicht, dass eine entsprechende Deutung dem Rechtsanwender völlig verwehrt wäre. Eine entsprechende Interpretation kann unter den besonderen Voraussetzungen der Rechtsfortbildung angezeigt sein.214 Die Rechtsfindung praeter legem kann in Gestalt eines Analogieschlusses erfolgen. Voraussetzung dieser gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung215 ist das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Unter Lücke kann eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts verstanden werden.216 Eine analoge Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf den Aufsichtsrat würde mithin voraussetzen, dass das Gesetz insoweit als unvollständig angesehen werden muss, und diese Unvollständigkeit vom 213 214 215 216
Siehe § 6 I. Larenz, Methodenlehre, S. 322. Larenz, Methodenlehre, S. 366. Canaris, Feststellung von Lücken, S. 30.
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Gesetzgeber nicht gewollt ist. Die Lückenfeststellung und die Lückenauffüllung folgen denselben Regeln: Die Analogie dient nicht nur der Lückenfüllung, sondern bereits der Lückenfeststellung.217 Ausgangspunkt der Lückenfeststellung ist die Rechtsähnlichkeit des gesetzlich geregelten und des nicht gesetzlich geregelten Falles. Für den Vergleich ist auf die Wertungen des Gesetzes, also die ratio legis, abzustellen.218 Ob der nicht unter den Wortlaut des Gesetzes fallende Sachverhalt als geregelt anzusehen ist, wird nicht nur anhand der Regelungsabsicht, dem Plan und der immanenten Teleologie des Gesetzes ermittelt.219 Vielmehr dient dem Rechtsanwender die gesamte Rechtsordnung als Maßstab für die Feststellung einer Lücke.220 Nachfolgend soll die Rechtsähnlichkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands und solchen des Aufsichtsrats in seiner Funktion als Initiativorgan nach der ratio des § 33 Abs. 1 WpÜG untersucht werden. Denn bei Rechtsähnlichkeit der beiden Sachverhalte wäre eine Lückenschließung aufgrund des Gleichheitssatzes dergestalt angezeigt, dass die Rechtsfolge des geregelten Sachverhalts – grundsätzliche Unzulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG – auf den nicht geregelten Sachverhalt – Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats – zu übertragen wäre. Gesetzlich geregelt ist das grundsätzliche Verbot von Maßnahmen des Vorstands, die den Erfolg des Übernahmeangebots verhindern können. Dieses Verbot soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht apodiktisch gelten, sondern ist bestimmten Ausnahmen unterworfen, die in § 33 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 WpÜG geregelt sind. Eine wichtige Ausnahme ist in § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG enthalten.221 Dem Aufsichtsrat wird dort die Rechtsmacht zugesprochen, den Vorstand der Zielgesellschaft in Hinblick auf bestimmte Abwehrmaßnahmen, die in die Zuständigkeit des Vorstands fallen, vom Verhinderungsverbot freizustellen. Der Aufsichtsrat soll darüber hinaus auch dann das letzte Wort über Abwehrmaßnahmen des Vorstands sprechen, wenn die Hauptversammlung den Vorstand im Wege eines Vorratsbeschlusses nach § 33 Abs. 2 WpÜG ermächtigt hat und der Vorstand von dieser Ermächtigung Gebrach machen möchte.222 Durch diese Regelungssystematik macht der Gesetzgeber deutlich, dass die Stellung des Aufsichtsrats von der Stellung des Vorstands bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots grundverschieden ist. Denn dem Vorstand wird die Befugnis, Abwehrmaß217 Jedenfalls bei der hier in Rede stehenden „unechten“ Lücke, siehe Canaris, Feststellung von Lücken, S. 71 ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 149. 218 Canaris, Feststellung von Lücken, S. 72. 219 In diese Richtung aber: Larenz, Methodenlehre, S. 368. 220 Canaris, Feststellung von Lücken, S. 38; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 473. 221 Siehe oben § 5 II.1. 222 Siehe oben § 5 II.2.
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nahmen eines anderen Gesellschaftsorgans, etwa des Aufsichtsrats, zu legalisieren, nicht eingeräumt. Es kann daher nicht angenommen werden, dass es dem Gesetzgeber darum ging, Abwehrmaßnahmen der Verwaltung letztlich nur bei einem gemeinsamen Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat zuzulassen.223 Dem kann nicht entgegengesetzt werden, dass Abwehrmaßnahmen, die der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Verwaltungsorgan ergreift, ebenso wie Verteidigungshandlungen des Vorstands, geeignet sind, den Erfolg des Übernahmeangebots zu vereiteln. Zwar kann die Wirkung von Handlungen des Vorstands und der Aufsichtsrats in diesem spezifischen Punkt ähnlich sein, jedoch hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass nach dem Gesetzeszweck Aufsichtsratshandeln und Handeln des Vorstands nicht den gleichen Regeln folgen. Indem der Gesetzgeber den Vorschlägen des Finanzausschusses folgte, schwenkte er mit der Zwecksetzung des Gesetzes um: weg von einem umfassenden Verhinderungsverbot für Vorstand und Aufsichtsrat, wie es noch im RegE-WÜG vorgesehen war, hin zu einer Regelung, die dem Vorstand durch §§ 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 und 33 Abs. 2 WpÜG Handlungsspielräume zur Übernahmeabwehr eröffnet – vorausgesetzt, das Kontrollorgan Aufsichtsrat stimmt zu. Nach dem Zweck des Gesetzes sollte die Zielgesellschaft mithin für Abwehrmaßnahmen des Vorstands geöffnet werden. Zur Erreichung dieses Zwecks wurde der Aufsichtsrat als Normadressat des Verhinderungsverbots nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG gestrichen und ihm überdies noch die Rechtsmacht erschlossen, Abwehrmaßnahmen des Vorstands zur Zulässigkeit zu verhelfen. Das Umschwenken von der Fassung des RegE-WÜG auf die Gesetz gewordene Fassung brachte einen Paradigmenwechsel im Gegenstand der Regelung und damit auch in seinem Regelungszweck. Während in früheren Stadien des Gesetzgebungsverfahrens dem Gesetzgeber eine Regelung von „Handlungen des Vorstands und Aufsichtsrats“ – so die als amtlich vorgesehene Überschrift des § 33 RegEWÜG – vorschwebte, gestaltete er die Vorschrift grundlegend um mit dem Ziel, die Zielgesellschaft für Abwehrmaßnahmen des Vorstands zu öffnen. Der Gesetzgeber hat bei § 33 WpÜG eine Gesetzestechnik verwandt, die die eigentliche Aussage der Norm kaschiert.224 Das Gesetz geht zwar der Normstruktur nach davon aus, dass der Vorstand grundsätzlich dem Verhinderungsverbot unterliegt. Die weit reichenden Ausnahmen in § 33 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 WpÜG lassen die in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG als vermeintlichen Grundsatz formulierte Regel in den Hintergrund treten.225 Da die Grenzen 223
Dieser Gedanke klingt an bei Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 50. Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 4 beklagt diesen „regelungstechnischen Missgriff“; ähnlich Winter/Harbarth, ZIP 2001, 1, 3. 225 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 4 spricht von einer Ersetzung des Verbotsprinzips durch den Grundsatz der Abwehrbereitschaft; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 731; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, 224
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zwischen Grundsatz und Ausnahme bis zur Unkenntlichkeit verwischt sind, wird man § 33 Abs. 1 WpÜG als eine einheitliche Regelung anzusehen haben, die gesetzestechnisch wenig glücklich auf zwei Sätze aufgeteilt wurde. Im Schrifttum ist daher darauf hingewiesen worden, dass die Kernaussage des § 33 WpÜG – wenn man sie der missglückten Gesetzesformulierung entkleidet – lautet: „Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte, sind mit Zustimmung des Aufsichtsrats zulässig“.226 Dies zu regeln, war Absicht des Gesetzgebers. Damit zeigt sich zugleich, dass die soeben beschriebene Kernaussage des § 33 WpÜG sinnvollerweise nicht auf den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft angewandt werden kann. Denn es gibt keinen „Über-Aufsichtsrat“, der durch seine Zustimmung initiative Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats legalisieren könnte.227 Es fehlt demnach an der Rechtsähnlichkeit des nicht geregelten Sachverhalts, nämlich Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats in seiner Funktion als Initiativorgan, und dem in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG geregelten Tatbestand. Aus dem Blickwinkel der Ratio des § 33 Abs. 1 WpÜG sind Handlungen des Vorstands und des Aufsichtsrats daher nicht rechtsähnlich. Ein Analogieschluss muss mangels planwidriger Regelungslücke abgelehnt werden.228 Je nach rechtspolitischer Einschätzung mag man in der übernahmerechtlichen Rechtslage de lege lata einen Fehler des Gesetzes erblicken oder nicht. Eine Lücke, die durch Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte besteht nicht. III. Ergebnis Das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist unmittelbar nicht auf den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft anwendbar. Ebenso verbietet sich eine analoge Anwendung der Vorschrift, da – durch die Brille des Gesetzgebers betrachtet – Initiativmaßnahmen des Aufsichtsrats, die den Erfolg des Übernahmeangebots verhindern können, nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht mit Abwehrmaßnahmen des Vorstands vergleichbar sind. § 33, Rn. 12 sieht den in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG enthaltenen Grundsatz als so weit zurückgenommen an, dass man zwischen Grundsatz und Ausnahme nicht mehr unterscheiden könne; ähnlich Berding, WM 2002, 1149, 1157, nach dessen Ansicht das Verhinderungsverbot durch die gesetzlichen Ausnahmen „seiner Gültigkeit vollständig beraubt“ würde. 226 Ekkenga, in: FS Kümpel (2003), S. 95, 99; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 2; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 58. 227 Hierauf weisen hin, wenn auch mit anderer Schlussfolgerung: Hirte, ZGR 2002, 623, 629. 228 Ebenso Möslein, Grenzen unternehmerischer Leitungsmacht, S. 492.
§ 7 Verhinderungsverbot aufgrund kapitalmarktrechtlicher Erwägungen
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§ 7 Verhinderungsverbot des Aufsichtsrats aufgrund allgemeiner kapitalmarktrechtlicher Erwägungen I. Begründungsansätze Der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft kann zulässigerweise keine Abwehrmaßnahmen gegen ein von ihm nicht unterstütztes Übernahmeangebots ergreifen, wenn sich für ihn ein Verhinderungsverbot aus allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Erwägungen – jenseits der Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG – ergäbe. Neben aktienrechtlichen Begründungsansätzen eines Neutralitätsgebots wurde bereits vor Inkrafttreten des WpÜG im jüngeren Schrifttum der Versuch unternommen, ein Neutralitätsgebot kapitalmarktrechtlich zu begründen.229 Einen ersten Vorstoß unternahm Hopt.230 Er wies auf die Möglichkeit eines kapitalmarktrechtlichen Verständnisses von § 53 a AktG hin. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nicht nur aktienrechtlich, sondern schon de lege lata – vor Inkrafttreten des WpÜG – kapitalmarktrechtlich.231 Bei einem kapitalmarktrechtlich verstandenen Gleichbehandlungsgrundsatz der Aktionäre müssten nicht nur derzeitige, sondern auch künftige Aktionäre gleich behandelt werden.232 Besonders für die Beurteilung der Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten böte sich eine solche marktbezogene Begründung an.233 Adressat einer kapitalmarktrechtlich begründeten Neutralitätspflicht in Übernahmeauseinandersetzungen wäre die Gesellschaft. Sie treffe gegenüber ihren Aktionären die Verpflichtung, die Veräußerungschancen der Angebotsadressaten nicht zu vereiteln. Die Organe der Zielgesellschaft, also auch ihr Aufsichtsrat, müssten diese Pflicht beachten.234 Die Ableitung eines Neutralitätsgebots aus dem kapitalmarktrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wird zwar konzediert, der Versuch einer umfassenden dogmatischen Herleitung des Neutralitätsgebots aus dem kapitalmarktrechtliches Gleichbehandlungsgebot jedoch nicht mit letzter Konsequenz unternommen. 229 Hopt, ZGR 1993, 534, 546 f.; Baums, in: Gutachten zum 63. DJT, 2000, S. F 1, F 213 f.; derselbe, in: Hommelhoff/Hopt/Lutter (Hrsg.), S. 66; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 247 ff.; Grunewald, AG 2001, 288; kritisch: Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 253; kritisch ebenfalls: Nippgen, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten, S. 74 ff. 230 Hopt, ZGR 1993, 534, 546 f. 231 Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1398; derselbe, ZHR 161 (1997), 368, 411. 232 Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1394. 233 Hopt, ZGR 1993, 534, 546. 234 Baums, in: Gutachten zum 63. DJT, 2000, S. F 1, F 214.
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Neue Impulse gab den Fürsprechern eines kapitalmarktrechtlich begründeten Neutralitätsgebots der DiskE-ÜG235. Hinter dem Neutralitätsgebot stehe letztlich der Gedanke, dass der Aktionär in der ihm qua Übernahmeangebot eröffneten Veräußerungsmöglichkeit nicht durch Interventionen der Verwaltung eingeschränkt werden solle.236 Das Neutralitätsgebot impliziere damit die Pflicht des Vorstands, eine den Aktionären offen stehende Transaktionsmöglichkeit nicht zu vereiteln.237 Mit diesem Inhalt reiche das Neutralitätsgebot über den verbandsrechtlichen Rahmen hinaus, da es den Aktionär in seiner Funktion als Kapitalmarktteilnehmer tangiere und sein Recht zur freien Entscheidung über den Erwerb, das Halten oder Abstoßen der Beteiligung schütze.238 Ob ein Neutralitätsgebot diesen Inhalts als allgemeiner kapitalmarktrechtlicher Grundsatz aufgefasst wird, der unabhängig von seiner gesetzlichen Normierung Geltung beansprucht, bleibt offen. Dies darf bezweifelt werden. Vielmehr lässt sich die These, dem Vorstand sei der Eingriff in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre verboten, als Versuch zu verstehen, dem in § 31 DiskE-ÜG enthaltenen und später in §§ 33 Abs. 1 S. 1, 33 a Abs. 2 WpÜG geregelten Verhinderungsverbot eine kapitalmarktrechtliche Begründung zu verschaffen. Richtig ist, dass ein auch an den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft adressiertes Verhinderungsverbot für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und das Anlegervertauen sicherlich förderlich wäre.239 Dies rechtfertigt freilich nicht den Schluss, dass die als nützlich empfundene Regel bereits aufgrund eines allgemeinen, ungeschriebenen Grundsatzes losgelöst von einer gesetzlichen Normierung Geltung für sich beanspruchen kann. Die Tatsache, dass ein funktionierender Markt für Unternehmenskontrolle240 für rechtspolitisch wünschenswert gehalten wird, darf nicht dazu verführen, in dem Markt für Unternehmenskontrolle bereits ein geltendes Rechtsprinzip zu sehen, von dem durch Deduktion auf die Geltung eines Verhinderungsverbots geschlossen werden könnte.241 Vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, einen funktionsfähigen Markt für Unternehmenskontrolle zu schaffen. Die Geltung eines kapitalmarktrechtlich begründeten Verhinderungsverbots für den Aufsichtsrat kann damit de lege lata nicht angenommen werden.242 235
Siehe hierzu oben § 4 II.2. Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 249. 237 Grunewald, AG 2001, 288; ähnlich Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260, der jedoch gleichwohl von einer aktienrechtlich, nicht kapitalmarktrechtlich begründeten Verhaltenspflicht ausgeht. 238 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 249 f. 239 Ausführlich Nippgen, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten, S. 75 ff. 240 Siehe hierzu oben § 2 I.1. 241 Ebenso von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 76. 236
§ 8 Verhinderungsverbot und seine Ausnahmetatbestände
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II. Ergebnis Ein Verhinderungsverbot für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft kann nicht aus allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Grundsätzen hergeleitet werden.
§ 8 Verhältnis des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots und seiner Ausnahmetatbestände zur aktienrechtlichen Pflichtenbindung des Aufsichtsrats Das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG gilt weder direkt, noch analog für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft.243 Auch kann de lege lata von der Geltung eines allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Verhinderungsverbots für den Aufsichtsrat nicht ausgegangen werden.244 Damit ist die Frage aufgeworfen, nach welchen Regeln die Tätigkeit des Aufsichtsrats in seiner Funktion als Initiativorgan zu beurteilen ist, wenn ein nicht unterstütztes Übernahmeangebot im Raum steht. Genießt der Aufsichtsrat dadurch, dass ihn § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nicht als Normadressat nennt, grenzenlose Freiheit bei der Einleitung von Abwehrmaßnahmen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen? Kann auf das allgemeine Aktienrecht zurückgegriffen werden, wenn nach den Pflichten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines von ihm nicht unterstützten Angebots gefragt wird245, oder entfaltet das spezialgesetzlich normierte Verhinderungsverbot insoweit eine Sperrwirkung? Es gilt, das Verhältnis des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zum allgemeinen Aktienrecht zu beleuchten. Um sich den dogmatischen Zugriff auf diese Fragestellung erschließen zu können, bedarf es einer Zuordnung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zum Kapitalmarktrecht und/oder zum Aktienrecht. Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht haben unterschiedliche Zielsetzungen. Das Kapitalmarktrecht dient der Funktionsfähigkeit bzw. Effizienz der Kapitalmärkte und dem Anlegerschutz.246 Es will das Vertrauen der Kapitalanleger in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte sicherstellen. Demgegenüber ist das Gesellschaftsrecht innergesellschaftliches Organisationsrecht, das die verbandsorientierte Abstimmung der an einer Zweckverfol242 Nippgen, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten, S. 82. 243 Siehe oben § 6. 244 Siehe oben § 7. 245 Dies wird angedeutet von Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 426. 246 Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 368; Kirchner, WM 2000, 1821, 1823; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 1.8 (S. 2); Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 II, S. 468 ff.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
gung beteiligten Interessenträger sowie die Ordnung des verbandseigenen Sondervermögens vorzunehmen hat.247 Das Blickfeld des Kapitalmarktrechts umfasst damit hauptsächlich die Interessen und das Verhalten einer bestimmten Gruppe, nämlich der an den Kapitalmärkten agierenden Investoren. Das Verbandsrecht möchte demgegenüber einen Ausgleich der durch den Verband tangierten, konfligierenden Interessen herbeiführen.248 Die Zuordnung einzelner Fragestellungen zu einem der beiden Rechtsgebiete bereitet gerade im Übernahmerecht Schwierigkeiten, weil es im Grenzbereich der beiden Rechtsgebiete gelegen ist.249 Dies gilt umso mehr, als das Verhinderungsverbot Fragen der Leitung und Leitungskontrolle tangiert, die zur Corporate Governance250 gehören und daher sowohl eine Normierung durch Gesellschafts- als auch durch Kapitalmarktrecht in Betracht kommt.251 Würde es sich bei § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ausschließlich um eine Vorschrift kapitalmarktrechtlicher Natur handeln252, läge eine Konkurrenz von Rechtsgebieten vor: Auf der einen Seite stünden organschaftliche Pflichten des Aufsichtsrats, die sich aus dem allgemeinem Aktienrecht ergeben, wenn ein feindliches Übernahmeangebot vorliegt. Auf der kapitalmarktrechtlichen Seite stünde die Entbindung der Verwaltungstätigkeit des Aufsichtsrats vom Verhinderungsverbot nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Die beiden unterschiedlichen Rechtsgebiete müssten bei Inkompatibilität aufeinander abgestimmt werden.253 H. Krause etwa ist der Ansicht, dass bei einem kapitalmarktrechtlichen Verständnis des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Vorschrift als Kodifikation des Pflichtenstandards der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots angesehen werden müsste254, d.h. als eine auf Vollständigkeit angelegte und abschießende Regelung.255 247 Schwark, in: FS Stimpel (1985), S. 1097; Hopt, ZHR 141 (1977), 389 ff.; Assmann, in: Großkomm AktG, Einl., Rn. 353, 356. 248 Kirchner, WM 2000, 1821, 1823; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 242. 249 Mülbert, ZIP 2001, 1221 f.; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 242; Fleischer, NZG 2002, 545, 547; Koch, NZG 2003, 61; Assmann, ZGR 2002, 697, der jedoch die Abstimmung des WpÜG mit anderen kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen für weitaus schwieriger hält. 250 Siehe Nr. 3.7 DCGK. 251 Assmann, in: FS Kümpel (2003), S. 1 f., spricht davon, dass ein angemessenenes Komplementaritätsverhältnis von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht erst noch zu finden ist; Fleischer, ZIP 2006, 451, 456, weist allgemein auf die Möglichkeiten Funktionsäquivalenzen von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht hin. 252 Bayer, ZGR 2002, 588, 618 f.; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG Einl., Rn. 11. 253 Fleischer, ZIP 2006, 451, 456. 254 H. Krause, AG 2002, 133, 136; derselbe/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 49; bei einem aktienrechtlichen Verständnis des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ließe sich der Charakter der Vorschrift als Kodifikation „nicht ohne Weiteres annehmen“ sondern müsse problematisiert werden.
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Wenn § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zumindest auch als aktienrechtliche Vorschrift zu qualifizieren wäre, stünde eine Konkurrenz von Rechtssätzen desselben Rechtsgebiets in Rede. Das Verhältnis der allgemeinen aktienrechtlichen Pflichten und der Freistellung vom Verhinderungsverbot durch § 33 WpÜG wäre in diesem Falle nach den Regeln der Normkonkurrenz durch Auslegung zu bestimmen, ohne dass hierdurch zugleich eine etwaige Rechtsgebietskollision aufzulösen wäre. In einem ersten Schritt ist die Zuordnung des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zum Kapitalmarkt- und/oder zum Gesellschaftsrecht vorzunehmen. Dabei wird sich zeigen, dass die Vorschrift auch einen aktienrechtlichen Gehalt aufweist. Damit ist die Auslegung zweier Rechtssätze desselben Rechtsgebiets das methodische Mittel, um die Konkurrenzfrage zu beantworten. Dies soll in einem zweiten Schritt erfolgen. I. Kapitalmarktrechtliche bzw. gesellschaftsrechtliche Einordnung des § 33 Abs. 1 WpÜG Im Schrifttum besteht keine Einigkeit über die Zuordnung des Verhinderungsverbots zum Gesellschafts- oder Kapitalmarktrecht. Die Diskussion wird erschwert durch begriffliche Unklarheit. Z. T. wird die in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG normierte Verhaltenspflicht des Vorstands als „übernahmerechtliches Verhinderungsverbot“ bezeichnet. Das Übernahmerecht als solches ist schon aufgrund seines Anwendungsbereichs dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen (vgl. §§ 1, 2 Abs. 7 WpÜG). Die Bezeichnung „übernahmerechtliches Verhinderungsverbot“ scheint damit auf eine rein kapitalmarktrechtliche Zuordnung hinzudeuten.256 Gleichwohl bedienen sich manche Stimmen im Schrifttum dieses Begriffs, um auf einen aktienrechtlichen Gehalt des § 33 Abs. S. 1 WpÜG hinzuweisen.257 Vor dem Hintergrund dieses Befundes soll im Folgenden die Verwendung des Terminus „übernahmerechtliches Verhinderungsverbot“ weder die Zuordnung des § 33 WpÜG zum Aktien-, noch zum Kapitalmarktrecht präjudizieren. Für ein kapitalmarktrechtliches Verständnis des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG spricht zunächst, wie bereits angesprochen, dass § 33 WpÜG nur auf börsenzugelassene Zielgesellschaften Anwendung findet.258 Daneben soll nach 255
Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 573. In diese Richtung tendiert wohl Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 4; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 51 ff. 257 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 64 ff. 258 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 51; ebenso für eine kapitalmarktrechtliche Einordnung: Hüffer, Aktiengesetz, § 76, Rn. 15 e; kritisch: Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 725. 256
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einer Literaturansicht ein funktionaler Aspekt treten: Das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG dient dem Schutz des Vertrauens der Anleger in einen funktionsfähigen Kapitalmarkt. Die Anleger sollen sich darauf verlassen können, selbst darüber zu entscheiden, ob sie die Möglichkeit ergreifen, ihre Aktien zu den Konditionen des öffentlichen Angebots zu liquidieren oder nicht.259 Die Vorschrift soll damit auf das Verhalten der Marktteilnehmer in einer marktbezogenen Hinsicht einwirken. Für eine kapitalmarktrechtliche Qualität des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots spricht überdies, dass eine staatliche Behörde die Einhaltung der Pflichten im öffentlichen Interesse überwacht (§ 4 Abs. 2 WpÜG). Die Überwachung der Einhaltung der aktienrechtlichen Organpflichten durch eine Behörde ist im Bereich des Kapitalmarktrechts typisch.260 Ein weiteres Indiz liefern die Gesetzesmaterialien, wonach es Ziel des Gesetzes ist, den Finanzplatz Deutschland durch Förderung seines Finanzmarktes zu stärken.261 Dagegen wird vorgebracht, dass die Zielgesellschaft selbst Adressat eines kapitalmarktrechtlichen Verhinderungsverbots sein müsse, nicht einzelne ihrer Organe.262 Der Vorstand selbst ist kein Marktteilnehmer.263 Die Formulierung des Gesetzestextes in der Fassung, die er durch den Finanzausschuss erhalten hat, mache deutlich, dass der Gesetzgeber jedenfalls auch eine verbandsinterne Fixierung des Kompetenzgefüges zwischen Vorstand und Hauptversammlung der Zielgesellschaft vornehmen wollte: Der Gesetzgeber habe sich einer Regelungstechnik bedient, die auf eine gewöhnliche Vorschrift des Aktienrechts – wenn auch in einem Spezialgesetz – hinweise.264 Dem Umstand, dass sich das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot nur an den Vorstand der Zielgesellschaft, nicht jedoch an diese selbst richtet, lasse den Schluss zu, dass es sich dabei um eine lex specialis zu § 76 Abs. 1 AktG handele.265 Auf einen Willen des Gesetzgebers, eine gesellschaftsrechtliche Norm zu erlassen, deuteten die Gesetzesmaterialien hin.266 Die Gesetzesmaterialien können als belastbare Grundlage der These einer gesellschaftsrechtlichen Natur des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG schwerlich die259
H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 51. H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 51. 261 BT-Drucks. 14/7034, S. 27. 262 Baums, in: Gutachten zum 63. DJT, 2000, S. F 1, F 213 f.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 7; derselbe, in: FS Kümpel (2003), S. 95, 96. 263 Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 68. 264 Fleischer, NZG 2002, 545, 547; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 68. 265 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 3. 266 Fleischer, NZG 2002, 545, 547; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 51. 260
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nen. Zwar weist die Begründung des RegE-WÜG267 darauf hin, dass das Verhinderungsverbot nach verbreiteter Ansicht auch unabhängig von der Regelung des § 33 WpÜG gelte, weil es gesellschaftsrechtlich begründet werden könne. Doch ist es dem Gesetzgeber ungenommen, einen aktienrechtlichen Rechtssatz zusätzlich auf kapitalmarktrechtliche Beine zu stellen.268 Hierauf deutet die Begründung zum RegE-WÜG hin: Die Betonung der gesellschaftsrechtlichen Ableitung des Verhinderungsverbots deutet an, dass es daneben auch andere Orte gibt, an denen die Regelung systematisch angesiedelt werden kann. Bedeutsamer für die Rechtsnatur des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist seine Textfassung. Zuzustimmen ist den Ansichten, die originär kapitalmarktrechtliche Wurzeln der Vorschrift in Hinblick auf den Normadressaten in Frage stellen. Die Vorschrift regelt nicht das Verhalten der Zielgesellschaft, sondern nur das Verhalten ihres Vorstands, der selbst nicht Marktteilnehmer ist. Die Bedenken gegenüber einer reinen kapitalmarktrechtlichen Einordnung der Vorschrift wögen weniger schwer, wenn sich die Vorschrift an beide Verwaltungsorgane der Zielgesellschaft richten würde, so wie es etwa in § 33 a Abs. 2 WpÜG der Fall ist, und im RegEWÜG vorgesehen war. Gleichwohl kann nicht verkannt werden, dass die Vorschrift einen kapitalmarktrechtlichen Bezug aufweist, der sich nicht zuletzt darin manifestiert, dass die BAFin zur Aufsicht auch über die Einhaltung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG berufen ist. Die überwiegenden Stimmen im Schrifttum gehen daher davon aus, dass die Vorschrift zumindest eine verband- und kapitalmarktrechtliche Doppelnatur aufweise.269 Die Diskussion um die Zuordnung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu einem der beiden Rechtsgebiete wurde durch das Inkrafttreten des ÜbRL-UG vom Gesetzgeber zumindest teilweise entschieden: Nach § 1 Abs. 2 WpÜG n. F. finden die Vorschriften des WpÜG über Übernahmeangebote für bestimmte Zielgesellschaften270 nur in Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Fragen Anwendung. Exemplarisch für solche gesellschaftsrechtlichen Fragen nennt der Gesetzestext ausdrücklich Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg eines Angebots verhindert werden könnte. Es bedarf demnach keines Rückgriffs auf die Gesetzesmaterialien. Die gesellschaftsrechtliche Natur des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ergibt sich vielmehr bereits aus einer systematischen Auslegung, namentlich dem Sinnzusammenhang 267
BT-Drucks. 14/7034, S. 57. Fleischer, ZIP 2006, 451, 456. 269 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 7; H. Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 51 a. E.; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 68. 270 Es handelt sich um Zielgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG, deren stimmberechtigte Aktien nicht im Inland, jedoch in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. 268
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des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG mit § 1 Abs. 2 WpÜG n. F. Die Begründung zum RegE-ÜbRL-UG271 hebt hervor, dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG, neben §§ 33 a, 33 c, 33 d WpÜG n. F. zu den Vorschriften über „Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg eines Angebots verhindert werden könnte“ i. S. d. § 1 Abs. 2 WpÜG n. F. gehört.272 An der gesellschaftsrechtlichen Natur des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG kann daher nicht gezweifelt werden. Die Widmung des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots als Gesellschaftsrecht durch § 1 Abs. 2 WpÜG n. F. ist damit ein vitaler Ausdruck der Infiltrierung des Gesellschaftsrechts durch kapitalmarktrechtliches Denken in einer bestimmten Sachfrage.273 II. Anwendbarkeit des allgemeinen Aktienrechts neben § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG 1. Meinungsstand Das Verhältnis des allgemeinen Aktienrechts zu § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG wird im Schrifttum vielfach mit der Formel umschrieben, dass das allgemeine Aktienrecht durch das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot „überlagert“ werde.274 Dem liegt allzu oft die Annahme zugrunde, dass es sich bei § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG um eine kapitalmarktrechtliche Vorschrift handele, die gegenüber dem Gesellschaftsrecht „die speziellere Materie“ sei,275 eine unterstellte Rechtsgebietskonkurrenz also – wenn auch unausgesprochen – zugunsten der vermeintlich kapitalmarktrechtlichen Regelung aufzulösen sei.276 Nur vereinzelt wird das Spannungsverhältnis von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht in Hinblick auf die Verhaltensstandards der Organe der Zielgesellschaft nicht bloß als Frage der Rechtsgebietskonkurrenz, sondern auch als eine Frage der Normkonkurrenz behandelt. Ein Teil des Schrifttums etwa nimmt an, dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG der Vorrang vor der aktienrechtlichen Pflichtenlage als lex specialis und lex posterior 271
BT-Drucks. 16/1006, S. 16. Die Begründung des RefE-ÜbRL-UG stellt damit klar, dass auch § 33 a WpÜG zu den gesellschaftsrechtlichen Regelungen gehört. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 WpÜG n. F. ist insofern missverständlich, als er sich nur auf Handlungen des Vorstands, nicht auch auf Handlungen des Vorstands und Aufsichtsrat bezieht. 273 Kritisch gegenüber einer unreflektierten Adaption von kapitalmarktrechtlichen Erwägungen im Gesellschafsrecht: Merkt, AG 2003, 126, 133 f. 274 Bayer, ZGR 2002, 588, 605; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 1, 29; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG Einl., Rn. 11. 275 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 1, 3, 29, 44. 276 Differenzierend dagegen: Kirchner, AG 1999, 481, der darauf hinweist, dass übernahmerechtliche Regelungen durch unternehmens- und gesellschaftsrechtliche Regelungen substituiert werden können und umgekehrt. 272
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zukomme.277 Röh sieht in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG jedenfalls eine Spezialregelung gegenüber dem allgemeinen Aktienrecht, entweder als übernahmerechtliche lex specialis zum geltenden Aktienrecht oder als materiell aktienrechtliche Spezialregelung außerhalb des AktG.278 Andere wiederum problematisieren die Zuordnung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu einem der beiden Rechtsgebiete nicht, und halten das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot offenbar ebenfalls in beiden Fällen für eine lex specialis gegenüber der aktienrechtlichen Pflichtenlage.279 H. Krause geht demgegenüber davon aus, dass es sich bei § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG jedenfalls dann um eine abschließende Spezialregelung handle, wenn sie kapitalmarktrechtlich einzuordnen wäre. Würde man § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG dagegen als aktienrechtliche Norm auffassen, wäre ein Nebeneinander von allgemeinen aktienrechtlichen Wertungen und denen des § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG nicht von vornherein ausgeschlossen.280 Im Ergebnis möchte H. Krause gleichwohl eine Ergänzung des Verhaltensstandards aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG durch aktienrechtliche Pflichten ausschließen, wenn das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot als gesellschaftsrechtliche Norm anzusehen wäre. Der Gesetzgeber hat die Behandlung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG als gesellschaftsrechtliche Norm angeordnet.281 Die Frage, welche Pflichten für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines von ihm nicht unterstützen öffentlichen Übernahmeangebots gelten, stellt sich daher methodisch als eine Konkurrenz zweier Rechtssätze desselben Rechtsgebiets dar – und nicht als eine Konkurrenz von Normen von unterschiedlichen Rechtsmaterien mit ungleichförmigen Zielrichtungen.282 2. Aussage des beredeten Schweigens in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG Oben wurde herausgestellt, dass der Aufsichtsrat nicht als Normadressat von § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG anzusehen ist.283 Auch wurde nachgewiesen, dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nicht analog auf den Aufsichtsrat anzuwenden 277 Bayer, ZGR 2002, 588, 605; Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG, § 33, Rn. 52; in diese Richtung bereits Kirchner, WM 2000, 1821, 1826. 278 Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 46. 279 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 5. 280 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 50, der aber einen Rückgriff auf Aktienrecht insoweit für ausgeschlossen hält, als ein aktienrechtliches Vereitelungsverbots in Rede steht. 281 Siehe oben § 8 I. 282 Zur methodischen Behandlung von Rechtsgebietskonkurrenzen siehe etwa Jansen, Die betriebliche Mitbestimmung im Arbeitskampf, S. 41 ff., S. 101 ff. 283 Siehe § 6.
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ist, da Handlungen des Vorstands und solche des Aufsichtsrats nach den Wertungen des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nicht rechtsähnlich sind, mithin nicht dem gleichen Verbotstatbestand unterworfen sein sollen. Denkbar ist aber, dass der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Verwaltungsorgan allgemeinen aktienrechtlichen Beschränkungen unterliegt, wenn die von ihm mitverwaltete Gesellschaft Ziel eines Übernahmeangebots wird. Es stellt sich daher die Frage, ob § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Anwendung des allgemeinen Aktienrechts insoweit ausschließt oder nicht. Die Frage ist, welche Aussage der Gesetzgeber mit seinem beredeten Schweigen in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zur Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats getroffen hat. Denn § 33 WpÜG kann das allgemeine Aktienrecht nur insoweit verdrängen, als sein Anwendungs- und Regelungsbereich reicht.284 Ob § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG den Aufsichtsrat von aktienrechtlichen Beschränkungen seiner Tätigkeit als Initiativorgan freistellt oder nicht, ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln. Ausgangspunkt der Frage nach dem Verhältnis des § 33 Abs. 1 WpÜG zum allgemeinen Aktienrecht ist wiederum der Wortlaut des Gesetzes. Dieser spricht den Vorstand der Zielgesellschaft an. Ob dies als Kodifikation des Verhaltensstandards des Managements anzusehen ist und ihm daher abschließender Charakter zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dieser Schritt ist nicht etwa deswegen entbehrlich, weil sich oben285 gezeigt hat, dass § 33 Abs. 1 WpÜG auf den Aufsichtsrat mangels Vorliegen einer Regelungslücke nicht analog angewendet werden kann. Denn das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Regelungslücke ist – wie gezeigt – anhand der Teleologie der Vorschrift zu beurteilen, deren analoge Anwendung erwogen wird. Dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nach seinem Sinn und Zweck nur für den Vorstand – und nicht für den Aufsichtsrat – gelten soll, präjudiziert nicht einen etwaigen abschließenden Charakter der Vorschrift. Der Wortlaut des § 33 WpÜG spricht gegen die Annahme einer abschließenden Sonderregelung auch gegenüber einer Verwaltungstätigkeit des Aufsichtsrats. Schon die amtliche Überschrift des § 33 WpÜG bringt zum Ausdruck, worum es bei der Vorschrift geht: um „Handlungen des Vorstandes der Zielgesellschaft“. Mit der vom Finanzausschuss vorgeschlagenen und vom Gesetzgeber übernommenen Gesetzesfassung hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, dem Vorstand der Zielgesellschaft ein größeres Handlungsspektrum zur Abwehr eines nicht unterstützten Übernahmeangebots einzuräumen. Daher hat er das ursprünglich für Vorstand und Aufsichtsrat vorgesehene Verhinderungsverbot fallen gelassen und statt dessen eine Regel geschaffen, die sich ausschließlich mit der Zulässigkeit von Maßnahmen 284 285
Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311, Rn. 15. Siehe § 6 II.
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des Vorstands befasst und auf ihn derart zugeschnitten ist, dass eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Aufsichtsrat ausscheidet. In der Begründung des RegE-WÜG hat der Gesetzgeber jedoch zum Ausdruck gebracht, dass er von einer besonderen Pflichtenbindung von Vorstand und Aufsichtsrat bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots schon nach allgemeinem Gesellschaftsrecht ausgeht.286 Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist der Gesetzgeber von seiner ursprünglichen Intention, nämlich einer abschließenden Kodifikation des Verhaltensstandards des Managements bei Vorliegen eines unfreundlichen Kontrollerwerbsangebots, abgerückt, um sich auf einen Teilausschnitt zu beschränken, nämlich das an den Vorstand der Zielgesellschaft adressierte Verhinderungsverbot. Diese Regelung eines Verhinderungsverbots des Vorstands gestaltete der Gesetzgeber diametral entgegengesetzt zur Rechtslage, die nach seiner Ansicht gesellschaftsrechtlich bereits bestand. Diese Abkehr von der angenommenen lege lata wurde in der Begründung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zumindest in den Grundzügen erläutert.287 Zu Initiativmaßnahmen des Aufsichtsrats findet sich in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses dagegen kein einziges Wort. Wenn der Gesetzgeber insoweit eine Erläuterung nicht für erforderlich hielt, lässt dies den Schluss zu, dass er eine Änderung der bisherigen Rechtslage nicht beabsichtigte. Er ging also von einer Fortgeltung der gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen für den Aufsichtsrat aus, soweit nicht durch § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG eine Modifikation der Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats in Rede steht. Eine Sperrwirkung des § 33 Abs. 1 WpÜG gegenüber etwaigen aktienrechtlichen Beschränkungen der Verwaltungstätigkeit des Aufsichtsrats lässt sich § 33 WpÜG daher nicht entnehmen Fraglich ist, ob dieses Ergebnis zu einem Wertungswiderspruch mit dem nachträglich normierten Europäischen Verhinderungsverbot in § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. führt. In diesem Fall wäre zu untersuchen, ob etwaige Inkonsitenzen im Wege einer systematischen Auslegung der beiden konkurrierenden Regelungsregime ausgeräumt werden können. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass die Anwendungsbereiche des § 33 WpÜG und des § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. keinerlei Schnittmenge aufweisen. § 33 WpÜG bildet das einschlägige Regelungsregime, solange kein Opt-In der Zielgesellschaft nach Maßgabe von § 33 a Abs. 1 WpÜG vorliegt. Bei Vorliegen eines solchen Opt-In richtet sich die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Managements der Zielgesellschaft nach der gesetzgeberischen Konzeption ausschließlich nach § 33 a Abs. 2 WpÜG. Es gibt somit kein Sachverhalt, der beiden Vorschriften zugleich unterfällt. Müssen das Verhinderungsverbot 286 287
BT-Drucks. 14/7034, S. 57. BT-Drucks. 14/7477, S. 50 und 53.
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des § 33 WpÜG und das Europäische Verhinderungsverbot des § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. deswegen in jeder Hinsicht als Konzept und Gegenkonzept verstanden werden, die Regelung in § 33 WpÜG gleichsam als „AntiEuropäisches Verhinderungsverbot“? Die Frage muss verneint werden. In der Geburtsstunde des § 33 WpÜG gab es die Vorgaben der Übernahmerichtlinie noch nicht. § 33 WpÜG konnte vom Gesetzgeber daher nicht als Gegenpol zum Europäischen Verhinderungsverbot gedacht sein. Aber auch mit der Schaffung des Europäischen Verhinderungsverbots in § 33 a Abs. 2 WpÜG hat der Gesetzgeber nicht bewusst einen Gegenpol zum Verhinderungsverbot des § 33 WpÜG geschaffen: Schließlich war der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Europäischen Verhinderungsverbots in § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. nicht frei, sondern musste die europarechtlichen Vorgaben penibel umsetzen. Es gibt freilich auch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach die Regelung eines Mitgliedstaates, die auf einem Opt-Out dieses Mitgliedstaats beruht, so auszulegen ist, dass sie inhatlich in einem größtmöglichen Widerspruch zu der entsprechenden Richtlinie steht. Es gibt gerade kein Gebot einer solchen „europarechtswidersprechende Auslegung“. § 33 a Abs. 2 WpÜG spielt daher für die Auslegung des § 33 WpÜG allenfalls eine untergeordnete Rolle.288 Auch mit Blick auf § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. ergibt sich aus § 33 WpÜG damit keine Sperrwirkung dieser Regelung im Hinblick auf die aktienrechtlichen Vorgaben für die Verwaltungstätigkeit des Aufsichtsrats. Dieses Ergebnis harmoniert auch mit der überwiegenden Literaturmeinung, die eine Sperrwirkung des § 33 Abs. 1 WpÜG in Hinblick auf die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands außerhalb des in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG geregelten Zeitrahmens ablehnt: So entspricht es der vorherrschenden Ansicht im Schrifttum, dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG keine unmittelbare Aussage zur Zulässigkeit von prophylaktischen Abwehrmaßnahmen des Vorstands trifft. Sie soll sich vielmehr im Grundsatz nach allgemeinem Aktienrecht richten.289 288 Anders A. Wolf, ZIP 2008, 300, 301. Diese Ansicht reicht noch deutlich weiter: Sie sieht in § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. offenbar einen Federstrich des Gesetzgebers, der die spezifischen aktienrechtlichen Vorgaben für das Management der Zielgesellschaft weitgehend makulieren soll – sogar in Fällen, in denen das WpÜG überhaupt nicht anwendbar ist. 289 Körner, DB 2001, 367, 369; Bayer, ZGR 2002, 588, 618; Hirte, ZGR 2002, 623, 627; derselbe, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 44; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 28; Holzborn/Rahlf, in: Bad Homburger Hdb., Teil § 33, Rn. 45; Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 93, Rn. 30; differenzierend H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 245; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 85; offengelassen Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 79; von Falkenhausen, NZG 2007, 97.
§ 9 Aktienrechtliche Vorgaben für das Handeln des Aufsichtsrats
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3. Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG keine Aussage zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats in seiner Funktion als Initiativorgan trifft. Dabei handelt es sich nicht insoweit um ein beredetes Schweigen, als der Aufsichtsrat überhaupt keinen Einschränkungen unterworfen werden sollte. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die Verwaltungstätigkeit an den Maßstäben des allgemeinen Gesellschaftsrechts gemessen wissen. Da § 33 Abs. 1 WpÜG initiative Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats nicht regelt, kann die Vorschrift auch nicht als speziellere oder jüngere Regelung Geltung beanspruchen vor etwaigen aktienrechtlichen Beschränkungen. III. Ergebnis Die Vorschrift des § 33 WpÜG ist zumindest auch als gesellschaftsrechtliche Norm anzusehen. Ihr Verhältnis zum allgemeinen Aktienrecht richtet sich daher nach den Grundsätzen der Konkurrenz von Rechtsnormen desselben Rechtsgebiets. Eine Auslegung des § 33 WpÜG führt zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift keinerlei Sperrwirkung gegenüber Pflichten entfaltet, die das allgemeine Aktienrecht dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft auferlegt, wenn er Initiativmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreift.
§ 9 Aktienrechtliche Vorgaben für das Handeln des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung mit dem Inhalt, wie sich der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft verhalten darf, wenn die Gesellschaft Ziel eines feindlichen Übernahmeversuchs wird, fehlt im AktG. Ebenso existiert im AktG keine Vorschrift zu den Verhaltenspflichten des Vorstands in einer solchen Situation. Im Schrifttum haben sich daher unterschiedliche Meinungen zu der Frage herausgebildet, ob sich die Verwaltung der Zielgesellschaft gegenüber einem von ihr nicht unterstützen Übernahmeangebot nach allgemeinem Aktienrecht neutral zu verhalten habe, oder ob sie Maßnahmen ergreifen dürfe, um den Erfolg des Übernahmeangebots zu vereiteln.290 Bemerkenswerterweise fokussiert sich die rechtswissenschaftliche Diskussion ganz überwiegend auf das Verhalten des Vorstands der Zielge290
Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 8, spricht in diesem Zusammenhang von einer „endlos diskutierten Frage“, Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, von einer „inflationären Erörterung“ dieses Problemkreises im Schrifttum.
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
sellschaft291, während der Stellung des Aufsichtsrats, wenn überhaupt, nur flüchtige Blicke vergönnt sind. Ausführungen zur Stellung des Aufsichtsrats begnügen sich zumeist mit der Feststellung, dass für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft derselbe oder ein ähnlicher Pflichtenstandard wie für den Vorstand gelte.292 Dies mag daran liegen, dass der Vorstand aufgrund seiner Funktion als Geschäftsführungsorgan gemäß § 71 AktG von Haus aus über das breiteste Arsenal an Abwehrmitteln verfügt. Die Geschäftsführungsinstrumente, die auch zur Übernahmeabwehr eingesetzt werden können, befinden sich also größtenteils im Köcher des Vorstands. Versetzt das Aktienrecht den Aufsichtsrat, der gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG von der Geschäftsführung grundsätzlich ausgeschlossen ist, in die Rolle eines stillen Zuschauers oder ist auch dieses Organ in der Lage, ein von ihm nicht unterstütztes Übernahmeangebot unter Beschuss zu nehmen? Dieser Frage soll zunächst nachgegangen werden. Dabei wird sich zeigen, dass der Aufsichtsrat auch jenseits der Zustimmungserteilung zu Abwehrmaßnahmen im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3, Abs. 2 S. 4 WpÜG Sand ins Getriebe der Übernahmemaschinerie streuen kann. Vor diesem Hintergrund werden die vom Schrifttum für Übernahmeverfahren entwickelten, aktienrechtlichen Pflichtenstandards, die – wie gesagt – ganz auf den Vorstand zugeschnitten sind, nachgezeichnet. Zuvor gilt es sich zu vergegenwärtigen, über welches Repertoire an Maßnahmen, die den Erfolg des Übernahmeangebots vereiteln können, der Aufsichtsrat verfügt. I. Maßnahmen des Aufsichtsrats mit der Eignung, den Erfolg eines Übernahmeangebots zu verhindern In erster Linie wird die Aktiengesellschaft durch den Vorstand geleitet. Eine Vielzahl der aktienrechtlichen Verwaltungsinstrumente des Vorstands lassen sich einsetzen, um ein Übernahmeangebot zu torpedieren.293 Weit weniger Aufmerksamkeit schenkte das Schrifttum bislang den Handlungen des Aufsichtsrats, die dieser zur Übernahmeabwehr instrumentalisieren kann. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche geeigneten Mittel der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Verwaltungsorgan hat, um den Erfolg 291
Ebenso Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 3. Knoll, Übernahme von Kapitalgesellschaften, S. 167, 273 ff.; Hopt, ZGR 1993, 534, 566; Mülbert, IStR 1999, 83, 88; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor. § 311, Rn. 4; Birke, Neutralitätspflicht, S. 92 f. 293 Siehe im Einzelnen: Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 169 ff.; H. Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 88 ff.; Ehricke, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 91 ff.; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 22 ff.; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 206 ff. 292
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des Übernahmeangebots im oben dargelegten Sinne294 zu verhindern. Im Anschluss daran wird der Frage nachgegangen, ob der Aufsichtsrat von diesen Möglichkeiten aktienrechtlich auch dann Gebrauch machen darf, wenn die Gesellschaft Ziel eines Übernahmeversuchs wird. 1. Personalentscheidungen Personalentscheidungen gehören zum wichtigsten Teil der Arbeit des Aufsichtsrats.295 Er hat zum einen die Personalkompetenz zur Besetzung von Vorstandspositionen. Ihm obliegt neben der Gewinnung und Auswahl der Vorstandsmitglieder auch die inhaltliche Gestaltung der Anstellungsverträge einschließlich der Festsetzung der Vergütung. Dabei nimmt der Aufsichtsrat eine unternehmerische Funktion war, für die ihm ein gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer Handlungsspielraum nach Maßgabe der §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. eingeräumt ist.296 a) Verlängerung der Amtszeiten von Vorstandsmitgliedern aa) Verhinderungseignung wegen Übernahmefolgeabwehr-Charakters Zur Durchsetzung seines unternehmerischen Konzepts genügt es nicht, wenn der Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt. Vielmehr muss er dafür sorgen, dass die Zielgesellschaft von einem Management geführt wird, das die vom Bieter verfolgte Unternehmenspolitik umsetzt.297 Vom amtierenden Management, das die Übernahmepläne des Bieters nicht unterstützt hat, wird diese Kooperation nicht zu erwarten sein. Selbst wenn ein Einvernehmen mit dem auflehnenden Management denkmöglich wäre, wird es der Bieter vorziehen, Personen seines Vertrauens in den Führungspositionen zu installieren.298 Eine Auswechslung der Vorstandsmitglieder kann der Bieter nicht am Aufsichtsrat vorbei betreiben.299 Zur vorzeitigen Auswechslung des Vorstands bedarf es grundsätzlich der Abberufung durch 294
Zum Begriff der Verhinderungseignung siehe § 5 I.2. Peltzer, NZG 2002, 10, 13; Leuchten, NZG 2005, 909, 911. 296 Fleischer, DStR 2005, 1318, 1319; Hölters/Weber, AG 2005, 629, 633 (beide zur Rechtslage nach dem UMAG); sowie Krieger, Personalentscheidungen, S. 22 ff.; Semler, in: FS Ulmer (2003), 268; Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 1 f.; Wollburg, ZIP 2004, 655; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 157; Kort, NJW 2005, 333, 334; Schwark, in: FS Raiser (2005), S. 388, 391 f. 297 Peltzer, ZIP 1989, 69, 75; Lüttmann, Kontrollwechsel bei Kapitalgesellschaften, S. 25; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243. 298 Siehe § 1 VIII.2.b). 299 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 106. 295
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den Aufsichtsrat aus wichtigem Grund, § 84 Abs. 3 AktG.300 Zwar besteht die Möglichkeit eines Misstrauensvotums der Hauptversammlung (§ 83 Abs. 3 S. 2 AktG). Dieses bindet den Aufsichtsrat jedoch nicht.301 Der Weg hin zur Herrschaftsausübung wird daher mit der Auswechslung der Anteilseignerbank des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft beschritten, damit der Aufsichtsrat sodann einem dem Bieter genehmen Vorstand ins Amt verhilft.302 Der Übernehmer muss hierzu den Ablauf der Amtszeit des Aufsichtsrats abwarten, um dann einen neuen Aufsichtsrat zu installieren. Oder er beruft den Aufsichtsrat sogleich ab, was nach § 103 Abs. 1 AktG auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist.303 Ein auf diese Weise vom Übernehmer umgestalteter Aufsichtsrat kann die Zusammensetzung des Vorstands der Zielgesellschaft nicht sogleich nach dem Willen des Bieters ändern. Vielmehr muss der neue Aufsichtsrat das Ende der jeweiligen Amtszeit eines jeden Vorstandsmitglieds abwarten, bis ein neues, mit dem Bieter kooperierendes Vorstandsmitglied nachrücken kann. Denn gemäß § 84 Abs. 3 AktG kann auch der neue Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied nur aus wichtigem Grund widerrufen.304 Gewiss ist es dem jeweiligen Vorstandsmitglied unbenommen, freiwillig seinen Platz zu räumen. Hierzu wird es sich nur gegen Zahlung einer Abfindung bereit erklären, die der Restlaufzeit seines Vertrags Rechnung trägt. Im Übernahmekampf kann der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, der das Übernahmeangebot des Bieters nicht unterstützt, seine Personalentscheidungen in einer Weise treffen, die dem Bieter nach einem erfolgreichen Kontrollerwerb i. S. d. § 29 WpÜG die Ausübung der Herrschaftsmacht erschwert. Er kann den Bieter dabei behindern, den Vorstand oder einzelne seiner Mitglieder frühestmöglich auszuwechseln. Es handelt sich also um eine Maßnahme, die geeignet ist, den Erfolg des Angebots im oben dargelegten Sinne305 zu verhindern. Damit stellt sich die Verlängerung der Amtszeit bzw. Neubestellung der Vorstandsmitglieder als Abwehrmaßnahme dar.306 Der neue Kontrollaktionär sieht sich nach erfolgreichem Abschluss des Übernahmeverfahrens mit der Situation konfrontiert, dass er die frisch verlängerte Amtszeit der betroffenen Vorstandsmitglieder abwarten muss, um den Vorstand der Zielgesellschaft personell an seine Vorstellungen anzu300 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 106; H. Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 270. 301 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 106. 302 Peltzer, ZfK 1988, 577, 578; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 268. 303 Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 26. 304 Hüffer, Aktiengesetz, § 84, Rn. 26. 305 Siehe § 5 I.2. 306 Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 27.
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passen. Alternativ müsste dem einzelnen Geschäftsleiter der Zielgesellschaft im Hinblick auf die ausgedehnte Restamtszeit eine höhere Abfindung geboten werden, um ihn zum vorzeitigen Rückzug zu bewegen. Da die Mitglieder des Vorstands in der Regel nicht gegen den Willen eines neuen Mehrheitsgesellschafters im Amt bleiben wollen307, wird ihnen daran gelegen sein, zusammen mit dem Aufsichtsrat eine Verlängerung ihrer Amtszeit zu erreichen, um damit die Bemessungsgrundlage einer künftigen Abfindung in die Höhe zu treiben. Höhere Abfindungen können – je nach Dimension der Transaktion – die wirtschaftliche Attraktivität der Übernahme schmälern.308 bb) Aktienrechtliche Voraussetzungen einer Amtszeitverlängerung Zwei Konstellationen sind denkbar. Bei der ersten Variante handelt es sich um eine turnusmäßige Personalentscheidung des Aufsichtsrats: Der Aufsichtsrat kann Vorstandsmitglieder gemäß § 84 Abs. 1 S. 3 AktG ein Jahr vor dem Ablauf ihrer Amtszeiten wiederholt bestellen oder die Amtszeit verlängern – vorausgesetzt, dass die gesetzlich zulässige Höchstdauer der gesamten Amtszeit nicht überschritten wird. Diese Variante wird nur dann in Betracht kommen, wenn das Übernahmeangebot zufällig in den Zeitraum fällt, in dem eine wiederholte Bestellung oder die Amtszeitverlängerung eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder nach Maßgabe des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG zulässig ist. Der Aufsichtsrat, der entschlossen ist, die Kontrollübernahme zu erschweren, wird jedoch auch dann über eine Amtszeitverlängerung der Vorstandsmitglieder vor Beginn der Jahresfrist des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG nachdenken. Im Schrifttum wird die Frage kontrovers diskutiert, ob die Verlängerung der Amtszeit von Vorstandsmitgliedern zulässig ist, wenn sie mehr als ein Jahr vor Ablauf der Amtszeit erfolgt. Teile des Schrifttums halten eine Neubestellung zu einem Zeitpunkt, der mehr als ein Jahr vor Ablauf der laufenden Amtszeit liegt, für unzulässig.309 Der Wortlaut des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG spreche sich zwar nicht ausdrücklich gegen die Aufhebung der bisherigen Bestellung unter gleichzeitiger Neubestellung aus. Auch könne eine Auslegung, die sich an den Gesetzesmaterialien orientiert, für die Begründung der Unzulässigkeit einer 307 H. Krause, AG 2002, 133, 142; derselbe/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 271; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 177. 308 Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1389, weist darauf hin, dass bei bedeutenden Transaktionen die Höhe von Abfindungen für den Bieter kaum ins Gewicht fallen wird. 309 Mertens, in: KK-AktG, § 84, Rn. 18; Götz, AG 2002, 305 306 ff.; Hefermehl/ Spindler, in: MünchKomm AktG, § 84, Rn. 36; Nirk, Hdb AG, Loseblatt, Teil I, Rn. 623; kritisch auch Hüffer, Aktiengesetz, § 84, Rn. 7; ebenso Peltzer, NZG 2002, 10, 596.
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vorzeitigen Amtszeitverlängerung nicht ins Feld geführt werden.310 Es stünde allerdings der Fall einer Gesetzesumgehung in Rede, der die Rechtsordnung die Geltung versagen müsse. Durch eine vorzeitige Amtszeitverlängerung würde einem künftig personell veränderten Aufsichtsrat Personal aufgedrängt, was eine kooperative Zusammenarbeit erschwere.311 Wollte man eine vorzeitige Neubestellung von Aufsichtsratsmitgliedern ermöglichen, öffne man damit einer turnusmäßigen, jährlichen Verlängerungsentscheidung die Türe. Damit verlöre die Entscheidung über die Bestellung der Vorstandsmitglieder an Tragweite, da sich die Entscheidung auf kürzere Etappen bezöge.312 Die frühzeitige Verlängerung der Bestellung zum Vorstandsmitglied führe überdies dazu, dass die Arbeit der Geschäftsleiter nur anhand eines verkürzten Zeitraums beurteilt werden könne, dem Vorstandsmitglied demnach keine Schonfrist eingeräumt werde. Einer Wiederbestellung vor Ablauf der Jahresfrist des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG hafte überdies ein fahler Beigeschmack an: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die vorzeitige Amtszeitverlängerung der Absicherung des Vorstandsmitglieds dient, falls dieses vor Ende der verlängerten Amtszeit seinen Hut nimmt, zumal sich die Höhe einer späteren Abfindung nach der restlichen Amtszeit richtet.313 Einer anderen Ansicht zufolge scheitere eine vorauseilende Bestätigung des Vorstandsmitglieds in seiner Funktion schon an der Möglichkeit, die bisherige Bestellung wirksam aufzuheben.314 Eine einvernehmliche Beendigung der Organstellung sei nicht wirksam, wenn sie mit der Wiederbestellung als Vorstandsmitglied verknüpft ist. Denn eine wirksame Neubestellung sei für das Vorstandsmitglied Geschäftsgrundlage für die notwendigerweise vorangehende einvernehmliche Aufhebung der bisherigen Bestellung. Daher stünde dem Vorstandsmitglied ein Rücktrittsrecht für den Fall des Fehlschlagens der Wiederbestellung zu. Eine mit einem Rücktrittsrecht belastete einvernehmliche Aufhebung der Organstellung genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen.315 Im Gegensatz zu diesen beiden Begründungssträngen steht die h. M. Ihr zufolge ist es dem Aufsichtsrat unbenommen, Vorstandsmitglieder vor Ablauf der Bestellfrist von fünf Jahren jederzeit abzuberufen und neu zu bestellen.316 Die mit dem AktG 1965 eingeführte Vorschrift des § 84 310
Lüttmann, Kontrollwechsel bei Kapitalgesellschaften, S. 150. Mertens, in: KK-AktG, § 84, Rn. 18; Lüttmann, Kontrollwechsel bei Kapitalgesellschaften, S. 150. 312 Mertens, in: KK-AktG, § 84, Rn. 18; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 4, Rn. 43. 313 Götz, AG 2002, 305, 307, möchte bei einer vorzeitigen Wiederbestellung nur die ursprüngliche Amtszeit bei der Bemessung einer Abfindung berücksichtigen. 314 Götz, AG 2002, 305, 306. 315 Götz, AG 2002, 305, 306. 311
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Abs. 1 S. 3 AktG wolle nicht eine Mindestdauer der Amtszeit von Vorstandsmitgliedern vorschreiben, sondern lediglich eine Höchstdauer.317 Die Vorschrift wolle lediglich sicherstellen, dass der Aufsichtsrat spätestens nach fünfjähriger Amtszeit des Vorstandsmitglieds eine neue Entscheidung über die Personalsache trifft.318 Die Vorschrift möchte demgegenüber nicht verhindern, dass einem in seiner Zusammensetzung veränderten, künftigen Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder für eine volle Amtsperiode aufgezwungen werden. Die aktienrechtliche Organverfassung setze nicht voraus, dass ein neu besetzter Aufsichtsrat Gelegenheit haben muss, die Zusammensetzung des von ihm vorgefundenen Vorstands nach seinen Vorstellungen umzugestalten.319 Dasselbe gelte für die Dauer der Amtszeiten der Vorstandsmitglieder.320 Denn eine obligatorische Synchronisation der Amtszeiten von Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern ist dem deutschen Aktienrecht fremd.321 Daraus folgt zwingend, dass sich ein neuer Aufsichtsrat mit den vorgefundenen Vorstandsmitgliedern arrangieren muss, um eine gute Zusammenarbeit zu erreichen. Die Befürchtung, dass ein Aufsichtsrat bei einer jährlichen Neubestellung eines Vorstandsmitglieds auf fünf Jahre jeweils routinemäßig eine einjährige Amtszeitverlängerung vornehme und seine Bestellungsentscheidung als Routinehandlung betrachtet, sei zwar theoretisch vorstellbar. Dies werfe aber eher die Frage auf, ob das Unternehmen verantwortungsvoll geführt werde oder nicht, und beträfe nicht die aktienrechtliche Zulässigkeit einer Wiederbestellung unter Aufhebung der bisherigen Bestellung.322 Zu Recht wird im Schrifttum die These zurückgewiesen, das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage stehe einer wirksamen vorzeitigen Abbestellung des jeweiligen Vorstandsmitglieds prinzipiell entgegen. Eine Störung der Geschäftsgrundlage führt nicht zu einer schwebenden oder gar endgültigen Unwirksamkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts.323 Überdies wird darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der Bestellung und die Neubestellung immer zusammenfallen werden. Auch das Bestehen der Gefahr, dass die Neubestellung des Vorstandsmitglieds instrumentalisiert wird, 316 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 84, Rn. 23; Willemer, AG 1977, 130, 132 f.; Werner, AG 1990, 1, 19; Wiesner, in: MünchHdb/AG, § 20, Rn. 32; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 358; Bauer/ Krets, DB 2003, 811, 817; Seibt, AG 2003, 465, 474 f.; Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kodex-Kommentar Rn. 950. 317 Willemer, AG 1977, 130, 132 f.; Krieger, Personalentscheidungen, S. 126. 318 Krieger, Personalentscheidungen, S. 126. 319 Werner, AG 1990, 1, 19. 320 Werner, AG 1990, 1, 19. 321 Willemer, AG 1977, 130, 133. 322 Ähnlich Hölters/Weber, AG 2005, 629, 631. 323 Hölters/Weber, AG 2005, 629, 631 f., heben das Erfordernis einer rechtsgestaltenden Erklärung hervor.
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um eine künftige Abfindung des Vorstandsmitglieds in die Höhe zu treiben, kann nicht gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer vorzeitigen Neubestellung angeführt werden. Das hieße ein Recht zu versagen, nur weil es missbraucht werden kann.324 Der DCGK hat zur Frage einer vorzeitigen Neubestellung in Nr. 5.1.2 Uabs. 2 S. 2 DCGK Stellung genommen. Danach soll die Wiederbestellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen. Damit wurde die prinzipielle Zulässigkeit dieser Vorgehensweise – wenn auch nicht durch einen Akt staatlicher Rechtssetzung325 – anerkannt.326 Mit der h. M., die auch von den Mitgliedern der Cromme-Kommission geteilt wird, ist daher von der aktienrechtlichen Zulässigkeit einer vorzeitigen Wiederbestellung durch Aufhebung der bisherigen Vorstandsbestellung unter gleichzeitiger Wiederbestellung auszugehen. Das von Nr. 5.1.2 Uabs. 2 S. 2 DCGK geforderte „Vorliegen besonderer Umstände“ für diese Vorgehensweise wurde bislang von den Vertretern der h. M. nicht für erforderlich gehalten. Auch die Literaturmeinung zur entsprechenden Kodex-Empfehlung hängt die Latte hierfür nicht sonderlich hoch. „Besonders“ sollen Umstände bereits dann sein, wenn sie irgendwie von dem regelmäßigen Verlauf der Amtszeit eines Vorstands abweichen.327 Als Beispiel eines solchen besonderen Umstands wird die Kontrollerlangung durch eine oder mehrere Personen im Sinne von § 29 WpÜG angesehen.328 Nach jüngeren Tendenzen im Schrifttum könne das Erfordernis der „besonderen Umstände“ in das allgemeine Aktienrecht transferiert werden. Indes sollen Normabweichungen und auch überraschende Entwicklungen nicht bereits als „besondere Umstände“ anerkannt werden. Das Vorliegen dieses Merkmals sei vielmehr nur bei bestimmten, eng gefassten Fallgruppen zu bejahen.329 Die Restriktionen, die der DCGK in Form von Empfehlungen primär börsennotierten Gesellschaften auferlegt330, sollten mit Behutsamkeit darauf hin überprüft werden, ob sie für 324
Hölters/Weber, AG 2005, 629, 631. Claussen/Bröcker, AG 2000, 481, 482 f.; Schneider/Strenger, AG 2000, 106, 109; Schneider, DB 2000, 2413, 2416; Hommelhoff, ZGR 2001, 238, 244 ff.; Kallmeyer, in: FS Peltzer (2001), S. 27 ff.; Lutter, ZGR 2001, 224, 237; Ulmer, ZHR 2002 (166), 150, 158 ff. 326 Hölters/Weber, AG 2005, 629, 630. 327 Seibt, AG 2003, 465, 474. 328 Seibt, AG 2003, 465, 474, der einen besonderen Umstand in diesem Falle ablehnen möchte, wenn die Personalmaßnahme gegen das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot verstößt; konsequenter erschiene es jedoch, das Vorliegen besonderer Umstände ohne diese Einschränkung zu bejahen, und insoweit eine Überlagerung des Aktienrechts durch § 33 WpÜG anzunehmen. 329 In diese Richtung offenbar: Leuchten, NZG 2005, 909, 911. 330 Siehe Nr. 1 a. E. DCGK 325
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das gesamte Aktienrecht sinnvoll sind. Mit Hinblick auf nicht börsennotierte Gesellschaften lässt die h. M., die auf das Erfordernis „besonderer Umstände“ verzichtet, dem Aufsichtsrat einen größeren Handlungsspielraum bei der Gestaltung seiner Personalpolitik. Für börsennotierte Gesellschaften erzeugt die Mitteilungspflicht nach § 161 AktG bei einem Abweichen von der Empfehlung nach Nr. 5.1.2 DCGK hinreichenden Druck auf den Aufsichtsrat. Daher ist davon auszugehen, dass das Vorliegen besonderer Umstände für eine zulässige vorzeitige Amtszeitverlängerung von Vorstandsmitgliedern nicht gegeben sein muss. Unabhängig von der Geltung eines aktienrechtlichen Neutralitätsgebots muss der Aufsichtsrat bei seiner unternehmerischen Ermessensentscheidung vernünftigerweise annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, § 116 Abs. 1 S. 1 AktG i. V. m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.331 Wird die Abberufung und gleichzeitige Neubestellung eines Vorstandsmitglieds instrumentalisiert, um eine künftige Abfindung des Vorstandsmitglieds künstlich in die Höhe zu treiben, liegt kein Handeln im Gesellschaftsinteresse vor, sondern ein Handeln im Privatinteresse des jeweiligen Vorstandsmitglieds.332 In diesem Fall ist die wiederholte Bestellung eines Vorstandsmitglieds – nichts anderes kann gelten für die erstmalige Bestellung eines neuen Vorstandsmitglieds, das mit der Geschäftspolitik des Bieters aller Voraussicht nach nicht konform gehen wird – auch unabhängig von einem aktienrechtlichen Neutralitätsgebot unzulässig. Durch die Brille des Strafrechts sieht Adams ein entsprechendes Aufsichtsratsverhalten sogar im „Dunstkreis der Untreue“.333 Steht jedoch nicht fest, dass die Personalentscheidung lediglich als Multiplikator einer künftigen Abfindungssumme pervertiert wird, hängt die Zulässigkeit der Maßnahme von der Geltung und Reichweite eines aktienrechtlichen Neutralitätsgebots ab. cc) Zwischenergebnis Die vorzeitige Verlängerung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat ist geeignet, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Sie kann die Abfindung in die Höhe treiben, die dem Vorstandsmitglied gewährt wird, um es nach dem Kontrollerwerb durch den Bieter zu einer vorzeitigen Niederlegung seines Amtes zu bewegen. 331
Siehe oben § 5 II.1.b)bb). Hölters/Weber, AG 2005, 629, 634; ebenso Leuchten, NZG 2005, 909, 911, der indes das Vorliegen eines besonderen Umstands und das Handeln im Gesellschaftsinteresse als sich wechselseitig beeinflussende Merkmale behandelt. 333 Adams, AG 1990, 243, 251. 332
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Die Verlängerung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds kann turnusmäßig erfolgen. Der Aufsichtsrat kann jedoch auch vor Beginn der Jahresfrist des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG das Vorstandsmitglied neu bestellen. Dies ist aktienrechtlich zulässig, auch ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssten. Der Aufsichtsrat darf die Amtszeitverlängerung indes nicht vornehmen, um künstlich die Höhe der künftigen Abfindung eines Vorstandsmitglieds in die Höhe zu schrauben. Dies würde sich – unabhängig von der Geltung eines besonderen aktienrechtlichen Pflichtenstandards in Übernahmeverfahren – als Handlung jenseits des Unternehmensinteresses darstellen. b) Staffelung der Amtszeiten der Vorstandsmitglieder (staggered board) Das Aktienrecht räumt dem Aufsichtsrat, wie gezeigt, Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung des Zeitraums der Organmitgliedschaft der einzelnen Vorstandsmitglieder ein. Üblicherweise werden die Amtszeiten aller Vertreter der Anteilseignerseite des Aufsichtsrats synchronisiert. Grundsätzlich muss der Bieter nach dem erfolgten Kontrollerwerb mit der personellen Umgestaltung das Ende der Amtszeit der amtierenden Vorstandsmitglieder abwarten, um über das Medium Aufsichtsrat auch das Leitungsorgan nach seinen Vorstellungen personell auszurichten. Bei synchronen Amtszeiten der Vorstandsmitglieder kann der Bieter – über den von ihm installierten Aufsichtsrat – den gesamten Vorstand en bloc auswechseln, ohne mit „Störfeuer“ von Vorstandsmitgliedern rechnen zu müssen, die noch der alten, die Übernahme ablehnenden Garde angehören. Der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft kann jedoch dergestalt auf die Amtszeiten der Vorstandsmitglieder gestaltenden Einfluss nehmen, dass diese nicht zeitgleich enden.334 Eine Fächerung des Wiederbestellzyklus der Vorstandsmitglieder hindert den Bieter daran, sofort die erlangte Kontrolle auszuüben.335 Bei versetzt ablaufenden Amtszeiten der Vorstandsmitglieder hat der Bieter mithin nicht die Möglichkeit, die Vorstandsmitglieder in toto auszutauschen.336 Eine solche Maßnahme ist geeignet, den Erfolg des Angebots im oben beschriebenen Sinne337 zu verhindern.338 Denn der Erwerber müsste erhebliche Verzögerungen bis zur Umstellung der Geschäftspolitik in Kauf nehmen.339 Ob diese Maßnahme des Aufsichtsrats zulässig ist, hängt daher von der Geltung 334
Weimar/Breuer, BB 1991, 2309, 2313. Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 63. 336 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 37. 337 Siehe § 5 I.2. 338 Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 96, 125. 339 Lüttmann, Kontrollwechsel bei Kapitalgesellschaften, S. 151. 335
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eines besonderen aktienrechtlichen Pflichtenstandards bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots ab. 2. Vergütungsentscheidungen a) Besondere Abfindungsversprechen für amtierende Vorstandsmitglieder („golden parachutes“) Nach vorherrschender Rechtsansicht kann eine ad hoc getroffene Abfindungsvereinbarung zwischen dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft und einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft geeignet sein, den Erfolg eines Übernahmeangebots zu verhindern. Dies wird angenommen, wenn dem Vorstandsmitglied eine Abfindungssumme für den Fall der regulären oder vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrags versprochen wird, nachdem der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots veröffentlicht hat.340 aa) Verhinderungswirkung Der Verhinderungscharakter dieser Maßnahme wird bejaht, weil sie die Übernahme für den Bieter verteuern kann. Überdies könne dem Bieter die Kündigung des Anstellungsvertrags mit dem betreffenden Vorstandsmitglied erschwert werden – und damit die Ausübung der durch das Übernahmeangebot erlangten Kontrollmacht.341 Denn der Bieter könne sich aufgrund des Abfindungsanspruchs des Vorstandsmitglieds, der mit Kündigung des Anstellungsvertrags entsteht, gehindert sehen, den für die Kontrollausübung erforderlichen personellen Wechsel im Vorstand vorzunehmen. Es geht also nach den Vertretern dieser Ansicht um eine unzulässige Behinderung des künftigen Aufsichtsrats in seiner Entscheidung über die Abberufung (§ 84 Abs. 4 AktG), die Bestellung oder die Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs. 1 AktG).342 Die Vorschrift des § 84 AktG solle gewähr340 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 34; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 65 f.; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 59; derselbe, ZGR 2002, 623, 631; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 32; Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 146; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 116; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 125. 341 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 59; a. A. Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 117. 342 Mertens, in: KK-AktG, § 84, Rn. 106, 109; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 143; Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 84; Michalski, AG 1997, 152, 160; Schwenni-
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leisten, dass der Aufsichtsrat in seiner Entschließungsfreiheit über die Neubestellung des Vorstands möglichst frei ist. Eine Abfindung, die ihrer Höhe nach darauf angelegt ist, eine Veränderung der Zusammensetzung des Vorstands zu verhindern, würde eine dem § 84 Abs. 1 AktG widersprechende Zwangslage schaffen.343 Eine solche Zwangslage kann für den Aufsichtsrat nach manchen Stimmen im Schrifttum erst eintreten, wenn die Abfindungshöhe eine bestimmte Dimension erreicht. Wann aber kann von einer so hohen Abfindung ausgegangen werden, dass ihr eine Verhinderungswirkung zukommt? Mehrere Stimmen im Schrifttum stellen auf den Maßstab des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG ab. Nach dieser Ansicht sind Abfindungen, die „angemessen“ i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG erscheinen, ungeeignet, den Erfolg des Übernahmeangebots zu beeinträchtigen.344 Diese Ansicht blendet den Umstand weitgehend aus, dass die Abfindungsabrede in einen Zeitraum fällt, in dem ein Übernahmeangebot für die Zielgesellschaft im Raum steht und eine Auswechslung der Vorstandsmitglieder oftmals mit Händen zu greifen ist. Weitgehend zum gleichen Ergebnis kommen diejenigen Autoren, die für die Verhinderungseignung der Abfindungsvereinbarung nicht unmittelbar auf den Maßstab des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG abstellen, sondern auf deren „Sanktionscharakter“.345 Es handelt sich um Abfindungen, die so hoch sind, dass sie die Kontrollausübung für den Bieter spürbar verteuern. Parallel zur Verhinderungswirkung ergäbe sich die Unzulässigkeit entsprechender Abfindungen meist aus § 87 Abs. 1 S. 1 AktG, weil diese i. d. R. nicht angemessen wären.346 Nach dieser Ansicht könnte auch eine Abfindungsregelung den Erfolg des Übernahmeangebots gefährden, wenn sie eine Abfindung vorsieht, die nach §§ 86, 87 AktG gerade noch zulässig ist.347 cke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 34; Lohrer, Unternehmenskontrolle und Übernahmerecht, S. 225; Martens, ZHR 2005, 124, 140. 343 Peltzer, in: FS Zimmerer (1986), S. 271, 282 f.; derselbe, ZfK 1986, 291, 295; derselbe, ZfK 1988, 577, 582; derselbe, ZIP 1989, 69, 74; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 143; Mertens, in: KK-AktG, § 84, Rn. 9, 11; Lüttmann, Kontrollwechsel bei Kapitalgesellschaften, S. 169. 344 Dreher, AG 2002, 214, 217; etwas abgeschwächter: Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 116, nach dem „in der Regel“ die Angemessenheit i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG die Verhinderungseignung entfallen lässt; ebenso Bayer, ZGR 2002, 588, 597; a. A. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 169, der für die pauschale Abgeltung von Ansprüchen nicht § 87 Abs. 1 S. 1 AktG heranziehen möchte, sondern auf den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab nach §§ 116, 93 AktG. 345 Michalski, AG 1997, 152, 160. 346 In diese Richtung: H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 116; wohl auch Schaefer/Eichner, NZG 2003, 150, 153; Schander, BB 1997, 1801, 1802.
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Schließlich wird im Schrifttum eine Verhinderungseignung von Abfindungsregelungen, die während eines Übernahmeverfahrens vereinbart oder zugesagt werden, auch unabhängig von der Höhe der Abfindung bejaht.348 Grund hierfür sei die Verteuerung der Übernahme für den Bieter, die mit der Vergütungsregelung einhergehe. Die Ansichten, die eine bestimmte Größenordnung der Abfindungshöhe fordern, können nicht überzeugen. Diese Rechtsauffassung spricht im Ergebnis nur solchen Abfindungsvereinbarungen Verhinderungseignung zu, die ähnlich wirken, wie die im amerikanischen Rechtskreis praktizierte Übernahmeabwehr mittels sog. „golden parachutes“. Diese tragen ihren Namen zu Recht, da es dort in aller Regel um exorbitant hohe Abfindungen des Managements geht, um einer Übernahme die Attraktivität für den Bieter zu nehmen.349 Wer sich von den rechtstatsächlichen Gegebenheiten der US-amerikanischen Abwehrpraxis leiten lässt, kommt freilich schnell zu dem Ergebnis, dass Abfindungsvereinbarungen nach deutschem Recht wegen des Angemessenheitserfordernisses nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG überhaupt nicht möglich sind.350 Exorbitant hohe Abfindungen werden regelmäßig nicht angemessen sein. Soll die Meßlatte aber tatsächlich so hoch gehängt werden? Es sollte weniger der Versuch unternommen werden, die Fallgruppe der „golden parachutes“ Eins-zu-Eins ins deutsche Recht zu kopieren. Auch ein „silberner“ Fallschirm, d.h. eine Abfindung, die nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG noch nicht mit dem Verdikt der Unangemessenheit behaftet ist, kann die Übernahme für den Bieter eintrüben. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine solche Abfindung nicht einem einzelnen Vorstandsmitglied gewährt wird, sondern dem ganzen Kollegium. Dabei wird nicht übersehen, dass es durchaus Fälle gibt, in denen üppige Abfindungen dazu eingesetzt werden, die „feindliche“ Einstellung der Vorstandsmitglieder gegenüber dem Erwerbsangebot in eine freundliche zu verwandeln.351 Dabei handelt es sich aber richtigerweise nicht um einen Einwand, der sich gegen die Verhinderungswirkung von Abfindungsvereinbarungen richtet. Es geht dabei vielmehr um die Frage, ob der Bieter dem Management der Zielgesellschaft 347
Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 30 Fn. 17. So offenbar Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 32, die eine Ausnahme nach § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG für möglich hält, sich dabei aber wohl nur auf ein Handeln des Vorstands bezieht. 349 Hauschka/Roth, AG 1988, 181, 192; Hens, Vorstandspflichten, S. 106 f.; Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143. 350 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 85; Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143. 351 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 117; Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 151, greift den plakativen Satz auf, „die Feindlichkeit oder Freundlichkeit einer Übernahme sei in erster Linie eine Frage der Versorgung des Managements“. 348
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vom Wortlaut des § 33 d WpÜG n. F. nicht erfasste mittelbare Vorteile gewähren darf, um ihren Widerstand gegen den Takeover zu brechen.352 bb) Aktienrechtliche Voraussetzungen Auf das aktienrechtliche Erfordernis nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG der Angemessenheit der Vergütung wurde bereits oben353 hingewiesen.354 Daher sind „Golden Parachutes“ im Sinne exorbitanter Abfindungen an Vorstandsmitglieder unzulässig. Davon abgesehen sind Abfindungsvereinbarungen im Grundsatz aktienrechtlich ohne weiteres zulässig, wenn sie für den Verzicht auf eine gesicherte Rechtsposition gewährt werden, wie etwa bei einer vorzeitigen Beendigung des Vorstandsamtes.355 Ein solcher Verzicht auf eine gesicherte Rechtsposition steht in Rede, wenn die kapitalisierten vertraglichen Ansprüche des Vorstandsmitglieds für die restliche Vertragslaufzeit pauschal abgegolten werden sollen, weil die Bestellung des Vorstandsmitglieds vorzeitig beendet werden soll, und eine vorzeitige Beendigung des Dienstvertrags durch Kündigung aus wichtigem Grund nicht in Betracht kommt.356 Eine pauschale Abgeltung von Ansprüchen des Geschäftsleiters ist auch dann möglich, wenn die Abfindung einen erheblichen Umfang aufweist, solange die Abfindung nicht insgesamt unangemessen erscheint.357 Klammert man ein etwaiges aktienrechtliches Neutralitätsgebot aus, so ist es nach allgemeinem Aktienrecht dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft unbenommen, auch während des Übernahmeverfahrens Abfindungen für amtierende Vorstandsmitglieder festzulegen, für den Fall einer vorzeitigen Beendigung der Organtätigkeit. Die Grenze wird erst bei unangemessen hohen Abfindungen erreicht.
352
Siehe hierzu: Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 148 f., 151. Siehe § 9 I.2.a)aa). 354 Zur Angemessenheit der Abfindung siehe: Fleischer, ZIP 2003, 1; eine generalisierende Aussage darüber, was angemessen ist, dürfte kaum aufzustellen sein, vgl. Kort, NJW 2005, 333, Hüffer, Aktiengesetz, § 87, Rn. 2; Lutter, ZIP 2006, 733. 355 Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 152; Lutter, ZIP 2006, 733, 737. 356 Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 168 f. 357 Siehe hierzu etwa Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 169, der eine Bemessung der Abfindung nach der vollen Höhe der für die restliche Vertragslaufzeit zu erwartenden Bezüge regelmäßig für pflichtwidrig hält; Thüsing, ZGR 2003, 457, 503 f.; Martens, ZHR 2005, 124, 136; Schwark, in: FS Raiser (2005), S. 388, 396; a. A. Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 100 f., halten eine Abfindung, die erst bei Vertragsaufhebung festgesetzt wird, für „unproblematisch“, selbst wenn sie erheblich über eine Kapitalisierung der verbleibenden Vertragslaufzeit hinausgeht; ähnlich Zöllner, in: FS Koppensteiner (2001), S. 291, 304. 353
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cc) Zwischenergebnis Besondere Abfindungsversprechen des Aufsichtsrats gegenüber einem Vorstandsmitglied während eines laufenden Übernahmeverfahrens sind geeignet, den Erfolg des Angebots zu verhindern. Hierzu bedarf es nicht exorbitant hoher Abfindungen, also sog. „Golden Parachutes“. Ausreichend für die Annahme einer Verhinderungswirkung können vielmehr auch solche Abfindungen sein, die noch angemessen i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG sind. Ohne Ansehung eines etwaigen aktienrechtlichen Neutralitätsgebots für den Aufsichtsrats ist aktienrechtlich nur eine Abfindungen unzulässig, die unangemessen i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG ist. b) Zusage von Sonderzahlungen aa) Verhinderungswirkung Die Festsetzung einer Sonderzahlung für ein Vorstandsmitglied während eines laufenden Übernahmeverfahrens ist geeignet, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern, weil sie die Übernahme für den Bieter verteuern kann.358 Dies gilt, entsprechend dem oben Gesagten359, nicht nur für exorbitant hohe Sonderzahlungen, die den Bieter abschrecken sollen. Verhinderungsgeeignet sind auch Prämien, die das Vorstandsmitglied absichern oder eine unvoreingenommene Einstellung des Vorstandsmitglieds zum Angebot ermöglichen sollen. Denn nach Zielsetzung und Höhe kann solchen Zahlungen Abwehrcharakter beigemessen werden.360 Damit kommen insbesondere Zuwendungen aufgrund sog. „Change of Control“-Klauseln Verhinderungswirkung zu.361 Gemeint sind Leistungszusagen an Vorstandsmitglieder für den Fall, dass ein Übernahmeangebot erfolgreich ist.362
358
Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 32. Siehe § 9 I.2.a). 360 Dreher, JZ 1990, 896, 215; Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 156. 361 Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 59; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 171; H. Krause, AG 2002, 133, 143; Dreher, AG 2002, 214 ff. 362 Spindler, ZIP 2006, 349, 354; Mielke/Nguyen-Viet, DB 2004, 2515, 2516; H. Krause, AG 2002, 133; Dreher, AG 2002, 214. 359
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bb) Aktienrechtliche Zulässigkeit (1) Rechtsgrundlage für Sonderzahlungen (a) Ursprünglicher Dienstvertrag Aktienrechtlich sind Sonderzahlungen an Vorstandsmitglieder jedenfalls insoweit zulässig, als der zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied abgeschlossene Dienstvertrag eine solche Prämie als variablen Bestandteil der Vergütung vorsieht.363 Insbesondere kann der Dienstvertrag nach h. M. eine nachträgliche Prämie in Form einer Ermessenstantieme vorsehen.364 Bei solchen nachträglichen Prämien kann die Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe die Sonderzahlung erfolgt, vollständig in das Ermessen des Aufsichtsrats gelegt sein.365 Der weite Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Aufsichtsrats wird durch § 87 Abs. 1 S. 1 AktG nur insoweit eingeschränkt, als die Sonderzahlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben366 des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen muss.367 § 87 Abs. 1 S. 1 AktG enthält damit den Maßstab für jede Form der finanziellen Zuwendung an das Vorstandsmitglied, die mit Rücksicht auf die Tätigkeit für die Gesellschaft gewährt wird.368 (b) Rechtsgrundlagen außerhalb des ursprünglichen Dienstvertrags Besonderes Augenmerk ist auf die Zusage bzw. Gewährung von Sonderzahlungen an Vorstandsmitglieder zu richten, wenn der zugrunde liegende Dienstvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsleiter die Gewährung einer Prämienzahlung nicht vorsieht. Es handelt sich hierbei um die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit sog. freiwilliger nachträglicher Anerkennungsprämien, also auf „freiwilliger Grundlage“369 gewährter Zah363 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 336 f. = NJW 2006, 522 = ZIP 2006, 72 = AG 2006, 110 = NZG 2006, 141 – „Mannesmann/Vodafone“. 364 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 336 f. 365 Fonk, in: Semler, Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, Rn. I 122; im Ergebnis auch Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 87, Rn. 15; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 799; Wollburg, ZIP 2004, 655, 652; a. A. Martens, ZHR 2005, 124, 133, der in Anerkennungsprämien eine unzulässige doppelte Vergütung sieht und einen mittelbaren Einfluss des Aufsichtsrats auf die Geschäftsleitung befürchtet. 366 Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 158 f., hebt hervor, dass „Aufgaben“ i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG die Leistungen des Vorstandsmitglieds mit einschließt. 367 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 340; Wollburg, ZIP 2004, 655, 652. 368 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 87, Rn. 4.; Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 99.
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lungen und nicht auf Grundlage des Dienstvertrages („Apreciation Awards“). Die spektakuläre Übernahme der Mannesmann AG durch die britische Vodafone Airtouch plc. im Frühjahr 2000 hat diese Fragestellung nicht nur zum Gegenstand intensiver juristischer Auseinandersetzungen im Schrifttum gemacht, sondern sie auch ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt.370 Die öffentliche Debatte griff über auf die Frage der Angemessenheit der Vergütungen, die deutschen Spitzenmanagern gewährt werden, und schlug sich in gesetzgeberischer Aktivität nieder.371 Mit der Schaffung des Gesetzes über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen372 ist der Gesetzgeber einer seit Jahrzehnten stetig erhobenen Forderung373 nachgekommen, nämlich einer Pflicht zur Veröffentlichung der Bezüge der Vorstandsgehälter. Flankiert wurde diese Entwicklung durch die Schaffung des DCGK, der sich dieser Frage ebenfalls annahm. Eine Ansicht im Schrifttum hält freiwillige nachträgliche Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, deren Ausscheiden bevor steht, auf der Grundlage des § 612 BGB für zulässig, auch wenn der Dienstvertrag die Prämienzahlung nicht vorsieht.374 Die im Anstellungsvertrag fixierte Vergütung könne nicht als abschließend angesehen werden. Handlungen des Vorstands in Zusammenhang mit einer Übernahme der von ihm verwalteten Gesellschaft, gehörten nicht zu den generellen vom Vorstand geschuldeten Pflichten.375 Überobligationsmäßige Leistungen des Vorstandsmitglieds in Form einer Vorbereitung, Erleichterung oder Abwehr des Übernahmeangebots könnten als Sonderleistung angesehen werden, die auch gesondert zu vergüten sei. Evident sei die Mehrarbeit, wenn ein Vorstandsmitglied im Zuge eines Übernahmekampfs zusätzlich zum Tagesgeschäft Zeit und Energie in erheblichem Umfang aufwende, um ein feindliches Übernahmeangebot abzuwehren. Dies gelte umso mehr, als sich der Einsatz gegen ein nicht unterstütztes Übernahmeangebot auch in einem steigenden Kurs der Aktien der Zielgesellschaft niederschlagen könne.376 Auch ein Handeln bei unsicherer Rechtslage im Kontext eines Übernahmeverfahrens spräche für außergewöhnliche Leistungen.377 § 612 BGB sei über seinen Wortlaut hinaus daher nicht nur dann anzuwenden, wenn überhaupt keine Vergütung vereinbart ist, sondern auch dann, wenn Mehrleistungen anfallen, die über die vertragliche 369 370 371 372 373 374 375 376 377
Wollburg, ZIP 2004, 655, 653. Martens, ZHR 2005, 124. Spindler, ZIP 2006, 349. BGBl. Teil I 2005, 2267. Siehe etwa Lehmann, in: Verhandlungen des 34. DJT (1926), S. 302. Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97 ff. Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 98. Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 99. Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 98.
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Umschreibung hinausgehen.378 Zulässig sollen nach dieser Ansicht auch Zahlungen an Vorstandsmitglieder sein, die nicht mehr im Amt sind.379 Die Auffassung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. Martens weist darauf hin, dass es der im Dienstvertrag getroffenen Risiko- und Lastenverteilung widerspräche, wenn vermeintlich überobligationsmäßige Leistungen gesondert zu vergüten wären.380 Besondere Anstrengungen zur Förderung oder Verhinderung des Erfolgs eines Übernahmeangebots wären von der vertraglichen Dienstverpflichtung ohne weiteres erfasst und durch die vertraglich vereinbarte Vergütung abgegolten. Zur Geschäftsleitung gehöre auch die Führung des Unternehmens, wenn dieses Objekt einer Übernahmebegierde geworden sei. Wer hierin eine außergewöhnliche Leistung erblicke, gehe beim Vorstandsmitglied vom Prototyp eines „Frühstücksdirektors aus, der sich jegliche Tätigkeit außerhalb dieser Frühstücksidylle entgelten lässt“.381 Auch Fastrich weist darauf hin, dass die Leitungsfunktion des Vorstands umfassend ist und sich nicht auf gewöhnliche Tätigkeiten beschränke.382 Daher wäre das Engagement des Vorstandsmitglieds in Zusammenhang mit einem Übernahmeverfahren durch die dienstvertragliche Vergütung abgegolten.383 Dem ist zuzustimmen. Sicherlich ist es für das Management der Zielgesellschaft kein alltägliches Ereignis, eine Gesellschaft zu leiten, die Ziel eines Übernahmeangebots ist. Die Vorstandsmitglieder handeln, wenn sie auf ein Übernahmeangebot reagieren, in Ausübung ihrer Stellung als Organmitglied. Für eben diese Tätigkeit ist im Dienstvertrag ein Entgelt vorgesehen, das das Vorstandsmitglied ausgehandelt hat. Es bedarf keiner ausführlichen Begründung, dass von einem Spitzenmanager unabhängig von der Lage der Gesellschaft nicht nur ein bloßer „Dienst nach Vorschrift“ verlangt werden kann. Wenn eine besondere Übernahmegefahr für das Unternehmen bei Abschluss des Dienstvertrags virulent ist, liegt es am Verhandlungsgeschick des Aspiranten, sich das Risiko einer etwaigen Mehrarbeit entgelten zu lassen. Dass die Wahrscheinlichkeit, Ziel eines Übernahmeversuchs zu werden, für Gesellschaften ab einer bestimmten Größenordnung nicht utopisch ist, zeigt sich daran, dass in den Schubladen der Unternehmenslenker oftmals gründlich vorbereitete „Defence Manuals“ liegen – Bedienungsanleitungen für die Reaktion auf Übernahmeversuche.384 Dass die rechtlichen 378
Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97. Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 99. 380 Martens, ZHR 2005, 124, 131. 381 Martens, ZHR 2005, 124, 132. 382 Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 159 f. 383 Fastrich, in: FS Heldrich (2005), S. 143, 160. 384 Zur Illustration siehe etwa Handelsblatt, 7. Februar 2006, Nr. 26/2006, S. 27, „Das große Fressen“. 379
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Pflichten des Managements bei feindlichen Übernahmeangeboten oder in anderen Situationen nicht abschließend geklärt sind, und die Rechtmäßigkeit von Vorstandshandeln daher mit Unsicherheiten behaftet sein kann, streitet ebenfalls nicht für einen Anspruch auf einen obligatorischen Vergütungszuschlag. Rechtstreue wird vom Vorstand als Organpflicht verlangt und ist insoweit mitvergütet. Bei unklarer Rechtslage steht es dem Organmitglied offen, qualifizierten Rechtsrat auf Kosten der Gesellschaft einzuholen. Schließlich können die persönlichen, finanziellen Risiken für den Geschäftsleiter, wenn er sich auf juristisch unausgekundschaftetem Terrain bewegt, versichert werden durch übliche D&O-Policen.385 Andere Stimmen im Schrifttum wollen als Rechtsgrund für dienstvertraglich nicht vorgesehene, nachträgliche Sonderzahlungen nicht auf § 612 BGB abstellen, sondern auf den Dienstvertrag, der durch Gewährung und Entgegennahme der nachträglichen Prämie wirksam geändert werde.386 Bei den Anstellungsverträgen, die zwischen der Gesellschaft, vertreten durch ihren Aufsichtsrat, und dem Vorstandsmitglied getroffen werden, handle es sich um ein vertragliches Schuldverhältnis ohne grundsätzliche Besonderheiten. Damit sei auch ein Änderungsvertrag nach Maßgabe des § 311 Abs. 1, 2. Fall BGB möglich.387 Erforderlich sei ein Beschluss des Aufsichtsrats oder eines seiner Ausschüsse.388 Die privatautonome Möglichkeit einer nachträglichen Änderung des Anstellungsvertrags wird man im Ausgangspunkt ohne weiteres als gegeben ansehen müssen. Dies gilt für alle Kautelen des Anstellungsvertrags, eine Sonderbehandlung im Sinne einer Veränderungssperre für Vergütungsabreden lässt sich nicht herleiten. Entsprechend den Regeln des allgemeinen Schuldrechts müssen die Vertragsparteien, wenn sie dies wollen, eine einmal getroffene Regel modifizieren können. Daher wird man richtigerweise davon auszugehen haben, dass der Aufsichtsrat einem Vorstandsmitglied eine Prämie zusprechen kann, die im ursprünglichen Dienstvertrag nicht vorgesehen ist. Von dieser grundsätzlichen Zulässigkeit einer nachträglichen Abänderung des Anstellungsvertrags zu unterscheiden ist die Frage, ob die Zubilligung einer nachträglichen Anerkennungsprämie im Einzelfall mit 385 Hauschka, AG 2004, 461, 468; zu D&O-Versicherungen aus dem jüngeren Schrifttum siehe etwa: Nothoff, NJW 2003, 1350; Koch, GmbHR 2004, 18; derselbe, GmbHR 2004, 160; derselbe, GmbHR 2004, 288; Lange, ZIP 2004, 2221; derselbe, AG 2005, 453. 386 Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 1, 18 f.; Wollburg, ZIP 2004, 655, 654; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 120. 387 Baums, in: FS Clausen (1997), S. 3 15; Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 1, 18 f.; Spindler, ZIP 2006, 349, 351. 388 Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 1 19; Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 84, Rn. 48; Spindler, ZIP 2006, 349, 351.
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den Organpflichten des Aufsichtsrats in Einklang steht.389 Der BGH ist in seinem Mannesmann-Urteil ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass der Aufsichtsrat nicht von vornherein gehindert wäre, eine im Anstellungsvertrag nicht vorgesehene Sondervergütung nachträglich zu gewähren.390 Festgehalten werden kann, dass eine freiwillige nachträgliche Anerkennungsprämie für ein Vorstandsmitglied vom Aufsichtsrat beschlossen und der Anstellungsvertrag mit dem Geschäftsleiter insoweit abgeändert werden kann. (2) Unternehmensinteresse Bei seinen Vergütungsentscheidungen muss der Aufsichtsrat im Unternehmensinteresse handeln. Dabei hat er im Ausgangspunkt einen weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum.391 Nach der Rechtsprechung des BGH ergeben sich Beschränkungen dieses Ermessensspielraums aus der Vermögensbetreuungspflicht des Aufsichtsrats. Die Bewilligung einer vertraglich nicht vorgesehenen Anerkennungsprämie sei daher nur dann zulässig, wenn der Gesellschaft gleichzeitig Vorteile zustatten kämen. Überdies müssten die mit der Sonderzuwendung verbundenen Vorteile in einem angemessenen Verhältnis zur Minderung des Gesellschaftsvermögens stehen, die mit der Prämienzahlung eintritt.392 Ein solcher Vorteil kommt nach Ansicht der Karlsruher Richter in Betracht, wenn von der Prämienzahlung eine positive Anreizwirkung auf das bedachte Vorstandsmitglied oder andere amtierende oder potentielle Führungskräfte der Gesellschaft ausgeht.393 Dagegen soll eine im ursprünglichen Dienstvertrag nicht vorgesehene Sonderzahlung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann, mangels Zuflusses eines Vorteils zur Gesellschaft unzulässig sein.394 Diese vom BGH geschaffene Figur der kompensationslosen Anerkennungsprämien ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. Es könne für die Zulässigkeit einer Sonderzuwendung mit rein belohnendem Charakter keinen Unterschied machen, ob die Prämie von vornherein im Dienstvertrag vorgesehen war oder nicht.395 Auch widerspräche es der Rechtsordnung, wenn 389 Martens, ZHR 2005, 124, 142; Wollburg, ZIP 2004, 655, 653 f.; Spindler, ZIP 2006, 349, 652. 390 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 337. 391 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 337; Kort, NJW 2005, 333 f. 392 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 337. 393 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 337. 394 BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 337. 395 Pelzer, ZIP 2006, 72, 207.
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eine Äquivalenzstörung in einer Austauschbeziehung nicht behoben werden könnte.396 Ein zukunftsbezogener Nutzen sei daher für die Zulässigkeit einer freiwilligen, nachträglichen Anerkennungsprämie nicht erforderlich.397 Zulässig sei nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG überdies die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung für eine in der Vergangenheit liegende, besonders erfolgreich gemeisterte Aufgabe.398 Da Leistungen aus der Vergangenheit belohnt werden, könne eine Zuwendung auch dann erfolgen, wenn das Ausscheiden des Vorstandsmitglieds absehbar oder sicher ist.399 Das Dienstvertragsrecht lasse Sonderzahlungen und Gratifikationen für besonderes Engagement ohne weiteres zu, wenn es sich beim Zuwendungsempfänger um einen Angestellten handelt. Der Wortlaut ergebe ein Verbot der Festsetzung von belohnenden Sonderzahlungen ebenso wenig wie der Gesetzeszweck und die Entstehungsgeschichte des § 87 Abs. 1 AktG.400 Diese Argumentation führt in die Irre. Richtig ist, dass sich eine Vergütungsentscheidung hinsichtlich der festgesetzten Vergütungshöhe an § 87 Abs. 1 S. 1 AktG messen lassen muss. Jenseits dieses Maßstabs muss der Aufsichtsrat darüber hinaus im Unternehmensinteresse handeln. Hat ein Vorstandsmitglied überdurchschnittliche Leistung erbracht, und sieht der mit ihm geschlossene Dienstvertrag die Möglichkeit einer Sonderzahlung nicht vor, so ist die Leistung abgegolten. Freilich besteht nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für zwei Vertragsparteien die Möglichkeit, vertragliche Übereinkünfte nachträglich zu ändern. Man greift aber zu kurz, wollte man daher auch eine nachträgliche Entgelterhöhung durch den Aufsichtsrat zulassen. Denn der Aufsichtsrat erbringt kein eigenes Vermögensopfer, wenn er das Entgelt eines Geschäftsleiters nachträglich anhebt, sondern er verfügt über fremdes, ihm anvertrautes Vermögen, nämlich das der Aktionäre. Wenn der Dienstverpflichtete aus dem Anstellungsvertrag nicht berechtigt ist, eine Sonderzahlung zu verlangen, ist es unwirtschaftlich, eine Prämie zu gewähren, wenn dies nicht aus anderen Gründen für eine gedeihliche Zukunft des Unternehmens sinnvoll ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wird ein Käufer dem Verkäufer nicht deswegen nachträglich einen Aufpreis zahlen, weil er mit dem erworbenen Produkt zufrieden ist. Mit der Rechtsprechung des BGH ist daher zu fordern, dass eine freiwillige Leistung an ein Vorstandsmitglied, auf die kein vertraglicher Anspruch besteht, auch für die Ge396
Pelzer, ZIP 2006, 72, 207. Pelzer, ZIP 2006, 72, 207 f. 398 Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 161; Kort, NJW 2005, 333, 335; Fonk, NZG 2005, 248, 252 (alle zum erstinstanzlichen Urteil des LG Düsseldorf, 22.7.2004, NZG 2004, 1057 = ZIP 2004, 2044 = NJW 2004, 3275 = DB 2004, 2464); siehe auch Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 1, 22. 399 Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 162. 400 Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 162. 397
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sellschaft einen Gewinn bringen muss. Dem BGH ist insoweit beizupflichten, als eine Anreizwirkung der Prämie auf den Zuwendungsempfänger einen Vorteil darstellt, wenn dieser seine Dienste weiterhin für das Unternehmen erbringt. Auch eine Signalwirkung der freiwilligen, nachträglichen Prämienzahlung für potentielle Führungskräfte soll nach der Rechtsprechung ein Vorteil sein, der eine Prämienzahlung ohne entsprechende Verpflichtung legitimiere.401 Dies wird man indes noch weiter fassen können: Ein Vorteil der Zuwendung kann schon dann gesehen werden, wenn das Unternehmen eine faire Unternehmenskultur nach außen dokumentiert und damit seine Außendarstellung sowohl bei gegenwärtigen und potenziellen Mitarbeitern, als auch bei Verbrauchern und Kunden aufwertet. Die Lebenswirklichkeit hat deutliches Anschauungsmaterial dafür geliefert, dass Sonderzahlungen, die aus Sicht der Öffentlichkeit unangemessen hoch sind, dem Ansehen des Unternehmens und seines Führungspersonals schaden können. Unverfänglich ist auch das Gegenargument, für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer solchen Zahlung könne es nicht darauf ankommen, ob eine Sonderzahlung im Anstellungsvertrag vorgesehen ist oder nicht. Denn ob eine Prämie zum Gegenstand einer vertraglichen Regelung wird oder nicht, beruht nicht auf Zufall,402 sondern auf den Einschätzungen der Vertragsparteien, die bei Vertragsschluss hinsichtlich des Marktwertes des Dienstverpflichteten, seinen Aufgaben und der Lage des Gesellschaft vorherrschten. Wenn sich die Vergütung des Vorstandsmitglieds nicht auf Sonderzahlungen erstreckt, hat es seine Dienste günstig, möglicherweise unter Wert, verkauft. c) Zwischenergebnis Der Aufsichtsrat nimmt eine Maßnahme mit Verhinderungseignung vor, wenn er während eines laufenden Übernahmeverfahrens eine Sonderzahlung für ein Vorstandsmitglied festsetzt. Rechtsgrundlage einer Sonderzahlung kann zum einen der ursprüngliche Dienstvertrag sein. Auch wenn dieser Dienstvertrag keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung enthält, kann der Aufsichtsrat sie dem Vorstandsmitglied nachträglich gewähren. Der Dienstvertrag kann insoweit ohne weiteres geändert werden. Davon losgelöst ist die Frage, ob der Aufsichtsrat bei der Zubilligung einer nachträglichen, freiwilligen Sonderzahlung pflichtwidrig handelt oder nicht. Aktienrechtlich sind – wenn man eine bestehende Übernahmesituation ausklammert – nachträgliche Sonderzuwendungen, für deren Leistung sich 401 402
BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331, 337. So aber Pelzer, ZIP 2006, 72, 207.
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im Dienstvertrag keine Stütze findet, zulässig, wenn die Prämienzahlung mit einem Vorteil für die Gesellschaft verbunden ist. Wenn man einen besonderen aktienrechtlichen Pflichtenstandard des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots bei der Betrachtung außen vor lässt, kann der Aufsichtsrat also während eines Übernahmekampfes im geschilderten Rahmen Zuwendungen an Vorstandsmitglieder tätigen, ohne dass hierfür eine Anspruchsgrundlage im ursprünglichen Dienstvertrag der Geschäftsleiter existieren müsste. 3. Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung von vinkulierten Aktien Hat eine Aktiengesellschaft Namensaktien gemäß § 10 Abs. 1 Alt. 2 AktG ausgegeben, kann durch Satzungsbestimmung die Übertragung dieser Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden. Die Zustimmung erteilt gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 AktG der Vorstand. Intern entscheidet der Aufsichtsrat über die Zustimmung zur Übertragung der Aktien, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist, § 68 Abs. 2 S. 3 AktG. a) Verhinderungseignung Die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien betrifft nach h. M. das dingliche Verfügungsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber.403 Durch die Zustimmungsverweigerung wird dem Bieter daher der Erwerb der vinkulierten Aktien unmöglich. Er kann die vinkulierten Aktien nicht erreichen. Damit liegt die erfolgsverhindernde Eignung der Zustimmungsverweigerung auf der Hand.404 b) Aktienrechtliche Zulässigkeit Nach h. M. entscheidet das Organ, das für die Entscheidung über die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien zuständig ist, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind die Gesellschaftsinteressen und das Inte403 Wirth, DB 1992, 618; Immenga, AG 1992, 81, 80; Klein, NJW 1997, 2085, 2087; Schanz, NZG 2000, 337, 341. 404 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 146; Knoll, Übernahme von Kapitalgesellschaften, S. 165; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 79; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 99; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 59; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 112; Röh, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 104.
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resse des übertragungswilligen Aktionärs abzuwägen und das Gleichbehandlungsgebot des § 53 a AktG zu beachten.405 Für eine Verweigerung der Zustimmung ist ein sachlicher Grund erforderlich.406 Die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien ist damit – blendet man den Kontext eines feindlichen Übernahmeversuchs aus – grundsätzlich zulässig. Börsenrechtliche Probleme der Zustimmungsverweigerung407 lassen die aktienrechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahme unberührt. 4. Vertretung des Vorstands (§ 112 AktG) Nach § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft für Rechtsgeschäfte aller Art.408 Welche Rechtsgeschäfte, die der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft mit einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern schließt, sind geeignet, den Erfolg eines Übernahmeangebots zu verhindern? In Betracht kommen solche Rechtsgeschäfte, deren Verhinderungseignung zu bejahen wäre, wenn sie zwischen dem Vorstand als Vertreter der Zielgesellschaft und einem Dritten vorgenommen würden. Weist etwa der Verkauf wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens oder eigener Aktien der Gesellschaft an einen Dritten die Eignung auf, den Angebotserfolg zu verhindern, so muss dasselbe gelten, wenn diese Vermögenswerte nicht an einen Dritten, sondern an ein oder mehrere Vorstandsmitglieder verkauf werden („Management Buy-Out“).409 5. Suche nach einem konkurrierenden Angebot Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot ist geeignet, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern.410 Fraglich ist jedoch, ob diese Suche nach einem sog. weißen Ritter zum Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats gezählt werden kann. Das Aktien405 BGH 1.12.1986, NJW 1987, 1019, 1020; Lutter, AG 1992, 362, 370 f.; Harrer/Grabowski, DStR 1992, 1327, 1327; Lutter, in: KK-AktG, § 68, Rn. 30; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 55; Bayer, in: MünchKomm AktG, § 68, Rn. 72; Hüffer, Aktiengesetz, § 68, Rn. 15; a. A. noch RG 31.3.1931, RGZ 132, 149, 154 ff. = JW 1931, 2951 – „Victoria Versicherungs-AG“ („freies Ermessen“). 406 Lutter, AG 1992, 362, 372 f.; Hüffer, Aktiengesetz, § 68, Rn. 15; aus der spärlichen Rechtsprechungspraxis: LG Aachen 19.5.1992, AG 1992, 410, 411 f. = WM 1992, 1485 = ZIP 1992, 924. 407 Siehe hierzu Wirth, DB 1992, 618, 619 f. 408 Siehe hierzu Rupietta, NZG 2007, 801 ff. 409 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33, Rn. 24. 410 Siehe oben § 9 I.5.
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recht trifft hierzu unmittelbar keine Aussage. Die Frage, ob auch der Aufsichtsrat nach einem konkurrierenden Angebot suchen darf, war bislang, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Die Leitung der Geschäftsführung wird durch § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand zugewiesen. Auch § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG bestimmt lediglich, dass der Vorstand die Fühler nach einem konkurrierenden Angebot ausstrecken darf. Jedenfalls im Stadium des RefE-WÜG geht der Gesetzgeber von einer Befugnis des Aufsichtsrats zur Suche nach einem konkurrierenden Angebot aus: Das im RegE-WÜG vorgesehene, an Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft adressierte Verhinderungsverbot sollte nach § 33 Abs. 1 S. 2 RefE-WÜG nicht für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot gelten. Zur Begründung dieses Ausnahmetatbestands führt die Begründung des RegE-WÜG aus, die Ausnahme solle es „Vorstand oder Aufsichtsrat“ ermöglichen, „durch Hinzuholen eines weiteren Bewerbers im Interesse aller Aktionäre für möglichst attraktive Angebotskonditionen zu sorgen“.411 § 33 a Abs. 2 S. 2 Nr. 4 WpÜG n. F. sieht ebenfalls für Vorstand und Aufsichtsrat gleichermaßen einen Ausnahmetatbestand zum Europäischen Verhinderungsverbot für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot vor. Fraglich ist, ob sich die Befugnis zur Initiativsuche nach einem konkurrierenden Angebot aus der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats herleiten lässt. Sieht man in der Suche nach einem konkurrierenden Angebot den Versuch, auf die künftige Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen, erscheint die Ableitung einer entsprechenden Befugnis aus der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats fraglich. Die Überwachungspflicht beschränkt sich zwar nicht auf eine nachträgliche Kontrolle der Geschäftsführung. Vielmehr umfasst sie auch die Mitwirkung an der Formulierung der wesentlichen Geschäftspolitik.412 Diese gestalterische Tätigkeit des Aufsichtsrats wird indes in erster Linie durch Beratung und Diskussion mit dem Vorstand verwirklicht. Mit der Ergreifung der Initiative zur Suche nach einem weißen Ritter wird der Bereich der Beratung des Vorstands verlassen, zumal sich die Tätigkeit des Aufsichtsrats nicht auf ein Verhalten des Vorstands bezieht, sondern gerade ohne Rücksicht hierauf entfaltet wird. Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot kann indes auch in Zusammenhang mit der Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 und Abs. 2 S. 4 WpÜG erblickt werden. Der Aufsichtsrat ist innerhalb dieser Ausnahmetatbestände zum Verhinderungsverbot berufen, eine eigene unternehmerische Entscheidung413 darüber zu treffen, ob die vom 411
BT-Drucks. 14/7034, S. 58. BGH 25.3.1991, BGHZ 114, 127, 129 = NJW 1991, 1830 f.; Boujong, AG 1995, 203; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24, Rn. 26. 413 Siehe oben § 5 II.1.b)bb) und § 5 II.2.b). 412
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Vorstand intendierten Abwehrmaßnahmen autorisiert werden oder nicht. Dabei hat der Aufsichtsrat gemäß §§ 93 Abs. 2 S. 2, 116 S. 1 AktG auf der Grundlage angemessener Information zu handeln. Ob das fragliche Angebot im Unternehmensinteresse liegt oder nicht, wird zum einen oftmals aus dem Angebot heraus beurteilt werden können, namentlich anhand der Angebotsunterlage. Darüber hinaus kann sich die Attraktivität des Angebots aber auch aus einem Vergleich zu einem konkurrierenden Angebot ergeben. Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot dient insoweit der Information des Aufsichtsrats über die Marktmäßigkeit der Konditionen des ersten Angebots. Im Sinne einer effizienten Kontrolle muss der Aufsichtsrat sich diese Informationen durch Gespräche mit potentiellen Bietern selbst verschaffen können, will er bei seiner Einschätzung nicht auf möglicherweise einseitiges Datenmaterial des Vorstands angewiesen sein.414 Dem entspricht Nr. 3.4 DCGK, wonach die ausreichende Informationsversorgung des Aufsichtsrats gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat ist. 6. Stellungnahme zum Übernahmeangebot a) Verhinderungseignung Durch die Abgabe einer Stellungnahme zum Übernahmeangebot – international als defence document bezeichnet415 – kann der Aufsichtsrat auf den Willensbildungsprozess der Aktionäre einwirken. Überzeugt eine ablehnende Stellungnahme zum Übernahmeangebot Teile des Aktionärspublikums, kann sie den Erfolg des Angebots verhindern, wenn eine Mehrzahl von Angebotsadressaten der Empfehlung des Managements Folge leistet und das Angebot nicht annimmt. b) Zulässigkeit Vor Inkrafttreten des WpÜG musste das allgemeine Aktienrecht nach der Zulässigkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum Übernahmeangebot befragt werden. Das aktienrechtliche Schrifttum ging ganz überwiegend davon aus, dass der Vorstand der Zielgesellschaft das Recht bzw. die Pflicht habe, zu dem Angebot Stellung zu nehmen.416 Hierdurch sollte das Informationsbedürfnis 414 Zu den Schwierigkeiten des Aufsichtsrats bei der Informationsbeschaffung siehe Schiessl, ZGR 2003, 814, 828 f. (betrifft die Informationsbeschaffung im Zusammenhang mit der nach § 27 WpÜG abzugebenden Stellungnahme des Aufsichtsrats zum Übernahmeangebot). 415 Hopt, in: FS Koppensteiner (2001), S. 61, 83.
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insbesondere der Angebotsadressaten befriedigt werden.417 Die Aktionäre der Zielgesellschaft sollten in die Lage versetzt werden, eine begründete Entscheidung über die Annahme des ihnen unterbreiteten Angebots zu treffen. Eine Stellungnahmepflicht des Aufsichtsrats wurde dagegen nach allgemeinem Aktienrecht nicht befürwortet.418 Mit Inkrafttreten des WpÜG wurde nicht nur für den Vorstand, sondern auch für den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft eine Pflicht zur Stellungnahme zum Angebot durch § 27 WpÜG festgeschrieben.419 An der Zulässigkeit dieser Maßnahme kann daher nicht mehr gezweifelt werden. 7. Zwischenergebnis Der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft kann im Rahmen der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung eine Reihe von Maßnahmen initiieren, die geeignet sind, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Diese Maßnahmen darf der Aufsichtsrat post bid, also auch während eines laufenden Übernahmeverfahrens, vornehmen, wenn man unterstellt, dass während dieses Zeitraums ein besonderer Pflichtenstandard für dieses Organ nicht eingreift. Zum einen kann der Aufsichtsrat das Übernahmeangebot durch Personalentscheidungen torpedieren. Zuvörderst ist hier die – auch vorzeitige – Verlängerung der Amtszeit amtierender Vorstandsmitglieder zu nennen. Überdies kann der Aufsichtsrat dem Übernehmer die spätere Kontrollausübung erschweren, indem er die Amtszeiten der Vorstandsmitglieder staffelt. Auch durch Entscheidungen, die die Vergütung von Vorstandsmitgliedern betreffen, kann der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft die Übernahme416 Grunewald, WM 1989, 1233, 1237; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1 104; Lammers, Verhaltenspflichten, S. 124; Weisser, Feindliche Übernahmeangebote, S. 202 f.; H. W. Busch, Notwendigkeit der spezialgesetzlichen Regelung von öffentlichen Übernahmeangeboten, S. 108 f.; Hopt, ZGR 1993, 534, 556; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 129; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1380; derselbe, in: Hommelhoff/ Hopt/Lutter (Hrsg.), S. 63; H. Krause, AG 2000, 217, 220; Mülbert, IStR 1999, 83, 88; gegen eine Pflicht zur Stellungnahme: van Aubel, Vorstandspflichten, S. 172. 417 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 103 f.; Hopt, ZGR 1993, 534, 556; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 129; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1380; Lammers, Verhaltenspflichten, S. 124; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262. 418 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 27, Rn. 5; Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1382; Horstmann, Arbeitsrechtliche Maßnahmen, S. 108. 419 Hirte, in: KK-WpÜG, § 27, Rn. 18, weist darauf hin, dass eigentlicher Adressat der Stellungnahmepflicht nach § 27 WpÜG die Zielgesellschaft ist.
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pläne des Bieters durchkreuzen. Dies betrifft zunächst die Bewilligung besonderer Abfindungen, die nach Maßgabe des § 87 AktG noch nicht als unangemessen anzusehen sind. Aber auch die Festsetzung von nach § 87 AktG noch zulässigen Sonderzahlungen an Vorstandsmitglieder kann die Übernahme für den Bieter erschweren. Dies gilt zum einen, wenn der zwischen der Zielgesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied geschlossene Dienstvertrag bereits einen Anspruch auf eine Sonderzahlung enthält, deren Höhe durch den Aufsichtsrat festzusetzen ist. Dasselbe gilt insbesondere aber auch, wenn der ursprüngliche Dienstvertrag einen solchen Anspruch nicht vorsieht. Im Fall einer solchen nachträglichen, freiwilligen Anerkennungsprämie muss der Aufsichtsrat jedoch die aktienrechtlichen Beschränkungen einhalten, die auch losgelöst von Übernahmekontexten gelten: Die Prämienzahlung muss mit einem Vorteil für die Gesellschaft verbunden sein. Ignoriert man besondere Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots, darf er auch während des Laufs eines Übernahmeverfahrens seine Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien verweigern, wenn er zur Entscheidung hierüber nach § 68 Abs. 2 S. 2 AktG berufen ist. Überdies kann der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Vertreter der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern Maßnahmen vornehmen, die geeignet sind, die erfolgreiche Beendigung des Übernahmeangebots zu verhindern. Dies betrifft den Abschluss von Rechtsgeschäften, die – würde sie das Vorstandsmitglied mit einem Dritten vornehmen – Verhinderungseignung aufweisen würden. Der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft kann sich ferner um ein konkurrierendes Angebot bemühen und dadurch letztlich den Erfolg des Übernahmeangebots gefährden. Die Kompetenz des Aufsichtsrats zu einer solchen aktiven Suche ergibt sich aus seiner Kontrollfunktion im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 und Abs. 2 S. 4 WpÜG. Schließlich muss der Aufsichtsrat nach § 27 Abs. 1 WpÜG zum Übernahmeangebot Stellung nehmen – auch wenn hierdurch der Erfolg des Angebots verhindert werden kann. II. Ansätze, die ein Neutralitätsgebot der Verwaltung ablehnen Die Auffassung, dass für die Organe der Zielgesellschaft aktienrechtlich ein besonderer Verhaltensstandard gelten müsse, wenn die Gesellschaft das Ziel eines Übernahmeangebots wird, wird im Schrifttum nicht einhellig geteilt.
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1. Ermessensentscheidung der Verwaltung über Abwehrmaßnahmen am Maßstab des Unternehmensinteresses Mehrere Autoren haben sich dagegen ausgesprochen, Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft darin zu beschränken, Maßnahmen gegen ein Übernahmeangebot zu ergreifen.420 Plakativ könnte man von der Anerkennung einer „Abwehrkompetenz“ der Verwaltung der Zielgesellschaft sprechen. Das Vorliegen eines Übernahmeangebots ändere nichts an der Zuständigkeitsordnung und den Organpflichten innerhalb der Aktiengesellschaft. Werner merkt im Gegenteil an, nach der gesetzgeberischen Wertung habe der Vorstand „die Primärkompetenz darüber zu entscheiden, ob es der Gesellschaft nützt oder schadet, wenn ein neuer Aktionär hinzutritt“421. Dieser Wille des Gesetzgebers manifestiere sich in den Vorschriften über die vinkulierte Namensaktie: Dort werde die Entscheidung über die Übertragung einer vinkulierten Namensaktie grundsätzlich in die Hände des Vorstands gelegt.422 Die Zusammensetzung des Aktionärskreises sei daher nicht ohne weiteres wertneutral, sie dürfe von der Verwaltung der Aktiengesellschaft beeinflusst werden, auch durch Abwehrmaßnahmen gegen ein als feindlich empfundenes Übernahmeangebot.423 Der Maßstab, den der Vorstand und der Aufsichtsrat bei der unternehmerischen Entscheidung über Abwehrmaßnahmen anzulegen hätten, sei derjenige, der auch sonst gelte: das Unternehmensinteresse. Die Verwaltung der Aktiengesellschaft habe bei der Entscheidung über Verteidigungsmaßnahmen daher nicht nur das Aktionärsinteresse zu beachten, sondern auch die Interessen der übrigen Stakeholder, namentlich die Interessen der Arbeitnehmer und der Gläubiger der Gesellschaft.424 Die Verselbständigung des Unternehmensinteresses komme an verschiedenen Stellen im Gesetz zum Ausdruck, z. B. bei der Gewinnverwendung (§ 58 AktG), der Unabhängigkeit der Verwaltung von der Hauptversammlung (§ 78 AktG), der Aktienvinkulierung (§ 68 Abs. 2 AktG), dem Institut von stimmrechtslosen Vorzugsaktien (§§ 12 Abs. 1 S. 2, 139 ff. AktG) oder dem der Genussrechte (§ 221 AktG).425 Geht man davon aus, dass der Vorstand und Aufsichtsrat bei ihren Entscheidungen die Interessen der Aktionäre und der Stakeholder berücksichtigen müssen, folgt die Frage nach der Gewichtung dieser Inte420
Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 16. Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 16. 422 Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 16. 423 Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 16. 424 Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 16; Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 207 f., bezieht auch Belange der Öffentlichkeit und der Umwelt mit ein. 425 Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 208 f. 421
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ressen auf dem Fuße. Aus dem Gesetz lasse sich kein Gebot ableiten, wie die verschiedenen, im Unternehmensinteresse enthaltenen Interessen zu gewichten seien.426 Erst recht – und hierin liegt eine der zentralen Thesen der Befürworter einer Abwehrkompetenz der Verwaltung – lasse sich kein allgemeiner Grundsatz aufstellen, wonach Interessenkonflikte immer ausschließlich zugunsten der Aktionäre und unter Hintanstellung des Unternehmens zu entscheiden wären.427 Uneingeschränkt übergeordnet wären Aktionärsinteressen nur dort, wo das Gesetz Investitions-, Desinvestitions- und Strukturentscheidungen in die Kompetenz der Hauptversammlung gelegt hat.428 Eine Priorität der Aktionärsinteressen lasse sich auch nicht aus der Treuhänderstellung bzw. treuhänderischen Bindung des Vorstands gegenüber den Aktionären herleiten. Bei wirtschaftlicher Betrachtung gehe die Verwaltung zwar mit dem Geld der Aktionäre um, aber in einer vom Gesetz institutionalisierten Weise, so dass ein Rückgriff auf die Figur der Treuhand nicht angebracht wäre. Außerdem wären der Verwaltung neben dem Geld der Aktionäre nicht weniger bedeutende Potenziale anvertraut, wie z. B. das Geld der Kreditgeber oder die Disposition über menschliche Arbeitskraft.429 Es sei also keineswegs der Fall, dass die Verwaltung der Zielgesellschaft ihre Entscheidungen ausschließlich an der Rentabilität der Unternehmung auszurichten habe. Zwar bestehe eine Rentabilitätsverpflichtung des Managements als ungeschriebene Unternehmenszielbestimmung der Aktiengesellschaft.430 Diese Unternehmenszielbestimmung werde jedoch vom Aktienrecht modifiziert, indem es neben den Interessen der Anteilseigner auch diejenigen des Unternehmens in Rechnung stelle. Dies komme etwa durch § 58 Abs. 2 AktG zum Ausdruck, wonach Vorstand und Aufsichtsrat andere Gewinnrücklagen beschließen können, also im Ergebnis die Höhe der an die Aktionäre auszuzahlenden Dividende verringern können, um das Kapital innerhalb der Gesellschaft einzusetzen.431 Müller möchte den Einwand relativieren, dass ein Maßstab für die Gewichtung von Stakeholder-Interessen neben den Shareholder-Interessen fehle. Auch wenn das Management nur die Interessen der Anteilseigner bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen habe, steht es nach Ansicht Müllers vor dem Problem, einzelne Interessen zu gewichten. Denn bei den Aktionären der Zielgesellschaft handle es sich 426
Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 16; Müller, in: FS Semler (1993), S. 190,
208. 427 428
Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 208 f. Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 24; Müller, in: FS Semler (1993), S. 190,
209. 429 430
Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 209. Wiedemann, Organverantwortung, S. 7; Müller, in: FS Semler (1993), S. 190,
208. 431
Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 208.
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in den meisten Fällen nicht um eine homogene Gruppe mit gleichgerichteten Interessen: Je nach Strategie des Anlegers erwarte dieser kurzfristig eine üppige Dividende oder aber die Verfolgung einer langfristigen Thesaurierungspolitik.432 Gerade wegen der regelmäßig divergierenden Aktionärsstrategien sei es sinnvoll, Vorstand und Aufsichtsrat auf die Unternehmensbzw. Gesellschaftsinteressen zu verpflichten.433 Ein weiteres Argument scheint vordergründig Effizienzgesichtspunkten zu dienen: Da Übernahmen nicht per se Wert steigernd oder schädlich für die Zielgesellschaft seien, bedürfe es einer Instanz, die Vorteile und Nachteile der Transaktion analysiere, um dann den Daumen über das Übernahmeangebot zu heben oder zu senken. Diese Instanz sollen nach Martens Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft sein, sie sollen über die Bedeutung einer konkret bevorstehenden Übernahme urteilen und anhand ihres Votums ein konkretes Handlungsprogramm entwickeln.434 Bei solchen Übernamen, die für die Zielgesellschaft schädlich seien, etwa weil der Übernehmer beabsichtige, die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen eigennützigen Zwecken zu unterwerfen, insbesondere zur Finanzierung des von ihm betriebenen Übernahmeverfahrens zu missbrauchen, müssten Vorstand und Aufsichtsrat die Möglichkeit haben, den Kontrollerwerb zu vereiteln. Es sei vorzugswürdig, eine die Zielgesellschaft schädigende Übernahme bereits im Vorfeld abzuwehren, anstelle den Vollzug der Übernahme und die sich anschließende Schädigung abzuwarten, um dann Rechtsschutz gegen die einzelne Schädigungshandlung zu suchen.435 Überdies gestatte das Aktienrecht Maßnahmen, die einseitig das Aktionärsinteresse begünstigen und aus der Sicht der Gesellschaft erhebliche Nachteile verursachen: Jegliche Desinvestition, insbesondere die Liquidation der gesamten Gesellschaft, entziehe sich einem spürbaren Rechtsschutz. Wegen des unzureichenden Rechtsschutzes der Aktionäre sei ein Interesse der Gesellschaft anzuerkennen, eine beabsichtigte Übernahme vorbeugend zu verhindern.436 Das Unternehmensinteresse könne es also erforderlich machen, Maßnahmen zu treffen, mit denen einem für die Gesellschaft schädlichen Kontrollwechsel vorgebeugt wird.437 Die feindlichen Übernahmen immanente Gefahr eines durch Eigeninteresse motivierten Handelns der Verwaltung der Zielgesellschaft wird weitgehend ausgeblendet, wenn man die Übernahmeabwehr in das pflicht432 433 434 435 436 437
Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 208. Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 208. Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 551. Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 550. Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 550. Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 16.
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gemäße Ermessen der Verwaltung stellt. Vorstand und Aufsichtsrat hätten bei der Entscheidung über Abwehrmaßnahmen zwar objektiv zu sein und müssten persönliche Belange hintanstellen.438 Abgesehen davon hätten sie die Entscheidung aber lediglich „im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht“439 zu fällen, d.h. im Ergebnis wird damit einem „erheblichen Ermessensspielraum“440 der Verwaltung bei der Entscheidung über Abwehrmaßnahmen das Wort geredet. 2. Qualifizierte business judgement rule Kirchner hält eine qualifizierte business judgement rule für sinnvoll.441 Dabei hat der Vorstand zum einen den Interessen der Anteilseigner Rechnung zu tragen. Das Interesse der Anteilseigner geht dahin, dass nur solche Abwehrmaßnahmen ergriffen werden, die zu einer Steigerung des Unternehmenswerts führen.442 Zum anderen hat der Vorstand im Rahmen der von Kirchner proklamierten qualifizierten business judgement rule die Stakeholder-Interessen zu berücksichtigen.443 Eine Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen durch den Vorstand sei nach Ansicht Kirchners geboten, weil das feindliche Übernahmeangebot auch die Interessen der Arbeitnehmer und Gläubiger der Zielgesellschaft betrifft und deswegen – in der Terminologie der neuen Institutionenökonomik – ein Prinzipal-Agent-Verhältnis nicht nur zwischen Vorstand und Anteilseignern, sondern auch zwischen Vorstand und Stakeholdern vorläge.444 Die Stakeholder-Interessen müssten auch deswegen in die Entscheidung des Vorstands über Abwehrmaßnahmen mit einfließen, weil der Vorstand der Zielgesellschaft auch bei einem freundlichen Übernahmeangebot die Stakeholder-Interessen zu berücksichtigen habe. Es sei insoweit nicht gerechtfertigt, freundliche und feindliche Übernahmeangebote unterschiedlich zu behandeln.445 Auch sei eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle durch eine Ungleichbehandlung von freundlichen und feindlichen Übernahmeangeboten nicht nachgewiesen.446 Bei einem Konflikt von Anteilseigner438
Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 30. Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 30. 440 So ausdrücklich Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 212. 441 Kirchner, AG 1999, 481, 489 f.; derselbe, WM 2000, 1821, 1824 ff. 442 Kirchner, WM 2000, 1821, 1826. 443 Kirchner, AG 1999, 481, 489; derselbe, WM 2000, 1821, 1824 f. 444 Kirchner, AG 1999, 481, 484; derselbe, WM 2000, 1821, 1824 f. 445 Kirchner, AG 1999, 481, 486 f. („positive Diskriminierung feindlicher Übernahmen gegenüber anderen Übernahmen“); siehe auch derselbe, WM 2000, 1821, 1826 f. 446 Kirchner, AG 1999, 481, 488. 439
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interessen und Stakeholder-Interessen sei, so Kirchner, den Anteilseignerinteressen der Vorrang einzuräumen.447 Vorrangig seien die Anteilseignerinteressen im Zweifel deswegen, weil die Aktionäre das finanzielle Unternehmensrisiko tragen und ihre Interessen ausschließlich durch die Regelungen des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts abgesichert sind.448 Kirchner erkennt, dass es schwierig ist, Entscheidungen des Vorstands der Zielgesellschaft über Abwehrmaßnahmen zu kontrollieren, wenn der Vorstand sowohl die Interessen der Anteilseigner, als auch der Stakeholder zu berücksichtigen habe oder – in der Begrifflichkeit der Prinzipal-AgentTheorie – er als Agent für zwei Prinzipale gleichzeitig tätig wird: Denn der Vorstand könne eigene Interessen wahrnehmen und vorgeben, er handle nicht eigennützig, sondern tariere die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Gruppen von Prinzipalen aus.449 Dieses Problem einer effektiven Kontrolle des Vorstandes möchte Kirchner durch eine Zuteilung der Darlegungslast lösen: Der Vorstand müsse konkret für die beabsichtigten Abwehrpläne darlegen, wie durch die Abwehrmaßnahmen der Unternehmenswert betroffen wird und wie die Stakeholder-Interessen geschützt werden.450 Hiernach darf der Vorstand Abwehrmaßnahmen ergreifen und dadurch tatsächlich die Verkaufschance der veräußerungswilligen Aktionäre der Zielgesellschaft beeinträchtigen, wenn dadurch die Stakeholder-Interessen gewahrt würden.451 Dies entspräche, so Kirchner, „der beabsichtigten Wirkung für den Kapitalmarkt“452, nämlich Verzerrungen zu verhindern, die entstünden, wenn man Stakeholder-Interessen nur bei freundlichen, nicht auch bei feindlichen Übernahmen in Ansatz stellen würde.453 3. Stellungnahme Es wird den berechtigten Interessen der Aktionäre nicht gerecht, wenn die Entscheidung über die Einleitung von Abwehrmaßnahmen in den Händen der Verwaltungsmitglieder liegt. Diese vertrauen dem Management einen Teil ihres Vermögens an, das es in einer durch das Aktienrecht institutionalisierten Weise verwaltet. Werden die Aktien der Gesellschaft Ziel eines Übernahmeangebots, besteht typischerweise die Gefahr, dass die Verwaltung das Gesellschaftsvermögen gegen seine wirtschaftlichen Inha447 448 449 450 451 452 453
Kirchner, Kirchner, Kirchner, Kirchner, Kirchner, Kirchner, Kirchner,
WM 2000, 1821, 1824. WM 2000, 1821, 1824. AG 1999, 481, 484. AG 1999, 481, 489. AG 1999, 481, 490. AG 1999, 481, 490. AG 1999, 481, 490.
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ber, die Aktionäre, richtet: Ein den Aktionären angetragenes Angebot zum Erwerb ihrer Aktien an der Zielgesellschaft droht aus möglicherweise egoistischen Motiven des Managements zu Fall zu kommen. Richtigerweise geht es nicht bloß um die Frage, welche Interessen in das Unternehmensinteresse einfließen und wie das Verhältnis der Interessen zueinander gewichtet wird. Es geht um die Frage, inwieweit die Verwaltung ihre Stellung und ihre Einflussmöglichkeiten dazu einsetzen darf, um den wirtschaftlichen Handlungsspielraum ihrer Prinzipale – nämlich der Aktionäre – dahingehend einzuengen, dass diese darin behindert werden, ihre Aktien an den Bieter zu veräußern. Adams weist zu Recht darauf hin, dass mit dem Mandat zur Verwaltung der Gesellschaft nicht bezweckt ist, dem Management die Herrschaft über die den Aktionären zustehenden Ressourcen zu verschaffen und der Verwaltung eine Handlungslegitimation auf der gleichen Ebene wie der Ebene der Aktionäre einzuräumen.454 Stellt man die Entscheidung über Abwehrmaßnahmen in das Ermessen der Verwaltung, kann sie Veräußerungen auf Ebene der Aktionäre verhindern. Die Auffassung einer aktienrechtlichen Abwehrbereitschaft der Aktiengesellschaft kann daher nicht überzeugen. Diese Kritik trifft ebenso den Ansatz Kirchners, wenn auch mit verminderter Schlagkraft. Immerhin möchte Kirchner den Anteilseignerinteressen im Zweifel einen Vorrang vor den Interessen der Stakeholder einräumen. Aber auch er nimmt im Ausgangspunkt eine Ermessensentscheidung der Verwaltung über die Ergreifung von Abwehrmaßnahmen an. Die Ansicht Kirchners kann aber auch in Hinblick auf ihre Begründung nicht überzeugen. Seine These, dass die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts eine gleiche Behandlung von freundlichen und feindlichen Übernahmen erfordern würde, darf bezweifelt werden. Das Kapitalmarktrecht will sicherstellen, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft über die Annahme oder Ablehnung des Erwerbsangebots ungehindert entscheiden können. Bei einer freundlichen Übernahme wird die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre der Zielgesellschaft nicht durch Abwehrmaßnahmen des Managements der Zielgesellschaft gefährdet, da das Management keinen Widerstand gegen die Übernahme leistet. Nur beim feindlichen Übernahmeangebot bedarf es des Schutzes der Entscheidungsfreiheit der Aktionäre der Zielgesellschaft, um einen effektiven Markt für Unternehmenskontrolle sicherzustellen. Überdies lässt Kirchner offen, inwieweit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ein Anliegen des allgemeinen Aktienrechts ist. Nicht schlüssig erscheint es auch, wenn Kirchner es für die Begründung eines PrinzipalAgent-Verhältnisses zwischen Vorstand und Stakeholder der Zielgesellschaft ausreichen lassen will, dass die Interessen der Stakeholder durch die Ent454
Adams, AG 1990, 243, 246.
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scheidung des Vorstands über Abwehrmaßnahmen „betroffen“ sind. Würde das bloße Betroffensein für die Begründung eines Prinzipal-Agent-Verhältnisses ausreichen, so müsste ein solches Verhältnis konsequenter Weise auch zwischen der Verwaltung der Zielgesellschaft und dem Bieter bestehen, da es sich nur schwerlich leugnen lässt, dass Abwehrmaßnahmen auch Interessen des Bieters tangieren. 4. Ergebnis Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass das allgemeine Aktienrecht die Entscheidung, ein an die Aktionäre gerichtetes Erwerbsangebot zu sabotieren, in das – freilich pflichtgemäße – Ermessen des Managements der Zielgesellschaft legt. Das Management müsse seine Entscheidung am Unternehmensinteresse ausrichten, wobei, nach Kirchner, den Interessen der Anteilseigner im Zweifel der Vorrang vor den übrigen Stakeholder-Interessen einzuräumen ist. Diese Auffassung ist abzulehnen. Sie wird den Interessen der Aktionäre nicht gerecht, ungehindert von einem Übergreifen der Verwalter ihres Vermögens über eine Veräußerung ihrer Anteile entscheiden zu können. III. Ansätze einer Neutralitätspflicht der Verwaltung Der überwiegende Teil des Schrifttums erkennt an, dass die Entscheidung über Abwehrmaßnahmen nicht im Ermessen der Verwaltung der Zielgesellschaft steht: Nach h. M. verbietet es das allgemeine Aktienrecht dem Vorstand der Zielgesellschaft, Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot zu ergreifen.455 Dieser Grundsatz wird überwiegend als „Neutralitätsgebot“ bzw. „Neutralitätspflicht“ bezeichnet. Das Schrifttum 455 Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26; Grunewald, WM 1989, 1233, 1237; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 113; Knoll, Übernahme von Kapitalgesellschaften, S. 167; Immenga, in: Kreuzer, Übernahmeangebote, S. 11, 29 f.; Hopt, ZGR 1993, 534; Lammers, Verhaltenspflichten, S. 130; Weisser, Feindliche Übernahmeangebote, S. 202 f.; H. W. Busch, Notwendigkeit der spezialgesetzlichen Regelung von öffentlichen Übernahmeangeboten, S. 107; H. Krause, AG 1996, 214; M. Wolf, AG 1998, 212, 219; Baums, in: von Rosen/Seifert, Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 165, 175 ff.; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 358; Mülbert, IStR 1999, 83; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, § 69, Rn. 15; Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361; derselbe, in: FS Koppensteiner (2001), S. 61, 85; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 122 ff.; Baums, in: Gutachten zum 63. DJT, 2000, S. F 1 F 213 f.; Kiem, ZIP 2000, 1515; H. Krause, AG 2000, 217, 218; Strenger, WM 2000, 952; Altmeppen, ZIP 2001, 1073; Baudisch/Götz, AG 2001, 251; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241; Grunewald, AG 2001, 288; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258; Merkt, ZHR 165 (2001), 224; Mülbert/Birke, WM 2001, 705; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor. § 311, Rn. 4.
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hat beachtliche Anstrengungen zur dogmatischen Herleitung des Neutralitätsgebots unternommen. Die Auffassungen darüber, aus welchen Grundsätzen das Neutralitätsgebot abgeleitet werden könne, divergieren jedoch erheblich.456 Daher kann es nur wenig verwundern, dass die Vielzahl der hierzu vertretenen Ansichten ihren Niederschlag auch in unterschiedlichen Bezeichnungen für die aktienrechtliche Pflichtenlage gefunden hat: Es wird von „Zurückhaltungsgebot“457, „aktienrechtlichem Vereitelungsverbot“458, „Stillhaltegebot“459 und „Behinderungsverbot“460 gesprochen. An dieser Stelle soll als Bezeichnung für die aktienrechtliche Pflichtenlage einheitlich der Begriff „Neutralitätsgebot“ verwendet werden, obgleich sich diese Terminologie im aktienrechtlichen Schrifttum dem Vorwurf der Unschärfe ausgesetzt sieht.461 Schon mit Schaffung des § 33 WpÜG ist das Bedürfnis nach begrifflicher Glättung gestiegen, da es seit Inkrafttreten des WpÜG zwischen aktienrechtlicher Pflichtenlage einerseits und übernahmerechtlicher Pflichtenlage462 andererseits eindeutig zu unterscheiden gilt. Das Postulat nach begrifflicher Klarheit erscheint durch die Regelungen des ÜbRL-UG noch berechtigter, da es dem übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot des § 33 WpÜG die Vorschrift des § 33 a WpÜG an die Seite gestellt hat, die der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Überschrift der Vorschrift als „Europarechtliches Verhinderungsverbot“ bezeichnet. 1. Instrumentelle und übergreifende Betrachtungsweise Der Gedanke, dass es der Verwaltung der Zielgesellschaft nach allgemeinem Aktienrecht grundsätzlich untersagt sei, Abwehrmaßnahmen gegen ein 456
Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 4. 457 Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. 458 Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 101; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260. 459 LG Düsseldorf 14.12.1999, AG 2000, 233 f. = WM 2000, 528 – „Mannesmann/Vodafone Airtouch plc.“; Baums, in: Gutachten zum 63. DJT, 2000, S. F 1, F 214; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234 Fn. 48. 460 Kiem, ZIP 2000, 1515. 461 Baums, in: von Rosen/Seifert, Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 165, 178; Drygala, ZIP 2001, 1861, 1863; Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1259; Grunewald, AG 2001, 288 f.; Hommelhoff/Witt, RIW 2001, 561, 565; Land, DB 2001, 1707, 1711; Bayer, ZGR 2002, 588, 603; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 424 Fn. 197; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1363; Röh, in: Haarmann/ Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 3; Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 101. 462 Zur Zugehörigkeit des § 33 WpÜG zum Kapitalmarktrecht: Hirte, in: KKWpÜG, § 33, Rn. 32.
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öffentliches Übernahmeangebot zu ergreifen, kam erst Ende der 80er des vergangenen Jahrhunderts auf. Namentlich Mertens463 und Assmann/Bozenhardt464 proklamierten die Geltung eines Neutralitätsgebots der Verwaltung, wonach es dem Management der Aktiengesellschaft grundsätzlich untersagt sei, Abwehrmaßnahmen gegen ein öffentliches Angebot zum Erwerb der Aktien der Gesellschaft zu ergreifen. Die Ausführungen von Mertens und Assmann/Bozenhardt beschränkten sich dabei nicht auf die Stellung des Managements bei Vorliegen eines öffentlichen, d.h. an den (geregelten und ungeregelten) Kapitalmarkt adressierten Übernahmeangebots, wiesen also keinen spezifisch kapitalmarktrechtlichen Bezug auf. Die Autoren hoben jedoch hervor, dass die Pflicht des Managements, eine Einflussnahme auf den Kreis der Aktionäre zu unterlassen, gerade bei Vorliegen eines öffentlichen Übernahmeangebots virulent sei. Zuvor, seit etwa Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, hatte das aktienrechtliche Schrifttum zwar bereits erste Gehversuche auf dem in Deutschland noch weitgehend unbekannten Terrain der öffentlichen Übernahmeangebote unternommen. Die Literatur beschäftigte sich bis zum Vorstoß von Mertens und Assmann/Bozenhard aber zunächst ganz allgemein damit, wie Übernahmeangebote in Deutschland angesichts des Fehlens einer spezialgesetzlichen Regelung rechtlich zu behandeln seien. Die Tatsache, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft aktiv gegen ein öffentliches Angebot mobil machen können, wurde zwar erkannt. Jedoch konzentrierte sich die wissenschaftliche Debatte anfänglich im Wesentlichen auf eine bloße Analyse der hauptsächlich in den USA praktizierten Abwehrmaßnahmen sowie auf die Untersuchung, ob diese Instrumente einer Übernahmeabwehr auch nach deutschem Aktienrecht in Betracht kommen.465 Rechtsprechung und Schrifttum hatten die Zulässigkeit einzelner Maßnahmen der Verwaltung zur Verhinderung des Kontrollerwerbs eines Dritten zwar schon beurteilt, bevor Mertens und Assmann/Bozenhard in die Diskussion eines allgemeinen Neutralitätsgebots der Verwaltung eingeführt hatten. Vorher war man indes von einer instrumentellen Betrachtungsweise ausgegangen. Der Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit einer Abwehrmaßnahme bestand daher in den Tatbestandsvoraussetzungen der jeweils einschlägigen aktienrechtlichen Norm, sowie insbesondere den allgemeinen Grundsätzen des Gebots der Gleichbe463
Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 112 ff. 465 Behrens, ZGR 1975, 433; Heinsius, in: Schmitthoff/Goré/Heinsius, S. 35, 48 ff.; Peltzer, in: FS Zimmerer (1986), S. 271; Peltzer, ZfK 1986, 291; derselbe, ZfK 1988, 577; derselbe, ZIP 1989, 69; von Falkenhausen, in: FS Stiefel (1987), S. 163; Sünner, AG 1987, 276; Kübler/Schmidt, Gesellschaftsrecht und Konzentration, S. 64 ff.; Mahari, SAG 1988, 14; Hauschka/Roth, AG 1988, 181; Otto, DB 1988, Beilage 12, S. 1; Meier-Schatz, SAG 1988, 106; Stoll, BB 1989, 301. 464
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handlung der Aktionäre und der Unwirksamkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte. Diese instrumentelle Betrachtungsweise prägte bereits die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum sog. Überfremdungsschutz. Anhand der richterlichen Würdigung verschiedener Instrumente der Verwaltung zur Verhinderung eines Kontrollwechsels, insbesondere durch Schaffung von sog. Schutzaktien, gestattete es das Reichsgericht dem Management der Aktiengesellschaft in sehr weit gezogenen Grenzen, auf den Aktionärskreis Einfluss zu nehmen und das Emporkommen eines potentiellen neuen Mehrheitsaktionärs zu verhindern, insbesondere durch die Schaffung sog. Schutzaktien. Auch Mestmäcker466 ging 1958 von einer instrumentellen Betrachtung aus. Sie nahm den Bezugsrechtsausschluss ins Visier und gelangte aber, anders als die Rechtsprechung zum sog. Überfremdungsschutz, zu dem Ergebnis, dass die Verwaltung bei einer Kapitalerhöhung den Bezugsrechtsausschluss nicht dazu instrumentalisieren dürfe, um die Zusammensetzung des Aktionärskreises nach seinen Vorstellungen zu modellieren. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und Mestmäcker gingen damit beide von einer instrumentellen Sichtweise aus, gelangten aber tendenziell zu entgegengesetzten Ergebnissen. Dass es der Verwaltung aktienrechtlich schlechthin verboten sein könne, Abwehrmaßnahmen gegen ein öffentliches Erwerbsangebot einzuleiten, wurde erst von Mertens und Assmann/Bozenhard thematisiert. An die Stelle der instrumentellen Betrachtungsweise trat damit eine übergreifende Betrachtungsweise, die grundsätzlich an alle Abwehrmaßnahmen denselben Maßstab anlegte. Die instrumentellen Ansätze des Reichsgerichts einerseits und derjenige Mestmäckers anderseits bilden damit zwei Pole, die – obwohl sie nur an einzelnen Mitteln der Übernahmeabwehr ansetzen – für die Diskussion eines Neutralitätsgebots der Verwaltung erhellende Einsichten gewähren. Sie sollen zunächst vergegenwärtigt werden. Darauf aufbauend stehen die verschiedenen Auffassungen zur Begründung eines Neutralitätsgebots auf dem Prüfstand. 2. Überfremdungsschutz-Rechtsprechung Mit dem Verhaltensstandard der Organe einer Aktiengesellschaft, die Objekt einer Übernahmebegierde geworden ist, beschäftigte sich bereits die Rechtsprechung des Reichsgerichts467, später auch des Bundesgerichts466 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 131 ff.; die instrumentelle Betrachtungsweise fortführend: derselbe, BB 1961, 945, 946 f. 467 RG 8.4.1908, RGZ 68, 235 – „Hibernia“; RG 17.11.1932, RGZ 105, 373 – „Union AG“; RG 19.6.1923, RGZ 107, 67 – „Vereinigte Stahlwerke“; RG
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hofs468. Diese Rechtsprechung zum sog. Schutz der Aktiengesellschaft vor Überfremdung bezog sich in erster Linie auf Beschlüsse der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft, nicht auf Maßnahmen ihrer Verwaltung. Das Reichsgericht machte jedoch deutlich, dass der Pflichtenstandard, der hinsichtlich der Abwehr einer Übernahme für die Generalversammlung gelte, auch für die Verwaltung der Gesellschaft maßgeblich sei.469 Im Rahmen dieser Überfremdungsschutz-Rechtsprechung ging das Reichsgericht auf der Grundlage einer instrumentellen Betrachtungsweise470 davon aus, dass eine Aktiengesellschaft „. . . gewichtige und schutzwürdige Interessen daran haben kann, … gewisse Personen … aus dem Kreis ihrer Gesellschafter fernzuhalten oder wenigstens ihren Aktienbesitz nicht über ein gewisses Maß hinaus anwachsen zu lassen.“471
Das Reichsgericht stellte weiter fest, dass „Abwehrmaßregeln der [Aktionärs-]Mehrheit auf Erhaltung der eigenen Machtstellung ihre Berichtung haben“472 können. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts setzte dem Bestreben des Mehrheitsaktionärs, die eigene Machtstellung zu erhalten, zwar Grenzen, zog diese aber sehr weit: Abwehrmaßnahmen könnten dann sittenwidrig sein, wenn mit ihnen „eigensüchtige Zwecke auf Kosten der Minderheit“ verfolgt würden und – kumulativ – keine Rücksicht auf das Wohl der Gesellschaft473 und der übrigen Aktionäre474 genommen werde. Ein Handeln der Organe der Aktiengesellschaft aus eigensüchtigen Beweggründen, nämlich zum Erhalt der eigenen Machtstellung, wurde also nicht beanstandet, solange die Maßnahmen zumindest auch dazu bestimmt waren, dem Interesse der Gesellschaft zu dienen.475 Mithin wurden Abwehrmaßnahmen für zulässig befunden, wenn mit ihnen „sachliche Ziele für die Gesellschaft verfolgt“476 wurden, auch wenn dies im Einzelfall mit einer nicht unverhältnismäßigen Schädigung der Aktionärsminderheit verbunden war.477 24.6.1924, RGZ 108, 322 – „Leipziger Buchbinderei AG“; RG 23.10.1925, RGZ 112, 14 – „Brauerei AG“; RG 20.3.1926, RGZ 113, 188 – „Bergbau AG Ilse“; RG 13.12.1927, RGZ 119, 248; RG 31.3.1931, RGZ 132, 149. 468 BGH 19.12.1977, BGHZ 70, 117, 122 f. = NJW 1978, 540. 469 Siehe etwa RG 13.12.1927, RGZ 119, 248, 256 f. 470 Siehe oben § 9 III.1. 471 RG 31.3.1931, RGZ 132, 149, 154 f. 472 RG 23.10.1925, RGZ 112, 14, 17 (Anmerkung in eckigen Klammern durch den Verfasser). 473 RG 20.3.1926, RGZ 113, 188, 193; RG 24.6.1924, RGZ 108, 322, 327. 474 RG 20.3.1926, RGZ 113, 188, 196; RG 31.3.1931, RGZ 132, 149, 163; anders noch: RG 8.4.1908, RGZ 68, 235. 475 RG 23.10.1925, RGZ 112, 14, 19. 476 RG 23.10.1925, RGZ 112, 14, 16. 477 RG 24.6.1924, RGZ 108, 322, 327.
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Wann bejahte die frühere Rechtsprechung das Vorliegen eines solchen sachlichen Grundes? Ein sachlicher Grund für die Einleitung von Abwehrmaßnahmen gegen den unerwünschten Kontrollerwerb eines Dritten wurde in der Gefahr sog. äußerer und innerer Überfremdung gesehen.478 Von äußerer Überfremdung sprach man – oftmals unter Hinweis auf die durch Inflation geprägten, wirtschaftlichen Verhältnisse der Zwischenkriegsjahre479 – bei der „Entstehung eines unerwünschten Einflusses ausländischer Käufer“480. Eine innere Überfremdung wurde bei einem unerwünschten Einfluss inländischer Konkurrenten auf die Gesellschaft angenommen.481 Gemeint ist in beiden Fällen ein gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluss durch den Erwerb von Aktien der Gesellschaft. Bei der Beurteilung, ob eine Überfremdungsgefahr gegeben war oder nicht, räumte das Reichsgericht dem Mehrheitsaktionär und der Verwaltung der Aktiengesellschaft einen großen Ermessensspielraum ein.482 Welche Überlegungen stecken wirklich hinter dieser Rechtsprechung? Bei dem Topos der Überfremdungsgefahr handelt es sich nicht um eine Begründung, sondern zunächst um ein Schlagwort, das für sich genommen noch keinerlei Aufschluss darüber gibt, warum in diesen Fällen der Verwaltung und der Generalversammlung eine Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises gestattet sein soll. Sicherlich mögen wirtschaftspolitische Erwägungen der Zwischenkriegsjahre eine Rolle gespielt haben. Jenseits dieser Überlegungen liegt der Rechtsprechung zum Überfremdungsschutz aber im Kern die Annahme zugrunde, dass sowohl von ausländischen Investoren, als auch von inländischen Wettbewerbern im Regelfall eine Schädigung bzw. die Auflösung der betroffenen Gesellschaft zu erwarten sei.483 Zugespitzt formuliert lautet die Kernaussage der Rechtsprechung zum Überfremdungsschutz, dass die Aktionäre und das Management befugt sind, Gefahren für eine gedeihliche Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft abzuwehren. Damit zeigt sich aber, dass die Rechtsprechung zum Überfremdungsschutz zwar als historischer Vorläufer der Diskussion um ein Neutralitätsgebot der Verwaltung angesehen werden kann, keinesfalls aber als ihr Geburtshelfer. Denn dass die Verwaltung und die Hauptversammlung Schaden von der Gesellschaft abwenden dürfen, versteht sich von selbst. Es nimmt daher nicht Wunder, 478 RG 24.6.1924, RGZ 108, 322, 327; RG 20.3.1926, RGZ 113, 188, 193; RG 13.12.1927, RGZ 119, 248, 255. 479 RG 24.6.1924, RGZ 108, 322, 327; RG 20.3.1926, RGZ 113, 188, 192. 480 RG 24.6.1924, RGZ 108, 322, 327; RG 31.3.1931, RGZ 132, 149, 168. 481 RG 24.6.1924, RGZ 108, 322, 327. 482 RG 20.3.1926, RGZ 113, 188, 194; RG 31.3.1931, RGZ 132, 149, 156; zur Sittenwidrigkeit der Schaffung von Schutzaktien bei nur vorgeschützer Überfremdungsgefahr: RG 23.10.1925, RGZ 112, 14, 17. 483 Siehe etwa RG 13.12.1927, RGZ 119, 248, 257; RG 31.3.1931, RGZ 132, 149, 161, 165.
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dass die frühere Rechtsprechung Abwehrmaßnahmen gegen den Kontrollerwerb eines neuen Gesellschafters auch in solchen Fällen für zulässig erachtete, in denen vom neuen Mehrheitsgesellschafter eine Überfremdungsgefahr im dargelegten Sinne überhaupt nicht ausging.484 Damit zeigt sich, dass den Kriterien der „inneren oder äußeren Überfremdung“ nicht die Funktion eines Ausnahmetatbestands zukommt, bei dessen Eingreifen ausnahmsweise der Eintritt eines neuen Aktionärs in den Gesellschafterkreis bzw. dessen Aufbau einer Einfluss vermittelnden Beteiligung, abgewehrt werden darf. Die Rechtsprechung zum Überfremdungsschutz kann daher nicht als Wegbereiter eines Neutralitätsgebots angesehen werden. Im Gegenteil geht sie von einem weiten Ermessensspielraum des Mehrheitsaktionärs und der Verwaltung aus. Der reichsgerichtliche Tenor, dass der Verwaltung der Aktiengesellschaft ein weiter Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Gefahren einer Übernahme zustünde, kann unreflektiert nicht auf das heute geltende Aktienrecht übertragen werden. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts bezog sich ganz überwiegend auf die Zulässigkeit von Maßnahmen der Generalversammlung. Die Fälle, anhand derer diese Grundsätze entwickelt wurden, hatten hauptsächlich Kapitalerhöhungen der Gesellschaft zum Gegenstand, durch die – unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre – Schutzaktien485 oder vinkulierte Namensaktien486 geschaffen wurden. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Überfremdungsschutz beruht daher im Wesentlichen auf Sachverhalten, bei denen es um die Zulässigkeit von Beschlüssen der Generalversammlung ging. Aus diesem Grund werden die unter dem Stichwort des Überfremdungsschutzes behandelten Fälle in engem Zusammenhang zur Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs gegenüber der Aktionärsminderheit gesehen.487 Das Reichsgericht übertrug den Pflichtenstandard, der hinsichtlich der Abwehr einer Übernahme für die Generalversammlung galt, auch auf den Vorstand der Gesellschaft.488 Indes war die rechtliche wie tatsächliche Stellung des Vorstands nach der aktienrechtlichen Konzeption der Organverfassung eine andere, als dies heute der Fall ist: Die Mitglieder des Managements waren 484
Aus der Rechtsprechung des BGH: BGH 6.10.1960, BGHZ 33, 175 – „Minimax II“. 485 RG 19.6.1923, RGZ 107, 67; RG 24.6.1924, RGZ 108, 322; RG 23.10.1925, RGZ 112, 14; RG 20.3.1926, RGZ 113, 188, 191, mit ausführlicher Erläuterung der Funktionsweise von Schutzaktien; RG 13.12.1927, RGZ 119, 248. 486 RG 31.3.1931, RGZ 132, 149. 487 Siehe etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 I 2 c, S. 414 ff.; der BGH hat eine Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs anerkannt: BGH 1.2.1988, BGHZ 103, 184 = NJW 1988, 1579 – „Linotype“; bestätigt durch BGH 20.3.1995, BGHZ 129, 136 = NJW 1995, 1739 – „Girmes“. 488 RG 13.12.1927, RGZ 119, 248, 256 f.
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häufig personenidentisch mit den Inhabern. Vorstand und Aufsichtsrat verkörperten häufig die Mehrheit in der Generalversammlung.489 Der Wille der Verwaltung entsprach daher häufig dem Willen der Generalversammlung. Dies konnte dadurch erreicht werden, dass die Verwaltung sich oder ihr nahe stehenden Personen490 Schutzaktien mit Mehrfachstimmrechten verschaffte, um den eigenen Einfluss in der Generalversammlung zu erhöhen. Zum anderen konnte die Verwaltung den Einfluss anderer Aktionäre durch mannigfaltige Instrumente wie Höchststimmrechte, der Vinkulierung von Namensaktien491 oder Stimmbindungsverträge492, begrenzen. Ein Gleichlauf des Pflichtenstandards der Verwaltung mit dem des Mehrheitsgesellschafters war aber aus der Perspektive des damaligen Aktienrechts auch dann verständlich, wenn der Wille der Verwaltung nicht mit dem Willen des Inhabers der Stimmenmehrheit übereinstimmte. Denn der Vorstand befand sich rechtlich in einer starken Abhängigkeit von der Generalversammlung.493 Die heutige rechtliche und tatsächliche Stellung des Vorstands ist mit derjenigen zur Zeit der Überfremdungsschutz-Rechtsprechung nicht vergleichbar. Nach modernem aktienrechtlichen Verständnis ist die Verwaltung kein Vollzugsorgan der Hauptversammlung. Auch erschwert es das heutige Aktienrecht, dass die Verwaltung ohne entsprechende Kapitalund Risikobeteiligung die Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung stellt: Mehrfachstimmrechte wurden abgeschafft und sind nach § 12 Abs. 2 AktG des geltenden Aktienrechts unzulässig.494 Auch sind nach geltendem Aktienrecht bei börsennotierten Gesellschaften Höchststimmrechte nicht statthaft, § 134 Abs. 1 S. 2 AktG. Festzuhalten bleibt, dass die Rechtsprechung zum Überfremdungsschutz einen spezifischen Verhaltensstandard, der die Besonderheiten einer Übernahmesituation berücksichtigt, für die Mitglieder des Managements der Zielgesellschaft nicht hervorgebracht hat.
489
RG 23.10.1925, RGZ 112, 14, 16. RG 24.6.1924, RGZ 108, 322; RG 20.3.1926, RGZ 113, 188; RG 13.12.1927, RGZ 119, 248. 491 RG 13.12.1927, RGZ 119, 248. 492 RG 19.6.1923, RGZ 107, 67. 493 Siehe hierzu § 231 Uabs. 1 HGB i. d. F. des Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18.7.1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre moderndes Aktienrecht, S. 560 ff.; zur starken Stellung der Generalversammlung gegenüber der Verwaltung: § 13 I Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 7.3.1884, abgedruckt bei: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre moderndes Aktienrecht, S. 404 ff. 494 Siehe hierzu Hüffer, Aktiengesetz, § 12, Rn. 8. 490
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3. Begründungsansätze für ein Neutralitätsgebot a) Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft aa) Unzulässige Beschneidung des Einflusses der Hauptversammlung auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft (Mestmäcker) Mestmäcker untersuchte 1958 die Pflichtenstellung der Verwaltung beim Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre495, also anhand eines der effektivsten Instrumente zur Übernahmeabwehr. In Rede steht damit aus heutiger Sicht ein instrumenteller Ansatz496, der sich auch zur Begründung eines allgemeinen Neutralitätsgebotes fruchtbar machen lässt. Mestmäcker hält es für unvereinbar mit der Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft, wenn die Mitglieder der Verwaltung es verhindern könnten, von der Mehrheit der Anteilseigner abgesetzt zu werden. Wenn die Mehrheit der Anteilseigner die Verwaltungsmitglieder nicht ihrer Ämter entheben könne, verlören die Anteilseigner ihren Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft. Denn nach der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft könnten die Anteilseigner nur dadurch Einfluss auf die Richtlinien der Geschäftspolitik der Gesellschaft nehmen, indem sie in der Hauptversammlung den Aufsichtsrat wählen.497 Auf den Punkt gebracht: Der Einfluss der Aktionäre auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft beschränkt sich auf die Wahl498 solcher Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat, von denen erwartet wird, dass sie einem Vorstand ins Amt verhelfen, der die von den Anteilseignern gewünschte Geschäftspolitik verfolgen wird. Aktualisiert wird dieser – sehr mediatisierte499 – Einfluss der Aktionäre auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft durch die Möglichkeit, den Aufsichtsrat vor Ablauf seiner Amtszeit abzuberufen500. Durch diese prinzipielle Abhängigkeit der Verwaltung von den Aktionären werden nach Mestmäcker in der Aktiengesellschaft privatrechtliche Grundsätze verwirklicht, denn diese Abhängigkeit vermittelt die Verbindung von Vertragsfreiheit und Haftung sowie die Verbindung von Verfügungsmacht und Verantwortung in der Aktiengesellschaft.501 Die eigentliche Brisanz erhält Mestmäckers Argu495 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 131 ff., 146. 496 Seihe oben § 9 III.1. 497 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 81, 146; derselbe, BB 1961, 945, 947. 498 Vgl. § 101 AktG. 499 Müller, in: FS Semler (1993), S. 190. 500 Vgl. § 103 AktG. 501 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 146.
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mentation durch seine Fortentwicklung dieses Gedankens. Aus der Struktur der Aktiengesellschaft ergäbe sich, dass es der Verwaltung der Aktiengesellschaft nicht nur untersagt sei, sich unabhängig vom Einfluss der gegenwärtigen Aktionärsmehrheit zu stellen. Auch dürfe die Verwaltung nicht die Einflussmöglichkeit einer zukünftigen – veränderten – Aktionärsmehrheit auf die Richtlinien der Geschäftspolitik beeinträchtigen.502 Mestmäcker kommt daher zu dem Schluss, dass die Verwaltung durch einen Bezugsrechtsausschluss im Rahmen einer Kapitalerhöhung nicht verhindern darf, dass ein ihr nicht genehmer Aktionär Einfluss auf die Aktiengesellschaft gewinnt.503 Hier zeigt sich, dass die Erkenntnisse Mestmäckers nicht nur auf den Bezugsrechtsausschluss angewendet werden können. Denn alle Instrumente einer Übernahmeabwehr, und nicht nur das Mittel des Bezugsrechtsausschlusses, sollen letztlich verhindern, dass der Bieter die Kontrolle über die Aktiengesellschaft erlangt und daher künftig in der Hauptversammlung den Aufsichtsrat abberufen kann. Mit dem Ansatz Mestmäckers lässt sich nicht nur eine Neutralitätspflicht des Vorstands begründen, sondern auch eine solche des Aufsichtsrats. Sowohl Abwehrmaßnahmen des Vorstands, als auch solche des Aufsichtsrats können verhindern, dass ein potentieller neuer Mehrheitsaktionär die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt und die von ihm für richtig erachtete, neue Geschäftspolitik dadurch verfolgt, dass er die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat durch Personen seines Vertrauens austauscht. Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats können ebenso wie eine Verteidigung des Vorstands verhindern, dass die Geschäftspolitik der Gesellschaft von einem neuen Mehrheitsaktionär gestaltet wird, dass also der neue Mehrheitsaktionär eine andere Verwaltung mit einem veränderten Konzept einsetzt. Wenn der Versuch des Aspiranten, die Kontrolle zu erwerben, im Keim erstickt wird, kann dieser den vereitelten Kontrollerwerb auch nicht dazu nutzen, neue Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat zu platzieren. Die Einflussnahme auf den Aktionärskreis durch den Aufsichtsrat bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots würde sich damit ebenso als ein Eingriff in die gesetzliche Zuständigkeitsordnung erweisen, wie Abwehrmaßnahmen des Vorstands. Kann das Konzept Mestmäckers überzeugen? Mestmäckers Konzept liegt eine zutreffende Umschreibung der Einflussmöglichkeiten der Aktionäre auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft zugrunde: Die Möglichkeiten der Aktionäre, auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen, konzentrieren sich in 502 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 146; derselbe, BB 1961, 945, 947. 503 Vgl. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 149.
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der Tat ganz überwiegend auf das Instrument der Abberufung bzw. Bestellung der Anteilseignervertreter des Aufsichtsrats und der Installation solcher Aufsichtsratsmitglieder, die für die priorisierte Geschäftspolitik stehen. Die Hauptversammlung kann zwar den Mitgliedern des Vorstands ebenso wie denjenigen des Aufsichtsrats die Entlastung verweigern504, allerdings zeitigt dies keine unmittelbaren Rechtsfolgen und muss damit als stumpfes Schwert erscheinen.505 Auch die Möglichkeiten einer faktischen Einflussnahme der Aktionäre auf die Geschäftspolitik der Verwaltung sind beschränkt, weil eine faktische Einflussnahme eine Organisation voraussetzt, die den Einfluss auf sich bündeln kann. Dies kann, worauf Müller zutreffend hinweist, letztlich nur der unternehmerische Aktionär oder eine unternehmerische Aktionärsgruppierung.506 Unter Geltung des WpÜG ist die Bildung einer Organisation zur Bündelung des Einflusses von Aktionären auf die Verwaltung indes mit einem ganz erheblichen finanziellen Risiko behaftet. Denn es besteht die Gefahr, dass die an der konzertierten Aktion beteiligten Aktionäre bzw. Aktionärsgruppen ein Pflichtangebot gemäß § 35 WpÜG unterbreiten müssen, das sich grundsätzlich an alle außen stehenden Aktionäre zu richten hat.507 Denn die Stimmrechte der zusammenwirkenden Aktionäre werden gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zusammengerechnet, wenn sie ihr Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft aufgrund einer Vereinbarung508 oder in sonstiger Weise abstimmen, soweit nicht der Ausnahmefall des § 30 Abs. 2 S. 1 HS. 2 WpÜG eingreift.509 Die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots entsteht, wenn die zusammengerechneten Stimmrechte der konzertierenden Aktionäre die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG erreichen. Schon vor Inkrafttreten des WpÜG wurde bisweilen davon ausgegangen, dass die Aktionäre eine erfolgreiche Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der Aktiengesellschaft oftmals ausschließlich durch Einführung eines neuen Großaktionärs herbeiführen können, also letztlich durch einen Kontrollwechsel.510 Das Vehikel des neuen 504
Vgl. § 120 Abs. 1 S. 1 AktG. Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 204. 506 Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 205 ff. 507 Aufgrund des mutmaßlich konzertierten Handelns mehrerer Hedge-Fonds aus dem Kreis der Aktionäre der Deutschen Börse AG, mit dem Ziel die beabsichtigte Übernahme der Londoner Stock Exchange durch die Deutsche Börse zu verhindern, leitete die BAFin ein Verfahren ein um zu ermitteln, ob gegen die Pflicht, ein Übernahmeangebot für die Deutsche Börse abzugeben, verstoßen wurde, siehe Handelsblatt, 20./21./22. Mai 2005, Nr. 95/2005, S. 1, „Aufsicht wirft Fonds Absprachen gegen die Deutsche Börse vor“. 508 Erfasst wird aber nur eine Vereinbarung, die sich auf die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung bezieht, vgl. BGH 18.09.2006, BB 2006, 2432, 2434 = ZIP 2006, 2077. 509 Siehe zum sog. acting in concert: Casper, in: Veil/Drinkuth, S. 45. 510 Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 206. 505
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Aktionärs zur Herbeiführung einer Änderung der Geschäftspolitik wird dabei oftmals im Austausch des Managements liegen, also in der Installation eines Aufsichtsrats mit Personen – bzw. bei der mitbestimmten Aktiengesellschaft mit Anteilseignervertretern –, die für das neue Unternehmenskonzept stehen. Über das Medium Aufsichtsrat werden die Aktionäre schließlich den Vorstand austauschen. Aufgrund dieses Befundes kann Mestmäcker darin beigepflichtet werden, wenn er fordert, dass die Möglichkeit der Hauptversammlung, die Geschäftspolitik über das Medium der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zu beeinflussen, nicht durch Maßnahmen der Verwaltung konterkariert werden dürfen. Mestmäcker möchte jedoch, dass auch ein potentieller künftiger Mehrheitsaktionär, also der Bieter, die Möglichkeit haben muss, die Geschäftspolitik der Zielgesellschaft zu bestimmen, indem er „seine“ Leute als Anteilseignervertreter zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt, nachdem die „alte Garde“ abberufen wurde. Einem etwaigen künftigen Mehrheitsaktionär die Möglichkeit offen zu halten, auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft durch eine Neubesetzung des Aufsichtsrats Einfluss zu nehmen, begegnet den gleichen Bedenken, die auch gegenüber einer Erstreckung des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes511 auf künftige Aktionäre bestehen: Der Schutz eines künftigen Aktionärs ist im gegenwärtigen Aktienrecht nicht angelegt. Die Befugnis, Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat zu bestellen und abzubestellen, hat das AktG der Hauptversammlung zugewiesen. Die Willensbildung in der Hauptversammlung erfolgt über die Ausübung des Stimmrechts durch die Inhaber der Stimmrechte oder deren Stellvertreter. Personen, die in der Zukunft möglicherweise Stimmrechte erwerben, sind solange nicht stimmberechtigt, als der Erwerb noch nicht vollzogen ist. Solange der Erwerb noch nicht vollzogen ist, trägt der Übernehmer auch nicht das entsprechende wirtschaftliche Risiko, das mit der Mehrheit an der Gesellschaft verbunden ist. Das wirtschaftliche Risiko tragen indes die gegenwärtigen Aktionäre der Zielgesellschaft, die ihren Einfluss auf die Geschäftspolitik über den Aufsichtsrat bzw. über dessen Anteilseignervertreter ausüben. Überdies ist auch das Konzept Mestmäckers mit einem hohen Preis verbunden: Denn indem Mestmäcker einem potentiellen künftigen Mehrheitsaktionär die Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft einräumt, beschneidet er zugleich die Möglichkeiten der gegenwärtigen Aktionärsmehrheit in der Hauptversammlung und der von ihr eingesetzten Verwaltung, den eingeschlagenen Weg in der Geschäftspolitik weiter zu verfolgen. Die These Mestmäckers, die konsequenterweise zu einer Neutralitätspflicht des Mehrheitsaktionärs bzw. der Hauptversammlung führen würde, steht daher im Widerspruch zur aktienrecht511
Vgl. § 53 a AktG.
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lichen h. M., die eine Neutralitätspflicht der Hauptversammlung negiert.512 Letztlich kann damit die Ansicht Mestmäckers weder eine Neutralitätspflicht des Vorstands, noch ein solche des Aufsichtsrats begründen. bb) Unzulässige Einflussnahme des Vorstands auf seine Kontrolleure In eine ähnliche Richtung führen die Gedanken Immengas, die er ebenfalls aus einer instrumentellen Blickweise513 entwickelt. Immengas Überlegungen setzen bei einem anderen Instrument der Übernahmeabwehr an, nämlich der Verweigerung der Zustimmung der Verwaltung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien. Immenga hält, ebenso wie Mestmäcker, für die Frage, wie sich die Verwaltung gegenüber einem potentiellen neuen Mehrheitsaktionär verhalten dürfe, die Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft für ausschlaggebend. Immenga weist darauf hin, dass eine Einflussnahme des Vorstands auf den Kreis der Personen, die ihm gegenüber Kontrollbefugnisse ausüben, als Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzzuweisung anzusehen ist und damit nicht von der Geschäftsführungsbefugnis des § 76 AktG umfasst wäre.514 Immenga betont dabei – im Jahr 1992, nachdem Mertens und Assmann/Bozenhardt die Geltung eines Neutralitätsgebots des Vorstands auf der Grundlage einer übergreifenden Betrachtungsweise bereits ins Feld geführt hatten –, dass das aktienrechtliche Neutralitätsgebot des Vorstands letztlich auf diesen Gedanken der Bewahrung der gesetzlichen Machtverteilung in der Gesellschaft zurück gehe.515 Sowohl Mestmäcker als auch Immenga sehen mithin die Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft als entscheidend an. Hier hören die Gemeinsamkeiten der beiden Ansichten auf. Während nach Mestmäcker die Zuständigkeitsordnung in der Aktiengesellschaft es einem künftigen, potentiellen Mehrheitsaktionär ermöglichen muss, durch Besetzung des Aufsichtsrats die Geschäftspolitik der Gesellschaft zu beeinflussen, verbietet es nach Ansicht Immengas die Kompetenzverfassung in der Aktiengesellschaft dem Vorstand lediglich, Einfluss auf die Zusammensetzung des Personenkreises zu nehmen, der ihn kontrolliert bzw. der seine Kontrolleure bestellt. Obwohl nach Mestmäcker und Immenga der Grund für die Geltung einer Neutralitätspflicht des Vorstands unisono in der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung gesehen werden kann, handelt es sich doch nicht um ein- und denselben Ansatz mit unterschiedlicher Akzentuierung. Wer wie Mestmäcker auf512 Wiedemann, in: Großkomm AktG, § 186, Rn. 161; Hirte/Schander, in: von Rosen/Seifert, S. 341, 375. 513 Siehe hierzu § 9 III.1. 514 Immenga, AG 1992, 81; in diese Richtung auch schon Grunewald, WM 1989, 1233, 1237. 515 Immenga, AG 1992, 81.
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grund der aktienrechtlichen Kompetenzordnung einem künftigen Hauptaktionär die Wahrung der Rechte der Hauptversammlung sichern will, muss auch eine Neutralitätspflicht der Hauptversammlung selbst – bzw. der aktuellen Hauptversammlungsmehrheit – annehmen. Denn die Hauptversammlung bzw. der ihre Willensbildung beeinflussende Mehrheitsaktionär kann durch Abwehrmaßnahmen ebenfalls verhindern, dass ein neuer Mehrheitsaktionär die Kontrolle über die Aktiengesellschaft erlangt. Die Hauptversammlung kann auch vereiteln, dass ein neuer Aktionär die Mehrheit in der Hauptversammlung erlangt und den Aufsichtsrat abberuft, um einer Geschäftspolitik den Weg zu ebnen, die seinen Vorstellungen entspricht. Mestmäcker geht diesen Weg: „So wenig die Verwaltung berechtigt ist, das Mittel der Kapitalerhöhung zu benutzen, um sich von dem Einfluss der Kapitalmehrheit zu befreien, so wenig darf die Majorität ihre gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse gebrauchen, um einer zukünftigen Kapitalmehrheit ihre gesetzlichen Befugnisse zu entziehen. … An die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft sind Mehrheit und Verwaltung gleichermaßen gebunden“.516
In letzter Konsequenz spricht damit Mestmäcker einem Neutralitätsgebot das Wort, das sich auch an die Hauptversammlung – bzw. der dort vorherrschenden jeweiligen Aktionärsmehrheit – richtet.517 Diesen Schritt geht Immenga nicht. Denn nach seiner Auffassung verbietet es die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung dem Vorstand, die Auswechslung seiner Kontrolleure, nämlich der Mitglieder des Aufsichtsrats durch einen neuen Mehrheitsaktionär, zu verhindern. Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft bzw. ihr Mehrheitsaktionär selbst werden jedoch durch kein anderes Gesellschaftsorgan kontrolliert, dessen Auswechslung sie durch Abwehrmaßnahmen verhindern könnten. Die Beschlüsse der Hauptversammlung unterliegen vielmehr der Anfechtung einzelner bzw. nach Inkrafttreten des UMAG auch in verstärktem Maße sich zusammenschließender Aktionäre.518 Immenga bezieht seine Ausführung lediglich auf den Vorstand. Dass die Annahme eines Neutralitätsgebots mit der von ihm gegebenen Begründung aber nicht nur auf den Vorstand, sondern auch auf den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft übertragbar ist, ergibt sich aus einem argumentum a majore ad minus.519 Nach Immenga darf der Vorstand keine Abwehrmaßnahmen ergreifen, weil er dadurch verhindere, dass ein neuer Mehrheitsaktionär den Aufsichtsrat personell umgestalte und der Vorstand sich dann mit neuen 516 517 518 519
Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 149. Siehe bereits oben § 9 III.3.a)aa). Vgl. § 147 a AktG n. F. Zum argumentum a majore ad minus: Larenz, Methodenlehre, S. 389.
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Kontrolleuren auseinandersetzen müsse. Obwohl ein etwaiger neuer Mehrheitsaktionär mittels seiner Mehrheit in der Hauptversammlung den Vorstand nach der aktienrechtlichen Organisationsverfassung nicht absetzten kann, sondern sich hierzu des – nach Kontrollerwerb erst noch umzugestaltenden – Aufsichtsrats bedienen muss, dürfe der Vorstand keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen. Die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat können im Gegensatz zum Vorstand von der Stimmmehrheit in der Hauptversammlung aus dem Amt gedrängt werden, und zwar unmittelbar, ohne die Zwischenschaltung eines weiteren Gesellschaftsorgans. Der Aufsichtsrat, der den Eintritt eines Mehrheitsaktionärs verhindert, wirkt also gezielt auf das Organ ein, das die Kompetenz hat, ihn abzuberufen. Wollte man eine Neutralitätspflicht des Vorstands mit der von Immenga gegebenen Begründung bejahen, wäre auch die Annahme einer Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats zwingend. Der Ansicht Immengas muss jedoch die Zustimmung versagt werden. Sie begegnet denselben Bedenken wie das Konzept Mestmäckers, da sie letztlich ebenso einem potentiellen Übernehmer die Möglichkeit sichern will, im Nachgang eines noch ungewissen Kontrollerwebs amtierende Aufsichtsratsmitglieder der Zielgesellschaft durch „eigene Leute“ zu ersetzen. b) Ausschluss der Einflussnahme auf den Aktionärskreis von der Leitungsaufgabe des Vorstands Assmann/Bozenhardt waren unter den ersten Autoren, die einer übergreifenden Betrachtungsweise520, die grundsätzlich alle Abwehrmaßnahmen umfasst, das Wort geredet haben.521 Diese Ansicht bringt von allen vertretenen Auffassungen die weitest reichende Beschränkung für den Vorstand. Assmann/Bozenhardt gehen von der These aus, dem Vorstand sei es generell – also nicht nur bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots – untersagt, Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen. Der Grund hierfür wird darin überwiegend gesehen, dass die in § 76 Abs. 1 AktG normierte Leistungskompetenz des Vorstands nicht die Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises beinhalte.522 Assmann/Bozenhardt bleiben eine tiefer gehende dogmatische Begründung ihrer These schuldig. Der Terminus des „Verbots der Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises“ wird jedoch von einer Viel520
Siehe hierzu oben § 9 III.1. Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 113; bereits im Jahr 1988: Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. 522 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 113; Immenga, AG 1992, 81; Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. 521
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zahl von Autoren523 aufgegriffen, die ihn als Arbeitsgrundlage unterschiedlicher, nicht immer klar voneinander abgegrenzter und ineinander übergehender Begründungsansätze eines Neutralitätsgebots heranziehen.524 Es darf daher nicht verwundern, dass auch andere Herleitungen des Neutralitätsgebots mit diesem Begriff operieren. Die Tatsache, dass weite Teile der Literatur den Ansatz von Assmann/Bozenhardt als bloßen Baustein für die Konstruktion eines Neutralitätsgebots verwenden, deutet schon darauf hin, dass die These vom Verbot der Einflussnahme auf den Aktionärskreis in dieser generellen Formulierung als unzureichend empfunden wird. Unterstellte man diese These als richtig, würde sich aus ihr ohne weiteres auch eine Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats ergeben. Denn für den Aufsichtsrat gelten, wenn er nicht in seiner Funktion als Kontrollorgan, sondern als unternehmerisches Verwaltungsorgan tätig wird, die gleichen Grundsätze wie für den Vorstand. Indes wird die Richtigkeit der von Assmann/Bozenhardt aufgestellten These schon im Ausgangspunkt mit einigem Recht in Zweifel gezogen.525 Ein an den Vorstand der Aktiengesellschaft gerichtetes, apodiktisches Verbot jedweder Einflussnahme auf den Aktionärskreis auch außerhalb eines Übernahmeverfahrens kann nicht angenommen werden. Die Geschäftspolitik des Vorstands, und damit letztlich die Art und Weise der von ihm durchgeführten Leitungsmaßnahmen, bestimmen den Wert der Aktie am Kapitalmarkt. Der Wert der Aktie ist ausschlaggebend für die Entscheidung der einzelnen Anleger darüber, ob sie Aktien der Gesellschaft kaufen oder verkaufen. Fast immer lässt sich die Zusammensetzung des Aktionärskreises daher auf ein Vorstandsverhalten im Sinne reiner Kausalität zurückführen.526 Der Vorstand wirkt im Rahmen seiner pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung daher stets auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises und damit auf die Aktionärsstruktur ein.527 Ein generelles Verbot der Einflussnahme auf den Aktionärskreis würde damit zu dem absurden Ergebnis einer völligen Handlungsunfähigkeit des Vorstands führen.528 Die These eines generellen Ver523 So etwa: Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157 f.; Immenga, AG 1992, 81; derselbe, in: Kreuzer, Übernahmeangebote, S. 11, 30; Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 100; Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1376; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 113. 524 Thoma, NZG 2002, 105, 100 spricht davon, dass sich die ineinander übergehenden Ansätze zur Begründung einer aktienrechtlichen Neutralitätspflicht „ergänzen“. 525 Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 210 f.; Röh, in: Haarmann/Riehmer/ Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 7; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 f. 526 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243 m. w. Nachw. 527 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243. 528 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243.
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bots der Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises kann aber selbst dann nicht aufrechterhalten werden, wenn man es auf zielund zweckgerichtete Maßnahmen des Vorstands beschränken wollte. Hingewiesen wird im Schrifttum mit Recht darauf, dass die Verwaltung einer Aktiengesellschaft in einer Reihe von Fallgruppen sehr wohl bewusst Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen darf, z. B. bei der Entscheidung über die Veräußerung vinkulierter Aktien gemäß § 68 Abs. 2 AktG. Als weiteres Beispiel kann die Ausgabe von Aktien aus genehmigtem Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 3 AktG oder der Erwerb sowie die Veräußerung eigener Aktien gemäß § 71 AktG herangezogen werden.529 Aber auch jenseits der Regeln, in denen dem Vorstand die Entscheidung zugewiesen wird, wer Aktien der Gesellschaft erhält und wer nicht, schließt schon die Leitungsaufgabe des Vorstands die Pflege der Aktionärstruktur nicht aus. Zwar gibt es keine Legaldefinition des Leitungsbegriffs. Nach h. M. bezieht sie sich zumindest auch auf die Planung, Koordination, Organisation und Geschäftspolitik.530 Dabei entzieht sich eine inhaltliche Ausformung der einzelnen Aufgabenbereiche einer dezidierten rechtlichen Fixierung. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, einschließlich der Einhaltung der Kompetenznormen und der Beachtung der satzungsmäßigen Vorgaben in Hinblick auf den Unternehmenszweck und -gegenstand, kann der Vorstand sein unternehmerisches Ermessen durch solche Maßnahmen zur Unternehmensleitung ausüben, die wirtschaftlich sinnvoll sind und mit der Unternehmenszielbestimmung in Einklang stehen.531 Die Annahme, dass eine ziel- und zweckgerichtete Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur durch den Vorstand von vornherein betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, wird man in dieser generellen Formulierung richtigerweise nicht aufstellen können.532 Im Schrifttum weisen viele Stimmen darauf hin, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft sich grundsätzlich um geeignete Investoren und strategische Allianzen bemühen darf.533 Es kann für den Vorstand be529 Grunewald, AG 2001, 288, 290; Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 145; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 13; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259; Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 7; Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 6. 530 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5; Kessler, AG 1995, 120; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, S. 10; Goette, in: FS 50 Jahre BGH (2000), 123, 125; Henze, BB 2000, 209 f.; Immenga, AG 1992, 81; Hüffer, Aktiengesetz, § 76, Rn. 8; Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 4; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243. 531 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 29. 532 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 244. 533 Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 544; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 14; Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 7.
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rechtigterweise von vitalem Interesse sein, ob die Gesellschaft abhängig ist oder nicht oder etwa ob sich die Aktien der Gesellschaft im Streubesitz befinden. Martens bemerkt zutreffend, dass Aktionäre nicht nur als Kapitalgeber angesehen werden können – diese Rolle erschiene tatsächlich weitgehend gesellschaftsneutral –, sondern die Aktionäre über ihre Kapitalinteressen hinaus zahlreiche, ganz unterschiedliche, für die Gesellschaft keinesfalls irrelevante Interessen in die Gesellschaft einbringen können.534 Z. T. wird es daher sogar als allgemeine Pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat angesehen, sich fortlaufend um eine Pflege der Aktionärsbeziehungen zu bemühen und im Einzelfall auf eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse hinzuwirken oder eine solche Veränderung abzuwehren.535 Für die Geschäftspolitik der Gesellschaft kann es etwa von großem Belang sein, ob sich Aktien des Unternehmens – etwa entsprechend seiner internationalen Ausrichtung im Zeichen der Globalisierung – in den Händen ausländischer Anleger befinden.536 Auch die Rechtsprechung befürwortet kein generelles Verbot einer Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises. Der BGH hatte im Jahre 1994 über die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses einer deutschen Großbank zu entscheiden. Dieser Hauptversammlungsbeschlusses ermächtigte den Vorstand zeitlich befristet, das Grundkapital mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe neuer Aktien gegen Geldeinlagen einmalig oder mehrmals um einen nach oben limitierten Betrag zu erhöhen.537 Das Bezugsrecht der Aktionäre war durch die Hauptversammlung in der Ermächtigung ausgeschlossen worden. Die Hauptversammlung stützte den Bezugsrechtsausschluss auf die Geschäftspolitik, die auf eine Verbreitung der Aktionärsbasis der Gesellschaft im Ausland abzielte, und zwar einerseits durch Börsengänge an den Börsenplätzen New York sowie gegebenenfalls Madrid und Mailand, und andererseits durch Aktienplacierungen an den Börsen in London und Paris, wo die Gesellschaft bereits gelistet war. Der BGH legte an den zu überprüfenden Hauptversammlungsbeschluss noch den strengen Maßstab an, den er in der Entscheidung „Kali und Salz“538 gefordert hatte. Die Richter stellten fest, dass die Zulassung der Aktie einer größeren Aktiengesellschaft zum Handel an der ausländischen Börse anerkannter Maßen in deren sachlichem Interesse liegt.539 Im 534
Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 545. Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 546. 536 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 14; Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, 1. Aufl., § 33, Rn. 7. 537 BGH 7.3.1994, BGHZ 125, 239 = NJW 1994, 1410 – „Deutsche Bank Kapital“; siehe hierzu Bungert, WM 1995, 1. 538 BGH 13.3.1978, BGHZ 71, 40 = NJW 1978, 1316 – „Kali + Salz“; aufgeben durch BGH 23.6.1997, BGHZ 136, 133. 539 BGH 7.3.1994, BGHZ 125, 239, 242. 535
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vorliegenden Zusammenhang kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die Karlsruher Richter das genehmigte Kapital unter Bezugsrechtsausschluss als verhältnismäßiges Mittel ansahen, um den Kreis der Aktionäre um Anteilseigner in den USA und innerhalb Europas zu erweitern. Ausdrücklich stellt der BGH fest, dass das Konzept der Aktionärserweiterung voraussetze, dass eine breite Streuung der Aktien erreicht wird.540 Vordergründig scheint der BGH damit primär der Hauptversammlung das Recht einzuräumen, Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen, denn die Hauptversammlung selbst hatte in der Ermächtigung den Bezugsrechtsausschluss ausgesprochen. Die Ausnutzung der Ermächtigung war aber in die Hände des Vorstands gelegt. Nach Ansicht des BGH darf der Vorstand, wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht, in dem von der Ermächtigung vorgezeichneten Rahmen selbst entscheiden, an welchen der avisierten Börsenplätzen die Aktien aus dem genehmigten Kapital placiert werden sollen.541 Ebenso konnte die Entscheidung über die Höhe des Emissionsvolumens nach Ansicht des BGH zulässigerweise durch den Vorstand getroffen werden.542 Der BGH hat damit im Ergebnis gebilligt, dass der Vorstand durch die Ausnutzung der Ermächtigung gezielt und zweckgerichtet auf den Aktionärskreis Einfluss nehmen darf.543 Die These eines generellen Verbots der Einflussnahme auf den Aktionärskreis ist mit dieser Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Das Handeln eines Vorstands, der sich um eine optimale Aktionärsstruktur bemüht, wird man daher nicht per se als eigennütziges Handeln zwecks Wahrung eigener Besitzstandsinteressen diskreditieren können.544 Die Auffassung, dass ein generelles Verbot der Einflussnahme auf den Aktionärskreis nicht zutreffend ist, scheint sich auch bei der gesetzgeberischen Entwicklung des übernahmerechtlichen Verhinderungsverbots durchgesetzt zu haben: die Begründung zu § 31 DiskE-ÜG545 verweist noch auf das vermeintlich existierende Verbot der Einflussnahme auf den Aktionärskreis. Die entsprechende Textpassage wurde aber in der Begründung zu § 33 WpÜG546 – aus gutem Grund – gestrichen. Die These eines generellen, innerhalb wie außerhalb eines Übernahmeverfahrens geltenden Verbots für den Vorstand, auf den Kreis der Aktionäre Einfluss zu nehmen, kann nach alledem nicht überzeugen. 540
BGH 7.3.1994, BGHZ 125, 239, 242 ff. BGH 7.3.1994, BGHZ 125, 239, 247 ff. 542 BGH 7.3.1994, BGHZ 125, 239, 250. 543 Ebenso von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 73. 544 Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 543. 545 Abgedruckt bei: Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 269, 335 f. 546 BT-Drucks. 14/7034, S. 57. 541
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
c) Aktienrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG) Manche Stimmen in der Literatur sehen das Neutralitätsgebot als Ausfluss des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (§ 53 a AktG).547 Auch die Rechtsprechung rekurriert den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Grundlage einer Neutralitätspflicht.548 Mertens stellt im Ausgangspunkt fest, dass es der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre dem Vorstand verbiete, bei Auseinandersetzungen zwischen Aktionären ohne sachlichen Grund Partei zu ergreifen.549 Damit spricht er sich dafür aus, den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG) für die Begründung einer Neutralitätspflicht fruchtbar zu machen, jedenfalls in solchen Fällen, in denen die derzeitigen Aktionäre Auseinandersetzungen um Anteile und Herrschaft in der Aktiengesellschaft austragen – namentlich wenn ein Aktionär seine schon bestehende Beteiligung aufstocken möchte, um die Kontrolle über die Gesellschaft zu erlangen oder um sie abzusichern. In der Literatur sind ihm einige Stimmen gefolgt.550 Problematisch sind aber Fälle, in denen der Bieter noch nicht Aktionär der Zielgesellschaft ist.551 Nach h. M. können sich nur gegenwärtige Aktionäre, nicht auch Dritte, auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.552 Eine Neutralitätspflicht gegenüber einem Bieter, der zur Zeit der Abgabe des Angebots keine Anteile an der Zielgesellschaft besitzt, wird auch von den Befürwortern einer Neutralitätspflicht aus § 53 a AktG überwiegend abgelehnt.553 Eine Vorwirkung des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch auf Nichtaktionäre könne nicht angenommen werden.554 Dies ist kon547
Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 122; Mertens, in: KK-AktG, 18, 26; Michalski, AG 1997, 152, 159; Schanz, NZG 2000, 337, 340; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157 f.; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 247; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76, Rn. 15; vgl. auch Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 167. 548 LG Düsseldorf 14.12.1999, AG 2000, 233 f. – „Mannesmann/Vodafone Airtouch plc.“; in diese Richtung auch OLG Celle 19.07.2006, ZIP 2006, 1768 = WM 2006, 1726 (indes ohne Bezug zu einem förmlichen Übernahmeverfahren); offengelassen von BGH 22.10.2007, AG 2008, 164. 549 Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 18. 550 Hopt, ZGR 1993, 534, 545 f.; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 122; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1376, 1394; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234. 551 Hopt, ZGR 1993, 534, 545 f.; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1376, 1394. 552 Kort, in: FS Lutter (2000), S. 1421, 1437; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 247; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, § 53, Rn. 5. 553 Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 33, Rn. 7; Hopt, ZGR 1993, 534, 540 ff.; a. A. offenbar Michalski, AG 1997, 152, 159.
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sequent, da die h. M. spiegelbildlich auch nicht davon ausgeht, dass ein gesellschaftsexterner Dritter den Aktionären der Gesellschaft aus der aktienrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sei.555 Wer in § 53 a AktG eine Grundlage für eine Neutralitätspflicht der Verwaltung gegenüber dem Bieter erblicken möchte, muss also danach unterscheiden, ob der Bieter bereits Aktien an der Zielgesellschaft hält oder nicht. Das Bestehen einer mit weit reichenden Konsequenzen verbundenen Neutralitätspflicht würde also davon abhängen, ob der Bieter mindestens eine Aktie an der Zielgesellschaft besitzt. Ob der Bieter aber bereits Aktionär ist oder nicht, kann letztlich vom Zufall abhängen. Dieses Ergebnis erscheint willkürlich. Daher ist der Gleichbehandlungsgrundsatz als Fundament eines Neutralitätsgebots insgesamt in Frage gestellt worden. Wer eine Neutralitätspflicht der Verwaltung der Zielgesellschaft aus § 53 a AktG herleite, müsse zwingend – entgegen der ganz h. M.556 – auch eine solche der Hauptversammlung bejahen. Denn auch die Hauptversammlung ist an § 53 a AktG gebunden und kann über den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht disponieren – jedenfalls nicht ohne Zustimmung des betroffenen Aktionärs.557 Gegen die Ableitung eines Verhaltensstandards der Verwaltung bei Vorliegen eines Übernahmeangebots aus § 53 a AktG sprechen indes auch grundlegende Gesichtspunkte. Maier-Reimer stellt die richtige Frage. Was gehört zum Regelungszweck des Gleichbehandlungsgebots? Er kommt zu dem Ergebnis, dass das Interesse einer Person, Aktionär an einer Aktiengesellschaft zu werden, außerhalb des Regelungszwecks des Gleichbehandlungsgebots liegt.558 Folgt man dem, kann das Interesse des Bieters, Mehrheitsaktionär zu werden, erst recht nicht unter dem Schutze des § 53 a AktG verfolgt werden. Dieses Ergebnis wird der Funktion des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gerecht. Das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot ist ein Instrument des Minderheitenschutzes.559 Das Bestehen einer Gleichbehandlungspflicht kann nur in Frage stehen, wenn eine Person über einseitige Gestaltungsmacht verfügt, sie also in der Lage ist, Maßnahmen nach ihrem Willen durchzusetzen, auch wenn die Maßnahme andere Personen betrifft, die mit der Maßnahme nicht einverstanden sind.560 Des Weiteren setzt die 554
Hopt, ZGR 1993, 534, 546. Joussen, BB 1992, 1075, 1079; a. A. offenbar Weber, Treubindungen, S. 377 f. 556 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260. 557 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 13. 558 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 13. 559 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 II 2 a, S. 429. 560 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 II 2 a, S. 429. 555
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Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes den kollektiven Bezug der Maßnahme zu einer Gruppe voraus, die mit den betroffenen Personen vergleichbar ist. Es genügt hierfür jede Personenmehrheit, die durch ihr Selbstgefühl verbunden ist und sich als eine gleichwertige und deshalb gleich zu behandelnde Gruppe versteht.561 Ist der Bieter noch kein Aktionär der Zielgesellschaft, fehlt es bereits an einer einseitigen Gestaltungsmacht des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft gegenüber dem Bieter, da die Entscheidungen des Managements der Zielgesellschaft den Bieter nicht binden. Ist der Bieter bereits Aktionär der Zielgesellschaft müsste ein kollektiver Bezug zu einer vergleichbaren Personengruppe bestehen. Als Vergleichsgruppe kommen die sonstigen Aktionäre der Zielgesellschaft in Betracht, also die Adressaten des Angebots. Es liegt auf der Hand, dass die Adressaten des öffentlichen Erwerbsangebots im Verhältnis zum Bieter keine vergleichbare Personengruppe bilden. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Bieter – im Gegensatz zu den übrigen Aktionären – das öffentliche Erwerbsangebot nicht annehmen kann. Denn er kann nicht zugleich als Erwerber und Veräußerer der Anteile fungieren. Der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gibt damit für eine Neutralitätspflicht der Verwaltung nichts her. d) Unzulässige Vorwegnahme einer Hauptversammlungsentscheidung über Strukturänderungen, die Auflösung der Gesellschaft oder eine Änderung des Verbandszwecks aa) Begründungsansätze Aus der Zuständigkeit der Hauptversammlung für strukturändernde Maßnahmen leiten andere Autoren ein Neutralitätsgebot des Vorstands ab. Mit einer gewissen Verwandtschaft zur Argumentation Mestmäckers ist gedanklicher Ausgangspunkt, dass Abwehrmaßnahmen der Verwaltung verhinderten, dass ein Bieter die Mehrheit in der Hauptversammlung erwirbt und er dadurch auch bestimmte Entscheidungen der Hauptversammlung der Zielgesellschaft nicht in seinem Sinne gestalten könne. Welches sind die Entscheidungen, die als so bedeutsam erachtet werden, dass sie nicht nur der aktuellen, sondern auch einer künftigen Hauptversammlungsmehrheit offen gehalten werden sollen? Während Mestmäcker, wie gezeigt, die Entscheidung zur Neubesetzung des Aufsichtsrats als entscheidend ansieht,562 wollen andere Autoren alle Hauptversammlungsbeschlüsse, die eine Umstrukturierung der Gesellschaft oder eine Desinvestition im Wege der Auflösung 561 562
Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 II 2 a, S. 429. Siehe oben § 9 III.3.a)aa).
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der Gesellschaft563 zum Gegenstand haben, auch einer künftig geänderten Hauptversammlungsmehrheit konservieren.564 Ein Vorstand, der Verteidigungsmaßnahmen ergreift, handle regelmäßig mit dem Ziel, den Bieter als künftigen Mehrheitsaktionär an der Ausübung dieser Rechte zu hindern.565 Abwehrmaßnahmen seien letztlich nichts anderes als eine „vorgezogene gezielte Beeinflussung der Willensbildung in der Hauptversammlung“, die dem Vorstand aus kompetenzrechtlichen Erwägungen verwehrt sei.566 Methodisch handle es sich um eine verbandsverfassungsrechtliche Reduktion der Leitungsmacht und das Neutralitätsgebot daher um eine Organpflicht des Vorstands.567 Ein so begründetes Neutralitätsgebot des Vorstands ließe sich ohne Not auch auf den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft übertragen. Der Aufsichtsrat hätte ebenso wie der Vorstand die „Anwartschaft“ des Bieters auf eine künftige Umstrukturierung oder Auflösung der Zielgesellschaft durch Beschluss der Hauptversammlung zu respektieren. Ebenso wie Dimke/Heiser sieht auch Mülbert Verteidigungsmaßnahmen als die Verhinderung von möglichen Hauptversammlungsentscheidungen eines neuen Mehrheitsaktionärs an. Mülbert hingegen stellt auf die Entscheidung der Hauptversammlung über die Unabhängigkeit der Gesellschaft ab.568 Die Begründung der Abhängigkeit der Gesellschaft i. S. d. § 17 AktG verändere den Verbandszweck dieser Gesellschaft kraft Gesetzes. Denn § 311 AktG modifiziere den Eigenwillen der Gesellschaft bzw. die Vorgabe autonomer Geschäftsführung.569 Verteidigungsmaßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Unabhängigkeit der Gesellschaft zu erhalten und das Eingreifen des § 311 AktG verhindern sollen, beträfen den Verbandszweck und zwar insoweit, als der gegenwärtige Verbandszweck – Unabhängigkeit der Gesellschaft – bestätigt werde. Eine Entscheidung hierüber läge nach Mülbert in der ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung nach den Grundsätzen der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung des BGH.570 Die Ausführungen Mülberts können aber nicht als Versuch verstanden werden, die Geltung des Neutralitätsgebots umfassend zu begründen. Vielmehr nimmt Mülbert von vornherein nur solche Abwehrmaßnahmen des Vor563
Gemäß § 262 Abs. Nr. 2 AktG. Hopt, ZGR 1993, 534, 550; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 246. 565 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 246. 566 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 246; Dimke, Neutralitätspflicht, S. 505 f. 567 Widersprüchlich Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 246 (Organpflicht), 251 (Kompetenznorm). 568 Mülbert, IStR 1999, 83, 88. 569 Mülbert, IStR 1999, 83, 88. 570 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 288; derselbe, IStR 1999, 83, 88. 564
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stands in den Blick, die sich allein gegen eine drohende faktische Abhängigkeit der Gesellschaft als Konsequenz eines feindlichen Übernahmeangebots richten.571 Andere Abwehrmaßnahmen des Vorstands sollen zwar auch nach Ansicht Mülberts dem Neutralitätsgebot unterfallen, aber in Form einer – nicht näher hergeleiteten – Organpflicht. Verglichen mit dem Ansatz von Dimke/Heiser bleibt Mülbert daher auf halbem Wege stehen, wenngleich die Ausgangspunkte der beiden Ansichten nahe beieinander liegen. Mülbert fixiert sich, genauso wie Dimke/Heiser, auf die Vorstandspflichten. Seine Ansicht würde aber auch, unterstellte man sie als zutreffend, die Pflichtenlage des Aufsichtsrats betreffen: Denn die Entscheidung der gegenwärtigen Hauptversammlung über die Beibehaltung der Unabhängigkeit der Gesellschaft dürfte, wenn man Mülberts Ansatz weiterverfolgte, durch kein anderes Gesellschaftsorgan vorweggenommen werden, also weder durch den Vorstand, noch durch den Aufsichtsrat. bb) Stellungnahme Wie sind diese Auffassungen zu bewerten? Der Ansicht von Dimke/Heiser müssen diejenigen Einwände entgegengehalten werden, die bereits andere Begründungsansätze ins Wanken brachten: Das Aktienrecht schützt nicht einen potentiellen zukünftigen Mehrheitsaktionär dabei, nach einem etwaigen Kontrollerwerb die Zielgesellschaft durch Hauptversammlungsbeschlüsse umzugestalten oder aufzulösen. Die Zuständigkeit für strukturändernde Maßnahmen und für die Auflösung der Gesellschaft liegt bei den gegenwärtigen Aktionären, nicht bei einer Person, welche die Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft nur beabsichtigt, sie aber aktuell nicht innehat. Das Konzept von Dimke/Heiser kann daher nicht überzeugen. Aus demselben Grunde kann Mülbert nicht gefolgt werden, soweit er davon ausgeht, der Vorstand dürfe eine ungewisse, künftige Änderung des Verbandszwecks durch den Bieter nicht vereiteln. Aber auch soweit Mülbert darauf abstellt, dass der Vorstand durch Abwehrmaßnahmen den Verbandszweck bestätige und dies Sache der Hauptversammlung sei, ist Kritik angezeigt. Zum einen ist die Auffassung, dass die Unabhängigkeit der Gesellschaft zum Verbandszweck gehöre, nicht unbestritten. Der Verbandszweck bezeichnet die verbindliche Leitidee des Zusammenschlusses der Gesellschafter, die mehrheitsfeste Geschäftsgrundlage der Gesellschaft.572 Dazu wird die Verfolgung des Unternehmensgegenstands durch freie, unabhän571 572
Mülbert, IStR 1999, 83, 88. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 24 III 4 b, S. 700 m. w. Nachw.
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gige Tätigkeit für Rechnung der Aktionäre gerechnet.573 Eine Aussage darüber, von wem die konkreten Entscheidungen über die Wahl des Mittels zur Verwirklichung der Leitidee zu treffen sind, wird damit nicht getroffen.574 Auch in der abhängigen Gesellschaft ist weiterhin das Eigeninteresse der Gesellschaft und das ihrer Aktionäre maßgeblich, lediglich punktuell wird der Eigenwille der Gesellschaft durch einen fremden Willen überlagert.575 Der Vorstand einer Aktiengesellschaft bleibt daher auch dann zur eigenverantwortlichen Leitung verpflichtet, wenn die Gesellschaft in die Abhängigkeit gerät und § 311 AktG eingreift.576 Eine Neutralitätspflicht der Verwaltung der Zielgesellschaft mit dem möglichen Eingreifen des § 311 AktG zu begründen, hieße § 311 AktG als Vorschrift zu begreifen, die ein Unternehmen davor schützt, die Herrschaft über ein anderes Unternehmen zu erlangen. Das herrschende Unternehmen würde so schon vor Eingreifen des Abhängigkeitsverhältnisses privilegiert. Demgegenüber sollen die §§ 311 ff. AktG nicht das herrschende Unternehmen schützen, geschweige denn mittels eines vorwirkenden Schutzes, sondern dem besonderen Schutzbedürfnis der abhängigen Gesellschaft sowie ihrer Gläubiger und außen stehenden Aktionäre Rechnung tragen.577 § 311 AktG soll damit die abhängige Gesellschaft schützen, nicht die Entstehung eines Abhängigkeitsverhältnisses ungestört von Abwehrmaßnahmen begünstigen.578 H. Krause weist zu Recht darauf hin, dass bei wertender Betrachtungsweise eine Änderung des Verbandszwecks der abhängigen Gesellschaft bei Eingreifen des § 311 AktG nicht angenommen werden kann: Die Pflicht des herrschenden Unternehmens zur Ausgleichung der mit einer Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen verbundenen Nachteile, stellt die abhängige Gesellschaft so, wie sie ohne eine Öffnung ihres Eigeninteresses für die Interessen des herrschenden Unternehmens stünde.579 Selbst wollte man in der Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses im Verhältnis zum Bieter eine Änderung des Verbandszwecks erblicken, bleibt Mülbert die Beantwortung der Frage schuldig, warum die Hauptversammlung der Zielgesellschaft diesen Verbandszweck anlässlich des Übernahmeangebots soll bestätigen müssen. Ein Eingriff in die Zuständigkeit 573 Lutter, in: FS Barz (1974), S. 199, 212 f.; Schilling, in: FS Hefermehl (1976), S. 383 390; H. Krause, AG 2000, 217, 221; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 157. 574 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 247. 575 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311, Rn. 5. 576 Koppensteiner, in: KK-AktG, § 311, Rn. 139; Habersack, in: Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, § 311, Rn. 10. 577 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311, Rn. 1. 578 Ähnlich H. Krause, AG 2000, 217, 221. 579 H. Krause, AG 2000, 217, 221.
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der Hauptversammlung zur Änderung des Verbandszwecks durch die Verwaltungsmitglieder erschiene nahe liegender, wenn eine Maßnahme ins Werk gesetzt werden soll, die dem aktuellen Verbandszweck entgegenläuft. Ein Neutralitätsgebot der Verwaltung, das mit der Holzmüller/GelatineZuständigkeit der Hauptversammlung für Änderungen des Verbandszwecks begründet wird, kann daher keine Geltung beanspruchen. e) Unzuständigkeit des Vorstands für einen Eingriff in die ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung Der Terminus Neutralitätspflicht kann auch als Umschreibung einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung für alle Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot verstanden werden, also unabhängig davon, ob sie den Verbandszweck ändern, wie von Mülbert vorausgesetzt, oder nicht. Legt man die in den Entscheidungen Holzmüller580 und Gelatine581 umrissene Rechtsprechung des BGH zugrunde, kommt eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit in Betracht, wenn die Abwehrmaßnahmen so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass das Management der Zielgesellschaft vernünftigerweise nicht annehmen könne, es dürfe die Abwehrmaßnahmen in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen. Bei der Subsumtion unter diese Grundsätze sieht man sich mit der Frage konfrontiert, ob die Voraussetzungen einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit in Bezug auf eine ganz bestimmte Verteidigungsmaßnahme gegeben sein müssen (isolierte Betrachtung der Einzelmaßnahme), oder ob alle Verteidigungsmaßnahmen zusammen – als Bündel – die Schwelle zur Begründung einer Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit überschreiten müssen (Gesamtbetrachtung). Die h. M. spricht sich für eine isolierte Betrachtung der einzelnen Abwehrmaßnahmen aus.582 Dementsprechend müssen Maßnahmen, die außerhalb eines Übernahmeverfahrens der Zustimmung der Hauptversammlung nach Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen bedürfen, auch bei Vorliegen eines Übernahmeangebots von der Hauptversammlung entschieden werden. Ob für eine Maßnahme zur Übernahmeabwehr eine Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung begründet ist oder nicht, richte sich also nach der jeweiligen, konkreten Einzelmaßnahme und müsse daher auch für jede einzelne Abwehrmaßnahme gesondert begutachtet werden. In eine ungeschrie580 581 582
BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122. BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30. H. Krause, AG 2000, 217.
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bene Hauptversammlungszuständigkeit kann etwa fallen die Veräußerung von wesentlichen Vermögensgegenständen der Zielgesellschaft mit dem Ziel, die Zielgesellschaft für den Bieter weniger attraktiv erscheinen zu lassen (sog. crown-jewel-defence583), wenn der Verkauf der Vermögenswerte schon nach allgemeinem Aktienrecht und unabhängig vom Vorliegen eines Übernahmeangebots der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Das LG Düsseldorf, das im Übernahmekampf zwischen der Vodafone Airtouch plc. und der Mannesmann AG über eine einstweilige Verfügung zu befinden hatte, überprüft ebenfalls die ganz konkret ergriffene Abwehrmaßnahme daraufhin, ob sie nach Holzmüller-Grundsätzen von der Hauptversammlung zu entscheiden ist oder nicht.584 Eine Mindermeinung im Schrifttum moniert dies.585 Es sei ein Fehler, wenn für die Prüfung des Vorliegens einer Hauptversammlungszuständigkeit isoliert auf eine konkrete Abwehrmaßnahme abgestellt würde und nur solche Einzelmaßnahmen einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz unterstellen zu wollen, die einer Strukturveränderung mit Holzmüller-Qualität gleichstehen.586 Vielmehr komme es darauf an, ob die konkret initiierte Abwehrmaßnahme im Zusammenwirken mit den weiteren ergriffenen Maßnahmen die Eignung aufweise, die Übernahme zu vereiteln.587 Damit soll letztlich den Ausschlag geben, ob die Gesamtheit aller Verteidigungsmaßnahmen als Bündel bei einer Gesamtbetrachtung die Voraussetzungen einer Holzmüller/Gelatine-Hauptversammlungszuständigkeit erfüllt, also die Verteidigung in all ihren Facetten insgesamt derart tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreift, dass der Vorstand bzw. Aufsichtsrat vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe Abwehrmaßnahmen in ausschließlich eigener Verantwortung treffen. Dimke/ Heiser plädieren für eine solche Gesamtbetrachtung.588 Verteidigungsmaßnahmen stellten einen schwerwiegenden Eingriff sowohl in die Mitgliedschaftsrechte als auch in das Vermögensinteresse der Aktionäre dar, der die Annahme einer Hauptversammlungszuständigkeit rechtfertige. Wie begründen die beiden Autoren die Behauptung, Verteidigungsmaßnahmen würden einen empfindlichen Eingriff in das Vermögensinteresse und die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre darstellten und daher generell dem Charakter einer Strukturmaßnahme im Sinne der Holzmüller-Entscheidung gleichwertig sein? Im Zentrum der Überlegungen stehen die Ver583 Siehe hierzu H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 103 ff.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 113. 584 LG Düsseldorf, 14.12.99, AG 2000, 233, 235. 585 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 250. 586 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 250. 587 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 250. 588 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 250.
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mögensinteressen der Aktionäre, so wie sie das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet hat: Die vermögensrechtliche Stellung der Aktionäre ist in dem gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er ausgeschüttet wird, in dem Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen sowie dem Recht auf Teilnahme an dem Liquidationserlös begründet.589 Hierin erschöpft sich die Funktion des Aktieneigentums für den Aktionär nicht. Das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass das Aktieneigentum eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht einräumt, da die Aktie, gerade bei börsennotierten Gesellschaften, durch eine besonders ausgeprägte Verkehrsfähigkeit geprägt ist. Dem Aktionär ist es deshalb möglich, einen funktionsfähigen Kapitalmarkt vorausgesetzt, praktisch jederzeit, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu desinvestieren.590 Dimke/ Heiser gehen davon aus, dass durch die Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebotes unmittelbar in dieses Vermögensinteresse der Aktionäre eingegriffen werde. Denn durch die Übernahmeabwehr würde den Aktionären letztlich die Möglichkeit genommen, ihre Aktien zu einem regelmäßig deutlich über dem gegenwärtigen Aktienkurs liegen Wert gewinnbringend an den Bieter zu veräußern.591 Letztlich wollen die beiden Autoren damit aus dem Vermögensinteresse des Aktionärs ableiten, dass er nicht nur ein Recht darauf hat, die Aktien überhaupt am Kapitalmarkt zu veräußern, sondern dass er seinen Anteil bei Vorliegen eines Übernahmeangebots gerade dem Bieter verkaufen kann, weil der Aktionär dadurch regelmäßig in den Genuss der Kontrollprämie gelangt. Neben einem Eingriff in das Vermögensinteresse des Aktionärs beeinträchtige eine Übernahmeabwehr überdies mitgliedschaftliche Rechte des Aktionärs. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestünde eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit. Das Interesse des Aktionärs, durch Ausübung der Mitverwaltungsrechte den Vorstand mittelbar zu kontrollieren, müsse als Ausfluss der mitgliedschaftlichen Stellung des Gesellschafters geschützt werden. Winkelzüge des Vorstands, mit denen er sich der Kontrolle durch die Aktionäre entzieht oder die Kontrollausübung durch die Aktionäre erschwert, enthielten bereits einen Eingriff in das Kontroll- und damit in das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs.592 Denn Abwehrmaßnahmen beeinträchtigten den Aktionär dabei, seine Beteiligung an den Bieter zu veräußern und dadurch von dem Instrument der „externen“ Kontrolle auf dem Markt für Unternehmenskontrolle593 zu profitieren.594 589 BVerfG 27.4.1999, BVerfGE 100, 289, 302 = NJW 1999, 3769 f. = AG 1999, 566 = NZG 1999, 931 = WM 1999, 1666 = ZIP 1999, 1436 – „Altana AG“. 590 BVerfG 27.4.1999, BVerfGE 100, 289, 305. 591 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 250. 592 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 251. 593 Siehe hierzu oben § 2 I.1. 594 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 251.
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Es liegt auf der Hand, dass sich eine Neutralitätspflicht mit der gegebenen Begründung nicht nur an den Vorstand, sondern auch an den Aufsichtsrat der Zielaktiengesellschaft richtet, da eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit von beiden Organen gleichermaßen zu beachten ist. Die Annahme, Abwehrmaßnahmen gegen ein vom Management der Zielgesellschaft nicht unterstütztes Übernahmeangebot, würden eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit der Hauptversammlung begründen, muss jedoch hinterfragt werden. Die beiden Autoren setzen an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach das mit dem Aktieneigentum verbundene Vermögensinteresse des Aktionärs sich in der Möglichkeit manifestiere, die Aktie nach freiem Belieben zu veräußern. Die Frage, inwieweit die Verwaltung der Zielgesellschaft nach Inkrafttreten des WpÜG überhaupt in der Lage ist, durch Abwehrmaßnahmen die Annahme des öffentlichen Angebots durch den einzelnen Aktionär zu vereiteln, braucht an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden.595 Denn das Vermögensinteresse des Aktionärs, soweit es Inhalt des Aktieneigentums ist, kann sich im Ausgangspunkt grundsätzlich nur darauf richten, die Aktien bei Vorhandensein eines entsprechenden Marktes liquidieren zu können, und zwar zu Marktpreisen. Dem Aktieneigentum den Inhalt beizumessen, die Aktie durch Annahme eines ganz bestimmten, öffentlichen Angebots liquidieren zu können, dürfte den Eigentumsbegriff überspannen. Bringt die Verwaltung der Zielgesellschaft durch Abwehrtechniken ein öffentliches Übernahmeangebot tatsächlich zu Fall, steht es dem Aktionär offen, seine Anteile am Kapitalmarkt gleichwohl zu veräußern. Diese Veräußerungsmöglichkeit wird dem Aktionär durch Abwehrmaßnahmen der Verwaltung in keinem Stadium des Übernahmeverfahrens genommen. Das Bundesverfassungsgericht tendiert in seiner Altana-Entscheidung in die gleiche Richtung. Für die Bemessung der Höhe des konzernrechtlichen Abfindungsanspruchs, also bei einem unfreiwilligen Exit der Aktionäre, ist nach der Rechtsprechung der vom herrschenden Unternehmen tatsächlich gezahlte Preis für die Aktien der abhängigen Gesellschaft und damit der darin häufig enthaltene „Paketzuschlag“ oder „Kontrollbonus“ nicht ausschlaggebend. Vielmehr gewährleiste das Eigentumsrecht der außen stehenden Aktionäre diesen nur einen Anspruch darauf, zum tatsächlichen Wert der Anteile abgefunden zu werden. Wenn die Aktionäre bei einem zwangsweisen Ausscheiden aus der Gesellschaft, also bei einem völligen Entfallen der Veräußerungsmöglichkeit über den Kapitalmarkt, nach der Rechtsprechung nur mit dem tatsächlichen Wert der Beteiligung abgefunden werden müssen, kann nichts anderes gelten, wenn ein freiwilliger Exit der Aktionäre bei Fortbestehen der Veräußerungsmöglichkeit über den Kapitalmarkt möglich ist. Auch kann in Ab595
Siehe oben § 5 I.2.a) und unter § 9 IV.1.b).
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Teil 3: Rechtliche Vorgaben für das Verhalten des Aufsichtsrats
wehrmaßnahmen der Verwaltung kein Eingriff in das mitgliedschaftliche Kontrollrecht der Aktionäre erblickt werden. Das Recht zum Austritt aus der Gesellschaft bzw. zur Übertragung der Mitgliedschaft ist kein Kontrollrecht des Verbandsmitglieds, sondern ein Instrument zum Schutz der individuellen Freiheitssphäre jedes Gesellschafters.596 Im Gegensatz zum Kontrollrecht ist das Austrittsrecht (bzw. das Recht zur Übertragung der Mitgliedschaft) nicht auf Teilhabe am Gemeinschaftsverhältnis gerichtet, sondern auf die Lösung aus dem Verbund.597 Der ökonomische Befund, dass ein Markt für Unternehmenskontrolle existiert, kann richtigerweise nicht in die verbandsrechtliche These münden, der Austritt aus der Gesellschaft bzw. die Übertragung der Aktie sei ein mitgliedschaftliches Mittel zur Kontrolle des Managements.598 Eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für solche Abwehrmaßnahmen, die auch außerhalb eines Übernahmeverfahrens nicht in die ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung gehören, besteht damit nicht. Ein Neutralitätsgebot des Vorstands und Aufsichtsrat besteht insoweit also nicht. f) Aktienrechtliche Treuepflicht Eine Mindermeinung geht davon aus, dass zwischen dem Vorstand und den Aktionären der Aktiengesellschaft ein unmittelbares Rechtsverhältnis besteht, nämlich eine aktienrechtliche Treuepflicht.599 Aus dieser Treuepflicht ergebe sich eine Neutralitätspflicht des Vorstands bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots.600 Wie wird eine solche Treuepflicht des Vorstands unmittelbar gegenüber den Aktionären begründet? Van Aubel will diejenigen Argumente heranziehen, die die h. M. zur Begründung der Treupflicht601 des Mehrheitsgesellschafters gegenüber den Minderheitsgesellschaftern anführt. Nach der Rechtsprechung des BGH und der h. M. im Schrifttum schuldet der Mehrheitsaktionär den Minderheitsaktionären Rück596
Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 7 IV S. 392. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 7 II, S. 365. 598 Aus diesem Grunde muss auch denjenigen Ansichten eine Absage erteilt werden, die die aktienrechtliche Neutralitätspflicht der Verwaltung der Zielgesellschaft aus dem Bedürfnis eines funktionierenden Marktes für Unternehmenskontrolle herleiten wollen, vgl. Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 101; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots, S. 77. 599 van Aubel, Vorstandspflichten, S. 128 ff.; ähnlich Rhein, Interessenkonflikt der Manager beim Management Buyout, S. 173 ff., 207 ff. 600 van Aubel, Vorstandspflichten, S. 155 ff. 601 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 II 3, S. 432, weist darauf hin, dass der Begriff „Treuepflicht“ auf die personale Gemeinschaft zugeschnitten ist. 597
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sichtnahme, weil ihm durch seine Stellung als Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit zuwächst, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen.602 Nach Van Aubel kann diese Argumentation auch für eine Treuepflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären fruchtbar gemacht werden, da der Vorstand ebenso wie der Mehrheitsgesellschafter die tatsächliche Möglichkeit habe, die Stellung der Aktionäre zu beeinträchtigen und diese zu schädigen.603 Nicht hinzukommen müsse nach Van Aubel, dass der Schuldner der Rücksichtnahmepflicht selbst Aktionär ist, dies sei vielmehr vernachlässigenswert.604 Wollte man eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Vorstand und den Aktionären bejahen, stünde auch der Annahme einer Treuepflicht des Aufsichtsrats gegenüber den Aktionären nichts entgegen. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten. Die Meinung van Aubels stellt sich in Widerspruch zur ganz h. M., wonach zwischen Vorstandsmitgliedern und Aktionären keine unmittelbaren, durch Treuepflichten überwölbten Rechtsbeziehungen bestehen.605 Nur gegenüber der Aktiengesellschaft selbst besteht nach herrschender Ansicht eine Treuepflicht des Vorstands.606 Auch der BGH hat in seiner „Holzmüller“-Entscheidung festgestellt, dass zwischen dem Vorstand und den Aktionären keine unmittelbare Rechtsbeziehung besteht.607 Die h. M. verdient Zustimmung. Die Annahme einer unmittelbaren Treuepflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären würde das innerverbandsrechtliche Haftungssystem, das der Gesetzgeber durch § 93 AktG bewusst auf die Gesellschaft ausgerichtet hat, grundlegend verändern.608 § 93 AktG 602 BGH 1.2.1988, BGHZ 103, 184; bestätigt durch BGH 20.3.1995, BGHZ 129, 136; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 335 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 II 3 a, S. 432; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 458; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 164; Bungeroth, in: MünchKomm AktG, Vor § 53 a, Rn. 21; Hüffer, Aktiengesetz, § 53 a, Rn. 17 m. w. Nachw.; derselbe, in: MünchKomm AktG, § 243, Rn. 51 m. w. Nachw.; in dieser Richtung bereits RG 31.3.1931, RGZ 132, 149. 603 van Aubel, Vorstandspflichten, S. 139. 604 van Aubel, Vorstandspflichten, S. 139. 605 Zöllner, in: KK-AktG, Einl., Rn. 156; Fleischer, AG 2000, 309, 318; derselbe, WM 2003, 1045, 1046 m. w. Nachw.; derselbe, in: Spindler/Stilz, § 93, Rn. 107. 606 Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 84, Rn. 77; Zöllner, in: KKAktG, Einl., Rn. 153; Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 57 ff.; Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 144 f.; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046. 607 BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122. 608 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93, Rn. 90; Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 469; Fleischer, AG 2000, 309, 319; derselbe, WM 2003, 1045, 1046.
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ordnet ausdrücklich an, dass die Vorstandsmitglieder nur der Gesellschaft gegenüber, nicht auch den Aktionären gegenüber haften. Die Regelung des § 147 AktG, wonach Aktionäre Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand nur bei Vorliegen der dort explizit genannten Voraussetzungen geltend machen können, wäre bei Annahme einer aktienrechtlichen Treuepflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären überflüssig.609 Außerdem ist auf die Folgen einer solchen unmittelbaren Treuepflicht hinzuweisen, nämlich die Möglichkeit multipler Pflichtenkollisionen in der Person des einzelnen Vorstandsmitglieds, verbunden mit einer Extension der Einzelklagerechte.610 Der Gesetzgeber hat eine unmittelbare Haftung der Vorstandsmitglieder nur im Rahmen bestimmter Anspruchsgrundlagen vorgesehen, insbesondere eine Haftung aus § 117 Abs. 2 AktG,611 und wegen unerlaubter Handlung. Dementsprechend hat der BGH in seinen „Infomatec“-Entscheidungen die unmittelbare Haftung von Vorstandsmitgliedern wegen fehlerhafter Information des Kapitalmarktes auf § 826 BGB gestützt und eine Vorstandshaftung wegen Treuepflichtverletzung von vornherein nicht in den Kanon der überprüften Anspruchsgrundlagen mit einbezogen.612 g) Fremdinteressenwahrungspflicht Eine Vielzahl der Vertreter einer die einzelnen Instrumente der Übernahmeabwehr übergreifenden Betrachtungsweise begründet eine Neutralitätspflicht des Vorstands der Aktiengesellschaft gegenüber einem unerwünschten Übernahmeangebot mit der Pflicht des Vorstands zur Fremdinteressenwahrung.613 Diese Meinung setzt an der Stellung des Vorstands im Gefüge der aktienrechtlichen Organverfassung an: Der Vorstand habe als Leitungsorgan der Gesellschaft fremde Interessen zu wahren, nämlich die Interessen der Gesellschaft und damit letztlich die Interessen der Aktionäre, weil diese 609
Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93, Rn. 90; Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 469. 610 Mülbert, in: Großkomm AktG, Vor §§ 118–147, Rn. 194. 611 Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 469. 612 BGH 19.7.2004, BGHZ 160, 135 – „Infomatec I“; BGH 19.7.2004, BGHZ 160, 149 – „Infomatec II“. 613 Dieser Gedanke klingt bereits an bei Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 146; in diese Richtung auch Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26; Adams, AG 1990, 243, 243; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157 f.; Rümker, in: FS Heinsius (1991), S. 683; Michalski, AG 1997, 152; Mülbert, IStR 1999, 83; Hirte/Schander, in: von Rosen/Seifert, Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 341, 348; Hopt, ZGR 1993, 534, 548 ff.; Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, S. 32 ff., 117 ff.; Mertens, AG 1990, 252; Knoll, Übernahme von Kapitalgesellschaften, S. 273; H. Krause, AG 1996, 214, derselbe, WM 1996, 845; derselbe, AG 2000, 217.
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– bei wirtschaftlicher Betrachtung – Eigentümer der Gesellschaft seien.614 Der Vorstand fungiere damit letztlich als „Verwalter fremden Vermögens“615 bzw. als Treuhänder616 der Aktionäre. Jenseits dieser gemeinsamen Grundauffassung haben sich unter dem Dach der Fremdinteressenwahrungspflicht des Vorstands verschiedene Ansichten angesiedelt, die sich gegen die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands aussprechen. aa) Neutralitätsgebot wegen mutmaßlich eigensüchtiger Motivation für Abwehrmaßnahmen (1) Typisierte Gefahr eigennützigen Handelns (Hopt) Den zentralen Aspekt, weswegen Abwehrmaßnahmen des Vorstands nicht mit seiner Stellung als Fremdinteressenwahrer zu vereinbaren sei, sieht ein Teil des Schrifttums in der Gefahr der Verfolgung eigener Interessen durch den Vorstand. Besonders Hopt hat die dogmatische Begründung dieser Meinung geprägt. Eine Neutralitätspflicht des Vorstands besteht nach Ansicht Hopts ohne weiteres, wenn der Vorstand tatsächlich ein Eigeninteresse an einem Scheitern des Übernahmeangebots – oder allgemeiner ausgedrückt: an der Zusammensetzung des Aktionärskreises der Zielgesellschaft617 – hat.618 Dem Umstand, dass der Nachweis eigennützigen Handelns des Vorstands in aller Regel mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, begegnet Hopt mit dem Postulat einer typisierenden Betrachtung: Bei typisierter Betrachtung habe der Vorstand der Zielgesellschaft regelmäßig ein Eigeninteresse am Scheitern des Übernahmeangebots, da er bei einem Erfolg des Angebots mit dem Verlust seines Amtes rechnen müsse.619 Die Gefahr, 614 So die Begründung zum Aktiengesetz 1965, vgl. BT-Drucks. IV/171, S. 92; ebenso BVerfG 7.8.1962, BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 f. – „Feldmühle“; aus dem Schrifttum: Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 122; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1376; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15 II, S. 177; kritisch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 4 I I 2 b, S. 199. 615 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 146; so auch schon in den Protokollen zum AkG 1884, abgedruckt bei Fischer/Goerdeker/ Lutter/Wiedemann, Hundert Jahre moderndes Aktienrecht, S. 485; ebenso Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 6 I 1 b, S. 298; Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 123; ebenso BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30; BGH 21.12.2005, BGHSt 50, 331. 616 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 6 I 1 b, S. 298; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157, 1159; Hirte/Schander, in: von Rosen/Seifert, Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 341, 345; kritisch Müller, in: FS Semler (1993), S. 190, 212. 617 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243, weisen zutreffenden darauf hin, dass die Abwehr einer Übernahme generell als Einwirkung auf die Aktionärsstruktur zur Wahrung bestimmter Interessen beschrieben werden kann. 618 Hopt, ZGR 1993, 534, 546. 619 Sie oben § 1 VIII.2.b).
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dass der Vorstand der Zielgesellschaft mit Abwehrmaßnahmen im angeblichen Interesse des Unternehmens offen oder versteckt eigene Interessen verfolge, ist nach Ansicht Hopts bei Vorliegen eines Übernahmeangebots stets akut.620 Dies rechtfertige die Annahme eines abstrakten Neutralitätsgebots: Die Gefahr eigennützigen Handelns wird durch ein Enthaltungsgebot oder durch Zuständigkeitsentzug aufgelöst. Dem Vorstand sind hiernach grundsätzlich alle Maßnahmen untersagt, die sich als Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises darstellen.621 Das abstrakte Neutralitätsgebot bezeichnet damit eine „grundsätzliche Unzuständigkeit des Vorstands für Verteidigungsmaßnahmen gegen ein Übernahmegebot“.622 Hopt sieht also als entscheidend an, dass der Vorstand regelmäßig Sand ins Getriebe der Übernahmemaschinerie werfen wird, um den drohenden Verlust seines Amtes abzuwenden. (2) Eigennütziger Einsatz von Gesellschaftsmitteln gegen die Aktionäre Ein von Mertens623 aus der Taufe gehobener und im Schrifttum624 weiter entwickelter Ansatz leitet die Geltung eines aktienrechtlichen Neutralitätsgebots625 ebenso wie Hopt aus der Funktion des Vorstands als Fremdinteressenwahrer ab. Indes wird der Akzent der Begründung darauf gesetzt, dass die Übernahmeabwehr eine Inanspruchnahme von Gesellschaftsmitteln voraussetze und dies mit der Funktion des Vorstands als Verwalter fremden Vermögens konfligiere bzw. konfligieren könne. In einem entscheidenden Punkt unterscheiden sich die verschiedenen Vertreter dieser Ansicht nun wiederum. Nach Mertens ist dem Vorstand der Einsatz von Gesellschaftsmitteln zur Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots versagt, wenn er dadurch seine eigene Stellung erhalten möchte.626 Mit anderen Worten ist der Einsatz von Gesellschaftsvermögen zur Übernahmeabwehr nicht per se unzulässig, sondern nur, wenn dies aus eigennützigen Beweggründen des Vorstands geschehe. In eine ähnliche Richtung tendiert Martens. Eine bloße Einflussnahme auf den Aktionärskreis verstoße, entgegen der These von Assmann/ Bozenhardt627, nicht bereits gegen das Neutralitätsgebot. Ausschlaggebend 620
Hopt, ZGR 1993, 534, 548. Hopt, ZGR 1993, 534, 547. 622 Hopt, ZGR 1993, 534, 548. 623 Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. 624 Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 545; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260. 625 Insofern missverständlich: Schlitt, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 33, Rn. 46, der den Ansatz Maier-Reimers dem Kapitalmarktrecht zuordnet. 626 Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. 627 Siehe oben § 9 III.3.b). 621
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sei vielmehr zum einen das Mittel der Einflussnahme, namentlich, ob dabei Gesellschaftsvermögen aufgewendet werden soll, oder nicht.628 Zum anderen würde aber neben den zur Übernahmeabwehr eingesetzten Mitteln auch die Motivation der Verwaltung eine Rolle spielen: Vorstand und auch Aufsichtsrat wäre es selbstverständlich verwehrt, auf die Aktionärsstruktur ausschließlich oder auch nur überwiegend zur Wahrung persönlicher Besitzstandsinteressen einzuwirken.629 Indem sowohl Mertens, als auch Martens ein Neutralitätsgebot nur anerkennen, wenn Gesellschaftsmittel aus eigennützigem Antrieb eingesetzt werden, sprechen sie einem konkreten Neutralitätsgebot das Wort, dessen Eingreifen von subjektiven Momenten auf Seiten des Managements abhängig ist. Erst in Verbindung mit einer typisierenden Betrachtung nach dem Modell Hopts, also der Annahme, dass Vorstand und Aufsichtsrat in einer Übernahmesituation in aller Regel Eigeninteressen verfolgen werden, kann sich hieraus ein abstraktes Neutralitätsgebot ergeben. Die Ansichten, die ein Neutralitätsgebot des Vorstands mit seiner Fremdinteressenwahrungspflicht begründen, würden auch, folgte man ihnen, für eine Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats streiten. Denn ebenso wie die Mitglieder des Vorstands sind auch die Aufsichtsratsmitglieder Fremdinteressenwahrer, die wie ein Treuhänder fremdes Vermögen verwalten.630 Den Anteilseignervertretern droht ebenso der Verlust ihrer Ämter, wenn ein neuer Aktionär die Kontrolle über die Gesellschaft erwirbt: Schon aufgrund der aktienrechtlichen Organverfassung wird einer Auswechslung des Vorstands in aller Regel ein „streamlinen“ des Aufsichtsrats vorangehen, also einer Besetzung des Aufsichtsrats mit solchen Anteilseignervertretern, die für das Konzept des neuen Mehrheitsaktionärs stehen. (3) Stellungnahme Der Ausgangspunkt der Begründung einer Neutralitätspflicht der Verwaltung mit deren Stellung als Fremdinteressenwahrer trifft den Kern des Problems. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind, ebenso wie die des Vorstands, Verwalter fremden Vermögens, „Gutsverwalter“ und nicht „Gutsherren“631. 628
Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 545. Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 545. 630 Semler, in: MünchKomm AktG, § 116, Rn. 173; Wiedemann, in: FS Heinsius (1991), S. 949, 951; Spindler, ZIP 2006, 349, 350; in diese Richtung auch Möllers, NZG 2003, 697, 698. 631 Nach Presseberichten wählte der Senatsvorsitzende Klaus Tolksdorf diese Umschreibung bei der mündlichen Begründung des Revisionsurteils im Strafverfahren gegen die Angeklagten Ackermann, Esser und Zwickel in Zusammenhang mit der Übernahme der Mannesmann AG durch die Vodafone airtouch plc, siehe Handelsblatt, 22. Dezember 2005, Nr. 248/2005, S. 1, „Neuer Prozess gegen Ackermann“. 629
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Die Abwehr eines nicht mit dem Management der Zielgesellschaft abgestimmten Übernahmeangebots wird überdies in der Tat oftmals dadurch motiviert sein, dass Mitglieder der Verwaltung ihre Position als Unternehmenslenker bzw. Unternehmensaufseher nicht verlieren möchten, weil dies mit Nachteilen für die Karriere, für das Prestige und auch in finanzieller Hinsicht sowie dem Verlust von Einfluss verbunden sein kann. Dass das Management eigene Interessen nicht vor die der Aktionäre stellen kann, leuchtet ohne weiteres ein. Ebenso ist zutreffend, dass ein Nachweis eigensüchtigen Handelns des Managements nur sehr schwer zu führen sein dürfte. Aber welche Schlussfolgerungen sind aus diesem Befund zu ziehen? Die Ansichten sowohl von Hopt, als auch von Mertens, stellen auf die Motivation der Verwaltungsmitglieder ab und müssen sich einer typisierenden Betrachtung bedienen, um ein abstraktes Neutralitätsgebot der Verwaltung begründen zu können. Indem sich Hopt für eine typisierte Betrachtung ausspricht, stellt er das Management der Zielgesellschaft unter den Generalverdacht, eigene Interessen vor diejenigen der Aktionäre zu stellen und seiner Fremdinteressenwahrungspflicht nicht nachzukommen. Diesem Generalverdacht will Hopt aber nicht mit einer Darlegungs- und Beweislast-Regel beikommen, sondern mit einer materiell-rechtlichen Rechtsfigur, nämlich der Organpflicht, Abwehrmaßnahmen zu unterlassen. Diese von Hopt vorgeschlagene Antwort der Rechtsordnung greift tief in die aktienrechtliche Organverfassung ein. Ein solch schwerwiegender Eingriff in die komplexe und vom Gesetzgeber wohl austarierte aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung muss präzise erfolgen, und die Folgen des Eingriffs müssen den Interessen der betroffenen Personen gerecht werden. Dabei sind aus verbandsrechtlicher Perspektive auch die Folgen eines umfassenden Neutralitätsgebots für die Aktionäre in den Blick zu nehmen. Soweit sich ein umfassendes Neutralitätsgebot nachteilig für die Interessen der Aktionäre auswirken kann, wird man es nicht vom Fremdinteressenwahrungsgrundsatz ableiten können. Eben dies ist der Fall. Abwehrmaßnahmen, die zu einem Anstieg des Börsenkurses der Zielgesellschaft führen632, können den Bieter dazu veranlassen, sein Übernahmeangebot aufzustocken. Dieser Gedanke klingt auch in der Revlon-Doktrin des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts an.633 Dem Management zu verbieten, Maßnahmen zu ergreifen, die der Kapitalmarkt voraussichtlich mit einer Kurssteigerung belohnt, und die Übernahme für den Bieter damit erschwert, hieße, den Aktionären Steine statt Brot zu geben. Die Fremdinteressenwahrungspflicht der Verwaltung würde pervertiert, wenn sie das Verbot umfasste, den Bieter hinsichtlich seiner Angebotskonditionen, insbesondere der Höhe der Gegenleistung, unter 632 633
Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 99. Siehe oben § 3 II.
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Druck zu setzen. Eine typisierte Betrachtung führt zur Unzulässigkeit von Maßnahmen, die zwar auch aus eigennützigen Gründen vom Management eingesetzt werden, die darüber hinaus aber positive Wirkungen für die Aktionäre zeitigen. Soll dem Aktionär ausnahmslos die Aussicht auf eine – unter dem Druck von Abwehrmaßnahmen zu bewirkende – Erhöhung der Gegenleistung genommen werden, weil die Verwaltung der Gesellschaft unwiderleglich verdächtigt wird, zumindest auch im eigenen, persönlichen Interesse zu handeln? Wer diese Frage uneingeschränkt bejaht, richtet die Fremdinteressenwahrungspflicht letztlich gegen die Aktionäre selbst. Auch ist fraglich, warum Maßnahmen, die den Bieter bei der späteren Kontrollausübung behindern, bereits im Vorfeld gegen den Fremdinteressensgrundsatz verstoßen sollen. Hopt schießt also über das Ziel hinaus, wenn er dem Management alle Maßnahmen untersagen will, die sich gegen das Übernahmeangebot richten, ohne Rücksicht darauf, ob die Abwehrmaßnahmen für die Aktionäre positive oder negative Wirkungen zeitigen. Ebenso sind Maßnahmen für die Aktionäre der Zielgesellschaft indifferent, die eine Übernahme durch den Bieter nur erschweren. Sowohl die Ansicht Hopts, als auch die Mertens knüpfen also an der richtigen Schaltstelle, der Fremdinteressenwahrungspflicht, an. Sie müssen aber unwiderleglich vermuten, dass das Management bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots aus eigennützigen Motiven handelt und wollen ihm daher jede Art von Abwehrmaßnahmen verbieten. Da dieses Verbot für die Aktionäre der Zielgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Adressaten des öffentlichen Erwerbsangebots nachteilig sein kann, erscheint eine typisierende Betrachtung aller Maßnahmen des Managements unter dem Gesichtspunkt der Fremdinteressenwahrungspflicht nicht angemessen. bb) Zweckentfremdung des Gesellschaftsvermögens zum Eingriff in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre (Maier-Reimer) Im jüngeren Schrifttum sind Stimmen laut geworden, die bereits den Einsatz von Gesellschaftsmitteln zur Übernahmeabwehr per se für unzulässig halten – also ohne Rücksicht auf ein etwaig eigennützig motiviertes Verhalten des Vorstands –, weil hierdurch gegen die Pflicht des Vorstands zur Fremdinteressenwahrung verstoßen würde. Hiernach käme es also nicht darauf an, ob der Vorstand die Übernahmeabwehr unter Einsatz von Gesellschaftsmitteln initiiert, um seine Position als Unternehmensleiter zu retten, um auf eine Erhöhung der Gegenleistung hinzuwirken oder etwa weil er das unternehmerische Konzept des Bieters für unzureichend hält. MaierReimer vertritt diese Meinung. Dem Vorstand sei es in seiner Funktion als Verwalter fremden Vermögens untersagt, Mittel der Gesellschaft dazu ein-
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setzen, um Aktionäre an einer Transaktion auf ihrer Ebene zu hindern und dadurch gegen den Willen der Aktionäre eine bestimmte Zusammensetzung des Aktionärskreises herbeizuführen, einzufrieren oder zu verhindern.634 Die Annahme oder Ablehnung des Übernahmeangebots sei allein Sache der Aktionäre und einer Einmischung durch den Vorstand daher entzogen. Es gehe also in Wirklichkeit nicht um die Einflussnahme des Vorstands auf den Aktionärskreis als solchen, sondern um die dazu eingesetzten Mittel.635 Wie auch die anderen Meinungen, die den Pflichtenstandard des Vorstands bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots aus seiner Stellung als Fremdinteressenwahrer ableiten wollen, ist auch die Ansicht MaierReimers auf den Aufsichtsrat übertragbar, da er gleichfalls Verwalter des Eigentums der Aktionäre ist. Maier-Reimer knüpft zutreffend an der Fremdinteressenwahrungspflicht der Mitglieder des Managements an, kommt dabei aber ohne eine undifferenzierende, typisierte Betrachtung der Motivation des Managements aus. Das Bemerkenswerte an der Position Maier-Reimers ist, dass er aus der aktienrechtlich determinierten Stellung des Vorstands als Verwalter des Vermögens der Aktionäre das aktienrechtliche Verbot ableitet, unter Einsatz von Mitteln der Aktionäre in eine Kapitalmarkttransaktion auf deren Ebene einzugreifen. Das zur Übernahmeabwehr eingesetzte Vermögen, das die Aktionäre dem Management der Aktiengesellschaft anvertrauen, scheint damit einen Transmissionsriemen darzustellen, um primär kapitalmarktbezogene Wertungen auch bei der Bestimmung der aktienrechtlichen Pflichten der Verwaltungsorgane berücksichtigen zu können. Gerade dieser aktienrechtliche Transmissionsriemen – Einsatz des fremden Vermögens zur Störung einer den Vermögensinhabern angedienten Kapitalmarkttransaktion – unterscheidet die Position, die Maier-Reimer zur Diskussion gestellt hat, von herkömmlichen Auffassungen der kapitalmarktrechtlichen Begründung des Neutralitätsgebots636. Denn nach herkömmlicher Ansicht wird die Pflicht, einen Eingriff in eine Kapitalmarkttransaktion auf Ebene der Aktionäre zu unterlassen, dem Kapitalmarktrecht zugeordnet, das Neutralitätsgebot wird mit dieser Begründung daher nicht aktienrechtlich, sondern nur kapitalmarktrechtlich begründet.637 Maier-Reimer stellt bei seinem Konzept eines aktienrechtlichen Neutralitätsgebots zutreffend in Rechnung, dass die Annahme des öffentlichen Er634 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260; ähnlich: Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 33, Rn. 4, der vom Ausnutzen der Position des Vorstands als Verwalter des Aktionärsvermögens spricht. 635 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259; Hopt, ZGR 2004, 1, 13; ebenso, aber mit anderen Schlussfolgerungen: Martens, in: FS Beusch (1993), S. 529, 545. 636 Siehe oben § 7 I. 637 In diesem Sinne Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 249; Grunewald, AG 2001, 288, 289.
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werbsangebots durch den Aktionär der Zielgesellschaft eine Transaktion auf der Ebene des Sekundärmarkts638 ist. Ein Verbandsrecht hat von seinem Ansatz her aber keinen Anlass, Transaktionen des Sekundärmarktes zu regeln.639 Abwehrmaßnahmen beziehen sich zwar nicht unmittelbar auf Umsatzgeschäfte am Sekundärmarkt, sollen jedoch einen Mehrheitserwerb verhindern, der am Sekundärmarkt vollzogen wird. Maier-Reimer findet im Merkmal des „Einsatzes des Vermögens der Aktionäre zu Abwehrzwecken“ das Bindeglied, um Maßnahmen der Verwaltung, durch die auf die Transaktion zwischen dem Bieter und dem einzelnen Angebotsadressat eingewirkt wird, dem aktienrechtlichen Pflichtenstandard von Vorstand und Aufsichtsrat zuzuordnen. Kann dieses Bindeglied ein aktienrechtliches Neutralitätsgebot begründen, das alle kapitalmarktrechtlichen Erwägungen in sich aufgenommen hat? Die Frage muss verneint werden. Über das Merkmal der Verwendung von Gesellschaftsmitteln als Mittel zum Eingriff in eine Transaktion auf dem Sekundärmarkt kann ein kapitalmarktrechtlich begründetes Verhinderungsverbot nicht Eins-zu-Eins ins Aktienrecht transferiert werden. Indem Maier-Reimers alle Abwehrmaßnahmen einem aktienrechtlichen Neutralitätsgebot unterwirft, gleichviel, ob die Aktionäre in ihrer Entscheidung über die Annahme des Angebots beeinträchtigt werden oder nicht, bezieht er faktisch die Interessen des Bieters in die Fremdinteressenwahrungspflicht der Verwaltung mit ein. Die Ansicht Maier-Reimers geht mithin zu weit. Im Folgenden wird zu untersuchen sein, inwieweit dieses Konzept in den Rahmen eingepasst werden kann, den die aktienrechtliche Fremdinteressenwahrungspflicht vorgibt. 4. Zwischenergebnis Die Frage, wie sich die Organe der Zielgesellschaft verhalten dürfen, wenn die Gesellschaft Objekt einer Übernahmebegierde wird, wurde ursprünglich anhand eines instrumentellen Ansatzes beantwortet, der an den aktienrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Maßnahme ansetzte, die zur Übernahmeabwehr instrumentalisiert wird. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum sog. Überfremdungsschutz ist durch eine solche Betrachtungsweise geprägt. Die Ansätze von Mestmäcker und Immenga bedienen sich ebenfalls dieser Herangehensweise. Die instrumentelle Betrachtungsweise wich einer übergreifenden Betrachtungsweise, die eine einheit638 Zum Begriff siehe Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.182 ff. (S. 1296 ff.). 639 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 430; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 86.
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liche Regel für alle Maßnahmen aufstellt, die zu Abwehrzwecken ergriffen werden. Diese Regel wird unter dem Schlagwort Neutralitätspflicht der Verwaltung diskutiert. Die h. M. bejaht eine solche Neutralitätspflicht mit den unterschiedlichsten Begründungsansätzen. Vom dogmatischen Ansatz her überzeugend ist es, einen Verhaltensstandard des Managements der Zielgesellschaft aus ihrer Fremdinteressenwahrungspflicht ableiten zu wollen. Der entscheidende Gesichtspunkt kann dabei aber nicht, wie von Hopt angenommen, in der Gefahr erblickt werden, dass das Management mit der Übernahmeabwehr eigene Interessen verfolgt. Vielmehr verbietet es der Fremdinteressensgrundsatz, Gesellschaftsvermögen zur Übernahmeabwehr zu missbrauchen. Maier-Reimer, der diesen Begründungsansatz zur Diskussion stellt, verkennt aber die Reichweite des Fremdinteressenwahrungsgrundsatzes. Er möchte vom Neutralitätsgebot jedwede Abwehrmaßnahme umfasst wissen, auch wenn sie die Interessen der Angebotsadressaten nicht beeinträchtigt. Der im Ausgangspunkt überzeugende Ansatz von Maier-Reimer erweist sich damit als Rohdiamant, den es zu schleifen gilt. IV. Eigene Ansicht: Verbot für das Management, die Aktionäre der Zielgesellschaft darin zu beeinträchtigen, das öffentliche Erwerbsangebot anzunehmen (Exzesshandlungsverbot) Es wurde festgestellt, dass Abwehrmaßnahmen des Vorstands und des Aufsichtsrats gegen ein Übernahmeangebot mit der Stellung dieser Organe als Verwalter des Vermögens der Aktionären konfligieren können, wenn die Organe dazu Gesellschaftsmittel einsetzen.640 Es zeigte sich, dass sich ein umfassendes Verhinderungsverbot aus der Fremdinteressenwahrungspflicht nicht ergibt, dass also nicht jeder Eingriff in die Transaktion auf Ebene der Aktionäre in einem Spannungsverhältnis zur Fremdinteressenwahrungspflicht des Managements steht. Es gilt, den zu weit gehenden Ansatz Maier-Reimers in die Schranken zu weisen, die ihm von der Fremdinteressenwahrungspflicht gezogen werden. Zwei Fragen drängen sich auf. Erstens: Inwieweit verbietet die Fremdinteressenwahrungspflicht dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre einzugreifen? Zweitens, wann kann davon gesprochen werden, dass das Vermögen der Aktionäre zur Übernahmeabwehr benutzt wird?
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Siehe oben § 9 III.3.g)bb).
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1. Beeinträchtigung der Angebotsadressaten, die Offerte anzunehmen Die Ansicht Maier-Reimers fußt auf der Prämisse, dass jede Abwehrmaßnahme des Vorstands als Eingriff in eine Kapitalmarkttransaktion auf Ebene der Aktionäre zu qualifizieren sei. Daher sollen alle Abwehrmaßnahmen, wenn sie unter Einsatz von Gesellschaftsmitteln erfolgen, wegen Verstoßes gegen die Fremdinteressenwahrungspflicht von Vorstand und Aufsichtsrat unzulässig sein. Maier-Reimer schließt aus dem Verbot der Einmischung in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre also auf eine grundsätzliche Unzulässigkeit jedweder Abwehrmaßnahme des Vorstands. Diese Prämisse geht, wie gezeigt, zu weit und bedarf daher einer kritischen Begutachtung. Diese hat am Merkmal des „Eingriffs in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre“ anzusetzen. Die Formulierung erscheint als wenig glücklich. Denn sie suggeriert, dass es eine homogene Gruppe von Protagonisten bei einem Übernahmeangebot gibt, nämlich „die Aktionäre“. Dies aber ist nicht richtig. Wenn der Bieter bereits zum Zeitpunkt der Abgabe des Übernahmeangebots Aktionär der Zielgesellschaft ist, könnte man bei streng formaler Betrachtung in der Tat von einer Transaktion auf Ebene der Aktionäre sprechen, da sowohl Bieter, als auch die Angebotsadressaten Aktieninhaber sind. Nur in diesem Fall könnte man in Abwehrmaßnahmen einen Eingriff in eine Transaktion auf Ebene der Aktionäre sehen. Der Bieter muss aber zur Zeit der Abgabe des öffentlichen Angebots nicht Aktionär der Zielgesellschaft sein. Es sollte daher nicht vom Eingriff in eine „Transaktion auf Ebene der Aktionäre“ die Rede sein. Begriffsschärfer ist es, von einer Kapitalmarkttransaktion zu sprechen, die sich zwischen dem Bieter einerseits und den Angebotsadressaten andererseits anbahnt, nämlich der Veräußerung von Aktien der Zielgesellschaft durch die Angebotsadressaten an den Bieter. Die Präzisierung der Wortwahl ist kein Selbstzweck. Denn sie schärft den Blick dafür, dass sich Abwehrmaßnahmen in zwei Richtungen auf die Marktteilnehmer auswirken können: zum einen in Richtung des Bieters, zum anderen in Richtung der Angebotsadressaten. a) Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG und Abwehrexzesshandlungen Mit Abwehrmaßnahmen wirkt die Verwaltung nicht, wie von Maier-Reimer angeführt, auf ein abstraktes Gebilde – eine sich anbahnende Kapitalmarkttransaktion – ein, sondern auf die Parteien der sich anbahnenden Kapitalmarkttransaktion, genauer: auf das Entscheidungsspektrum von Bieter und Angebotsadressaten. Diese Erkenntnis fördert eine Schwachstelle der Argumentation Maier-Reimers zutage. Für Maier-Reimer werden alle Abwehrmaßnahmen vom Neutralitätsgebot erfasst, weil alle Abwehrmaßnah-
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men nach seiner Ansicht gleichermaßen in die sich anbahnende Kapitalmarkttransaktion eingreifen. Keinen Unterschied soll es nach dieser Auffassung machen, ob sich die Abwehrmaßnahme auf den Entscheidungsprozess des Bieters, der Angebotsadressaten oder auf beide auswirkt und welche Konsequenzen die Maßnahme nach sich zieht. Es spielt daher auch keine Rolle, ob die Offerte des Bieters unter dem Eindruck der Abwehrmaßnahmen nachgebessert und damit eine Annahme des Angebots für die Aktionäre der Zielgesellschaft attraktiver wird. Wenn Maier-Reimer jede Abwehrmaßnahme für unzulässig hält, ohne ihre Stoßrichtung zu berücksichtigen, vernachlässigt er den rein verbandsbezogenen Bezug der Fremdinteressenwahrungspflicht. Die Achillesferse der Argumentation Maier-Reimers wird offensichtlich, wenn der Bieter zur Zeit der Angebotsabgabe noch keine Anteile an der Zielgesellschaft hält. Warum sollte sich aus der verbandsbezogenen Fremdinteressenwahrungspflicht in diesem Fall ein Verbot für den Vorstand ergeben, Maßnahmen gegen das Übernahmeangebot eines gesellschaftsexternen Bieters zu ergreifen, wenn den Aktionären die Möglichkeit erhalten bleibt, selbst über das Angebot zu entscheiden? Erst recht erscheint es nicht nachvollziehbar, der Verwaltung der Zielgesellschaft unter Hinweis auf die Fremdinteressenwahrungspflicht solche Maßnahmen zu verbieten, die den Bieter dazu bewegen können, die Gegenleistung aufzustocken, also die Angebotskonditionen zugunsten der Angebotsadressaten zu verbessern. Aber auch indifferente Maßnahmen, also Maßnahmen, die für die Aktionäre weder von Nutzen, noch von Nachteil sind, stehen mit der Fremdinteressenwahrungspflicht nicht in Widerspruch. Eine Erstreckung der Fremdinteressenwahrungspflicht auch auf Maßnahmen, die keinen aktuellen, sondern einen etwaig künftigen Aktionär betreffen, würde die Fremdinteressenwahrungspflicht überspannen und ihre verbandsrechtlichen Wurzeln negieren. Der Vorstand ist eben nur Verwalter des Vermögens der tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft, nicht auch möglicher Erwerber von Teilen dieses Vermögens. M. a. W.: Der Vorstand hat aktienrechtlich nur die Interessen der aktuellen Aktionäre zu beachten, nicht auch diejenigen von etwaigen künftigen Aktionären. Aber auch dann, wenn der Bieter zur Zeit der Abgabe des Übernahmeangebots bereits Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft ist, kann aus dem Grundsatz der Fremdinteressenwahrung kein an das Management adressiertes Gebot deduziert werden, Maßnahmen zu unterlassen, die auf den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess des Aktionärsbieters einwirken. Das private Sonderinteresse eines einzelnen Aktionärs oder einer Aktionärsgruppe, eine die Kontrolle über die Gesellschaft vermittelnde Anteilsmehrheit zu erlangen, ist von der Fremdinteressenwahrungspflicht von Vorstand und Aufsichtsrat nicht umfasst. Hier kann nichts anderes gelten, als für die Reichweite des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dieses
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verbürgt, wie gezeigt, dem einzelnen Aktionär auch keinen ungestörten Mehrheitserwerb.641 Die Fremdinteressenspflicht soll vielmehr absichern, dass den Aktionären die Möglichkeit der Entscheidung über das ihnen unterbreitete Angebot nicht mit Gesellschaftsmitteln aus der Hand geschlagen wird.642 Die Pflicht zur Wahrung der Aktionärsinteressen verpflichtet die Verwaltung der Zielgesellschaft dagegen nicht, dem Bieter einen reibungslosen und ungehinderten Ablauf des Übernahmeverfahrens zu gewährleisten. Maier-Reimer kann also nicht gefolgt werden, wenn er eine grundsätzliche Unzulässigkeit jedweder Abwehrmaßnahmen mit der Fremdinteressenwahrungspflicht von Vorstand und Aufsichtsrat begründet. Vielmehr können nur solche Maßnahmen gegen die Fremdinteressenwahrungspflicht verstoßen, die eine Annahme des konkreten Angebots durch die Angebotsadressaten beeinträchtigen können. Nur solche Abwehrmaßnahmen, durch die die Entscheidungsfreiheit der Angebotsadressaten über die öffentliche Offerte angetastet wird, wirken gegen die Inhaber des vom Vorstand verwalteten Vermögens. Diese Maßnahmen sollen im Folgenden als Abwehrexzesshandlungen bezeichnet werden. Dadurch soll die Maßlosigkeit des Verhaltens der Verwaltung ausgedrückt werden, das sich nicht nur gegen den Erfolg des Angebots643 richtet, sondern zugleich auch die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre beeinträchtigt.644 Exzesshandlungen sind damit solche Abwehrmaßnahmen der Verwaltung gegen ein öffentliches Übernahmeangebot, die die Angebotsadressaten in ihrer Entscheidung über die Annahme des Angebots beeinträchtigen können. Exzesshandlungen stellen damit grundsätzlich – auf Ausnahmen wird noch einzugehen sein – eine Teilmenge der Abwehrmaßnahmen dar, die unter § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG fallen. Maßnahmen der Übernahmefolgenabwehr645, die dem Bieter die Ausübung eines beherrschenden Einflusses nach der Mehrheitserlangung erschweren, wie beispielsweise die Staffelung von Amtszeiten der Vorstandsmitglieder646, sind geeignet, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Sie richten sich aber nicht gegen die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre. Die begriffliche Unterscheidung zwischen Abwehrmaßnahmen der Verwaltung nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG einerseits und dem hier vorgeschlagenen Begriff der Exzesshandlung andererseits soll 641
Siehe oben § 9 III.3.c). In diese Richtung weist bereits Immenga, SAG 1975, 89, 101. 643 Siehe hierzu oben § 5 I.1. 644 Exzess bezeichnet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Handlung, die durch Maßlosigkeit gekennzeichnet; im Sachenrecht existiert die Figur des „Fremdbesitzerexzesses“. 645 Zur Unterscheidung von Übernahmeabwehr und Übernahmefolgenabwehr siehe Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 91 sowie oben § 5 I.1. 646 Oben § 9 I.1.b). 642
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auch terminologisch dem Umstand Rechung tragen, dass Maßnahmen der Verwaltung, die als Reaktion auf ein unfreundliches Übernahmeangebot ergriffen werden, sowohl die Handlungsparameter des Bieters, als auch die der Angebotsadressaten beeinflussen können. Damit wird auch die Grenzziehung zwischen Aktienrecht und Kapitalmarktrecht gezogen: Ein Schutz des Bieters, das Übernahmeverfahren ungehindert durchzuführen, kann nicht über die Fremdinteressenwahrungspflicht des Vorstands und des Aufsichtsrats erreicht werden. Dies kann nur das Kapitalmarktrecht, namentlich die §§ 33, 33 a, 33 b und 33 c WpÜG, leisten. Die aktienrechtliche Fremdinteressenwahrungspflicht immunisiert vielmehr ausschließlich die Aktionäre der Zielgesellschaft, durch Maßnahmen der „eigenen“ Verwaltung in der Entscheidung über die Annahme des Übernahmeangebots beeinträchtigt zu werden. b) Durch das WpÜG vermittelter Schutz der Adressaten eines unbedingten Angebots vor Exzesshandlungen Welche Maßnahmen der Verwaltung sind als Exzesshandlungen zu qualifizieren? Oben wurden als Exzesshandlungen solche Maßnahmen der Verwaltung der Zielgesellschaft qualifiziert, durch die die Aktionäre der Zielgesellschaft bei der Annahme des Angebots beeinträchtigt werden können.647 Damit stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten das Management der Zielgesellschaft hat, einem annahmewilligen Aktionär, – in einer dem Strafrecht entlehnten Terminologie: einem omnimodo facturus –, die Chance zu nehmen, seine Anteile an den Bieter im Rahmen des Übernahmeangebots zu veräußern. Der Gegenstand dieser Untersuchung bringt es mit sich, nur solche Fallgestaltungen in den Blick zu nehmen, in denen ein öffentliches Übernahmeangebot nach dem WpÜG vorliegt, das WpÜG mithin Anwendung findet. Damit muss dieses Gesetz auch bei der Beantwortung der Frage konsultiert werden, inwieweit die Verwaltung der Zielgesellschaft den Angebotsadressaten die Entscheidung über die Annahme des Angebots aus der Hand schlagen kann. Denn soweit das WpÜG hierzu eine Aussage trifft, überlagert es das allgemeine Aktienrecht648 und determiniert damit zugleich Inhalt und Reichweite der Fremdinteressenwahrungspflicht des Managements. aa) Schutz vor Exzesshandlungen durch §§ 17, 18 i. V. m. § 34 WpÜG Tatsächlich enthält das WpÜG Normen, die die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft vor solchen Beeinträchtigungen schützen, die mit Abwehr647 648
Siehe oben § 9 IV.1.a). Siehe oben § 8.
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maßnahmen der Verwaltung einhergehen können. An erster Stelle ist § 17 WpÜG zu nennen. Diese Vorschrift, die nach Maßgabe des § 34 WpÜG auch für Übernahmeangebote gilt, untersagt dem Bieter Angebote, die als invitatio ad offerendum ausgestaltet sind, d.h. Offerten, bei denen auf Seiten des Bieters noch kein Wille zu einer rechtlichen Bindung vorhanden ist.649 Der Bieter muss demnach ein verbindliches Angebot abgeben. Damit ist ihm grundsätzlich der Weg verbaut, unter dem Eindruck von Abwehrmaßnahmen des Managements der Zielgesellschaft von seinem Übernahmevorhaben abzurücken und einen annahmewilligen Aktionär abzuweisen. M. a. W.: Abwehrmaßnahmen der Verwaltung, und mögen sie noch so massiv sein, verschaffen dem Bieter nach der Konzeption des WpÜG nicht die Möglichkeit, die abgegebene Offerte zurückzunehmen oder ihm angediente Wertpapiere von annahmewilligen Angebotsadressaten abzuweisen. Abgesichert wird die Verbindlichkeit des Erwerbsangebots durch §§ 18 Abs. 1, 34 WpÜG. Hiernach wird die Zulässigkeit bedingter Angebote eingeschränkt.650 Grundsätzlich unzulässig651 sind nach dieser Vorschrift sog. Potestativbedingungen652, d.h. solche Bedingungen, deren Eintritt der Bieter, die mit ihm gemeinsam handelnden Personen, deren Tochterunternehmen oder die Vorgenannten beratende Personen oder Unternehmen ausschließlich selbst herbeiführen können.653 Ebenso wie § 18 Abs. 1 WpÜG soll auch dessen Abs. 2 die Verbindlichkeit des Angebots sicherstellen. Da neben der Vereinbarung von Bedingungen auch Widerrufs- oder Rücktrittsvorbehalte eine einfache Möglichkeit für den Bieter darstellen, sich von seinem Angebot zu lösen, schließt § 18 Abs. 2 WpÜG aus, dass Angebote wirksam mit solchen Vorbehalten versehen werden.654 Hierdurch wird zugleich verhindert, dass eine nach Abs. 1 unzulässige Bedingung als Rücktritts- oder Widerrufsvorbehalt ausgestaltet wird und so die in Abs. 1 genannten Anforderungen umgangen werden.655 649
BT-Drucks. 14/7034, S. 47. BT-Drucks. 14/7034, S. 47; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 18, Rn. 6, weist darauf hin, dass der Gesetzeswortlaut ungenau sei: Nicht das öffentliche Angebot selbst könne bedingt werden, sondern nur die Verträge, die durch Annahme des Angebots zustande kommen. 651 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz findet sich in § 25 WpÜG. 652 Pötzsch, Übernahmerecht, S. 30; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. 11; zum Begriff siehe von Thur, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 275 f.; Heinrichs, in: Palandt, Einf. v. § 158, Rn. 10. 653 Folge einer unzulässigen Bedingung ist die Untersagung des Angebots gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG durch die BAFin, siehe hierzu Lenz/Linke, AG 2002, 361, 363. 654 Zum Widerrufsvorbehalt im öffentlichen Angebot der Vodafone airtouch plc. an die Aktionäre der Mannesmann AG siehe Burgard, WM 2000, 611, 613. 655 BT-Drucks. 14/7034, S. 48; kritisch zum umfassenden Verbot von Widerrufsoder Rücktrittsvorbehalten: Stöcker, NZG 2003, 993, 994. 650
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Abwehrmaßnahmen der Verwaltung der Zielgesellschaft gegen ein – unbedingt abgegebenes – Übernahmeangebot sind nach der Konzeption des WpÜG grundsätzlich nicht geeignet, den Bieter derart in die Knie zu zwingen, dass er sein Übernahmeangebot zurückzieht und den Aktionären damit die Annahmemöglichkeit nimmt. In Hinblick auf eine bestimmte Art von Abwehrmaßnahmen versagt indes der Exzesshandlungsschutz der §§ 17, 18 WpÜG. Ist der Aufsichtsrat zur Erteilung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien zuständig, bietet das WpÜG keinen Schutz der Angebotsadressaten davor, dass der Aufsichtsrat die Zustimmung verweigert. Die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien ist damit immer als Exzesshandlung zu qualifizieren. bb) Schutz vor Exzesshandlungen durch § 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 34 WpÜG Neben einem völligen Fortfall des Angebots würden die Aktionäre der Zielgesellschaft in Hinblick auf die Annahme des Angebots aber auch dann beeinträchtigt, wenn der Bieter aufgrund der Abwehrmaßnahmen die Angebotskonditionen zum Nachteil der Angebotsadressaten ändern könnte, also die Gegenleistung stutzt oder eine andere Art der Gegenleistung wählt. Zu denken wäre etwa daran, dass sich die Übernahme für den Bieter aufgrund von Abwehrmaßnahmen derart verteuert, dass er die Übernahme nicht mehr, wie beabsichtigt, aus seiner „Kriegskasse“ bezahlen kann und er statt eines ursprünglichen Barangebots eigene Aktien als Akquisitionswährung anbieten möchte. Der Zulässigkeit derartiger Angebotsänderungen würden schon aktienrechtlich nicht ungewichtige Bedenken gegenüber stehen. Indes hat der Gesetzgeber Angebotsänderungen spezialgesetzlich normiert: mit § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG sind dem Bieter enge Grenzen bei der Änderung des Angebots gezogen. Die Vorschrift lässt Modifikationen des Angebots durch den Bieter während des Verfahrens nur insoweit zu, als diese aus Sicht der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft zu einer Verbesserung des Angebots führen, ihnen über das ursprüngliche Angebot hinausgehende Handlungsmöglichkeiten eröffnen oder zu einer verstärkten rechtlichen Bindung des Bieters an sein Angebot führen.656 Der Aktionär der Zielgesellschaft ist demnach durch § 21 i. V. m. § 34 WpÜG davor geschützt, dass der Bieter die ursprünglichen Angebotskonditionen unter dem Eindruck von Verteidigungsmaßnahmen des Managements verschlechtert. Anders gewendet: Durch Abwehrmaßnahmen kann das Management nicht bewirken, dass sich das Angebot inhaltlich zum Nachteil der wirtschaftlicher Eigentümer der Aktiengesellschaft verändert. 656
BT-Drucks. 14/7034, S. 49.
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cc) Wille des Gesetzgebers zum Schutz der Aktionäre vor Exzesshandlungen Die §§ 17, 18 und 21 WpÜG bewirken damit funktional einen weit gehenden Schutz der Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft vor Exzesshandlungen der Zielgesellschaft. Denn durch Abwehrmaßnahmen der Verwaltung kann die Chance des Angebotsadressaten, seine Aktien mindestens zu den Konditionen des öffentlichen Angebots zu veräußern, grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden, wenn es sich um ein unbedingtes Angebot handelt. Auch der Wille des Gesetzgebers steht nicht entgegen, den Vorschriften der §§ 17, 18 und 21 WpÜG die Schutzfunktion zugunsten der Aktionäre der Zielgesellschaft vor Exzesshandlungen der Verwaltung zuzusprechen. Die hier vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG einerseits und Exzesshandlungen andererseits sowie die damit verbundene Differenzierung nach der Wirkungsrichtung von Abwehrmaßnahmen war dem Gesetzgeber des WpÜG freilich fremd. Dass die §§ 17, 18 und 21 WpÜG dem Schutz der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft zu dienen bestimmt sind, kann jedoch ernstlich nicht in Frage gestellt werden. Der RegE-WÜG begründet die in § 17 WpÜG normierte Verbindlichkeit des öffentlichen Angebots zwar in erster Linie mit dem Schutz der Zielgesellschaft: § 17 WpÜG sei Ausdruck des in § 3 Abs. 4 S. 2 WpÜG normierten Gedankens, dass die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden dürfe.657 Die Verbindlichkeit des Angebots solle daher die Zielgesellschaft vor Behinderungen schützen, die mit einem unverbindlichen Angebot verbunden sind.658 Indes geht das Schrifttum davon aus, dass § 17 WpÜG nicht nur die Zielgesellschaft schützt, sondern auch ihre Aktionäre.659 Die Gesetzesmaterialien enthalten ebenfalls entsprechende Anhaltspunkte. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 17 WpÜG wird hervorgehoben, dass ein Erwerbsangebot mit gravierenden Folgen nicht nur für das Zielunternehmen, sondern auch für die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft verbunden ist.660 Der Gesetzgeber scheint auch von einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Aktionäre bei Vorliegen eines Übernahmeangebots ausgegangen zu sein. Denn die Gesetzesmaterialien stellen den Zusammenhang zwischen dem Erfordernis eines verbindlichen Angebots 657
BT-Drucks. 14/7034, S. 47. BT-Drucks. 14/7034, S. 47. 659 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 17, Rn. 2; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. 1. 660 BT-Drucks. 14/7034, S. 47. 658
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und der Möglichkeit des Managements, Verteidigungsmaßnahmen auf der Grundlage des § 33 WpÜG zu ergreifen, explizit her.661 Einen Grund für die Verbindlichkeit besonders des feindlichen Übernahmeangebots sprechen die Gesetzesmaterialien an: Das Eingreifen des besonderen Pflichtenstandards des § 33 WpÜG erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn dem Management der Zielgesellschaft ein verbindliches Übernahmeangebot vorliegt.662 Neben den Interessen des Managements der Zielgesellschaft nehmen die Gesetzesmaterialien aber auch die Belange der Aktionäre in den Blick: Wenn in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 17 WpÜG auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 33 WpÜG und die mit einem öffentlichen Angebot verbundenen gravierenden Folgen für die Aktionäre der Zielgesellschaft hingewiesen wird, wird deutlich, dass § 17 WpÜG die Aktionäre mittelbar auch davor in Schutz nehmen will, dass sich der Bieter gerade unter dem Eindruck von Abwehrmaßnahmen der Verwaltung auf die Unverbindlichkeit des Angebots beruft. Bei §§ 17, 18 und 21 WpÜG handelt es sich damit um zentrale Vorschriften für die Bestimmung der Reichweite der Fremdinteressenwahrungspflicht der Verwaltung, da diese Vorschriften Exzesshandlungen der Verwaltung gegen ein unbedingtes Übernahmeangebot ausschließen. dd) Exzesshandlungen aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage? Bei einem ohne Bedingungen unterbreiteten Angebot sichert das WpÜG, wie gezeigt, die Bindung des Bieters an sein Angebot ab: Ergreift das Management der Zielgesellschaft verhinderungsgeeignete Maßnahmen, kann dies nach der Konzeption des WpÜG die Angebotsadressaten grundsätzlich663 nicht darin beeinträchtigen, das Angebot anzunehmen. Eine Exzesshandlungsqualität von Abwehrmaßnahmen wäre aber denkbar, wenn die Einleitung von Abwehrmaßnahmen einen Wegfall der Bindung des Bieters an seine Offerte nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen herbeiführen könnte. Nach einer Literaturmeinung sind die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB auf Übernahmeangebote und sonstige freiwillige Angebote nach dem WpÜG anwendbar.664 Dies könne zu einem 661
BT-Drucks. 14/7034, S. 47. BT-Drucks. 14/7034, S. 47. 663 Eine Ausnahme gilt, wie gezeigt, für die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien. 664 Oechsler, NZG 2001, 817, 822; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 66; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 18, Rn. 35. 662
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Rücktrittsrecht des Bieters führen, wenn sich solche Umstände, die nicht Inhalt der Angebotsunterlage geworden sind, während des Übernahmeverfahrens entscheidend veränderten. Hinzukommen müsse, dass die Vertragsparteien, d.h. der Bieter und der einzelne Angebotsadressat, den auf Grund des Übernahmenangebots geschlossenen Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen haben würden, wenn sie die Veränderung der Umstände vorausgesehen hätten. Zudem müsse für den Bieter eine Bindung an das Angebot unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein. Aufgrund der Besonderheiten des öffentlichen Übernahmeverfahrens käme jedoch nur ein Rücktrittsrecht der Angebotsadressaten gemäß § 313 Abs. 3 BGB in Betracht, eine Vertragsanpassung sei dagegen ausgeschlossen. Nach Geibel/Süßmann soll eine Störung der Geschäftsgrundlage der zwischen Bieter und Angebotsadressaten abgeschlossenen Folgeverträge bei Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft im Regelfall zu bejahen sein.665 Als typischen Anwendungsfall einer Störung der Geschäftsgrundlage werden die Veräußerung der für den Bieter interessanten Unternehmensteile oder signifikante Kapitalmaßnahmen genannt. Folgte man dieser Ansicht, würden verhinderungsgeeignete Maßnahmen i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG, auch wenn sie nicht den Gegenstand einer zulässigen Bedingung darstellen, die Aktionäre regelmäßig darin behindern, die Offerte des Bieters anzunehmen. Denn die Veräußerung der Anteile an den Bieter wäre rückabzuwickeln, wenn dieser von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht. Diese Meinung weist im Ergebnis das Verwendungsrisiko des Bieters den Aktionären der Zielgesellschaft zu: Die Angebotsadressaten tragen nach dieser Ansicht das Risiko, dass die Aktien der Zielgesellschaft infolge von Abwehrmaßnahmen für den Bieter aus wirtschaftlichen oder strategischen Gründen an Attraktivität verlieren. Diese Ansicht ist abzulehnen, wenn eine Abwälzung des Verwendungsrisikos des Bieters auf die Vielzahl von Angebotsadressaten den vom WpÜG getroffenen Wertungen widerspricht. Hiervon gehen Ekkenga/Hofschroer aus.666 Sie weisen darauf hin, dass der Gesetzgeber in den §§ 18, 21 WpÜG eine Entscheidung über die Risikoverteilung bei den Verträgen zwischen Bieter und Angebotsadressaten getroffen hat. Der Gesetzgeber habe eine Befreiung des Bieters von der Bindung an sein Angebot vom Vorliegen einer wirksamen Bedingung abgängig gemacht. Dem Bieter könne zugemutet werde, die aus seiner Sicht wesentlichen Aspekte in der Angebotsunterlage nicht nur zu erwähnen, sondern sie auch zur Bedingung des Angebots zu erheben. Diese vom WpÜG vor665 666
Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 66. Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768, 769.
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genommene Risikoverteilung müsse auch im Rahmen von § 313 BGB Beachtung finden. Diese Ansicht erscheint vorzugswürdig. Die Möglichkeit, dass die Verwaltung der Zielgesellschaft Abwehrmaßnahmen ergreift, wenn ein mit ihr nicht abgestimmtes Übernahmeangebot unterbreitet wird, ist jedem Übernahmeversuch immanent. Es handelt sich um ein typisches Szenario. Eine sorgfältige Vorbereitung eines Takeover verlangt vom Management der Bietergesellschaft eine Einschätzung darüber, ob, in welchem Maße und mit welchen Erfolgsaussichten Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft bevorstehen oder nicht. Auf Seiten der Angebotsadressaten wird man demgegenüber häufig eine heterogene Personenmehrheit vorfinden, vom Kleinaktionär bis hin zum strategischen Investor. Die Fähigkeit des einzelnen Angebotsadressaten, Auswirkungen von Abwehrmaßnahmen auf die wirtschaftlichen und strategischen Ziele des Bieters abschätzen zu können, wird daher unterschiedlich ausgeprägt sein. Dem einzelnen Angebotsadressaten in seiner Rolle als Kapitalanleger wird es oftmals überfordern, derartig komplexe Sachverhalte zu beurteilen. Ein angemessener Schutz des Vertrauens der Aktionärsöffentlichkeit in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts verlangt daher, dass sich der Kapitalanleger für die Verbindlichkeit eines Angebots auf die Angaben in der Angebotsunterlage verlassen darf. Die Durchführung von angebotserfolgsverhindernden Maßnahmen durch das Management der Zielgesellschaft kann daher nicht zu einem Rücktrittsrecht des Bieters führen. Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft, die keinen Bezug zu einer etwaigen Angebotsbedingung haben, können damit die Angebotsadressaten grundsätzlich nicht bei der Annahme des Angebots beeinträchtigen. c) Exzesshandlungsschutz bei bedingten Angeboten Bei Vorliegen eines unbedingten Angebots kann, wie gezeigt, der Angebotsadressat durch Abwehrmaßnahmen der Verwaltung nicht darin beeinträchtigt werden, das Übernahmeangebot anzunehmen: Exzesshandlungen der Verwaltung sind – mit Ausnahme der Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien667 – wegen §§ 17, 18 und 21 WpÜG unmöglich. Einer gesonderten Betrachtung ist die Rechtslage bei Vorliegen eines bedingten Übernahmeangebots668 zu widmen.
667
Siehe oben § 9 IV.1.b)aa). Kritisch zur vom Gesetzgeber verwendeten Terminologie des „bedingten Angebots“: Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 18, Rn. 6. 668
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aa) Bedingungsfreundlichkeit von Übernahmeangeboten Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass öffentliche Angebote, auch Übernahmeangebote, nicht bedingungsfeindlich, sondern in dem von § 18 Abs. 1 WpÜG gezogenen Rahmen bedingungsoffen sind.669 Eine Ausnahme gilt lediglich für Pflichtangebote i. S. d. § 35 WpÜG gemäß § 39 WpÜG.670 Zwar spricht die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 18 Abs. 1 WpÜG davon, die Vorschrift lasse bedingte Angebote nur unter „engen Voraussetzungen“ zu.671 Tatsächlich sind jedoch nur bestimmte „subjektive“ Bedingungen unzulässig.672 I. Ü. geht § 18 Abs. 1 WpÜG in Übereinstimmung mit § 145 BGB grundsätzlich davon aus, dass ein öffentliches Angebot vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig gemacht werden kann.673 Der Wortlaut des § 18 Abs. 1 WpÜG sieht nicht vor, dass der Bieter einer sachlichen Rechtfertigung bedarf, um das Angebot unter eine bestimmte Bedingung zu stellen. Auch im Schrifttum wird eine solche sachliche Rechtfertigung nicht für erforderlich gehalten.674 bb) Ausschalter-Angebotsbedingungen als Einfallstor für Exzesshandlungen der Verwaltung Wenn der Bieter sein Angebot wirksam unter eine resolutive Bedingung i. S. d. § 158 Abs. 2 BGB stellt, entfällt nach § 158 Abs. 2 BGB das Angebot mit dem Bedingungseintritt und damit auch die Möglichkeit des einzelnen Angebotsadressaten zur Annahme der Offerte. Bedingungen, deren Eintritt oder Nichteintritt die Verwaltung der Zielgesellschaft nicht beeinflussen kann, können kein Anknüpfungspunkt für Exzesshandlungen der Verwaltung sein. Je nach Inhalt des Angebots können bedingte Angebote der Verwaltung dagegen zusätzliche Angriffsflächen geben: Soweit das Management der Zielgesellschaft in der Lage ist, den Eintritt der auflösenden bzw. aufschiebenden Bedingung selbst herbeizuführen bzw. zu verhindern, verfügt es über einen Hebel, mit dessen Betätigung das Übernahmeangebot zu Fall gebracht werden kann.675 Bildlich gesprochen übergibt der Bieter, der 669 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 2; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 9. 670 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 13; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 18, Rn. 4. 671 BT-Drucks. 14/7034, S. 47. 672 T. Busch, AG 2002, 145. 673 T. Busch, AG 2002, 145; Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 15. 674 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 19. 675 Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 18, Rn. 16; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 45.
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seine Offerte an Bedingungen knüpft, die vom Management der Zielgesellschaft herbeigeführt oder deren Eintritt vereitelt werden können, der Verwaltung eine Fernsteuerung mit einem Ausschaltknopf für das öffentliche Angebot. Auf Knopfdruck – namentlich durch Herbeiführen der auflösenden Bedingung oder dem Verhindern des Eintritts der aufschiebenden Bedingung – kann das Management der Zielgesellschaft die Wirksamkeit des Angebots verhindern und das Übernahmeangebot „ausschalten“. Angebotsbedingungen des Bieters, die für das Management der Zielgesellschaft wie ein solcher Ausschalter wirken, sollen im Folgenden als Ausschalter-Bedingungen bezeichnet werden. Macht der Aufsichtsrat von dem Ausschalter Gebrauch, indem er eine Handlung vornimmt, die aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Angebotskonditionen das Angebot unwirksam werden lässt oder den Eintritt der Wirksamkeit verhindert, beeinträchtigt er die Angebotsadressaten bei der Annahme des Angebots. Damit sind solche Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats als Exzesshandlung unzulässig, die den Eintritt der auflösenden bzw. aufschiebenden Bedingung herbeiführen bzw. vereiteln, und damit grundsätzlich den Wegfall des Angebots herbeiführen. Innerhalb des durch §§ 17, 18 WpÜG gezogenen Rahmens ist der Bieter in großen Stücken frei, den Inhalt von Bedingungen privatautonom zu gestalten. Da bereits der Übernahmekodex Bedingungen nach Art. 9 ÜbK grundsätzlich gestattete676, haben sich in der Rechtspraxis vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten herausgebildet.677 Im Folgenden sollen die wichtigsten Bedingungen darauf hin untersucht werden, ob ihr Eintritt oder Nichteintritt vom Aufsichtsrat beeinflusst werden kann. cc) Bedingungen mit Ausschalter-Charakter (1) Ausbleiben jedweder Abwehrmaßnahme Den weitestgehenden Einfluss auf den Eintritt oder Nichteintritt einer Angebotsbedingung hätte die Verwaltung der Zielgesellschaft, wenn der Bieter die Verbindlichkeit des Angebots wirksam daran knüpfen könnte, dass Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft ausbleiben. In diesem Fall wäre jede Abwehrmaßnahme nach § 33 Abs.1 S. 1 WpÜG grundsätzlich zugleich Exzesshandlung, auch wenn die Maßnahme – würde man die Bedingung ausblenden – die Möglichkeit der Aktionäre, das Angebot anzunehmen, nicht beschränkte. Alle Maßnahmen der Übernahmeabwehr und Übernahmefolgenabwehr würden dann mit der Fremdinteressenwahrungspflicht 676 Riehmer, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 18, Rn. 7. 677 Vgl. hierzu etwa: T. Busch, AG 2002, 145; Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 22 ff.; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 25 ff.
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des Aufsichtsrats konfligieren, da sie die Verbindlichkeit des Angebots verhinderten. Kann der Bieter sein Angebot ganz allgemein an die Bedingung knüpfen, dass Abwehrmaßnahmen seitens der Verwaltung ausbleiben? Der Gesetzeswortlaut des § 18 Abs. 1 WpÜG steht dem nicht entgegen. Die Gesetzesmaterialien beantworten diese Frage nicht ausdrücklich. Dort wird lediglich ausgeführt, dass es § 18 Abs. 1 WpÜG zulässt, dass der Bieter die Wirksamkeit des Angebots davon abhängig macht, dass während des Verfahrens bestimmte Änderungen bei der Zielgesellschaft herbeigeführt werden, etwa dass die Zielgesellschaft die für den Bieter interessanten Unternehmensbestandteile veräußert.678 Damit exemplifiziert die Begründung des Referentenentwurfs anhand des Beispiels einer sog. „Status-Quo-Klausel“679, die das Ausbleiben einer sog. „crown-jewel-defence“680 zur Bedingung des Übernahmeangebots macht, dass der Bieter das Ausbleiben einer ganz bestimmten Abwehrmaßnahme zur Bedingung seines Angebots machen kann. Dies entspricht auch der einhelligen Ansicht im Schrifttum.681 Zur Frage, ob nur das Unterbleiben genau bezeichneter Abwehrmaßnahmen wirksam zur Vertragsbedingung gemacht werden kann, oder aber auch das Ausbleiben von jedweder Abwehrmaßnahme, schweigen die Gesetzesmaterialien. In der Literatur wird es z. T. für zulässig erachtet, dass der Bieter das Angebot unter die Bedingung stellt, dass die Verwaltung der Zielgesellschaft überhaupt keine Maßnahme ergreift, um den Erfolg des Angebots zu verhindern.682 Lediglich dann, wenn offensichtlich ist, dass die Zielgesellschaft sich gegen die Übernahme verteidigen werde und die Durchführung des Angebots daher letztlich allein vom Verzicht des Bieters auf die Bedingung abhängt, soll eine unzulässige Potestativbedingung vorliegen und die Klausel gegen § 18 Abs. 2 WpÜG verstoßen.683 Die wohl h. M. im Schrifttum äußert hiergegen Bedenken.684 Aus Gründen der Rechtsklarheit müssten die in die Bedingung einbezogenen Abwehrmaß678
BT-Drucks. 14/7034, S. 47 f. Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 18, Rn. 27; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 43. 680 Siehe hierzu Liebscher, ZIP 2001, 853, 862. 681 Riehmer/Schröder, BB Beilage Nr. 5/2001, 1, 6; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862; Pötzsch, Übernahmerecht, S. 30; T. Busch, AG 2002, 145, 149; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 48; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 18, Rn. 44; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 43. 682 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 48; Schröder, in: Schüppen/Schaub, § 51, Rn. 91. 683 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 48. 684 Riehmer/Schröder, BB Beilage Nr. 5/2001, 1, 6; T. Busch, AG 2002, 145, 149; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 8; Scholz, in: Frank679
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nahmen in der Angebotsunterlage genau bezeichnet werden.685 Die h. M. erscheint vorzugswürdig. Durch § 18 WpÜG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Bieter sich nicht nach seinem freien Belieben von seinem öffentlichen Erwerbsangebot lossagen kann, nachdem die mit dem Angebot verbundenen Belastungen bei der Zielgesellschaft eingetreten sind. Eine Bedingung, die ganz allgemein das Ausbleiben von Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zum Gegenstand hat, nimmt sowohl solche des Vorstands, als auch des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft in Bezug. Inwieweit Abwehrmaßnahmen des Vorstandes zulässig sind, richtet sich nach § 33 WpÜG. Hierbei handelt es sich um eine komplizierte Vorschrift, deren Anwendung die Beantwortung von z. T. streitigen Auslegungsfragen mit sich bringt. Probleme ergeben sich etwa bei der Bestimmung der Reichweite der Ausnahmen in § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und Alt. 3 WpÜG. Würde man eine unspezifizierte Bedingung zulassen, die alle Abwehrmaßnahmen mit einem Federstrich einbezieht, wäre die Streitfrage, ob ein bestimmter Ausnahmetatbestand zum Verhinderungsverbot eingreift, auf dem Rücken aller Angebotsadressaten auszutragen. Zu denken ist etwa an die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals durch den Vorstand aufgrund eines allgemeinen Ermächtigungsbeschlusses, der nach umstrittener Ansicht auch bei Vorliegen eines Übernahmeangebots vom Vorstand nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG in Anspruch genommen werden kann.686 Gerade im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, kann es nicht überzeugen, dem Bieter die Möglichkeit zu geben, das Angebot mit erheblichen Unsicherheiten zu belasten – zu Lasten der Angebotsadressaten. Freilich ist ein Interesse des Bieters anzuerkennen, sich durch die Aufnahme von Bedingungen gegen Verteidigungsmaßnahmen der Zielgesellschaft schützen zu können, zumal die Kosten des Übernahmeverfahrens durch Abwehrmaßnahmen oftmals in die Höhe getrieben werden.687 Der Bieter kann den Risiken, die mit einer Übernahmeabwehr verbundenen sind, aber dadurch begegnen, dass er die Maßnahmen, die er als so einschneidend erachtet, dass mit ihrer Ergreifung das Angebot fallen soll, explizit fixiert. Dies ist dem Bieter auch zumutbar.688 Ein Bieter, furter Kommentar zum WpÜG, 44; Strunk/Linke, in: Veil/Drinkuth, S. 3, 29; Nyenhuis, Bedingte Übernahmeangebote, S. 259. 685 Riehmer/Schröder, BB Beilage Nr. 5/2001, 1, 6; Hamann, ZIP 2001, 2249, 2253 Fn. 61; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 44; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 18, Rn. 27; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 66. 686 Grunewald, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 33, Rn. 45; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33, Rn. 153; a. A. Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 67; Bayer, ZGR 2002, 588, 614 ff. 687 T. Busch, AG 2002, 145, 149; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 18, Rn. 8. 688 A. A. Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 18, Rn. 44, der keine Bedenken gegen die auflösende Bedingung des Fehlens von Verteidigungsmaßnah-
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der ein Übernahmeangebot abgibt, ohne vorher das Einvernehmen mit der Verwaltung der Zielgesellschaft gesucht und herbeigeführt zu haben, wird vor Abgabe des Angebots ohnehin die Szenarien einer Übernahmeabwehr und die dabei eingesetzten Instrumente durchgespielt haben. Akzeptierte man, dass der Bieter die Verbindlichkeit seines Angebots generalklauselartig an das Ausbleiben von Abwehrmaßnahmen knüpft, würde man den Bieter ohne Not übervorteilen. Für die Zielgesellschaft wäre eine weitergehende Beeinträchtigung in ihrer Geschäftstätigkeit die Folge, da die Vornahme von Maßnahmen der laufenden Geschäftsführung nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG, wenn diese Maßnahmen den Bieter behindern können, mit einem gesteigerten Haftungsrisiko verbunden wäre. Von einer übernahmerechtlich zulässigen Bedingung ist daher nicht nur zu fordern, dass der Bedingungseintritt vom Bieter nicht beeinflussbar ist, sondern darüber hinaus, dass der Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung objektiv festgestellt werden kann, also insbesondere ein Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum des Bieters ausgeschlossen ist.689 Zu unbestimmte Klauseln sind daher wegen § 18 Abs. 2 WpÜG unzulässig.690 Der Bieter kann nicht schlanker Hand das Ausbleiben jedweder Abwehrmaßnahmen zur Bedingung seines Angebots erklären und dadurch jede Abwehrmaßnahme des Aufsichtsrats in eine Abwehrexzesshandlung umqualifizieren. (2) Ausbleiben bestimmter, in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallender Maßnahmen Der Bieter kann sein öffentliches Angebot so ausgestalten, dass das Angebot wegfällt, wenn die Verwaltung der Zielgesellschaft bestimmte, genau konkretisierte Abwehrmaßnahmen ergreift.691 In diesem Fall würde der Bieter die Vornahme bestimmter Abwehrmaßnahmen zur auflösenden Bedingung seines Angebots erklären. Der Bieter kann ebenso die Nichtvornahme bestimmter Abwehrmaßnahmen zur aufschiebenden Bedingung seines Angebots erheben.692 Sachliche Unterschiede können sich in Hinblick auf die men i. S. d. § 33 WpÜG hat, weil „von einem Bieter keine größere Genauigkeit als vom Gesetzgeber verlangt werden“ dürfe; unklar Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 405. 689 Vgl. Hasselbach/Wirtz, BB 2005, 842, 843 (zu den Voraussetzungen einer MAC-Klausel); Riehmer/Schröder, BB Beilage Nr. 5/2001, 1, 6. 690 Hasselbach/Wirtz, BB 2005, 842, 843 spricht von einer „Umgehung“ des § 18 Abs. 2 WpÜG; in diese Richtung auch Riehmer/Schröder, BB Beilage Nr. 5/2001, 1, 6. 691 Siehe oben § 9 IV.1.c)cc)(1). 692 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 18, Rn. 82.
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Beweislast ergeben.693 Damit steht es dem Bieter frei, die Ergreifung all jener Maßnahmen, die oben als Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats entlarvt wurden694, als auflösende Bedingung in sein Angebot aufzunehmen.695 Führt der Aufsichtsrat den Eintritt der Bedingung herbei, in dem er eine entsprechende Abwehrmaßnahme ergreift, entfällt grundsätzlich das Angebot des Bieters, die Angebotsadressaten werden, zumindest im Ausgangspunkt696, um die Möglichkeit gebracht, ihre Wertpapiere durch Annahme der Offerte an den Bieter zu veräußern. Die Vornahme einer bestimmten Abwehrmaßnahme, deren Ausbleiben vom Bieter wirksam zur Bedingung seines Übernahmeangebotes gemacht wurde, stellt sich sodann als Exzesshandlung dar. Indem der Bieter das Ausbleiben einer Abwehrmaßnahme zur Angebotsbedingung macht, wird die Vornahme der fraglichen Maßnahme aktienrechtlich unzulässig, d.h. der Aufsichtsrat darf die fragliche Maßnahme aufgrund seiner Fremdinteressenwahrungspflicht nicht mehr vornehmen. Die Ausgestaltung des Angebots durch den Bieter entscheidet damit letztlich über den für den Aufsichtsrat geltenden Pflichtenstandard. Der Preis hierfür ist, dass der Erfolg des Übernahmeangebots durch die Bedingung zusätzlich gefährdet ist, da dem Aufsichtsrat ein einfaches Mittel an die Hand gegeben wird, um die Unwirksamkeit des Angebots herbeizuführen. (3) Ausbleiben einer Mitwirkung des Aufsichtsrats an Abwehrmaßnahmen des Vorstands Das Gros der aktienrechtlichen Instrumente, um sich gegen ein Übernahmeangebot zu wenden, liegt in der Zuständigkeit des Vorstands der Zielgesellschaft. Daher wird der Bieter erwägen, sein Angebot unter die Bedingung zu stellen, dass bestimmte Abwehrmaßnahmen ausbleiben, deren Vornahme nach der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung Sache des Vorstands ist. Bereits nach allgemeinem Aktienrecht muss der Vorstand zu einigen Maßnahmen, die sich als Mittel zur Übernahmeabwehr eignen, die Zustimmung des Aufsichtsrats einholen, so etwa bei der Ausnutzung eines ge693 T. Busch, AG 2002, 145, 149 Fn. 30; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 18, Rn. 82. 694 Siehe oben § 9 I. 695 Im Folgenden wird grundsätzlich von einer als auflösende Bedingung formulierten Kautele ausgegangen werden. Dies ist nur dem Bestreben nach sprachlicher Vereinfachung geschuldet. Eine Vermutung für aufschiebende oder auflösende Bedingung besteht nicht, vgl. von Thur, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 274. Die Ausführungen gelten entsprechend für Klauseln, die als suspensive Bedingung aufzufassen sind. 696 Zum nachträglichen Verzicht auf Angebotsbedingungen siehe unten § 9 IV. 1.c)dd)(2).
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nehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss697 gemäß § 204 Abs. 1 S. 2 AktG. Auch kann die Satzung gemäß § 111 Abs. 4 AktG Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats bei bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands vorschreiben. Übernahmerechtlich bedürfen gemäß § 33 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 4 WpÜG alle Abwehrmaßnahmen des Vorstands der Zustimmung des Aufsichtsrats, von der Führung des Tagesgeschäfts und der Suche nach einem konkurrierenden Angebot abgesehen. Die übernahmerechtliche Zustimmung des Aufsichtsrats kann dabei mit einer etwaigen, nach allgemeinem Aktienrecht erforderlichen Zustimmung verbunden werden.698 Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Aufsichtsrat, wenn er als Kontrollorgan tätig wird, nicht dem Verhinderungsverbot unterfällt.699 Soweit daher eine Beurteilung von Handlungen des Aufsichtsrats in Rede steht, die seiner Funktion als Kontrollorgan zugehören, verbietet sich ein Rückgriff auf die Fremdinteressenwahrungspflicht des Aufsichtsrats, § 33 WpÜG überlagert das Aktienrecht insoweit. Dem Bieter ist es daher zwar unbenommen, das Angebot davon abhängig zu machen, dass der Aufsichtsrat es unterlässt, einer bestimmten Abwehrmaßnahme des Vorstands zuzustimmen, oder allgemeiner: dass die Verwaltung der Zielgesellschaft davon absieht, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen, zu der während des Übernahmeverfahrens die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist. Die Beurteilung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Maßnahme richtet sich aber auch in diesem Falle ausschließlich nach § 33 WpÜG, da diese Vorschrift die Fremdinteressenwahrungspflicht des Aufsichtsrats interferiert. (4) Mindestannahmeschwelle Das WpÜG selbst geht in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG davon aus, dass der Bieter die Wirksamkeit seines Angebots von der Bedingung des Erreichens eines bestimmten Mindestanteils der Wertpapiere oder der Stimmrechte abhängig machen kann. Bei der Festsetzung einer Mindestakzeptanzschwelle handelt es sich demnach um eine nach § 18 WpÜG zulässige Bedingung.700 Stößt die öffentliche Offerte daher auf eine Resonanz, die hinter der vom Bieter definierten Akzeptanzschwelle zurückbleibt, entfällt das Angebot. Nach dem oben Gesagten wären Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats dann als Abwehrexzesshandlungen zu qualifizie697 Zum Charakter dieser Maßnahme als Instrument der Übernahmeabwehr siehe etwa Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 33, Rn. 91. 698 Siehe oben § 5 II.1.c)cc). 699 Siehe oben § 5 II.1.b)bb)(2). 700 BT-Drucks. 14/7034, S. 47, 49.
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ren, wenn sie das Erreichen der Mindestannahmeschwelle verhindern können. Es kommen daher nur Maßnahmen in Betracht, mit denen auf die erwerbbaren Stimmrechte oder Wertpapiere Einfluss genommen werden kann, mithin Maßnahmen der Übernahmeabwehr, nicht der Übernahmefolgenabwehr.701 Die klassischen Abwehrinstrumente, deren Einsatz mit einer Verwässerung der vom Bieter bereits erworbenen Anteile verbunden sind, insbesondere die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre702 und die Veräußerung eigener Aktien der Gesellschaft unter Ausschluss des Bezugsrechts703, liegen nicht in der Zuständigkeit des Aufsichtsrats. Soweit der Aufsichtsrat jedoch nach der Satzung für die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien zuständig ist, kann er durch Versagung der Zustimmung zur Übertragung der vinkulierten Aktien den Eintritt der aufschiebenden Bedingung herbeiführen, wenn das Kontingent der auf diese Weise „gesperrten“ Aktien zur Erreichung der Akzeptanzschwelle ganz oder teilweise notwendig ist. Auf das Erreichen der Mindestannahmeschwelle hat der Aufsichtsrat durch dieses Abwehrmittel daher Einfluss. Die Festsetzung einer Mindestakzeptanzschwelle durch den Bieter hat daher Ausschalter-Charakter, wenn das Angebot vinkulierte Namensaktien zum Gegenstand hat, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats wirksam übertragen werden können. Indes führt nicht erst die Mindestannahme-Bedingung dazu, dass eine Zustimmungsverweigerung durch den Aufsichtsrat als Exzesshandlungen zu qualifizieren ist. Dieses Prädikat kommt der Versagung der Zustimmung stets zu, insbesondere auch bei unbedingten Angeboten.704 (5) Abgabe einer unterstützenden Stellungnahme des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft Der Bieter kann die Bindung der mit den Angebotsadressaten geschlossenen Kauf- oder Tauschverträge nach überwiegender Meindung davon abhängig machen, dass die Verwaltung der Zielgesellschaft das Übernahmeangebot in seiner gemäß § 27 WpÜG abzugebenden Stellungnahme unter701
Siehe hierzu § 5 I.1. Vgl. § 204 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 203 Abs. 2 AktG; zum Verwässerungseffekt dieses Instruments der Übernahmeabwehr siehe: Immenga, SAG 1975, 89, 102; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 60; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 114. 703 Vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, S. 4 HS. 2 AktG i. V. m. § 186 Abs. 3 AktG analog; zum Verwässerungseffekt dieses Instruments der Übernahmeabwehr siehe: Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33, Rn. 22; Hirte, in: KK-WpÜG, § 33, Rn. 60; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 33, Rn. 121. 704 Siehe oben § 9 IV.1.b)aa). 702
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stützt.705 Dem widersprechen die Praxis der BAFin706 und einige Stimmen im Schrifttum.707 Weil eine solche Bedingung dem Vorstand einen erheblichen direkten Einfluss auf den Erfolg des Angebots einräume, widerspräche sie dem Grundsatz, dass die Aktionäre über das Angebot entscheiden sollen, und nicht das ihre Gesellschaft verwaltende Management.708 Außerdem manövriere eine solche Bedingung, würde man sie zulassen, den Vorstand in eine Zwickmühle: Denn wenn er eine ablehnende Stellungnahme abgäbe, würde er dem Angebot die Grundlage entziehen, weil dadurch – je nach Formulierung der Angebotsunterlage – den Bedingungseintritt oder -ausfall bewirken würde. Dies sei eine Maßnahme mit Verhinderungseignung i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Daher müsse der Vorstand für die Abgabe einer ablehnenden Stellungnahme die Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG einholen. Dies widerspräche der Konzeption des Gesetzes, da der Vorstand nach § 27 WpÜG gegenüber dem Aufsichtsrat eine eigenverantwortliche Stellungnahme abzugeben habe.709 Dies überzeugt nicht. Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft sind nach Maßgabe des § 27 WpÜG berechtigt, eine ablehnende Stellungnahme zum Angebot abzugeben. Wenn der Bieter sein Angebot an die Bedingung knüpft, dass eine negativen Stellungnahme ausbleibt bzw. eine positive Stellungnahme abgegeben wird, bleibt § 27 WpÜG der Maßstab für die Zulässigkeit einer ablehnenden Stellungnahme. Denn der Regelungsgehalt des § 27 WpÜG geht über eine bloße Ausnahme von § 33 Abs. 1 WpÜG hinaus und überlagert diese Vorschrift.710 Die bloße Tatsache, dass die Stellungnahme vom Bieter zum Gegenstand einer Angebotsbedingung gemacht wird, entkoppelt sie daher nicht von der abschließenden Regelung des § 27 WpÜG. Auch verfangen die Bedenken, die Verwaltung würde durch eine solche Bedingung direkten Einfluss auf den Erfolg des Angebots erlangen, nicht. Zum einen ist ein Bedürfnis des Bieters, eine kostenintensive Übernahmetransaktion nicht gegen den Willen des Managements durchzuführen und dies auch absichern zu können, schutzwürdig.711 Eine Bedingung des Inhalts, dass das Angebot nur Bestand haben bzw. erhalten soll, wenn die Verwaltung der Zielgesellschaft eine positive Stellungnahme abgibt bzw. die Abgabe einer negativen Stellungnahme unterlässt, ist damit zulässig. 705 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 18, Rn. 8; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 18, Rn. 45; Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 51; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 53. 706 Siehe hierzu: Strunk/Linke, in: Veil/Drinkuth, S. 3, 29. 707 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 18, Rn. 80. 708 Strunk/Linke, in: Veil/Drinkuth, S. 3, 29. 709 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 18, Rn. 80. 710 Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1380; Hirte, in: KK-WpÜG, § 27, Rn. 1. 711 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 18, Rn. 51.
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Durch eine ablehnende Stellungnahme führt der Aufsichtsrat den Bedingungseintritt herbei, das Angebot fällt dadurch grundsätzlich in sich zusammen, ohne dass es der einzelne Angebotsadressat annehmen könnte. Daher könnte man erwägen, die Abgabe der Stellungnahme als Exzesshandlung zu behandeln. Nach der hier vertretenen Ansicht können Exzesshandlungen jedoch grundsätzlich nur solche Maßnahmen sein, die – würde man den durch §§ 17 f., 21 WpÜG vermittelten Aktionärsschutz bei der Betrachtung außen vor lassen, als Abwehrmaßnahmen zu qualifizieren sind.712 Maßnahmen, denen die Eignung zur Verhinderung des Übernahmeerfolgs gänzlich fehlt, kommen daher von vornherein nicht als Exzesshandlungen in Betracht. Die Befürworter einer aktienrechtlichen Neutralitätspflicht des Vorstands gehen z. T. davon aus, dass es sich bei der Abgabe einer Stellungnahme schon begrifflich nicht um eine Abwehrmaßnahme handle.713 Die Abgabe der Stellungnahme sei keine aktive Abwehr des Angebots, sondern eine Form der interessenwahrenden Information. Die Zulässigkeit der Abgabe einer Stellungnahme ergäbe sich daher nicht aus einer Ausnahme vom Neutralitätsgebot, sondern sei eine Verhaltenspflicht, die neben die Neutralitätspflicht trete.714 Denn die Stellungnahme diene dazu, den Aktionären eine eigene Entscheidung durch sachverständige Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen zu erleichtern.715 Da die Abgabe einer Stellungnahme zum Übernahmeangebot schon begrifflich – d.h. bei Ausblendung des durch §§ 17, 18, 21 WpÜG vermittelten Exzesshandlungsschutzes – keine dem § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG unterfallende Abwehrmaßnahme darstellt, kann sie auch nicht zu einer Teilmenge der Abwehrmaßnahmen gehören. Eine Qualifikation als Exzesshandlung scheidet damit aus. Gibt der Aufsichtsrat eine ablehnende Stellungnahme zum Übernahmeangebot ab, führt der damit einhergehende, bloße Eintritt der auflösenden Bedingung nicht zur Unzulässigkeit des Aufsichtsratshandelns. Das bloße Herbeiführen des Bedingungseintritts ist damit keine Exzesshandlung, obwohl mit Eintritt der auflösenden Bedingung die Möglichkeit der Angebotsadressaten, die Offerte anzunehmen, grundsätzlich entfällt. Die hier vertretene Auffassung, nach der ein Exzesshandlungsverbot des Aufsichtsrats gilt, versetzt den Bieter damit 712 Denn Exzesshandlungen sind eine Teilmenge der Handlungen mit angebotserfolgsverhindernder Eignung i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG, siehe oben § 9 IV.1.a). 713 Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/Lutter (Hrsg.), S. 63; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 122 ff.; derselbe, ZGR 1993, 534, 556; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1380. 714 Hopt, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1380. 715 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 103 f.; Hopt, ZGR 1993, 534, 556; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 129; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1380; Lammers, Verhaltenspflichten, S. 124; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262.
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nicht in die Lage, den Aufsichtsrat und damit auch die Zielgesellschaft zu lähmen: Nur Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG, nicht sonstige Handlungen können durch eine entsprechende Angebotsgestaltung zu Exzesshandlungen umfunktioniert werden. Ein weiteres Argument spricht dagegen, dass der Bieter durch geschickte Angebotsgestaltung der ablehnenden Stellungnahme den Makel der Unzulässigkeit verpasst: Zur Abgabe der Stellungnahme ist der Aufsichtsrat gemäß § 27 WpÜG verpflichtet. Die Stellungnahme unterliegt dabei dem Wahrheits- und Vollständigkeitsgebot716. Die Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Stellungnahme ist überdies bußgeldbewehrt gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 lit. b WpÜG. (6) Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien Sind vinkulierte Namensaktien Gegenstand des Angebots, kann die Offerte an die Bedingung der Zustimmung der Zielgesellschaft zur Übertragung der Aktien (§ 68 Abs. 2 AktG) geknüpft werden.717 Der Bieter wird, wenn vinkulierte Namensaktien in Rede stehen, regelmäßig eine solche Bedingung zum Inhalt des Angebots machen. Anderenfalls wäre der Bieter aus den Kauf- bzw. Tauschverträgen mit den Aktionären, die das Angebot angenommen haben, auch zur Gegenleistung verpflichtet, wenn die Aktionäre dem Bieter die Wertpapiere nicht wirksam übertragen können, weil die Zielgesellschaft nicht zustimmt.718 Erteilt der Aufsichtsrat zur Übereignung der Wertpapiere sein Plazet nicht, so liegt darin, wie gezeigt, immer eine Exzesshandlung.719 dd) Auswirkungen von Angebotsänderungen nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Nr. 4 WpÜG auf die Exzesshandlungsqualität Indem der Bieter die Wirksamkeit der mit den Angebotsadressaten geschlossenen Folgeverträge an Ausschalter-Bedingungen knüpft, ermöglicht er es dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, die Bindung des Angebots zu beseitigen und den Aktionären damit die Möglichkeit zu nehmen, das Angebot anzunehmen. Der Aufsichtsrat verstößt, wie gezeigt, gegen seine Fremdinteressenwahrungspflicht, wenn er diese Möglichkeit nutzt. Dies gilt 716
Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 27, Rn. 13. Geibel, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 18, Rn. 34; T. Busch, AG 2002, 145, 149 Fn. 31; H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 18, Rn. 87; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 18, Rn. 52. 718 H. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 18, Rn. 86. 719 Siehe oben § 9 IV.1.b)bb). 717
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jedenfalls dann, wenn das Ergreifen der fraglichen Abwehrmaßnahme, die Gegenstand der Bedingung ist, die Wirksamkeit des Angebots beseitigt und den Aktionären unwiederbringlich die Möglichkeit nimmt, ihre Wertpapiere an den Bieter zu den Konditionen des öffentlichen Angebots zu veräußern. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Bieter sich von der fraglichen Angebotsbedingung wieder distanzieren könnte, der Bieter – um in dem oben720 gezeichneten Bild zu bleiben – am Steuerpult den Hebel wieder umlegen und die Ausschaltung des Angebots wieder rückgängig machen könnte. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ist dies nicht der Fall: Der Eintritt einer auflösenden Bedingung führt dazu, dass ipso jure der frühere Rechtszustand wieder eintritt, der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung lässt das Rechtsgeschäft ipso jure wirksam werden.721 Diese Rechtsfolgen treten nach allgemeinem Zivilrecht auch dann ein, wenn derjenige, der das Rechtsgeschäft vorgenommen hat, die Rechtsfolge nicht mehr will.722 Würde man diese Grundsätze auf ein bedingtes, öffentliches Angebot anwenden, wäre eine Abwehrmaßnahme, deren Ausbleiben Gegenstand einer Bedingung des öffentlichen Angebots ist, stets als Exzesshandlung zu qualifizieren. Denn der Bedingungseintritt bzw. die Vereitelung des Bedingungseintritts wären unumkehrbar, ein rechtswirksames Kontrahieren der Angebotsadressaten mit dem Bieter auf der Grundlage des Angebots unmöglich. Könnte der Bieter dagegen – entgegen den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen – die Verbindlichkeit des Angebots retten, obwohl der Aufsichtsrat den Ausschalterknopf betätigt hat, und machte der Bieter von dieser Möglichkeit Gebrauch, hätte das Verhalten des Aufsichtsrats bei einer ex post Betrachtung die Angebotsadressaten nicht darin beeinträchtigt, mit dem Bieter zu kontrahieren. Die Exzesshandlungsqualität der Maßnahme, mit der der Aufsichtsrat den Ausschalter betätigt hat, wäre in Frage gestellt. Im Folgenden wird zu untersuchen sein, inwieweit der Bieter auf Ausschalter-Bedingungen verzichten kann, und welche Auswirkungen dies für die Exzesshandlungsqualität von Maßnahmen des Aufsichtsrats mit sich bringt. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf solche Kautelen des Angebots, auf die der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit Einfluss nehmen kann.
720
Siehe § 9 IV.1.c)bb). Heinrichs, in: Palandt, § 158, Rn. 2; H. P. Westermann, in: MünchKomm BGB, § 158, Rn. 38; Wolf, in: Soergel, BGB, § 158, Rn. 28. 722 BGH 21.9.1994, BGHZ 127, 134 = NJW 1994, 3227; Heinrichs, in: Palandt, § 158, Rn. 2. 721
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(1) Herabsetzung der Akzeptanzschwelle, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG Das WpÜG regelt in § 21 WpÜG Änderungen des Angebots auch in Hinblick auf Bedingungen der Offerte. Änderungen nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG können bis zu einem Werktag vor Ablauf der Annahmefrist erfolgen.723 § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG gibt dem Bieter, der die Wirksamkeit seines Angebots von der Bedingung des Erreichens eines bestimmten Mindestanteils der Wertpapiere oder der Stimmrechte abhängig gemacht hat, die Möglichkeit, im Verlauf des Verfahrens diese „Akzeptanzschwelle“ herabzusetzen.724 Der Bieter kann auf diese Weise die rechtliche Verbindlichkeit seiner Offerte herstellen, wenn das Erreichen der von ihm gesetzten Schwelle bis in die Endphase offen ist.725 Insoweit ist ein (teilweiser) Verzicht auf die Bedingung, dass eine bestimmte Beteiligungshöhe des Bieters durch das Angebot erreicht wird, vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen. Auf den Eintritt oder das Ausbleiben dieser Bedingung kann der Aufsichtsrat, wie gezeigt726, nur dadurch Einfluss nehmen, indem er es ablehnt, die Übertragung von vinkulierten Namensaktien abzunicken. Dieses Verhalten stellt jedoch immer eine Exzesshandlung dar. Mit der Angebotsänderung, namentlich der Herabsetzung der Mindestannahmeschwelle, besteht die Beeinträchtigung der Aktionäre fort. Die Exzesshandlungsqualität bleibt in jedem Falle von der Angebotsänderung nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG unberührt. (2) Verzicht auf sonstige Bedingungen, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG (a) Zulässigkeit Nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG besteht für den Bieter die Möglichkeit, auf Bedingungen zu verzichten.727 Nicht unter Nr. 4 fällt die Bedingung, dass das Angebot auf eine Mindestakzeptanz bei den Angebotsadressaten stößt, diese Bedingung ist in § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG besonders geregelt.728 Aufgrund der Regelung des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG kann der Bieter, der das Ausbleiben bestimmter Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats zur Angebotsvoraussetzung gemacht hat, von eben dieser Bedingung Abstand nehmen. Dies gilt unproblematisch jedenfalls dann, wenn zur 723 724 725 726 727 728
Zur Fristberechnung siehe Busch, ZIP 2003, 102. BT-Drucks. 14/7034, S. 49. BT-Drucks. 14/7034, S. 49. Siehe § 9 IV.1.c)cc)(4). BT-Drucks. 14/7034, S. 49. Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 21, Rn. 27.
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Zeit der Angebotsänderung die entsprechende Abwehrmaßnahme des Aufsichtsrats noch nicht initiiert wurde. Im vorgegebenen Kontext ist jedoch nur von Belang, ob der Bieter auch dann auf die fragliche Bedingung verzichten kann, wenn der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft die konkret bestimmte Abwehrmaßnahme vor der Angebotsänderung schon ergriffen hat. Denn nimmt der Aufsichtsrat die fragliche Maßnahme erst nach einem nachträglichen Verzicht auf die Bedingung vor, kann von einer Exzesshandlung keine Rede sein. Es geht um die Frage, ob der Bieter auf eine auflösende Bedingung verzichten kann, die bereits eingetreten ist, bzw. auf eine aufschiebende Bedingung, wenn das fragliche Ereignis noch nicht stattgefunden hat. Die Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. (aa) Zulässigkeit eines nachträglichen Bedingungsverzichts nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen Nach Ansicht Wackerbarths regelt § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Zulässigkeit von Angebotsänderungen nicht abschließend, vielmehr könne sich die Unwirksamkeit einer Angebotsänderung aus allgemeinem Vertragsrecht ergeben.729 Soweit die §§ 16 bis 23 WpÜG keine Spezialregelung enthielten, würde das Schuldrecht nicht verdrängt. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen bedürfe der Verzicht auf eine Bedingung in einem Verpflichtungsgeschäft des Abschlusses eines Änderungsvertrags.730 Eine Anwendung der § 21 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 WpÜG käme von vornherein nur dann in Betracht, wenn sich der Bieter in der Angebotsunterlage den Verzicht auf eine Bedingung unmissverständlich vorbehalten habe.731 Anderenfalls sei ein nachträglicher einseitiger Bedingungsverzicht des Bieters mit Wirkung für alle Angebotsadressaten unwirksam, unabhängig davon, ob die fragliche Bedingung im Zeitpunkt der Änderung bereits eingetreten ist oder nicht. Die Ansicht Wackerbarths führt zu einem Ergebnis, das die Interessen des Bieters hintan setzt und den Schutz der Angebotsadressaten durch § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG in den Mittelpunkt rückt. Die Interessen der Aktionäre werden durch eine Angebotsänderung insofern tangiert, als eine Herabsetzung der Beteiligungsschwelle oder der Verzicht auf eine Bedingung nachträglich die Umstände verändert, die für die Entscheidung der Aktionäre über das Angebot möglicherweise relevant waren.732 Fordert man mit Wackerbarth, dass der Bieter sich einen teilweisen oder vollständigen 729
Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. § 21, Rn. 8, 11. Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. § 21, Rn. 32; kritisch zum Abstellen auf das Verpflichtungsgeschäft: Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 21, Rn. 4 m. w. Nachw. 731 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 21, Rn. 33. 732 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 21, Rn. 31. 730
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Bedingungsverzicht in der Angebotsunterlage vorbehalten muss, verschont man die Angebotsadressaten, von einer Änderung überrascht zu werden. Man mag dieses Anliegen für wünschenswert und die Interessen der Angebotsadressaten gegenüber denen des Bieters für schutzwürdiger erachten. Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG dient jedoch primär dem Bieter. Seine Flexibilität und Reaktionsmöglichkeit während des Angebotsverfahrens soll gesteigert werden.733 Den Interessen der Angebotsadressaten trägt der Gesetzgeber dadurch Rechnung, dass er den Handlungsspielraum des Bieters begrenzt: Die Flexibilität des Bieters wird insofern eingeschränkt, als nachträgliche Änderungen des Angebots zugunsten der Aktionäre der Zielgesellschaft wirken müssen. Dem Bieter kraft Gesetzes Änderungen seines Angebots nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu ermöglichen, wird dem gesetzgeberischen Willen ebenso wie dem Wortlaut der Vorschrift am ehesten gerecht. Auch die Gefahr des Missbrauchs der Änderungsmöglichkeiten des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 WpÜG rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es ist zwar durchaus denkbar, dass der Bieter schon bei der Ausgestaltung der Bedingungen seines Angebots auf die gesetzlichen Möglichkeiten, das Angebot zu ändern, schielt, und daher seine wahren Absichten verschleiert.734 Die Gefahr eines Missbrauchs ist jedoch jeder rechtlichen Befugnis immanent und kann nicht als schlagendes Argument gegen die Einräumung der Befugnis ins Feld geführt werden. Durch aufsichtliche Maßnahmen der BAFin kann im Übrigen Missbräuchen ein Riegel vorgeschoben werden.735 Mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum ist die Ansicht Wackerbarths daher abzulehnen: § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG räumt nach zutreffender Ansicht dem Bieter gesetzlich das Recht ein, auf eine Angebotsbedingung zu verzichten, ein Vorbehalt des Bedingungsverzichts in der Angebotsunterlage ist nicht erforderlich.736 (bb) Zulässigkeit eines nachträglichen Bedingungsverzichts anhand von § 21 Abs. 1 WpÜG Die überwiegende Meinung geht, wie gezeigt, davon aus, dass § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG dem Bieter gesetzlich das Recht zur Angebotsänderung einräumt. Die Beurteilung, wie der Verzicht auf eine bereits eingetretene Bedingung zu behandeln sei, fällt indes unterschiedlich aus. Thun hält einen 733
Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 21, Rn. 1. Dieses Szenario beschreibt Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 21, Rnd. 31. 735 Siehe hierzu Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 21, Rnd. 46. 736 Thun, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 21, Rn. 13; Holzborn/Rahlf, in: Bad Homburger Hdb., Teil C, Rn. 374; im Ergebnis ebenso: Seiler, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 21, Rn. 3. 734
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Bedingungsverzicht nicht für möglich, wenn die auflösende Bedingung zum Zeitpunkt der intendierten Änderung bereits eingetreten ist.737 Zur Begründung wird die allgemeine Rechtsgeschäftslehre herangezogen: Mit Eintritt der auflösenden bzw. dem Ausfall der aufschiebenden Bedingung werde das Angebot des Bieters wirkungslos. Der frühere Rechtszustand trete wieder ein. Thun möchte den Bieter auf die Abgabe eines neuen Angebots verweisen.738 Andere Stimmen im Schrifttum gehen dagegen wie selbstverständlich davon aus, dass ein Bedingungsverzicht auch nach Bedingungseintritt wirksam sei: Busch etwa gibt der kautelarjuristischen Praxis den Rat, bei Bedarf die Offerte mit der Bedingung zu versehen, dass eine kartellrechtliche Freigabe des Erwerbs ohne jede Auflage erfolgt. Denn wenn kartellrechtliche Auflagen verhängt würden, diese aber für den Übernehmer akzeptabel seien, könne dieser auf die Bedingung verzichten.739 Die überwiegende Meinung im Schrifttum spricht sich expressis verbis für einen wirksamen Bedingungsverzicht nach Bedingungseintritt aus.740 Hasselbach stützt sich auf den Wortlaut des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG. Dieser ergebe nicht, dass das Angebot hinfällig würde, wenn die Zielgesellschaft Abwehrmaßnahmen trotz einer entsprechenden Angebotsbedingung ergreift. Vielmehr bliebe es bei einem Schwebezustand, solange die Frist des § 21 Abs. 1 WpÜG nicht abgelaufen ist.741 Das WpÜG nehme durch die Anerkennung bedingter Angebote und des Bedingungsverzichts eine Phase der Unsicherheit in Kauf. Die Möglichkeit, auf eine auflösende Bedingung zu verzichten, auch wenn diese bereits eingetreten ist, käme zwar einem Rücktrittsvorbehalt gleich. Dies sei aber vom Gesetzgeber gewollt.742 Die Begründung Hasselbachs kann wenig überzeugen. Denn der Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG ist in Hinblick auf die Frage, ob der Bieter auf eine bereits eingetretene Bedingung verzichten kann, indifferent.743 Die Auslegung muss sich daher neben dem Wortlaut auf weitere Kriterien stützen. Ansatzpunkt sind die weiteren Änderungen, die der Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG für zulässig erklärt hat. Von den in § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG normierten Tatbeständen betrifft auch Nr. 3 die 737 Thun, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 21, Rn. 16; ihm folgend Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Teil 2, Rn. 286; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 21, Rn. 13. 738 Thun, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 21, Rn. 16. 739 T. Busch, AG 2002, 145 146. 740 Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 21, Rn. 28; Thoma/Stöcker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 18, Rn. 140; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 21, Rn. 34; Nyenhuis, Bedingte Übernahmeangebote, S. 193; im Ergebnis auch Holzborn/Israel, BKR 2002, 982, 985 f. 741 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 21, Rn. 27. 742 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 21, Rn. 27. 743 Ebenso Nyenhuis, Bedingte Übernahmeangebote, S. 201.
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Frage eines Bedingungsverzichts. Hiernach kann der Bieter eine von ihm zur Bedingung erklärte Mindestakzeptanzschwelle herabsetzen. Es handelt sich um den Teilverzicht auf eine Bedingung, da der Bieter die Annahmeschwelle nicht gänzlich fallen lässt, sondern sie reduziert.744 Der Bieter kann bis zu einem Werktag vor Ablauf der Annahmefrist einen Strategiewechsel vollziehen. Er kann sein Angebot an neue Entwicklungen anpassen, wenn sich abzeichnet, dass die ursprüngliche Beteilungsmarke zu hoch gesteckt war und voraussichtlich nicht erreicht wird. Welche Schlüsse können hieraus gezogen werden? Die Festsetzung einer Mindestannahmequote wird regelmäßig als aufschiebende Bedingung ausgestaltet sein. Im Zeitraum zwischen dem Herabsetzen der Mindestakzeptanzschwelle und dem Ablauf der – ggf. nach § 21 Abs. 5 S. 1 WpÜG verlängerten – Annahmefrist ist der Bedingungseintritt theoretisch immer möglich. Daher scheint hier kein Fall des Verzichts auf eine bereits eingetretene bzw. ausgefallene Bedingung vorzuliegen. Fraglich ist, ob eine solch formal-logische Betrachtungsweise ausschlaggebend sein kann. Denn wenn der Bieter die von ihm zur Bedingung erklärte Beteilungsmarke herabsetzt, bringt er damit zum Ausdruck, dass er mit einem Erreichen der Beteilungsmarke in der verbleibenden Zeit bis zum Ablauf der Annahmefrist nicht mehr sicher rechnet. Der Bieter sieht die auflösende Bedingung damit bereits als ausgefallen an. Indem der Bieter die Beteiligungsschwelle herabsetzt, verzichtet er teilweise auf eine aufschiebende Bedingung, die zwar im Zeitpunkt der Angebotsänderung noch nicht ausgeblieben ist, der Bieter aber nicht mehr damit rechnet, dass die Bedingung noch eintritt. Der Bieter kann nach h. M. die Annahmeschwelle überdies auf eine Quote reduzieren, die im Zeitpunkt der Angebotsänderung bereits erreicht oder überschritten wurde.745 In diesem Fall gibt der Bieter am deutlichsten zu erkennen, dass er das Erreichen der anvisierten Mindestannahmeschwelle für unrealistisch hält und die auflösende Bedingung bereits als ausgefallen erachtet. Der Verzicht auf eine auflösende Bedingung, mit deren Ausfall der Bieter sicher oder aller Voraussicht nach rechnet, kann wertungsmäßig nicht anders behandelt werden als der Verzicht auf eine auflösende Bedingung, die bereits eingetreten ist. Flankiert wird dieser Befund durch die Teleologie des Gesetzes.746 Die Regelung des § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG soll bestimmte Modifikationen des Angebots zulassen, die aus Sicht der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft 744 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 21, Rn. 16; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 21, Rn. 33; Schröder, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 21, Rn. 17. 745 Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 21, Rn. 26; Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 21, Rn. 25; Schröder, in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 21, Rn. 18. 746 Siehe hierzu auch Nyenhuis, Bedingte Übernahmeangebote, S. 202.
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eine Verbesserung des Angebots beinhalten, ihnen über das ursprüngliche Angebot hinausgehende Handlungsmöglichkeiten eröffnen oder zu einer verstärkten rechtlichen Bindung des Bieters an sein Angebot führen.747 Der Verzicht auf die Bedingung, dass bestimmte Abwehrmaßnahmen ausbleiben, zu einem Zeitpunkt, in dem diese Abwehrmaßnahmen bereits ergriffen wurden, verstärkt die rechtliche Bindung des Bieters an seine Offerte und ist aus Sicht der Angebotsadressaten vorteilhaft. Der Bieter kann also gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpÜG auf die Angebotsbedingung, dass bestimmte Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats ausbleiben, auch dann verzichten, wenn diese Abwehrmaßnahmen vom Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bereits ins Werk gesetzt wurden. Der Bieter kann also auf eine Bedingung, die Gegenstand des ursprünglichen Angebots war, nachträglich verzichten, auch wenn die Bedingung bereits eingetreten oder der Bedingungseintritt ausgefallen ist. (b) Beeinträchtigung der Angebotsadressaten durch die Rechtsfolge einer Angebotsänderung Die Tatsache, dass der nachträgliche Verzicht auf eine bereits eingetretene bzw. ausgefallene Bedingung zulässig ist, sagt noch nichts darüber aus, ob die Angebotsänderung für den einzelnen Aktionär, der die öffentliche Offerte zur Zeit der Angebotsänderung bereits akzeptiert hatte, mit Nachteilen verbunden ist. Um dies zu ermitteln, bedarf es einer Analyse der Rechtsfolgen des Verzichts auf eine bereits eingetretene oder ausgefallene Bedingung. Gelangt man zu dem Befund, dass der nachträgliche Bedingungsverzicht mit für den einzelnen Aktionär nachteiligen Rechtsfolgen verbunden ist, wäre eine „Heilung“ der Exzesshandlung des Aufsichtsrats durch die Angebotsänderung des Bieters von vornherein ausgeschlossen. Die Rechtsfolgen eines nachträglichen Bedingungsverzichts sind im WpÜG ebenso wenig geregelt wie die Rechtsfolgen von Angebotsänderungen im Allgemeinen. Zunächst werden daher die Rechtsfolgen von Angebotsänderungen analysiert, um sie dann auf den nachträglichen Bedingungsverzicht zu übertragen. Die Rechtsfolgen von Angebotsänderungen sind in der Literatur umstritten. Der überwiegende Teil des Schrifttum vertritt die Ansicht, die Veröffentlichung des geänderten Angebots gemäß § 21 Abs. 2 WpÜG wirke kraft Gesetzes für alle Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft, also auch für diejenige Aktionäre, die das Angebot bereits angenommen haben.748 Der Inhalt des zwischen dem einzelnen Aktionär und dem Bieter bereits ge747
BT-Drucks. 14/7034, S. 49.
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schlossenen Kauf- oder Tauschvertrags über die Wertpapiere der Zielgesellschaft ändere sich kraft Gesetzes. Diametral entgegengesetzt ist die Auffassung, wonach die Angebotsänderung nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG die Wirksamkeit der bereits abgeschlossenen Verträge unberührt lässt, jedoch zur Entstehung eines Rücktrittsrechts der betroffenen Aktionären nach § 21 Abs. 4 WpÜG führt.749 Andere Stimmen in der Literatur wollen nach der Art der einzelnen, durch § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG zugelassenen Änderungen differenzieren. Eine automatische Modifikation der Verträge zwischen Bieter und Aktionären der Zielgesellschaft sei nur bei einer reinen Entgelterhöhung nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpÜG angezeigt.750 Bei den übrigen Angebotsänderungen nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpÜG, insbesondere beim Verzicht auf Bedingungen sowie bei der Herabsetzung der Annahmeschwelle sei eine automatische Vertragsanpassung nicht angezeigt. Denn insoweit stehe nicht eine für die Angebotsadressaten bloß vorteilhafte Vertragsänderung in Rede, sondern eine Änderung der Entscheidungsgrundlage der Aktionäre.751 Die Verträge derjenigen Aktionäre, die das Angebot bereits angenommen haben, würden daher nicht automatisch modifiziert und an das geänderte Angebot angepasst, sondern ihnen stünde das Rücktrittsrecht nach § 21 Abs. 4 WpÜG zu.752 Die Annahme des geänderten Angebots zu den geänderten Konditionen bliebe den Aktionären nach Ausübung dieses Rücktrittsrechts unbenommen.753 Die These, dass eine Angebotsänderung die Bindung der bereits abgeschlossenen Verträge beseitige, wird, soweit ersichtlich, überhaupt nicht vertreten. Sie würde weder den Interessen des Bieters, noch denen der Angebotsadressaten dienen. Als kleinster gemeinsamer Nenner der unterschiedlichen Positionen des Schrifttums bleibt daher – unabhängig davon, ob man eine Vertragsinhaltsänderung kraft Gesetzes annimt oder nicht – eine Bindung des Bieters an seine mit den einzelnen Aktionären geschlossenen Verträge bestehen, wenn er sein Angebot ändert. In Hinblick auf diese Frage kann man von einer h. M. sprechen. 748 Stephan, AG 2003, 551, 560; Hasselbach, in: KK-WpÜG, § 21, Rn. 16; Noack, in: Schwark, KMRK, WpÜG § 21, Rn. 36. 749 Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Teil 2, Rn. 292 ff. 750 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. § 21, Rn. 17. 751 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. § 21, Rn. 21, 31. 752 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. § 21, Rn. 21. 753 Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, WpÜG § 17, Rn. § 21, Rn. 21; differenzierend: Thun, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 21, Rn. 48, der durch das Rücktrittsrecht keine völlige Lösung des Aktionärs vom Vertrag ermöglichen möchte, sondern nur die Annahme des geänderten Angebots.
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Aus dieser h. M. lässt sich ableiten, dass der Verzicht auf eine auflösende Bedingung die Wirksamkeit des Angebots nicht beseitigt. Die schwebende Wirksamkeit des Angebots wandelt sich in eine endgültige Wirksamkeit. Diese Aussage kann auf den Verzicht einer aufschiebenden Bedingung übertragen werden, deren Eintritt so unwahrscheinlich ist, dass man mit ihm vernünftigerweise nicht rechnen kann.754 Auch in diesem Falle wandelt sich die schwebende Wirksamkeit in eine endgültige. Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Frage, welche Rechtsfolge mit dem Verzicht auf eine bereits eingetretene auflösende Bedingung verbunden ist. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entfällt im Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Die Aussage der h. M., wonach der Verzicht auf eine aufschiebende Bedingung die endgültige Wirksamkeit des Angebots herbeiführt, kann denklogisch nur auf eine Bedingung zutreffen, die zur Zeit des Verzichts noch nicht eingetreten ist. Zum einen könnte man daraus den Schluss ziehen, dass der Verzicht auf eine bereits eingetretene, auflösende Bedingung die rechtliche Bindung der Altverträge, die vor der Angebotsänderung geschlossenen wurden, nicht mehr retten kann. Diese Ansicht wäre mit der ratio legis des § 21 WpÜG nicht vereinbar. Denn die Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass Angebotsänderungen möglich sein sollen, wenn sie für den Angebotsadressaten von Vorteil sind.755 Auch ist eine unterschiedliche Behandlung des Verzichts auf auflösende und aufschiebende Bedingungen nicht gerechtfertigt. Daher muss der Verzicht auf eine aufschiebende Bedingung, die im Zeitpunkt der Angebotsänderung bereits eingetreten ist, zu einem Wiederaufleben der Bindung des Bieters an sein Angebot führen. Den Angebotsadressaten erwächst aus der Angebotsänderung somit kein Nachteil. Vielmehr wird der Nachteil, den der Aufsichtsrat durch Betätigen des Ausschalters herbeigeführt hat – Wegfall bzw. Verhinderung der Bindung des Angebots – wieder beseitigt, ohne dass dies mit zusätzlichen Beeinträchtigungen des Angebotsadressaten verbunden wäre. Da die Angebotsänderung damit die nachteiligen Wirkungen, die der Aufsichtsrat durch seine Abwehrmaßnahmen für die Aktionäre herbeigeführt hat, wieder nivelliert, muss hinterfragt werden, ob noch von einer Exzesshandlung gesprochen werden kann, wenn der Bieter auf die fragliche Bedingung wieder verzichtet.
754 755
Siehe oben § 9 IV.1.c)dd)(2)(a)(bb). BT-Drucks. 14/7034, S. 49.
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(c) Zeitpunkt für die Beurteilung der Exzesshandlungsqualität/ Heilung der Pflichtverletzung durch Bedingungsverzicht Stellt der Bieter sein öffentliches Angebot unter die Bedingung, dass der Aufsichtsrat bestimmte Abwehrmaßnahmen nicht ergreift, und verzichtet der Bieter nachträglich auf diese Bedingung, nachdem der Aufsichtsrat die fragliche Verteidigungshandlung vorgenommen hat, stellt sich das Verhalten des Aufsichtsrats ex post nicht mehr als Exzesshandlung dar. Denn durch sein Verhalten hat der Aufsichtsrat die Angebotsadressaten letztlich nicht darin beeinträchtigt, das Angebot anzunehmen, da die Bindung des Bieters an seine öffentliche Offerte fortbesteht und die Angebotsänderung selbst keine Nachteile für die Aktionäre mit sich bringt.756 Bei einer ex post Betrachtung zeitigt eine vom Aufsichtsrat provozierte Angebotsänderung des Bieters eine Wirkung, die für die Aktionäre günstig ist: Eine Änderung des Angebots durch den Bieter zieht gemäß § 21 Abs. 5 S. 1 WpÜG eine Verlängerung der Annahmefrist um zwei Wochen nach sich, wenn die Veröffentlichung der Änderung innerhalb der letzten zwei Wochen vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt. Beurteilt man das Verhalten des Aufsichtsrats dagegen ex ante im Zeitpunkt der Vornahme der Abwehrmaßnahme, die Gegenstand einer Ausschaltbedingung ist, d.h. vor dem Verzicht des Bieters auf die Ausschalterbedingung, liegt eine Beeinträchtigung der Aktionäre vor. Als Maßstab für die Beurteilung der Exzesshandlungsqualität ist der Geltungsgrund des Exzesshandlungsverbots heranzuziehen. Die Stellung des Managements als Verwalter fremden Vermögens verbietet es dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, das Gesellschaftsvermögen dergestalt einzusetzen, dass dadurch die Aktionäre in ihrer Entscheidung über die Annahme des Angebots beeinträchtigt werden. Indem der Aufsichtsrat eine Angebotsbedingung herbeiführt oder ihren Eintritt vereitelt, die in seinem Einflussbereich steht, entfällt, wie gezeigt, in einem ersten Schritt die Rechtsverbindlichkeit des Angebots. Indem der Aufsichtsrat die schwebende Unwirksamkeit des Angebots herbeiführt, beeinträchtigt er die Interessen der Angebotsadressaten. Sie können nicht mehr damit rechnen, dass sie mit dem Bieter zu den Konditionen des öffentlichen Angebots kontrahieren können. Die Veräußerungschance der Aktionäre ist damit erheblich verringert worden. Die Tatsache, dass der Bieter möglicherweise in einem zweiten Schritt, nämlich dem Verzicht des Bieters auf die eingetretene Ausschaltbedingung, die schwebende Unwirksamkeit des Angebots wieder beseitigt und das Angebot in einen weiteren Lebenszyklus führt, kann diese Beeinträchtigung nicht mehr beseitigen. Ob der Bieter die Ausschaltbedingung fallen lässt oder nicht, 756
Siehe oben§ 9 IV.1.c)dd)(2)(a)(bb).
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liegt nicht im Einflussbereich des Aufsichtsrats und ist für ihn daher nicht steuerbar. Für die Ermittlung der Exzesshandlungsqualität einer Abwehrmaßnahme, die dem Aufsichtsrat durch eine Ausschaltbedingung ermöglicht wurde, ist auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung abzustellen, ein etwaiger nachträglicher Verzicht auf die Bedingung lässt die Rechtswidrigkeit der Maßnahme unberührt. Daraus folgt aber auch, dass der Aufsichtsrat eine Abwehrmaßnahme ergreifen darf, wenn sie zwar die Voraussetzung einer Ausschalterbedingung erfüllt, die Maßnahme aber ins Werk gesetzt wird, nachdem der Bieter auf diese Bedingung verzichtet hat. d) Zwischenergebnis Der Fremdinteressenwahrungsgrundsatz verbietet es dem Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, die Angebotsadressaten darin zu beeinträchtigen, das an sie gerichtete öffentliche Angebot anzunehmen, wenn dabei Gesellschaftsmittel eingesetzt werden. Nicht alle Maßnahmen, die als Handlungen mit angebotserfolgsverhindernder Eignung i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu qualifizieren sind, können die Aktionäre in der Annahme des Angebots beeinträchtigen. Daher ist zwischen Abwehrmaßnahmen im herkömmlichen Sinne einerseits, und Abwehrexzesshandlungen757 andererseits zu unterscheiden. Die Aktionäre der Zielgesellschaft werden durch die Vorschriften des WpÜG über die Bindung des Bieters an sein Angebot bereits weit gehend von Abwehrexzesshandlungen geschützt. Der Bieter bleibt grundsätzlich an sein Angebot gebunden, selbst wenn der Aufsichtsrat Maßnahmen vornimmt, die geeignet sind, den Erfolg des Angebots i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu verhindern. Ihm steht auch kein Rücktrittsrecht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage zu. Das WpÜG vermag die Aktionäre der Zielgesellschaft aber nicht davor zu schützen, dass der Aufsichtsrat seine Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien verweigert, sofern der Aufsichtsrat berufen ist, diese Entscheidung zu treffen. In der Verweigerung der Zustimmung liegt daher stets eine Abwehrexzesshandlung, die mit dem Fremdinteressenwahrungsgrundsatz des Aufsichtsrats nicht zu vereinbaren ist. Außerdem kann der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft die Aktionäre bei der Annahme des Angebots beeinträchtigen, wenn es sich um ein bedingtes Angebot handelt. Der Bieter kann das Angebot an Bedingungen knüpfen, deren Eintritt oder Nichteintritt in den Händen des Aufsichtsrats liegt. Für solche Bedingungen wurde der Begriff der Ausschalterbedingung758 ge757 758
Siehe oben § 9 IV.1.a). Siehe oben § 9 IV.1.c)bb).
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wählt. Handlungen des Aufsichtsrats sind als Exzesshandlungen unzulässig, wenn sie den Eintritt einer auflösenden bzw. aufschiebenden Bedingung herbeiführen bzw. vereiteln, und damit grundsätzlich den Wegfall des Angebots herbeiführen. In Hinblick auf den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft ist die Anzahl von Ausschalterbedingungen begrenzt. Der Bieter kann die Bindung an das Angebot davon abhängig machen, dass der Aufsichtsrat eine bestimmte Abwehrmaßnahme, die konkret bezeichnet ist, nicht vornimmt. Das Ausbleiben jedweder Abwehrmaßnahme ist dagegen keine zulässige Bedingung. Ebenso wenig kann der Aufsichtsrat durch eine Bedingung in seiner Funktion als Kontrollorgan behindert werden. Denn in seiner Funktion als Kontrollorgan ist der Aufsichtsrat nicht an das Exzesshandlungsverbot gebunden, die Wertungen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 und Abs. 2 S. 4 WpÜG gehen insoweit vor. Der Bieter kann durch eine entsprechende Ausgestaltung der Angebotsunterlage auch nicht bewirken, dass der Aufsichtsrats pflichtwidrig handelt, wenn er das Übernahmeangebot in seiner Stellungnahme nach § 27 WpÜG nicht unterstützt. Sieht die Angebotsunterlage eine Ausschalterbedingung vor und nutzt sie der Aufsichtsrat, um die Wirksamkeit des Angebots zu verhindern, handelt er pflichtwidrig. Die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens wird nicht dadurch beseitigt, dass der Bieter nachträglich auf die Bedingung wieder verzichtet. Eine „Heilung“ der Exzesshandlung ist mithin ausgeschlossen. Denn für die Beurteilung der Exzesshandlungsqualität einer Maßnahme ist auf den Zeitpunkt ihrer Vornahme abzustellen. 2. Einsatz von Gesellschaftsvermögen zur Durchführung der Exzesshandlung Die Stellung als Verwalter fremden Vermögens verbietet es dem Aufsichtsrat, das ihm treuhänderisch anvertraute Vermögen als Mittel einzusetzen759, um den Inhaber dieses Vermögens die Möglichkeit zu nehmen, ein öffentliches Angebot zum Erwerb ihrer Wertpapiere anzunehmen. Wann aber kann davon gesprochen werden, dass der Aufsichtsrat Mittel der Gesellschaft zur Übernahmeabwehr einsetzt? Kriterien zur Beantwortung dieser Frage stellt die sog. corporate-opportunities-Doktrin760 bereit. Nach der Gesellschaftschancenlehre darf der Vorstand solche Geschäftschancen nicht für sich nutzen, von denen er nur kraft seiner organschaftlichen Stellung 759
Siehe oben § 9 III.3.g)aa)(3). Siehe zur Geschäftschancenlehre: R. Krause, Mitarbeit in Unternehmen, S. 602 ff.; Hopt, ZGR 2004, 1, 11 f. 760
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erfahren hat. Damit trifft die Geschäftschancenlehre eine Aussage, die über die inhaltliche Ausgestaltung der Managementpflichten hinausreicht. Sie erhellt auch, was zum Gesellschaftsvermögen zu rechnen ist. Zum Vermögensbereich der Korporation rechnet die corporate-opportunities-Doktrin alle Geschäftschancen, von denen der Geschäftsleiter nur kraft seiner organschaftlichen Stellung Kenntnis erlangt hat.761 Fleischer spricht davon, dass die Geschäftschancenlehre aus ökonomischem Blickwinkel eine Verteilung von Eigentumsrechten an Geschäftschancen zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitgliedern vornimmt.762 Wenn die Geschäftchance, von der ein Organmitglied in Ausführung oder bei Gelegenheit seiner Amtsführung erfährt, Vermögensbestandteil der Gesellschaft ist, muss die Kenntniserlangung von der Geschäftschance selbst als Verwendung von Gesellschaftsvermögen angesehen werden. In sachenrechtliche Kategorien übertragen könnte man die Geschäftschance, die sich für die Gesellschaft ergibt, wenn der Geschäftsleiter von ihr kraft seiner organschaftlichen Stellung erfährt, als Nutzung (§ 100 BGB) des Gesellschaftsvermögens bezeichnen. Was bedeutet dies für die Frage, wann das Management der Zielgesellschaft Gesellschaftsvermögen zur Übernahmeabwehr einsetzt? Sieht man das Organhandeln als Einsatz von Gesellschaftsvermögen an, liegt die Antwort auf der Hand. Der Aufsichtsrat verwendet durch seine Amtsführung immer das Gesellschaftsvermögen, also auch bei der Vornahme von Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot. Die Verwendung von Gesellschaftsvermögen kann also nicht erst angenommen werden, wenn sich das Verhalten der Verwaltung buchhalterisch erfassen lässt, also etwa zu einem Wertabfluss durch Kosten für die Veranstaltung einer Road-Show führt. Das Verhalten innerhalb der Strukturen der Gesellschaft reicht für eine Annahme einer Verwendung von Gesellschaftsvermögen aus. V. Ausnahmen vom Exzesshandlungsverbot Beansprucht das Exzesshandlungsverbot für den Aufsichtsrat uneingeschränkte Geltung oder gibt es Situationen, in denen es dem Aufsichtsrat ausnahmsweise gestattet ist, die Aktionäre darin zu beeinträchtigen, das Angebot anzunehmen? Innerhalb der Grenzen eines solchen Ausnahmetatbestandes würde der Aufsichtsrat nicht gegen seine Fremdinteressenwahrung verstoßen, wenn er seine Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien verweigerte bzw. eine auflösende Angebotsbedingung herbei761
Fleischer, ZGR 2001, 1, 8. Fleischer, NZG 2003, 985, 986; derselbe, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 9, Rn. 25. 762
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führte763. Der Frage, ob es Ausnahmen vom Exzesshandlungsverbot gibt oder nicht, soll im Folgenden nachgegangen werden. Aufgegriffen wird dabei die aktienrechtliche Diskussion über die Anerkennung von Ausnahmetatbeständen zum aktienrechtlichen Neutralitätsgebot. Ein solches Neutralitätsgebot gibt es zwar, wie gezeigt, nicht. Es liegt indes auf der Hand, dass diejenigen Fallkonstellationen, die nach dem aktienrechtlichen Schrifttum eine Ausnahme vom Neutralitätsgebot begründen sollten, auch aus dem Blickwinkel des Exzesshandlungsverbots einer eingehenderen Begutachtung würdig sind. 1. Drohende Beeinträchtigung von Gruppenoder Gemeinwohlinteressen Der Aufsichtsrat hat seine unternehmerischen Entscheidungen ebenso wie der Vorstand am Unternehmensinteresse auszurichten.764 Neben den Shareholder-Interessen fließen die Interessen der Stakeholder der Gesellschaft in das Unternehmensinteresse mit ein. Ist der Aufsichtsrat, wenn durch die Übernahme eine Beeinträchtigung von Stakeholder-Interessen, etwa von Arbeitnehmerinteressen, zu besorgen ist, von den Fesseln des Exzesshandlungsverbots befreit? Diese Frage muss verneint werden. Das an die Verwaltung der Aktiengesellschaft adressierte Verbot, Gesellschaftsmittel nicht dazu einzusetzen, um den Gesellschaftern die Annahme eines Angebots zum Erwerb ihrer Aktien zu erschweren, ist nicht bloß ein Belang, der im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen und abzuwägen wäre. Es handelt sich hierbei um eine aktienrechtliche Pflicht, deren Einhaltung nicht in das Belieben des Aufsichtsrats gestellt ist und über deren Befolgung oder Nichtbefolgung der Aufsichtsrat im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung nach §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG befinden könnte. Daraus ergibt sich, dass der Aufsichtsrat nicht schon dann von den Bindungen des Exzesshandlungsverbots befreit ist, wenn mit der Übernahme der Gesellschaft durch den Bieter eine Beeinträchtigung von Gruppeninteressen, etwa von Arbeitnehmerinteressen oder den Interessen einzelner Aktionäre, zu besorgen ist. Eine drohende Beeinträchtigung von Gruppeninteressen kann die Verwaltung nicht dazu legitimieren, das Gesellschaftsvermögen dazu einzusetzen, um die Aktionäre bei der Annahme der Offerte zu behindern.765 Die Verwaltung hat kein allgemeines Mandat, bei der Gefährdung der Interessen von Gläubigern, Arbeitnehmern oder einzel763
Entsprechendes gilt freilich für die Vereitelung des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung. 764 Siehe oben § 5 II.1.b)aa). 765 Ähnlich Hopt, ZGR 1993, 534, 551 f.
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ner Aktionäre bzw. Aktionärsgruppen, eine an alle Aktionäre gerichtete Offerte zu bekämpfen.766 Dasselbe muss für andere Belange gelten, die der Aufsichtsrat bei unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigen darf. Daher kann auch eine Gefährdung von Gemeinwohlinteressen eine Ausnahme vom Exzesshandlungsverbot nicht begründen.767 2. Verhinderung von Gesetzesverstößen Nach mehreren Stimmen des aktienrechtlichen Schrifttums sollen der Verwaltung der Zielgesellschaft Maßnahmen der Übernahmeabwehr gestattet sein, wenn nach einem Kontrollerwerb durch den Bieter Gesetzesverstöße, die dem Bieter zuzurechnen sind, zu besorgen wären. Als ein solch rechtswidriges Verhalten wird in der Übernahme des Unternehmens mit dem Ziel gesehen, es finanziell auszubeuten (sog. looting) oder gänzlich zu zerschlagen (asset stripping), oder wenn das Übernahmeangebot in einer Weise kreditfinanziert ist, dass ein aktienrechtlich verbotener Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft geplant oder unumgänglich ist.768 Z. T. wird eine Abwehrkompetenz des Vorstands auch erwogen, wenn Verstöße gegen das Kartellrecht drohen.769 Erforderlich soll sein, dass der Gesetzesverstoß ernsthaft droht, nicht unerheblich ist und mit der Übernahme selbst zusammenhängt.770 Wenn das Management ein feindliches Übernahmeangebot bekämpfe, weil ihm konkrete Anhaltspunkte für eine gesetzeswidrige Ausbeutung oder eine dauernd rechtswidrige Tätigkeit des Unternehmens nach der Übernahme vorliegen, läge dies nach Fleischer in der Nähe einer „aktienrechtlichen Notstandslage“.771 Andere Auffassungen im Schrifttum wollen einen solchen Ausnahmetatbestand nicht anerkennen. Der Verwaltung der Zielgesellschaft könne man nicht die Rolle als Hüterin der Rechtsordnung angedeihen lassen.772 Es sei nicht Aufgabe des Gesellschaftsrechts, öffentlich-rechtliche Kontrollfunktio766
Ähnlich Hopt, ZGR 1993, 534, 552. Änhlich Hopt, ZGR 1993, 534, 553; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 124; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1392. 768 Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26; Hopt, ZGR 1993, 534, 553; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 125; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1393; Grunewald, WM 1989, 1233, 1237; in dieselbe Richtung: Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 591. 769 Hopt, ZGR 1993, 534, 554; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1393. 770 Hopt, ZGR 1993, 534, 554; derselbe, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 125; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1393. 771 Fleischer, ZIP 2005, 141, 150. 772 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 114. 767
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nen durch die Förderung oder Verhinderung eines Machtwechsels im Unternehmen wahrzunehmen.773 Dem Management fehlten überdies die rechtsstaatlichen Ermittlungsinstrumente.774 Dem ist zuzustimmen. Das Management der Zielgesellschaft hat sich nach h. M. gesetzestreu zu verhalten und überdies Rechtsverstößen von Mitarbeitern entgegenzuwirken (Compliance).775 Das Management ist dafür verantwortlich, dass es selbst und die Personen, die seinen Weisungen unterliegen und die von ihm geprägten Strukturen nutzen, nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Dass das Management der Zielgesellschaft auch dafür Sorge zu tragen hat, dass sich auch ein künftiges Management der Gesellschaft, also der Amtsnachfolger, gesetzestreu verhält, kann dem Aktienrecht nicht entnommen werden. Mögliche Rechtsverstöße des eigenen Nachfolgers im Amte präventiv zu bekämpfen, würde der Verwaltung eine Kontrollfunktion zuteil werden lassen, die als Fremdkörper im Aktienrecht anzusehen wäre. Die Kontrolle des Verhaltens eines potentiell künftigen Managements oder potentiell künftiger Hauptversammlungsbeschlüsse ist in diesem austarierten Kontrollsystem des Aktienrechts nicht angelegt. 3. Abwehr von Gefahren, die mit der Person des Bieters verbunden sind In eine ähnliche Richtung weisen Vorschläge, die dem Management der Zielgesellschaft Abwehrmaßnahmen gestatten wollen, wenn die Zielgesellschaft nach vollendetem Kontrollerwerb aufgrund der Person des Bieters mit Nachteilen am Markt zu rechnen hätte. Als Beispiel wird die Übernahme der Zielgesellschaft durch eine verbrecherische Organisation776, wie z. B. durch die Mafia oder eine terroristische Organisation777, angesehen. Dasselbe gelte für den Fall, dass es sich bei dem Bieter um einen politisch exponierten ausländischen Staat778 handelt, dessen Beteiligung an der Gesellschaft erhebliche Gegenreaktionen der Kunden am Markt auslösen würde, weil er aus deutscher Sicht undemokratisch oder diktatorisch ist. Das Management der Zielgesellschaft sei zur Gefahrenabwehr nach dieser Ansicht insbesondere dann berufen, wenn der Bieter in wichtigen Märkten der Zielgesellschaft auf schwarzen Listen steht, so dass die Gesellschaft wesentliche Teile ihres Marktes verlöre, wenn das Angebot Er773 774 775 776 777 778
Adams, AG 1990, 243, 246. Adams, AG 1990, 243, 246. Fleischer, in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 7, Rn. 4. Hopt, ZGR 1993, 534, 554; Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 102. Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 102; Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26.
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folg hätte.779 Es geht insoweit um die gebotene Abwehr eines Imageschadens von der Gesellschaft.780 Bereits der bloße Erwerb einer Minderheitsbeteiligung könne in entsprechenden Fällen unternehmensschädigend sein.781 Zwar sehen auch die Vertreter dieser Ansicht die Gefahr, dass die Zielgesellschaft die aus der Identität des Bieters erwarteten Nachteile übermäßig dramatisiert. Dieser Gefahr soll dadurch Rechnung getragen werden, dass Abwehrmaßnahmen nur in „wirklich eindeutigen und krassen Fällen“782 zulässig sein sollen. Andere fordern, der Vorstand müsse beweisen, dass mit der Person des Bieters schwerwiegende Nachteile für die Zielgesellschaft verbunden sind.783 Andere Literaturstimmen lehnen es ab, der Verwaltung der Zielgesellschaft aufgrund bestimmter Eigenschaften des Bieters Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot zu gestatten. Die Anerkennung eines solchen Ausnahmetatbestands, sei mit der Gefahr der Diskriminierung bestimmter Einzelpersonen oder Personengruppen verbunden.784 Schon die Bestimmung, welche Person bzw. Personengruppe als gesellschaftsschädigend einzustufen ist und welche nicht, wäre diskriminierungsfrei oftmals schwer möglich.785 Das Management der Zielgesellschaft sei nicht die richtige Instanz zu entscheiden, ob mit der Person des Bieters eine Gefahr für die Gesellschaft verbunden ist.786 Überdies sei eine vom Bieter einzusetzende Verwaltung an die geltenden rechtlichen Vorschriften gebunden.787 Diese Ansicht überzeugt. Dem Aktienrecht ist die Kontrolle eines künftigen Mehrheitsaktionärs bzw. eines künftigen Managements durch das amtierende Management fremd. Die Einschätzung, ob die Person des Bieters für das Unternehmen schädlich ist oder nicht, gebührt den einzelnen Adressaten des Angebots. Im Falle eines erfolgreichen Kontrollerwerbs hat sich der Bieter im Rahmen des geltenden Rechts zu bewegen. Erkennt man ein Bedürfnis an, die Volkswirtschaft präventiv vor Bietern mit einem hinreichenden Gefahrenpotential zu schützen, so stehen hierfür rechtsstaatliche Instrumentarien bereit. Dies ist in bestimmten Bereichen des Wirtschafts779
Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 271; ähnlich Hopt, ZGR 1993, 534,
554. 780
Kort, in: Großkomm AktG, § 76, Rn. 102. Mertens, in: KK-AktG, § 76, Rn. 26. 782 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 271. 783 Hopt, ZGR 1993, 534, 555. 784 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 247. 785 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 247, weisen auf eine besondere historische Verantwortung Deutschlands hin, Diskriminierungen zu vermeiden. 786 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, S. 1, 114. 787 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 248. 781
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lebens bereits geschehen: Nach § 2 b Abs. 1 a KWG kann die BAFin den Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut untersagen. In der Versicherungswirtschaft kann nach § 82 VAG ein Beteiligungserwerb untersagt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber diesen Weg in rechtsstaatlicher Weise nicht auch zur Bekämpfung krimineller Vereinigungen gehen könnte. Das Exzesshandlungsverbot erleidet nach alledem keine Ausnahme für den Fall, dass das Management aufgrund der Person des Bieters Gefahren für eine gedeihliche Entwicklung der Gesellschaft sieht. 4. Mangelnde Reziprozität Zum aktienrechtlichen Neutralitätsgebot wird die Ansicht vertreten, die Neutralitätspflicht der Verwaltung entfiele bei mangelnder Reziprozität: Wenn das Angebot von einem ausländischen Bieter ausginge, bestünde die Neutralitätspflicht nicht, wenn die Rechtsordnung des Heimatlandes des Bieters Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmeversuche zuließe. Für den Fall, dass die inländische Zielgesellschaft bei dem hypothetischen Versuch, den ausländischen Bieter zu übernehmen, – also mit umgekehrter Rollenverteilung – mit Abwehrmaßnahmen zu rechnen hätte, solle sich auch die inländische Zielgesellschaft gegen den Übernahmeversuch wehren dürfen.788 Dabei wird es als unerheblich angesehen, ob die Zielgesellschaft tatsächlich ein Gegenangebot auf die Aktien des ausländischen Bieters abgeben will (sog. „Pac Man-Defense“), oder nicht.789 Die Vertreter dieser Ansicht bleiben eine dogmatische Herleitung dieser Ausnahme schuldig. Die diesem Ausnahmetatbestand zugrunde liegende Forderung nach „Waffengleichheit“ mag rechtspolitisch berechtigt sein, ein allgemeiner Grundsatz des deutschen Aktien- oder internationalen Privatrechts kann hierin aber nicht ohne weiteres erblickt werden. Der Europäische Regelungegeber hat den Gedanken der Reziprozität aufgegriffen und in den Art. 12 Abs. 3 ÜbRL übernommen.790 Mit Inkrafttreten des ÜbRL-UG hat der deutsche Gesetzgeber von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht, und das Reziprozitätskriterium ins deutsche Recht übernommen (§ 33 c Abs. 1, Abs. 2 WpÜG). Wird eine Gesellschaft, die die Anwendung des § 33 WpÜG in der Satzung ausgeschlossen hat, Ziel eines Übernahmeangebots, muss sie einen Hauptversammlungsbeschluss herbeiführen, um in den Genuss der erweiterten Abwehrmöglichkeiten des § 33 WpÜG zu kom788 789 790
Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157, 1160. Ebenroth/Daum, DB 1991, 1157, 1161. Siehe hierzu: Kersting, EuZW 2007, 528 ff.
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men und damit größere Abwehrmöglichkeiten zu erhalten. Ein Automatismus ist ausgeschlossen. Das Reziprozitätskriterium nach § 33 c WpÜG, Art. 12 Abs. 3 ÜbRL soll nach dem Willen des Gesetzgebers überdies nur dann ausschlaggebend sein, wenn § 33 WpÜG nach dem Willen der Zielgesellschaft keine Anwendung findet, der Aufsichtsrat demnach dem Europäischen Verhinderungsverbot des § 33 a Abs. 2 S. 1 WpÜG n. F. unterfällt. Jenseits der spezialgesetzlichen Regelung dieser komplexen Thematik lässt sich mangelnde Reziprozität nicht als Ausnahme vom Exzesshandlungsverbot aus dem allgemeinem Aktienrecht herleiten. 5. Auflösung der Gesellschaft Als Ausnahme vom aktienrechtlichen Neutralitätsgebot wird die Fallgruppe erwogen, dass der Bieter die Zielgesellschaft nach erfolgreichem Kontrollerwerb auflösen möchte. Dieser Tatbestand könnte auch als Ausnahme vom Exzesshandlungsverbot erwogen werden. Nährboden dieser Ansicht bietet ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1960: In seinem Minimax-Urteil gestattete es der BGH dem Vorstand der Minimax AG, sich gegen das feindliche Übernahmeangebot des französischen Unternehmens Total zur Wehr zu setzen. Da die französische Total erklärtermaßen das Ziel verfolgte, die Minimax nach dem Kontrollerwerb zu vernichten, sei der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die feindliche Übernahme zu verhindern.791 Ein Teil des Schrifttums ist dem beigetreten.792 Ein vom Bieter nach erfolgtem Kontrollerwerb zu erwartender Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft müsse als Schädigung des Gesellschaftsinteresses angesehen werden.793 Steht eine solche Schädigung des Gesellschaftsinteresses zu erwarten und habe die Hauptversammlung der Zielgesellschaft dem Vorstand keine nach § 83 Abs. 2 AktG verbindlichen Vorgaben gemacht, sei der Vorstrand berechtigt bzw. verpflichtet, den Übernahmeversuch abzuwehren.794 Die Verwaltungsorgane wären verpflichtet zu verhindern, dass „offensichtlich gesellschaftsfeindliche Personen“795 in den Gesellschafterkreis aufgenommen werden oder ihre Beteiligung aufstocken. Andere Stimmen im Schrifttum wollen den Tatbestand der „drohenden Vernichtung“, wie ihn der BGH vorgezeichnet hat, nicht anerkennen. Schon 791
BGH 6.10.1960, BGHZ 33, 175 – „Minimax II“. Kort, in: FS Lutter (2000), S. 1421, 1434; Schneider/Burgard, DB 2001, 963, 967; Krieger, in: Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 20, S. 289, 303 f.; Bungert, NJW 1998, 488, 492; Körner, DB 2001, 367, 369; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 246 f. 793 Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 246 f. m. w. Nachw. 794 Thümmel, DB 2000, 461, 463; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 247. 795 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 III I 2 b, S. 449. 792
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der vom BGH verwendete Begriff der „Vernichtung“ sei nebulös. Denn im äußersten Fall könne der neue Mehrheitsaktionär die Gesellschaft liquidieren, sie eingliedern oder sich mit ihr fusionieren. In all diesen Fällen enthalte das Aktienrecht Mechanismen zum Schutz der tangierten Interessen.796 Das Aktienrecht stelle damit Formen bereit, in der das in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebene Unternehmen ohne Rechtsverstoß beendet werden könne. Keinen Schutz entfalte das Aktienrecht für das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen als solches.797 Mestmäcker weist darauf hin, dass eine Rechts- und Wirtschaftsordnung, die auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit und der Wettbewerbsfähigkeit aufbaut, Unternehmen keinen Bestandsschutz gewähren kann.798 Der BGH hat den Pfad, den er mit seiner „Minimax II“-Entscheidung betreten hat, mittlerweile selbst wieder verlassen.799 In seiner „Linotype“-Entscheidung800 hebt das Gericht hervor, dass die Auflösung einer Aktiengesellschaft aufgrund eines mit qualifizierter Mehrheit gefassten Auflösungsbeschlusses keines sachlichen Grundes bedarf.801 Der Auflösungsbeschluss trage seine Rechtfertigung bereits in sich. Ein selbständiges Unternehmensinteresse am Fortbestand ist damit nicht anzuerkennen.802 Die „Linotype“-Entscheidung betrifft zwar unmittelbar nur die Rechtmäßigkeit eines geplanten Auflösungsbeschlusses, nicht die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot. Gleichwohl ergibt sich aus dem „Linotype“-Urteil, dass die drohende Auflösung der Gesellschaft die Verwaltung der Zielgesellschaft nicht zu Abwehrmaßnahmen legitimiert: Denn wenn der Bieter nach erfolgreichem Kontrollerwerb die Zielgesellschaft ohne Weiteres auflösen darf, kann auch der vorgeschaltete Kontrollerwerb selbst nicht als gesellschaftsschädigend angesehen werden. Selbst wenn der Bieter erwiesenermaßen die Auflösung der Zielgesellschaft beabsichtigt, kann daher keine Ausnahme vom Exzesshandlungsverbot angenommen werden. 6. Änderung des wirtschaftlichen Konzepts, Verlust der Unabhängigkeit Die Tatsache, dass der Bieter das wirtschaftliche Konzept des Unternehmens nach erfolgreichem Kontrollerwerb ändern möchte, kann eine Aus796
Mestmäcker, BB 1961, 945, 946. Mestmäcker, BB 1961, 945, 946 f. 798 Mestmäcker, BB 1961, 945, 947. 799 Hopt, ZGR 1993, 534, 550; Rümker, in: FS Heinsius (1991), S. 683, 688. 800 BGH 1.2.1988, BGHZ 103, 184, 189 ff. 801 BGH 1.2.1988, BGHZ 103, 184, 191. 802 Zustimmend: Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 124; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1392. 797
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nahme vom Exzesshandlungsverbot nicht begründen.803 Das Exzesshandlungsverbot soll vielmehr den Aktionären gerade die Möglichkeit erhalten, den Stab über das unternehmerische Konzept des amtierenden Managements zu brechen, indem sie ihre Aktien an den Bieter veräußern und dabei eine mögliche Übernahmeprämie realisieren. Auch sind Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft nicht bereits dann gerechtfertigt, weil durch die Übernahme die wirtschaftliche Selbständigkeit der Gesellschaft gefährdet und eine Konzernbildung zu erwarten ist.804 Der Gesetzgeber hat durch die §§ 15 ff. AktG die Beseitigung der Unabhängigkeit der Aktiengesellschaft legitimiert und dies mit der Kodifikation des WpÜG erneut bekräftigt.805 Nach Inkrafttreten des WpÜG würde es absurd anmuten, wenn die Rechtsordnung einerseits dem Bieter die Möglichkeit der Übernahme einer Aktiengesellschaft gewährte, und andererseits Abwehrmaßnahmen der Verwaltung allein mit der Begründung zulässig wären, dass der bloße Verlust der Selbständigkeit dem Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft widerspräche.806 7. Handlungen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Zielgesellschaft Der Bieter kann durch Formulierung entsprechender Angebotsbedingungen den Handlungsspielraum des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft für die Zeit des Übernahmeverfahrens einschränken. Macht der Bieter von dieser Möglichkeit Gebrauch und bedingt er sein öffentliches Angebot an die Aktionäre etwa dadurch, dass bestimmte Maßnahmen des Aufsichtsrats unterbleiben, kann dies die Handlungsfreiheit der Zielgesellschaft tangieren. Als Beispiel mag man daran denken, dass das Angebot die auflösende Bedingung enthält, dass der Aufsichtsrat kein neues Vorstandsmitglied bestellt oder die Amtszeit eines amtierenden Vorstandsmitglieds nicht verlängert. Endet in diesem Beispielsfall die reguläre Amtszeit eines Vorstandsmitglieds während des Übernahmeverfahrens oder scheidet ein Vorstandsmitglied während dieser Zeit vorzeitig aus dem Amt, befindet sich der Aufsichtsrat nach dem bisher Gesagten in einem Konflikt. Sieht der Aufsichtsrat davon ab, ein – etwa aus gesundheitlichen Gründen – vorzeitig ausgeschiedenes Vorstandsmitglied zu ersetzen oder die auslaufende Amts803 So bereits zum aktienrechtlichen Neutralitätsgebot: Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 124; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1392. 804 Hopt, in: Großkomm AktG, § 93, Rn. 124; derselbe, in: FS Lutter (2000), S. 1361, 1392; Thümmel, DB 2000, 461, 463; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 248. 805 Lange, WM 2002, 1737, 1740. 806 Lange, WM 2002, 1737, 1740.
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zeit eines Vorstandsmitglieds zu verlängern, kann ein Verstoß gegen die Satzung, die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats sowie gegen die Verpflichtung des Aufsichtsrats auf das Unternehmensinteresse inmitten stehen, wenn der Aufsichtsrat die erforderliche Personalentscheidung unterlässt. Nimmt er dagegen eine Personalentscheidung vor und führt er dadurch den Eintritt einer auflösenden Angebotsbedingung herbei, kann dies nach dem bisher Gesagten den Wegfall des Angebots bedeuten. Wie ist dieser Konflikt zu bereinigen? Zur Beantwortung dieser Frage wird der Blick zunächst auf die Regelungen in §§ 33 und 33 a WpÜG gelenkt, in denen der Gesetzgeber die Gefahr einer Handlungsunfähigkeit der Zielgesellschaft durch das Verhinderungsverbot gesehen und geregelt hat. Zudem wird der Frage nachgegangen, inwiefern hieraus Schlüsse für den vom Exzesshandlungsverbot betroffenen Aufsichtsrat gezogen werden können. Ferner wird beleuchtet, inwieweit das Aktienrecht Vorkehrungen getroffen hat, um eine drohende Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu vermeiden, wenn eine dem Aufsichtsrat obliegende Aufgabe nicht wahrgenommen werden kann. Im Anschluss daran wird eruiert, wie einer drohenden Handlungsunfähigkeit des Aufsichtsrats aufgrund des Exzesshandlungsverbots beizukommen ist. a) Regelungen zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der Organe der Zielgesellschaft im Rahmen von §§ 33, 33 a WpÜG aa) § 33 Abs. 1 WpÜG Der Gesetzgeber hat bei der Normierung des an den Vorstand der Zielgesellschaft adressierten Verhinderungsverbots die Gefahr einer Lähmung der Zielgesellschaft gesehen und dem durch Schaffung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG Rechnung getragen. Hiernach unterfallen solche Handlungen des Vorstands nicht dem Verhinderungsverbot, wenn sie auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen Gesellschaft vorgenommen hätte. Auf der Grundlage dieses Ausnahmetatbestands kann der Vorstand der Zielgesellschaft das Tagesgeschäft weiterführen und bereits eingeschlagene Unternehmensstrategien weiter verfolgen.807 Diese Regelung soll eine unangemessene Behinderung der Zielgesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit während des Angebotsverfahrens verhindern.808 In Hinblick auf Maßnahmen, deren Vornahme nicht bereits nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG zulässig ist, steht es dem 807 808
BT-Drucks. 14/7034, S. 57. BT-Drucks. 14/7034, S. 58.
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Vorstand der Zielgesellschaft wie auch sonst unbenommen, das Plazet der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG einzuholen. Geht der Vorstand nicht den Weg des § 119 Abs. 2 AktG und liegt auch keine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen809 vor, kann die Hauptversammlung der Zielgesellschaft aus eigener Initiative auch in Übernahmekontexten keine Geschäftsführungsmaßnahmen beschließen bzw. den Vorstand hierzu ermächtigen.810 Regelungen zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats hält § 33 WpÜG nicht bereit, weil die Vorschrift für Initiativmaßnahmen des Aufsichtsrats mit angebotserfolgsverhindernder Eignung nicht gilt. Eine analoge Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG auf Maßnahmen des Aufsichtsrats muss schon mangels planwidriger Regelungslücke abgelehnt werden, da der Gesetzgeber in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG konzeptionell nur den Vorstand, nicht auch den Aufsichtsrat, dem Verhinderungsverbot und seinen Ausnahmetatbeständen unterworfen hat. bb) § 33 a Abs. 2 S. 2 WpÜG n. F. Das Europäische Verhinderungsverbot gemäß § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. enthält ebenfalls Vorkehrungen gegen eine Lähmung der Zielgesellschaft während des Laufs eines Übernahmeverfahrens. Nach § 33 a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 WpÜG n. F. gilt das Europäische Verhinderungsverbot für Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft nicht in Hinblick auf Handlungen innerhalb des normalen Geschäftsbetriebes. Außerdem sind nach § 33 a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 WpÜG n. F. Handlungen außerhalb des normalen Geschäftsbetriebs zulässig, sofern sie der Umsetzung von Entscheidungen dienen, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots gefasst und teilweise umgesetzt wurden. Bei Lichte besehen erweisen sich die Ausnahmetatbestände des § 33 a Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 WpÜG n. F. für Handlungen des Aufsichtsrats als wenig bedeutsam, da die Handlungen des Aufsichtsrats in aller Regel nicht zum Geschäftsbetrieb der Gesellschaft gehören.811 Überdies gilt das Europäische Verhinderungsverbot nicht, wenn die Hauptversammlung den Vorstand oder Aufsichtsrat nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zur Vornahme der fraglichen Handlung ad hoc ermächtigt. Das bedeutet, dass – im Gegensatz zum Regelungsregime des § 33 WpÜG – Ermächtigungsbeschlüsse der Hauptversammlung bei einem Opt-in nach § 33 a Abs. 1 809 810 811
BGH 25.2.1982, BGHZ 83, 122; BGH 26.4.2004, BGHZ 159, 30. Siehe hierzu oben § 5 II.2.a)bb). Friedl, NZG 2006, 422, 423.
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WpÜG n. F. auch Handlungen umfassen können, die in die Zuständigkeit von Vorstand bzw. Aufsichtsrat fallen. Steht somit eine Maßnahme des Aufsichtsrats mit angebotserfolgsverhindernder Eignung in Rede, kann der Aufsichtsrat Maßnahmen zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der Zielgesellschaft in den Grenzen des § 33 a Abs. 2 S. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 WpÜG n. F. ins Werk setzen. Überdies kann der Vorstand die Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG mit Fragen der Geschäftsführung betrauen. Auch im Hinblick auf die Ausnahmetatbestände des § 33 a Abs. 2 S. 2 WpÜG n. F. verbietet sich eine analoge Anwendung auf den vom Exzesshandlungsverbot betroffenen Aufsichtsrat. Der deutsche Gesetzgeber hat durch den Gebrauch der Opt-out-Möglichkeit nach Art. 12 Abs. 1 ÜbRL zu erkennen gegeben, dass sich der Verhaltensstandard für die Organe der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots aus den Grundsätzen ergeben, die § 33 WpÜG aufstellt. Insofern könnte man von einer Bestätigung des gesetzgeberischen Konzepts des § 33 WpÜG sprechen.812 Hiernach ist der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft weder dem Verhinderungsverbot, noch den Ausnahmetatbeständen hierzu unterworfen. Vielmehr ist das allgemeine Aktienrecht – insbesondere das Exzesshandlungsverbot nach der hier vertretenen Meinung – für die Beurteilung des Aufsichtsratshandelns maßgeblich. Die Regelungen des § 33 a Abs. 2 WpÜG n. F. sollen vielmehr nur dann ausschlagend sein, wenn die Zielgesellschaft von ihrer Opt-in – Möglichkeit nach § 33 a Abs. 1 WpÜG n. F. Gebrauch macht. Eine analoge Anwendung von § 33 a Abs. 2 S. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 WpÜG n. F. auf Handlungen des Aufsichtsrats scheidet daher aus. b) Aktienrechtliche Regelungen zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats aa) Überantwortung der Entscheidung auf die Hauptversammlung Eine Handlungsunfähigkeit der Zielgesellschaft wäre ausgeschlossen, wenn die vom Exzesshandlungsverbot erfassten, in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallenden Maßnahmen von einem anderen Organ der Zielgesellschaft vorgenommen werden könnten. In Betracht kommt nur eine Vornahme der fraglichen Maßnahme durch die Hauptversammlung. Könnte im oben813 angesprochenen Beispiel die Hauptversammlung eine anstehende 812 813
Ähnlich: Friedl, NZG 2006, 422, 423. Siehe § 9 V.7.
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Personalentscheidung in Bezug auf die Verlängerung der Amtszeit oder der Neubestellung eines Vorstandsmitglieds treffen, wäre insoweit eine Lähmung der Zielgesellschaft ausgeschlossen. Das Aktiengesetz sieht in § 119 Abs. 2 AktG vor, dass die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden kann, wenn der Vorstand es verlangt. Der Vorstand muss nach h. M. für die fragliche Maßnahme zuständig sein. Maßnahmen, die dem Aufsichtsrat zugewiesen sind, können nicht Gegenstand einer Vorlage nach § 119 Abs. 2 AktG sein.814 Ein Vorlagerecht des Aufsichtsrats wird selbst dann abgelehnt, wenn der Aufsichtsrat funktional an die Stelle des Vorstands tritt, namentlich wenn der Aufsichtsrat den Vorstand nach § 112 AktG vertritt815, etwa beim Abschluss des Anstellungsvertrags mit dem Vorstandsmitglied.816 Eine allgemeine „Notvertretungsbefugnis“ der Hauptversammlung wird selbst dann abgelehnt, wenn die Gesellschaft weder Vorstand, noch Aufsichtsrat hat.817 Das Aktienrecht kennt daher keinen Kompetenzübergang vom Aufsichtsrat auf die Hauptversammlung. bb) Aktienrechtliche Mechanismen zur Vermeidung einer Handlungsunfähigkeit der Zielgesellschaft im Bereich des Aufsichtsratshandelns Die Gefahr, dass die Aktiengesellschaft handlungsunfähig wird, weil eine an sich in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallende Maßnahme nicht oder nicht rechtzeitig vorgenommen wird, hat der Gesetzgeber nur rudimentär geregelt. Eine Regelung besteht in Hinblick auf die Bestellung von Mitgliedern des Vorstands.818 Nach § 85 Abs. 1 S. 1 AktG ist bei Fehlen eines erforderlichen Vorstandsmitglieds in dringenden Fällen die gerichtliche Bestellung eines Vorstandsmitglieds möglich.819 Dringlichkeit i. S. d. § 85 Abs. 1 S. 1 AktG setzt zum einen voraus, dass der Aufsichtsrat selbst nicht 814 Kropff, Aktiengesetz, S. 165; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 119, Rn. 15; Mülbert, in: Großkomm AktG, § 119, Rn. 40, 44; Kubis, in: MünchKomm AktG, § 119, Rn. 20; Hüffer, Aktiengesetz, § 119, Rn. 13. 815 Mülbert, in: Großkomm AktG, § 119, Rn. 44. 816 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 84, Rn. 39. 817 Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 119, Rn. 28; Mülbert, in: Großkomm AktG, Vor §§ 118–147, Rn. 21; Kubis, in: MünchKomm AktG, § 119, Rn. 19. 818 Kropff, Aktiengesetz, S. 107; Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm AktG, § 85, Rn. 1; Hüffer, Aktiengesetz, § 85, Rn. 1. 819 Kropff, Aktiengesetz, S. 107; Hüffer, Aktiengesetz, § 85, Rn. 1.
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schnell genug eingreift oder nicht eingreifen kann.820 Darüber hinaus erfordert die Annahme eines dringlichen Falls, dass ohne ein sofortiges Eingreifen erhebliche Nachteile drohen für die Gesellschaft, ihre Aktionäre, Gläubiger, die Belegschaft oder Dritte.821 § 85 AktG bestätigt damit den Befund, dass Handlungen, die in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallen, auch nicht in dringenden Fällen von einem anderen Organ der Gesellschaft vorgenommen werden dürfen. Vielmehr darf aus dem gesamten Repertoire der Aufgaben des Aufsichtsrats nur die Bestellung eines Vorstandsmitglieds notfalls durch ein Gericht vorgenommen werden. In den anderen Fällen, in denen der Aufsichtsrat seinen Aufgaben nicht nachkommt, hält der Gesetzgeber das Abberufungsrecht der Hauptversammlung gemäß § 103 Abs. 1 S. 1 AktG für ausreichend. Nimmt der Aufsichtsrat eine Handlung in seinem Zuständigkeitsbereich nicht vor und steht kein Fall des § 85 AktG inmitten, bedarf es einer Einberufung der Hauptversammlung innerhalb der Monatsfrist des § 124 Abs. 1 AktG, damit eine Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern stattfinden kann. Die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder bzw. der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat kommt als Mittel zur Auflösung einer Handlungsblockade des Aufsichtsrats freilich nur in Betracht, wenn der Aufsichtsrat eine aus Sicht der Hauptversammlung gebotene Handlung nicht vornimmt, obwohl er diese Handlung vornehmen darf bzw. hierzu sogar verpflichtet ist. Im Falle einer wegen des Exzesshandlungsverbots unzulässigen Maßnahme kann eine Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern eine Handlungsblockade nicht auflösen, da auch ein in seiner Besetzung geändertes Aufsichtsratskollegium an das Exzesshandlungsverbot gebunden wäre. Nach dem gesetzgeberischen Konzept können also die vom Aufsichtsrat zu treffenden Initiativmaßnahmen nicht durch eine andere Stelle vorgenommen werden, auch wenn der Aufsichtsrat eine bestimmte Maßnahme nicht vornimmt, etwa weil er das Exzesshandlungsverbot beachtet. Es besteht lediglich die Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung eines Notvorstandsmitglieds gemäß § 85 AktG. Dieses Ergebnis ist auch interessensgerecht und bedarf keiner Korrektur. Die Handlungsfähigkeit der Aktiengesellschaft ist in erster Linie die Frage nach einem intakten Vorstand. Dies kommt durch § 85 AktG zum Ausdruck, der für dringende Fälle eine Durchbrechung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung vorsieht und die gerichtliche Bestellung eines fehlenden, erforderlichen Vorstandsmitglieds zulässt. Eine Korrektur ist auch deswegen nicht erforderlich, weil Angebotsbedingungen 820 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 85, Rn. 6; Hefermehl/ Spindler, in: MünchKomm AktG, § 85, Rn. 6; Hüffer, Aktiengesetz, § 85, Rn. 3. 821 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 85, Rn. 6; Hefermehl/ Spindler, in: MünchKomm AktG, § 85, Rn. 6; Hüffer, Aktiengesetz, § 85, Rn. 3.
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in der Offerte des Bieters die Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats nur bedingt beeinträchtigen können. Denn zwar ist es dem Aufsichtsrat grundsätzlich untersagt, eine auflösende Bedingung herbeizuführen bzw. den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung zu verhindern, weil er dadurch die Aktionäre unter Einsatz von Gesellschaftsmitteln darin beeinträchtigt, ihre Anteile zu den Konditionen der Offerte zu veräußern. Das Exzesshandlungsverbot kann dem Aufsichtsrat aber nicht die Vornahme von Handlungen untersagen, die er aktienrechtlich vornehmen muss. Denn die im Exzesshandlungsverbot wurzelnden Beschränkungen für den Aufsichtsrat während des Angebotsverfahrens suspendieren den Aufsichtsrat nicht von seinen Pflichten, die ihm durch das Aktienrecht auferlegt sind. Festzuhalten bleibt, dass eine Ausnahme vom Exzesshandlungsverbot des Aufsichtsrats aufgrund drohender Handlungsunfähigkeit des Aufsichtsrats nicht anzuerkennen ist. 8. Zwischenergebnis Ausnahmen vom Exzesshandlungsverbot sind nicht anzuerkennen. VI. Ergebnis Zur Zuständigkeit des Aufsichtsrats gehören eine Reihe von Maßnahmen, die – werden sie während eines laufenden Übernahmeverfahrens vorgenommen – den Erfolg des Übernahmeangebots verhindern können. Gleichwohl lässt sich dem Aktienrecht ein umfassendes Neutralitätsgebot nicht entnehmen. Andererseits darf der Aufsichtsrat seine Befugnisse nicht grenzenlos ausüben, wenn dies Einfluss auf den Verlauf des öffentlichen Erwerbsverfahrens haben kann. Insbesondere liegt die Entscheidung über die Vornahme von Abwehrmaßnahmen nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats. Vielmehr lässt sich aus dem Fremdinteressenwahrungsgrundsatz ein Exzesshandlungsverbot des Aufsichtsrats ableiten. Dieses verbietet es dem Aufsichtsrat, die Aktionäre der Zielgesellschaft unter Einsatz von Gesellschaftsmitteln bei der Annahme der öffentlichen Offerte zu behindern. Das WpÜG beschränkt die Anwendungsfälle des Exzesshandlungsverbots. Denn der Bieter bleibt grundsätzlich an sein Angebot gebunden, auch wenn der Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen ergreift. D. h. Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats können den Aktionären die Entscheidung, ob sie das Angebot annehmen, grundsätzlich nicht aus der Hand schlagen. In zweierlei Hinsicht erlangt das Exzesshandlungsverbot für den Aufsichtsrat jedoch Bedeutung. Zum einen darf er – sofern er aktienrechtlich hierzu aufgerufen ist, seine Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien nicht versagen. Des Wei-
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teren darf der Aufsichtsrat sog. Ausschalterbedingungen in der Angebotsunterlage nicht dazu nutzen, die Bindung des Bieters an sein Angebot zu gefährden. Unter Ausschalterbedingungen werden dabei auflösende bzw. aufschiebende Bedingungen des öffentlichen Angebots verstanden, deren Eintritt der Aufsichtsrat selbst herbeiführen bzw. verhindern kann. Das Exzesshandlungsverbot gilt im theoretischen Ausgangspunkt aber nur, wenn der Aufsichtsrat bei der Übernahmeabwehr Gesellschaftsmittel einsetzt. Diese Voraussetzung ist aber bei einem Organhandeln immer gegeben. Das Exzesshandlungsverbot unterliegt keinen Ausnahmen.
Teil 4
Schluss § 10 Schlussbetrachtung Der Gesetzgeber hat dem Aufsichtsrat mit der Schaffung des § 33 WpÜG eine eigentümliche Rolle zugewiesen, die durch eine zwiespältige Pflichtenlage bestimmt wird. Je nach dem, ob der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Initiativorgan oder als Kontrollorgan agiert, werden seine Möglichkeiten, ein unwillkommenes Übernahmeangebot zu sabotieren, durch allgemeines Aktienrecht oder durch § 33 WpÜG determiniert. Dies führt auch zu inhaltich unterschiedlich weit reichenden Pflichten. Die Vorstellung eines Aufsichtsrats, der zwar wild entschlossen ist, den Erfolg eines Übernahmeangebots zu verhindern, sich dabei aber pflichtgemäß verhält, weckt Assoziationen zu Robert Louis Stevensons Roman „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“. Es stellt sich die Frage: Wann nimmt der Aufsichtsrat die Rolle des rechtschaffenen Dr. Jekyll an, wann die des ungezügelten Mr. Hyde? Dies hängt von der Akzentuierung ab. Sieht man – wofür vieles spricht – das Bestehen eines funktionsfähigen Markts für Unternehmenskontrolle als etwas Wünschenswertes an und hält zugleich das Interesse des einzelnen Aktionärs an einer ungehinderten Annahme des öffentlichen Angebots des Bieters für schutzwürdig, liegt die Rollenverteilung auf der Hand. Der initiativ tätig werdende Aufsichtsrat erinnert an Dr. Jekyll. Denn die Untersuchung hat ergeben, dass der Aufsichtsrat als Initiativorgan aktienrechtlich keine Abwehrexzesshandlungen vornehmen darf, es ihm also untersagt ist, die Aktionäre der Zielgesellschaft unter Einsatz von Gesellschaftsvermögen darin zu behindern, das öffentliche Angebot anzunehmen. Mr. Hyde tritt dagegen auf den Plan, wenn der Aufsichtsrat die Rolle des Kontrollorgans ausfüllt: Die vorliegende Arbeit hat aufgezeigt, dass es § 33 WpÜG dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan gestattet, durch seine Zustimmung Abwehrmaßnahmen des Vorstands zu autorisieren, auch wenn dem einzelnen Aktionär dadurch die Möglichkeit genommen wird, das Angebot anzunehmen. Lediglich die durch das Unternehmensinteresse gezogenen Grenzen hat der Aufsichtsrat bei seiner Mitentscheidung einzuhalten. Die Rechtslage, die für die Organe deutscher Zielgesellschaften hiernach gilt, ist dem Vorwurf der Inkonsistenz ausgesetzt. Dieser haftet dem Kon-
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zept des § 33 WpÜG an und kann ohne eine grundlegende Umgestaltung der Vorschrift kaum ausgeräumt werden. Eine Gelegenheit hierzu hätte die Umsetzung der ÜbRL ins deutsche Recht geboten. Der Gesetzgeber hat sie ungenutzt verstreichen lassen. Wird durch diese konzeptionellen Mängel auch die Praktikabilität der Regelung in Frage gestellt? Die Frage kann verneint werden. Die gegenwärtige Rechtslage stellt klare Regeln für den Aufsichtsrat als Initiativorgan auf. Der Aufsichtsrat ist zwar nur in seiner Funktion als Initiativorgan an das aktienrechtliche Exzesshandlungsverbot gebunden. Der Anwendungsbereich des aktienrechtlichen Exzesshandlungsverbots wird jedoch durch die Vorschriften des WpÜG zur Bindung des Bieters an sein Angebot und zur Zulässigkeit von Angebotsänderungen minimiert. Im Ergebnis darf der Aufsichtsrat daher grundsätzlich Handlungen vornehmen, die geeignet sind, den Erfolg des Angebots zu verhindern. Lediglich in zwei Konstellationen zeitigt das Exzesshandlungsverbot für den Aufsichtsrat Wirkung: zum einen, wenn es um die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien geht. Das Exzesshandlungsverbot legt dem Aufsichtsrat zum anderen Ketten an, wenn der Bieter sein Angebot an Ausschalter-Bedingungen geknüpft hat, deren Eintritt oder Ausbleiben der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft selbst bewirken kann. Das Regelungsregime des § 33 WpÜG kann nach alledem nicht nur in Hinblick auf die Pflichten des Vorstands, sondern auch in Hinblick auf die des Aufsichtsrats je nach Blickwinkel als „übernahmefeindlich“ bzw. „abwehrfreundlich“ bezeichnet werden. Auch insoweit stellt dieses Konzept mithin einen Gegenpol zum Europäischen Verhinderungsverbot nach § 33 a Abs. 2 WpÜG dar, das sich von vornherein auf den Aufsichtsrat erstreckt.
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Entscheidungsverzeichnis Oberlandesgerichte/Landgerichte
LG Aachen 19.5.1992, AG 1992, 410, 411 f. = WM 1992, 1485 = ZIP 1992, 924. LG Düsseldorf 14.12.1999, AG 2000, 233 = WM 2000, 528 „Mannesmann/Vodafone Airtouch plc.“. LG Düsseldorf, 22.7.2004, NZG 2004, 1057 = ZIP 2004, 2044 = NJW 2004, 3275 = DB 2004, 2464. LG München 23.12.2004, AG 2005, 261 = ZIP 2005, 352 = DB 2005, 824 – „IM International AG“. OLG Celle 19.07.2006, ZIP 2006, 1768 = WM 2006, 1726 = NZG 2006, 791. Reichsgericht RG 8.4.1908, RGZ 68, 235 – „Hibernia“. RG 19.6.1923, RGZ 107, 67 – „Vereinigte Stahlwerke“. RG 24.6.1924, RGZ 108, 322 – „Leipziger Buchbinderei AG“. RG 23.10.1925, RGZ 112, 14 – „Brauerei AG“. RG 20.3.1926, RGZ 113, 188 – „Bergbau AG Ilse“. RG 13.12.1927, RGZ 119, 248. RG 31.3.1931, RGZ 132, 149 = JW 1931, 2951 – „Victoria Versicherungs-AG“. RG 17.11.1932, RGZ 105, 373 – „Union AG“.
Sachwortverzeichnis Abfindung 113, 117, 119 Abwehrexzesshandlungen 185, 189–190, 193, 198, 202–205, 212–213 Abwehrprophylaxe 108 Acting in concert 153 Aktionäre 25, 64, 183, 192 – künftige 154, 162, 164, 166, 184, 220 Amtszeit 112–113, 118, 224 Analogie 93 Anerkennungsprämien 124, 128 Angebotsänderungen 23, 188, 204–205, 210, 213 Angebotsbedingungen 52, 187, 192–194, 224 – Verzicht 205–207, 210–211 Angebotserfolg 50, 185 Angebotsunterlage 23, 79, 206 Angebotsverfahren 21 Annahmefrist 23, 209, 213 Apreciation Awards siehe Anerkennungsprämien Arbeitnehmer 22–25, 27, 64, 72 Auslegung 90, 106 Ausschalter-Bedingungen 194, 197–200, 203 Ausschuss 72–73
Corporate-opportunities-Doktrin siehe Geschäftschancenlehre Crown-jewel-defence 169, 191, 195 Ermächtigungsbeschluss – ad hoc 83–84 – einfacher 57, 59–60, 76 Ermessensspielraum 66, 140, 142, 149, 159 Ermessenstantieme 124 Europäische Angebote 21 Europäisches Verhinderungsverbot 41, 47, 49, 85, 89, 133, 144, 186, 226 Exzesshandlungen siehe Abwehrexzesshandlungen Exzesshandlungsschutz, gesetzlicher 186, 188–189 Fremdinteressenwahrungspflicht 174, 176–177, 179, 182, 184, 186, 190, 199, 203
Betriebsrat 22, 24 Bezugsrechtsausschluss 61, 146, 151, 199–200 Bieter 25, 52 Business judgment rule 36, 66, 70 – qualifizierte 140
Gegenleistung 21, 179, 184, 188 Geschäftsführung 36, 56, 76, 84–85, 110, 133, 151, 157 Gesellschaftschancenlehre 215 Gesellschaftsmittel 176, 179–182, 185, 215 Gesellschaftsrecht 99, 102, 181, 186 Gesetzeslücke 93 Gleichbehandlungsgrundsatz – aktienrechtlicher 132, 154, 162, 184 – kapitalmarktrechtlicher 97 Golden parachutes 119, 121–122
Change of Control-Klausel 123
Höchststimmrechte 150
258
Sachwortverzeichnis
Initiativorgan 92, 96, 229 Instrumentelle Betrachtungsweise 146–147, 151, 155 Interessenkonflikt 67 Invitatio ad offerendum 187
Störung der Geschäftsgrundlage 190 Strukturänderung 164, 169
Kapitalmarktrecht 99, 101, 180, 186 Konkurrierendes Angebot 23, 87, 132, 199 Kontrollorgan 92 Kontrollprämie 18, 171
Überfremdungsschutz 146–147 Übergreifende Betrachtungsweise 146, 157 Übernahmeabwehrhandlungen 50 Übernahmeangebot 18 Übernahmefolgenabwehr 51, 53, 185, 194, 200 Übernahmerichtlinie – Entwürfe 38–39 Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz 20 Überwachung 29, 45, 102, 133 Unocal-Doktrin 36 Unternehmensinteresse 64, 70, 78, 128, 134, 137, 142 Unternehmerische Entscheidung 63, 66, 69, 78, 134, 137
Markt für Unternehmenskontrolle 29, 98, 140, 142, 170, 172 Mindestannahmeschwelle 199, 205, 209, 211 Neutralitätspflicht 68, 97, 136, 143 – Hauptversammlung 156, 163 Normkonkurrenz 100–101, 104 Opt-in 41 Opt-out 40, 47 Personalentscheidungen 111, 225 Pflichtangebot 19, 153, 193 Principal agent conflict 29, 31, 140, 142 Redaktionsversehen 91 Revlon-Doktrin 36, 178 Reziprozität 221 Sekundärmarkt 181 Sonderzahlungen 123 Staggered board 118, 185 Stellungnahme 23, 134, 200
Tagesgeschäft 82, 199 Treuepflicht 163, 172
Verbandsrecht siehe Gesellschaftsrecht Vergütungsentscheidungen 128 Verhinderungseignung 51, 54–55 Verhinderungsverbot 50 Verteidigungsausschuss siehe Ausschuss Vertretung des Vorstands 132 Vinkulierte Namensaktien 50, 57, 131, 137, 150, 155, 159, 192, 200, 203, 205 Vorratsermächtigung 45, 57, 60, 74–75, 78, 83 Zielgesellschaft 25