Die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats [1 ed.] 9783428559862, 9783428159864

Die Arbeit befasst sich mit der juristischen Klärung der unternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats und stellt se

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German Pages 478 Year 2020

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Die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats [1 ed.]
 9783428559862, 9783428159864

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 513

Die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats Von

Joachim Schmidt

Duncker & Humblot · Berlin

JOACHIM SCHMIDT

Die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 513

Die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats

Von

Joachim Schmidt

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de Gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15986-4 (Print) ISBN 978-3-428-55986-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Ehefrau und meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der juristischen Klärung der unternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats in Aktiengesellschaften. Sie entstand im Zeitraum von mehreren Jahren neben meiner Berufstätigkeit als Rechtsanwalt. Im Wintersemester 2019/2020 wurde diese Arbeit von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Die Schnelllebigkeit des Aktienrechts hat dazu geführt, dass dieses Werk im Verlauf seiner Entstehung stetig aktualisiert werden musste. Im Zuge der letzten Überarbeitung vor der Veröffentlichung haben die bis Anfang März 2020 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuerungen Berücksichtigung gefunden. Meinem hochverehrten Doktorvater Herrn Professor Dr. Karl-Georg Loritz danke ich sehr herzlich für die Anregung des Themas und die Betreuung der Dissertation. Während der Erstellung dieser Arbeit stand er mir stets mit wertvollen Ratschlägen zur Seite und gewährte mir zugleich die für ihre Anfertigung notwendige akademische Freiheit. Frau Professorin Dr. Jessica Schmidt danke ich für die Übernahme und rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich gilt mein größter Dank meinen Eltern, Herrn Axel-Wolfgang Schmidt und Frau Christine Heinlein-Schmidt, die mir meine gesamte Ausbildung ermöglicht haben, sowie meiner Ehefrau Anica Schmidt für ihre unermüdliche Geduld und ihren steten Rückhalt. Sie alle haben mich während meiner gesamten Promotionszeit in jeder Hinsicht unterstützt und maßgeblich zum Gelingen der Dissertation beigetragen. Ihnen widme ich dieses Buch. Frankfurt am Main, im März 2020

Joachim Schmidt

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 1 Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 A. „Verantwortung“ im allgemeinen Sprachgebrauch und als Rechtsbegriff . . . . 29 B. Der Bedeutungswandel des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 § 2 Ziel der Untersuchung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 3 Forschungsstand und Notwendigkeit der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Kapitel Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

38

§ 4 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 § 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Lehre von der Ziellosigkeit des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die einheitliche Bindung der Organe an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die dogmatische Rechtfertigung und Grundlage des Unternehmensinteresses. E. Die inhaltliche Bestimmung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . F. Stellungnahme und eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 43 44 55 102 178

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen und die Ermessensausübung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Leitungstätigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Keine Maßstabsverschiebung durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . .

198 200 202 207

§ 7 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Kapitel Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats § 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kontrolle und Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes . . . . . . . . . B. Die Durchführung der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schranken der Überwachung: „Überwachung des Aufsichtsrats durch den Vorstand?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 211 251 266

10

Inhaltsübersicht

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsatz: Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mitwirkung bei weiteren Geschäftsführungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . .

268

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bestellung und Wiederbestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . B. Widerruf der Bestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 3 AktG) und Suspendierung C. Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausgestaltung und Herabsetzung der Vergütung (§ 87 Abs. 1 und 2 AktG) . . E. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286 287 290 292 294

269 270 279

300

3. Kapitel Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

302

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Persönliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestellungshindernis bei Interessenkollisionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Qualifikation und Expertise von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gestaltung der Aufsichtsratsbesetzung durch Satzungsregelungen . . . . . . . . .

302 303 304 333 341

§ 12 Die effiziente Organisation des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausschussbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausschussarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ausschussbesetzung und Auswahl geeigneter Ausschussmitglieder . . . . . . . . D. Aufsichtsratsorganisation durch Satzung und Geschäftsordnung . . . . . . . . . . .

343 343 345 349 352

4. Kapitel Handlungsfelder und Handlungsoptionen

353

§ 13 Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verbreiterung der Aktionärsbasis und gewandeltes Aktionärsverhalten . . . . . . B. Aktionärsaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rolle des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gewinnung von Ankeraktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

353 355 356 363 397

§ 14 Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Erlaubtes Risiko und Risikosteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Investitionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

409 410 421 422

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Aktienrechtliche Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Funktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammensetzung, Organisation und Arbeitsweise des Aufsichtsrats . . . . . . .

430 430 433 435

Inhaltsübersicht

11

D. Zusammenwirken des Aufsichtsrats mit Aktionären und Vorstand . . . . . . . . . 436 E. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 1 Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 A. „Verantwortung“ im allgemeinen Sprachgebrauch und als Rechtsbegriff . . . . . . 29 B. Der Bedeutungswandel des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Entwicklungen in der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Entwicklungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Praktische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 2 Ziel der Untersuchung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 3 Forschungsstand und Notwendigkeit der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

1. Kapitel Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

38

§ 4 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 § 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 A. Die Lehre von der Ziellosigkeit des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Die einheitliche Bindung der Organe an das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 C. Das Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. Bedeutung des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Unterscheidung von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand . . 46 III. Verhältnis von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand . . . . . . . 47 IV. Erwerbswirtschaftliche Ausrichtung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . 49 V. Zwischenergebnis: Inhalt des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Inhalt des Gesellschaftsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 VII. Zielmonistische Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 D. Die dogmatische Rechtfertigung und Grundlage des Unternehmensinteresses . . 55 I. Das „Unternehmen an sich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Implizite Fortgeltung des § 70 Abs. 1 AktG 1937? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

14

Inhaltsverzeichnis III. Verfassungsrechtliche Determination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Ableitung aus der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . 61 2. Ableitung aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG . . . . . . . . 65 3. Ableitung aus einer verfassungsrechtlich gebotenen Wirtschaftsordnung 65 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 IV. Materielle Vorgaben des Mitbestimmungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Das Mitbestimmungsurteil des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Kritik an der unternehmerischen Mitbestimmung des MitbestG . . . . . . . 68 3. Deutung des MitbestG 1976 in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 V. Ansätze im Schrifttum nach Inkrafttreten des MitbestG 1976 . . . . . . . . . . . 76 1. Die Sozialverbandstheorie Raisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Schillings Lehre vom Aktienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 VI. Theorie vom verfassten Unternehmen (Flume) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Der Ansatz Flumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 VII. Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . 85 1. Deutscher Corporate Governance Kodex mit Gesetzeskraft? . . . . . . . . . 88 2. Keine satzungsgleiche Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Kein Handelsbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Entscheidung über die Befolgung als unternehmerische Entscheidung 90 5. Auswirkungen auf §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 6. Befolgungszwang aufgrund drohender Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7. Befolgungszwang durch § 823 Abs. 2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 8. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 VIII. Business Judgement Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IX. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 E. Die inhaltliche Bestimmung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Frühere Literaturansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Eigenständiges Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Der Ansatz Flumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Der Ansatz Raisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Der Ansatz Raisch’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Der Ansatz Mertens’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Kein eigenständiges Unternehmensinteresse (Schilling) . . . . . . . . . . . . . 108

Inhaltsverzeichnis

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3. Prozedurales Verständnis (Brinkmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Weitere Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Der Ansatz Junges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Der Ansatz Rittners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Moderne Literaturansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Ausrichtung am Shareholder Value-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Inhalt und Ziel des Shareholder Value-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Berechnung des Shareholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Anlegerorientierung beim Shareholder Value-Ansatz . . . . . . . . . 124 cc) Strategieimplikationen beim Shareholder Value-Ansatz . . . . . . . 125 dd) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Kompatibilität von Shareholder Value und Aktienrecht? . . . . . . . . . . 132 aa) Verstärkte Kapitalmarktorientierung im Aktienrecht . . . . . . . . . . 132 bb) Anerkennung der Verkehrsfähigkeit der Aktie in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Verbandsrechtliche oder kapitalmarktorientierte Mitgliedschaft des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 dd) Widerspruch der portfoliotheoretischen Anlegerorientierung zum verbandsrechtlichen Ansatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 ee) „Gewinnerzielung“ als Bestandteil des verbandsrechtlichen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Betriebsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (2) Bilanzgewinn und Jahresüberschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (3) Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (4) Unternehmens- und Eigenkapitalwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (5) Der Ansatz Mülberts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (6) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 ff) Dividendenauskehrungen als Teil des Verbandszwecks? . . . . . . . 160 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Ausrichtung an den Interessen der Stakeholder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Die Ansicht Mertens’ und Cahns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Die Ansicht Korts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Die Ansicht Kochs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Vermittelnde Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Die Ansicht Spindlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Die Ansicht Fleischers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Die Ansicht Seibts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Die Ansicht Webers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

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Inhaltsverzeichnis 4. Zwischenergebnis zu 2. und 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 F. Stellungnahme und eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Bewertung der bisherigen Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Eigener Ansatz zur Herleitung und Bestimmung einer aktienrechtlichen Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Inhalt des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Regelungsgehalt des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Novellierung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG durch das ARUG II . . . . . . . 185 2. Ableitung einer Leitmaxime aus § 87 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . 187 a) Bisherige Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Auswirkung auf das Kompetenzgefüge zwischen Aufsichtsrat und Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Telos der Norm und Verhaltensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . 191 e) Inhalt der hier vertretenen Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 f) Der Einfluss von Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . 195 g) Charakter dieser Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen und die Ermessensausübung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 A. Leitungstätigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 B. Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. „Überwachungsermessen“ des Aufsichtsrats? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Beachtung des vorstandseigenen Ermessensspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Einschreiten bei ermessensfehlerhaften Entscheidungen des Vorstands . . . 205 C. Keine Maßstabsverschiebung durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 § 7 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

2. Kapitel Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

210

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 A. Kontrolle und Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes . . . . . . . . . . . 211 I. Wesentliche Überwachungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Überwachungsgegenstände aus der Berichterstattungspflicht des § 90 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Informationsmonopol des Vorstands? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Zulässigkeit des direkten Kontaktes zu Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . 217 2. Jahresabschluss und Abhängigkeitsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Besetzung und Wirken des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Inhaltsverzeichnis

17

II. Zu überwachender Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Einzelne Überwachungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Aktienrechtliche Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 aa) Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten . . . . . . . . . 224 bb) Keine unzulässige Delegation von Vorstandsaufgaben . . . . . . . . . 225 (1) Horizontale Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Vertikale Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (3) Externe Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Externes Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Nützliche Rechtsverletzungen (efficient breach of law)? . . . . . . . 230 bb) Anwendung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 cc) Unklare oder streitige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 dd) Bewusstes Abweichen von einer ständigen Rechtsprechung . . . . 235 ee) Rechtfertigende Pflichtenkollisionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 ff) Nützliche Vertragsverletzungen (efficient breach of contract)? 237 2. Ordnungsmäßigkeit und Beachtung gesetzlicher Organisationspflichten 239 a) Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Gesetzliche Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Risikofrüherkennungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Compliance-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 cc) Interne Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. Die Durchführung der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Zeitliche Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Vergangenheitsbezogene Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Zukunftsbezogene Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Stellungnahmen und Beanstandungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Einsichts- und Prüfungsrechte nach § 111 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG . . . . 258 3. Beauftragung des Abschlussprüfers (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG) . . . . . . . . 259 4. Einberufung einer Hauptversammlung (§ 111 Abs. 3 AktG) . . . . . . . . . 260 5. Ad hoc-Zustimmungsvorbehalt (§ 111 Abs. 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . 261 6. Zulässigkeit eines innergesellschaftlichen Organstreits? . . . . . . . . . . . . . 262 7. Antikorruptionsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 C. Schranken der Überwachung: „Überwachung des Aufsichtsrats durch den Vorstand?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 § 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 A. Grundsatz: Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG) 269

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Inhaltsverzeichnis B. Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Geschäfte grundlegender Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Teilhabe an der Unternehmensplanung durch Zustimmungsvorbehalte . . . 274 III. Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 IV. Folgen einer Zuwiderhandlung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 C. Mitwirkung bei weiteren Geschäftsführungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 I. Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Bericht an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . 283 II. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 III. Erklärungspflicht zum Deutschen Corporate Governance Kodex (§ 161 Abs. 1 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 A. Bestellung und Wiederbestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . 287 I. Gesetzliche Anforderungen an die Auswahl der Vorstandsmitglieder . . . . . 288 II. Unternehmerische Maßstäbe zur Auswahl der Vorstandsmitglieder . . . . . . 289 B. Widerruf der Bestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 3 AktG) und Suspendierung 290 C. Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 D. Ausgestaltung und Herabsetzung der Vergütung (§ 87 Abs. 1 und 2 AktG) . . . . 294 E. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

3. Kapitel Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

302

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 A. Persönliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B. Bestellungshindernis bei Interessenkollisionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I. Gesellschaftsrechtliche Treue- und Loyalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Treuepflicht bei der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats . . . . . . . . 306 2. Treuepflicht außerhalb der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats . . . 307 II. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Vertreter von Konkurrenzunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Die Auffassung der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Die Auffassung Lutters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 d) Tatbestandskonturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) Wettbewerbssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

Inhaltsverzeichnis

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bb) Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Vertreter von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Die Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 c) Sonderfall: Feindliche Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 aa) Die Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 C. Qualifikation und Expertise von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 I. Der unabhängige Finanzexperte (§ 100 Abs. 5 Hs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . 333 II. Sektorvertrautheit (§ 100 Abs. 5 Hs. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 1. Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 2. Vertrautheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 III. Ungeschriebene Anforderungen an die Sachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . 336 IV. Notwendigkeit von Spezialwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 V. Folgerungen für die Aufsichtsratsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 D. Gestaltung der Aufsichtsratsbesetzung durch Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . 341 § 12 Die effiziente Organisation des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 A. Ausschussbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 B. Ausschussarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Personalausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Aufsichtsratspräsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 III. Nominierungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 IV. Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 V. Finanz- und Investitionsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 VI. Ad hoc-Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 C. Ausschussbesetzung und Auswahl geeigneter Ausschussmitglieder . . . . . . . . . . 349 I. Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 II. Weitere Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 III. Beteiligung der Arbeitnehmervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 D. Aufsichtsratsorganisation durch Satzung und Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . 352

4. Kapitel Handlungsfelder und Handlungsoptionen

353

§ 13 Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 A. Verbreiterung der Aktionärsbasis und gewandeltes Aktionärsverhalten . . . . . . . . 355 B. Aktionärsaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Ausübung von Aktionärsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Handlungsweisen außerhalb des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

20

Inhaltsverzeichnis III. Die zunehmende Bedeutung von Stimmrechtsberatern . . . . . . . . . . . . . . . . 361 C. Rolle des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Kapitalmarktkommunikation und Aktionärsdialog des Aufsichtsrats . . . . . 363 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 a) Aufsichtsrat als reines Innenorgan? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 b) Teleologische Reduktion von §§ 77 Abs. 1, 111 Abs. 4 AktG . . . . . . 367 3. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 4. Insbesondere: Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 II. Investorenvereinbarungen mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 1. Rechtsnatur und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 2. Entäußerung von Leitungskompetenzen und Vorwegbindung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 4. Einzelne Vertragsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 a) Vorschlag einer Dividende an die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . 380 b) Veräußerung von Vermögensgegenständen der Gesellschaft . . . . . . . 382 c) Verschaffung vertraulicher Unternehmensinformationen . . . . . . . . . . 384 aa) Konkretes Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 bb) Generelle Auskunftserteilung über vertrauliche Informationen 385 d) Nichtausnutzen eines genehmigten Kapitals und die Entscheidungen der Münchener Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 e) Abgabe von Gewährleistungen und Haftungsansprüche . . . . . . . . . . . 387 aa) Gesetzliche Haftungsansprüche und Kapitalerhaltungsgrundsatz 388 bb) Vertragliche Gewährleistungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 f) Vereinbarungen über die Gremienbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 III. Strategischer Umgang mit aktivistischen Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 D. Gewinnung von Ankeraktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 I. Restriktionen durch eine (aktienrechtliche) Neutralitätspflicht? . . . . . . . . . 398 II. Barkapitalerhöhung und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 1. Barkapitalerhöhung nach § 182 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 2. Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 a) Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 b) Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 III. Flankierende Investorenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

Inhaltsverzeichnis

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§ 14 Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 A. Erlaubtes Risiko und Risikosteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 I. Risikotypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 II. Risikomessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 1. Messung einzelbezogener Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2. Messung bestandsbezogener Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 III. Risikosteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 IV. Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 1. Begrenzung durch den Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 2. Begrenzung durch die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime 416 3. Begrenzung durch die Business Judgement Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 V. Überschuldungsabwehr und Bestandssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 VI. Liquiditätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 B. Investitionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 C. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 I. Eigenkapitalfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 1. Zweck des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 II. Fremdkapitalfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 III. Finanzierung durch Mezzanine- bzw. Hybridkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 A. Aktienrechtliche Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 B. Funktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 C. Zusammensetzung, Organisation und Arbeitsweise des Aufsichtsrats . . . . . . . . . 435 D. Zusammenwirken des Aufsichtsrats mit Aktionären und Vorstand . . . . . . . . . . . 436 E. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl. Abs. Abschn. AcP ADHGB AEUV a. F. AG AktG AktG 1937 AktG 1965 Alt. Anh. Anm. AnSVG AP Art. ARUG ARUG II Aufl. AuR BaFin BAG BAGE Bankrechts-Hdb. BAnz AT BayernLB BayObLG BB Bd. Begr. Beschl. BetrVG BGB BGBl. BGH

andere Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. Januar 1937 Aktiengesetz vom 6. September 1965 Alternative Anhang Anmerkung Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) Arbeitsrechtliche Praxis Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie Auflage Arbeit und Recht Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Amtliche Sammlung) Bankrechts-Handbuch Amtlicher Teil des Bundesanzeigers Bayerische Landesbank Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater Band Begründer/Begründung Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

Abkürzungsverzeichnis BGHSt BGHZ BilMoG BImSchG BK BKartA BKR BM BMJV BOARD BörsG BR-Drs. BReg BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. CAPM CCZ CDU CEO CSR CSU DAX DB DCGK ders. d. h. dies. Diss. DJT DNotZ DrittelbG DStR DZWIR E EG EGBGB Einl. EL Entsch.

23

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Amtliche Sammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundeskartellamt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BOARD – Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland Börsengesetz Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) beziehungsweise Capital Asset Pricing Model Corporate Compliance Zeitschrift Christlich Demokratische Union Deutschlands Chief Executive Officer Corporate Social Responsibility Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe das heißt dieselbe/dieselben Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitschrift Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einleitung Ergänzungslieferung Entscheidung

24 ErfK EStG etc. EU EUBestG

Abkürzungsverzeichnis

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz) EuGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht e. V. eingetragener Verein f. folgende (Einzahl) FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung ff. folgende (Mehrzahl) FG Freundesgabe FMFG Finanzmarktförderungsgesetz Fn. Fußnote FS Festschrift FührposGleichberG Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst GenG Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau GmbH-StB Der GmbH-Steuer-Berater Großkomm. AktG Großkommentar zum Aktiengesetz GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Habil. Habilitation Hdb. Handbuch Hdb. AG Beck’sches Handbuch der AG Hdb. Kapitalmarktinforma- Handbuch der Kapitalmarktinformation tion Hdb. Personengesellschaf- Handbuch der Personengesellschaften ten Hdb. Vorstandsrecht Handbuch des Vorstandsrechts HdbStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Herv. d. Verf. Hervorhebung durch den Verfasser HGB Handelsgesetzbuch HGB 1900 Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (in Kraft getreten am 1. Januar 1900) h. L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber

Abkürzungsverzeichnis Hs. i. d. F. i. d. R. IDW S1 insbes. InsO InstitutsVergV IntBestG

i. R. d. IRZ i. S. d. i. S. v. i. V. m. jurisPR-HaGesR JW JZ KAGB Kap. KG KK Kodex KOM KonTraG KSchG KWG LA LBBW LG lit. M&A MAH Aktienrecht MAR MaRisk

m. a. W. MDR MHdbArbR MiFID II-RL

25

Halbsatz in der Fassung in der Regel Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. insbesondere Insolvenzordnung Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung) im Rahmen des/im Rahmen der Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung im Sinne des/im Sinne der im Sinne von in Verbindung mit juris PraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kapitalanlagengesetzbuch Kapitel Kommanditgesellschaft/Kammergericht Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Deutscher Corporate Governance Kodex Europäische Kommission Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kündigungsschutzgesetz Kreditwesengesetz Liber Amicorum Landesbank Baden-Württemberg Landgericht litera Mergers & Acquisitions Münchener Anwaltshandbuch Aktienrecht Market Abuse Regulation (s. MMVO) Rundschreiben 09/2017 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit den Mindestanforderungen an das Risikomanagement v. 27.10.2017 mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFID II – Markets in Financial Instruments Directive)

26 MitbestG/MitbestG 1976 MMVO MontanMitbestG MontanMitbestGErgG

MPIfG MüKoAktG MüKoBGB MüKoGmbHG MüKoHGB MüKoInsO MüKoKartellR MüKoStGB MünchHdbGesR m. w. N. NaStraG n. F. NJW NJW-Spezial Nr. Nrn. NStZ NZA NZG NZI NZKart NZS OECD OHG OLG o. V. OWiG RefE RegE RG RGBl.

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts mit weiteren Nachweisen Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Spezial Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht ohne Verfasser Ordnungswidrigkeitengesetz Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt

Abkürzungsverzeichnis RGZ RL Rn. Rspr. S. s. SE sog. SPD StGB str. st. Rspr. Tax-CAPM TransPuG u. a. UMAG umstr. UmwG UN Urt. usw. u. U. UWG v. VAG Var. VermAnlG VersR VersVergV vgl. VO Vorb. VorstAG VW VwVfG wistra WM WpHG

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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Richtlinie Randnummer Rechtsprechung Satz/Seite siehe Societas Europaea sogenannte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strafgesetzbuch streitig ständige Rechtsprechung Tax Capital Asset Pricing Model Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) und andere/unter anderem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts umstritten Umwandlungsgesetz United Nations (Vereinten Nationen) Urteil und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von/vom Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagengesetz) Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme im Versicherungsbereich (VersicherungsVergütungsverordnung) vergleiche Verordnung Vorbemerkung Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Versicherungswirtschaft Verwaltungsverfahrensgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz)

28 WpPG

WpÜG z. B. ZBB ZCG ZfA ZfbF ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO zugl. ZUR ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Arbeitsrecht Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung zugleich Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Einführung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der juristischen Klärung der unternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats in Aktiengesellschaften und stellt seine Rechte und Pflichten in der heutigen Unternehmenspraxis von Aktiengesellschaften dar.

§ 1 Anlass der Untersuchung A. „Verantwortung“ im allgemeinen Sprachgebrauch und als Rechtsbegriff „,Verantwortung‘ ist ein schillernder Begriff.“1 Etymologisch lässt er sich auf das lateinische re-spondeo zurückführen und mit „Rechenschaft ablegen“ oder „eine Frage beantworten“ übersetzen.2 Sich für etwas zu verantworten war ursprünglich gleichbedeutend mit einem Gericht Rede und Antwort zu stehen, sich zu rechtfertigen und sein Handeln zu verteidigen.3 Im Wesentlichen kann man an „Verantwortung“ zwei Bedeutungsdimensionen festmachen.4 Die erste betrifft das Problem der Zurechnung – zumeist negativer – Handlungsfolgen5. Die zweite fragt danach, wer für die ordnungsgemäße Erledigung bestimmter Aufgaben verantwortlich ist.6 Dabei geht es vorrangig um die Erhaltung oder Herstellung als positiv eingeschätzter Zustände. Verantwortung trifft dabei die unterschiedlichsten Adressaten: Regierungen, Zivilgesellschaften, Wissenschaft und Forschung, Eltern sowie nicht zuletzt Unternehmen gleich welcher Rechtsform. Im Bürgerlichen Recht findet sich Verantwortung als Rechtsbegriff7 vor allem im Familienrecht wieder.8 Im Fall des § 1627 S. 1 BGB impliziert die eigene Verant1 König, in: Böhler u. a., Zukunftsverantwortung, S. 374; zur Geschichte dieses Begriffs Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 ff. 2 König, in: Böhler u. a., Zukunftsverantwortung, 374 (375). 3 Heidbrink, Kritik der Verantwortung, S. 60. 4 Vgl. Wiedemann, ZGR 2011, 183 (184); zur Entwicklung des Begriffs in der Philosophie siehe Heidbrink, Kritik der Verantwortung, S. 57 ff. 5 Bayertz, in: ders., Verantwortung, 3 (5 f., 20). 6 Bayertz, in: ders., Verantwortung, 3 (32). 7 Zur Verantwortung als Rechtsbegriff vgl. Klement, Verantwortung, S. 34 ff., 193 ff.; zur Verantwortung von Geschäftsleitung und Gesellschaft vgl. Schmidt-Leithoff, Verantwortung, passim; Wiedemann, ZGR 2011, S. 183. 8 Vgl. etwa §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 1600 Abs. 4, 1627 S. 1 und § 1685 Abs. 2 BGB.

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Einführung

wortung der Eltern bei Ausübung der elterlichen Sorge die verfassungsrechtlich geschützte Vorrangstellung der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG und zeigt auf, dass staatliche Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht subsidiär bleiben müssen.9 Eltern tragen die persönliche vollständige Eigenverantwortung gegenüber dem Kind bei der Ausübung der elterlichen Sorge,10 deren Maßstab das Wohl des Kindes ist.11 Im Allgemeinen Zivilrecht ist von Verantwortung kaum, mehr jedoch von Verantwortlichkeit die Rede.12 Verantwortlichkeit ist dabei zumeist mit Vertretenmüssen oder Haftung gleichzusetzen.13 Im Aktiengesetz kommt „Verantwortung“ als Rechtsbegriff nur im Zusammenhang mit der Leitungsverantwortung des Vorstands in § 76 Abs. 1 AktG vor. Ausübung der Leitungsaufgaben unter eigener Verantwortung bedeutet in diesem Kontext, nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane gebunden zu sein.14 Der Vorstand trifft seine Leitungsentscheidungen folglich nach eigenem Ermessen.15 Im Hinblick auf den Aufsichtsrat spricht das Gesetz nicht von Verantwortung, sondern nur – wie etwa in § 116 S. 1 AktG – von der Verantwortlichkeit, wenngleich mit dieser wiederum allein die Haftung des Aufsichtsrats angesprochen wird.16 Demgegenüber konzentriert sich diese Arbeit, der Haftungsebene vorgelagert, auf die Verantwortung des Aufsichtsrats im Sinne der ordnungsgemäßen Erledigung der den Aufsichtsrat betreffenden Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung aktueller Probleme und Herausforderungen.

B. Der Bedeutungswandel des Aufsichtsrats Stärker als beim Vorstand wird beim Aufsichtsrat heute mehr denn je die Frage nach seiner Verantwortung aufgeworfen, hat sich doch seine Rolle in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend geändert.17 War diese lange Zeit überwiegend auf die 9

Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1627 BGB, Rn. 5. Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1627 BGB, Rn. 6. 11 Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1627 BGB, Rn. 18. 12 Vgl. etwa §§ 276, 278, 287, 645, 675 Abs. 2, 827, 828 Abs. 3, 831 Abs. 2, 832 Abs. 2, 834 S. 2 und § 837 BGB. 13 Vgl. Larenz, Schuldrecht, S. 275 f., 295 f.; Dreier, in: Neumann/Schulz, Verantwortung in Recht und Moral, 9 (13). 14 BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, ZIP 2008, 1230 (1232); Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 25; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG, Rn. 8; Fleischer, ZIP 2003, S. 1. 15 Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 28; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG, Rn. 10. 16 Vgl. Henssler, in: ders./Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG, Rn. 13; Hüffer/Koch, AktG, § 116 Rn. 1. 17 Siehe dazu Lutter, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. II, S. 398; Vetter, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, S. 103 ff.; Lutter, DB 2009, 775; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 2 Rn. 46 ff. 10

§ 1 Anlass der Untersuchung

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eines bloßen Kontrollgremiums beschränkt, wird ihm zunehmend die Funktion des „Mitunternehmers“18 in der Aktiengesellschaft zugesprochen. I. Entwicklungen in der Gesetzgebung Eine Determinante dieser Entwicklung ist die Verabschiedung des KonTraG19 im Jahr 1998. Dieses novellierte § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG und erweiterte die Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat auf grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung). Zur Begründung wies der Gesetzgeber darauf hin, dass die Kontrolle des Aufsichtsrats auch zukunftsgerichtet sein müsse.20 Das KonTraG21 erstreckte ferner die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats auf das vom Vorstand einzurichtende Risikomanagementsystem nach § 91 Abs. 2 AktG und verschaffte ihm in § 111 Abs. 2 S. 3 AktG die Zuständigkeit, dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und Konzernabschluss zu erteilen. Das TransPuG22 aus dem Jahr 2002 dehnte die Befugnisse des Aufsichtsrats weiter aus, indem die in § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG enthaltene Berichtspflicht des Vorstands sich nun auch auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung der Aktiengesellschaft von früheren Planungen erstreckt wurde. Außerdem muss der Aufsichtsrat nun gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte verabschieden. Das zuvor eingeräumte Ermessen über die Verabschiedung eines solchen Katalogs war dadurch entfallen.23 Ferner wurde in § 116 S. 2 AktG eine Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verankert. Schließlich müssen Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft nach § 161 AktG jährlich erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekannt gemachten Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Im Fokus der Empfehlungen des damit angesprochenen Deutschen Corporate Governance Kodex24 steht der Aufsichtsrat.25 Dieser hebt seine Rolle im Rahmen der 18

Lutter, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 398 (427); ablehnend KK/ Mertens/Cahn, Vorb. § 95, Rn. 10. 19 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I S. 786; im Folgenden auch als KonTraG bezeichnet. 20 BT-Drs. 13/9712, S. 15. 21 Siehe oben Fn. 19. 22 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG) v. 19.7.2002, BGBl. I S. 2681; im Folgenden auch als TransPuG bezeichnet. 23 Siehe hierzu Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 35. 24 Deutscher Corporate Governance Kodex, zuletzt i. d. F. v. 7.2.2017, BAnz AT 24.4.2017, B2; im Folgenden auch als DCGK oder Kodex bezeichnet.

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strategischen Ausrichtung des Unternehmens hervor.26 Nach einer jüngeren Erhebung des Berlin Center of Corporate Governance im Rahmen des Corporate Governance Reports befolgen die befragten Unternehmen inzwischen 79,8 Prozent der Empfehlungen und 63,9 Prozent der Anregungen des Kodex.27 Bei den befragten DAX-Unternehmen liegt die Befolgungsquote sogar bei 91,8 Prozent hinsichtlich der Empfehlungen bzw. 81,3 Prozent hinsichtlich der Anregungen. Durch das UMAG28 wurde im Jahr 2005 die Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG implementiert, welche durch die Verweisung in § 116 AktG auch auf den Aufsichtsrat Anwendung findet.29 Das BilMoG30 von 2009 erweiterte mit dem neueingefügten § 161 Abs. 1 S. 2 AktG den Kreis der erklärungspflichtigen Gesellschaften über börsennotierte Gesellschaften hinaus auf weitere Gesellschaften mit Kapitalmarktzugang.31 Durch das VorstAG32 von 2009 wurde der Aufsichtsrat in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet, bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Außerdem ist gemäß § 87 Abs. 1 S. 2 AktG die Vergütungsstruktur bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.33 In § 87 Abs. 2 AktG ist zudem die Möglichkeit der Herabsetzung der Bezüge im Fall der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 16.12.2019 eine neue Fassung des Kodex beschlossen. Sie wurde am 23.1.2020 beim BMJV zur Prüfung und Veröffentlichung eingereicht (siehe die Pressemitteilung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex v. 23.1.2020, abrufbar unter: https://www.dcgk.de/ files/dcgk/usercontent/de/download/pressemitteilungen/200123 %20Pressemitteilung%20Ko dex%202020.pdf). Bis zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit war der novellierte Kodex jedoch nicht durch das BMJV im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden und damit noch nicht in Kraft getreten. Damit blieb bis dato der Kodex in der bisherigen Fassung anwendbar. Alle Verweise auf den Kodex beziehen sich daher noch auf die Fassung v. 7.2.2017. 25 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (155); Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1200; a. A. Hüffer/ Koch, AktG, § 161 Rn. 2. 26 Grundei/Zaumseil, in: dies., Aufsichtsrat, 15 (23). 27 Siehe v. Werder/Bartz, DB 2014, 905 (907). 28 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I S. 2802; im Folgenden auch als UMAG bezeichnet. 29 Siehe hierzu KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 2, 65; Henssler, in: ders./Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG, Rn. 1. 30 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I S. 1102; im Folgenden auch als BilMoG bezeichnet. 31 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 6b; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 2 Rn. 51. 32 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.2009, BGBl. I S. 2509; im Folgenden auch als VorstAG bezeichnet. 33 So die durch das ARUG II novellierte Fassung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG; siehe hierzu 1. Kapitel § 5 F. II. 1. und Fn. 1134.

§ 1 Anlass der Untersuchung

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vorgesehen. Flankiert wurde dies durch § 116 S. 3 AktG, wonach die Aufsichtsratsmitglieder namentlich zum Ersatz verpflichtet sind, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Abs. 1 AktG). Diese Änderungen belegen, dass der Gesetzgeber dem Aufsichtsrat eine stärkere Rolle in Aktiengesellschaften als nach dem tradierten Verständnis zuschreibt sowie, dass die Verbesserung der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats eine permanente Herausforderung für den Gesetzgeber darstellt.34 II. Entwicklungen in der Rechtsprechung Starke Impulse kamen ebenso aus der Rechtsprechung. Der BGH befand im Jahr 1991, dass es Aufgabe des Aufsichtsrats sei, den Vorstand in Fragen der Geschäftsführung laufend zu beraten.35 Im ARAG/Garmenbeck-Urteil entschied der BGH, dass den Aufsichtsrat aufgrund seiner Aufgabe, den Vorstand zu überwachen, die Pflicht treffe, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern wegen Verletzung von Geschäftsführungspflichten aus ihrer organschaftlichen Tätigkeit eigenverantwortlich zu prüfen und diese bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu verfolgen.36 Gleichwohl billigte das Gericht dem Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung, ob ein Vorstandsmitglied auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll, im Grundsatz keinen unternehmerischen Ermessensspielraum zu. In einem späteren Urteil stellte der BGH fest, dass der Aufsichtsrat bei Insolvenzreife der Gesellschaft darauf hinzuwirken habe, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt und keine weiteren Zahlungen leistet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind37. Denn den Aufsichtsrat träfen Informations-, Beratungs- sowie Überwachungspflichten. Er müsse sich ein „genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer Krisensituation alle ihm nach §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen.“ Vergleichbar entschied das OLG Stuttgart in einem Urteil, welches sich gegen eine SE richtete, dass sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats bei Geschäften, die wegen ihres Umfangs, der mit ihnen verbunden Risiken oder ihrer strategischen Bedeutung für die Gesellschaft besonders relevant sind, einer gesteigerten Überwachungspflicht unterlägen.38 Hier könne sich der Aufsichtsrat nicht auf die Entgegennahme der Information des Vorstands beschränken, sondern müsse selbstständig den Sachverhalt vollständig und richtig erfassen und sich ein eigenes Urteil bilden. Dabei sei der Aufsichtsrat im konkreten Fall verpflichtet gewesen, im Rahmen einer eigenständigen Risikoanalyse die Ri34 35 36 37 38

Vgl. Vetter, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 103 (111). BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 ff. BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 ff. BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, NZG 2009, 550 (551). Siehe OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625 (627 f.).

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siken dieses Geschäfts zu erfassen und zu beurteilen. Diese Entscheidungen legen damit ebenso Zeugnis über die gesteigerte Verantwortung des Kontrollgremiums ab. III. Praktische Veränderungen Auch losgelöst von den Änderungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung haben sich die Umstände für die Aufsichtsratsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten stark geändert. Das Ende der „Deutschland AG“ durch Entflechtung der wechselseitigen Beteiligungen von deutschen Aktiengesellschaften, insbesondere von Banken und Versicherungen, sowie die zunehmende Kapitalmarktorientierung deutscher Aktiengesellschaften, hatten Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Aktionariats.39 Zahlreiche im DAX notierte AGs sind längst in den Händen ausländischer Investoren und Pensionsfonds. Sie verlangen zunehmende Mitsprache in den Angelegenheiten der Unternehmen und Repräsentanz in den Aufsichtsräten.40 IV. Folgerungen Fest steht, dass sich die Rolle des Aufsichtsrats maßgeblich verändert hat. Ging es früher fast ausschließlich um die Kontrolle abgeschlossener, in der Vergangenheit liegender Sachverhalte, steht heute zunehmend die Aufgabe des Aufsichtsrats als beratendes und mitentscheidendes Unternehmensorgan im Vordergrund, insbesondere bei wesentlichen Fragen der Unternehmensleitung, -entwicklung und -strategie.41 Der Aufsichtsrat soll aufmerksamer Zuhörer und sachkundig erfahrener Ratgeber des Vorstands sein.42 Lutter prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des „mitunternehmerischen“ Unternehmensorgans, welches „mit-verantwortlich“ für die Führung der Gesellschaft und des Konzerns sei und dem folglich zukunftsorientierte Aufgaben zukämen.43 Eine Studie aus dem Jahr 2010, welche 50 Aufsichtsratsmitglieder – darunter Aufsichtsratsvorsitzende und Stellvertreter, zumeist mit Mehrfachmandaten – befragte, ergab, dass 54 Prozent eine derartige mitunternehmerische Funktion befürworteten.44 42 Prozent sprachen sich gegen sie aus. Als Beispiel für ihre jüngste Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen wurden in absteigender Reihenfolge Tätigkeiten aus den Bereichen Beteiligung und Akquisition, Investition und Finanzierung, Produkt und Geschäftsfeld, Internationalisierung, Unternehmens39

Vgl. Vetter, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 103 (105 f.). Siehe hierzu eingehend 4. Kapitel § 13. 41 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 2 Rn. 57 f.; Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1200; vgl. Vetter, Der Aufsichtsrat 2015, S. 82. 42 Vgl. Peltzer, NZG 2002, 593 (594); Hohenemser, Der Aufsichtsrat 2012, 160 (161). 43 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 2 Rn. 58. 44 Probst/Theisen, Der Aufsichtsrat 2010, 66 (67); dies., DB 2010, 1573 (1575). 40

§ 2 Ziel der Untersuchung und Vorgehensweise

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strategie sowie Personalentscheidungen angegeben.45 Damit geht zumindest für die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder die Tätigkeit des Aufsichtsrats in praxi mittlerweile deutlich über eine bloß vergangenheitsbezogene Kontrolle hinaus. Trotz all der angesprochenen Änderungen ist der Aufsichtsrat Gegenstand von weitergehenden Diskussionen und Reformvorschlägen geblieben. Unbestritten ist, dass auch künftig die Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen, groß sein werden. Globalisierung und sich verändernde Weltmärkte, ein sich wandelndes Aktionariat, gestiegene Haftungsrisiken der Leitungsorgane sowie die Digitalisierung der Industrie und Arbeitswelt sind nur einige der wichtigen Themen. Es liegt nahe, dass damit auch der Aufsichtsrat infolge seines Bedeutungswandels viel stärker als früher mit diesen Themen konfrontiert wird.

§ 2 Ziel der Untersuchung und Vorgehensweise Die vorliegende Arbeit befasst sich, wie angesprochen, mit der unternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats in Aktiengesellschaften und stellt seine Handlungspflichten in der heutigen Unternehmenspraxis von Aktiengesellschaften dar. Funktion, Aufgaben und Ziele des Aufsichtsrats sollen beleuchtet und, wo es notwendig ist, neu bestimmt werden. Das erste Kapitel befasst sich mit den generellen Handlungsmaximen des Aufsichtsrats. Dabei wird zu untersuchen sein, ob alle Organe der Aktiengesellschaft einer einheitlichen Bindung unterliegen oder ob es hierbei Unterschiede gibt. Der Streit, ob die Organe sich nach dem Gesellschaftsinteresse oder dem Unternehmensinteresse richten müssen, ist bis heute virulent. Diese Arbeit legt dar, dass der Gesetzgeber durch neuerliche Änderungen des Aktiengesetzes einen Richtungsentscheid getroffen hat, der Maßstab für das unternehmerische Handeln des Aufsichtsrats bietet. Das zweite Kapitel stellt die Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktion des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft dar, ohne welche die Frage nach seiner unternehmerischen Verantwortung schlechterdings nicht beantwortet werden kann. Die Konkretisierung der zuvor entwickelten generellen Leitlinien wird dort an zahlreichen Stellen einfließen. Im Fokus der Betrachtung stehen deshalb insbesondere die Überwachungsinstrumente, welche dem Aufsichtsrat ein mitunternehmerisches Handeln überhaupt erst ermöglichen. Unternehmerisch verantwortliches Handeln setzt voraus, dass der Aufsichtsrat sowohl in eigenen Angelegenheiten, d. h. im Hinblick auf seine rechtmäßige und optimale Zusammensetzung als auch in Bezug auf seine Arbeitsorganisation verantwortlich agiert. Schon seit geraumer Zeit werden verschiedene Aspekte einer Professionalisierung des Aufsichtsrats lebhaft diskutiert. Wie diese genau auszu45

Probst/Theisen, Der Aufsichtsrat 2010, S. 66 f.; dies., DB 2010, 1573 (1574).

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Einführung

sehen hat und wie sie sich auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats auswirkt, ist bislang noch nicht hinreichend geklärt. Muss, um ein Beispiel zu nennen, der Aufsichtsrat eines Automobilzulieferers nicht nur Spezialisten für Rechts-, Bilanzierungs- und Personalfragen haben, sondern neben erfahrenen Markt- und Branchenkennern auch Mitglieder mit ausreichend technischem Sachverstand? Es ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass ein Unternehmen im Aufsichtsrat auf diese Fachleute verzichten wird. Verantwortungsvolles Aufsichtsratshandeln setzt zudem geeignete Organisationsstrukturen voraus. Diese Aspekte sind Gegenstand des dritten Kapitels. Die Frage nach seiner, vor allem unternehmerischen Verantwortung wird dabei gerade im Verhältnis zu Vorstand und Aktionären sowie verschiedenen Personen und Gruppen, welche mit dem Unternehmen in Beziehung stehen, aufgeworfen. Aktiengesellschaften sind in tatsächlicher Hinsicht nicht zuletzt auch Bezugspunkt der Interessen ihrer Aktionäre.46 Diese Verbindungen sind Gegenstand jeder Unternehmung und damit für ein immer stärker an der Unternehmenspolitik beteiligtes Kontrollorgan von eminenter Bedeutung. Das vierte Kapitel begutachtet daher die Handlungsfelder und Handlungsoptionen des Aufsichtsrats in der Interaktion mit ausgewählten Bezugsgruppen, d. h. den Aktionären und dem Vorstand. Es wird dabei zu hinterfragen sein, wie sich der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Tätigkeit in Hinblick auf deren Belange und Ziele zu verhalten hat und wie er dabei zum Wohle der Gesellschaft handeln könnte. Institutionelle Aktionäre, die nach stärkerem Einfluss streben, werden häufig Aktiengesellschaft und Management mit Forderungen konfrontieren, deren Umsetzung unmittelbar Auswirkung auf das wirtschaftliche Schicksal der Gesellschaft hat. Nicht zuletzt aufgrund der Unternehmenskrisen, die im Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise ab dem Jahr 2007 eingetreten waren, sind für eine gewissenhafte Aufsichtsratsarbeit geradezu die Topoi Risiko, Finanzierungen und Investitionen innerhalb des erlaubten Risikos von Bedeutung. Diesen Fragen wird deshalb im Rahmen dieser Arbeit gesondert nachzugehen sein. Bei all dem ist klar, dass es allgemeingültige Aussagen für sämtliche Branchen. Unternehmensgrößen und -typen nicht geben kann. Die tatsächlichen Anforderungen korrelieren stark in Abhängigkeit von der Realstruktur einer Aktiengesellschaft, je nachdem ob es sich um börsennotierte oder nichtbörsennotierte Gesellschaften, Familien-AGs oder Gesellschaften mit stark diversifiziertem und internationalem Aktionärskreis handelt. Auch werden sich Aufgaben und Herausforderungen je nach Art der Geschäftstätigkeit unterscheiden. Wie darzulegen sein wird, ist es aber möglich, wenigstens grobmaschige Handlungs- und Strukturempfehlungen zu entwerfen. In den meisten Fällen wird diese Arbeit börsennotierte Gesellschaften in den Fokus der Betrachtung rücken. Fragen des Konzerns und der verbundenen Unternehmen werden hingegen nicht behandelt.

46

Vgl. Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 1.

§ 3 Forschungsstand und Notwendigkeit der Untersuchung

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§ 3 Forschungsstand und Notwendigkeit der Untersuchung Die Untersuchung der aufgeworfenen Aspekte ist teils nur annäherungsweise, teils gar nicht erfolgt, was angesichts ihrer Relevanz erstaunt. Die Frage nach der Verantwortung der Unternehmensleitung stellte sich in der gleichlautenden Monografie von Schmidt-Leithoff.47 Seine Untersuchung erstreckt sich allerdings auf die Unternehmensleitung im Allgemeinen ohne Differenzierung nach Gesellschaftsform und Organ. Außerdem ist diese Abhandlung bereits im Jahr 1989 erschienen. Seit dieser Zeit haben sich das Aktienrecht und die Herausforderungen für und die Erwartungshaltung an Wirtschaftsunternehmen und deren Akteure stark geändert. In dieser Hinsicht dürfte das Werk daher wenigstens in Teilen als überholt anzusehen sein. Andere Autoren untersuchen zwar die Aspekte einer allgemeinen aktienrechtlichen Verhaltensmaxime, ohne jedoch den Bezug zum Aufsichtsrat und die praktischen Folgen für seine Arbeit herauszustellen.48 Eine aktuelle Gesamtdarstellung der unternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats liegt daher nicht vor. Die gegenwärtigen Diskussionen und praktischen Herausforderungen für die Aufsichtsratsarbeit belegen allerdings die Notwendigkeit dieser Untersuchung.

47

Schmidt-Leithoff, Verantwortung. Vgl. nur Birke, Formalziel; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse; Brinkmann, Unternehmensinteresse; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen. 48

1. Kapitel

Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats § 4 Vorbemerkung Der Spielraum für das unternehmerische Handeln der Leitungsorgane der Aktiengesellschaft wird vornehmlich von Rechts wegen sowie durch die Satzung beschränkt.1 Zudem wird im Schrifttum heute überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Vorstand2 sich bei Leitung der Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG3, was nach herrschender Auffassung vielmehr die Leitung des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens bedeutet,4 an einem interessenpluralistischen „Unternehmensinteresse“ als Handlungsmaxime im Sinne einer Verhaltensnorm bzw. eines Richtigkeitsmaßstabes5 orientieren müsse, zumindest dann, sofern es kein anderslautendes statutarisch festgelegtes Formalziel gebe.6 Das interessenpluralistisch konzipierte Unternehmensinteresse gebietet verallgemeinert die sachgerechte Wahrnehmung der in der Aktiengesellschaft, respektive in dem von ihr getragenen Unternehmen, zusammentreffenden Interessen von Aktionären (Kapital), Arbeitnehmern (Arbeit) und der Öffentlichkeit (Gemeinwohl), ohne dass diese Interessen 1

Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (127). Zur Frage der einheitlichen Bindung der Gesellschaftsorgane an das Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresse siehe 1. Kapitel § 5 B. 3 Zum Streit um den Begriffsinhalt der Leitung und das Verhältnis zur Geschäftsführung vgl. jeweils m. w. N. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 28 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 4 sowie 2. Kapitel § 8 A. 4 Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 39; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 14; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 5; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 10; KK/Mertens/ Cahn, § 76 Rn. 6; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 9; Fleischer, ZIP 2003, S. 1; Henze, BB 2000, S. 209. 5 Vgl. Laske, ZGR 1979, 173 (176). 6 Mit Unterschieden in der Gewichtung des Gesellschaftsinteresses und der Aktionärsinteressen zu den Partialinteressen: Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23; KK/Mertens/ Cahn, § 76 Rn. 9 ff.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 40, 46; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG, Rn. 2, 10; MünchHdbGesR/Wiesner, § 19 Rn. 20; Liebscher, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 6 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 28, 36; v. Werder, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 800 (zu Ziff. 4.1.1 DCGK). Vgl. auch MüKoAktG/ Spindler, Vorb. § 76, Rn. 56, § 76 Rn. 67 ff.; Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 23; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 52; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 28; ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 25; MünchHdbGesR/Wiesner, § 19 Rn. 20; Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (127); Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (144); Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (362 f.). 2

§ 4 Vorbemerkung

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in einer bestimmten Rangfolge stehen, wobei jedenfalls das Minimalziel der Bestandserhaltung und dauerhaften Rentabilität zu verfolgen ist.7 Im Gegensatz hierzu sieht der herkömmliche verbandsrechtliche bzw. zielmonistische Ansatz allein im Gesellschaftsinteresse, das die aggregierten Anteilseignerinteressen in den Vordergrund stellt, die konkrete Handlungsmaxime der Leitungsorgane der Aktiengesellschaft.8 Das Unternehmensinteresse, das seit Jahrzehnten Gegenstand lebhafter Diskussionen war und ist, wird angesichts seiner terminologischen Unschärfe teilweise nur noch als sprachliche Abkürzung im Sinne eines Sammelbegriffs aller in der AG und deren Unternehmen zusammentreffenden Interessen aufgefasst.9 Seine allseitige Verwendung überdeckt dabei die häufig tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten.10 Neue Impulse erhielt diese Diskussion mit der Aufnahme des „Unternehmensinteresses“ an verschiedenen Stellen im Deutschen Corporate Governance Kodex, genauer in der Präambel sowie in den Ziff. 4.1.1, 4.3.1 und 5.5.1. Die weltweite Finanzmarktkrise hat diese ewige Debatte zur obersten Handlungsmaxime für die Leitung der Aktiengesellschaft aufs Neue entfacht.11 Die Frage nach der Leitmaxime ist damit nach wie vor so aktuell wie ungeklärt.12 So variantenreich das in der Literatur vorzufindende Meinungsspektrum zu einer aktienrechtlichen Leitmaxime im Sinne eines Unternehmens- oder Gesellschaftsinteresses dabei auch sein mag, so lässt sich doch immerhin die Erkenntnis gewinnen, dass sie strenggenommen die Grundlage für die Entscheidung über und das Verständnis von Unternehmenspolitik bildet. Die Leitmaxime erlebt dabei auch und gerade auf Ebene des Aufsichtsrats einen Bedeutungszuwachs. Für professionelle Stimmrechtsberater (Proxy Advisors) ist die strategische Ausrichtung von Aufsichtsrat und Wahlkandidat unter bestimmten Umständen von entscheidender Bedeutung für die Abgabe ihrer Abstimmungsempfehlung.13 Im Falle konkurrierender Wahlvorschläge an die Hauptversammlung ist etwa für die Abstimmungsempfehlungen des Stimmrechtsberaters Institutional Shareholder Services Inc. mitunter die jeweilige Strategie der Opponenten maß-

7

Mülbert, AG 2009, 766 (770). Zur inhaltlichen Bestimmung des Unternehmensinteresses siehe 1. Kapitel § 5 E. 8 Vgl. Birke, Formalziel, S. 139. Siehe hierzu 1. Kapitel § 5 C. VI. und VII. sowie die unter Fn. 141 verzeichneten Vertreter des verbandsrechtlichen bzw. zielmonistischen Ansatzes. 9 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 36; Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 23; Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (127). Vgl. auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 28; ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 25; Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 23; MünchHdbGesR/Wiesner, § 19 Rn. 20; a. A. Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (551). 10 Mülbert, ZGR 1997, 129 (142). 11 Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), S. 443 f. 12 Siehe jüngst Schön, ZHR 180 (2016), S. 279 ff.; Fendt, AG 2017, S. 99 ff. 13 Seibt/Scholz, AG 2016, 739 (742).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

geblich.14 Dies unterstreicht, dass sich der Aufsichtsrat und sogar die Wahlkandidaten für den Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung des Unternehmens im Klaren sein müssen. Die richtige strategische Ausrichtung kommt aber ihrerseits ohne die Beachtung der unternehmerischen Leitmaxime nicht aus. In der Judikatur des BGH finden nicht „unternehmerische Leitmaxime“, sondern wahlweise die Begriffe „Unternehmensinteresse“ oder „Gesellschaftsinteresse“ Verwendung.15 Das Gericht bleibt eine nähere Umschreibung allerdings bis heute schuldig.16 Vielmehr sind in der Rechtsprechung des BGH die Begriffe „Interesse des Unternehmens“, „Interesse der Gesellschaft“ oder „Wohl der Gesellschaft“ synonym zu verstehen.17 Laut Aussagen eines früheren BGH-Richters beruht die Vernachlässigung der Unterscheidung darauf, dass sich der BGH nicht mit der Wertung abstrakter Institutionen aufhält, sondern sofort die Interessen in den Blick nimmt, die von den jeweiligen Maßnahmen betroffen sind.18 Es sei hingegen kein Geheimnis, dass er „Aktionäre, insbesondere die Minderheit, Gesellschaftsgläubiger, aber auch Arbeitnehmer und die öffentlichen Interessen (einschließlich der Arbeitsplatzerhaltung zur Gewährleistung des sozialen Friedens) im Auge“ habe. Der BGH geht deshalb offensichtlich von einer Mehrzahl gleichberechtigter Interessenträger aus.19 Damit sind allerdings weder eine An- noch eine Aberkennung einer unternehmensrechtlichen Verhaltensmaxime verbunden; das „Unternehmensinteresse“ selbst stellt jedoch nach wie vor eine alleinige Erfindung des Schrifttums dar.20 Ein einheitlicher Lösungsansatz konnte sich trotz der vielen Diskussionsbeiträge bisher nicht durchsetzen.21 Ziel der folgenden Ausführungen ist es daher, das Gesellschaftsinteresse nebst seinen dogmatischen Grundlagen sowie den Diskurs um die verschiedenen Begründungsansätze und Ausformungen des Unternehmensinteressenbegriffs bis heute darzustellen und zu bewerten sowie einen eigenen Ansatz zur Herleitung und Bestimmung einer aktienrechtlichen Leitmaxime zu entwickeln. 14 Vgl. Institutional Shareholder Services Inc., Europe Summary Proxy Voting Guidelines – 2016 Benchmark Policy Recommendations, 22.12.2015, S. 13, abrufbar unter: https://www.issg overnance.com/file/policy/2016-europe-summary-voting-guidelines-dec-2015.pdf. 15 BGHZ 64, 325: Interesse des Unternehmens; BGHZ 136, 133: Interesse der Gesellschaft, Gesellschaftsinteresse; BGHZ 71, 40; 83, 319; 136, 133: Gesellschaftsinteresse, Interesse der Gesellschaft BGHZ 125, 239: sachliches unternehmerisches Interesse, Interesse des Unternehmens, Interesse der Gesellschaft). 16 So auch Henze, BB 2000, 209 (212); vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 76. 17 Vgl. Birke, Formalziel, S. 155 m. w. N. 18 Henze, BB 2000, 209 (212); vgl. auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 27. 19 So auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 27. 20 So Birke, Formalziel, S. 155 f. Selbst der Begriff des Unternehmens wird in der gesamten Rechtsordnung und sogar im Aktienrecht unterschiedlich gebraucht, siehe MüKoAktG/Bayer, § 15 Rn. 9. Im Konzernrecht kommt ihm die Bedeutung als Normadressat zu, Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 9. Hingegen ist das Unternehmen im Zusammenhang mit den §§ 3 und 23 AktG als Zuordnungsobjekt sachlicher und persönlicher Mittel aufzufassen, MüKoAktG/Bayer, § 15 Rn. 9. 21 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 21.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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Ferner soll der Frage nachgegangen werden, ob und welche Folgen eine solche Leitmaxime für den Aufsichtsrat hat.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse A. Die Lehre von der Ziellosigkeit des Verwaltungshandelns Dass die Organe der Aktiengesellschaft einer Leitmaxime unterfallen, ist in der Literatur hingegen nicht völlig unbestritten geblieben. Entgegen der weit überwiegenden Auffassung22 vertritt Großmann die Ansicht, dass die Leitungsorgane einer AG keinerlei inhaltlichen Zielbestimmungen zu folgen hätten.23 Seine These lautet: „Das AktG kennt kein Unternehmensziel als Maßstab für das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat.“24 Das AktG habe vielmehr durch Organisationsregeln Kompetenzen und Einfluss in der Aktiengesellschaft geregelt und der Verwaltung einen von Zuständigkeitsbestimmungen, strikten Normen und formalen Sorgfaltspflichten umgrenzten Entscheidungsraum zur rechtlich freien Entscheidung zugewiesen. Die Kompetenzverteilung des AktG erscheint Großmann als ein „Geflecht von abgestimmten und abgestuften Einflußbahnen.“25 Ferner begründet er seinen Ansatz damit, dass das Ziel der Gewinnerzielung nicht operational formulierbar sei und sich das Problem verschärfe, sofern man eine Mehrzahl von Unternehmenszielen befürworte.26 Vielmehr lasse sich dem Gesamtplan des AktG entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet habe, die Leitungsorgane an inhaltliche Vorgaben zu binden.27 Die Kontrolle der Leitungsorgane erfolge durch das „politische System“ der AG, nämlich durch die Abhängigkeiten, welche durch Organisations- und Verfahrensregeln sowie etwa die Teilnahme am Wettbewerb entstünden.28 Diese Kontrolle werde inhaltlich nur vereinzelt durch gesetzliche Ge- und Verbote ergänzt. Zur Überprüfung der Ermessensentscheidungen der Leitungsorgane sei die verwaltungsrechtliche Lehre über die eingeschränkte Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen heranzuziehen.29 Dadurch soll sich ein System formaler Sorgfaltspflichten ergeben, welches insbesondere die Pflicht der Verwaltung zur sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung und sorgfältigen Ermessensausübung bei Entscheidungen umfasse.30 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Siehe oben § 3. Großmann, Unternehmensziele, S. 132, 257. Großmann, Unternehmensziele, S. 257. Großmann, Unternehmensziele, S. 174. Großmann, Unternehmensziele, S. 86. Großmann, Unternehmensziele, S. 125 ff. Großmann, Unternehmensziele, S. 173 ff., 257. Großmann, Unternehmensziele, S. 165, 170. Vgl. Großmann, Unternehmensziele, S. 169 ff.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Gegen Großmanns Argument, das Ziel Gewinnerzielung sei nicht operational formulierbar, ist anzuführen, dass die Gründer der Gesellschaft jedes ihnen geeignet erscheinende Ziel privatautonom und einvernehmlich bestimmen können.31 Nur sofern es an einer ausdrücklichen Regelung in der Satzung fehlt, muss das Ziel durch Auslegung ermittelt werden. Die fehlende Angabe eines Ziels begründet allerdings die Vermutung, dass die Gesellschaftsgründer das Ziel der normtypischen Aktiengesellschaft gewählt haben.32 Auch der zweite Begründungsstrang Großmanns, die Kontrolle der Leitungsorgane erfolge durch das politische System der AG und bei der Überprüfung der Ermessensentscheidungen der Leitungsorgane sei neben den ausdrücklichen Ge- und Verboten des Aktienrechts die verwaltungsrechtliche Ermessenslehre heranzuziehen, geht bei genauerer Betrachtung fehl. Paefgen weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass jede Ermessensentscheidung erst vom Zweck der Ermächtigungsnorm ihren Sinn erhält und der Verstoß gegen den Ermächtigungszweck das entscheidende Kriterium für das Vorliegen eines Ermessensfehlgebrauchs ist.33 Nach § 40 VwVfG hat die Behörde mitunter ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Wendet man dies auf die Aktiengesellschaft an, kann die in §§ 93, 116 AktG implizierte Kontrolle von Ermessensentscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat nur unter Rückgriff auf den Zweck der Gesellschaft erfolgen.34 Befürwortet man mit Großmann eine an keinerlei Zielvorgaben gebundene Leitungsautonomie, so verzichtet man zugleich auf die Kontrolle der Organentscheidungen nach den Kriterien vom Ermessensfehlgebrauch, denn der Zweck der Ermächtigungsnorm ist somit jeder beliebige.35 Grundlage für die Überprüfung der Entscheidungen der Leitungsorgane wären folglich deren eigene Opportunitätsvorstellungen. Zielvorgaben sind daher für die Leitungstätigkeit unentbehrlich.36 Paefgen folgert daraus zu Recht, dass der von Großmann geforderte allein formale Sorgfaltsmaßstab nicht geeignet ist, über die speziellen Satzungs- und Gesetzesvorschriften, wie etwa die in § 93 Abs. 3 AktG, hinausgehenden Kriterien zur Verwaltungskontrolle in Aktiengesellschaften zu liefern.37 Eine Bindung der Leitungsorgane an die aktienrechtlichen Zielvorgaben ist zur Abmilderung der Problematik der Trennung von Leitungskontrolle und Eigentum gerade in der Publikums-AG unerlässlich.38 Der Verzicht auf jegliche Zielbindung hätte zudem zur Folge, dass das Ausmaß der Pflichtenbindung zur Disposition der Verantwortlichen selbst stünde und folglich – etwa im Hinblick auf §§ 309 und 31 So zu Recht Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104; ihm folgend Birke, Formalziel, S. 151. Vgl. dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 81. 32 Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104; Birke, Formalziel, S. 151. 33 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 90; dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 81. 34 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 90. 35 So zu Recht Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 90. 36 So zu Recht v. Bonin, Leitung, S. 80. 37 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 90; ihm folgend Mülbert, ZGR 1997, 129 (146) sowie Birke, Formalziel, S. 152 f. 38 Birke, Formalziel, S. 153.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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317 AktG – ein wirksamer Minderheitenschutz nicht mehr stattfände.39 Die Lehre Großmanns ist folglich abzulehnen. Die Organe der AG unterliegen in jedem Fall einer bindenden Leitmaxime.

B. Die einheitliche Bindung der Organe an das Gesellschaftsbzw. Unternehmensinteresse Zu klären ist weiterhin die Frage, welche Gesellschaftsorgane überhaupt Adressaten der Leitmaxime sind. Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass Vorstand und Aufsichtsrat einheitlichen normativen Zielvorgaben verpflichtet sind,40 die Leitlinien eines Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses daher mutatis mutandis auch für den Aufsichtsrat anzuwenden sind.41 Dies hat auch zur Folge, dass sich jedes Aufsichtsratsmitglied bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben allein von diesen Interessen leiten lassen muss.42 Die Zielvorgaben gelten gleichermaßen auch für die Hauptversammlung, worauf Paefgen und Birke zu Recht hinweisen.43 Denn zum einen kann auch die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG auf Verlangen des Vorstands über Fragen der Geschäftsführung entscheiden, zum anderen legt § 111 Abs. 4 S. 3 AktG fest, dass die Hauptversammlung auf Vorstandsverlangen über die Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung beschließt, die der Aufsichtsrat zuvor abgelehnt hatte. In beiden Fällen wird die Hauptversammlung anstelle des Vorstands und respektive des Aufsichtsrats tätig. Ebenso wie die Leitmaxime des Vorstands auch für den Aufsichtsrat gilt, muss sie zugleich Handlungsmaßstab für die Hauptversammlung sein. Einen Beleg für die einheitliche Zweckausrichtung der Organe liefert auch die Kali + Salz-Entscheidung des BGH.44 Das Gericht entschied hier, dass „eine Erhöhung des Grundkapitals von der Sache her notwendigerweise auf den Zweck der Gesellschaft und damit auf deren Interessen bezogen ist“ und daher „ein mit ihr verbundener Bezugsrechtsausschluss im Gesellschaftsinteresse seine Rechtfertigung 39

So zu Recht Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 92. Mülbert, ZGR 1997, 129 (142). 41 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 3; KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 29; MünchHdbGesR/ Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 32; Schiedermair/Kolb, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 7 Rn. 246; Jaeger, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 9.271, 70. EL November 2015; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 27 Rn. 60, § 29 Rn. 5, 7; Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1457 (zu Ziff. 5.5.1 DCGK); Birke, Formalziel, S. 146; Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (623). Vgl. ferner Immenga, ZGR 1977, 249 (253). 42 Hüffer/Koch, AktG, § 116 Rn. 8; MüKoAktG/Habersack, Vorb. §§ 95 ff., Rn. 13, § 111 Rn. 17; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 33 Rn. 1; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 29 Rn. 5; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG, Rn. 10; Semler/Stengel, NZG 2003, 1 (2). 43 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 9 ff.; Birke, Formalziel, S. 146 ff. 44 BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40 ff. 40

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

finden“ müsse.45 Bereits in diesen Entscheidungen kommt die Rückbindung aller Gesellschaftsorgane, unter Einbindung der Hauptversammlung, an eine einheitliche Zweckausrichtung zum Ausdruck.46 Des Weiteren hatte der BGH im „Holzmüller“Urteil47 entschieden, dass der Vorstand bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre ausnahmsweise verpflichtet sein kann, gemäß § 119 Abs. 2 AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen, und hierdurch eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit begründet.48 Im Siemens/Nold-Urteil hatte der BGH ferner befunden, dass die Hauptversammlung das Bezugsrecht der Aktionäre im Rahmen genehmigten Kapitals zulässigerweise dann ausschließen oder den Vorstand zu einem Bezugsrechtsausschluss ermächtigen kann, wenn die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben wird.49 Der Vorstand führt anstatt der Hauptversammlung die konkrete Sachprüfung durch, ob der Ausschluss des Bezugsrechts im Gesellschaftsinteresse liegt. Zu Recht wird daraus gefolgert, dass für die Hauptversammlung dieselben materiellen Prüfungskriterien wie für den Vorstand gelten.50 Die vorstehenden Erwägungen zeigen mitunter deutlich, dass sämtliche Gesellschaftsorgane einer einheitlichen Pflichtenbindung an die Leitmaximen eines Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses unterliegen.51 Die Annahme verschiedener materieller Pflichtenbindungen stünde hingegen im Widerspruch mit der funktionellen Austauschbarkeit von Kompetenzen der Gesellschaftsorgane.52

C. Das Gesellschaftsinteresse Ausgangspunkt aller Diskussionen um die Zielvorgaben im Aktienrecht ist das bereits angesprochene Gesellschaftsinteresse oder, allgemeiner gefasst,53 das Verbandsinteresse,54 dessen Zweck es ist, eine eigenständige Vorgabe für das Handeln der Organe zu bieten.55 Das Verbandsinteresse bzw. Gesellschaftsinteresse lässt sich 45

BGHZ 71, 40 (44). Dahingehend auch Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 84. 47 BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. 48 Vgl. hierzu nur Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 119 Rn. 26 ff.; Ziemons, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 10.80, 73. EL August 2016. 49 BGH, Urt. v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 ff. 50 So Birke, Formalziel, S. 148; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 14 f. 51 So auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (142); Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 81 ff.; ders., Unternehmerische Entscheidungen, S. 44 ff.; Birke, Formalziel, S. 148 f. 52 So auch Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 82. 53 KK/Zöllner (1. Aufl.), Einl. Rn. 107. 54 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 29; Krämer, Unternehmensinteresse, S. 47. 55 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (141). 46

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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positiv nur durch Bezugnahme auf den Verbands- bzw. Gesellschaftszweck bestimmen.56 Allein vor dem Hintergrund des Zwecks kann beurteilt werden, ob ein Ereignis oder eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt.57 Denn alles, was der Verfolgung und Erfüllung des Gesellschaftszwecks dient, liegt letztlich im Gesellschaftsinteresse.58 Im Folgenden wird daher der Frage nachgegangen, welcher Bedeutungsgehalt dem Gesellschaftszweck zukommt. Um den Inhalt des Gesellschaftszwecks klären zu können, muss auch eine Auseinandersetzung mit der Unterscheidung und dem Verhältnis des Zwecks zum Unternehmensgegenstand erfolgen. Darüber hinaus wird zu ergründen sein, was der konkrete Zweck der normtypischen, erwerbswirtschaftlichen Aktiengesellschaft ist, sofern dieser, wie regelmäßig, nicht ausdrücklich in der Satzung geregelt ist. I. Bedeutung des Gesellschaftszwecks Der gemeinsame Zweck ist zunächst konstitutives Element für jeden Personenverband,59 ebenso verbindliche Leitidee des Zusammenschlusses.60 Er ist das durch die Gesellschafter bei der Verbandskonstituierung selbst gesetzte sowie verselbstständigte Ziel ihres Zusammenschlusses.61 Damit bildet der in §§ 33 Abs. 1 S. 2, 705 BGB angesprochene Zweck keine von allen Gesellschaftern jeweils einzeln oder zusammen verfolgte gemeinsame Zielsetzung, sondern einen von den Gründungsgesellschaftern „etablierten überindividuellen Zweck“.62 Dieser gemeinsame Wille findet seinen objektivierten Ausdruck in der Satzung der Aktiengesellschaft und kommt folglich durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung zustande.63 Der Zweck einer Körperschaft wie der einer Aktiengesellschaft verselbstständigt sich mit der Gründung von dem ursprünglichen Gründerwillen und dabei umso mehr, als personalistische Elemente in den Hintergrund treten und sich der Gesellschaftscharakter dem einer Publikumsgesellschaft annähert.64 Der gemeinsame Zweck aller Gesellschafter wird damit zum Zweck des Verbands; dieser hat sich, wie angesprochen, von den 56 KK/Zöllner (1. Aufl.), Einl. Rn. 107; Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); v. Bonin, Leitung, S. 78; Krämer, Unternehmensinteresse, S. 48. Die Begriffspaare Verbandsinteresse und Gesellschaftsinteresse sowie Verbandszweck und Gesellschaftszweck werden in der Literatur zumeist synonym verwendet. 57 Vgl. Birke, Formalziel, S. 144. 58 v. Bonin, Leitung, S. 78. 59 v. Bonin, Leitung, S. 76; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 139; vgl. ferner Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 1 Rn. 3. 60 v. Bonin, Leitung, S. 77; vgl. MüKoBGB/Arnold, § 33 Rn. 3. 61 v. Bonin, Leitung, S. 77; vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 22; Schäfer, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 GmbHG, Rn. 6; MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10. 62 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 139. 63 v. Bonin, Leitung, S. 84; vgl. auch Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (523 ff.); Zöllner, ZHR 162 (1998), 235 (239). 64 v. Bonin, Leitung, S. 77; vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 1 I 1 b), S. 8 ff.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

individuellen Interessen der Mitglieder gelöst.65 Deshalb gilt der Verbandszweck für sich genommen als inhaltliche Leitmaxime der Gesellschaft als auch jeden Gesellschaftsorgans.66 Für den Vorstand ergibt sich dies zudem aus § 82 Abs. 2 AktG, nach dem die Vorstandsmitglieder verpflichtet sind, die Beschränkungen einzuhalten, die u. a. die Satzung für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen hat.67 Dies gilt selbst dann, wenn der Zweck nicht in der Satzung angegeben ist, wird er doch durch die Satzungsvereinbarung selbst zumindest konkludent aufgestellt.68 II. Unterscheidung von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand Der Unternehmensgegenstand bezeichnet die Art der Tätigkeit der Gesellschaft, also den spezifischen Tätigkeitsbereich, etwa die Produktion bestimmter Güter oder die Erbringung spezifischer Dienstleistungen.69 Zugleich wird dadurch der Geschäftsführung vorgegeben, mit welchen Mitteln das Unternehmensziel zu erreichen ist.70 Anders als im GmbHG71 wird im AktG nicht ausdrücklich zwischen dem nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG in der Satzung anzugebenden Unternehmensgegenstand und dem Gesellschaftszweck unterschieden.72 Richtigerweise ist jedoch auch im Aktienrecht mit der heute ganz herrschenden Auffassung davon auszugehen, dass beiden Begriffen, auch aufgrund der damit verknüpften Mehrheitserfordernisse bei Änderungsbeschlüssen der Hauptversammlung, unterschiedliche Bedeutung beizumessen ist.73 Denn nach überwiegender Auffassung ist im Aktienrecht eine Änderung des Gesellschaftszwecks nur unter entsprechender Anwendung des als Grundregel mitgliedschaftlicher Korporationen auch für Aktiengesellschaften geltenden74 § 33 Abs. 1 S. 2 BGB allein mit Zustimmung aller Aktionäre möglich, während der Unternehmensgegenstand schon mit der in § 179 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG75 genannten 65 v. Bonin, Leitung, S. 77; vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 1 I 1 b), S. 8 ff.; Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 15. 66 Vgl. Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 27 f.; Westermann, in: Hubmann/ Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (531); Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 139; ders., ZGR 1997, 129 (141); v. Bonin, Leitung, S. 78. 67 v. Bonin, Leitung, S. 79. 68 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 9; v. Bonin, Leitung, S. 79. Siehe hierzu ferner unter 1. Kapitel § 5 C. dort insbesondere IV. 69 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 69; Birke, Formalziel, S. 141. 70 Vgl. Wiedemann, ZGR 1975, 385 (417). 71 Vgl. §§ 1, 61 Abs. 1 GmbHG sowie §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 75 Abs. 1, 76 GmbH. 72 MüKoAktG/Heider, § 3 Rn. 14; Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3. 73 Siehe MüKoAktG/Heider, § 3 Rn. 14; Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 14 f.; KK/Dauner-Lieb, § 23 Rn. 9 f.; KK/ Zöllner (2. Aufl.), § 179 Rn. 116; MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; v. Bonin, Leitung, S. 82. 74 So zu Recht Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179 Rn. 60. 75 Die besondere Bedeutung des Unternehmensgegenstands im Verhältnis zu den anderen Satzungsbestimmungen kommt insbesondere in § 179 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 AktG zum Ausdruck,

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals geändert werden kann.76, 77 III. Verhältnis von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand Umstritten ist insbesondere das Verhältnis, in dem Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand zueinander stehen.78 Nach der im Aktienrecht wohl vorherrschenden Auffassung stehen Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck im Mittel-Zweck-Verhältnis.79 Der Unternehmensgegenstand beschreibt, wie dargestellt, die eingesetzten Mittel respektive die Tätigkeit,80 durch welche der Ge-

wonach durch die Satzung nur eine größere Kapitalmehrheit für eine Änderung des Unternehmensgegenstands bestimmt werden kann, vgl. v. Bonin, Leitung, S. 83. 76 Vgl. nur MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 70; Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 22; MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 30; KK/Zöllner (2. Aufl.), § 179 Rn. 113; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 10; Birke, Formalziel, S. 143; v. Bonin, Leitung, S. 77 f., 83. 77 Grund für das Einstimmigkeitserfordernis nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB, welches jedoch aufgrund der Dispositivität des § 33 BGB nach § 40 BGB in der Satzung zugunsten einer Mehrheitsentscheidung geändert werden kann (siehe Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG, § 179 Rn. 33; MüKoAktG/Stein, § 179 Rn. 132; Spindler/Stilz/ Holzborn, AktG, § 179 Rn. 61), ist zum einen die Schwere des Eingriffs in das Recht der Mitgliedschaft (Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179 Rn. 60), zum anderen die minderheitsschützende Funktion des Gesellschaftszwecks (Birke, Formalziel, S. 143). Eine Abkehr von der Gewinnorientierung zugunsten gemeinnütziger Ziele wäre den Aktionären, welche die Rechtsform der Aktiengesellschaft im Zweifel aus Investitionsgründen gewählt haben, nicht zumutbar (so Birke, Formalziel, S. 143). Diese Grundorientierung ist zudem für den späteren Erwerber einer Aktie von Bedeutung; dieser muss in seiner Annahme geschützt werden, dass die Gesellschaft nicht unvermittelt ein anderes als das ursprünglich vorgesehene Ziel verfolgt (so zu Recht v. Bonin, Leitung, S. 83). Die Gegenansicht, für die eine Mehrheit von drei Viertel des vertretenen Grundkapitals genügen soll, stützt sich vor allem auf die §§ 262 Abs. 1 Nr. 2, 293 Abs. 1 AktG, nach denen eine solche Mehrheit zur Liquidation der Aktiengesellschaft bzw. zum Abschluss eines Unternehmensvertrags ausreicht (siehe nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 I 3 a), S. 155 ff.). Dies müsse daher auch für die Änderung des Gesellschaftszwecks genügen. Plausibler ist es hingegen, die §§ 262 Abs. 1 Nr. 2, 293 Abs. 1 AktG allein für die dort geregelten Fälle als leges speciales zu § 33 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen (so zu Recht Birke, Formalziel, S. 14; siehe auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 40). Zudem ist für die Änderung des Gesellschaftszwecks ein den §§ 271, 305 AktG – diese betreffen die Liquidation der Aktiengesellschaft (Verteilung des Vermögens) bzw. den Abschlusses eines Unternehmensvertrags (Abfindung) – vergleichbarer Minderheitenschutz nicht im Gesetz vorgesehen (Birke, Formalziel, S. 144). Dies legt es nahe, bei Änderungen des Gesellschaftszwecks vom grundsätzlichen Einstimmigkeitserfordernis des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB nicht abzuweichen. 78 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 70 ff.; Birke, Formalziel, S. 141. 79 Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 22; MüKoAktG/Heider, § 3 Rn. 15; MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 71; KK/Kraft (2. Aufl.), § 3 Rn. 9 f.; Kort, NZG 2011, 929 (931); vgl. ferner Spindler/ Stilz/Holzborn, AktG, § 179 Rn. 62; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 34. 80 Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

sellschaftszweck erreicht werden soll.81 Der Gesellschaftszweck bezeichnet hingegen das von den Gründern mit der Gesellschaft verfolgte Ziel, also den finalen Sinn des Zusammenschlusses, der in der Regel in der Gewinnerzielung besteht.82 Diese Auffassung setzt (Formal-)Ziel und Verbandszweck demnach gleich.83 Eine andere Ansicht unterscheidet hingegen zwischen formalen Unternehmenszielen und den sachlichen Unternehmenszielen.84 Innerhalb der formalen Unternehmensziele wird überdies zwischen dem Verhaltensmaßstab für die Unternehmensführung und der Verwendung der erzielten Wertschöpfung differenziert. Beides fließt im Gesellschaftszweck zusammen, denn die Gesellschaft wird gegründet, um Gewinn zu erwirtschaften und diesen an die Gesellschafter auszuschütten. Bei erwerbswirtschaftlichen Betrieben ist daher Verhaltensmaßstab die Erzielung von Gewinn;85 der Gesellschaftszweck umfasst hier Gewinnerzielung und Gewinnausschüttung.86 In Anlehnung an die Betriebswirtschaftslehre bezeichnet das sachliche Unternehmensziel den Unternehmensgegenstand.87 Nach einer weiteren Auffassung besteht der Gesellschaftszweck aus den beiden Bestandteilen Gesellschaftsziel (die finale Ausrichtung der Gesellschaft bzw. der beabsichtigte Erfolg, also regelmäßig Gewinnerzielung) und dem Unternehmensgegenstand.88 Der Zweck ist insofern als Oberbegriff zu verstehen.89 Die Mittel-Zweck-Relation besteht hier also zwischen dem Unternehmensgegenstand und dem Ziel und nicht zwischen dem Unternehmensgegenstand und dem Gesellschaftszweck.90 Zugunsten der zuletzt genannten Ansicht spricht zwar, dass laut § 1 GenG der Zweck von Genossenschaften darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange (zu verstehen als das Ziel) durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb (zu verstehen als der Gegenstand) zu fördern, und man dies als allgemeine verbandsrechtliche Aussage zum Verhältnis des Unternehmensgegenstands und des Gesellschaftsziels als Teilbereiche des Gesellschaftszwecks verstehen könnte.91 Problematisch ist allerdings, dass eine klare Abgrenzung im Hinblick auf die Mehrheitserfordernisse bei Änderungen von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck Probleme bereitet, wenn man den 81

Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 22; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 34; Fendt, AG 2017, 99 (100). 82 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 71; MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Krämer, Unternehmensinteresse, S. 47. 83 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 82 Fn. 312. 84 Vgl. Wiedemann, ZGR 1975, 385 (413 ff.). 85 Vgl. Wiedemann, ZGR 1975, 385 (413). 86 Vgl. Wiedemann, ZGR 1975, 385 (429). 87 Wiedemann, ZGR 1975, 385 (416 f.). 88 MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 74, 76; Birke, Formalziel, S. 141. 89 Birke, Formalziel, S. 141; v. Bonin, Leitung, S. 82; vgl. auch für das GmbH-Recht Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 1 Rn. 3. 90 MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 74, 76. 91 So etwa MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 76.

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Gegenstand als Teil des Gesellschaftszwecks auffasst.92 Weiterhin ist eine Ausdehnung des genossenschaftsrechtlichen Verständnisses auf das Aktienrecht keinesfalls zwingend. Die zweite Ansicht unterscheidet sich von der herrschenden Meinung hingegen dadurch, dass sie den Gesellschaftszweck weiter aufgliedert. In Hinblick auf den Verhaltensmaßstab steht sie dabei nicht im Widerspruch zur herrschenden Auffassung. Hingegen vermag die Nutzenverwendung in Form der Gewinnausschüttung als zwingender Bestandteil des Unternehmensziels nicht zu überzeugen. Sofern sich die Geschäftsleitung zur verstärkten Gewinnthesaurierung entschließt, sei es aus Gründen von Investitionen oder Rückstellungen zum Zwecke der Stärkung der Eigenkapitalbasis, handelt sie nicht wider den Gesellschaftszweck. Vielmehr wird man mit der herrschenden Ansicht annehmen müssen, dass der Gesellschaftszweck die von den Aktionären mit der Gesellschaft verfolgten Ziele, den finalen Sinn der Gesellschaft, bezeichnet.93 Der Zweck ist – im Sinne eines Formalziels – regelmäßig auf Gewinnerzielung gerichtet, wenngleich die Aktionäre mit der Gesellschaft auch andere, wie gemeinnützige oder gemeinwirtschaftliche Ziele verfolgen können.94 Damit ist Gesellschaftszweck nach der hier vertretenen, herrschenden Ansicht gleichbedeutend mit dem Formalziel der Gesellschaft. Der Zweck wird regelmäßig, wie bereits angesprochen, nicht in der Satzung geregelt. Er erschließt sich nur mittelbar aus dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand.95 Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck stehen folglich allein im Mittel-Zweck-Verhältnis zueinander. IV. Erwerbswirtschaftliche Ausrichtung der Aktiengesellschaft Das AktG verlangt keinen bestimmten Zweck, noch dessen ausdrückliche Angabe in der Satzung, wie sich auch aus § 23 Abs. 2 bis 5 AktG ergibt. Die Aktiengesellschaft ist also zweckneutral.96 Jeder erlaubte Zweck ist daher zulässig.97 Der Zweck wird, wie gesehen, durch die Gesellschafter bei der Verbandskonstituierung gesetzt.98 Sofern der Zweck der Aktiengesellschaft nicht ausdrücklich in der Satzung festgeschrieben ist, muss zu seiner Ermittlung die Satzung herangezogen werden.99 Entscheidend ist nach der herrschenden Auffassung bei materiellen Satzungsbe92

A. A. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 77. So zu Recht MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; dahingehend auch Hüffer/ Koch, AktG, § 23 Rn. 22. 94 MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (246). 95 MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; vgl. v. Bonin, Leitung, S. 82. 96 Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (524); Kessler, AG 1995, 61 (67); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 I 3 a), S. 156; v. Bonin, Leitung, S. 83. 97 Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 1; Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (524); v. Bonin, Leitung, S. 83; vgl. MüKoAktG/Heider, § 3 Rn. 17. 98 Siehe 1. Kapitel § 5 C. I. 99 Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 24; Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179 Rn. 58; v. Bonin, Leitung, S. 84; Kort, NZG 2011, 929 (931). 93

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

stimmungen, also solchen mit körperschaftsrechtlicher Bedeutung,100 denen auch der Zweck zuzurechnen ist101, die objektive Auslegung der Satzung,102 wobei hier Wortlaut, Zweck und systematische Stellung berücksichtigt werden.103 Der Unternehmensgegenstand bietet für die Auslegung des Zwecks wesentliche Anhaltspunkte.104 Nach überwiegender Ansicht besteht der Verbandszweck als Bestandteil der essentialia negotii der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags105 bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung darin, dass die Aktiengesellschaft auf die autonome Verfolgung erwerbswirtschaftlicher Ziele und damit auf die Gewinnerwirtschaftung gerichtet ist.106 Autonom bedeutet, den Unternehmensgegenstand durch eigene freie Tätigkeit und für eigene Rechnung der Aktionäre zu realisieren, sich mithin kraft eigenen Willens und im eigenen Interesse unternehmerisch zu betätigen, gerichtet allein auf das von der Gesellschaft getragene Unternehmen und die Belange ihrer Gesellschafter.107 Diese Annahme, dass die Aktiengesellschaft im Zweifelsfall auf die Erwirtschaftung von Gewinnen angelegt ist, ist auch vorzugswürdig. Die erwerbswirtschaftliche Zielsetzung der Aktiengesellschaft ergibt sich aus der Auslegung des Unternehmensgegenstands unter Berücksichtigung des im AktG zum

100 Nach der Rspr. des BGH ist eine Satzungsbestimmung dem körperschaftsrechtlichen (und nicht dem individualrechtlichen) Bereich zuzurechnen, wenn sie nicht nur für die derzeitigen, bei Inkrafttreten der Bestimmung vorhandenen Gesellschafter oder einzelne von ihnen gilt, sondern für einen unbestimmten Personenkreis, zu dem sowohl gegenwärtige als auch künftige Gesellschafter oder Gläubiger der Gesellschaft gehören, von Bedeutung ist, BGH, Urt. v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 (350 f.). 101 Vgl. Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 2 GmbHG, Rn. 8. 102 MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 49 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 39; Schluck-Amend, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 3.9 f., 73. EL August 2016; v. Bonin, Leitung, S. 84; Kort, NZG 2011, 929 (931). Siehe ferner aus der Rspr. BGH, Beschl. v. 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245 (250); BGH, Urt. v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 (350 f.). Eine ältere Auffassung, insbesondere die Rspr. des RG, befürwortete hingegen eine subjektive Deutung dieser Satzungsbestimmungen den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 BGB) folgend, vgl. die Nachweise bei MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 49; v. Bonin, Leitung, S. 84 f. 103 Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 39; vgl. v. Bonin, Leitung, S. 84. 104 MüKoAktG/Stein, § 179 Rn. 130, MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 76; Kort, NZG 2011, 929 (931). Der Unternehmensgegenstand ist die „Haupterkenntnisquelle für den Zweck des Unternehmens, aber nicht notwendig die einzige“, so das RG, Urt. v. 4.6.1940 – II 171/39, RGZ 164, 129 (140). 105 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (439). 106 So die wohl h. M., siehe nur MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 22; Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 17, 25 f.; Röhricht/Schall, in: Großkomm. AktG, § 23 Rn. 127; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 93; Birke, Formalziel, S. 153; v. Bonin, Leitung, S. 85 ff.; Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (524); Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); ders., in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (439). 107 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 157.

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Ausdruck kommenden Regeltypus einer Aktiengesellschaft.108 Ist demnach schon die Gesellschaft auf den Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens ausgerichtet, so ist im Zweifel auch ein erwerbswirtschaftlicher Zweck anzunehmen.109 Ferner spricht hierfür eine Gesamtschau der Normen des AktG. Aus dem „Gesamtregelungsplan“110 des AktG 1965 lässt sich ableiten, dass die normtypische Aktiengesellschaft am Leitbild des profitorientierten, erwerbswirtschaftlich tätigen Unternehmens ausgerichtet ist.111 Zur Begründung verweist Westermann zu Recht auf die Regelungen der §§ 58 Abs. 4, 174 und 254 AktG.112 Selbst wenn man § 58 Abs. 4 AktG, der den Aktionären einen Anspruch auf Bilanzgewinn einräumt, Minderheitenschutzfunktion zuschreibt,113 so setzt doch die Vorschrift überhaupt das Entstehen eines Gewinnes voraus. Letztlich dient der gesamte § 58 AktG dem Ausgleich zwischen dem Interesse der AG zur Selbstfinanzierung bzw. Gewinnthesaurierung und dem Interesse der Aktionäre am Erhalt einer Dividende.114 Auch dies setzt implizit die Erwirtschaftung eines Gewinns voraus. Dasselbe gilt für § 174 Abs. 1 AktG, der die Kompetenz über den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung zuweist. Auch § 254 AktG, der vordergründig den Minderheitenschutz vor der „Aushungerung“ durch zu niedrige Dividendenauszahlung gewährleisten soll,115 ergibt konzeptionell nur Sinn, sofern die beabsichtigte Gewinnerwirtschaftung den Regelfall darstellt, da andernfalls die in § 254 AktG zum Ausdruck gebrachte Gefährdungslage keine tatsächliche Grundlage hätte.116 Mittelbar lässt sich 108

v. Bonin, Leitung, S. 86. Röhricht/Schall, in: Großkomm. AktG, § 23 Rn. 127; KK/Zöllner (2. Aufl.), § 179 Rn. 111 f.; v. Bonin, Leitung, S. 86. 110 So Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 111 v. Bonin, Leitung, S. 86; vgl. Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 25 f.; Röhricht/Schall, in: Großkomm. AktG, § 23 Rn. 128; KK/Kraft (2. Aufl.), § 3 Rn. 10; Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (523 f.); Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104; Tröger, ZGR 2009, 447 (454). 112 Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (523 f.); zustimmend Birke, Formalziel, S. 153; v. Bonin, Leitung, S. 86. Siehe auch Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 51 f. 113 So Großmann, Unternehmensziele, S. 63 ff.; dem folgend, jedoch mit anderer Schlussfolgerung Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 52. 114 Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 75; Hölters/Waclawik, AktG, § 58 Rn. 1; Spindler/ Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 58 Rn. 2; MüKoAktG/Bayer, § 58 Rn. 2, 17; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 1. 115 Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 340; Hüffer/Koch, AktG, § 254 Rn. 1; Hölters/ Waclawik, AktG, § 254 Rn. 1; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, § 254 Rn. 1; MüKoAktG/Koch, § 254 Rn. 2; Bürgers/Körber/Göz, AktG, § 254 Rn. 1; Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (537). 116 Nach MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 74 ist hingegen § 254 Abs. 1 AktG für die „normtypische“ Ausrichtung an der „langfristigen Gewinnmaximierung“ kein Indiz. § 254 Abs. 1 AktG betreffe die Anfechtbarkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses, der sich also wiederum auf den Bilanzgewinn beziehe, aber nicht vorgebe, unter welchen Bedingungen Gewinn überhaupt zu erzielen sei. Aus § 254 Abs. 1 AktG ließe sich allenfalls die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Anlegerziele entnehmen. 109

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den §§ 58, 174 und 254 AktG also entnehmen, dass die AG nach Grundaussage des AktG mangels anderer Anhaltspunkte auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist.117 Entsprechend ist auch § 90 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu verstehen, der dem Vorstand die Pflicht auferlegt, dem Aufsichtsrat über die Rentabilität der Gesellschaft zu berichten. Unter Rentabilität ist hier eine Kennziffer für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu verstehen, welche sich aus dem Verhältnis des erzielten Gewinns zum eingesetzten Kapital oder Umsatz ergibt.118 § 90 Abs. 1 Nr. 2 AktG ist daher nur vor dem Hintergrund der Gewinnorientierung der Aktiengesellschaft verständlich.119 Auch die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage nach § 150 AktG aus dem Jahresabschluss, dieser verstanden als der Überschuss der Aktiv- über den Passivposten der Bilanz,120 ergibt nur Sinn, sofern die Aktiengesellschaft auf die Erwirtschaftung von Überschüssen angelegt ist. Ebenso zeigt sich der fundamentale Zweck der AG zur Gewinnerzielung im Vergleich mit der Genossenschaft, die zwar mit Gewinnerzielungsabsicht geführt werden und Gewinne erzielen darf, allerdings nicht zum Selbstzweck, sondern nur zur Erfüllung des Förderzwecks nach § 1 Abs. 1 GenG.121 Schließlich ist eine dem § 1 Abs. 1 GenG entsprechende Regelung nicht im AktG enthalten.122 Verwiesen werden kann auch auf § 3 Abs. 1 AktG, dem die Annahme zu entnehmen ist, dass die Aktiengesellschaft in der Regel ein Handelsgewerbe betreibt und das AktG daher von der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung der Gesellschaft als Regelfall ausgeht.123 Denn zur geläufigen Umschreibung des Handelsgewerbes gehört bisweilen immer die Absicht der Gewinnerzielung.124 Zudem geht das Aktienrecht in § 3 Abs. 2 AktG von einer Gesellschaft aus, welche darauf angewiesen ist, sich am Kapitalmarkt mit Eigenkapital zu versorgen; dieses Unterfangen ist aber nur bei einer Ausrichtung der AG auf die Erwirtschaftung von Gewinnen erfolgsversprechend.125 Schlussendlich kann auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum AktG 1965 verwiesen werden, wonach die Aktiengesellschaft die „rechtliche Organisationsform für einen bedeutenden Teil der deutschen 117

Westermann, in: Hubmann/Hübner, FS Schnorr v. Carolsfeld, 517 (524). Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 25. 119 Vgl. Krämer, Unternehmensinteresse, S. 48. 120 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 150 Rn. 5; Kleindiek, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 150 Rn. 5. 121 Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 GenG, Rn. 3; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 1 Rn. 6; vgl. BayObLG, Beschl. v. 5.12.1984 – BReg 3 Z 219/ 84, ZIP 1985, 680 (682). 122 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 52. 123 So Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 53; zustimmend Birke, Formalziel, S. 153. 124 So vor allem die bisherige Rspr., vgl. die Nachweise bei MüKoHGB/Schmidt, § 1 Rn. 31; Ebenroth u. a./Kindler, HGB, § 1 Rn. 26 sowie Schwartzke, in: Häublein/HoffmannTheinert, HGB, § 1 Rn. 18. Kritisch zu dieser Voraussetzung die vordringende h. L., die sich stattdessen für ein Erfordernis der entgeltlichen Tätigkeit am Markt ausspricht, vgl. Ebenroth u. a./Kindler, HGB, § 1 Rn. 27; MüKoHGB/Schmidt, § 1 Rn. 31; Röhricht, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 1 Rn. 50; Schmidt, Handelsrecht, § 9 IV 2d; Canaris, Handelsrecht, § 2 Rn. 14. 125 Birke, Formalziel, S. 153. 118

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Wirtschaft“ sei und „sich wirtschaftlich betätigen“ solle.126 Die Aktiengesellschaft dient nach diesem Verständnis in erster Linie als „Kapitalsammelbecken“.127 Zusammengefasst lässt dies auf die erwerbswirtschaftliche Zielsetzung der AG schließen.128 Der Gesetzgeber hat die Ausrichtung der Aktiengesellschaft für offensichtlich gehalten und deshalb auf eine ausdrückliche Verankerung der Gewinnerzielungsausrichtung im Gesetz verzichtet.129 V. Zwischenergebnis: Inhalt des Gesellschaftszwecks Damit bleibt festzuhalten, dass nach herrschender Auffassung der Gesellschaftszweck das von den Gründern mit der Gesellschaft verfolgte Ziel bezeichnet, also den finalen Sinn des Zusammenschlusses, der in der Regel in der Gewinnerzielung besteht.130 (Formal-)Ziel und Verbandszweck sind nach der herrschenden Auffassung identisch.131 Für die normtypische AG mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung bedeutet dies, dass der Gesellschaftszweck im Zweifel im erwerbswirtschaftlichen Betreiben des Unternehmensgegenstands und in der Erwirtschaftung von Gewinnen besteht und als solcher ungeschriebener Satzungsbestandteil ist.132 Vorbehaltlich einer anderslautenden Satzungsbestimmung ist der Gesellschafts- oder Verbandszweck damit die langfristige Gewinnerzielung zugunsten der vorhandenen Aktionäre.133 Die Sicherung dauerhafter Rentabilität bedeutet aber nicht zwingend, dass der Vorstand zur Gewinnmaximierung oder einer möglichst hohen Dividendenausschüttung verpflichtet ist.134

126

Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 14. Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 14; vgl. ferner v. Bonin, Leitung, S. 87. Zur Finanzierung der Aktiengesellschaft vgl. 4. Kapitel § 14 B. 128 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 91. 129 Birke, Formalziel, S. 154. 130 Vgl. jeweils m. w. N. MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; Lutter, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 71; Krämer, Unternehmensinteresse, S. 47; KK/Zöllner (1. Aufl.), Einl. Rn. 107. 131 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 82 Fn. 312; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 157 ff. 132 Vgl. nur MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 9; Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 17, 25 f.; KK/Zöllner (2. Aufl.), § 179 Rn. 111 f.; Birk, Formalziel, S. 142; Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); Schilling, BB 1997, 373 (375); Baums, ZGR 2011, 218 (233). 133 Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 9; Lutter, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Kuhner, ZGR 2004, 244 (247); MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; vgl. Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23; Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19; Henze, BB 2000, 209 (212); Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 50. 134 Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19; vgl. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 10; Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (127). 127

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VI. Inhalt des Gesellschaftsinteresses Das Gesellschaftsinteresse ist umfassender zu verstehen als der bloße Zweck. Wenn hingegen, wie teilweise in der Literatur, unter Verbands- oder Gesellschaftsinteresse selbst die Bindung an die erwerbswirtschaftlichen Zwecke der Aktiengesellschaft verstanden wird,135 soll dem hier nicht gefolgt werden. Vergegenwärtigt man sich, wie bereits oben erwähnt, dass das Gesellschaftsinteresse sich positiv nur durch Bezugnahme auf den Gesellschaftszweck bestimmen lässt und allein vor dem Hintergrund des Zwecks beurteilt werden kann, ob ein Ereignis oder eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, so lässt sich das Gesellschaftsinteresse abstrakt wie folgt umschreiben: Das Gesellschaftsinteresse umfasst alles, was den Bestand, die Funktionsfähigkeit sowie die Aufgabenerfüllung des Verbands hinsichtlich des Verbandszwecks begünstigt und gewährleistet.136 Es ist das durch den Gesellschaftszweck abgegrenzte herausgehobene, gemeinsame Interesse aller Gesellschafter, wird also durch den gemeinsamen Zweck konstituiert, zu welchem sich die Gesellschafter zusammengeschlossen haben.137 Das Gesellschaftsinteresse ist „überindividuell aggregiertes Anteilseignerinteresse“138, welches von den konkreten Interessen der einzelnen Verbandsmitglieder losgelöst ist und eine für alle Gesellschaftsorgane gleichermaßen verbindliche Leitmaxime darstellt.139 Das Gesellschaftsinteresse ist damit keinesfalls unbedingt identisch mit den Interessen der Mehrheit der Gesellschafter.140 VII. Zielmonistische Auffassung Den Vorgaben des Gesellschaftsinteresses folgend, treten Verfechter einer zielmonistischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft dafür ein, dass die typische AG ohne anderslautende Zielsetzung allein auf den Verbandszweck und demnach auf die Erwirtschaftung bzw. Maximierung von Gewinnen ausgerichtet ist.141 Zu einer be135 So Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 29; vgl. auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 53 sowie ferner Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19, welcher beide Begriffe weitgehend synonym verwendet. 136 KK/Zöllner (1. Aufl.), Einl. Rn. 107; Krämer, Unternehmensinteresse, S. 47; Kuhner, ZGR 2004, 244 (246). Vgl. Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (939). 137 Zöllner, AG 2003, 2 (7 f.); vgl. Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19; Hopt, ZGR 1993, 534 (535). 138 Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); ähnlich KK/Zöllner (1. Aufl.), Einl. Rn. 107; Hopt, ZGR 1993, 534 (535). 139 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (535). 140 KK/Zöllner (1. Aufl.), Einl. Rn. 106; Kuhner, ZGR 2004, 244 (246). 141 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 93 f.; ders., Unternehmerische Entscheidungen, S. 39 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); Hefermehl, in: Geßler u. a., AktG, § 76 Rn. 20 ff.; Brändel, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 3 Rn. 17, 25 f.; Röhricht/Schall, in: Großkomm.

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sonderen Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen, den Interessen der Gesamtwirtschaft oder des Gemeinwohls sind die Leitungsorgane danach nicht verpflichtet.142 Allein die Förderung des Gesellschaftswohls verdient Vorrang.143 Die Zweckrichtung des Aktienrechts sei auf die Publikumsgesellschaft als „Kapitalsammelbecken“ und damit auf den Anlegerschutz zugeschnitten.144 Daraus folgern manche Autoren jedoch nicht, dass Stakeholder-Belange überhaupt nicht berücksichtigt werden dürften.145 Nach Hefermehl ist die Gesellschaft zwar ein interessenmonistischer Verband der Kapitalgeber, das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen dagegen ein interessenpluralistischer Organismus, auf den außer den Anteilseignerinteressen mitunter auch die Interessen der Arbeitnehmer sowie der Allgemeinheit bezogen sind.146 Auch die AG sei verpflichtet, ihre Rechte so auszuüben, dass durch die Förderung der erwerbswirtschaftlichen Ziele nicht die Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit beeinträchtigt werden.147 „Die Vermeidung von sozialpolitischen Spannungen, Eruptionen und Unzufriedenheitsäußerungen, die das Betriebsklima verschlechtern, ist Grundvoraussetzung gerade auch einer vorrangig rentabilitätsorientierten Unternehmenspolitik.“148

D. Die dogmatische Rechtfertigung und Grundlage des Unternehmensinteresses Die Befürworter eines Unternehmensinteresses unterstellen in Abrede eines vornehmlich erwerbswirtschaftlich aufzufassenden Gesellschaftsinteresses, dass die Organe der Aktiengesellschaft auch andere Interessen, insbesondere die der Arbeitnehmer und weiterer Nichtanteilseigner (Stakeholder) beachten müssen. Ziel dieses Ansatzes ist es, die Belange der zahlreichen Interessengruppen, darunter soziale Aspekte, in die Zielvorgaben der Unternehmensführung aufzunehmen.149 Insbesondere Diskussionsteilnehmer aus den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sprachen sich für eine Ausdehnung des verbandsrechtlichen Ansatzes

AktG, § 23 Rn. 127; KK/Zöllner (2. Aufl.), § 179 Rn. 111 f.; ders., AG 2000, 145 (146 f.); ders., AG 2003, 2 (7 f.); Dimke/Heiser, NZG 2001, 241 (244 f.); so wohl auch Wiedemann, ZGR 1975, 385 (424 f.); ders., ZGR 2011, 183 (195 f.); vgl. ferner ders., ZGR 1977, 160 (165). 142 Vgl. Dimke/Heiser, NZG 2001, 241 (245); Hefermehl, in: Geßler u. a., AktG, § 76 Rn. 20. 143 So Wiedemann, ZGR 2011, 183 (195). 144 Wiedemann, ZGR 1975, 385 (425). 145 Vgl. Hefermehl, in: Geßler u. a., AktG, § 76 Rn. 21; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 108 f. Vgl. ferner Wiedemann, ZGR 1975, 385 (425). 146 Hefermehl, in: Geßler u. a., AktG, § 76 Rn. 21. 147 Hefermehl, in: Geßler u. a., AktG, § 76 Rn. 21, 26 f. 148 So Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 108. 149 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 88.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

auf eine unternehmensrechtliche Betrachtung aus.150 Die soziale Einheit „Unternehmen“ im Sinne einer „auf Dauer angelegten Vereinigung personeller Kräfte und sachlicher Mittel zu einem wirtschaftlichen Zweck im Interesse der Erzielung einer durch Teilnahme am Marktverkehr zu realisierenden materiellen Wertschöpfung“151 sollte der Gesellschaft als Rechtssubjekt und Unternehmensträger gegenüberstehen.152 Die einzelnen Auffassungen weichen, wie bereits angedeutet, zum Teil stark voneinander ab. Die Billigung eines Unternehmensinteresses und damit die Forderung nach interessenpluralistischer Bindung der Unternehmensleitung bewirkt letztendlich zumindest die Ergänzung des erwerbswirtschaftlich determinierten Zwecks.153 Funktion eines so verstandenen Unternehmensinteresses ist es, eine generelle Entscheidungsmaxime der Leitungsorgane sowie Bewertungs- und Verantwortlichkeitsmaßstab für deren Handeln zu bieten.154 Zudem sollen dem Leitungsermessen des Vorstands äußere Grenzen gesetzt werden.155 Dogmatische Einordnung respektive Rechtsgrundlage des Unternehmensinteresses als auch sein Inhalt sind bis heute umstritten. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden, wobei sich die Darstellung zum besseren Verständnis an der historischen Entwicklung des Streits um das Unternehmensinteresse orientiert. I. Das „Unternehmen an sich“ Seinen Beginn nahm das Unternehmensinteresse mit den Ausführungen Rathenaus zum „Unternehmen an sich“ im Jahre 1917.156 In seinem Werk beschrieb Rathenau eine Änderungen in der Zusammensetzung der Aktionärskreise, bei welchen Unternehmer-Großaktionäre zunehmend Kleinaktionären – Rathenau bezeichnet diese als spekulative Aktionäre – gegenüberstanden, welche Aktien nur als Anlageobjekt ansahen.157 Nach Auffassung Rathenaus waren Großunternehmen vor der damit angeblich einhergehenden „Zerstückelung durch privatinteressierten Partikularismus“ zu schützen.158 Rathenau konstatierte, eine Großunternehmung sei „überhaupt nicht mehr lediglich ein Gebilde privatrechtlicher Interessen, sie ist 150

Vgl. Birke, Formalziel, S. 145; Zöllner, AG 2003, S. 2 ff. So die Definition des Unternehmens nach Ballerstedt, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, 15 (22). 152 Birke, Formalziel, S. 145. 153 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 104 f.; Birke, Formalziel, S. 146. 154 Vgl. Laske, ZGR 1979, 173 (177 f.); Raiser, ZHR 144 (1980), 206 (220, 223). 155 Hopt, ZGR 1993, 534 (539). 156 Rathenau, Vom Aktienwesen. Der Begriff vom „Unternehmen an sich“, welcher Rathenau missverständlich zugeschrieben wird, wurde tatsächlich von Haußmann, Vom Aktienwesen und Aktienrecht, sowie ders., JW 1927, 2953 (2954), in die Diskussion eingebracht; vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), Einl. Rn. 128; Riechers, Unternehmen, S. 2, 16; Schilling, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 159 (161). 157 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 26 ff. 158 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 41. 151

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vielmehr, sowohl einzeln wie in ihrer Gesamtzahl, ein nationalwirtschaftlicher, der Gesamtheit angehöriger Faktor, der zwar aus seiner Herkunft, zu Recht oder zu Unrecht, noch die privatwirtschaftlichen Züge des reinen Erwerbsunternehmens trägt, während er längst und in steigendem Maße öffentlichen Interessen dienstbar geworden ist und hierdurch ein neues Daseinsrecht geschaffen hat.“159 Weiter heißt es, „dem Wesen der Unternehmung wird nicht die Verstärkung des privatwirtschaftlichen Gedankens beschieden sein, sondern die bewußte Einordnung in die Wirtschaft der Gesamtheit, die Durchdringung mit dem Geist der Gemeinverantwortlichkeit und des Staatswohls.“160 Darin zeigt sich die Überzeugung Rathenaus, dass die Aktiengesellschaft von der Verpflichtung auf die Interessen der Aktionäre zu entbinden und in eine verstärkte Verpflichtung auf Gemeinwohlinteressen auszurichten sei.161 Auch bei Haußmann war zu dieser Zeit von institutionellen Bindungen des Unternehmens sowohl zugunsten der Allgemeinheit und Gesamtwirtschaft als auch zugunsten von Arbeitnehmerinteressen die Rede.162 Haußmann lehnte allerdings Rathenaus Ansatz ab und betrachtete ihn als eine Gefährdung der Privatrechtsordnung.163 Die Überlegungen dieser Zeit gipfelten in der „aktienrechtlichen Theorie des Unternehmens an sich“ Netters, wonach das Unternehmen das gestaltende Prinzip der AG sei.164 Kapital und Verwaltung hätten dem Unternehmensinteresse zu dienen. An dieses sei die Verwaltung kraft ihrer Treuepflicht gebunden und nur hieraus könne sie Rechte ableiten. Selbst der reine kapitalistische Einfluss sei so zu lenken, dass er dem Unternehmen und seiner Erhaltung sowie Ertragsfähigkeit diene. Netter versteht seine Theorie des „Unternehmens an sich“ als das „Gesamtinteresse aller Aktionäre verkörpert in dem Unternehmen“.165 Das Gesamtinteresse besage daher nichts anderes, als dass „die Geltendmachung der Interessen der Gesamtheit der Aktionäre durch die Verwaltung und Mehrheit die rechtliche Grundlage (…) im Interesse des Unternehmens“ finde.166 Aus diesem Prinzip folge zwangsläufig, dass es sich für die Geltendmachung der Interessen der Mehrheit auswirken müsse und dieses auch in dem Interesse des Unternehmens Rechtsgrundlage und Grenze finde. Letztlich konnte sich die Lehre vom „Unternehmen an sich“ nicht durchsetzen.167 Heute lässt sich diese Lehre erst recht nicht mehr fruchtbar machen.168 Sie ist vielmehr vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise nach dem Ersten

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Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 38 f. Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 62. 161 So zu Recht Birke, Formalziel, S. 157. 162 Haußmann, Vom Aktienwesen und Aktienrecht, S. 32, 42; vgl. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 19. 163 Vgl. Birke, Formalziel, S. 158 m. w. N. 164 Netter, in: Bondi, FS Pinner, 507 (563 ff.). 165 Netter, in: Bondi, FS Pinner, 507 (612). 166 Netter, in: Bondi, FS Pinner, 507 (579). 167 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 21. 168 Jüngst wieder dagegen Kort, AG 2012, S. 605. 160

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Weltkrieg als wirtschaftspolitisches Dogma zu betrachten, die allerdings damals wie heute im Gesetz keine Grundlage hatte. II. Implizite Fortgeltung des § 70 Abs. 1 AktG 1937? Erstmals wurde mit § 70 Abs. 1 AktG 1937169 im Gesetz selbst eine unternehmensrechtliche Richtlinie für die Ausübung der Geschäftsleitung aufgestellt.170 Danach hatte der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es forderten. Damit nahm das AktG 1937 Zielbestimmungen für den Vorstand in die Generalklausel auf.171 Damalige Kommentare sahen darin die Festschreibung des nationalsozialistischen Grundsatzes „Gemeinnutz vor Eigennutz“ und die Entfernung einer „rein kapitalistischen Interessenpolitik“.172 Unverkennbar ist damit, dass § 70 Abs. 1 AktG 1937 von nationalsozialistischen Vorstellungen beeinflusst worden war.173 In der Nachkriegszeit versuchte man § 70 Abs. 1 AktG 1937 als Ausdruck einer gewandelten Wirtschaftsgesinnung zu verstehen, die erst recht Geltung in der sozialen Marktwirtschaft beanspruchte und wies dem Vorstand die Pflicht zu, Unternehmens- und Gemeinschaftsinteresse in Ausgleich zu bringen.174 Westermann legte hingegen dar, dass gegen die verpflichtende Berücksichtigung verbandsexterner Zwecke, also von Gemeinwohl und Arbeitnehmerbelange, das Fehlen von Sanktionen wie Schadensersatz- und Abberufungsmöglichkeiten bei deren Verletzung fehle.175 Sowohl die gesetzestechnische Unvollständigkeit als auch die praktische Unmöglichkeit der Ausfüllung der Wertungslücke im Einzelfall zeige, dass § 70 Abs. 1 AktG 1937 aus einer anderen Wirtschafts- und Rechtsauffassung stamme.176 Denn die fehlende Möglichkeit einer rechtlichen Sanktion bei Ablehnung des staatlich proklamierten Willens sei angesichts der dem Staat zur Verfügung stehenden „Unrechtssanktion“ reichlich ersetzt gewesen.

169 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) v. 30.1.1937 (RGBl. I S. 107). 170 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 64; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 22; vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 71. 171 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1, S. 805. 172 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 22 mit Verweis auf u. a. Schlegelberger/ Quassowski, AktG, § 70 Rn. 3; vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 68. 173 So Westermann, in: Hess, FG Vits, 251 (252). 174 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 22 mit Verweis auf Teichmann/Koehler, AktG, § 70 Rn. 3 sowie DJT, Untersuchung zur Reform des Unternehmensrechts – Bericht der Studienkommission, S. 23. 175 Westermann, in: Hess, FG Vits, 251 (264 f.); vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 69 f. 176 Westermann, in: Hess, FG Vits, 251 (265 f.).

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In § 76 Abs. 1 AktG 1965 wurden die Richtlinien der Vorgängervorschrift nicht übernommen. In der Regierungsbegründung heißt es hierzu, dass diese Regelung dem geltenden Recht (§ 70 Abs. 1 AktG 1937) entspreche und es sich von selbst verstehe und deshalb nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt werden brauche, dass der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre und der Arbeitnehmer zu berücksichtigen habe.177 Gleiches gelte für die Belange der Allgemeinheit. Zudem wurde damals die beantragte Einfügung eines § 72a, wonach die Gesellschaft das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls der Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben habe, von der Mehrheit im Rechtsausschuss und im Wirtschaftsausschuss im Deutschen Bundestag abgelehnt.178 Zur Begründung wurde angeführt, dass die verpflichtende Beachtung des Wohls der Arbeitnehmer in einem Rechtsstaat selbstverständlich sei und sich aus einer Vielzahl von Rechtsvorschriften ergebe.179 Bei der Aufnahme dieser Vorschrift bestünde eher die Gefahr, dass ihr weitergehende Bedeutung beigemessen werde und aus der Reihenfolge der Aufzählung der Schluss gezogen werde und das Wohl der Arbeitnehmer Vorrang vor dem der Aktionäre und beide wiederum vor dem der Allgemeinheit hätten. Unter Berufung auf die Regierungs- und Gesetzesbegründung vertraten allerdings die Verfechter eines Unternehmensinteresses und damit einer interessenpluralistischen Ausrichtung der Gesellschaftsorgane lange Zeit,180 dass die in § 70 Abs. 1 AktG 1937 festgeschriebene dreifache Interessenbindung des Vorstands auch unter dem AktG 1965 fortgelte.181 Raisch etwa postulierte, die Selbstständigkeit des Vorstands bei der Geschäftsleitung stelle historisch die institutionelle Sicherung für die Wahrung der in § 70 Abs. 1 AktG 1937 genannten Interessen dar und sei nur im 177 Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 97; so auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. IV/ 171, S. 121. 178 Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 97 f. 179 Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 98. 180 In der modernen Literatur vertritt soweit ersichtlich nur noch Kort die Auffassung, dass das AktG 1965 die Bindung an das Gemeinwohl beibehalten habe, wenn auch keinesfalls anzunehmen sei, dass die „Gemeinwohlinteressen, von zwingenden gesetzlichen Vorgaben abgesehen, den Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer oder des Unternehmens vorgingen“, siehe Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 84 sowie ferner Rn. 94. 181 KK/Mertens (2. Aufl.), § 76 Rn. 16; ders., NJW 1970, 1718 (1719); Baumbach/Hueck/ Hueck, AktG, § 76 Rn. 1; Raiser, ZHR 144 (1980), 206 (211); Schilling, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 159 (169); ders., ZHR 144 (1980), 136 (138); Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (353); Reuter, AcP 179 (1979), 509 (525); Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 7; a. A.: KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 33; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 65; Hefermehl, in: Geßler u. a., AktG, § 76 Rn. 20; Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 32 ff.; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 73 ff.; v. Bonin, Leitung, S. 98 f.; Wiedemann, ZGR 1980, 147 (161 – 164); ders., ZGR 1975, 385 (425 f.); Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (142 – 144); ders., AG 1973, 113 (114); ders., JZ 1980, S. 113; Mülbert, ZGR 1997, 129 (147 – 149); ders., AG 2009, 766 (770); Fleischer, AG 2001, 171 (175); vgl. auch Nachweise bei Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 71 f. Fn. 101 f.; ders., Unternehmerische Entscheidungen, S. 46; Krämer, Unternehmensinteresse, S. 58 f.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Hinblick darauf zu rechtfertigen.182 Daher zeige gerade die geschichtliche Entwicklung, dass § 76 Abs. 1 AktG die Bindung auch an das Gemeinwohl als Korrelat zur Eigenverantwortlichkeit des Vorstands immanent sei. Diese Begründung überzeugt indes nicht. Schon zur Zeit ihrer Geltung war streitig, ob die Norm des § 70 Abs. 1 AktG 1937 überhaupt eine echte Leitlinie für den Vorstand sei und diesem Pflichten auferlege.183 Überzeugender ist, dass diese Norm nur Appellcharakter hatte und nur dem Ausgleich für die Beibehaltung der von den Nationalsozialisten ungeliebten Rechtsform der Aktiengesellschaft diente.184 Für die Zeit nach der Einführung des § 76 AktG 1965 wies Rittner zu Recht darauf hin, dass sich der Wille des Gesetzgebers zur Änderung kaum so deutlich wie in dem ersatzlosen Streichen einer Rechtsnorm manifestieren kann.185 Der beantragte, aber nicht verabschiedete § 72a, habe sich indes nicht mehr auf eine Richtlinienbestimmung für den Vorstand bezogen, sondern auf die das Unternehmen betreibende Gesellschaft.186 Die Forderung, der Unternehmensträger müsse das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls seiner Arbeitnehmer und der Allgemeinheit betreiben, muss laut Rittner selbstverständlich auch für alle anderen Unternehmensträger neben der AG gelten.187 Sofern dies nicht selbstverständlich sei, müsse diese Forderung auch in die anderen einschlägigen Gesetze aufgenommen werden. Andernfalls wären Arbeitnehmer einer AG grundlos gegenüber denen eines anderen Gesellschaftstyps bevorzugt.188 In diesem Zusammenhang legt Mülbert dar, dass die Argumentation der Befürworter einer Fortgeltung des § 70 Abs. 1 AktG 1937 aufgrund der Reform des Umwandlungsrechts 1994 überholt sei.189 Seither besteht nach Maßgabe des § 226 UmwG die Möglichkeit, eine AG identitätswahrend in eine Gesellschaft einer anderen Rechtsform umzuwandeln. Es wird laut Mülbert kaum den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprochen haben, dass sich eine AG der für das Leitungsermessen des Vorstands geltenden Bindungen durch einfachen Rechtsformwechsel entledigen kann.190 Schmidt-Leithoff weist zur Recht darauf hin, dass bei Fortgeltung des § 70 Abs. 1 AktG 1937 die neue Fassung ihrem materiellen Gehalt nach hinter der alten Bestimmung zurückbleiben würde, was aus Gründen der Rechtssicherheit nicht vertretbar wäre.191 Auch der im Gegensatz zu § 288 Abs. 1 AktG 1937 verengte Wortlaut der Nachfolgebestimmung des § 396 Abs. 1 AktG

182 183 184 185 186 187 188 189 190 191

Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (353). Vgl. Birke, Formalziel, S. 171. So Birke, Formalziel, S. 171 m. w. N. Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (142); ders., AG 1973, 113 (114). Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (142 f.); ders., AG 1973, 113 (114). Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (144); ders., AG 1973, 113 (114). So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 48. Mülbert, ZGR 1997, 129 (148 f.). So auch Birke, Formalziel, S. 173; v. Bonin, Leitung, S. 100. Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 32.

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spricht gegen die implizite Fortbildung des § 70 Abs. 1 AktG 1937.192 § 396 Abs. 1 AktG setzt für eine gerichtliche Auflösung der Gesellschaft die Gemeinwohlgefährdung durch gesetzeswidriges Verhalten des Verwaltungsträgers voraus. Nach der alten Fassung hing die Auflösung der AG hingegen von einer Gemeinwohlgefährdung durch die Gesellschaft ab, namentlich durch ein Verhalten der Verwaltungsträger, das gröblich gegen das Gesetz oder gegen die Grundsätze verantwortungsbewusster Wirtschaftsführung verstößt. Die Streichung des Verstoßes gegen die „Grundsätze verantwortungsbewusster Wirtschaftsführung“ als ausreichende Voraussetzung für die Gemeinwohlgefährdung belegt einmal mehr die Abkehr von einer vorrangigen Gemeinwohlbindung der AG.193 Laut Wiedemann kann § 70 Abs. 1 AktG 1937 auch deshalb nicht mehr gelten, weil die AG eine auf den Anlegerschutz ausgerichtete Wirtschaftsorganisation darstellt.194 Nur die Aktionäre könnten die Geschäftsführung von der Verpflichtung zur gewinnbringenden Verwaltung des Anlagekapitals entbinden. Zur Satzungsautonomie der Hauptversammlung gehöre das formale Unternehmensziel ebenso wie der sachliche Unternehmensgegenstand. Zu dieser Begründung kommt noch ein weiteres Argument. Es wurde oben195 bereits beschrieben, dass die aktienrechtlichen Organkompetenzen zum Teil funktionell austauschbar sind. Dies spricht gegen die Leitmaxime nach § 70 Abs. 1 AktG 1937, die allein den Vorstand verpflichtet.196 Mit der allgemein anerkannten Einheitlichkeit der Zielvorgaben für die Leitungsorgane ist dies erst recht nicht zu vereinbaren. Eine implizite Fortgeltung des § 70 Abs. 1 AktG 1937 und einer darauf fußenden bindenden interessenpluralistischen Ausrichtung des Leitungsermessens ist daher mit den vorstehenden Überlegungen abzulehnen. III. Verfassungsrechtliche Determination Die dogmatische Verankerung des Unternehmensinteresses könnte auch der verfassungsrechtlichen Ordnung zu entnehmen sein. 1. Ableitung aus der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG Im zumeist älteren Schrifttum finden sich einige Stellungnahmen, welche die Sozialbindung des Eigentums nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 2 GG zur Begründung

192 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 74; ders., Unternehmerische Entscheidungen, S. 47; Vetter, ZGR 2018, 338 (342). 193 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 396 Rn. 3; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 396 Rn. 7. 194 Wiedemann, ZGR 1975, 385 (425 f.). 195 Siehe 1. Kapitel § 5 B. 196 Birke, Formalziel, S. 172 f.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

einer Gemeinwohlbindung der Gesellschaft und ihrer Organe heranziehen wollen.197 Laut Schmidt-Leithoff können durch Hinwendung zu Art. 14 Abs. 2 GG individuelle Lösungen für die jeweilige Situation des Unternehmensträgers unabhängig von dessen Rechtsform gefunden werden.198 Für ihn ist daher der Unternehmensträger erster Adressat.199 Die tendenzielle Verstärkung der Sozialbindung sei zudem ein Ergebnis der Entwicklung zum modernen Sozialstaat, welche in der programmatischen Sozialstaatsklausel sein Leitbild habe.200 Das Gebot, der Gebrauch des Eigentums solle zugleich den Interessen der Allgemeinheit dienen, stelle den Eigentumsgebrauch im Interesse des Eigentümers in den Vordergrund und beschränke sich auf die Berücksichtigung der Belange anderer.201 Ferner lässt sich die FeldmühlenEntscheidung des BVerfG anführen, in welcher die Rede von der „in Art. 14 Abs. 2 GG, für die einzelne Aktiengesellschaft in § 70 Abs. 1 AktG, statuierte(n) Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinwohl“ ist.202 Auch in der verfassungsrechtlichen Literatur gibt es Stimmen, die sich für die unmittelbare Bindung der Eigentümer durch Art. 14 Abs. 2 GG aussprechen.203 Art. 14 Abs. 2 GG konkretisiere danach das Sozialstaatsgebot für den Bereich des Eigentums.204 Die Norm wäre redundant, würde sie sich nur an den Gesetzgeber wenden, stelle doch schon das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber dar.205 Ein Vorteil liegt zudem in der Rechtsformunabhängigkeit dieses Ansatzes.206 Außerdem würde es sich wohl um eine Verpflichtung der jeweiligen Gesellschaft und nicht nur ihrer Organe handeln, die Organe wären mithin nur mittelbar verpflichtet, dieser Verpflichtung nachzukommen.207 Das Problem mangelnder funktioneller Austauschbarkeit von Organkompetenzen würde sich damit nicht stellen.208

197

Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (146 ff.); ders., AG 1973, 113 (116); Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (138); Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 156 f., 212 f., 232; so auch ohne Begründung KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 33. Vgl. die weiteren Nachweise bei Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 53 sowie Krämer, Unternehmensinteresse, S. 65. Ablehnend hingegen Westermann, in: Hess, FG Vits, 251 (264); Mülbert, ZGR 1997, 129 (149 f.); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 54 f. 198 Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 157 f. 199 Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 157. 200 Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 174. 201 Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 203. 202 BVerfG, Entsch. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 (282). 203 So BK/Kimminich, Art. 14 Rn. 153 ff.; Bryde, in: von Münch/Bryde, GG, Art. 14 Rn. 67 ff. 204 Bryde, in: von Münch/Bryde, GG, Art. 14 Rn. 67; BK/Kimminich, Art. 14 Rn. 172 f. 205 So Parodi, Eigentumsbindung, S. 92 f.; zustimmend Harbarth, Anlegerschutz, S. 147 f. 206 Vgl. Birke, Formalziel, S. 192. 207 Vgl. Birke, Formalziel, S. 192. 208 Vgl. 1. Kapitel § 5 B.

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Trotzdem tragen die Gründe der Befürworter einer direkten Bindung privatwirtschaftlich geführter Unternehmen an Art. 14 Abs. 2 GG nicht.209 Unklar ist zum einen, wessen Eigentum sozialpflichtig sein soll. Hierfür kommt sowohl das gesellschaftsrechtlich vermittelte Anteilseigentum der Aktionäre als auch das Eigentum der Gesellschaft selbst in Betracht.210 Allein diese Unsicherheit erschwert schon die praktische Anwendbarkeit. Gegen diese Form der Konkretisierung der Leitungsverantwortung spricht des Weiteren die mangelnde Bestimmtheit der Sozialbindung des Eigentums.211 Schwerdtfeger zufolge lässt sich „je nach politischer und weltanschaulicher Sicht und persönlichem oder wirtschaftlichem Interesse bei fast jedem ,sozialen Belang‘ darüber streiten, ob er gemeinwohlrelevant ist und ob, inwieweit und wie er geschützt werden soll.“212 Auch Westermann macht deutlich, dass sich nicht mit Allgemeinverbindlichkeit bestimmen lasse, was das Gemeinwohl im Einzelfall erfordere.213 Das Gebot der Bestimmtheit des Rechts gehört als Bestandteil der Rechtssicherheit jedoch zu der in Art. 20 GG verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsstaatlichkeit.214 Nach dem Bestimmtheitsgebot müssen Normen so bestimmt formuliert sein, dass die Folgen der Regelung für den Normadressaten so vorhersehbar und berechenbar sind, dass es ihm möglich ist, sein Verhalten danach auszurichten, die Verwaltung angemessen klare Handlungsmaßstäbe vorgeben kann und eine hinreichende gerichtliche Kontrolle möglich ist.215 Zwar müssen insbesondere abstrakt-generelle Normen ein gewisses Maß an Auslegungsmöglichkeiten für angemessene Einzelfallentscheidungen aufweisen,216 was insbesondere bei der denkbaren Bandbreite unternehmerischer Entscheidungen von Bedeutung ist. Zugleich steigt aber auch das vorgegebene Maß an Bestimmtheit, je bedeutsamer und intensiver die Freiheitseinschränkung des Bürgers ausfällt.217 Kaum etwas anderes als Zielbindungen aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums könnte aber inten-

209 Ablehnend daher auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 87; Mülbert, AG 2009, 766 (769 f.). 210 Vgl. Birke, Formalziel S. 191 f. 211 Dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 106. Paefgen spricht in diesem Zusammenhang hingegen davon, dass die Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums wie jeder andere Grundrechtseingriff dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts aus Art. 20 Abs. 3 GG unterliege (Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 54). Dies geht insofern fehl, als dieses Prinzip aussagt, dass die Verwaltung in bestimmten Konstellationen nur auf Grundlage eines Parlamentsgesetzes handeln darf (so Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 75, 84. EL August 2018). Im Fall der Sozialbindung des Eigentums tritt aber nicht die Gefahr von Exekutiveingriffen ohne Rechtsgrundlage, sondern das Risiko eines allzu unbestimmten Verantwortungsprogramms der Gesellschaftsorgane zu Tage. 212 Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, S. 16; vgl. Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 160. 213 Westermann, in: Hess, FG Vits, 251 (264). 214 Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 49 f., 84. EL August 2018. 215 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 58, 84. EL August 2018. 216 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 59, 84. EL August 2018. 217 Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 60, 84. EL August 2018.

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siver in die Geschäftspolitik der AG und damit in das von Art. 14 GG geschützte218 Eigentumsrecht der Aktionäre eingreifen.219 Denn der Schutz des Art. 14 GG umfasst auch das Anteilseigentum und das Eigentum der Unternehmensträger.220 Vor dem Hintergrund, dass Eigentum auch der Sicherung der persönlichen,221 und damit auch wirtschaftlichen Freiheit dient, ist dem Versuch solch grenzenloser und bisweilen willkürlicher Beschränkungen Einhalt zu gebieten. Durch eine extensive Auslegung der Sozialbindung dürfen die wesensbestimmenden Merkmale des Eigentums nicht in Frage gestellt werden.222 Die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums ist in jedem Fall zu beachten.223 Art. 14 Abs. 2 GG richtet sich im Übrigen allein an den Gesetzgeber als Regelungsauftrag.224 Ihm obliegt die nähere Ausgestaltung des Inhalts und der (sozialen) Schranken des Eigentums, durch die er das Wohl der Allgemeinheit zum Tragen bringen will. Die Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG kann nur als Direktive an den Gesetzgeber verstanden werden, im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG das Ziel der Sozialpflichtigkeit allen Eigentums zu verfolgen.225 Die Gegenansicht missachtet zudem den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, indem sie den einheitlichen Gesetzesvorbehalt226 aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG zugunsten eines Richtervorbehaltes außer Kraft setzt.227 Eine unmittelbare Bindung der Leitungsorgane an die Sozialpflichtigkeit des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG ist daher abzulehnen.

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Vgl. BVerfG, Entsch. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 ff.; Leisner, in: HdbStR, § 173 Rn. 25. 219 Vgl. dahingehend auch Krämer, Unternehmensinteresse, S. 68. 220 So das Mitbestimmungsurteil des BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/ 77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 (341). 221 Vgl. Leisner, in: HdbStR, § 173 Rn. 113. 222 So auch Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 201. 223 So das BVerfG, Entsch. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 (277 f.). 224 Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 22; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 32; Fleischer, AG 2017, 509 (511); vgl. Leisner, in: HdbStR, § 173 Rn. 146 f.; Mülbert, AG 2009, 766 (769 f.); Vetter, ZGR 2018, 338 (341). Zur a. A. vgl. die Nachweise bei Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 305, 84. EL August 2018 sowie Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 172 f. 225 Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 306, 84. EL August 2018. Siehe auch Birke, Formalziel, S. 192 f. 226 So zu Recht Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 306, 84. EL August 2018 m. w. N. 227 Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 306, 84. EL August 2018.

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2. Ableitung aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG Ebenso wenig zwingt das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zu einer anderen Auslegung des Art. 14 Abs. 2 GG.228 Die Sozialstaatlichkeit bindet unmittelbar Gesetzgebung, Rechtsprechung und vollziehende Gewalt.229 Sie ist Staatszielbestimmung.230 Ohne rechtliche Umsetzungsakte ist sie aber weder hinreichende Kompetenzgrundlage, noch Befugnis- oder Ermächtigungsnorm für das Handeln staatlicher Stellen gegenüber dem Bürger.231 Zu einer Bindung privater Rechtssubjekte führt das Sozialstaatsgebot indes nicht.232 Vor diesem Hintergrund kann sich aus dem Sozialstaatsgebot keine Rechtsgrundlage für eine Leitmaxime in der AG ergeben. 3. Ableitung aus einer verfassungsrechtlich gebotenen Wirtschaftsordnung Gleichermaßen unergiebig ist der Hinweis auf das Wirtschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland233 oder in der Europäischen Union. Das Grundgesetz ist wirtschaftspolitisch neutral, die Rechtsprechung des BVerfG schreibt keine bestimmte Wirtschaftsordnung vor, sondern überlässt die Wahl des wirtschaftspolitischen Systems dem Gesetzgeber.234 Zweifelhaft wäre schon, welche Vorgaben sich daraus ableiten ließen.235 Unweigerlich stößt dies mangels hinreichender Bestimmtheit auf dieselben Bedenken, wie schon im Hinblick auf die Sozialpflich228 So auch im Ergebnis Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 190 sowie Birke, Formalziel, S. 191. 229 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII. Rn. 17, 84. EL August 2018; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 209, 39. Edition (Stand 15.11.2018); Badura, Staatsrecht, D 36; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 69 f.; Birke, Formalziel, S. 191. 230 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 18, 84. EL August 2018; vgl. BVerfG, Urt. v. 23.4.1991 – 1 BvR 1170/90, 1 BvR 1174/90, 1 BvR 1175/90, BVerfGE 84, 90 ff. 231 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 19, 84. EL August 2018; vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.1.1982 – 1 BvR 848/77, 1 BvR 1047/77, 1 BvR 916/78, 1 BvR 1307/78, 1 BvR 350/ 79, 1 BvR 475/80, 1 BvR 902/80, 1 BvR 965/80, 1 BvR 1177/80, 1 BvR 1238/80, 1 BvR 1461/ 80, BVerfGE 59, 231 (263). 232 Birke, Formalziel, S. 191; vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 19, 84. EL August 2018; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 32. 233 So Raiser, ZHR 144 (1980), 206 (225). 234 BVerfG, Urt. v. 20.7.1954 – 1 BvR 459/52, 1 BvR 484/52, 1 BvR 548/52, 1 BvR 555/52, 1 BvR 623/52, 1 BvR 651/52, 1 BvR 748/52, 1 BvR 783/52, 1 BvR 801/52, 1 BvR 5/53, 1 BvR 9/ 53, 1 BvR 96/53, 1 BvR 114/54, BVerfGE 4, 7 (18); BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 (338); vgl. Raiser, JZ 1979, S. 489; Mülbert, ZGR 1997, 129 (149); Dreher, JZ 2014, 185 (186); vgl. auch Badura, Staatsrecht, C 91; Birke, Formalziel, S. 190. Daran haben offensichtlich auch weder der Einigungsvertrag noch der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion im Zuge der Deutschen Einheit etwas geändert (vgl. jeweils m. w. N. Mülbert, ZGR 1997, 129 (149) sowie Dreher, JZ 2014, 185 (186)). 235 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (149). Kritisch auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 95.

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tigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG. Sofern jedenfalls die soziale Marktwirtschaft nicht grundgesetzlich verankert ist, lassen sich normative Bestimmungen wie Verhaltenspflichten der Unternehmensführung daraus nicht ableiten.236 Ebenso unklar sind die Folgerungen aus der Festschreibung einer „wettbewerbsfähige(n), soziale(n) Marktwirtschaft“ in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV.237 Wie sich hieraus konkrete Handlungsbestimmungen gewinnen lassen, bleibt im Unklaren. 4. Zwischenergebnis Um nochmals Westermann in dieser Sache das Wort zu reden: „Wenn die allgemeine Sozialpflichtigkeit, die Art. 14 GG begründet, zu speziellen Pflichten konkretisiert werden soll, bedarf es eines gesetzgeberischen Aktes. Das ist auch allein die Methode, die unserer rechtsstaatlichen Verfassung entspricht; dieser Weg garantiert z. B. die ausreichende öffentliche Abwägung und Begründung vom Ob und Wie der Pflicht, die allgemeine Erkennbarkeit und die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes.“238 Art und Ausmaß der Bindung der Gesellschaft bestimmen sich damit nach der Ausgestaltung der Leitungsverantwortung durch das Aktienrecht und nicht nach verfassungsrechtlichen Geboten wie etwa dem Art. 14 Abs. 2 GG.239 Für eine Leitmaxime, welche die Leitungsorgane der Aktiengesellschaft und damit auch den Aufsichtsrat bindet, kann hieraus nichts gewonnen werden. IV. Materielle Vorgaben des Mitbestimmungsrechtes Die Schaffung des MitbestG im Jahr 1976 und damit der unternehmerischen Mitbestimmung240 führte zu einer Verschärfung der Diskussion um das Unternehmensinteresse. Zentral war die Frage, ob die Einrichtung der unternehmerischen Mitbestimmung auf Aufsichtsratsebene Auswirkungen auf die von der Gesellschaft zu verfolgenden Unternehmensziele hat. Ziel des Gesetzentwurfs der damaligen Bundesregierung war es, in Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Mitbestimmung der Arbeitnehmer einzuführen.241 Das deutsche Recht kennt indes 236

Mülbert, ZGR 1997, 129 (149); zustimmend Birke, Formalziel, S. 190 f. Vgl. hierzu Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 3 EUV Rn. 47 – 49, 57. EL Aug. 2015; Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 3 EUV Rn. 4. 238 Westermann, in: Hess, FG Vits, 251 (264). 239 Dahingehend auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 54. 240 Die unternehmerische Mitbestimmung ist dabei von der betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung des BetrVG zu unterscheiden, welche die Betriebsorganisation betrifft und die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und den von den Arbeitnehmern gewählten Interessenvertretungen, allen voran Betriebsräten, in betrieblichen, insbesondere sozialen und personellen, Angelegenheiten regelt (vgl. Luxem, in: Gosch/Schwedhelm/ Spiegelberger, GmbH-Beratung, 49. Lieferung Januar 2018, „Mitbestimmung“, 1. und 2.). 241 Begr. RegE v. 29.4.1974, BT-Drs. 7/2172, S. 16. 237

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drei Mitbestimmungssysteme, deren Geltung von der Rechtsform, dem Betriebszweck und dem Erreichen bestimmter Schwellenwerte hinsichtlich der Belegschaftsgröße abhängt.242 Diese Mitbestimmungssysteme sind die Drittelbeteiligung, die (quasiparitätische) Mitbestimmung sowie die Montanmitbestimmung. Eine ausdrückliche Bestimmung der Verpflichtung der Unternehmensleitung auf das Unternehmensinteresse kennt keines dieser Gesetze.243 Allenfalls aus der Interpretation und dem Wesen des MitbestG, welches hier, weil es in der Literatur allein zur Begründung eines Unternehmensinteresses herangezogen wird, im Fokus der Betrachtung stehen wird, könnte sich eine solche Leitmaxime gewinnen lassen. 1. Das Mitbestimmungsurteil des BVerfG In dem infolge von Großunternehmen, Arbeitgeberverbänden sowie der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. erhobenen Verfassungsbeschwerden und einer Richtervorlage des LG Hamburg244 im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle245 ergangenen Mitbestimmungsurteil des BVerfG, welches das MitbestG 1976 für verfassungskonform erachtete246, sah das Gericht das MitbestG 1976 vornehmlich als Organisationsrecht an.247 Dies lässt sich mitunter an seiner Beurteilung festmachen, dass der Gesetzgeber die Form einer „Organisations- und Verfahrensregelung“ gewählt habe.248 Mehrmals bei der Prüfung einer möglichen Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 GG gelangte das BVerfG zu der Feststellung, dass die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen Fragen der inneren Organisation und Willensbildung beträfen.249 Zwar spricht das Urteil davon, dass die Organisation von Kapitalgesellschaften eine Vielzahl von Belangen ihre Mitglieder, Dritter, besonders der Arbeitnehmer, sowie öffentliche Interessen berühre.250 Hier trete „die Funktion der ausgestaltenden Gesetze als Ausgleichsregelung zwischen den verschiedenen schutzwürdigen Belangen“ besonders hervor. Erst das freiwillige Zusammenwirken von Gesellschaftsmitgliedern als auch Nicht-Mitgliedern gewährleiste das Erreichen des Gesellschaftszweckes.251 An anderer Stelle wird der Frage des Stimmverhaltens und der Fraktionsbildung der paritätisch besetzten Bänke sowie der Gefahr der Konfrontation und drohenden Überstimmung der Anteilseigner 242

Vgl. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 55 Rn. 5. Vgl. Birke, Formalziel, S. 174. 244 LG Hamburg, Beschl. v. 10.4.1978 – 71 T 60/76, NJW 1978, S. 1336. 245 Siehe BVerfGE 50, 290 ff.; vgl. auch Raiser, in: Raiser/Veil/Jacobs, Mitbestimmungsgesetz, Einl. B, Rn. 40. 246 BVerfGE 50, 290 (322). 247 Zu diesem Schluss kommt u. a. auch Birke, Formalziel, S. 178, 181. 248 BVerfGE 50, 290 (349). 249 Vgl. BVerfGE 50, 290 (351 f.; 356). 250 Vgl. BVerfGE 50, 290 (359). 251 BVerfGE 50, 290 (355 f.). 243

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nachgegangen.252 Auch hier sind verfahrensrechtliche Aspekte für das Gericht entscheidungserheblich gewesen. Das „Interesse der Unternehmen“ kommt in dem Urteil zwar zur Sprache, allerdings mit einem pauschalen Verweis auf die in § 93 AktG, § 43 GmbHG und § 34 GenG niedergelegten Sorgfaltsmaßstäbe, ohne allerdings den Versuch einer inhaltlichen Ausfüllung vorzunehmen.253 Die verfassungsrechtlich zu nehmende Bürde des MitbestG lag für das BVerfG also in den geänderten Verfahrensregeln und nicht in inhaltlich novellierten Leitmaximen für den Aufsichtsrat.254 Von einer zusätzlichen sachlich-rechtlichen Änderung zu einer Verpflichtung der Leitungsorgane zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen ist in dem Urteil auch keine Rede.255 Offensichtlich sah das BVerfG daher in den Regelungen des MitbestG 1976 über die organisatorischen Regelungen hinaus keinen Anhaltspunkt für die gesetzliche Determinierung eines über den Gesellschaftszweck hinausgehenden Unternehmensinteresses als Leitmaxime. 2. Kritik an der unternehmerischen Mitbestimmung des MitbestG Ende des Jahres 2006 veröffentlichte die Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung ihren Abschlussbericht.256 Die Kommission, die zuvor von dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingesetzt und von dem ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, der schon 1972 einer Mitbestimmungskommission vorgestanden hatte, geleitet worden war, hatte das Ziel, die Stärken und Schwächen der deutschen Unternehmensmitbestimmung zu bewerten.257 Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass keine Notwendigkeit bestünde, eine generelle Revision der Unternehmensmitbestimmung vorzuschlagen.258 Der Forschungsstand ergebe insgesamt keinen Nachweis negativer wirtschaftlicher Wirkungen der Unternehmensmitbestimmung.259 Die Kommission konnte sich auch nicht der Auffassung anschließen, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat den Vorstand im Vorfeld der Ernennung und Vertragsverlängerung der Vorstandsmitglieder dazu zwinge, sich bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen opportunistisch zu verhalten und Kompensations-

252

Vgl. BVerfGE 50, 290 (330, 345). Vgl. BVerfGE 50, 290 (374); Mülbert, ZGR 1997, 129 (153 f.). 254 So zu Recht Mülbert, ZGR 1997, 129 (154). Ihm folgend Birke, Formalziel, S. 181. 255 Birke, Formalziel, S. 181. 256 Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, Bericht der wissenschaftlichen Mitglieder der Kommission, abrufbar unter: https://www.boeckler.de/ pdf/mbf_biedenkopfkommission.pdf. 257 Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (485). 258 Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, a. a. O., S. 12 f., 19 f. 259 Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, a. a. O., S. 14. 253

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geschäfte mit den Arbeitnehmervertretern zu vereinbaren, welche im Widerspruch zu den Interessen des Unternehmens stünden.260 Die an der Kommission beteiligten Unternehmensvertreter schlossen sich nicht der Auffassung des Abschlussberichts an.261 Ihnen zufolge haben Studien ergeben, dass die unternehmerische Mitbestimmung hinderlich bei der Suche nach ausländischen Investoren und Partnern für eine Verschmelzung ist.262 Die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter verlangsame notwendige Entscheidungsprozesse. Zudem führe die häufig anzutreffende Identität von Betriebsratsmitgliedern und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat dazu, dass Fragen des Betriebsverfassungsrechts in den Aufsichtsrat getragen würden.263 Arbeitnehmervertreter könnten ihre Zustimmung zu den vom Vorstand beantragten Aufsichtsratsentscheidungen von Zugeständnissen auf betrieblicher Ebene abhängig machen. Vorstände könnten insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Erst- und Wiederberufung in Abhängigkeiten geraten. Schon in praktischer Hinsicht ist jedes Vorstandsmitglied zumeist auch auf die Stimmen der Arbeitnehmer angewiesen, um erst- und wiederbestellt zu werden.264 Je mehr ein Vorstandsmitglied der Arbeitnehmerbank zugesteht, umso eher kann es damit rechnen, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder trotz ihm zuzurechnender Fehlentscheidungen wiederbestellt zu werden. Je stärker ein Vorstandsmitglied von Seiten der Anteilseignerbank unter Druck gerät, umso mehr könnte es zudem geneigt sein, aus Opportunitätsgründen Kompensationsgeschäfte mit der Arbeitnehmerseite einzugehen.265 Die von den Unternehmensvertretern in der Kommission geäußerte Kritik ist also nicht von der Hand zu weisen. Ob die dann getroffenen Entscheidungen stets im Interesse der Aktiengesellschaft liegen, darf bezweifelt werden. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat stets auch abhängig Beschäftigte der Gesellschaft und ihre Karrieren mitunter vom Wohlwollen des für ihre Abteilung zuständigen Vorstandsmitglieds abhängig sind.266 Ein Arbeitnehmervertreter wird daher je nach Alter und beruflichen Ambitionen Vorsicht walten lassen, Pläne und Maßnahmen des Vorstands zu hart zu kritisieren, selbst wenn es in der Sache gerechtfertigt wäre. An der Unabhängigkeit dieses Aufsichtsratsmitglieds darf folglich ebenso gezweifelt werden. Zudem wird eine geschlossen auftretende Arbeitnehmerbank, die hinter einem Vorstandsmitglied 260

S. 17.

Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, a. a. O.,

261 Siehe Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, a. a. O., S. 55. 262 Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, a. a. O., S. 58. 263 Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung, a. a. O., S. 59. 264 Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (482, 489); ders., ZfA 2010, 367 (393). 265 Vgl. Loritz, ZfA 2010, 367 (394). 266 Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (482, 517).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

steht, den Aufsichtsratsvorsitzenden faktisch daran hindern, die Entlassung dieses Vorstandsmitglieds zu betreiben oder zumindest seine Unternehmenspolitik offen zu hinterfragen, selbst wenn diese mit hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden ist.267 Eine Abstimmungsniederlage gegen den Vorstand wäre für den Aufsichtsratsvorsitzenden jedenfalls mit einem erheblichen Autoritätsverlust verbunden. Ein Vorstandsvorsitzender etwa, der sich solcher Mehrheiten sicher ist, kann deshalb in einem Unternehmen nahezu alles umsetzen. Die durch die unternehmerische Mitbestimmung geschaffenen Abhängigkeiten sind nicht im Sinne der Aktiengesellschaft an einer möglichst sachlichen und unabhängigen Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat. Das gleiche betrifft die Schwächung des Aufsichtsratsvorsitzenden in den vorstehend benannten Konstellationen bei der Ausübung seines Amtes. Folge der quasiparitätischen Mitbestimmung des MitbestG ist, dass der Einfluss der von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsvertreter mediatisiert wird und deren Durchsetzungsfähigkeit gegen den Vorstand je nach Lage des Einzelfalls stark abgeschwächt ist. Wenigstens aus heutiger Sicht ist unverständlich, weshalb diese Aspekte und insbesondere die Gefahr einer „Überparität“ im Mitbestimmungsurteil des BVerfG nicht entsprechend gewürdigt worden sind.268 Bei der Suche nach einer gesetzlich verankerten Leitmaxime helfen diese Erkenntnisse indes nicht weiter. Dennoch muss das Fazit gezogen werden, dass die quasiparitätische Mitbestimmung erheblich zum Nachteil einer gewissenhaften, verantwortlichen Aufsichtsratsarbeit gereichen kann. 3. Deutung des MitbestG 1976 in der Literatur Gerade vor dem Hintergrund der Schaffung des MitbestG im Jahr 1976 wurde lange Zeit in der Literatur vertreten, der Aufsichtsrat würde durch seine quasiparitätische Besetzung vom interessenmonistischen Gesellschaftsorgan zum interessenpluralistischen Unternehmensorgan.269 Im Mittelpunkt stand die Überlegung, ob sich vom Gesellschaftsinteresse ein eigenständiges Unternehmensinteresse im Sinne einer Gesellschafts- wie Arbeitnehmerbelange gleichgewichtig berücksichtigenden Leitmaxime absondert.270 Wie bereits dargelegt, enthält das MitbestG 1976 jedenfalls keine ausdrückliche Regelung mit einer bindenden Leitmaxime.271 Folgt man dabei Schilling, liegt der materielle Gehalt des MitbestG hingegen gerade in seiner organisatorischen Regelung.272 Die Aufnahme der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat beinhalte materiell die Erweiterung der Legitimation der 267

Loritz, ZfA 2009, 477 (532 ff.); vgl. ders., ZfA 2010, 367 (394). Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (533). 269 Dahingehend insbesondere Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (114); Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (143). Vgl. auch die Nachweise bei Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 117. 270 Vgl. Westermann, ZGR 1977, 219 (220). 271 So auch v. Bonin, Leitung, S. 100. 272 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (143). 268

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Unternehmensleitung und das Gebot der Kooperation und Integration. In diese Richtung ging auch Ballerstedts Interpretation, wonach das MitbestG nicht nur ein wertneutrales, organisatorisches Regelwerk sei, sondern die Bewertung der im Unternehmen beteiligten Interessen verändere.273 Denn auch ohne gesetzlichen Ausspruch über ihren Sinn erfahre der Begriff des Unternehmensinteresses durch die Mitbestimmung eine inhaltliche Veränderung. Auf dieser Linie lag die Ansicht Kunzes, dem zufolge mit der Unternehmensmitbestimmung das Arbeitnehmerinteresse in der Gesellschaft institutionalisiert wurde.274 Einen gänzlich anderen Weg beschritt Mertens, der in Bezug auf die Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat drei Deutungsmöglichkeiten des MitbestG unterschied: ein Integrations- und ein Konfliktmodell sowie ein zweites, auf das Unternehmensinteresse bezogenes Integrationsmodell.275 Dieses Integrationsmodell ordne die Mitbestimmung in das Gesellschaftsinteresse als das gemeinschaftliche Interesse der Gesellschafter ein. Er verwies auf die Ausführungen von Wiedemann276, wonach das Aktiengesetz zwangsläufig auf die Publikumsgesellschaft und damit zwangsläufig auf den Anlegerschutz zugeschnitten sei. Das Ziel, das Eigenkapital der Anleger treuhänderisch zu verwalten, sei daher oberste Wertungsmaxime für Vorstand und Aufsichtsrat. Nach dem Konfliktmodell stoßen laut Mertens im Aufsichtsrat zwei Fraktionen, die der Anteilseigner- sowie der Arbeitnehmervertreter, mit unterschiedlicher Interessenausrichtung aufeinander. Diese konsolidierten, gleichgewichtigen Blöcke entgegengesetzter Interessenausrichtung, die auf Konflikt angelegt und unter Kompromisszwang gestellt seien, bildeten, sofern sich der Aufsichtsrat seiner Entscheidungsaufgabe nicht entziehen könne, die beste Voraussetzung für einen unverfälschten Interessenausgleich. Zuletzt genannt wird ein nicht auf das Gesellschaftsinteresse als vergemeinschaftetes Anteilseignerinteresse, sondern ein auf das Unternehmensinteresse bezogenes Integrationsmodell. Mertens zufolge kann der gesetzlichen Regelung des Aufsichtsrats allenfalls das letztgenannte Integrationsmodell zugrunde liegen.277 Durch das erste Modell seien die Arbeitnehmervertreter auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet. Dies mache die Arbeitnehmervertreter zu „Treuhändern der Anteilseigner“, was unrealistisch und mit der Mitbestimmungsidee unvereinbar sei. Das Konfliktmodell sei hingegen mit dem einheitlichen Kontrollauftrag und der einheitlichen Haftung der Aufsichtsratsmitglieder nicht vereinbar.278 Deshalb sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber ein übergeordnetes Unternehmensinteresse als gemeinsamen Bezugsrahmen für alle Aufsichtsratsmitglieder bejaht habe. Im Ergebnis geht also auch Mertens von geänderten Leitmaximen in der mitbestimmten Gesellschaft aus. 273 274 275 276 277 278

Ballerstedt, ZGR 1977, 133 (136). Kunze, ZHR 147 (1983), 16 (23). Vgl. Mertens, ZGR 1977, 270 (272 ff.). Wiedemann, ZGR 1975, 385 (401 ff., 422 ff.). Mertens, ZGR 1977, 270 (274). Mertens, ZGR 1977, 270 (274 f.).

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Ähnlich wie Mertens argumentierte Raiser, dass die Arbeitnehmervertreter sich kaum auf das Gesellschaftsinteresse verpflichten ließen.279 Sie seien daher, wie die anderen Beteiligten auch, auf das übergeordnete Unternehmensinteresse verpflichtet. 4. Stellungnahme Überzeugender sind hingegen die Argumente der Gegenseite. Namentlich Wiedemann bestreitet, dass sich durch das MitbestG etwas an der obersten Zielsetzungskompetenz der Kapitaleignerversammlung geändert habe.280 Die Beteiligung von Belegschafts- und Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat nach dem MitbestG sei vielmehr eine typische Erscheinung der Verfahrensgerechtigkeit, wonach die sozialen Belange der Belegschaft nicht nur durch das Arbeitsschutzrecht, sondern auch durch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat berücksichtigt werden sollten.281 Wiedemann hielt das Mitbestimmungssystem auch nicht für ein Konfliktmodell.282 Organmitglieder seien dazu verpflichtet, ein ihnen heteronom vorgegebenes Ziel näher auszufüllen. Sie seien aber nicht berechtigt, einen politischen Interessenausgleich zu suchen. Hierfür spreche zum einen die Möglichkeit des stimmenmäßigen Übergewichts der Anteilseignerseite und zum anderen die „ständische Aufgliederung der Arbeitnehmerbank in leitende Angestellte, Angestellte und Arbeiter“, welche zu einer „Aufsplitterung des Einflusses der Arbeitnehmerseite führen“ könne. Westermann führte an, dass es eine „genuin ,mitbestimmungsrechtliche‘ Konzeption des Aufsichtsrats als explizite gesetzgeberische Leistung“ nicht gebe.283 Das MitbestG habe den Charakter eines Prozessgesetzes ohne ausgeprägte materielle Zielkonzeption.284 Zu deutlich sei im geltenden Aktienrecht das Wohl der Gesellschaft und damit der Unternehmenserfolg als Richtschnur bestimmend, als dass durch die veränderte Rekrutierung eines Teils der Aufsichtsratsmitglieder eine grundlegende Änderung der Zielkonzeptionen angeordnet sein könnte.285 Außerdem komme dem Aufsichtsrat nicht das Monopol zur näheren Konkretisierung eines „Unternehmensinteresses“ zu, denn das Mitbestimmungsgesetz habe die aktienrechtlichen Zuständigkeiten zur Bestimmung von Unternehmensziel und Unternehmensinteresse im Grundsatz unberührt gelassen.286 Die Konkretisierung der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung bleibe grundsätzlich eine Angelegenheit von 279 280 281 282 283 284 285 286

Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (114). Vgl. Wiedemann, ZGR 1977, 160 (161). Wiedemann, ZGR 1980, 147 (159). Wiedemann, ZGR 1977, 160 (163); ders., ZGR 2011, 183 (196). Westermann, ZGR 1977, 219 (221). Vgl. Westermann, ZGR 1977, 219 (235). Westermann, ZGR 1977, 219 (221). So Westermann, ZGR 1977, 219 (224).

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Satzungsrang.287 Es sei einleuchtend, dass durch die Einführung der quasiparitätischen Mitbestimmung weder die tarifpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten noch das Individual- oder Kollektivarbeitsrecht berührt werden sollten.288 Überhaupt schweigt das MitbestG darüber, wie seine Verfahrens- und Organisationsregeln sich zur gesellschaftsrechtlichen Verfassung der AG verhalten.289 Zu Recht wird deshalb darauf hingewiesen, dass sich eine Umformung der Formalzielsetzung der AG aus dem organisatorisch-prozeduralen Charakter des MitbestG kaum ableiten lässt.290 Eine Bestimmung der Verhaltensmaxime für Vorstand und Aufsichtsrat ist dem formalen Regelungsansatz des MitbestG fremd.291 Sie hätte auch, wie Wiedemann betonte, einer eindeutigen gesetzlichen Regelung bedurft.292 Laut der Begründung des Regierungsentwurfes sollte die Mitbestimmung unter „weitgehender Beibehaltung des geltenden Gesellschaftsrechts geregelt werden“.293 Nicht beabsichtigt war es, auch das Unternehmensrecht umfassend neu zu gestalten. Dem Entwurf ging es vielmehr um eine „gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen“ auf Grundlage des geltenden Gesellschaftsrechts. Im Hinblick auf die zu beteiligenden leitenden Angestellten berief sich der Entwurf darauf, dass diese „durch ihre Kenntnisse und Einsichten in die organisatorischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge des Unternehmens die Informations- und Entscheidungsgrundlagen des Aufsichtsrats wesentlich bereichern“ könnten. Damit ist festzustellen, dass zum einen das Gesellschaftsrecht in seiner geltenden Form nicht angetastet werden sollte. Ziel war es, Arbeitnehmer durch eine organisatorische und prozedurale Umgestaltung an den Entscheidungen des Aufsichtsrats teilhaben zu lassen. Eine Neuausrichtung des Gesellschaftsziels war angesichts der Absage an eine Änderung des Unternehmensrechts nicht beabsichtigt.294 Eine Festlegung einer Verhaltensmaxime Unternehmensinteresse ist dann auch nicht im Gesetz erfolgt.295 Ferner kann zwar in Betracht gezogen werden, die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse und zur weitergehenden Berücksichtigung von Arbeitneh-

287

Westermann, ZGR 1977, 219 (226). Westermann, ZGR 1977, 219 (224). 289 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 113. 290 Mülbert, ZGR 1997, 129 (151); Immenga, ZGR 1977, 249 (253); dahingehend auch Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 7 f. 291 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 115, 118. 292 Wiedemann, in: Fischer/Möhring/Westermann, FS Barz, 561 (577). 293 Begr. RegE v. 29.4.1974, BT-Drs. 7/2172, S. 17. 294 Dahingehend auch Martens, AG 1976, 113 (119). A. A. hingegen Naedrup, AuR 1977, 225 (230 f., 234 f.). Laut Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 115 lässt sich hingegen aus der Entwurfsbegründung nicht eindeutig ablesen, ob das MitbestG den Schluss auf den gesellschaftsrechtskonformen oder den unternehmensverfassungsrechtlichen Interpretationsansatz erlaubt. 295 So auch Birke, Formalziel, S. 174, 180. 288

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merinteressen aus dem Zusammenhang des MitbestG 1976 herauszulesen.296 Zweifelhaft erscheint diese jedoch schon im Hinblick auf § 7 Abs. 2 MitbestG, wonach dem Aufsichtsrat zumindest zwei Gewerkschaftsvertreter angehören müssen. Konsequent müssten somit Interessen branchenzugehöriger, aber betriebsfremder Arbeitnehmer in das Unternehmensziel integriert werden.297 Es versteht sich von selbst, dass die Rücksichtnahme auf Konkurrenzunternehmen kaum Maßstab für die Geschäftsleitung sein kann.298 Ferner müsste, wie Mülbert zu Recht hervorhob, bei Anwendung des § 5 Abs. 1 MitbestG im Fall der Konzernmitbestimmung konsequent auch das Interesse der Arbeitnehmer der Konzerntochterunternehmen von Bedeutung für das Unternehmensinteresse der Obergesellschaft sein.299 Dadurch wäre allein durch das MitbestG ein Konzerninteresse geschaffen. Ein nach dem MitbestG 1976 verpflichtendes Unternehmensinteresse wäre zudem konzeptionell allein an den Aufsichtsrat adressiert. Mit der bereits beschriebenen funktionellen Austauschbarkeit von Organkompetenzen lässt sich dies nicht in Einklang bringen.300 Ungeklärt wäre zudem, ob Organe solcher Gesellschaften, welche nicht dem MitbestG 1976 unterfallen, auf das Unternehmensinteresse verpflichtet sind.301 Ferner würde sich ein Unternehmensinteresse kraft unternehmerischer Mitbestimmung allein auf die Belange der Arbeitnehmer und Gewerkschaften beschränken und andere beteiligte Gruppen ausschließen.302 Die Einbeziehung von Gemeinwohl- und anderen Gläubigerinteressen kann dieser Ansatz von vornherein nicht begründen.303 Es bleibt darauf hinzuweisen, dass im MitbestG keine voll-, sondern nur eine quasiparitätische Mitbestimmung umgesetzt worden ist. Organisationsrechtlich verbleibt der Anteilseignerseite das Letztentscheidungsrecht. Das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden wird für den Fall, dass es zu keiner Einigung zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmerbank kommt, zum Instrument der Sicherung des Anteilseignerübergewichts.304 An dieser Beurteilung ändert sich selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Vorsitzende dem Arbeitnehmerlager entstammt, nichts. Denn im ersten Wahlgang bedarf es nach § 27 Abs. 1 MitbestG einer Mehrheit von zwei Dritteln der Aufsichtsratsmitglieder. Der in der Übertragung des pattauflösenden Zweitstimmrechts liegende Legitimationsakt würde also im vornherein von einigen Anteilseignervertretern mitgetragen werden müssen.305 Ausschlaggebend ist angesichts des § 27 Abs. 2 S. 2 MitbestG letztlich deren Votum. Eine auf Kapital und 296

Vgl. dahingehend auch Birke, Formalziel, S. 180. Mülbert, ZGR 1997, 129 (152). 298 Vgl. auch Birke, Formalziel, S. 180; v. Bonin, Leitung, S. 102. 299 Mülbert, ZGR 1997, 129 (152). Mit denselben Bedenken Birke, Formalziel, S. 181. 300 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 5 B. So im Übrigen auch Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 82; v. Bonin, Leitung, S. 101. 301 Vgl. Birke, Formalziel, S. 179; dahingehend auch MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 69. 302 Birke, Formalziel, S. 179 f. 303 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 69; v. Bonin, Leitung, S. 103. 304 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 125. 305 So Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 125 f. 297

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Arbeit gleichermaßen ausgerichtete Handlungsmaxime wäre allenfalls plausibel, hätte man den in § 24 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 des Regierungsentwurfs306 zum MitbestG angedachten turnusmäßigen Wechsel des Aufsichtsratsvorsitzes zwischen beiden Bänken wirklich verabschiedet.307 Selbst im Falle der Abwesenheit von Anteilseignervertretern bleibt der Überhang dieser Seite und damit der Gruppenproporz durch die in § 108 Abs. 3 AktG vorgesehene Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe,308 welche nach den § 29 Abs. 2 S. 2 und § 31 Abs. 4 S. 2 MitbestG auch für das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden Bedeutung hat, gewahrt.309 Ein auf die vollkommene Gleichberechtigung von Arbeitnehmern und Anteilseignern gerichtetes Unternehmensinteresse lässt sich mit dem organisatorischen Zuschnitt eben nicht rechtfertigen, sondern stünde hierzu im Widerspruch.310 Schließlich lässt sich die verweigerte Zustimmung des Aufsichtsrats im Konfliktfall nach § 111 Abs. 4 S. 3, 4 AktG durch den Beschluss der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen ersetzen. Dies gilt auch in mitbestimmten Gesellschaften.311 Eine zwingende Implementierung des Unternehmensinteresses durch das MitbestG hätte allerdings den § 111 Abs. 4 S. 3 AktG niemals unverändert lassen dürfen, lässt sich doch so das Votum des quasiparitätisch besetzten Aufsichtsrats durch die Anteilseigner bei streitigen Geschäftsführungsmaßnahmen ohne Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen gänzlich übergehen.312 Ferner erliegt das Argument, Arbeitnehmervertreter könnten nicht auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet sein, da diese nicht zu „Treuhändern der Anteilseigner“313 gemacht werden könnten, einem Trugschluss. Zu Recht weist Paefgen darauf hin, dass die Durchsetzung einzelner Aktionärsinteressen ebenso wenig organschaftliche Pflicht der Anteilseignervertreter sei.314 Die Verantwortung sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder bezieht sich auf die Gesellschaft. Der geäußerte Vorbehalt kollidiert zudem mit dem Postulat der Gleichberechtigung und -verpflichtung aller Aufsichtsratsmitglieder, welches auch die grundsätzliche Gleichheit in Hinsicht auf Sorgfaltspflichten aus § 116 AktG mit einschließt. Schlussendlich wäre es nicht nachvollziehbar, weswegen der Leitungsmaßstab innerhalb einer mitbestimmten von dem einer mitbestimmungsfreien Gesellschaft differierte. Im MitbestG 1976 kann mithin keine Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der Leitungsorgane der Aktiengesellschaft und damit auch nicht des Aufsichtsrats zur Beachtung eines Unternehmensinteresses gesehen werden. 306

Begr. RegE v. 29.4.1974, BT-Drs. 7/2172, S. 10. Dahingehend auch Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 126. 308 Siehe hierzu MüKoAktG/Habersack, § 108 Rn. 49 ff.; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 108 Rn. 22 ff. 309 So auch MüKoAktG/Habersack, § 108 Rn. 1, 49. 310 So auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (153). 311 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 148. 312 Vgl. auch Immenga, ZGR 1977, 249 (260). 313 So Mertens, ZGR 1977, 270 (274). 314 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 119 f. 307

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

V. Ansätze im Schrifttum nach Inkrafttreten des MitbestG 1976 Das MitbestG 1976 beförderte neue Ansätze im Schrifttum zur dogmatischen Rechtfertigung des Unternehmensinteresses, welche es als Unternehmensverfassungs- anstatt Organisationsgesetz ansahen.315 Die Einführung der quasiparitätischen Mitbestimmung sei demnach als gesetzgeberischer Entschluss zu verstehen gewesen, die Ablösung des Personalverbandes „Gesellschaft“ durch das soziale System „Unternehmen“ umzusetzen und daraus die Ausrichtung der Geschäftsleitungsmaximen auf das Unternehmenswohl zu folgern.316 Im Folgenden werden einige der Diskussionsbeiträge dargestellt und hinterfragt. Eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Lehren aus dieser Zeit kann aufgrund der Vielzahl der Stimmen nicht erfolgen. Ebenso wird hier eine tiefere Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen, welche sich für die gänzliche Schaffung eines neuen „Unternehmensrechts“ de lege ferenda anstelle des hergebrachten Gesellschaftsrechts ausgesprochen haben,317 nicht stattfinden. Sämtliche Reformbestrebungen, wie sie auch in der Regierungsbegründung318 zum Entwurf des MitbestG 1976 angekündigt worden sind, wurden bis heute nicht weiterverfolgt und können daher als gescheitert bezeichnet werden. Daran vermochte auch die 1972 vom damaligen Bundesjustizminister einberufene Unternehmensrechtskommission und der von ihr 1979 vorgelegte und 1980 veröffentlichte Bericht319 nichts zu ändern.320

315

Dahingehend etwa Reuter, AcP 179 (1979), 509 (510). So Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (108 ff.). 317 Vgl. etwa Ballerstedt, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, S. 15; Kunze, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, S. 201; Schilling, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, S. 537; Kunze, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, S. 47; ders., ZHR 144 (1980), 100 (124 ff.); Duden, in: Fischer/Hefermehl, FS Schilling, S. 309; vgl. auch den Überblick bei Kunze, ZHR 147 (1983), 16 (24 ff.). Zumeist sollte dabei das „Unternehmen“ oder ein „Unternehmensverband“ als neue Rechtsform an die Stelle der bisherigen Kapitalgesellschaften und Rechtsträgergesellschaften treten und die Belegschaft als neu zu schaffendes Organ im Rahmen einer „Unternehmensverfassung“ weitgehende Entscheidungsbefugnisse erhalten. Die genaue Ausgestaltung differiert aber je nach Autor. Vgl. darüber hinaus Boettcher u. a., Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung. In diesem sog. Sechserbericht wurde eine paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer an allen drei Unternehmensorganen vorgesehen. Kritisch zur Schaffung eines Unternehmensrechts hingegen Wiedemann, ZGR 1975, 385 (400). 318 Begr. RegE v. 29.4.1974, BT-Drs. 7/2172, S. 17: „Es ist nicht beabsichtigt, schon im Zusammenhang mit der neuen Mitbestimmungsregelung auch das Unternehmensrecht umfassend neu zu gestalten. Das Gesellschaftsrecht zu einem modernen, den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen unserer Zeit gerecht werdenden Unternehmensrecht fortzuentwickeln, ist vielmehr eine längerfristige Aufgabe“. 319 Bundesministerium der Justiz, Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission. 320 Vgl. Zöllner, AG 2003, 2 (3 f.). 316

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1. Die Sozialverbandstheorie Raisers Raiser sah das Unternehmen als „ein einheitliches und integriertes soziales Gebilde“ an.321 Er interpretierte es als einen „in sich gegliederten Verband, in dem sich die Anteilseignergesellschaft und die Arbeitnehmerschaft als relativ selbstständige, mit abgegrenzten Befugnissen und Pflichten ausgestattete Teilverbände gegenüberstehen und kooperieren, namentlich durch ihre Repräsentanten am Prozess der unternehmerischen Willensbildung teilnehmen.“322 In einem späteren Aufsatz beschrieb Raiser das Unternehmen in Anlehnung an Ballerstedt323 als „eine auf Dauer angelegte und mit rechtlicher Autonomie ausgestatte Vereinigung personeller Kräfte und sachlicher Mittel zu dem Zweck, nach dem ökonomischen Prinzip wirtschaftlich wertvolle Gegenstände oder Leistungen hervorzubringen und an andere zu veräußern.“324 An wieder anderer Stelle notierte Raiser, dass das Unternehmen zum selbstständigen, mit eigenen Zielen ausgestatteten und sich dadurch von seinen Eigentümern abhebenden sozialen Handlungssystem werde.325 Letztlich bezweckte Raiser, das Unternehmen als soziale Organisation zur juristischen Person zu erheben.326 Diese Organisation solle als rechtlich anerkannter Verband betrachtet werden, dessen Zweck Vorgaben für das Verhalten der Unternehmensorgane schaffe. Anteilseigner, Arbeitnehmer und Unternehmensleiter sollten jeweils als Gruppe der Organisation „Unternehmen“ angehören.327 Allein deren Einzelinteressen sollten für das Unternehmensinteresse von Bedeutung sein. Zur Begründung führte Raiser an, dass sich „das geltende Recht in Deutschland auf dem Weg vom Kaufmannsrecht zum Unternehmensrecht sowie zur Anerkennung des Unternehmens als juristischer Person befinde (…), aber ein einheitlicher, widerspruchsfreier Zustand noch nicht wieder erreicht werden konnte.“328 Das Unternehmen dränge geradezu dahin, „durch die Anerkennung als juristische Person in seiner Einheit und sozialen Wirksamkeit bestätigt zu werden.“329 Unklar bleibt, ob sich Raisers Ausführungen auf die lex lata oder die lex ferenda bezogen.330 Er selbst stellte fest, dass vom Standpunkt der Rechtstheorie und Rechtsdogmatik aller Grund bestehe, „die Personifikation des Unternehmens anzuerkennen.“331 Andererseits wäre es verfrüht, so zu tun, als sei dieser Schritt im geltenden Recht bereits vollzogen. Seinen Ausführungen zum 321

Raiser, Unternehmen, S. 167. Raiser, in: Lutter/Stimpel/Wiedemann, FS Fischer, 561 (572). 323 Siehe Ballerstedt, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, 15 (22). 324 Raiser, JZ 1979, S. 489. 325 Raiser, ZHR 144 (1980), 206 (217). 326 Vgl. Raiser, Unternehmen, S. 166 ff., insbesondere S. 167. 327 Raiser, in: Bohr u. a., Unternehmensverfassung, 35 (39 ff.). 328 Raiser, Unternehmen, S. 166. 329 Raiser, Unternehmen, S. 167. 330 So auch Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 141 f.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 156; Birke, Formalziel, S. 182. 331 Raiser, Unternehmen, S. 171. 322

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Mitbestimmungsurteil des BVerfG in einer späteren Veröffentlichung ist allerdings zu entnehmen, dass seiner Auffassung nach bereits dem geltenden Recht eine verfassungsrechtliche Konzeption des Unternehmens zugrunde liegt, nach welcher dieses selbst Rechtssubjekt ist.332 Insbesondere im MitbestG 1976 sah Raiser eine gesetzgeberische Bestätigung seiner Theorie und eine Erhebung seines Sozialverbandes Unternehmen – und wohl auch eines konzeptionell ableitbaren Unternehmensinteresses – in den Gesetzesrang. Die Sozialverbandstheorie Raisers enthält, um Wiedemann das Wort zu sprechen, „eine geschickte Ideologie, um jedwede Mitbestimmungsforderung zu begründen.“333 Sie lässt sich auch nicht am geltenden Recht festmachen, denn beim Unternehmen handelt es sich nicht um einen Verband im Rechtssinne.334 Dieser zeichnet sich aus durch die Freiwilligkeit seines Zusammenschlusses, die Gemeinsamkeit des Zwecks und die (potenziell) gleichberechtigte Teilhabe aller Verbandsmitglieder über Entscheidungen, welche in ihre Kompetenz fallen.335 Arbeitnehmer stehen aber im Verhältnis zur Aktiengesellschaft durch ihre Arbeitsverträge in einer Austauschbeziehung, wohingegen Aktionäre Gesellschafter der AG sind.336 An einer gemeinsamen Zweckverfolgung von Anteilseignern und Arbeitnehmern fehlt es hingegen beim Unternehmen. Das Unternehmen lässt sich treffender als Geflecht von Verträgen beschreiben.337 Eine gleichgerichtete Zweckverfolgung, insbesondere zwischen Aktionären und Arbeitnehmern, findet indes nicht statt. Mit dem geltenden Recht ist dieser Ansatz daher nicht in Einklang zu bringen. Ferner erliegt Raiser einem Missverständnis, denn das „Unternehmen“ ist in den meisten Rechtsgebieten, wie dem Kartell- oder dem Konzernrecht, nicht im Sinne eines Rechtsträgers aufzufassen, sondern bezieht sich rechtsformneutral auf die juristischen oder natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften, welche das Unternehmen tragen.338 Letztlich kann der Beweis nicht erbracht werden, dass Raisers Unternehmensbegriff dem Rechtsanwender neue Problemlösungen aufzeigt.339 Auch deshalb ist Raisers Sozialverbandstheorie abzulehnen. 332

Raiser spricht von einem „rechtlichen Unternehmensbegriff“, welchen er gerade für das Verfassungsrecht als zwingend erachtet, siehe Raiser, JZ 1979, 489 (496). 333 Wiedemann, ZGR 1975, 385 (402). 334 So auch Birke, Formalziel, S. 183. 335 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 26. 336 Birke, Formalziel, S. 183. 337 Vgl. Zöllner, AG 2003, 2 (9). 338 Siehe für das Konzernrecht MüKoAktG/Bayer, § 15 Rn. 9 sowie Spindler/Stilz/Schall, AktG, § 15 Rn. 10; für das Kartellrecht BGH, Beschl. v. 18.10.2011 – KVR 9/11, NJW 2012, 1150 (1151); Loewenheim u. a./Quellmalz, Kartellrecht, § 59 GWB Rn. 6. Vgl. ferner für das Insolvenzrecht Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 158 Rn. 3; für das Kündigungsschutzrecht BAG, Beschl. v. 11.12.1987 – 7 ABR 49/87, AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 7 sowie Ascheid/Preis/ Schmidt/Preis, Kündigungsrecht, C, Rn. 87, wonach das Unternehmen i. d. R. einen einheitlichen Rechtsträger voraussetzt. Allgemein zum Unternehmensbegriff Schmidt, Handelsrecht, § 3. 339 So auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 158.

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2. Schillings Lehre vom Aktienunternehmen Im Gegensatz zu Raiser stellte Schilling das Unternehmen nicht als weiteres Rechtssubjekt neben die Aktiengesellschaft, sondern identifizierte diese mit dem Unternehmen selbst.340 Bedeutsam für den Wandel des Aktienrechts sei zum einen die Einführung des § 70 AktG 1937, andererseits das MitbestG 1976 gewesen, überdies der zu beobachtende Wandel in den allgemeinen Anschauungen zur Aktiengesellschaft.341 Für Schilling war das Unternehmen dabei in einem „spezifischen ordnungspolitischen, auf Mitbestimmung und Allgemeininteresse gerichteten Sinn“ eine „auf Dauer angelegte Vereinigung von Kapital (Anteilseigner), Arbeit (Belegschaft) und unternehmerischem Willen (Geschäftsleitung) zur Erzielung einer durch Teilnahme am Markt zu realisierenden materiellen Wertschöpfung, in der Regel mit Gewinnerzielungsabsicht, autonom in seiner Zielsetzung und Verwaltung und Kernstück einer freien Wirtschaftsordnung“.342 Schilling zufolge erfüllte die Aktiengesellschaft diese Merkmale eines Unternehmens.343 Mit seiner „Identitätstheorie“344 bzw. „Identitätsthese“ wollte Schilling die Unterscheidung zwischen einem Unternehmensträger als Subjekt und dem Unternehmen als Objekt beseitigen.345 Gesellschaft und Unternehmen stünden nicht im Verhältnis von Subjekt und Objekt.346 Die Aktiengesellschaft sei ein Unternehmen, das Unternehmen in der Rechtsform der AG eine Aktiengesellschaft; beide seien nach geltendem Recht identisch. Damit sei das Organisationsrecht der Gesellschaften das Organisationsrecht der Unternehmen. Ferner trat nach Schilling neben die drei aktienrechtlichen Organe als viertes Unternehmensorgan die Belegschaft des Unternehmens in ihrer Eigenschaft als Wahl- und Abberufungsorgan für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hinzu.347 Bildlich kann man sich laut Schilling das Aktienunternehmen als zwei sich schneidende Kreise vorstellen.348 Das obere Segment sei die Hauptversammlung als Organ der Anteilseigner und das mittlere Segment, an dem beide Kreise teilhaben, die Verwaltung, d. h. Vorstand und Aufsichtsrat. Das untere Segment sei die betriebsverfassungsrechtlich zusammengefasste Belegschaft, mit Beziehung zum Vorstand als Arbeitgeber sowie unternehmensrechtlich zum Aufsichtsrat. Diese Vereinigung in Form zweier sich schneidender Kreise sei nach geltendem Recht im Aktienunternehmen erfolgt, mit der Folge, dass die Rechtsbeziehungen zwischen oberem und unterem Segment, zwischen Aktionären und 340

Vgl. Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (139 f.). Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (140 f.). 342 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (137) in Anlehnung an Ballerstedt, in: Pawlowski/ Wiese/Wüst, FS Duden, 15 (22). 343 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (138). 344 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (140). 345 Vgl. Schilling, ZHR 144 (1980), S. 338. 346 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (139). 347 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (140). 348 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (140). 341

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Arbeitnehmern, nur mittelbar durch die Verwaltung (Vorstand und Aufsichtsrat) hergestellt würden.349 Das Unternehmensinteresse hatte für Schilling keinen eigenständigen materiellen Gehalt, insbesondere sei es nicht das Interesse des Unternehmens.350 Das Unternehmensinteresse ergebe sich vielmehr aus der Abwägung der beteiligten Interessen, also der Anteilseigner, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit. Es sollte ihm zufolge Verhaltensmaxime für die Unternehmensorgane sein, nach welcher diese die unternehmerischen Entscheidungen treffen müssen, und die im Unternehmen Handelnden zur Unternehmenstreue verpflichten und damit „zur Berücksichtigung der anderen am Unternehmen beteiligten Interessen, zur Förderung und Wahrung des Gesamtinteresses“.351 Die Entscheidung, welche Maßnahme dem Unternehmensinteresse im einzelnen Falle am besten entspricht, träfen die jeweils zuständigen Organe innerhalb ihres unternehmerischen Ermessens. Schilling ging es offensichtlich weniger um die „Versubjektivierung“ des gegenständlichen Unternehmens als vielmehr um die Schaffung eines neuen Unternehmensträgers im Sinne einer Vereinigung von Kapital, Unternehmensleitung und Belegschaft.352 Dafür wollte Schilling erreichen, dass die Unterscheidung zwischen dem Unternehmensträger als Subjekt und dem Unternehmen als Objekt beseitigt wird.353 Seiner Vorstellung nach sind das Unternehmen als Stoff und die gesellschaftsrechtliche Rechtsform als Form aufeinander bezogen.354 Denn durch die Rechtsform wird das Unternehmen laut Schilling zum Rechtssubjekt.355 „Die Rechtsform Aktiengesellschaft hat ein Unternehmen, das Unternehmen hat die Aktiengesellschaft. Der Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt hebt sich dialektisch auf.“356 Schilling verwischte damit allerdings die Grenzen des rechtlich Zulässigen, seine angebliche Dialektik entpuppt sich als widersprüchliche Semantik. Selbst wenn man phänomenologisch von einem „Aktienunternehmen“ sprechen könnte,357 steht Schillings Theorie trotzdem im Widerspruch zur lex lata. Nicht das Unternehmen „hat“ die Aktiengesellschaft, sondern allein die Aktiengesellschaft trägt das Unternehmen.358 Die Vorstellung, die Aktiengesellschaft sei ein rechtlich verfasstes Aktienunternehmen sämtlicher Unternehmensbeteiligter, steht überdies im Widerspruch zu dem Selbstbehauptungsinteresse der juristischen Person im Sinne einer Bestandswahrung einerseits und der Freiheit der Aktionäre zur Liquidierung 349

Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (141). Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (143 f.). 351 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (144). 352 So Rittner, ZHR 144 (1980), 330 (331); Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 147; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 165. Schilling streitet dies in ZHR 144 (1980), 338 (339) hingegen ab. 353 Vgl. Schilling, ZHR 144 (1980), S. 338. 354 Schilling, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, 537 (543 ff.). 355 Schilling, in: Pawlowski/Wiese/Wüst, FS Duden, 537 (547). 356 Schilling, in: Lutter/Stimpel/Wiedemann, FS Fischer, 679 (680). 357 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 96. 358 Vgl. dahingehend auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 165. 350

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dieses Verbandes andererseits.359 Näher liegt es, mit Rittner anzunehmen, dass es sich bei diesem neuen Unternehmensträger um eine Anstalt des Privatrechts handeln würde,360 anstatt ihn rechtlich als Gesellschaft einzuordnen, was angesichts zweier Basisorgane (Belegschaft und Gesellschafterversammlung) ohne unmittelbare Beziehung nicht möglich ist.361 Eine solche Anstalt des Privatrechts existiert aber nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht. Das „Aktienunternehmen“ nach Lesart Schillings, das im Übrigen nur mitbestimmte Aktiengesellschaften erfasst, würde daher vielmehr die Zersplitterung der Gesellschaftstypen befördern.362 Ferner ist die Annahme Schillings, es handele sich bei der Belegschaft um ein viertes „Unternehmensorgan“, ebenso wenig mit dem geltenden Recht zu vereinbaren.363 Allein aus der Funktion und dem Recht, die Arbeitnehmervertreter zu wählen, lässt sich nicht auf die Organeigenschaft der Belegschaft schließen.364 Kein Zusammenhang lässt sich zudem zwischen dem von ihm umschriebenen Unternehmensinteresse und seiner Theorie vom „Aktienunternehmen“ erkennen.365 Wie sich dieses Unternehmensinteresse auf seine Lehre dogmatisch zurückführen lässt, bleibt für den Leser im Unklaren. Letztlich sind Schillings Vorschläge vornehmlich rechtspolitischer Natur und geben als solche keine hilfreichen Impulse für die dogmatische Herleitung eines Unternehmensinteresses. 3. Zwischenergebnis Letztlich sind beide Ansätze mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen.366 Die Autoren verkennen, dass jedes Unternehmen einen Unternehmensträger hat und dieser allein ist das Subjekt der das Unternehmen betreffenden Rechte und Pflichten.367 Das Unternehmen bleibt Objekt, welches dem Subjekt Unternehmensträger zugeordnet ist.368 Das Unternehmen hat daher im geltenden Recht keine Rechtspersönlichkeit. Es ist richtigerweise selbst nicht Träger, sondern vielmehr Gegenstand von Interessen.369 Ferner ist zu bedenken, dass es einen einheitlichen

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Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 69. Rittner, ZHR 144 (1980), 330 (333); zustimmend Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 147. 361 So zu Recht Birke, Formalziel, S. 186. 362 Dahingehend auch Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 147; Birke, Formalziel, S. 187. Vgl. auch die Stellungnahme hierzu von Schilling, ZHR 144 (1980), 338 (339). 363 Ulmer, Einfluss, S. 22; Birke, Formalziel, S. 186. 364 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 164; Birke, Formalziel, S. 187. 365 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 166. 366 So auch Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 16. 367 Vgl. Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einl. v. § 1, Rn. 41. 368 Birke, Formalziel, S. 183 m. w. N. 369 So auch Westermann, ZGR 1977, 219 (223). 360

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Unternehmensbegriff für die gesamte Rechtsordnung nicht gibt.370 Diesem wird vielmehr je nach Rechtsgebiet, auf welchem er verwendet wird, ein unterschiedlicher Inhalt beigemessen.371 Dass es sich überdies beim MitbestG um ein Organisationsgesetz handelt, wurde bereits festgestellt und lässt sich ferner anhand der Ausführungen des BVerfG im Mitbestimmungsurteil nachvollziehen.372 Sämtliche Ansätze können zudem weder die Verbandsnatur des Unternehmens noch die mitgliedschaftliche Stellung der Arbeitnehmer im Unternehmen plausibel erklären.373 Auch wäre völlig unklar, welche Auswirkungen eine Unternehmensmitgliedschaft der Arbeitnehmer auf deren Status und insbesondere das Arbeitskampfrecht hätte.374 Der Gedanke der Mitgliedschaft bei der Ausgestaltung der Stellung der Arbeitnehmer hätte auch konsequenterweise zur Folge, dass deren Entlohnung sich künftig nach Gewinnverteilungsregeln der Gesellschaft orientieren müsste, was für die große Masse der abhängig Beschäftigten nicht ernsthaft in Betracht kommen kann.375 Diese unüberwindbaren Hürden vermögen diese Ansätze nicht zu nehmen. Die dargestellten Auffassungen bieten daher keine taugliche Begründung für ein eigenständiges Unternehmensinteresse. VI. Theorie vom verfassten Unternehmen (Flume) Einen anderen gänzlich anderen Weg zur Begründung eines Unternehmensinteresses verfolgte Flume. 1. Der Ansatz Flumes Flume sprach sich für die Identifikation der juristischen Person Aktiengesellschaft mit dem Unternehmen aus.376 Das „Unternehmen“ selbst verstand er in Anlehnung an Fechner als „die sozialrechtliche Einheit eines Personenverbandes, der mithilfe von sachlichen und immateriellen Erzeugungsmitteln unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung oder Gewinnerzielung der produktiven Bereitstellung von Gütern bzw. Leistungen im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtplanung zu dienen bestimmt“ sei.377 Grundlage von Flumes Theorie vom verfassten Unternehmen378 ist der Streit um die Anerkennung der Aktiengesellschaft als ju370 Vgl. BGHZ, Urt. v. 26.10.1959 – KZR 2/59, BGHZ 31, 105 (108 f.); MüKoAktG/Bayer, § 15 Rn. 9; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 9; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einl. v. § 1, Rn. 31. 371 BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (335 f.). 372 Vgl. 1. Kapitel § 5 D. IV. 1. 373 Dahingehend auch Zöllner, AG 2003, 2 (5). 374 Vgl. dahingehend Westermann, ZGR 1981, 393 (426). 375 So schon Zöllner, AG 2003, 2 (9). 376 Vgl. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 17 ff. 377 Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 8 f. mit Verweis auf Fechner, Unternehmen, S. 16. 378 Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 18 ff.

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ristische Person am Ende des 19. Jahrhunderts. In Frage stand damals, „wie die vermögensmäßige Eigenberechtigung der Aktionäre hinsichtlich des Vermögens der Aktiengesellschaft mit dem Wesen der Aktiengesellschaft als juristischer Person in Einklang zu bringen ist.“379 Infolge der Anerkennung der AG als juristische Person, zunächst durch die von Savigny folgende Rechtslehre, später durch den Gesetzgeber, ist Flume zufolge die Aktiengesellschaft endgültig gegenüber ihren Gesellschaftern verselbstständigt worden und auch die Loslösung von Aktiengesellschaft und Unternehmen erfolgt.380 Zwar sei die Zuordnung aller Vermögenswerte an die Aktiengesellschaft als Rechtssubjekt anerkannt worden, zugleich aber an der wirtschaftlichen Zuordnung des Unternehmens an die Aktionäre festgehalten worden. Trotz ihrer Rechtssubjektivität sei die Aktiengesellschaft weiterhin als Veranstaltung für die Aktionäre betrachtet worden. Infolge der Wandelung dieser Anschauung seit den 1920er Jahren sei es inzwischen anerkannt, dass es sich bei der Aktiengesellschaft nicht um eine reine Veranstaltung für die Aktionäre handele, sondern dass bei ihr ein Interessenpluralismus bestehe. Zur Überwindung dieser Antinomie unterstellte Flume, dass sich bei der Aktiengesellschaft eine Identifikation des Unternehmens mit dem Unternehmensträger AG vollziehen lasse und man daher die Aktiengesellschaft als „verfasstes Unternehmen“ oder „Aktienunternehmen“ aufzufassen habe. Laut Flume ist „das Unternehmen als Rechtsgegenstand (…) Teil der als Aktiengesellschaft verfassten Wirkungseinheit.“381 Zu der juristischen Person als „dem idealen Ganzen“ gehörten bei den als juristische Personen verfassten Unternehmen „sowohl das Unternehmen mit allem, was dazu gehört, den in den Unternehmen Tätigen und den Aktiven und Passiven, wie die Mitglieder der juristischen Person.“382 Die Aktiengesellschaft sei als juristische Person selbst keine „Anteilseignergesellschaft“.383 Flume führte an, dass alle Rechtsbeziehungen des Unternehmens solche der juristischen Person seien, und die juristische Person nur um des Unternehmens willen existiere, sofern sie nicht, wie eine öffentlich-rechtliche Person, noch andere Zwecke verfolge.384 Zur juristischen Person als „dem idealen Ganzen“ im Sinne von Savignys385 gehörten neben den Aktionären kraft ihrer Mitgliedschaft auch die in dem als juristische Person verfassten Unternehmen Tätigen.386 Insofern sei die Identität von juristischer Person und Unternehmen gegeben, wobei nicht wie in der Sozialverbandstheorie das Unternehmen als die umfassendere Einheit anzusehen sei, sondern die juristische Person,387 womit sich Flume gegen die Sozialverbandstheorie Raisers richtete. Denn sei nun „im Fall der Aktiengesellschaft 379 380 381 382 383 384 385 386 387

Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 11. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 9 ff. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 18. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 18. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 25. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 19. Savigny, System Bd. 2, S. 243. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 23. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 18 ff.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

das Unternehmen als juristische Person verfasst und nicht nur Objekt der als ,Anteilseignergesellschaft‘ verstandenen juristischen Person“, sei es ohne Sinn, „das als juristische Person verfasste Unternehmen aus der juristischen Person der Aktiengesellschaft herauszulösen und zur selbstständigen juristischen Person zu erheben“.388 2. Stellungnahme Reizvoll an Flumes Ansatz ist, dass er zumindest bei der Suche nach dem Interessenträger klare Ergebnisse liefert.389 Interessenträger ist das Unternehmen, welches mit der juristischen Person als dem „idealen Ganzen“ identisch ist. „Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse sind bei der Aktiengesellschaft entsprechend der Identifikation von Unternehmen und juristischer Person bei der Aktiengesellschaft identisch.“390 Problematisch ist dabei die genaue Bestimmung des Interessenträgers selbst. Schließlich ist es unverständlich, wie einerseits das Unternehmen mit der juristischen Person identisch sein soll, andererseits das Unternehmen neben den Mitgliedern der juristischen Person zu dem Unternehmen gehört, also wiederum Teil des als juristische Person verfassten Unternehmens ist. Diese beiden Annahmen widersprechen sich.391 Darüber hinaus verwundert es, dass Flume den Geltungsbereich seiner Theorie auf die Aktiengesellschaft beschränkt,392 geht es ihm doch um ein neues Unternehmensrecht als Unternehmensverfassungsrecht.393 Selbst für die als juristische Person verfasste GmbH hält er dies nicht für möglich.394 Für ein (neues) Unternehmensverfassungsrecht bleibt damit nicht viel übrig. Überhaupt ist auch der Theorie vom „verfassten Unternehmen“ entgegenzuhalten, dass sie im geltenden Recht keine Grundlage findet.395 Das Unternehmen hat allein Objektcharakter in Bezug auf seinen Träger, die juristische Person Aktiengesellschaft. Insofern kann auf das bereits Ausgeführte verwiesen werden. Deshalb ist auch der Hinweis Mülberts richtig, wonach Flumes Begründung anhand der Savignyschen Wesensbestimmung der juristischen Person als dem „idealen Ganzen“ den Nachweis verfehle, dass die Savignysche Wesensbestimmung der juristischen Person derjenigen der lex lata entspräche.396 Auch Flumes Ansatz ist daher nicht zu folgen. Insbesondere lässt sich auch hieraus nichts für eine aktienrechtliche Leitmaxime mit Auswirkungen für den Aufsichtsrat gewinnen. 388

Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 26. So auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 161. 390 Flume, in: Sandrock, FS Beitzke, 43 (63). 391 So auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 159, 161; vgl. dahingehend auch Birke, Formalziel, S. 189. 392 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 160; ähnlich Birke, Formalziel, S. 189. 393 Vgl. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 8. 394 Vgl. Flume, Neues Unternehmensrecht, S. 27. 395 So auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (154 f.). 396 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (155). 389

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VII. Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex Der erstmals am 26. Februar 2002 verabschiedete und von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex erarbeitete DCGK hat ausweislich der Präambel das Ziel, das deutsche Corporate-Governance-System transparent und nachvollziehbar zu gestalten sowie nach Aussage der Kommission397 Standards guter Unternehmensleitung zu setzen. Der Kodex soll das Vertrauen internationaler und nationaler Anleger, von Kunden, Mitarbeitern und Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften fördern. Dabei geht es vor allem darum, den Kapitalmarktinteressenten Informationen über die Grundsätze zur Verfügung zu stellen, nach welchen das jeweilige Unternehmen, bei dem Anleger ein Investment erwägen, geführt wird.398 Hierfür sind eine Reihe von Verhaltensempfehlungen und Anregungen formuliert worden, die sich als Standards guter Unternehmensführung („Code of Best Practice“) an Vorstände und Aufsichtsräte als Selbstverpflichtung richten.399 Nach der Kodex-Präambel sind Empfehlungen mit „soll“, Anregungen mit „sollte“ gekennzeichnet. Alle übrigen Teile des Kodex, welche sprachlich nicht so gefasst sind, betreffen Beschreibungen gesetzlicher Vorschriften und Erläuterungen. Am Markt ist die Akzeptanz der Empfehlungen sehr hoch. Einer Erhebung zufolge lag die durchschnittliche Befolgungsquote bei börsennotierten Aktiengesellschaften des HDAX400 und SDAX im Geschäftsjahr 2004 bei 93,6 Prozent.401 Die Verbindung des Kodex zum Aktienrecht stellt § 161 AktG her.402 Nach § 161 Abs. 1 S. 1 AktG erklären Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften jährlich, dass den vom Bundesjustizministerium bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden 397 Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (166 f.) mit Verweis auf den Bericht der Regierungskommission v. 14.8.2001, BT-Drs. 14/7515, S. 27 f. 398 Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (227) mit Verweis auf die Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769; siehe dort S. 21. 399 Vgl. Seibt, AG 2002, 249 (250). 400 Der HDAX fasst die Werte aller 110 Unternehmen der Auswahlindizes DAX, MDAX und TecDAX zusammen. 401 Eisenschmidt/Bilgenroth, DStR 2016, 551 (554 f.). Dabei folgen größere Unternehmen offenbar häufiger als kleinere Unternehmen den Empfehlungen. Grund hierfür mag sein, dass große Unternehmen eher im internationalen Wettbewerb um Kapitalgeber stehen und daher ein verstärktes Interesse haben, für ausländisches Investoren durch Befolgung der Kodex-Empfehlungen attraktiv zu sein (a. a. O.). 402 Ferner schreibt § 289 f Abs. 2 Nr. 1 HGB für die von § 161 Abs. 1 AktG erfassten Gesellschaften vor, dass diese in ihrer Erklärung zur Unternehmensführung die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG aufzunehmen haben. Nach § 285 Nr. 16 HGB ist im Anhang des Einzelabschlusses sowie nach § 314 Nr. 8 HGB für jedes in den Konzernabschluss einbezogene börsennotierte Unternehmen im Konzernanhang u. a. anzugeben, dass die Entsprechenserklärung abgegeben worden ist. § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB erstreckt die Offenlegungspflicht auf diese Entsprechenserklärung.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

und warum nicht (sog. „Comply-or-explain“-Prinzip).403 Hieraus wird deutlich, dass alleine die Kodex-Empfehlungen von der Erklärungspflicht von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 161 Abs. 1 S. 1 AktG umfasst sind, Anregungen hingegen nicht.404 Vergangenheitsbezogen handelt es sich dabei um Wissenserklärungen, zukunftsbezogen um Absichtserklärungen.405 Sofern die Aktiengesellschaft nur einen Teil der Verhaltensempfehlungen befolgen, ansonsten aber von ihnen abweichen möchte, muss in der Entsprechenserklärung angegeben werden, welche Empfehlungen übernommen werden und welche nicht.406 Dabei sind ausschließlich negative Abweichungen von den Verhaltensstandards (Unterschreitung oder Nichtanwendung) erklärungspflichtig.407 Die Organe können auch von ihrer ursprünglichen Erklärung abweichen, müssen dies aber bekannt machen, da die vorherige Erklärung damit unrichtig geworden ist.408 Daraus ergibt sich die Pflicht zur dauerhaften, unterjährigen Aktualisierung der Erklärung.409 Eine Bindungswirkung entfaltet die einmal abgegebene Absichtserklärung also nicht.410 Für die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat ist bedeutsam, dass sowohl die Nichtabgabe der Entsprechenserklärung als auch die Abgabe einer unvollständigen oder mangelhaften Erklärung gegen die gesetzliche Pflicht aus § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG verstößt.411 Ebenso haftungsbegründend für Vorstand und Aufsichtsrat i. R. d. §§ 93, 116 AktG ist die schuldhafte Verletzung der bereits angesprochenen Pflicht zur Aktualisierung der Erklärung.412 In allen Fällen ist Voraussetzung für die Haftung, dass der Anspruchsteller einen Schaden erlitten hat, für deren Eintreten die Pflichtverletzung

403

Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 12. Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 8; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 39; Spindler/Stilz/ Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 30; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 21; Spindler, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 161 Rn. 13. 405 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 28 f.; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 38 f.; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 22 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 14, 20; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 35, 40 ff. 406 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 35. 407 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 35; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 27 f. 408 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 29. 409 Vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche-Bank), BGHZ 180, 9; AG 2009, 285 (288); BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08 (Umschreibungsstopp), BGHZ 182, 272; AG 2009, 824 (826); BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14; NZG 2012, 1064 (1066); MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 35, 43, 84; Spindler/Stilz/Bayer/ Scholz, AktG, § 161 Rn. 71 ff.; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 32; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 20; Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (230); Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353 (354). 410 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 67; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 35, 43, 84. 411 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 66, 101; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 46; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 25; Ettinger/Grützediek, AG 2003, S. 353 f.; WeberRey/Buckel, AG 2011, S. 845. 412 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 67; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 48. 404

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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kausal ist.413 Allein aus einem Verstoß gegen den Kodex kann keine Haftung resultieren.414 Wie bereits dargelegt, enthält der Kodex in seiner Präambel sowie in den Ziff. 4.1.1, 4.3.1 und 5.5.1 die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat auf das Unternehmensinteresse. Ausweislich der Präambel verdeutlicht der Kodex die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse). Gemäß Ziff. 4.1.1 DCGK leitet der Vorstand das Unternehmen in eigener Verantwortung im Unternehmensinteresse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung. Ob es sich bei der Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse laut Auffassung der Kodex-Kommission um eine Wiedergabe der Rechtslage, Empfehlung oder Anregung handelt, lässt sich mit dem anheimgestellten Schema nicht klarstellen.415 Auch der von teils aktiven, teils ehemaligen Mitgliedern der Kodex-Kommission veröffentlichte Kommentar erklärt sich hierzu nicht deutlich.416 Viel spricht dafür, dass es sich hierbei allein um eine Wiedergabe der nach herrschender Auffassung bestehenden Bindung der Geschäftsleitung auf das Unternehmensinteresse handelt.417 Die rechtliche Einordnung des Kodex ist indes bis heute unklar und Gegenstand von Diskussionen.418 Von dieser Verortung hängt ab, ob der Leitungsmaßstab des Kodex für Vorstand und Aufsichtsrat überhaupt Bindungscharakter entfalten kann. Nur wenn die Kodex-Empfehlungen für die Organe rechtlich bindend sind, kann auch die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat auf das Unternehmensinteresse Gültigkeit als Leitmaxime beanspruchen. Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen.

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Vgl. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 65. Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 100. 415 Für die nur klarstellende Wiedergabe der bestehenden Rechtslage nach dem Verständnis der Regierungskommission Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 21. 416 Vgl. v. Werder, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 111 („Wahrung des Unternehmensinteresses als oberste Leitungsmaxime für das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat“); ders., a. a. O., Rn. 131 („aktienrechtliche Verpflichtung aller Aufsichtsratsmitglieder auf das Unternehmensinteresse“); Kremer, a. a. O., Rn. 1452 („jedes Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, das Unternehmensinteresse zu wahren“). 417 Vgl. auch KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 15. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 71 spricht von „Klarstellung der Rechtslage“. 418 Vgl. Ziemons, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 8.7, 70. EL November 2015. 414

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

1. Deutscher Corporate Governance Kodex mit Gesetzeskraft? Unstreitig ist, dass es sich bei dem Kodex, der nicht in einem parlamentarischen Verfahren zustande gekommen ist, um kein formelles Gesetz handelt.419 Er hat weder unmittelbare noch – über § 161 AktG – mittelbare Gesetzeskraft.420 Der jeweilige Kodex-Inhalt wird insbesondere nicht im Wege einer dynamischen Verweisung in den gesetzgeberischen Willen aufgenommen.421 Unergiebig422 ist auch die häufig verwendete Bezeichnung als „soft law“423, lässt sich dies, schon in Ermangelung einer allgemein gültigen Definition, nicht in die klassischen Normenkategorien des deutschen Rechtssystems einordnen.424 Ebenso führt die von Hommelhoff425 und Lutter426 verbreitete Ansicht, die Kodex-Empfehlungen seien als „mittlere Regulierungsebene“ zwischen zwingendem und dispositivem Aktienrecht einzustufen, nicht weiter. Der Kodex unterscheidet sich durch seinen Empfehlungscharakter grundlegend von Parlamentsgesetzen und Gesellschaftssatzungen.427 Die Entwicklung des Kodex hat es schließlich mit sich gebracht, dass dieser kein staatliches Recht geworden ist.428 Ebenso nimmt § 161 AktG den jeweiligen Inhalt des Kodex nicht im Sinne einer dynamischen Verweisung in den gesetzgeberischen Willen auf, sondern begnügt sich mit der Erklärungspflicht.429 Der zuständige Referent im Bundesjustizministerium für die damaligen Neuerungen des TransPuG430 spricht daher zu Recht von „echter Selbstorganisation der Wirtschaft“.431 Zwingender Charakter auf

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OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, NZG 2004, 669 (670); OLG München, Urt. v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, AG 2009, S. 294; OLG Zweibrücken, Urt. v. 3.2.2011 – 4 U 76/10, NZG 2011, 433 (435); MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 22; KK/Lutter, § 161 Rn. 11; Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 106; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 7; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 3; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 16; Hüffer/ Koch, AktG, § 161 Rn. 3; Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 161 AktG, Rn. 4; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 34 Rn. 12; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 80; Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (229); Seibt, AG 2002, 249 (250); Seidel, ZIP 2004, 285 (289); Thümmel, CCZ 2008, 141 (142); Weber-Rey/Buckel, AG 2011, S. 845. 420 Vgl. OLG Zweibrücken, NZG 2011, 433 (435); OLG Schleswig, NZG 2004, 669 (670); Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 106. 421 LG München I, Urt. v. 22.11.2007 – 5 HKO 10614/07, AG 2008, 90 (91). 422 Vgl. MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 23 („nichtssagend“) sowie Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (161) („interpretationsbedürftig“). 423 Vgl. Lutter, ZGR 2001, 224 (225); Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (168, 170); Vetter, DNotZ 2003, 748 (754); Habersack, AG 2009, 1 (13); Weber-Rey/Buckel, AG 2011, S. 845. 424 Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (554) sowie dort Fn. 23. 425 Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (244 f.). 426 Lutter, ZGR 2001, 224 (236 f.). 427 Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (169). 428 Vgl. Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (159). 429 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (159). 430 Siehe oben Einführung, Fn. 22. 431 Seibert, ZIP 2001, S. 2192.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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einer mittleren Regulierungsebene kann den Kodex-Empfehlungen nicht zugesprochen werden. 2. Keine satzungsgleiche Wirkung Gleichermaßen kommt dem Regelwerk des Kodex keine satzungsgleiche Wirkung zu.432 Die Erklärung der Beachtung oder Nichtbeachtung der Empfehlungen des Kodex erfolgt nach § 161 Abs. 1 S. 1 AktG allein durch Vorstand und Aufsichtsrat und damit ohne Einbindung und Beschlussfassung der Hauptversammlung.433 Änderungen der Satzung bedürfen hingegen nach Maßgabe von § 179 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG zwingend eines Hauptversammlungsbeschlusses mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Aufgrund der Exklusivzuständigkeit der Hauptversammlung ist es nicht möglich, einem anderen Organ die Befugnis einzuräumen, die Satzung ohne Beschluss der Hauptversammlung zu ändern.434 Auch kann den Kodex-Empfehlungen keine satzungsgleiche Wirkung beigemessen werden, weil Änderungen der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG durch den Vorstand und der Aufsichtsrat auch während eines laufenden Geschäftsjahres und ohne Beteiligung der Hauptversammlung möglich sind.435 3. Kein Handelsbrauch Die teilweise vertretene Ansicht, es handele sich bei den Vorschriften des Kodex um einen Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB,436 ist ebenso wenig tragfähig und wird daher überwiegend abgelehnt.437 Handelsbräuche sind die Verkehrssitten des Handels, die seit alters her unter Kaufleuten gelten.438 Ein Handelsbrauch setzt eine im Verkehr der Kaufleute untereinander verpflichtende Regel voraus, welche auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung für vergleichbare Geschäftsvorfälle über einen angemessenen Zeitraum hinweg beruht und

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OLG München, Urt. v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, AG 2009, S. 294 f.; Spindler/Stilz/ Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 16; Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 107; Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (229); Thümmel CCZ 2008, 141 (142). 433 OLG München, AG 2009, S. 294 f.; Thümmel CCZ 2008, 141 (142). 434 Vgl. LG München I, Urt. v. 22.11.2007 – 5 HKO 10614/07, AG 2008, 90 (91). 435 Vgl. LG München I, AG 2008, 90 (91). 436 So etwa Peltzer, NZG 2002, 10 (11); dahingehend auch Lutter, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1919. 437 OLG Schleswig, NZG 2004, 669 (670); OLG Zweibrücken, NZG 2011, 433 (435); MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 24; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, S. 845; Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 105. 438 Wagner, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 346 Rn. 1.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

welcher eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liegt.439 Ein Handelsbrauch könnte sich zwar aus einer Übung einzelner Empfehlungen ergeben. An der hierfür notwendigen Freiwilligkeit dürfte es jedoch angesichts des in § 161 Abs. 1 S. 1 AktG angelegten „Comply-or-explain“-Mechanismus fehlen.440 Gleichermaßen verträgt sich die den Kodex-Empfehlungen immanente Abweichungsbefugnis nur schwer mit der Annahme eines Handelsbrauchs.441 Bis auf Weiteres dürfte es auch an der allgemeinen Zustimmung der betroffenen Kreise fehlen,442 ebenso wie an dem Erfordernis langjähriger tatsächlicher Übung.443 4. Entscheidung über die Befolgung als unternehmerische Entscheidung Wie bereits angesprochen, ist allein die Abgabe der Entsprechenserklärung sowie die Begründung von Abweichungen gesetzliche Pflicht; hingegen ist die Entscheidung über die künftige Befolgung der Verhaltensempfehlungen eine unternehmerische i. S. v. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.444 Vorstand und Aufsichtsrat haben daher grundsätzlich einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum, ob sie die Empfehlung befolgen oder von ihnen abweichen wollen.445 Hingegen liegt die Annahme eines faktischen Zwangs zur Umsetzung der Empfehlungen fern.446 Weder ein mögliches negatives Presseecho noch negative Reaktionen des Kapitalmarkts bei Abweichungen von Kodex-Empfehlungen werden Organmitglieder zu einer Befolgung von ihnen nicht sinnvoll erscheinenden Empfehlungen bewegen.447 Unter dieser Annahme müssten auch andere unpopuläre, aber wirtschaftlich notwendige Unternehmensentscheidungen, wie etwa Werksschließungen oder Entlassung von Mitarbeitern, unterbleiben.448 Insbesondere lässt sich eine „Sanktionierung“ von Abweichungen durch den Kapitalmarkt empirisch449 derzeit nicht nachweisen.450 Daher 439 BGH, Urt. v. 25.11.1993 – VII ZR 17/93, NJW 1994, 659 (660); Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 346 Rn. 1; vgl. MüKoHGB/Schmidt, § 346 Rn. 11 – 14; Ebenroth u. a./Joost, HGB, § 346 Rn. 6 – 18; Oetker/Pamp, HGB, § 346 Rn. 6; Koller u. a./Roth, HGB, § 346 Rn. 4. 440 So zu Recht Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 16. 441 Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 16; vgl. MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 24. 442 MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 24. 443 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (159 f.). 444 Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 49. Dahingehend auch Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 41; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 21; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 42; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (849). 445 So zu Recht Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (849). 446 Dahingehend aber Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001 (1006); Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173 (1174). 447 Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (849). 448 Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (849). 449 Vgl. die Studie von Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252 ff.; mit teilweise abweichenden Ergebnissen jedoch Jahn u. a., ZCG 2011, 64 ff.

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kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Ermessensspielraum der Organe dahingehend verengt wäre, den Empfehlungen des Kodex unbedingt Folge leisten zu müssen. 5. Auswirkungen auf §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG? Unklar ist, ob die Empfehlungen des Kodex von Bedeutung für die Interpretation der Generalklauseln der §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG und der dort angesprochenen Sorgfaltspflicht sind. a) Begründungsansatz Teilweise wird angenommen, dass die Kodex-Empfehlungen, vergleichbar den als allgemein anerkannte Regeln der Technik zu wertenden DIN-Normen,451 auf die Auslegung der Generalklauseln der §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG Einfluss nehmen.452 Demgemäß würden sie bei breiter Akzeptanz über längere Zeit zum Standard guter Unternehmensführung und auf diese Weise Eingang in den Sorgfaltsmaßstab der §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG finden.453 Aufgrund der besonderen Autorität der Bundesregierung, welcher die Empfehlungen des Kodex zuzurechnen seien, könnten diese gar nicht unberücksichtigt bleiben, sofern generalklauselartige gesetzliche Anforderungen an die Unternehmensführung zu konkretisieren seien.454 Weiter gehen Seibt und Schüppen, denen zufolge die Beachtung der Kodex-Empfehlungen für die Vermutung sorgt, dass der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters oder Aufsichtsrats nach §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG Rechnung getragen ist.455 Ihnen zufolge würden Befolger einer Empfehlung – die Anerkennung dieser Kodex-Verhaltensempfehlungen vorausgesetzt – sich sorgfaltspflichtgemäß verhalten und mit einer Umkehrung der Beweislastre450 So jeweils m. w. N. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 2; Spindler/Stilz/ Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 7; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (849). 451 Vgl. Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (170). 452 Vgl. mit unterschiedlichen Nuancen Thümmel, AG 2004, 83 (85); Deutscher Notarverein, NZG 2001, 185 (187); Seibt, AG 2002, 249 (250 f.); Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (170 f.); Lutter, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 1917 f. Zurückhaltend Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 103 („Eine abstrakte Sachverständigenauffassung kann für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit eines Verhaltens im Einzelfall nicht allein maßgeblich sein.“). Nach Borges, ZGR 2003, 508 (521) geht von den Kodizes zumindest derzeit keine Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen aus. Laut Berg/Stöcker, WM 2002, 1569 (1576) können die Regeln nur einen ersten Anhaltspunkt bei der Ausformung der Sorgfaltspflicht bilden. Nach Buchta, DStR 2003, 740 (742) kann zumindest derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kodex-Regelungen schon als allgemeine Übung durchgesetzt haben oder den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden, anerkannten Regeln widerspiegeln. 453 Dies befürwortend Thümmel, AG 2004, 83 (85). 454 Vgl. Seidel, ZIP 2004, 285 (290). 455 So Seibt, AG 2002, 249 (250 f.); Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1271). A. A. Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 104.

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gelung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zu ihren Gunsten rechnen können.456 Wichen die Organmitglieder hingegen von einer Kodex-Empfehlung ab, verbliebe es selbst bei entsprechender Erläuterung in der Erklärung nach § 161 AktG bei der für die Organmitglieder nachteiligen Beweislastverteilung.457 In diese Richtung weist ein Urteil des OLG Schleswig. Das Gericht hatte in einem Fall, in dem es um die Möglichkeit einer erfolgsabhängigen Vergütung für Aufsichtsratsmitglieder ging, entschieden, dass die gesetzliche Anerkennung des Kodex, der eine erfolgsabhängige Aufsichtsratsvergütung zulässt,458 durch § 161 AktG auf die Interpretation anderer aktienrechtlicher Vorschriften rückwirken muss.459 Hingegen entschied das LG München I in einem Verfahren, dessen Gegenstand die Anfechtungsklage eines Aktionärs gegen die Wahl zweier Aufsichtsratsmitglieder war, die unter Verletzung einer nach Ziff. 5.4.1 DCGK durch den Aufsichtsrat zuvor festgelegten Altersgrenze und bei zugleich erklärter uneingeschränkter Entsprechung der Kodex-Empfehlungen nach § 161 AktG erfolgt war, dass die Missachtung einer Kodex-Empfehlung mangels Gesetzes- oder Satzungsqualität nicht die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses nach § 243 Abs. 1 AktG begründen könne.460 b) Stellungnahme Kein haftungsbegründendes Verhalten stellt nach überwiegender Auffassung die erklärte, offene Nichtbeachtung von Kodex-Empfehlungen dar.461 Haftungsrechtliche Relevanz hat demgegenüber zwar das Unterlassen der Offenlegung von Abweichungen, da hierin ein Verstoß gegen die gesetzliche Erklärungspflicht aus § 161 Abs. 1 AktG liegt.462 Das Abweichen von einer Verhaltensankündigung stellt für sich genommen indes auch keine Pflichtverletzung dar,463 allein schon weil die Ab456 Seibt, AG 2002, 249 (251); Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1271); ähnlich Kort, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 945 (959). A. A. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 68; Hölters/ ders., AktG, § 161 Rn. 43; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 27; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 25; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353 (355). 457 Seibt, AG 2002, 249 (251); ähnlich Kort, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 945 (959). 458 Zum Zeitpunkt der Entscheidung sah der Kodex die Möglichkeit der erfolgsorientierten Aufsichtsratsvergütung in Ziff. 5.4.5 DCGK vor, gegenwärtig ist sie in Ziff. 5.4.6 DCGK geregelt. 459 OLG Schleswig, Urt. v. 19.9.2002 – 5 U 164/01, NZG 2003, 176 (179). Anders hingegen entschied dasselbe Gericht in einem späteren Beschluss, in welchem es ausführte, dass die Vorschriften des Kodex weder unmittelbare noch mittelbare Gesetzeskraft hätten, siehe OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 (454 f.). 460 LG München I, Urt. v. 22.11.2007 – 5 HKO 10614/07, AG 2008, 90 (91); so auch MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 90. 461 Vgl. nur Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 67; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 24a, 100 ff.; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 42; a. A. Lutter, ZHR 166 (2002), 523 (542 f.). 462 Vgl. Hölters/ders., AktG, § 116 Rn. 48. 463 So zu Recht Hölters/ders., AktG, § 116 Rn. 48; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 101 ff.; dahingehend auch Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 27.

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sichtserklärung keine Selbstbindung der Organe begründet.464 Letztlich darf dem Kodex als privatem Regelwerk aus unterschiedlichen Erwägungen keine normkonkretisierende Wirkung beigemessen werden.465 Dies zeigt sich zum einen daran, dass sich das DCGK-Regelwerk deutlich von den DIN-Normen unterscheidet, bei welchen sich der Staat Kontrollmöglichkeiten durch einen Vertrag mit den Normsetzern und durch explizite Regelung des Normsetzungsverfahrens vorbehalten hat.466 Die DIN-Normen beziehen sich zudem auf technische Sachverhalte und standardisiertes Erfahrungswissen, die empirisch überprüft werden können und deren technische Lösungen stets reproduzierbar sind, nicht hingegen auf normative Aussagen, wie sie der Kodex trifft.467 Solche Verhaltensanforderungen sind einer Vermutungsregel kaum zugänglich.468 Richtigerweise können die Kodex-Empfehlungen nur mittelbar und allein dann bedeutsam für den Sorgfaltsmaßstab der Organe werden, wenn sich auf ihrer Grundlage ein anerkannter best practice-Standard herausbildet, welcher von einer Vielzahl von Unternehmen für sinnvoll erachtet und praktiziert wird.469 Nicht der Kodex-Inhalt, sondern die tatsächliche Praxis der Unternehmen, die den Rechtfertigungsdruck für abweichende Marktteilnehmer zwar erhöhen kann, wenn die internen Gegebenheiten der Unternehmen im konkreten Einzelfall vergleichbar sind, ist dann allerdings Anknüpfungspunkt.470 Sind hingegen die Verhaltensempfehlungen in die Satzung, Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag implementiert worden, so ist das einzelne Organmitglied allein deshalb zu entsprechendem Verhalten intern verpflichtet.471 In diesem Fall kann ein abweichendes Verhalten von der jeweiligen Bestimmung eine Schadensersatzpflicht begründen. Ferner wird zu Recht betont, dass die pauschale Vermutung pflichtwidrigen Verhaltens im Fall der Nichtbefolgung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Haftungsverschärfung

464 Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 24a f., 101b; siehe hierzu 1. Kapitel § 5 D. VII. 465 H. M., vgl. nur Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 22 Rn. 14; MüKoAktG/ Spindler, § 93 Rn. 39; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 99; Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 530 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 46; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 24a; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 43; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 27; Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (228); Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353 (355); Seidel, ZIP 2004, 285 (290 f.); Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (847). 466 So Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 46; dahingehend auch Bachmann, WM 2002, 2137 (2138 f.); Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353 (355). 467 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 39; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 68; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (846 f.). 468 So Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 68. 469 Dahingehend auch Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 68. 470 Vgl. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 68. 471 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 39; ders., in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 68; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 99; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 24b; Hölters/ ders., AktG, § 161 Rn. 42; vgl. Buchta, DStR 2003, 740 (742).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

führen würde, zumal den Organmitgliedern bereits nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG die Beweislast für pflichtgemäßes Verhalten obliegt.472 Weiterhin darf den unverbindlichen Verhaltensempfehlungen nicht durch § 93 Abs. 1 und § 116 S. 1 AktG zu Gesetzeskraft verholfen werden.473 Mangels Rechtsnormqualität kann eine Haftung niemals an einen Verstoß gegen den Kodex anknüpfen.474 Jede Form mittelbarer Rechtswirkung stößt hier zwangsläufig auf verfassungsrechtliche Bedenken, fehlt es doch an einer über § 161 AktG, der selbst keine Pflicht zur Befolgung der Empfehlungen gebietet,475 hinausgehenden gesetzgeberischen Anerkennung und damit parlamentarischen Legitimation des Kodex.476 Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum sich ein Privatrechtssubjekt rechtfertigen muss, dass es Normen, die nicht von einem staatlichen, sondern einem privaten Gremium gesetzt werden, befolgt oder nicht.477 Der Kodex ist aufgrund seiner Veröffentlichung im amtlichen Teil des Bundesanzeigers und der Berufung der Kommissionsmitglieder durch die Bundesregierung richtigerweise dem Staat zuzurechnen.478 Als staatliches Handeln muss er allerdings nach Maßgabe des Art. 20 Abs. 3 GG mit dem Grundgesetz vereinbar sein.479 Die Ausübung der Staatsgewalt umfasst dabei nicht nur die Setzung verbindlicher Rechtsnormen und Einzelakte, sondern auch unverbindliche Empfehlungen, Warnungen und öffentliche Verlautbarungen staatlicher Organe.480 Folglich darf auch die Normsetzung durch die Kodex-Kommission nicht zu einer Einschränkung des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG führen,481 welches eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk über das Parlament zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Amtswaltern verlangt (sog. personelle demokratische Legitimation).482 Letzteres mag man noch annehmen können, sind doch die Mitglieder der Kodex-Kommission durch den Bundesjustizminister ernannt, der seinerseits nach Art. 64 Abs. 1 GG auf Vorschlag der vom Deutschen Bundestag gewählten Bundeskanzlerin durch den Bundesprä472

Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 43 mit Verweis auf Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 27. Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 43. 474 Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 100. 475 Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353 (354 f.). 476 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 39; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 43. Vgl. ferner m. w. N. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 11. 477 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 11. 478 Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001 (1003 f.); Hoffmann-Becking, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 337 (340); vgl. auch MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 26 f. 479 Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001 (1004). 480 Hoffmann-Becking, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 337 (342) m. w. N. 481 Spindler, NZG 2011, 1007 (1009); vgl. auch Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173 (1174). 482 BVerfG, Beschl. v. 1.10.1987 – 2 BvR 1178, 1179, 1191/86, BVerfGE 77, 1 (40); BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60 (72 f.); BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, BVerfGE 107, 59 (87); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 121, 84. EL August 2018; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 42, 84. EL August 2018. 473

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sidenten ernannt worden ist.483 Hingegen weckt das Besetzungsverfahren selbst Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit, denn die Einsetzung der Kommission durch das Bundesjustizministerium erfolgt bis heute ohne gesetzlichen Rahmen.484 Fraglich ist weiterhin, ob der Kodex auch den Anforderungen der sachlich-inhaltlichen demokratischen Legimitation485 genügt.486 Ob hierfür schon die bloße Rechtmäßigkeitskontrolle487 durch das Bundesjustizministerium ausreicht, ist zweifelhaft, da sich das Bundesjustizministerium nur ein beschränktes Ablehnungsrecht vorbehalten hat und nicht positiv über den Inhalt des Kodex entscheiden kann.488 Gleichermaßen fehlen gesetzliche Vorgaben zum Verfahren der Kommission. Der Vergleich mit §§ 48, 51 BImSchG zeigt etwa, dass für den Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften ein öffentliches Verfahren, insbesondere die Anhörung der beteiligten Kreise vorgeschrieben ist.489 Diesen Prinzipien wird der Kodex nicht gerecht. Ferner bleibt zu bedenken, dass der Zwang, sich aufgrund von Vorgaben, die nicht vom Parlament verabschiedet worden sind, für unternehmerische Verhaltensweisen öffentlich rechtfertigen zu müssen, einen besonderen grundrechtsrelevanten Rechtfertigungsdruck erzeugt.490 Bessere Gründe sprechen deshalb gegen die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des Kodex. Eine Geltung mittelbar durch normkonkretisierende Wirkung muss ihm auch aus diesem Grund versagt bleiben. Insbesondere gegen die Annahme einer Beweislastumkehr spricht ferner der Vergleich mit § 342 Abs. 2 HGB, wonach die Beachtung der die Konzernrechnungslegung betreffenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung vermutet wird, soweit die vom Bundesjustizministerium bekanntgemachten Empfehlungen einer nach § 342 Abs. 1 S. 1 HGB anerkannten Einrichtung beachtet worden sind. Im Gegensatz hierzu kennt § 161 AktG eine solche Vermutungswirkung gerade nicht.491 Laut Bachmann widerspricht dies auch dem Zweck des § 161 AktG, der den Unternehmen die Kodex-Befolgung freistellen und Nachteile aus seiner Nichtbefolgung

483 484 485

2018. 486

So auch Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001 (1005). Spindler, NZG 2011, 1007 (1008). Zum Begriff siehe Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 122, 84. EL August

Vgl. auch Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001 (1005 f.). Hier wird allein geprüft, ob der Kodex das Gesetzesrecht zutreffend wiedergibt und erläutert sowie ob die Empfehlungen nicht im Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen, siehe Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (229 f.). 488 Ablehnend etwa Hohl, Private Standardsetzung, S. 64 ff., 76 ff.; kritisch auch Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 11 ff.; Hoffmann-Becking, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 337 (339 ff.); MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 30. Vgl. hierzu auch Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (227 f.). 489 So auch Spindler, NZG 2011, 1007 (1009); zu § 48 BImSchG vgl. etwa Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 48 BImSchG, Rn. 1, 80. EL Mai 2016. 490 Dahingehend auch MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 30. 491 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 48; Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 81; ders., WM 2002, 2137 (2138). 487

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

allein dem Kapitalmarkt und der Öffentlichkeit überlassen möchte.492 Hinzu kommt erneut, dass die Kodex-Empfehlungen, anders als die Empfehlungen des in § 342 HGB angesprochenen Rechnungslegungsgremiums, mangels gesetzlich angeordneter Anerkennung der Kodex-Kommission durch das Bundesjustizministerium, ebenso wegen ihrer freihändigen Besetzung, keine vergleichbare Legitimation haben.493 Im Ergebnis begründet die Nichtbefolgung von Kodex-Bestimmungen im Grundsatz keine Verletzung der Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG.494 Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass die Kodex-Empfehlungen im Einzelfall den Anforderungen des Sorgfaltsmaßstabs nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG entsprechen.495 6. Befolgungszwang aufgrund drohender Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen? Selbst die potenzielle Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen sorgt nicht für einen justiziablen Befolgungszwang in Hinblick auf die Kodex-Empfehlungen. Nach Ansicht des BGH und weiter Teile der Literatur kann zwar eine fehlerhafte Entsprechenserklärung zumindest zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 120 AktG führen.496 In der Entscheidung Kirch/Deutsche Bank497 ergab sich die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung daraus, dass die Organmitglieder, unter Missachtung von Ziff. 5.5.3 S. 1 DCGK, den Interessenkonflikt des früheren Vorstandssprechers und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten, welcher aus der Schadensersatzklage des Aktionärs Kirch rührte, sowie den Umgang mit diesem Interessenkonflikt nicht offengelegt hatten.498 Sofern die Erklärung nach § 161 AktG von Anfang an in einem nicht unwesentlichen Punkt der tatsächlichen Praxis der Gesellschaft entspricht oder im Fall der späteren Abweichung von der ursprünglichen Entsprechenserklärung keine umgehende Berichtigung derselben erfolgt, zu welcher Vorstand und Aufsichtsrat nach überwiegender Ansicht verpflichtet sind,499 492

Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 81. Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (846). 494 Dahingehend auch Hölters/ders., AktG, § 116 Rn. 41. 495 So auch Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 24a. 496 BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9; BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, BGHZ 182, 272; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 88 – 92; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 91; Hölters/ders., AktG, § 161 Rn. 59; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 64; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 31. So auch schon Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (165). Vgl. ferner Mutter, ZGR 2009, 788 ff. 497 BGHZ 180, 9 ff. 498 Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (234). 499 BGHZ 180, 9; BGHZ 182, 272; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 71; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 43; MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 84; Hüffer/ Koch, AktG, § 161 Rn. 20. 493

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so liegt darin nach der Rechtsprechung des BGH ein Gesetzesverstoß nach § 243 Abs. 1 AktG, welcher einen diesem zuwider gefassten Entlastungsbeschluss (§ 120 AktG) anfechtbar macht, soweit die Organmitglieder die anfängliche oder später eintretende Unrichtigkeit der Erklärung kannten oder kennen mussten und sie dennoch nicht für eine Richtigstellung gesorgt haben.500 Der Gesetzesverstoß besteht dabei in der Missachtung des Normbefehls von § 161 AktG,501 der den Aktionären zugänglich zu machende Informationen über die Einhaltung der Kodex-Empfehlungen im gesamten Bereich der Gesellschaft verlangt.502 Da laut Rechtsprechung des BGH nur eindeutige, schwerwiegende Gesetzes- und Satzungsverstöße die Entlastungsentscheidung anfechtbar machen, muss der in der unrichtigen Entsprechungserklärung liegende Verstoß im konkreten Fall Gewicht haben und über einen Formalverstoß hinausgehen.503 Diese Fehlerhaftigkeit muss zu einem Informationsdefizit der Aktionäre führen, welches sich auf die Tragfähigkeit ihrer Entlastungserklärung auswirkt.504 Laut Ulmer kann die Relevanz zumindest dann bejaht werden, wenn sich die nicht befolgte Kodex-Empfehlung auf die Leitungs- oder Überwachungsaufgaben der Organe bezieht.505 Auch bei Wahlbeschlüssen bejahen zumindest instanzgerichtliche Entscheidungen deren Anfechtbarkeit infolge unrichtiger Entsprechungserklärungen nach §§ 243, 251 AktG.506 Zu dieser Frage hat der BGH bislang allerdings nicht Stellung bezogen.507 Zwar unterstreicht die Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen und Wahlbeschlüssen die Pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat, jederzeit die inhaltliche korrekte Verlautbarung der Entsprechungserklärungen zu überprüfen.508 Daraus resultiert aber keine Befolgungspflicht in Hinblick auf die Kodex-Empfehlungen selbst. Die Verletzung von Kodex-Empfehlungen selbst führt für sich genommen nicht zur Anfechtbarkeit, da es sich bei diesen eben nicht um Gesetze handelt und ihm

500 BGHZ 180, 9; BGHZ 182, 272. Anders noch die Vorinstanz zu BGHZ 180, 9, der zufolge schon kein Verfahrensmangel vorlag, siehe OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, AG 2007, 672 (674). Dem ist der BGH im Anschluss zu Recht entgegengetreten. Siehe hierzu auch Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (226). 501 MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 90. 502 BGHZ 180, 9. 503 So die Macrotron-Entscheidung des BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, BGHZ 160, 385; BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14; BGH; Beschl. v. 14.5.2013 – II ZR 196/12, NZG 2013, S. 783; vgl. auch Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 15; Hüffer/Koch, AktG, § 120 Rn. 11 f.; Goette, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 225 (231 f.). Dahingehend auch das LG Krefeld, Urt. v. 20.12.2006 – 11 O 70/06, ZIP 2007, 730 (733). 504 MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 91. 505 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (165). 506 OLG München, Urt. v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, AG 2009, 294 (295); LG Hannover, Urt. v. 17.3.2010 – 23 O 124/09, AG 2010, 459 (463); ablehnend MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 93. 507 Vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2009 – II ZR 14/09, juris. 508 Vgl. zu dieser Aktualisierungspflicht 1. Kapitel § 5 D. VII.

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keine satzungsgleiche Wirkung zukommt.509 Auch der BGH sieht ausdrücklich in der mangelhaften Entsprechenserklärung allein den Anfechtungsgrund, nicht hingegen in dem Verstoß gegen die Kodex-Empfehlung selbst.510 Solange dies offengelegt wird, kann die Gesellschaft ohne Weiteres von sämtlichen Kodex-Empfehlungen abweichen. Zwingenden Charakter für die Empfehlungen bedingt die Anfechtbarkeit von Beschlüssen daher in keinem Fall. 7. Befolgungszwang durch § 823 Abs. 2 BGB? Möglich wäre indessen, die Empfehlungen als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Eine Missachtung der Empfehlungen würde dann – einen adäquat kausal entstandenen Schaden vorausgesetzt – eine deliktische Haftung bedingen. Die Folge wäre, dass die Unternehmensführung zur Befolgung der Empfehlungen verpflichtet wäre, um eine Haftung zu umgehen. Richtigerweise wird man die Kodex-Empfehlungen jedoch nicht als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ansehen können.511 Zum einen handelt es sich bei den Kodex-Bestimmungen nicht um Rechtsnormen i. S. d. Art. 2 EGBGB.512 Ungeachtet dessen können die Empfehlungen auch nicht als Schutzgesetze eingeordnet werden. Eine Norm bezweckt den Schutz eines anderen, wenn sie wenigstens auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen.513 Die Schaffung eines individuellen Schadenersatzanspruches muss dabei sinnvoll und im Rahmen des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen.514 Dabei muss in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in welchen die betreffende Norm gestellt ist, geprüft werden, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen.515 Insbesondere letzteres ist aber vorliegend ausgeschlossen, da, wie bereits erwähnt, 509 So zu Recht OLG München, AG 2009, S. 294; KG Berlin, Urt. v. 26.5.2008 – 23 U 88/ 07, AG 2009, 118 (119); Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (171); zustimmend Arnold, in: MarschBarner/Schäfer, Handbuch, § 22 Rn. 14. Vgl. hierzu ferner 1. Kapitel § 5 D. VII. 1. und 2. 510 Vgl. BGHZ 180, 9: „Das Fehlen des in Ziff. 5.5.3 Satz 1 DCGK empfohlenen Berichts über die Interessenkollision und deren Behandlung war zwar mangels Gesetzeskraft dieser Regelung nicht unmittelbar gesetzwidrig, führte aber dazu, dass die bis zur Hauptversammlung (…) und darüber hinaus aufrecht erhaltene ,Entsprechenserklärung‘ (…) in einer für die Organentlastung relevanten Hinsicht unrichtig war (…).“ Darin läge ein Gesetzesverstoß, welcher zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse insgesamt und nicht nur zur Teilanfechtbarkeit der Entlastung des Aufsichtsratsmitglieds führe. 511 Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, AktG, § 161 Rn. 100; Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 28; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353 (359). 512 Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 3, 28; Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (171); ders., ZHR 166 (2002), 150 (168); vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 5 D. VII. 1. 513 Palandt/Sprau, § 823 BGB, Rn. 58. 514 BGH, Urt. v. 19.2.2008 – IX ZR 170/07, NJW 2008, 1734 (1736); BGH, Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800 (1802). 515 BGH, NJW 2008, 1734 (1736); BGH, NJW 2012, 1800 (1802).

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selbst ein Abweichen von den Kodex-Empfehlungen keinen Verstoß gegen den Kodex darstellt.516 Damit fehlt den Kodex-Empfehlungen die für die Annahme eines Schutzgesetzes erforderliche Verbindlichkeit.517 8. Stellungnahme Zwingenden Charakter kommt den Bestimmungen und insbesondere den Empfehlungen des Kodex nicht zu. Am trefflichsten lässt er sich noch als „Auffassung eines öffentlich-rechtlich bestellten Sachverständigengremiums“ bezeichnen.518 Wie dargelegt können weder die Erklärungspflicht noch die Empfehlungen ohne Gesetzesrang die gesetzliche Haftung nach §§ 93 und 116 AktG modifizieren.519 Umgekehrt stellt die Nichtbefolgung von Empfehlungen ebenso wenig ein Indiz für pflichtwidriges Verhalten dar.520 Ein justiziabler Befolgungszwang resultiert aus den Empfehlungen also nicht. Zuzustimmen ist daher Bachmann, dem zufolge man den Kodex-Empfehlungen folgen mag oder nicht.521 Der Verwaltung bleibt es freigestellt, eine hauseigene Corporate Governance zu entwerfen und zu befolgen. Hierin liegt die eigentliche Bedeutung des § 161 AktG.522 Selbst die Gesetzesbegründung geht im Übrigen von der Unverbindlichkeit der Verhaltensempfehlungen aus.523 Darin kann auch der im Zusammenhang mit dem Kodex häufig zitierte „faktische Befolgungszwang“524, da Unternehmen im Falle der Nichtbeachtung der Kodex-Empfehlungen fürchten, von institutionellen Anlegern „abgestraft“ zu werden,525 nichts ändern, trifft dies doch keine Aussage über die Rechtsqualität des Kodex. Am Ende steht fest, dass aus den Kodex-Empfehlungen kein bindender Handlungsmaßstab im Sinne eines Unternehmensinteresses als Leitmaxime für Vorstand und Aufsichtsrat abzuleiten ist. VIII. Business Judgement Rule Die unternehmerische Leitmaxime findet seit Inkrafttreten des UMAG526 im Jahr 2005 andeutungsweise Erwähnung in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der sog. Business 516

Ähnlich Berg/Stöcker, WM 2002, 1569 (1578). So auch Kiethe, NZG 2003, 559 (566); Abrams, ZBB 2003, 41 (45). 518 So Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 101. Vgl. auch die Stellungnahme bei KK/ Lutter, § 161 Rn. 11 („Empfehlungen eines unabhängigen Expertengremiums“). 519 Siehe auch MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 42; Leyens, in: Großkomm. AktG, § 161 Rn. 536. 520 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 42 m. w. N. 521 Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 81; vgl. auch ders., WM 2002, 2137 (2139). 522 So zu Recht Bachmann, WM 2002, 2137 (2139). 523 Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769, S. 21. 524 Vgl. MüKoAktG/Goette, § 161 Rn. 26. 525 Börsig/Löbbe, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 125 (141). 526 Siehe oben Einführung, Fn. 28. 517

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Judgement Rule527, welche nach Maßgabe des § 116 S. 1 AktG auch Geltung bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats beansprucht528, also soweit dieser an der Leitung der Gesellschaft beteiligt ist529. Die Literatur fasst das „Wohl der Gesellschaft“ zumeist im Sinne des Unternehmensinteresses530 oder des Gesellschaftsinteresses531 auf. Ein Handeln zum „Wohle der Gesellschaft“ liegt ausweislich der Gesetzesbegründung zum UMAG532 jedenfalls vor, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient.533 Entscheidend ist dabei aber, dass § 93 527 Vgl. nur Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 13. Zur Entstehungsgeschichte der deutschen Business Judgement Rule siehe v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (645 f.). 528 Siehe hierzu nur Hüffer/Koch, AktG, § 116 Rn. 5; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 13; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 43; Hölters/Hamblock-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 Rn. 26; Paefgen, AG 2014, 554 (556 f.). 529 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 68. 530 So Hölters/ders., AktG, § 93 Rn. 37; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 18; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 93 AktG, Rn. 23; MünchHdbGesR/Wiesner, § 25 Rn. 62; Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1257); Kort, AG 2012, 605 (607); Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (618). Ähnlich Fleischer, ZIP 2004, 685 (690): „Man wird darin aber kein Abrücken von der (…) Figur des Unternehmensinteresses erblicken können, sondern allenfalls eine terminologische Lässlichkeit, die an dem Spielraum der Leitungsorgane zur Austarierung der multipolaren Interessen nichts ändern dürfte.“ Vgl. ferner MüKoAktG/Spindler, AktG, § 93 Rn. 53 f.; Ziemons, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 8.727 f., 73. EL August 2016; Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230). 531 Mülbert, AG 2009, 766 (773); Schnorbus/Plassmann, ZGR 2015, 446 (452 f.); Paefgen, AG 2008, 761 (766); ders., AG 2014, 554 (559, 562, 572). 532 Siehe oben Einführung, Fn. 28. 533 Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Das „Wohl der Gesellschaft“ ist ferner Tatbestandsmerkmal in den §§ 111 Abs. 3 S. 1 und 121 Abs. 1 Var. 3 AktG, die jeweils die Einberufung der Hauptversammlung betreffen, einerseits durch den Aufsichtsrat und andererseits durch den Vorstand. Für die hier anzustellende Betrachtung helfen beide Normen indes nicht weiter. „Wohl der Gesellschaft“ wird man im Sinne von „Wahrung der Gesellschaftsinteressen“ aufzufassen haben, so Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 121 Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG, § 121 Rn. 5; vgl. auch MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 105; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 57; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 45. § 121 Abs. 1 Var. 3 AktG stellt keine eigenständige, generalklauselartige Erweiterung der Einberufungsgründe dar, sondern setzt eine anderweitig begründete Beschlusskompetenz der Hauptversammlung voraus, siehe Hüffer/Koch, AktG, § 121 Rn. 5, MüKoAktG/Kubis, § 121 Rn. 9; Spindler/Stilz/ Rieckers, AktG, § 121 Rn. 10. Auch § 111 Abs. 3 S. 1 AktG verlangt, dass die Hauptversammlung über den Gegenstand, hinsichtlich dessen ihre Einberufung in Frage steht, Beschluss fassen kann, siehe Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 30; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 104; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 57. In beiden Fällen ist weitere Voraussetzung, dass die Einberufung der Hauptversammlung respektive die Beschlussfassung zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft bzw. zum „Wohl der Gesellschaft“ erforderlich ist, siehe Spindler/ Stilz/Rieckers, AktG, § 121 Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 30; § 121 Rn. 5; Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 481. Demgemäß kann die Konkretisierung des „Wohls der Gesellschaft“ in diesem Zusammenhang nur anhand der Kompetenzen der Hauptversammlung erfolgen, Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 30. Dabei kommen insbesondere der Entzug des Vertrauens gegenüber einem Vorstandsmitglied nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG, um

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Abs. 1 S. 2 AktG selbst nicht den Maßstab, mithin die Leitmaxime bildet, anhand derer beurteilt wird, ob eine unternehmerische Entscheidung zur Haftung führt. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG setzt diesen Maßstab voraus. Wenn das Organmitglied vernünftigerweise534 annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, erfordert dies, dass bereits feststeht, was das Gesellschaftswohl beinhaltet. Das Handeln zum „Wohle der Gesellschaft“ muss deshalb im Rahmen der Business Judgement Rule auch nicht objektiv gegeben sein. Es reicht aus, dass das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, dem Wohle seiner Gesellschaft zu dienen.535 Es kommt also auf das ex ante angestrebte und nicht auf das ex post erkannte Gesellschaftswohl an.536 Aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG lässt es sich folglich nicht ableiten. Damit kann § 93 Abs. 1 S. 2 AktG allenfalls als legislative Bestätigung der Existenz einer unternehmerischen Leitmaxime angesehen werden, über dessen Inhalt sie allerdings keine Aussage trifft.

dem Aufsichtsrat eine Abberufung aus wichtigem Grund zu ermöglichen (dies ist für § 111 Abs. 3 S. 1 AktG relevant), sowie Umstrukturierungsmaßnahmen im Sinne der Holzmüller/ Gelatine-Rspr. des BGH in Betracht (siehe hierzu Fn. 856), Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 57; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 30; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 68; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 45; Hölters/Drinhausen, AktG, § 121 Rn. 10. M. a. W. geht es bei diesen Fällen stets um substanzielle, wesentliche Belange, die das „Wohl der Gesellschaft“ betreffen. Insoweit kann dem aber nichts für eine aktienrechtliche Leitmaxime entnommen werden. Ferner betreffen beide Vorschriften Fragen der kompetenziellen Ordnung der AG und sind stark im Gesellschaftsorganisationsrecht verhaftet. Sie können auch deshalb nichts zur dogmatischen Rechtfertigung und Ausfüllung des Unternehmensinteresses im Sinne einer Leitmaxime beitragen. 534 Mit „vernünftigerweise“ hat der Gesetzgeber indessen zum Ausdruck gebracht, dass nicht jede noch so leichte Fehleinschätzung der Informationsgrundlage oder irgendeine leichte Fehlgewichtung des Gesellschaftswohls zur Haftung führt, sondern allein die „unverantwortliche“, Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9). Maßgeblich ist daher grundsätzlich eine subjektive Perspektive, Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 23. An dem Erfordernis des Handelns zum Wohle der Gesellschaft fehlt es damit, wenn die vom Vorstand getroffene Entscheidung schlechthin unvertretbar ist, Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 18 m. w. N., mithin, „wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist, Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Dieses Verständnis fügt sich in das Bild der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 ff.), der zufolge der Vorstand erst haftet, „wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind“, BGHZ 135, 244 (253 f.). Zweck dieser Schwelle in der kodifizierten Business Judgement Rule ist es, der Gefahr von Rückschaufehlern (handsight bias) durch die Gerichte zu begegnen, vgl. Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9); kritisch daher Paefgen, AG 2014, 554 (562). 535 Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (231); MünchHdbGesR/Wiesner, § 25 Rn. 62 f. 536 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 74; Hölters/ders., AktG, § 93 Rn. 39.

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IX. Zwischenergebnis Damit steht fest, dass die in der Literatur bislang vertretenen Begründungsansätze als Grundlage eines Unternehmensinteresses nicht überzeugen.537 Gerade die Diskussion um die Verselbstständigung des Unternehmens gegenüber dem Rechtsträger und sämtliche Versuche, die Verbandsherrschaft von den Gesellschaftern zu entkoppeln, machen deutlich, in welchem Maße das vermeintlich ideologieresistente Gesellschaftsrecht in hohem Maße politisch instrumentalisiert wurde.538 Ebenso wenig bieten verfassungsrechtliche oder europarechtliche Vorgaben, der DCGK oder § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein überzeugendes Fundament. Ungeachtet der ausstehenden juristischen Rechtfertigung werden in der Literatur verschiedene Konzepte eines Unternehmensinteresses vertreten. Diese werden im Folgenden dargestellt und daraufhin untersucht, ob sie für die weitere Betrachtung und den Pflichtenkanon des Aufsichtsrats fruchtbar gemacht werden können.

E. Die inhaltliche Bestimmung des Unternehmensinteresses In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen des Unternehmensinteresses aus mitbestimmungs-, unternehmens- und gesellschaftsrechtlicher Perspektive entwickelt. Trotz der überaus kontroversen Diskussion hat sich bis heute kein Konsens und einheitlicher Standard ergeben. Der übereinstimmende Gebrauch des Begriffs „Unternehmensinteresse“ verschleiert gemeinhin die schwerwiegenden Meinungsdifferenzen.539 Neben den früheren Ansätzen der Literatur findet sich im neueren Schrifttum sowohl eine verstärkte Orientierung am sog. Shareholder Value-Ansatz als auch die Anlehnung an StakeholderInteressen. Diese Konzepte werden im Folgenden, beginnend mit dem älteren Schrifttum, dargestellt und gewürdigt. I. Frühere Literaturansätze Die früheren Ansätze der Literatur lassen sich grob in vier verschiedene Konzeptionen einteilen.540 Diese Auffassungen unterscheiden sich mitunter durch die divergierende Betonung inhaltlicher und prozeduraler Aspekte und die Einschätzung des Unternehmensinteresses als eigenständig oder nicht. Die Autoren des letzten

537 So auch Mülbert, AG 2009, 766 (772): „Resümierend bleibt festzuhalten, dass die Figur des Unternehmensinteresses im geltenden Recht trotz breiter gegenteiliger Rhetorik ohne rechtliche Legitimation bleibt“. 538 Ähnlich Groh, DB 2000, 2153 (2158). 539 So auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (142). 540 Vgl. auch die differierende Einteilung von Mülbert, ZGR 1997, 129 (142 f.) sowie von Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 77.

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Meinungsstrangs sprechen dem Unternehmensinteresse keine besondere Bedeutung zu oder halten es für mit dem Gesellschaftsinteresse identisch. 1. Eigenständiges Unternehmensinteresse Die früher wohl herrschende Ansicht in der Literatur sah im Unternehmensinteresse ein von den Interessen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten zu unterscheidendes selbstständiges Interesse des Unternehmens mit eigenständigem materiellen Gehalt. Bei manchen Autoren lag dabei die Betonung stärker auf dem Unternehmen als Interessenträger (Flume, Raiser) oder es wurde nicht als Interessenträger angesehen (Raisch, Mertens). Ferner war dieses Unternehmensinteresse entweder unabhängig und keine Resultante der verschiedenen Partikularinteressen der Beteiligten im Unternehmen (Flume) oder im Gegensatz hierzu ein abhängiges und das Ergebnis einer Abwägung dieser Einzelinteressen (Mertens). Raisch und Mertens brachten zudem prozedurale Elemente in die Diskussion mit ein, ohne aber auf den normativen Gehalt des Unternehmensinteresses verzichten zu wollen. Eine weitere Unterscheidung bestand darin, ob dieses eigenständige Unternehmensinteresse entweder festlegt, auf welche Art die gegebenen Partikularinteressen jeweils zur Geltung gelangen (Flume, Raisch), oder ob es als eigenständiger Belang neben den Individualinteressen der Unternehmensbeteiligten in die Abwägung mit einfließt (Raiser). a) Der Ansatz Flumes Seiner Lehre vom verfassten Unternehmen folgend beschrieb Flume das Unternehmensinteresse als selbstständiges Moment und den Einzelinteressen der Unternehmensangehörigen vorgeordnet.541 Das Unternehmensinteresse sei deshalb nicht bloße Resultante der verschiedenen beteiligten Interessen, sondern seinerseits die Voraussetzung für die Befriedigung dieser Interessen durch das Unternehmen. Das Unternehmensinteresse bestimme, „welches der häufig divergierenden Interessen der Unternehmensbeteiligten und wie weit es im Einzelfall zur Geltung kommen sollte.“542 Ist, so Flume, das Unternehmensinteresse ein selbstständiges Moment, das den Bestand des Unternehmens als einer wirtschaftlichen, also auf Rentabilität ausgerichteten Leistungseinheit zum Gegenstand hat, so gilt für die Verfolgung des Unternehmensinteresses, dass der Bestand des Unternehmens als wirtschaftliche Leistungseinheit regelmäßig nur zu wahren ist, wenn alle Interessen beachtet worden sind.543 Die Aktionäre sollen dabei nicht der unmittelbare Bezugspunkt für die Verfolgung des Unternehmensinteresses durch die Organe der Aktiengesellschaft 541

Flume, in: Sandrock, FS Beitzke, 43 (60). Flume, in: Sandrock, FS Beitzke, 43 (60) mit Verweis auf Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (357). 543 Flume, in: Sandrock, FS Beitzke, 43 (60). 542

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sein.544 Dieses Interesse stehe aber mittelbar in Bezug zum Aktionärsinteresse, da den Aktionären aufgrund ihrer Mitgliedschaft der ausschüttungsfähige Gewinn und etwaige Liquidationserlös zustände. Entsprechend der Identifikation von Unternehmen und juristischer Person bei der Aktiengesellschaft seien bei dieser Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse identisch. Flumes Ansatz fußt auf seiner Lehre von der Identität von Aktiengesellschaft und Unternehmen. Diese ist, wie bereits dargestellt545, mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Überhaupt lässt Flume den Leser im Unklaren, wie einerseits das Unternehmensinteresse nicht aus den Partialinteressen der Unternehmensbeteiligten abzuleiten ist, es aber andererseits bestimmen soll, welche dieser divergierenden Individualinteressen und inwieweit diese zur Geltung gelangen können. Endgültig verwundert die Aussage Flumes, wonach für die Verfolgung des Unternehmensinteresses, das den Bestand des Unternehmens als einer rentabilitätsorientierten Leistungseinheit zum Gegenstand habe, gelte, dass der Bestand des Unternehmens regelmäßig nur zu wahren sei, wenn alle Interessen beachtet worden seien. Wie exakt einerseits der bestandsorientierte Ansatz und die Ausrichtung auf die Partialinteressen miteinander zu vereinbaren sind, erklärt der Autor nicht. Gänzlich unhaltbar ist die Aussage Flumes, dass bei der Aktiengesellschaft das Unternehmensinteresse mit dem Gesellschaftsinteresse gleichbedeutend sei. Dies ergibt sich bereits aus der begründeten Ablehnung seiner Identifikationslehre. b) Der Ansatz Raisers Raiser bezog das Unternehmensinteresse auf einen überindividuell verstandenen Unternehmensbegriff.546 Das Unternehmen habe, wie jede andere soziale Organisation vier Aufgaben zu bewältigen, um sich auf Dauer zu behaupten: Zielverwirklichung, Integration, Anpassung und Selbsterhaltung.547 Zielverwirklichung bedeute, unter Einsatz rationaler Methoden wirtschaftlich wertvolle Güter oder Dienstleistungen zu produzieren sowie an andere abzugeben und dadurch zur rationellen, ökonomisch wertvollen Leistungserstellung und -verwertung als Hauptziel des Unternehmens beizutragen. Integration bedeute, die Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten in ausreichendem Maße zu befriedigen. Anpassungsfähigkeit ziele primär auf die Flexibilität des Unternehmens gegenüber Umweltveränderungen ab. Dies betreffe sowohl Veränderungen auf den Faktormärkten als auch Wandlungen in den gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Strukturelle Stabilität erfordere mitunter „ausreichende wirtschaftliche Reserven, soziale Ausgeglichenheit und Stabilität (…) sowie eine normative Ordnung, welche die Rechtsbeziehungen zwischen den Be544

Flume, in: Sandrock, FS Beitzke, 43 (63). Siehe hierzu 1. Kapitel § 5 D. VI. 2. 546 Siehe Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (118 f.). 547 Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (105 ff.) in Anlehnung an die vier a social system’s independent functional imperatives nach Parson/Smelser, Economy and Society, S. 16 ff. 545

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teiligten angemessen und dauerhaft festlegt.“548 Hinzu komme eine langfristig angelegte Unternehmenspolitik sowie „das Bestreben, die wirtschaftliche und rechtliche Selbstständigkeit aufrechtzuerhalten.“549 Daraus resultiere das Unternehmensinteresse als „multidimensionale und außerordentlich komplexe Größe“, deren zahllose Komponenten sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen, sondern einander widersprechen und aufheben können.550 Auch Raisers Ansatz ist auf einer, wie dargelegt551, verfehlten Interpretation des Unternehmensbegriffs begründet. Seine Feststellung, das Unternehmensinteresse sei eine „multidimensionale und außerordentlich komplexe Größe“ bringt zwar die Grundproblematik der Bestimmung des Unternehmensinteresses zur Sprache.552 Gleichwohl bemüht sich Raiser nicht um die Erhellung dieses Begriffs. Auch sein Postulat nach dem unternehmerischen „Bestreben, die wirtschaftliche und rechtliche Selbstständigkeit aufrechtzuerhalten“, weckt aufgrund seiner Pauschalität Skepsis, sind doch Fälle denkbar, in denen eine Konzernierung eine Unternehmung rentabler und überlebensfähiger macht und dadurch den Interessen sämtlicher Unternehmensbeteiligter dient. c) Der Ansatz Raisch’ Auch laut Raisch ist das Unternehmensinteresse nicht identisch mit dem Interesse eines Einzelnen oder einer Gruppe von Unternehmensbeteiligten.553 Insbesondere sei das Unternehmen als soziales Gebilde nicht Träger des Unternehmensinteresses. Vielmehr habe das Unternehmensinteresse die Funktion, das Unternehmen als Bezugsobjekt der häufig divergierenden Interessen (als ein selbstständiges) zu erhalten und die heterogenen Interessen zu integrieren. Primär folge damit aus dem Unternehmensinteresse die Pflicht des Vorstands und des Aufsichtsrats zur Kapitalerhaltung als Minimum des Rentabilitätsziels und folglich zur Erhaltung des Unternehmens selbst.554 Ferner gebe das Unternehmensinteresse Vorstand und Aufsichtsrat vor, für die Erhaltung der Selbstständigkeit des Unternehmens zu sorgen und insbesondere zu vermeiden, dass das Unternehmen in eine Abhängigkeit i. S. d. §§ 15 ff. AktG gerate, sofern sich nicht ausnahmsweise das Unternehmen anders nicht mehr erhalten ließe.555 Die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse gebiete es ferner, vom „Oberziel“, also der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung, die 548

Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (107). Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (107). 550 Raiser, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse, FS R. Schmidt, 101 (108). 551 Siehe oben hierzu 1. Kapitel § 5 D. V. 1. 552 So schon Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 49; siehe hierzu auch Laske, ZGR 1979, 173 (187). 553 Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (363). 554 Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (361). 555 Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (362). 549

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konkreten Zielentscheidungen zu trennen, welche das in der Zielvorgabe zur Geltung kommende Interesse der Aktionäre mit den übrigen Interessen ausgleichen solle.556 Innerhalb der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung der Aktiengesellschaft obliege es dem Vorstand unter Mitwirkung des Aufsichtsrats, die Leistungs- und Gewinnkonzeption im Einzelnen unter Beachtung des Unternehmensinteresses zu entwickeln und zu realisieren.557 Dabei sei entscheidend, dass die relevanten Interessen der Unternehmensbeteiligten im Einzelfall gewahrt und pflichtgemäß abgewogen würden.558 Kein Partialinteresse besitze prinzipiell Vorrang. Raisch betont ebenfalls das Minimalziel der Erhaltung des Unternehmens selbst und insbesondere die Notwendigkeit seines Schutzes vor einer Abhängigkeit i. S. d. §§ 15 ff. AktG. Diese Aussage stößt wegen ihrer Undifferenziertheit – trotz der Einschränkung, sofern sich das Unternehmen sonst nicht mehr erhalten ließe – auf die bereits geäußerten Bedenken. Schuldig bleibt Raisch in jedem Fall eine Begründung, woraus sich dieses Minimalziel ergibt,559 ebenso welche Interessen bei der Abwägung zur Gewinnung des Unternehmensinteresses „relevant“ und damit berücksichtigenswert sind.560 Ferner unterbleibt die Erklärung, auf welche Art das Unternehmensinteresse seine angebliche Aufgabe, die heterogenen (Partial-)Interessen zu integrieren, erfüllt. Mit der Betonung der Integrationsfunktion fügt er seinem Ansatz einen neuen, wesentlichen Aspekt hinzu, ohne darzulegen, wie dieser Prozess ablaufen soll. d) Der Ansatz Mertens’ Mertens vertritt die Auffassung, dass der Gesetzgeber ein den Interessen beider Seiten übergeordnetes Unternehmensinteresse als gemeinsamen Bezugsrahmen für alle Aufsichtsratsmitglieder bejahe.561 Da ein eigenes Interesse des Unternehmens an sich selbst nicht bestehen könne, könne es als maßgebliche Verhaltensnorm nur abgeleitet werden aus den rechtlich relevanten Interessen der Öffentlichkeit und aller Beteiligten. Als Ausgangspunkt komme ein rechtlich relevantes volkswirtschaftliches Interesse an der Erhaltung solcher Unternehmen in Betracht, welche zur Rentabilität fähig seien.562 Ferner gebe es ein Interesse daran, dass die Produktionsfaktoren, welche in einem zur Rentabilität fähigen Unternehmen vereinigt seien, nicht zerschlagen würden, allein weil das Management versagt habe. Die zur Wertschöpfung fähige Organisation von Produktionsfaktoren habe einen über ihren Einzelwert hinausgehenden Wert. In diesem umgrenzten Sinn sei ein volkswirt556 557 558 559 560 561 562

Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (360). Raisch, in: Fischer u. a., FS Hefermehl, 347 (363). Raisch, in: Fischer, u. a., FS Hefermehl, 347 (354, 361 ff.). Vgl. auch die Bedenken von Laske, ZGR 1979, 173 (188). Zweifelnd auch Laske, ZGR 1979, 173 (188 f.). Mertens, ZGR 1977, 270 (275). Mertens, ZGR 1977, 270 (275 f.).

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schaftlich begründetes Bestandsinteresse für das Unternehmen anzuerkennen. Der Unternehmensbestand setze voraus, dass die maßgeblichen Unternehmensbeteiligten ihre möglicherweise divergierenden Zielauffassungen immer wieder zu einem einheitlichen Zielsystem integrierten.563 Insofern könne man von einem Integrationsinteresse sprechen, welches durch die dauernde Bildung eines konkreten aktuellen Unternehmensinteresses erfüllt werde. Dieser Integrationsprozess entspreche auch dem gemeinsamen Interesse aller Unternehmensbeteiligten, obwohl deren spezifische Interessen im Einzelnen dabei nur zum Teil verwirklicht werden könnten. Dieses gemeinsame Interesse richte sich gerade auf die Herstellung eines das Unternehmen erhaltenden Interessenausgleichs zwischen den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten. Überdies gebe es ein Rechtsmäßigkeitsinteresse und ein darin enthaltenes Verbot der Misswirtschaft.564 Dagegen soll es laut Mertens kein eindeutiges volkswirtschaftliches und allen Beteiligten gemeinsames Interesse an der Gewinnmaximierung geben.565 Allein den Aufsichtsrat unterstellt Mertens dem „normativen Unternehmensinteresse“, beschrieben als „Interesse an der Erhaltung des Unternehmens und am rechtmäßigen Gang der Geschäftspolitik“.566 Hingegen bleibe die Definierung des „aktuellen Unternehmensinteresses“ im Rahmen des „normativen Unternehmensinteresses“, „wie also die eigentliche Unternehmerfunktion wahrgenommen wird, (…) in einer freien Wirtschaftsordnung dem Ermessen der Kräfte überlassen, die innerhalb des Unternehmens die Unternehmenspolitik zu bestimmen habe.“567 Damit ist offensichtlich vorrangig der Vorstand gemeint.568 Mertens bleibt zum einen die Erklärung schuldig, welche Interessen „relevant“ genug sind, um bei der Bildung des Unternehmensinteresses Berücksichtigung zu finden. Ferner bringt Mertens, wie auch schon Raisch, prozedurale Elemente in die Diskussion mit ein, ohne allerdings die notwendige Erläuterung zu liefern, auf welche Art und mit welcher Gewichtung die Unternehmensbeteiligten ihre (divergierenden) Belange integrieren sollen. Die Etikettierung als „Integrationsinteresse“ hilft an dieser Stelle nicht weiter. Die Feststellung, dass „Misswirtschaft“ im Unternehmen unzulässig sei, ist demgegenüber eine Selbstverständlichkeit. Die Unterscheidung schließlich zwischen „normativem“ und „aktuellem“ Unternehmensinteresse trägt zwar offensichtlich dem Umstand Rechnung, dass das Unternehmensinteresse nur genereller Natur sein kann, andernfalls wäre es als allgemeingültiger Rechtssatz unbrauchbar. Insofern ist es zwingend, dass in konkreten unternehmerischen Entscheidungen „Aktualisierungen“, sprich Spezifizierungen, notwendig sind; dies ist allerdings keinesfalls allein die Aufgabe des Vorstandes, wie 563

Mertens, ZGR 1977, 270 (276). Mertens, ZGR 1977, 270 (277). 565 Mertens, ZGR 1977, 270 (277). 566 Mertens, ZGR 1977, 270 (277 f.). 567 Mertens, ZGR 1977, 270 (277). 568 Vgl. die Interpretation von Laske, ZGR 1979, 173 (185) sowie Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 47. 564

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

aus § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ersichtlich ist. Wenn Mertens hieraus folgert, dass beide Leitungsorgane deshalb verschiedenen Leitmaximen unterliegen, verkennt er den Grundsatz, dass alle Gesellschaftsorgane einheitlichen normativen Zielvorgaben verpflichtet sind.569 Nicht unterschätzt werden darf auch, dass die alleinige und zwingende Interpretation eines „aktuellen“ Unternehmensinteresses durch den Vorstand die Gefahr der Kontrolllosigkeit in sich birgt.570 2. Kein eigenständiges Unternehmensinteresse (Schilling) Für Schilling hat das Unternehmensinteresse keinen eigenständigen materiellen Gehalt.571 Selbst die Aufrechterhaltung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Selbstständigkeit des Unternehmens sei angesichts der von der Rechtsordnung gegebenen Möglichkeiten der Auflösung, Verschmelzung, Umwandlung und Konzernbildung kein besonderer Gegenstand des Unternehmensinteresses. Vielmehr ergebe sich das Unternehmensinteresse aus der Abwägung aller beteiligten Interessen, nämlich der Anteilseigner an der Gewinnerzielung und Substanzerhaltung, der Arbeitnehmer an der Erhaltung ihrer Arbeitsplätze, an angemessener Entlohnung und humanen Arbeitsbedingungen sowie der Allgemeinheit an der Wertschöpfung im Unternehmen und an dessen Autonomie in der marktwirtschaftlichen Ordnung.572 Die pflichtgemäße Abwägung und Verschmelzung dieser Interessen führe zum alle drei umfassenden Unternehmensinteresse.573 Zugleich sei „das alle Mitglieder des Unternehmensverbandes vereinigende Prinzip das der Vorrangigkeit des Unternehmensinteresses.“574 Der unternehmensrechtliche Zweck des Unternehmensinteresses als Leitmaxime sei die Integration der drei genannten Partialinteressen in einer einheitlichen Entscheidung im konkreten Fall.575 Schilling verwundert mit der Aussage, dass sich das (vorrangige) Unternehmensinteresse aus der Abwägung der Interessen der Unternehmensbeteiligten ergebe, selbst aber keinen eigenständigen materiellen Gehalt habe. Diese Abwägung führe zum umfassenden Unternehmensinteresse. Hier liegt es näher, das Unternehmensinteresse im Sinne Mertens’ als übergeordnet und aus den verschiedenen Interessen abgeleitet aufzufassen und ihm insofern Eigenständigkeit zu attestieren. Denn entgegen Schilling gewinnt das Unternehmensinteresse gerade aufgrund der Abwägung eigenständigen Gehalt, es steht nur in Abhängigkeit der Interessen der Unternehmensbeteiligten. Die Selbstständigkeit des Unternehmens ferner unter 569

Siehe oben hierzu 1. Kapitel § 5 B. Ähnlich Laske, ZGR 1979, 173 (185); vgl. hierzu auch Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 47 f. 571 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (143 f.). 572 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (144). Ähnlich Schilling, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 159 (169). 573 Schilling, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 159 (169). 574 Schilling, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 159 (165). 575 Schilling, ZHR 144 (1980), 136 (144). 570

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Verweis auf das Umwandlungsrecht als relevanten Belang pauschal zu verneinen, überzeugt indessen angesichts der Vielgestaltigkeit der möglichen Umstände und Motive bei einer potenziellen Verschmelzung und Konzernierung nicht. Auch hätte der Nachweis erfolgen müssen, weshalb Anteilseigner generell an der Substanzerhaltung eines Unternehmens und die Allgemeinheit an dessen Autonomie interessiert seien. Gerade der Fall Kaiser’s Tengelmann zeigt, dass Gesellschaftern aus wirtschaftlichen Motiven eine Zerschlagung gelegener als die unrentable Fortführung ihres Unternehmens sein mag (wenn etwa, wie in diesem Fall, eine Übernahme gescheitert ist oder zu scheitern droht) und, diesem allerdings zuwiderlaufend, die Allgemeinheit aufgrund der in Aussicht stehenden Rettung von Arbeitsplätzen und trotz der Gefahr einer Monopolbildung die Übernahme durch einen Wettbewerber favorisiert.576 3. Prozedurales Verständnis (Brinkmann) Verfechter eines rein prozeduralen Verständnisses ist insbesondere Brinkmann, der eine inhaltliche Bestimmung des Unternehmensinteresses ablehnt.577 Für ihn ist das Unternehmensinteresse nur noch prozedural als institutionelle Gewährleistung eines integrierten Gesamtinteresses zu verstehen, das sich im interessenpluralistischen Abstimmungsprozess des Unternehmens konstituiert. a) Begründungsansatz Brinkmann lehnte eine normativ-inhaltliche Bestimmung des Unternehmensinteresses ab.578 Zur Begründung führte er aus, dass dieses „Konkretisierungsverfahren“ im Hinblick auf die unternehmensrechtliche Verhaltensmaxime ein bestimmtes Unternehmensinteresse im Vorgriff auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses in der Organisation postuliere.579 Der Versuch, das Gesamtinteresse zu bestimmen, 576 Siehe die Berichte „Gabriel hofft auf Kompromiss“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 222 v. 22.9.2016, S. 20) und „Kaiser’s-Tengelmann-Mitarbeiter hoffen auf eine letzte Chance“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 233 v. 6.10.2016, S. 21); kritisch zur Ministererlaubnis an sich Podszun, NJW 2016, S. 617, der insbesondere den Versuch bemängelt, Arbeitsplätze auf Kosten des Wettbewerbs zu sichern (a. a. O., S. 619). Nach § 42 Abs. 1 S. 1 GWB erfordert die Ministererlaubnis zu einem zuvor vom BKartA untersagten Zusammenschluss, dass im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Bedeutende Gemeinwohlgründe können der Erhalt der im Unternehmen angelegten gesamtwirtschaftlichen Werte sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen sein (siehe jeweils m. w. N. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 42 GWB, Rn. 92, 104 ff. sowie MüKoKartellR/Bremer, § 42 GWB, Rn. 12 ff.). 577 Brinkmann, Unternehmensinteresse. Vgl. ferner die Ansätze von Laske, ZGR 1979, S. 173 ff., insbes. S. 196 ff., Teubner, ZHR 149 (1985), 470 (484) sowie Reuter, AcP 179 (1979), 509 (519). 578 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 199 ff. 579 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 199.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

könnte die reale „Konstellation“ allenfalls näherungsweise oder zufällig bestimmen.580 Diese Interessenbestimmung beruhe auf mehr oder weniger fiktivem Fundament. „Es liegt auf der Hand, dass ein als Verhaltensmaxime gefasster programmatischer Vorgriff – je nach inhaltlicher Konkretion und Zuweisung der unternehmensrechtlichen Bestimmungskompetenz – die Ergebnisse des unternehmenspolitischen Entscheidungs- und Interessenabstimmungsprozesses präjudiziert.“581 Brinkmann befürchtete weiterhin, dass die normative Bestimmung und Konkretisierung des Unternehmensinteresses Beurteilungsprobleme ökonomischer und unternehmenspolitischer Art nach sich ziehen, welche das unternehmensrechtliche Entscheidungssystem schnell überfordern.582 Die Rechtsprechung müsste Entscheidungstypologien auf Grundlage von Zweck- und Risikoerwägungen sowie Interessenbewertungen entwickeln und könnte damit doch nur jeweils ex post die Verhaltens- und Entscheidungsspielräume der Organmitglieder abstecken. Ferner hebe die „Standardisierung des Unternehmensinteresses“ mit einem „monistischen Interessenprogramm“ die Pluralität der zu berücksichtigenden Aspekte auf.583 Die Einschränkung der Entscheidungsaspekte sowie (umgekehrt) die Möglichkeit, Entscheidungen vor einem abstrakten Interesse rechtfertigen zu können, begrenzten die Kontrollchancen, welche sich aus der Differenzierung der Organfunktionen und einer pluralistischen Besetzung ergäben.584 Im Übrigen erscheine die weitere Ableitbarkeit konkreter Verhaltenspflichten und Kompetenzgrenzen des Aufsichtsrats aus einen inhaltlich vorausgesetzten homogenen Unternehmensinteresse alles andere als evident.585 Aus diesen Gründen sprach sich Brinkmann für ein Unternehmensinteresse als prozedurale Kategorie, eine Verhaltensordnung für die Interessenbildung aus.586 Dadurch sei nur ein regulatives Postulat vorgegeben, die Konkretion des Unternehmensinteresses (Gesamtinteresse) sei hingegen das jeweilige Produkt der Prozesse in der organisationsrechtlichen Ordnung des Entscheidungssystems.587 In einer pluralistischen Entscheidungsstruktur, an welcher Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und Beziehungen zum Unternehmen beteiligt seien, seien Pluralität und Homogenität in der Zielorientierung der Gesamtorganisation miteinander zu vereinbaren.588 Der normative Unternehmensinteressenbegriff beinhalte demnach das Postulat einer jeweils gelingenden und integrierten Gesamtinteressenbildung. Das „Unternehmensinteresse“ sei nicht als konkrete Verhaltensmaxime der Verwal580 581 582 583 584 585 586 587 588

Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 200. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 200. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 202. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 214. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 214. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 216. Siehe Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 216 ff. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 217. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 226.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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tungsmitglieder zu verstehen, die als unbestimmter Rechtsbegriff materielle Verhaltens- und Zielprogramme zu vermitteln habe, sondern als „Metaregel“ für die fraglichen Verhaltenspflichten und Kompetenzabgrenzungen des Unternehmensrechts.589 Zu den Regeln, auf die sich die Leitlinie bezieht, seien all diejenigen Normen zu zählen, welche „als Elemente der Verhaltens- und Verfahrensordnung im unternehmenspolitischen Prozess des Entscheidungssystems konstitutive bzw. steuernde Funktionen erfüllen.“590 Die überdimensional erscheinende Geltungsbreite der regelbezogenen Leitidee, welcher sich von den Fragen der Unternehmensverfassung bis zu einzelnen Kompetenzfragen der Organe und Verhaltensregeln erstrecke, erscheine unvermeidlich, wolle man den regulativen Anspruch für eine pluralistischen Unternehmensrechtsordnung ernst nehmen, ohne dabei eine materielle Interessenbestimmung zur Norm zu machen.591 Eine gewisse Stufe der Abstraktheit könne die inhaltliche Präzisierung dieses Postulats, wolle sie der organisationsrechtlichen Anlage von Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht Rechnung tragen, nicht unterschreiten.592 Abstraktheit und Geltungsbreite seien der Preis, sofern konkret inhaltliche Interventionen in die den Organen überantwortete unternehmerische Interessenrealisierung vermieden und der normative Rahmen auf die organisationsrechtliche Struktur, den Zusammenhang von innerem (organbezogenen) und äußerem (marktbezogenen) Kontrollsystem abgestimmt bleiben solle.593 Als Bedingung einer prozessualen, unternehmenspolitischen Integration und zugleich als Maßstab für die institutionalisierte Transformation der beteiligten und betroffenen Unternehmensinteressen in Entscheidungen sei der Grundsatz adäquater Interessenberücksichtigung zu beachten.594 Konkretes Verhalten und Sorgfaltsstandards formten den Prozess der Interessenabstimmung im Aufsichtsrat.595 Das normative Unternehmensinteresse hätte dabei die prozeduralen Voraussetzungen der Interessenabstimmung bei der unternehmensrechtlichen Interpretation der Verhaltens- und Sorgfaltsregeln zur Geltung zu bringen und dadurch eine Parallelität von Interessenvertretung und Kontrolle zu ermöglichen.596 Elemente einer solchen Verhaltensordnung seien mitunter der Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit und die Gebote, die Verhandlungen argumentativ und rational zu führen und bei der arbeitsteiligen Funktionsausübung in der Unternehmensverwaltung kooperativ zu verfahren.597

589 590 591 592 593 594 595 596 597

Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 227. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 228. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 228. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 229. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 229. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 304. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 305. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 305. Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 305.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

b) Stellungnahme Brinkmann konnte nicht den Nachweis erbringen, dass der Versuch, ein Unternehmensinteresse im Sinne eines normativen Maßstabs zu erarbeiten, endgültig gescheitert ist.598 Das wäre aber die Voraussetzung, wollte man seinen Ansatz ernsthaft weiterverfolgen. Ebenso wenig ist die von Brinkmann befürchtete Präjudizierung der Ergebnisse unternehmenspolitischer Entscheidungs- und Interessenabstimmungsprozesse im Falle einer normativ gefassten Leitmaxime Gefahr, sondern vielmehr beabsichtigte und – abhängig von den gewählten Parametern – keinesfalls negative Folge eines materiellen Unternehmensinteresses. Dass Brinkmann dies fürchtete, spricht nicht gegen den herkömmlichen normativen Ansatz eines Unternehmensinteresses, sondern verdeutlicht vielmehr seine rechtspolitische Voreingenommenheit.599 Gefährlicher erscheint eher die Loslösung vom Zweck der Gesellschaft, die logische Konsequenz von Brinkmanns Prozeduralisierung ist. Ebenso wenig hebt, wie Brinkmann behauptete, die „Standardisierung des Unternehmensinteresses“ die Pluralität der zu berücksichtigenden Belange auf. Auch dies ist allein eine Frage, in welcher Extensität Belange berücksichtigt werden. Unpräzise sind ferner Brinkmanns Aussagen zur organisationsrechtlichen Ordnung des Entscheidungssystems, in dem das Gesamtinteresse gewonnen werden soll. Der Hinweis, dass all diejenigen Normen zu Brinkmanns prozeduraler Leitlinie gehören, welche als Elemente der Verhaltens- und Verfahrensordnung konstitutive oder steuernde Funktionen erfüllen, vermag keine Klärung herbeizuführen. Vielmehr zeigt sich darin das Dilemma Brinkmanns, dass de lege lata ausreichend gesellschaftsorganisationsrechtliche Verhaltensmaßstäbe existieren, welche die rein prozedurale Interpretation des Unternehmensinteresses redundant wirken lassen. Insbesondere Brinkmanns Forderung nach adäquater Interessenberücksichtigung und vertrauensvoller Zusammenarbeit sind in der Auslegung verfahrensrechtlicher Vorschriften besser aufgehoben als bei der Bildung eines Unternehmensinteresses. Zuletzt spricht eine allgemeine, aber gewichtige Erwägung gegen Brinkmanns Ansatz: Die Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat müssen sich an §§ 93 Abs. 1, 116 AktG messen lassen. Gegen eine rein prozedurale Deutung des Unternehmensinteresses wendet Paefgen daher zu Recht ein, dass objektiv nachprüfbar nur solche Verfahrensergebnisse sein können, welche sich aus irgendwelchen materiellen Kriterien ableiten ließen.600 4. Weitere Auffassungen Die Ansätze Junges und Rittners unterscheiden sich vom klassischen Kanon der Befürworter eines Unternehmensinteresses. Junge richtet das Unternehmensinter598

So zu Recht Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 122. Vgl. auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 123, der zu Recht Brinkmanns Arbeit als rechtspolitisch angelegt auffasst. 600 Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 78 f. 599

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esse ausschließlich auf Rentabilität und Bestandserhaltung aus. Rittner befürwortet ebenso die Orientierung am Rentabilitätsinteresse, bemüht sich hingegen zugleich um die Begründung einer „allgemeinen Richtlinienbestimmung“, bei der es um die verpflichtende Rücksichtnahme auf das Wohl der Arbeitnehmer und die Belange der Gesamtwirtschaft geht. a) Der Ansatz Junges Nach Junge muss sich die rechtliche Organisation der Unternehmen am erwerbswirtschaftlichen Zweck orientieren.601 Ihm zufolge ist das Unternehmensinteresse als Interesse an der Rentabilität des Unternehmens und damit seiner dauerhaften Erhaltung zu definieren.602 Beide Aspekte hätten gegenüber allen anderen Interessen im Unternehmen Priorität, wobei wiederum Rentabilität vor Erhaltung rangiere. Bloße Erhaltung ohne Gewinnabsicht als generelles Unternehmensziel stünde hingegen im Widerspruch zu der Notwendigkeit, das stets zu knappe Kapital dort einzusetzen, wo es aus volkswirtschaftlicher Perspektive wirksamer sei.603 Die Rentabilität, welche eine unverzichtbare volkswirtschaftliche Funktion erfülle, stelle in einer marktwirtschaftlichen Ordnung sicher, dass das Risikokapital stets nach der besten Verwendung strebe und somit die größtmögliche volkswirtschaftliche Effizienz erreiche.604 Rentabilität zeige an, ob sich das Unternehmen am Markt orientiere und erfolgreich auf dessen Signale reagiere. Ferner gewährleiste sie, dass das Unternehmen wettbewerbsfähig bleibe und fähig sei, Innovationen vorzunehmen und sich veränderten Verhältnissen anzupassen. Rentabilität dürfe dabei nicht als kurzfristige Gewinnmaximierung missverstanden werden, sondern sei als langfristige Daueraufgabe zu aufzufassen.605 Junge lehnte die bloße „Wirtschaftlichkeit“ oder eine „gesellschaftliche Rentabilität“ als generelle Unternehmensziele ab.606 Diese könnten in einer Marktwirtschaft die aufgezeigten volkswirtschaftlichen Funktionen nicht erfüllen, seien meist nicht quantifizierbar und setzten im Ergebnis eine andere Wirtschaftsordnung voraus. Zwar sei selbstverständlich, dass bei unternehmerischen Entscheidungen ein Bündel nicht nur betriebs- oder volkswirtschaftlich orientierter Überlegungen mitwirke, sondern dass auch die gesellschaftspolitische Verantwortung bedeutsam sei.607 Diese Motive setzten jedoch ein leistungs- und wettbewerbsfähiges und damit Gewinne erwirtschaftendes Unternehmen voraus.608 Weder Arbeitsplätze noch Sozialleistungen könnten auf Dauer ohne Gewinn gesichert werden. Daher müssten sich alle Entscheidungen im Unternehmen an dieser ver601 602 603 604 605 606 607 608

Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (548). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (554). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (554 f.). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (555). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (555). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (555). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (555 f.). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (556).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

bindlichen Leitlinie orientieren. Nicht berücksichtigt werden könne, was diesen Interessen widerspreche. Unternehmensrechtlich sonst relevante Ziele müssten sich diesem übergeordneten Ziel unterordnen und könnten erst danach zum Zuge kommen. Dieses Unternehmensinteresse ist laut Junge eine immanente Schranke für alle Interessen im Unternehmen und weist allen Unternehmensbeteiligten, Vorstand und Aufsichtsrat miteingeschlossen, die gemeinsame Richtung.609 Das Unternehmen bleibe „eine Veranstaltung, deren Ziel von den Anteilseignern gesetzt wird und die die Entscheidung darüber behalten.“610 An Junges Ansatz erfreut zunächst, dass er konsequent die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seine Gewinnerwirtschaftung als Voraussetzung für sämtliche Anspruchsbefriedigungen herausstellt, wie etwa arbeitsplatzbezogene oder aufgrund von Sozialleistungen. Konsequent ist es daher, alle anderen Belange diesem Ziel unterzuordnen. In Junges Ansatz fehlt allerdings die Überlegung, inwieweit die Berücksichtigung der untergeordneten Interessen mittelbar förderlich auf das übergeordnete Ziel wirken. In Betracht kommen hier geldwerte Leistungen an Mitarbeiter, welche beitragen, diese und deren Fähigkeiten langfristig an das Unternehmen zu binden und damit die weitere Entwicklung des Unternehmens begünstigen. Dem Mittelabfluss steht in Zeiten des vielfach proklamierten Fachkräftemangels zugleich die Stärkung der Marktstellung des Unternehmens gegenüber. Im Falle der strikten Interessenunterordnung ist dies konsequenterweise nicht möglich. Etwas unpräzise ist überdies Junges Forderung nach der dauerhaften Erhaltung eines Unternehmens angesichts der bereits angesprochenen Vielgestaltigkeit der denkbaren Szenarien, wenn der Autor dies auch unter den Vorbehalt der „Gewinnabsicht“ stellt. b) Der Ansatz Rittners Rittner warf hingegen die Frage nach der Verantwortung der Unternehmensleitung auf.611 Eine besondere Bindung der Gesellschaftsorgane an das Rentabilitätsinteresse folge zwangsläufig aus deren Eigenschaft als Repräsentanten und Treuhänder der Gesellschafter.612 Denn die Gesellschafter wollten vor allem, dass das Unternehmen erhalten bleibe und zu diesem Zwecke rentabel arbeite. Daher habe die Unternehmensleitung dem Fortbestehen und der Rentabilität des Unternehmens sowie den speziellen Zielen der Gesellschaft im Zweifel den Vorzug zu geben.613 Ebenso stünde die gesamte Tätigkeit des Aufsichtsrats, wie die des Vorstands, unter der Maxime, das Unternehmen zu erhalten, die Rentabilität zu sichern und auf das 609

Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (556). Junge, in: Ficker u. a., FS v. Caemmerer, 547 (557). 611 Rittner, JZ 1980, S. 113. 612 Rittner, JZ 1980, 113 (117); vgl. auch ders., in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (149 ff.). 613 Rittner, JZ 1980, 113 (116). 610

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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Wohl der Gesamtwirtschaft und Gesamtgesellschaft sowie die Belegschaftsbelange Rücksicht zu nehmen.614 Auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hätten sich im Konfliktfall nach dem Gesellschaftsinteresse zu richten und dürften nicht einseitig den Interessen der Belegschaft folgen.615 Den Begriff des „Unternehmensinteresses“ selbst übernahm Rittner nicht.616 Die Grundlage seiner „allgemeinen Richtlinienbestimmung“ sah Rittner in zwei früheren Schriften unmittelbar in Art. 14 Abs. 2 GG und der Sozialstaatsklausel.617 Rittner betrachtete die daraus abzuleitende „allgemeine Pflicht der Unternehmen(-sträger), das Wohl ihrer Arbeitnehmer und die Belange der Gesamtwirtschaft zu beachten“, als eine Rechtspflicht ohne Sanktion. Andernfalls drohe „unerträglicher staatlicher Dirigismus und kleinlicher Bürokratismus“ und „eine Art staatlicher Oberaufsicht“ sei erforderlich.618 Den genaueren Inhalt einer solchen „Richtlinienbestimmung“ wollte Rittner nicht angeben.619 Er betonte aber, dass die Verantwortung des Vorstands, was er also kraft seiner Organstellung tun darf und soll, sich mithin allein aus der ihm durch Gesetz und Satzung zugewiesenen Stellung innerhalb der Gesellschaft sowie situationsweise aus dem Kontext der Rechtsordnung ergebe.620 Für die Bestimmung, wessen Interessen der Vorstand primär zu verfolgen habe, reiche das „Gedeihen des Unternehmens, des satzungsmäßigen Gegenstandes der Gesellschaft, innerhalb der Gesamtgesellschaft“ in aller Regel als Zielpunkt aus.621 Der Vorstand dürfe (und solle) alle möglichen Maßnahmen ergreifen, welche er für die Gesellschaft und ihren Gegenstand als notwendig und förderlich betrachtet, wobei ihm ein hinreichender Spielraum für trial and error bleibe.622 Dabei stünden etwa freiwillige Sozialleistungen in einem verhältnismäßig engen Bezug zu den Zielen der Gesellschaft und fielen jedenfalls in die Kompetenz des Vorstands.623 Diese Sozialleistungen dienten der Verbesserung des Betriebsklimas, der Belebung des Interesses der Arbeitnehmer für das Unternehmen, der Verhinderung von Ar614

Rittner, JZ 1980, 113 (117 f.). In zwei früheren Schriften verengte Rittner hingegen die Perspektive allein auf das Handeln des Vorstands, siehe Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, S. 139 sowie ders., AG 1973, S. 113. 615 Rittner, JZ 1980, 113 (118). 616 Siehe Rittner, JZ 1980, S. 113: „Die Diskussion hat sich stattdessen auf die Suche nach dem ,Unternehmensinteresse‘ und den ,Unternehmenszielen‘ begeben und diese Suche im wesentlichen rechtspolitisch verstanden. Die Frage nach der Verantwortung der Unternehmensleitung hängt gewiß eng mit dem Problem des ,Unternehmensinteresses‘ oder der ,Unternehmensziele‘ zusammen. Sie scheint mir jedoch für die rechtliche Seite der Problematik mehr zu versprechen, zumal sie mit der Kategorie der Verantwortung spezifisch juristisch ansetzt“. 617 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (146); ders., AG 1973, 113 (116). 618 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (146 f.); ders., AG 1973, 113 (117). 619 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (148); ders., AG 1973, 113 (117). 620 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (149 f.); ders., AG 1973, 113 (118). 621 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (151); ders., AG 1973, 113 (119). 622 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (154); ders., AG 1973, 113 (120). 623 Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (154); ders., AG 1973, 113 (120).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

beitnehmerfluktuation und der Schaffung von Anreizen für Bewerber. Weiterhin läge auch die Rücksichtnahme auf gesellschaftsfremde, insbesondere öffentliche Interessen und das öffentliche Wohl im erlaubten Bereich des Vorstandshandelns.624 Für Rittners Ansatz spricht, dass er den treuhänderischen Charakter der Unternehmensleitung herausstellt. Hingegen ist seine Auffassung, pauschal das Fortbestehen des Unternehmens zum Willen jedes Gesellschafters zu erheben, zweifelhaft. Angesichts der Diversifikation von Aktionären und Aktionärstypen erscheint diese Verallgemeinerung fragwürdig. Man wird allerdings sagen können, dass die Erhaltung eines rentablen Unternehmens im Zweifel dem Willen der Mehrheit der Aktionäre entspricht und angesichts von Wettbewerb und des Bestands von Arbeitsplätzen auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse steht. Auch wenn Rittner die Verwendung des Begriffs „Unternehmensinteresse“ vermeidet, geht dennoch sein Ansatz über das bloße Gesellschaftsinteresse hinaus; dies zeigt schon seine Rücksichtnahme auf die Belegschaftsbelange. Wie bei Wiedemann ist auch Rittners Ansatz, auf Art. 14 Abs. 2 GG und das Sozialstaatsgebot als Grundlage einer „allgemeinen Richtlinienbestimmung“ abzustellen, abzulehnen. Zur Begründung kann auf oben stehende Erläuterungen verwiesen werden.625 Nicht geteilt werden kann auch seine Befürchtung, eine sanktionsbewehrte allgemeine Rechtspflicht würde staatlichen Dirigismus und staatliche Oberaufsicht bewirken. Die gesellschaftsinterne Haftung nach den §§ 93, 116 AktG, die jeweils von dem nicht beklagten Leitungsorgan und im Ausnahmefall auch von den Aktionären nach Maßgabe von § 147 AktG geltend gemacht werden kann, ist an die Stelle der staatlichen Aufsicht gerückt. Dem Spielraum des Vorstands zu trial and error und der diesbezüglichen grundsätzlichen Sanktionslosigkeit unternehmerischen Handelns setzt § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zudem Grenzen. Befürwortet werden kann hingegen Rittners Verweis auf das „Gedeihen des Unternehmens“, wenn auch nicht als Zielpunkt, sondern eher als Anhaltspunkt für die Interessenbestimmung, sowie seine Billigung unternehmensnotwendiger und -förderlicher Vorstandsmaßnahmen, wie Sozialleistungen. Dies ist der richtige Hinweis auf den Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung des Belegschaftswohls und der dadurch bedingten Begünstigung des Unternehmenswohls. Zu knapp ist hingegen Rittners Ausführung zur Berücksichtigung öffentlicher Belange. Hier wäre eine stärkere Abgrenzung der relevanten Interessengruppen notwendig gewesen. 5. Stellungnahme Aus den im Einzelnen dargelegten Gründen vermag letztlich keiner der aufgezeigten Ansätze durchweg zu überzeugen, insbesondere sind manche Auffassungen zu unbestimmt oder nicht praktikabel und insbesondere nicht als operable Zielvorgabe verwendbar. Abzulehnen ist namentlich jegliches, ausschließlich proze624 625

Rittner, in: Ballerstedt/Hefermehl, FS Gessler, 139 (156); ders., AG 1973, 113 (121). Siehe 1. Kapitel § 5 D. III.

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durale Verständnis, da es keinerlei Zielvorgaben für das Handeln der Unternehmensleitung bieten kann und die dort vorzufindenden Aspekte vielmehr zum Aufgabenbereich verfahrensrechtlicher Vorschriften gehören. Darüber hinaus basieren zahlreiche Konzepte auf dogmatischen Grundlagen, welche mit der lex lata nicht vereinbar sind. Manche der Ideen und Anregungen sind hingegen immer noch sinnvoll. Insbesondere der von Junge und Rittner exponiert dargestellte Rentabilitätsgedanke sowie der treuhänderische Charakter der Unternehmensleitung und die Förderlichkeit belegschaftsbegünstigender Maßnahmen für das Unternehmenswohl, beides von Rittner in die Diskussion eingebracht, sind berücksichtigenswert. Diese Ansätze profitieren von ihrer Nähe zum tradierten verbandsrechtlichen Verständnis und der Betonung der Erwerbswirtschaftlichkeit der AG, was sie, im Gegensatz zu den anderen Unternehmensinteressen-Ansätzen, dem Verdacht rechtspolitischer Beliebigkeit weitaus weniger aussetzt. II. Moderne Literaturansätze Mit dem endgültigen Aufkommen des Shareholder Value-Konzeptes626 in der Mitte der 1980er Jahre und seinem Gegenentwurf, dem Stakeholder-Ansatz627, hat die Debatte um die aktienrechtliche Leitmaxime erneut an Lebhaftigkeit und, entgegen der vorherigen Diskussionen, an ökonomischer Rationalität gewonnen.628 Heute zeichnen sich in der modernen Literatur drei grundsätzliche und verschiedene Richtungen ab.629 Die eine Ansicht stellt streng auf das Unternehmensinteresse als pluralistische Leitmaxime ab.630 Das Unternehmensinteresse umfasst hierbei sowohl das Interesse der Aktionäre (Shareholder) als auch die Interessen anderer unternehmensbeteiligter Gruppen, wie der Arbeitnehmer, der Vertragspartner der Gesellschaft sowie der Allgemeinheit (zusammen als Stakeholder bezeichnet).631 Im Grunde ist das Unternehmensinteresse hierbei als Überbegriff der gleichberechtigten Berücksichtigung der Anspruchs- und Interessengruppen, also der Stakeholder, zu verstehen, insbesondere der Eigen- und Fremdkapitalgeber, der Arbeitnehmer, der Kunden, der Lieferanten sowie der Allgemeinheit.632 Der zweite Ansatz rückt hin626

Zu dessen Inhalt siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. Dieser bezeichnet eine in der Management-Theorie entwickelte Führungstechnik, nach welcher ein Unternehmen durch verschiedene Anspruchsgruppen (Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer, Management, Kunden, Lieferanten und Öffentlichkeit) konstituiert werde und jede dieser Gruppen einen Beitrag zur betrieblichen Leistungserstellung leiste und deshalb an der Unternehmensführung teilhaben müsse, Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 29; vgl. ferner Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 21. Siehe hierzu ferner 1. Kapitel § 5 E. II. 2. 628 Vgl. dahingehend auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 21. 629 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 15; ferner Kort, AG 2012, S. 605. Siehe hierzu mitunter das bei Fn. 6 verzeichnete Schrifttum mit jeweils differierenden Interessengewichtungen. 630 Siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 2. 631 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 52; ders., AG 2012, S. 605. 632 Vgl. auch Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23. 627

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

gegen die Interessen der Aktionäre an der Steigerung des Ertragswerts ihrer Beteiligung in den Mittelpunkt (Shareholder Value-Konzept).633 Ein dritter, vermittelnder Ansatz erachtet die Shareholder-Belange zwar als vorrangig, schließt aber die Berücksichtigung der Belange anderer unternehmensbeteiligter Gruppen nicht aus.634 Ein rein zielmonistischer bzw. verbandsrechtlicher Ansatz, der das Organhandeln allein am Gesellschaftsinteresse ausrichtet, wird hingegen in der modernen Literatur kaum noch vertreten.635 1. Ausrichtung am Shareholder Value-Konzept Der Gedanke der Shareholder Value-Orientierung636 börsennotierter Aktiengesellschaften kam in Deutschland verstärkt Anfang der 1990er Jahre auf, hatte seinen Ursprung aber schon früher seit den 1970er Jahren in den USA genommen und seinen Durchbruch mit einem 1986 in den USA veröffentlichten Werk Alfred Rappaports637 geschafft.638 In jüngerer Zeit wurde der Shareholder Value-Ansatz selbst obergerichtlich als aktienrechtlich zulässiger Orientierungsmaßstab angesehen.639 Mit diesem Ansatz sind unterschiedliche Vorstellungen verbunden:640 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht handelt es sich um ein Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung, das sich durch seine Verbindung zur modernen Kapitalmarkttheorie auszeichnet.641 Auf der anderen Seite besteht die Vorstellung, dass es sich bei dem Shareholder Value-Ansatz um eine unternehmenspolitische Philosophie handelt, welche den finanzwirtschaftlichen Interessen der Aktionäre weit größere Bedeutung als Belangen anderer Unternehmensbeteiligter beimisst.642 Letztlich bedeutet das 633

Siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. 1. Kapitel § 5 E. II. 3. So insbesondere MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 80 ff.; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 32 ff.; Seibt, in; Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 12. 635 Siehe aber die Autorennachweise in Fn. 141. 636 Vereinzelt wird auch von der Marktwertmaximierung der Aktien der Gesellschaft gesprochen, wenngleich der Sache nach nichts anders als Shareholder Value gemeint ist, vgl. etwa Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (423 f.). 637 Rappaport, Shareholder Value. 638 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, S. 129 f.; v. Werder, ZGR 1998, S. 69 f.; Schilling, BB 1997, S. 373; Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1043 f.); v. Bonin, Leitung, S. 29 ff., der den Begriff Shareholder Wealth bevorzugt. 639 So das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.8.2011 – 13 U 100/10, AG 2011, 918 (919): „Gesicherter Erkenntnisstand heute ist indessen nur, dass der Vorstand bei seinen Entscheidungen dem Shareholder Value Gedanken Rechnung tragen darf.“ Siehe ferner auch OLG Stuttgart, Urt. v. 12.8.1998 – 20 U 111/97, AG 1998, 529 (531), welches Stock Options bzw. Aktienoptionsprogramme als konkrete Umsetzung des Shareholder-Value-Prinzips für zulässig erachtet hat. 640 Vgl. auch die bei Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (425 f.) wiedergegebenen unterschiedlichen Sichtweisen. 641 Mülbert, ZGR 1997, 129 (130). Zur Berechnungsmethode siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa). 642 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (130). 634

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Shareholder Value-Konzept, den Interessen der Aktionäre Vorrang vor denjenigen der anderen Stakeholder (also auch Arbeitnehmer, Management, Gläubiger, Kunden, Öffentlichkeit) einzuräumen und den Ertragswert des Unternehmens so weit wie möglich zu steigern.643 Insofern umgeht der Shareholder Value-Ansatz die Schwierigkeiten der Aggregation unterschiedlicher Belange, da seine Handlungsempfehlungen das Interesse der Anteilseigner schlichtweg in den Vordergrund stellen.644 Mitunter im Zuge der Streichung der Vorstandsverpflichtung im DCGK auf die „Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes“ hat seit 2009 der Rückzug von einer Shareholder Value-Orientierung begonnen.645 Auch international ist dieser Ansatz verstärkt der Kritik ausgesetzt.646 Sogar im marktwirtschaftlich orientierten Vereinigten Königreich wurde das klassische profit-making with the law durch den Maßstab von enlightened shareholder value647 ersetzt.648 Auch Novellen wie das VorstAG649 und das FührposGleichberG650 sowie die Diskussionen um Compliance, Corporate Social Responsibility, die Erweiterung der Rechnungslegung auf Ziele nichtfinanzieller Art, Diversität und Nachhaltigkeit können als eine Abkehr von Shareholder Value und eine Hinwendung zum Stakeholder-Ansatz gedeutet werden.651 Im Folgenden werden Inhalt und strategische Ziele des Shareholder Value-Ansatzes ausführlich vorgestellt. Diese Erläuterungen sind notwendig, um darauf 643

MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 75; Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (155). Kuhner, ZGR 2004, 244 (258). 645 Ähnlich Kort, AG 2012, 605 (606); vgl. ferner MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 76. In Ziff. 4.1.1 des DCGK hieß es noch bis zur Fassung aus dem Jahr 2008, dass der Vorstand an das „Unternehmensinteresse gebunden und der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes verpflichtet“ sei. Nach der Fassung aus dem Jahr 2009 erfolgt die Leitung des Unternehmens durch den Vorstand „mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung in eigener Verantwortung und im Unternehmensinteresse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder).“ Ausweislich der aktuellen Fassung aus dem Jahr 2017 leitet der Vorstand das Unternehmen im „Unternehmensinteresse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung.“ Ähnliches ist in einem Absatz der Präambel des DCGK formuliert. Siehe hierzu auch Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (445). 646 Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 74; ders., AG 2012, 605 (608 f.). 647 Enlightened bezeichnet dabei die Pflicht zur Berücksichtigung der in Section 172 (1) (a) bis (f) des Companies Act 2006 nicht abschließend in Bezug genommenen anderen Stakeholder-Interessen, Steffek, GmbHR 2007, 810 (812); vgl. ferner jeweils m. w. N. Windbichler, AG 2004, S. 190; Hopt, ZHR 175 (2011), 444 (477); Schön, ZHR 180 (2016), 279 (280). 648 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 122. 649 Siehe oben Einführung, Fn. 32. 650 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24.4.2015, BGBl. I S. 642; im Folgenden auch als FührposGleichberG bezeichnet. 651 Seibert, AG 2015, 593 (596). 644

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

aufbauend die Vereinbarkeit des Shareholder Value-Konzepts mit dem Aktienrecht zu analysieren. Hieraus könnten sich wiederum Schlussfolgerungen für eine aktienrechtliche Leitmaxime ziehen lassen. Dieser Abschnitt schließt mit allgemeineren Erwägungen aus der Literatur zu diesem Konzept. a) Inhalt und Ziel des Shareholder Value-Ansatzes Beim Shareholder Value-Ansatz besteht das unternehmerische Ziel grundsätzlich darin, neben einer angemessenen Ausschüttung den Marktwert des Unternehmens und damit den Eigenkapitalwert zu maximieren, bei börsennotierten Aktiengesellschaften also einen möglichst hohen Aktienwert zu erzielen.652 Bei börsengehandelten Aktien ist der Börsenkurs Marktwert,653 m. a. W. wird bei börsennotierten Unternehmen der Marktwert des Eigenkapitals durch die Börsenkapitalisierung repräsentiert,654 denn der Börsenwert ist das Spiegelbild des Barwertes der für die in Zukunft erwarteten Ausschüttungen,655 zumindest dann, wenn die Börse die Aktien einer Gesellschaft „richtig“ bewertet.656 Demgemäß stellt der Shareholder Value den finanziellen Wert des Eigenkapitals eines Unternehmens dar, m. a. W. den Ertragswert oder Marktwert des Eigenkapitals (Eigenkapitalwert) einer Unternehmung.657 Aus buchhalterischer Perspektive repräsentiert der Shareholder Value folglich eine Rechengröße zur Ermittlung des Wertes eines ganzen Unternehmens oder eines seiner Teilbereiche.658 Shareholder Value ist insofern auch der Oberbegriff für den ökonomischen Wert des Unternehmens für die Aktionäre.659 Shareholder ValueMaximierung ist dann als die Handlungsanweisung aufzufassen, Entscheidungen so zu treffen, dass der Aktienkurs möglichst hoch ist und Shareholder Value-Orientierung ist zu verstehen als die weitgehend oder sogar ausschließliche Ausrichtung der Unternehmenspolitik auf das Ziel der Aktienkurssteigerung.660 Der Shareholder Value-Ansatz lässt sich damit zur strategischen Steuerung und Kontrolle ganzer Unternehmen, Konzerngesellschaften und Geschäftsbereiche verwenden.661 Die Bewertungsergebnisse können einerseits unternehmensintern bei der strategischen Steuerung der Unternehmensaktivitäten (insbesondere Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen über einzelne Geschäftsfelder), andererseits unternehmensextern als Grundlage für die Anlageentscheidungen von Investoren Verwendung 652

Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (131 f.); Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (272 ff.). Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (274). 654 Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (258); v. Bonin, Leitung, S. 56. 655 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (274). 656 Vgl. hierzu Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (518). 657 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (272); Kuhner, ZGR 2004, 244 (258); Schilling, BB 1997, S. 373; Rappaport, Shareholder Value, S. 39. 658 v. Werder, ZGR 1998, 69 (71). 659 v. Bonin, Leitung, S. 53 f. 660 Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (518 f.). 661 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (274). 653

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finden.662 Auch eine teilweise Thesaurierung von Jahresüberschüssen dient beispielsweise der Marktwertmaximierung, sofern dies in der Erwartung erfolgt, dass die Ausschüttungen in Zukunft wenigstens umso viel höher als ohne Einbehaltung sein werden, wie die Aufzinsung der thesaurierten Beiträge mit dem risikoadjustierten Marktzins der Gesellschafter ausmacht.663 Aus dem Shareholder Value-Ansatz resultiert die exklusive Orientierung an den Anteilseignerinteressen (Shareholder Primacy).664 Daher ist die ausschließliche Orientierung am Shareholder Value-Gedanken mit dem herkömmlichen Verständnis des Unternehmensinteresses als Leitmaxime im Grunde genommen unvereinbar, insbesondere wenn die Interessen der übrigen Anspruchsgruppen nicht durch die Interessen der Anteilseigner repräsentiert sind.665 Die Befriedigung der Erwartungen der übrigen Anspruchsgruppen wird allenfalls als Nebenbedingung für das eigentliche Unternehmensziel angesehen.666 Zum besseren Verständnis des Shareholder Value-Ansatzes und um diesen auf seine Vereinbarkeit mit dem Aktienrecht untersuchen zu können, werden im Folgenden die Ermittlung, der Inhalt und die Folgen der Anwendung des Shareholder Value dargestellt. aa) Berechnung des Shareholder Value Der Ertragswert bzw. Marktwert des Eigenkapitals, also der Shareholder Value, errechnet sich, indem man den Marktwert des Fremdkapitals vom Unternehmungswert abzieht.667 Dieser Unternehmungs- oder auch Unternehmenswert setzt 662 v. Werder, ZGR 1998, 69 (71). Vgl. auch v. Bonin, Leitung, S. 55. Siehe hierzu 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) bb). 663 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (274 f.). 664 Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (245). 665 Kuhner, ZGR 2004, 244 (270). 666 Groh, DB 2000, 2153 (2154). 667 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (281); v. Werder, ZGR 1998, 69 (72); Rappaport, Shareholder Value, S. 40; v. Bonin, Leitung, S. 59 f. Je nach Anwendung des Entity- oder Equity-Ansatzes (auch als Brutto- bzw. Nettoverfahren bezeichnet) wird entweder der Unternehmenswert, also der Gesamtkapitalwert des Unternehmens, oder der Shareholder Value, also der Marktwert des Eigenkapitals, direkt bestimmt, Neumann, VW 1998, S. 1708. Die dem Equity-Ansatz (Nettoverfahren) zugrunde liegenden freien Cashflows, welche einem Unternehmen zur Bedienung des Eigenkapitals zur Verfügung stehen, sind im Gegensatz zum EntityAnsatz (Bruttoverfahren) um die Ansprüche der Fremdkapitalgeber bereinigt, Neumann, VW 1998, S. 1708; Schiffers, GmbH-StB 2005, 300 (302); Normann, GmbH-StB 2012, 278 (279); Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (518). Beim Equity-Ansatz werden bei der Ermittlung der Cashflows die im Zusammenhang mit Fremdkapital stehenden Zahlungen direkt zum Abzug gebracht, es wird also unmittelbar der Wert des Eigenkapitals bestimmt, indem der (um Zinsaufwendungen verminderte) Cashflow ermittelt wird. Es verbleiben allein die Nettoauszahlungen an die Eigenkapitalgeber, siehe Zitzelsberger, in: Schüppen/ Schaub, MAH Aktienrecht, § 20 Rn. 45; Normann, GmbH-StB 2012, 278 (279). Beim EntityAnsatz hingegen wird zunächst der Gesamtwert des Unternehmens, der sich im Wert des Gesamtkapitals ausdrückt, ermittelt, indem der Barwert der Zahlungen an Eigenkapitalgeber (z. B. Ausschüttungen) und Fremdkapitalgeber (z. B. Zinsen und Tilgung) berechnet wird. Um im Anschluss den eigentlichen Unternehmenswert als Wert des Eigenkapitals für die An-

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

sich zusammen aus der Summe des Gegenwartswerts des betrieblichen Cashflow668 (dieser verstanden als die Differenz zwischen den betrieblichen Einzahlungen und Auszahlungen,669 also die Einnahmenüberschüsse670) während der Prognoseperiode, dem Residualwert, der den Gegenwartswert eines Geschäftes für den Zeitraum nach der Prognoseperiode repräsentiert, und dem Gegenwartswert handelsfähiger Wertpapiere und anderer Investitionen, welche sich liquidieren lassen, für den eigentlichen Betrieb des Geschäftes allerdings unwesentlich sind.671 Der (theoretische) Marktwert bzw. Gegenwartswert der Unternehmung wird überwiegend mittels der sog. Discounted Cash Flow-Methode berechnet672 und stellt die Kapitalsumme dar, die nötig wäre, um die zukünftig erwarteten Zahlungsströme zu generieren.673 Dieser Gegenwartswert wird ermittelt, indem der Cashflow anhand eines bestimmten Zinssatzes bzw. Kalkulationszinsfußes diskontiert674 wird.675 Die Abzinsung des teilseigner zu erhalten, muss der Wert des Fremdkapitals abgezogen werden, Zitzelsberger, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, § 20 Rn. 48. Beim Entity-Verfahren wird also zunächst der Gesamtkapitalwert des Unternehmens ermittelt und hiervon der Wert des Fremdkapitals in Abzug gebracht, um so den Eigenkapitalwert zu erhalten, Normann, GmbH-StB 2012, 278 (279). 668 Die Notwendigkeit, den Cashflow als Steuergröße des Shareholder Value einzusetzen, beruht auf der Erkenntnis, dass die Korrelation zwischen den künftigen Zahlungsströmen und der Entwicklung des Aktienkurses eines Unternehmens bedeutend höher ist als die zwischen vergangenheitsorientierten buchhalterischen Zahlen und der entsprechenden Kursentwicklung, Neumann, VW 1998, S. 1708. Der Hintergrund dafür ist, dass der Markt die Leistung eines Unternehmens im Hinblick auf die erwartete, d. h. prospektive, langfristige sowie nachhaltige Ertragskraft und nicht nach dem kurzfristigen, d. h. vergangenheitsorientierten, buchhalterischen Gewinn bewertet, Buck, VW 1997, S. 1660. 669 Schilling, BB 1997, S. 373. 670 Vgl. Neumann, VW 1998, S. 1708. 671 Rappaport, Shareholder Value, S. 40; vgl. Schilling, BB 1997, S. 373. Der Cashflow gibt letztlich Aufschluss über die Innenfinanzierungskraft des Unternehmens, denn von ihm aus lässt sich auf die finanzielle Fähigkeit des Unternehmens schließen, zukünftig Wachstumspotenziale umzusetzen. Je höher die Innenfinanzierungskraft ist, desto eher können Zukunftsinvestitionen, die den Wert der Unternehmung steigern, durchgeführt werden, v. Bonin, Leitung, S. 57. 672 v. Bonin, Leitung, S. 57 m. w. N. Die Discounted Cash Flow-Methode berücksichtigt, dass die für die Zukunft prognostizierten Zahlungsströme den eigentlichen Wert eines Gutes für den Begünstigten dieser Zahlungsströme ausmachen, v. Bonin, Leitung, S. 57. Andere Methoden zur Verifizierung des Shareholder Value sind der Cash Flow Return on Investment- und der Economic Value Added-Ansatz. Allen Ansätzen gemein ist die Diskontierung zukünftiger Überschüsse. Wesentliche Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der Grundlagen des Wertansatzes dieser Überschüsse sowie der Diskontierungsmethoden und -zinssätze, Neumann, VW 1998, S. 1708. 673 v. Bonin, Leitung, S. 58. 674 Durch die Diskontierung von Zahlungsströmen wird erreicht, dass diese, obwohl sie in unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, vergleichbar sind. Durch die Diskontierung wird der Gegenwartswert ermittelt, vgl. Behringer, DStR 2001, 719 (723). 675 v. Bonin, Leitung, S. 58.

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Cashflow erfolgt dabei vorzugsweise durch den gewogenen Kapitalkostensatz (Weighted Average Cost of Capital) als dem gewichteten Mittel von Fremd- und Eigenkapitalkosten.676 Während die Fremdkapitalkosten verhältnismäßig leicht anhand der von Kreditgebern und -nehmern vertraglich vereinbarten Konditionen ermittelt werden können, müssen die Eigenkapitalkosten auf anderer Weise berechnet werden.677 Zur Berechnung dieses Zinssatzes wird überwiegend auf das kapitalmarkttheoretische Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückgegriffen.678 Nach dem CAPM ergeben sich die Eigenkapitalkosten aus dem nahezu risikolosen Zinssatz erstklassiger langfristiger festverzinslicher Wertpapiere (z. B. zehn- oder dreißigjährige Bundesanleihen) und einem Risikozuschlag als Prämie für das aktientypische Risiko.679 Dieser Risikozuschlag wird aus dem Produkt des durchschnittlichen Risikozuschlags des Aktienmarkts (Marktrisikoprämie) und der relativen Volatilität (sog. unternehmensspezifischer b-Faktor) der Aktienkurse des Unternehmens im Vergleich zur Volatilität des Marktportfolios schätzungsweise ermittelt.680 Die durchschnittliche Marktrisikoprämie berechnet sich aus der Differenz zwischen der erwarteten durchschnittlichen Rendite des sog. Marktportfolios an 676

v. Bonin, Leitung, S. 60. Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 60 f. 678 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (278); v. Werder, ZGR 1998, 69 (72); v. Bonin, Leitung, S. 61; Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (518). Eine andere Methode als das CAPM ist die Arbitrage Pricing Theory. Die Verwendung des CAPM beruht auf der Erkenntnis, dass nur das systematische Risiko (siehe hierzu Fn. 680) einer Anlage deren Gleichgewichtsrendite bestimmt, da das unternehmensspezifische, d. h. unsystematische Risiko (siehe hierzu Fn. 680), durch vollständige Diversifikation beseitigt werden kann. Das CAPM besagt damit, dass sich die Opportunitätskosten des Eigenkapitals als Summe der Rendite risikofreier Wertpapiere und der mit dem systematischen Risiko des Unternehmens gewichteten Risikoprämie ergeben, Neumann, VW 1998, S. 1708. 679 Vgl. zu dieser Berechnung Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (278 f.); v. Werder, ZGR 1998, 69 (72); Rappaport, Shareholder Value, S. 46 ff.; Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 59 ff.; v. Bonin, Leitung, S. 61 ff. 680 Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 59. Der b-Faktor misst somit das systematische, d. h. marktabhängige Risiko der jeweiligen Aktie im Vergleich zu dem des Gesamtmarktes. Für nichtbörsennotierte Unternehmen werden die b-Faktoren aus der Volatilität der Aktien branchengleicher und ähnlich großer Unternehmen gewonnen, v. Bonin, Leitung, S. 62 f. Hingegen bleibt nach dem CAPM das „unsystematische Risiko“ unberücksichtigt, also das individuelle, unternehmungsspezifische Risiko, das nicht der allgemeinen Marktschwankung entspricht, sondern vielmehr die Unsicherheiten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Managements, etwaiger Absatzschwächen, einer Insolvenz oder sonstiger Geschäftsrisiken widerspiegelt. Dieses Risiko kann unberücksichtigt bleiben, da sich CAPM und Shareholder Value-Ansatz auf die Annahmen der Portfoliotheorie stützen. Diese besagt, dass jeder Anleger durch geschickte Auswahl mehrerer Wertpapiere ein risikoeffizientes Portfolio zusammenstellen kann, dessen Schwankungsrisiko niedriger liegt als das Risiko jeder einzelnen Aktie, welche denselben erwarteten Ertrag wie das optimale Portfolio hat. Grund hierfür ist, dass der Anleger durch die Diversifikation seiner Beteiligungen nahezu das gesamte unsystematische Risiko einer Aktie ausgleichen kann, sodass nur noch das systematische Risiko des Unternehmens übrigbleibt, welches vom systematischen Risiko des Marktes abhängig ist. Das unsystematische Risiko spielt dann für die Anlageentscheidung nach der Portfoliotheorie keine Rolle, v. Bonin, Leitung, S. 63 f. m. w. N. 677

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Aktien (Marktrendite), z. B. des DAX, und der Rendite quasi risikoloser Anlagen (risikoloser Basiszinssatz).681 Der dadurch ermittelte (risikoadjustierte) Eigenkapitalkostenansatz wird im Übrigen auch als risikoadjustierter Zinssatz bezeichnet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die Profitabilität bei der Shareholder Value-Theorie entscheidend ist, dass die durch die Investition in das Unternehmen erzielte Eigenkapitalrendite den Zins- bzw. Diskontsatz, also die Rendite übersteigt, welche der Anteilseigner erzielen würde, sofern er das Geld bei etwa gleichem Risiko und gleichartiger zeitlicher Struktur des entsprechenden Zahlungsstroms anderweitig investieren würde.682 Damit stellt der Diskontsatz aus Unternehmenssicht den Preis dar, der am Kapitalmarkt an Anleger zu zahlen ist, um deren Ansprüche zu befriedigen und dadurch die Versorgung mit Eigenkapital zu sichern.683 Deshalb ist diese Kapitalkostenschätzung, wie schon angesprochen, maßgeblich, um die noch akzeptable Rendite festzulegen, den das Management bei Investitionsvorhaben fordern sollte.684 Investitionen, die eine über den Kapitalkosten liegende Rendite erzielen, werden daher Shareholder Value schaffen, währenddessen Investitionen mit einer unter den Kapitalkosten liegenden Rendite zu einer Vernichtung von Shareholder Value führen.685 bb) Anlegerorientierung beim Shareholder Value-Ansatz Im Mittelpunkt diese Shareholder Value-Betrachtung steht der diversifizierte Aktionär eines börsennotierten Unternehmens, welcher aus seinem Engagement möglichst hohen Profit in Form von Ausschüttungen und Kurssteigerungen erzielen möchte.686 Dieser Portfolioanleger kann seinen Wohlstand dadurch optimal steigern, indem er in solche Unternehmen investiert, bei welchen ein hoher Wertzuwachs zu erwarten ist, selbst wenn dies mit einem hohen Risiko verbunden ist.687 Da aber das unternehmensspezifische Risiko für den Portfolioanleger irrelevant ist, wird von der Unternehmensleitung verlangt, Investitionen und Strategieentscheidungen grundsätzlich unabhängig von diesem Risiko vorzunehmen.688 Ein diversifizierter Kapitalanleger wird die Leistung eines Unternehmens nur dann positiv beurteilen, sofern 681 Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 60. Hier erfolgt also die Subtraktion des marktimmanenten „systematischen Risikos“, das die allgemeinen Gefahren der Gesamtwirtschaft, insbesondere Konjunkturschwankungen, widerspiegelt. Das systematische Risiko wird durch den Zinssatz für risikolose Anleihen repräsentiert, v. Bonin, Leitung, S. 62. 682 Vgl. Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (278); v. Bonin, Leitung, S. 58. 683 v. Bonin, Leitung, S. 58. 684 Rappaport, Shareholder Value, S. 44. Denn erst, wenn die Eigenkapitalkosten gedeckt sind, kann, anders als beim herkömmlichen handelsrechtlichen Gewinnbegriff, ein sog. ökonomischer Gewinn im Sinne des Shareholder Value-Ansatzes erzielbar sein, Schilling, BB 1997, S. 373. 685 Rappaport, Shareholder Value, S. 44. 686 Kuhner, ZGR 2004, 244 (262 f.). 687 v. Bonin, Leitung, S. 65. 688 v. Bonin, Leitung, S. 65.

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die erwirtschaftete Rendite seiner Kapitalanlage wenigstens so groß wie die durchschnittliche Rendite für Kapitalanlagen der vergleichbaren systematischen Risikokategorie ist.689 Damit gilt ein Investitionsprojekt nur dann als fortführungswürdig, wenn es seine Eigenkapitalkosten erwirtschaftet, also mindestens so viel Rendite erzielt wie eine im systematischen Risiko äquivalente, durchschnittliche Kapitalmarktanlage. Ferner hat ein diversifizierter Anleger kein Interesse daran, dass Unternehmen ihr Investitionsrisiko dadurch senken, indem sie z. B. in verschiedenen Branchen diversifizieren oder solche Aktivitäten miteinander kombinieren, bei denen sich positive und negative Ergebniseffekte im statistischen Mittel ausgleichen.690 Investoren können die gewünschte Diversifikation selbst durch entsprechende Strukturierung ihres eigenen Wertpapierportfolios kostengünstiger und auf ihre eigenen Bedürfnisse abgestimmt herstellen. Überdies sind diversifizierte Anleger in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung eines einigen Unternehmens wesentlich risikofreudiger als andere Anspruchsgruppen.691 Letztere, insbesondere Arbeitnehmer und Gläubiger, sind regelmäßig vor allem an der langfristigen Stabilität und Entwicklung des Unternehmens und damit ihrer Geschäftsbeziehungen interessiert und hegen daher eher Sympathien für eine diversifizierende Investitionspolitik. Hingegen akzeptieren Portfolioanleger Wertentwicklungsschwankungen einer einzigen Anlage, solange die erwartete Durchschnittsrendite der Investition die Kapitalkosten unter Einbeziehung einer Risikoprämie für das systematische Risiko wenigstens abdeckt. cc) Strategieimplikationen beim Shareholder Value-Ansatz Der Shareholder Value-Ansatz setzt also voraus, dass Manager ihre Leitungsaufgabe an der langfristigen Steigerung des Shareholder Value ausrichten, also den finanziellen Wert des Eigenkapitals maximieren.692 Das Konzept wirkt sich somit unmittelbar auf die strategischen Entscheidungen der Unternehmensleitung aus, insbesondere in Bezug auf deren (Des-)Investitions- und Finanzierungsentscheidungen.693 Jedes Geschäftsfeld, jede Tochtergesellschaft und jede andere Einheit eines Unternehmens muss periodisch daraufhin überprüft werden, ob sie zukünftig einen angemessenen Beitrag zur Erhöhung des Shareholder Value des Unternehmens leistet oder diesen mindert.694 Das Unternehmen wird also nur solche Investitionen tätigen, die Renditen erzielen, welche die Eigenkapitalkosten übertreffen.695 Sym689

Kuhner, ZGR 2004, 244 (263). Siehe zur Berechnung 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa). Kuhner, ZGR 2004, 244 (263); v. Bonin, Leitung, S. 64 f.; Mülbert, ZGR 1997, 129 (159 f.). 691 Kuhner, ZGR 2004, 244 (263). 692 v. Bonin, Leitung, S. 64. 693 Siehe Mülbert, ZGR 1997, 129 (132 f.). sowie Kuhner, ZGR 2004, 244 (264 f.), jeweils mit Beispielen und Handlungsempfehlungen. 694 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (273); vgl. Schilling, BB 1997, S. 373; Kuhner, ZGR 2004, 244 (258); v. Bonin, Leitung, S. 64 f.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (155 f.). 695 v. Bonin, Leitung, S. 65. 690

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

bolhaft für den Shareholder Value-Ansatz ist daher die Neigung zu umgehenden Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen, abhängig davon, ob ein Bereich seine Kapitalkosten verdient oder nicht.696 Es sind nur solche Investitionen in neue Geschäftsfelder oder für den Ausbau vorhandener Bereiche vorzunehmen, deren erwartete Rendite mindestens den durchschnittlichen Eigenkapitalkosten des Gesamtunternehmens entspricht.697 Neuinvestitionen sowie Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind nur gerechtfertigt, sofern sie einen positiven Kapitalwert erwarten lassen.698 Auch freiwillige Sozialleistungen, wie Betriebsrenten oder übertarifliche Gehälter, werden als unvereinbar mit der Ausrichtung auf das Shareholder Value-Konzept gesehen, sofern sie keinen entsprechenden unternehmerischen Mehrwert bewirken, sondern tendenziell negative Auswirkungen auf die Ertragskraft des Unternehmens haben.699 Ferner ist, sofern das Unternehmen auf mehreren Geschäftsfeldern tätig ist, die erwartete Rendite getrennt nach Sparten zu ermitteln. Geschäftsbereiche, deren erwartete Rendite unter den durchschnittlichen Eigenkapitalkosten des gesamten Unternehmens liegt, sind zu veräußern oder aufzugeben.700 Eine in zahlreichen Konzernen weitverbreitete Quersubventionierung weniger profitabler Unternehmensbereiche verbietet sich.701 Bei vergleichender Bewertung verschiedener Investitionsmöglichkeiten ist auch der Rückkauf eigener Aktien in Betracht zu ziehen.702 Diese bietet sich als alternative Form der Ausschüttung an die Aktionäre an, wenn für die vorhandenen liquiden Mittel keine hinreichenden rentablen Anlagemöglichkeiten im Unternehmen ersichtlich sind.703 Überdies sollen Liquiditätsreserven dann an die Anteilseigner ausgeschüttet werden (direkt durch Dividendenzahlung oder indirekt durch den Rückkauf eigener Aktien), sofern im

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Kuhner, ZGR 2004, 244 (265). Mülbert, ZGR 1997, 129 (132); vgl. Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (284). Besteht sowohl die Möglichkeit der Ausweitung vorhandener Geschäftsfelder als auch der Diversifizierung der Geschäftszweige, wird die Diversifikationsinvestition, sofern der erwartete mittlere Ertrag für beide Vorhaben übereinstimmt, aus Sicht der (risikoneutralen) Gesellschaft oder etwa der Belegschaftsaktionäre grundsätzlich von Vorteil sein, da sie das Risiko von Ertragsschwankungen insgesamt glättet. Diversifizierte Anleger werden dieser Investition hingegen im Zusammenhang mit ihrem individuellen Portfolio einen geringeren Wert beimessen, da ihnen die gewünschte Diversifizierung am Kapitalmarkt zu geringeren Kosten möglich sein wird als dem Unternehmen im Rahmen einer internen Diversifizierung. Bei umgekehrter Unternehmenspolitik, also einer Konzentration auf Kernbereiche, liegen die Interessengegensätze spiegelbildlich zueinander. Siehe hierzu Mülbert, ZGR 1997, 129 (159 f.). 698 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (273). 699 Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (156); vgl. v. Werder, ZGR 1998, 69 (74 f.). 700 Mülbert, ZGR 1997, 129 (132). 701 Kuhner, ZGR 2004, 244 (265); Mülbert, ZGR 1997, 129 (132) Fn. 14. 702 Mülbert, ZGR 1997, 129 (132). Die durch den Rückkauf zu erzielende Rendite entspricht unter im Übrigen konstanten Bedingungen den Eigenkapitalkosten, Mülbert, ZGR 1997, 129 (132). 703 Birke, Formalziel, S. 209 f. 697

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eigenen Unternehmen keine Investitionsprojekte absehbar sind, welche wenigstens die Eigenkapitalkosten erwirtschaften.704 Ferner lässt sich der Marktwert des Eigenkapitals durch Änderung der Finanzierungsstruktur steigern, also durch die Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital, da letzteres, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in Zeiten niedriger Zinsen die günstigere Finanzierungsquelle darstellt und die Fremdkapitalzinsen zudem steuerlich abzugsfähig sind.705 Außerdem werden liquide Mittel zur Ausschüttung an die Anteilseigner frei und die Unternehmensführung durch die engere Eigenkapitalausstattung und geringere Liquidität davon abgehalten, unrentable Strategieentscheidungen zu treffen.706 Zuletzt sieht das Shareholder Value-Konzept erfolgsabhängige Entlohnungen vor, insbesondere auf den obersten Managementebenen.707 Dafür kommen insbesondere Aktienoptionspläne in Betracht, bei denen die Unternehmensführung überdurchschnittlich stark am Erfolg, aber nur sehr begrenzt an den Verlusten partizipiert. Denn die Ausgabe von Aktienoptionen an Führungskräfte soll Anreize setzen, den Marktwert der Gesellschaft im Interesse der Aktionäre zu steigern.708 dd) Ansichten in der Literatur In ökonomischer Hinsicht spricht zumindest für den Shareholder Value-Ansatz, dass Anleger allen voran Wertsteigerungen ihres Investments, also ihres Eigenkapitals und damit des Unternehmenswertes erwarten. Nach einer Erhebung des Deutschen Aktieninstituts erfreut sich hierzulande die Aktie als Anlageoption wieder größerer Beliebtheit.709 Nachdem die Anzahl der Aktieninhaber jahrelang rückläufig war, erreichte sie im Jahr 2015 wieder einen Stand von rund neun Millionen und im Jahr 2018 sogar einen Stand von über zehn Millionen Aktionären und Aktienfondsbesitzern. Insbesondere die Anzahl der Belegschaftsaktionäre hat mit einem Stand von im Jahr 2018 nahezu 1,3 Millionen wieder deutlichen Auftrieb. Angesichts der Tatsache, dass die private Altersvorsorge710 zunehmend an Bedeutung 704

Kuhner, ZGR 2004, 244 (265); Mülbert, ZGR 1997, 129 (132); v. Bonin, Leitung, S. 65. Hingegen sind freie Mittel bei einer Unternehmenspolitik, welche auf die isolierte Ertragsmaximierung der Gesellschaft ausgerichtet ist, dann zu investieren, sofern mindestens eine Rendite in Höhe des Marktzinssatzes für (fast) risikofreie Kapitalanlagen zu erzielen ist, so Mülbert, ZGR 1997, 129 (160 f.). 705 Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (265). 706 Kuhner, ZGR 2004, 244 (265 f.). 707 Kuhner, ZGR 2004, 244 (266); vgl. Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (552). 708 Birke, Formalziel, S. 210. 709 Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts 2015, insbes. S. 3, 5 sowie Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts 2018, S. 3 ff., jeweils abrufbar unter: https://www.dai.de/ de/das-bieten-wir/studien-und-statistiken/statistiken.html. 710 Roth, ZGR 2011, 516 (540) zufolge haben gerade die Institutionen privater Vorsorge (gemeint sind wohl Pensionsfonds, Rentenversicherungen und dergleichen) ein Eigeninteresse

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

gewinnt und Anleger angesichts bestehender Niedrigzinsen711, eines zunehmend überhitzten Immobilienmarktes und häufig mit hohem Risiko versehenen Unternehmensanleihen nach anderen Anlagemöglichkeiten suchen, ist zu erwarten, dass gerade börsengehandelte Aktien bei Anlegern auf lange Zeit hin verhältnismäßig hoch im Kurs stehen werden. Für sie ist allerdings ein Investment nur dann dauerhaft interessant, wenn sie mit Wertsteigerungen und Gewinnausschüttungen rechnen können. Noch drastischer ist dieser Eindruck, wenn man bedenkt, dass Aktien überwiegend nicht von privaten, sondern institutionellen Anlegern gehalten werden und davon mehr als die Hälfte aus dem Ausland kommt.712 Ferner machen es die zunehmende Ergänzung der klassischen Kreditfinanzierung durch die Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt und die als Ende der „Deutschland AG“ beschriebene Entflechtung der wechselseitigen Beteiligung innerhalb der deutschen Wirtschaft für Unternehmen notwendig,713 auf dem Kapitalmarkt für Investoren und Anleger attraktiv genug zu erscheinen. Zudem wird von Kuhner aus betriebswirtschaftlicher Sicht und im Hinblick auf die Prinzipal-Agent-Theorie zugunsten des Shareholder Value-Ansatzes angeführt, dass eine effiziente Steuerung der Unternehmensführung die Vorgabe eindeutiger und messbarer Zielerreichungsgrade voraussetze.714 Die verbreiteten Shareholder Value-Konzepte hätten gerade die Entwicklung quantifizierbarer Zielgrößen zum Gegenstand.715 Hingegen sei in einem interessenpluralistischen Ansatz die geforderte Eindeutigkeit nicht herstellbar. Der Shareholder Value-Ansatz verringere demgemäß die diskretionären Handlungsspielräume des Managements.716 Ferner würden Anteilseigner am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens als Residualberechtigte teilhaben.717 Ihnen komme der nach Befriedigung der vertraglichen Ansprüche aller anderen Gruppen verbleibende finanzielle Überschuss aus der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu. Die Eigenkapitalgeber seien demzufolge einem größeren Risiko ausgesetzt, was die Vorrangstellung rechtfertige.718 Die anderen Anspruchsgruppen seien hingegen Festbetragsbeteiligte, die ihre Ansprüche an langfristigen Wertsteigerungen. Der Autor spricht hier von der „Steigerung des langfristigen shareholder value als übergreifendes Prinzip“. 711 Siehe auch Seibert, AG 2015, 593 (596). 712 Vgl. Seibert, AG 2015, 593 (596); Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (898 f.); Habersack, AG 2009, 1 (4). 713 Vgl. Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (898). 714 So Kuhner, ZGR 2004, 244 (259); Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 34. Gegen die Ansehung des Vorstands als Treuhänder der Aktionäre Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 60; ders., AG 2012, 605 (606, 609). 715 Kuhner, ZGR 2004, 244 (259); a. A. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 17, die bezweifeln, dass sich aus dem Shareholder Value-Ansatz konkrete Handlungsvorgaben gewinnen lassen. 716 So Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 34; vgl. ferner Hopt, ZHR 175 (2011), 444 (477). 717 Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (259). 718 So Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 33.

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gegen das Unternehmen im Voraus und vertraglich absicherten,719 und (so Schilling) aufgrund dieser mannigfacher vertraglicher Vereinbarungen sowie umfangreicher gesetzlicher Regelungen Schutz genössen.720 Laut v. Werder zwingt der Kapitalmarkt überdies die Unternehmen, sich am Shareholder Value auszurichten, um weiterhin Risikokapital im erforderlichen Umfang aufnehmen zu können.721 Umgekehrt, so Rappaport, erleichtere es der Unternehmensleitung, unökonomische Diversifikationen und Überinvestitionen in schrumpfenden Geschäftsbereichen zu rechtfertigen, wenn sie versuche, die Interessen aller Stakeholder auszugleichen, da diese Schritte voraussichtlich von allen anderen Anspruchsgruppen außer den Eigentümern gut geheißen würden.722 Um allerdings die Ansprüche und Forderungen sämtlicher Gruppen befriedigen zu können, müsse das Management Cash erwirtschaften, indem es effektiv und effizient Geschäfte betreibe.723 Alle Anspruchsgruppen seien umgekehrt in Gefahr, wenn es der Unternehmensführung nicht gelinge, Shareholder Value zu schaffen.724 Kort zufolge ist eine generelle Ausrichtung der Leitung der Aktiengesellschaft am Shareholder Value auch deshalb geboten, da die Orientierung am Gesellschaftsinteresse nicht wesensverschieden von den gebündelten Gesellschafterinteressen ist.725 Die Orientierung der Aktiengesellschaft am Shareholder Value sei letztlich auch Wettbewerbsparameter für das Unternehmen, da diese Faktoren maßgeblich die Kosten für die Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital bestimmten. Als plakatives Argument gegen den Gebrauch des Shareholder Value-Ansatzes findet häufig das Beispiel Verwendung, in dem Arbeitsplätze zur Steigerung des Shareholder Value abgebaut werden müssen.726 Ferner werden betriebswirtschaftliche Erwägungen gegen den Shareholder Value-Ansatz vorgebracht.727 Etwa beruhe die Kalkulation der Eigenkapitalkosten nach dem kapitalmarkttheoretischen CAPM auf der Prämisse, dass sich in den Aktienkursentwicklungen die rationalen Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der zukünftigen Unternehmenswerte wi-

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Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (259). Schilling, BB 1997, 373 (381); zustimmend KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 18. Vgl. auch v. Bonin, Leitung, S. 41. 721 Vgl. v. Werder, ZGR 1998, 69 (80). 722 Rappaport, Shareholder Value, S. 8. 723 Rappaport, Shareholder Value, S. 8. 724 Rappaport, Shareholder Value, S. 9; dahingehend auch Schilling, BB 1997, 373 (381). 725 So die frühere Auffassung von Kort, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 76 Rn. 54. Anders hingegen in der Folgeauflage, siehe Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 71 ff. 726 Vgl. v. Werder, ZGR 1998, 69 (84). V. Werder, ZGR 1998, 69 (75) formuliert prononciert, aber zutreffend, dass der „Arbeitnehmer, der mit 50 Jahren seinen Arbeitsplatz verliert und in Folge mit den Raten für sein Eigenheim in Verzug gerät, (…) sich nach Lage seiner mutmaßlichen individuellen Präferenzen kaum damit trösten (wird), dass die Unternehmung an Wettbewerbskraft gewonnen hat“. 727 Vgl. hierzu im Einzelnen v. Werder, ZGR 1998, 69 (87 ff.). 720

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

derspiegeln, wobei dies de facto nur begrenzt zutreffe.728 Überdies führe die Unternehmensführung nach Maßgabe des CAPM in eine „Renditespirale“, denn je profitabler Vorstände ihre Unternehmen führten, umso höher stiegen Aktienkurse und Dividenden, desto größer werde die Risikoprämie (als Differenz zwischen der Aktienperformance und der Verzinsung risikofreier Papiere), umso höher steigen folglich die Eigenkapitalkosten und die Vorstände müssten entsprechend profitabler wirtschaften.729 Ferner stellt sich das Problem, dass der im Rahmen des kapitalmarktbasierenden Discounted Cash Flow-Verfahrens angewandte b-Faktor nur bei börsennotierten Unternehmen eindeutig zu bestimmen ist.730 Für andere, gerade kleinere und mittlere Unternehmen, kann er indes nur aus Vergleichswerten abgeleitet werden. Gegen den Shareholder Value-Ansatz wird überdies vorgebracht, dass dieser einseitig auf die Aktionärsinteressen ausgelegt sei und die Belange der anderen Interessengruppen, insbesondere der Arbeitnehmer, vernachlässige.731 Mülbert bringt vor, dass der Shareholder Value-Ansatz eine auf kurzfristige Ergebnisverbesserungen ausgerichtete Unternehmenspolitik bedinge, die auf Personalabbau sowie Kürzungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung zurückgreife.732 Theoretisch sei diese Befürchtung zwar unbegründet, denn die kapitalmarkttheoretischen Gleichgewichtsmodelle basierten auf der Entkoppelung zwischen der kapitalmarktbezogenen Aktien- und Investitionsbewertung und den individuellen Zeitpräferenzen einzelner Investoren.733 Nach den Grundannahmen dieses Ansatzes gehe es gerade um die langfristige Steigerung des Unternehmenswerts.734 Praktisch könnte die Zahlungsstromorientierung jedoch eine kurzfristig ausgerichtete Unternehmenssteuerung begünstigen, da sich mitunter die Planungsperioden für den künftigen Cashflow in der Regel auf verhältnismäßig kurze Zeiträume bis etwa fünf Jahre beschränkten.735 Hingegen werde die negative Kehrseite solcher Maßnahmen, wie die Minderungen langfristig erzielbarer Einnahmen, nur unvollständig erfasst. Mertens und Cahn bezweifeln zudem, dass die Aktionäre als Residualberechtigte einem höheren Risiko ausgesetzt sind.736 Während Aktionäre regelmäßig diversifiziert seien, hätten insbesondere Arbeitnehmer und bestimmte Gläubiger oft in hohem Maße unternehmensspezifische Investitionen erbracht und seien deshalb von unternehmerischen Entscheidungen nicht selten stärker als die meisten Aktionäre 728

So v. Werder, ZGR 1998, 69 (87). v. Werder, ZGR 1998, 69 (88). So wohl auch v. Bonin, Leitung, S. 70. 730 Vgl. Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 33, 80; Ebenroth u. a./ Lorz, HGB, § 131 Rn. 96; Behringer, DStR 2001, S. 719 f. 731 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 71 ff. m. w. N. 732 Mülbert, ZGR 1997, 129 (139). 733 Mülbert, ZGR 1997, 129 (139). 734 Dies betont v. Bonin, Leitung, S. 74. 735 So Mülbert, ZGR 1997, 129 (139). A. A. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 32. 736 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 16; dahingehend auch MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 76; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 61; ders., AG 2012, 605 (609). 729

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betroffen. Ferner verliere die Unterscheidung nach der Stellung als Eigen- oder Fremdkapitalgeber in dem Maße an Überzeugungskraft, in dem durch die Verbreitung hybrider Finanzinstrumente und Finanzderivaten die Verschiedenheit zwischen den Risikoprofilen beider Kapitalarten verwischt werde.737 Außerdem stellen Mertens und Cahn in Frage, ob der Shareholder Value-Ansatz tatsächlich eindeutige Zielvorgaben für das Management schaffe, da etwa bei Abstellen auf die Gesamtlebensdauer der Gesellschaft, einem theoretisch unbegrenzten Zeitraum, sich konkrete Handlungsvorgaben allenfalls dann mit einiger Bestimmtheit ableiten ließen, sofern eine Verhaltensalternative voraussichtlich in die Insolvenz führen würde, die andere hingegen nicht.738 Das Shareholder Value-Konzept könne überhaupt nur dann mit dem Gesetz in Einklang gebracht werden, wenn die Abstraktion vom tatsächlichen und das Abstellen auf ein hypothetisches Aktionärsinteresse angesichts divergierender Anteilseignerinteressen nicht lediglich eine praktische Notwendigkeit wäre, sondern auf normativen Gründen beruhte.739 Das wohl stärkste Argument gegen den Shareholder Value-Ansatz ist, dass er alle Anleger gleichbehandelt, gleichwohl die Präferenzen der Anleger realiter, etwa im Hinblick auf die Risikoneigung, mitunter stark voneinander abweichen.740 Überdies bestehen zwischen institutionellen und privaten Vermögensverwaltern und auch innerhalb ihres Kreises beträchtliche Unterschiede hinsichtlich Haltedauer und Diversifikation.741 Ein als normative Leitlinie anwendbares Aktionärsinteresse lässt sich laut Mertens und Cahn in der Regel nur dann gewinnen, wenn man von den nicht selten divergierenden Interessen der Anteilseigner absieht und als gemeinsames Aktionärsziel die langfristige Maximierung sämtlicher Zahlungsströme über alle Perioden einschließlich des Restwertes des Unternehmens postuliert.742 Laut v. Bonin besteht Interessenharmonie ohnehin nur dann, wenn es einen vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt gibt und jeder Aktionär seinen Anteil jederzeit verkaufen und dafür andere Aktien erwerben kann, welche im Hinblick auf die zeitliche Verteilung den zu erwartenden Einkommensströmen und im Hinblick auf die Risikoverteilung den Aktionärspräferenzen entsprechen.743 Dieser vollkommene und vollständige Kapitalmarkt bestünde in diesem Maße aber in der Realität nicht.744 Ferner sei die erstrebte Shareholder Value-Maximierung, wie etwa Mülbert betont, gerade für unternehmerische und wenig diversifizierte Paketaktionäre eher nachteilig.745 Gleiches dürfte auch für Belegschaftsaktionäre gelten, für 737 738 739 740 741 742 743 744 745

KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 16. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 17; ähnlich Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 71. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 17. Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 74 f. m. w. N. So Wiedemann, ZGR 2011, 183 (192). KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 17. v. Bonin, Leitung, S. 75. v. Bonin, Leitung, S. 75. Mülbert, ZGR 1997, 129 (163); v. Bonin, Leitung, S. 75.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

welche Diversifizierungsinvestitionen angesichts der damit erstrebten Risikominimierung vorteilhaft sein sollten.746 Mülbert zufolge bedeutet die Shareholder ValueOrientierung damit, dass sich die Unternehmensleitung bei ihren Entscheidungen von den impliziten Renditeerwartungen derjenigen Aktionäre leiten lassen müsse, die als Anleger die Ertrags-Risiko-Charakteristik ihres individuellen Portfolios optimieren möchten.747 b) Kompatibilität von Shareholder Value und Aktienrecht? Unabhängig von den Diskussionen um die Zweckmäßigkeit und Schlüssigkeit des Shareholder Value-Ansatzes stellt sich auch die Frage nach seiner aktienrechtlichen Kompatibilität. Die Vereinbarkeit dieses Konzeptes mit dem Aktienrecht muss aus mehreren Blickwinkeln begutachtet werden. Zum einen muss auf die in der Literatur vertretene Auffassung eingegangen werden, dass der Gesetzgeber die Kapitalmarktorientierung des AktG, insbesondere durch Verabschiedung des KonTraG748, maßgeblich verstärkt hätte. Zum anderen werden mehrere höchstrichterliche Entscheidungen zur Verkehrsfähigkeit von Aktien näher betrachtet werden müssen. Dabei rückt auch die Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft in den Blickpunkt. Weiterhin wird darauf einzugehen sein, dass die Gesellschaft im Aktienrecht als überindividuell verfasster Zweck in den Mittelpunkt gestellt wird, wohingegen der Shareholder Value-Ansatz auf die Wohlstandsmaximierung des diversifizierten Anlegers ausgerichtet ist.749 Unklar ist ferner, ob sich der verbandsrechtliche Zweck der Gewinnerzielung mit der vom Shareholder Value-Ansatz präferierten Marktwertmaximierung vereinbaren lässt.750 Damit verbunden ist die Frage, ob die diesem Konzept zu entnehmenden Gewinnverwendungspräferenzen sich aktienrechtlich halten lassen. aa) Verstärkte Kapitalmarktorientierung im Aktienrecht Die Aktienrechtsnovellen der vergangenen beiden Jahrzehnte stehen stark unter dem Eindruck fortschreitender Kapitalmarktorientierung und haben diese sicherlich

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Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (159). Hingegen wird eine mögliche Interessenkongruenz damit begründet, dass Aktionäre, welche die Shareholder Value-orientierte Unternehmenspolitik geringer schätzen, ihre Aktien bei Wahl der kursmaximierenden Politik immer verkaufen und aus dem Erlös Anteile erwerben, die hinsichtlich der zeitlichen Struktur und des Risikos ihren Erwartungen entsprechen, vgl. Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (525). Dieses Argument geht gerade bei Belegschaftsaktionären fehl, die aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Stellung Aktien erworben haben und diese auch regelmäßig mit einer Veräußerungssperrfrist halten müssen. 747 Mülbert, ZGR 1997, 129 (161). 748 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 749 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (131, 159). 750 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 118 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129 (159).

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weiter befördert.751 Erwähnung verdient hierbei etwa das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts aus dem Jahr 1994,752 dessen rechtspolitisches Anliegen es war, die als unzureichend empfundene Eigenkapitalausstattung des deutschen Mittelstands zu verbessern.753 Im Anschluss daran schuf der Gesetzgeber zunehmend ein Sonderrecht für börsennotierte Aktiengesellschaften, wie gerade das KonTraG754 aus dem Jahr 1998 oder das TransPuG755 aus dem Jahr 2002, welches für börsennotierte Aktiengesellschaften die Erklärungspflicht nach § 161 AktG brachte, verdeutlichen.756 Der apostrophierte Wandel zu einem kapitalmarktfreundlicheren Aktienrecht mag auch in der Begründung zu dem durch das TransPuG757 geänderten § 58 Abs. 2 S. 2 AktG zu Tage treten,758 wonach die bisherige Regelung mit Rücksicht auf die damalige Kapitalarmut deutscher Gesellschaften verabschiedet worden war.759 Hingegen bestünde heute die Erwartung, dass die Verwaltung sich in einem offenen Dialog mit den Aktionären um Verständnis dafür bemühe, dass anstelle von Ausschüttungen ein höherer Anteil des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden solle. Für börsennotierte Gesellschaften war vor dem TransPuG760 lange Zeit lediglich die Einstellung eines größeren Teils in die Gewinnrücklagen zulässig.761 Dem bereits angesprochenen KonTraG762, welches „die Ausrichtung unserer Publikumsgesellschaften auf die Bedürfnisse und Erwartungen der internationalen Finanzmärkte gesetzlich aktiv begleiten“ sollte,763 kommt in dieser gesetzgeberischen Entwicklung zu einer stärkeren Kapitalmarktorientierung und Shareholder Value-Orientierung des Aktienrechts besondere Bedeutung zu.764 Zum einen brachte § 3 Abs. 2 AktG mit der gesetzlichen Definition der börsennotierten Gesellschaft zunächst die Grundlage für das sich entwickelnde Börsengesellschaftsrecht.765 Das 751

Vgl. Birke, Formalziel, S. 206; Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (890); Assmann, AG 2015, S. 597 ff. 752 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961. 753 Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (894); vgl. Seibert, AG 2015, 593 (594). 754 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 755 Siehe oben Einführung, Fn. 22. 756 Vgl. Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (894). 757 Siehe oben Einführung, Fn. 22. 758 Dahingehend Birke, Formalziel, S. 207 f. 759 Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769, S. 12. 760 Siehe oben Einführung, Fn. 22. 761 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 58 Rn. 22. 762 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 763 Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 11. 764 Birke, Formalziel, S. 209; Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (433 ff.); Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (158 f.). 765 Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (896).

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durch den novellierten § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeführte Verbot satzungsmäßiger Höchststimmrechte für im regulierten Markt börsennotierte Gesellschaften effektuierte überdies den Grundsatz des one share – one vote.766 Das Leitmotiv der Novelle, das Aktienrecht den Anforderungen moderner Kapitalmärkte anzupassen, trat im Übrigen besonders durch die novellierten §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 und 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG hervor.767 Nachdem zuvor der Eigenerwerb von Aktien nur in Ausnahmefällen zulässig war, gestattet der neu hinzugefügte § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG die Ermächtigung der Hauptversammlung an den Vorstand für maximal fünf Jahre768, eigene Aktien im Umfang von bis zu höchstens zehn Prozent des Grundkapitals zu erwerben.769 Laut Regierungsbegründung kann der Eigenerwerb zur Belebung des Börsenhandels, zur Steigerung der Akzeptanz der Aktie als Anlageform, zu erhöhter Emissionsneigung und damit zur Attraktivität des deutschen Finanzplatzes beitragen.770 Der Erwerb eigener Aktien wird dabei als Verwendungsmöglichkeit für überschüssige und anderweitig nicht sinnvoll nutzbare Liquidität betrachtet.771 Gerade diese Option fügt sich in die bereits dargestellten Strategieimplikationen des Shareholder Value-Konzepts.772 Ferner lässt der Erwerb eigener Aktien den Anteilseignern die Wahl, entweder ihre Aktien zu einem höheren Kurs zu verkaufen oder von der mit dem Rückkauf regelmäßig einhergehenden Kurswertsteigerung zu profitieren.773 Außerdem hat das KonTraG774 die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter und vor allem die Geschäftsführung wesentlich erleichtert, denn gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nunmehr eine bedingte Kapitalerhöhung zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens zulässig. Insofern dient das Aktienoptionsprogramm dazu, die vom Vorstand bei der Unternehmensführung verfolgten Interessen mit denen der Aktionäre an einem möglichst hohen Börsenkurs in Einklang zu bringen.775 Ferner steht es deutschen Aktiengesellschaften dadurch verstärkt offen, ihre Geschäftspolitik vermehrt an der Steigerung des Aktienwertes auszurichten.776 Auch dies entspricht einer der bereits aufgeführten Strategiemaß-

766

Vgl. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 134 Rn. 12; Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (897, 931); Noack, AG 2009, 227 (234 f.). 767 Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (897 f.). 768 Ursprünglich betrug die durch das KonTraG (siehe oben Einführung, Fn. 19) eingeführte Höchstdauer 18 Monate. Diese Maximaldauer hat das ARUG (siehe Fn. 791) auf fünf Jahre verlängert. 769 Birke, Formalziel, S. 209. 770 Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 13. 771 Kindl, DStR 1999, 1276 (1277). 772 Siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) cc). 773 Kindl, DStR 1999, 1276 (1277). 774 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 775 Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (898). 776 Vgl. Kindl, DStR 1999, 1276 (1277).

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nahmen nach dem Shareholder Value-Konzept.777 Mit den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG enthält das Aktienrecht damit Vorschriften, welche seine Öffnung für kapitalmarktrechtliches Denken zum Ausdruck bringen.778 Dem entspricht es durchaus, wenn die Gesetzesbegründung davon spricht, dass die zunehmende Anlegerausrichtung deutscher Unternehmen eine stärkere Orientierung an der langfristigen Wertsteigerung bedingt.779 Nicht wenige gehen folglich davon aus, dass der Shareholder Value-Gedanke durch das KonTraG780 Einzug ins Aktienrecht gehalten hat.781 In die Richtung einer stärkeren Kapitalmarktorientierung weisen auch die im Jahr 2001 durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen782 eingeführten §§ 327a ff. AktG, die einem wenigstens mit 95 Prozent am Grundkapital beteiligten Aktionär gestatten, die verbliebenen Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung aus der Gesellschaft zu drängen (sog. Squeeze out). In der Regierungsbegründung hieß es, dass der Gesetzgeber berücksichtige, dass Kleinaktionäre Aktien vorwiegend als Kapitalanlage betrachteten, ihr Interessenschwerpunkt regelmäßig auf der Vermögenskomponente ihrer Rechtsposition liege und sie ohnehin keinen relevanten Einfluss nehmen könnten.783 Gerade das WpÜG sollte die Kapitalmarktfähigkeit des deutschen Aktienrechts verstärken.784 Der Squeeze out ordnet den Bestandsschutz der Mitgliedschaft dem allgemeinen Leitungsinteresse des Hauptaktionärs unter und reduziert die Position des Minderheitsaktionärs auf einen bloßen Vermögensschutz.785 Die weitgehende Gleichsetzung des Kleinaktionärsschutzes mit dem Schutz seines Vermögens respektive der Gewährleistung einer angemessenen Abfindung sieht Hanau gar als Teil eines im Aktienrecht jüngst stattgefundenen Paradigmenwechsels „weg vom Gesellschaftsrecht, hin zum Kapitalmarktrecht“,786 wenngleich die unterbliebene Ausklammerung nichtbörsennotierter Unternehmen, 777

Siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) cc). Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (907). 779 Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 11. 780 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 781 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 76; MüKoHGB/Reiner, § 272 Rn. 83; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 36; Fleischer, in: ders., Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 29; Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (158 f.). Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass die §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 und 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG gleichermaßen für nichtbörsennotierte Gesellschaften gelten und diese Vorschriften schon deshalb nur schwerlich im Sinne einer grundsätzlichen Neuausrichtung des Aktienrechts aufgefasst werden können, so Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/ Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (940). 782 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 20.12.2001, BGBl. 2001 I, S. 3822 ff. Hierdurch ist im Wesentlichen das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) eingeführt worden. 783 Begr. RegE v. 5.10.2001, BT-Drs. 14/7034, S. 32. 784 Birke, Formalziel, S. 207. 785 Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht, § 327a AktG, Rn. 5. 786 Hanau, NZG 2002, 1040 (1041). 778

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

auf die sich der kapitalmarktrechtliche Ansatz nicht bezieht, sich in dieses Konzept nicht recht einfügen mag.787 Jedenfalls kommt im Squeeze out eine stärkere vermögens- anstatt einer verbandsrechtlichen Konzeption des Aktienrechts zum Ausdruck.788 Ferner brachten das NaStraG789, das unter anderem das Recht der Namensaktie neu regelte und die (grenzüberschreitende) Stimmrechtsausübung sowie die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionär erleichtern sollte,790 das ARUG791, welches Aktionärsinformationen bei börsennotierten Gesellschaften verbessern und Erleichterungen der grenzüberschreitenden Ausübung von Aktionärsrechten bringen sollte,792 sowie das UMAG793, das eine an die Kapitalmarktentwicklung, insbesondere die Internationalisierung der Aktionärszusammensetzung, angepasste Novellierung der Anmeldung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Stimmrechtsausübung in das Gesetz einfügte,794 wichtige rechtspolitische Akzente in der Fortentwicklung des Aktienrechts hin zu einer stärkeren Internationalisierung und Kapitalmarktorientierung. bb) Anerkennung der Verkehrsfähigkeit der Aktie in der Rechtsprechung Die besondere Verkehrsfähigkeit der Aktie und die – spiegelbildlich – dadurch erleichterte Beschaffung von Eigenkapital bilden typische Eigenschaften des Aktieneigentums.795 Zwar ist auch bei Aktiengesellschaften eine Vinkulierung möglich, dies aber ohnehin nur bei Namensaktien.796 Demgegenüber gestattet § 15 Abs. 5 GmbHG die Vinkulierung (jedweder) GmbH-Geschäftsanteile und damit die Erschwerung ihrer Verkehrsfähigkeit.797 Auch daran zeigt sich, dass die freie Über-

787 Vgl. Hanau, NZG 2002, 1040 (1046 f.). Mithin deshalb für eine Ausgestaltung des Squeeze out als kapitalmarktrechtliche Maßnahme und für eine Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht, § 327a AktG, Rn. 5. 788 So Spindler/Stilz/Singhof, AktG, § 327a Rn. 6. 789 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) v. 18.1.2001, BGBl. I S. 123; im Folgenden auch als NaStraG bezeichnet. 790 Seibert, AG 2015, 593 (595); Assmann, AG 2015, 597 (608); Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (899 f., 931); vgl. ferner Seibert, AG 2004, S. 529 ff. 791 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 30.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2479; im Folgenden auch als ARUG bezeichnet. 792 Assmann, AG 2015, 597 (608). 793 Siehe oben Einführung, Fn. 28. 794 Assmann, AG 2015, 597 (608); vgl. ferner Kolb, DZWIR 2006, S. 50 ff. 795 Vgl. Thomale, ZGR 2013, 686 (711). 796 Vgl. MüKoAktG/Bayer, § 68 Rn. 34; MüKoAktG/Stein, § 180 Rn. 17; Hüffer/Koch, AktG, § 68 Rn. 10 f.; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 68 AktG, Rn. 6 f.; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 180 Rn. 8 ff. 797 Vgl. Thomale, ZGR 2013, 686 (711); vgl. ferner MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 15 Rn. 364; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 68.

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tragbarkeit und Verkehrsfähigkeit der erworbenen Aktien mithin zum Kernbestand der Mitgliedschaftsrechte eines Aktionärs gehört.798 Ebenso lässt sich die Judikatur des BVerfG wie auch des BGH als Beleg für die Verkehrsfähigkeit der Aktie heranziehen. Ob diese auch Testate für eine stärkere Kapitalmarktorientierung im Aktienrecht sind, wird hingegen zu klären sein.799 Von Interesse sind hierbei die Entscheidungen DAT Altana800 und Moto Meter801 sowie das Delisting-Urteil802 des BVerfG als auch die BGH-Entscheidungen Macrotron803 und Frosta804. In dem Beschluss DAT Altana und bei dem Nichtannahmebeschluss Moto Meter ging es jeweils um den Verlust der Gesellschafterbeteiligung, im Fall von DAT Altana durch Eingliederung in eine andere Gesellschaft, der Hauptaktionärin, im Fall von Moto Meter durch „übertragende Auflösung“. Das Delisting-Urteil des BVerfG betraf die Folgen des Widerrufs der Börsenzulassung von Aktien zum Handel im regulierten Markt auf Antrag der Gesellschaft selbst. In DAT Altana führte das BVerfG aus, es sei das Charakteristikum des Aktieneigentums, dass es mitgliedschaftliche Herrschafts- und Vermögensrechte vermittle.805 Die Vermögenskomponente stehe insbesondere bei Kleinaktionären, die auf die Unternehmenspolitik regelmäßig keinen relevanten Einfluss nehmen könnten und die Aktie vorwiegend als Kapitalanlage betrachteten, im Vordergrund. Das Aktieneigentum ermögliche dabei eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht, das auf der besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit von Aktien beruhe. Darin unterscheide sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von anderen Unternehmensbeteiligungen. Vor allem treffe das auf Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften zu, die es dem Gesellschafter in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes praktisch jederzeit erlaubten, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu desinvestieren. „Die Aktie ist aus der Sicht des Kleinaktionärs gerade deshalb so attraktiv, weil er sein Kapital nicht auf längere Sicht bindet, sondern sie fast ständig wieder veräußern kann.“806 Ferner stelle sich für den Minderheitsaktionär bei börsennotierten Gesellschaften der abzufindende Vermögensverlust als der Verlust des Verkehrswerts der Aktie dar; dieser wiederum sei mit dem Börsenkurs der Aktie regelmäßig identisch und zudem die Untergrenze der „wirtschaftlich vollen Entschädigung“.807 In eine ähnliche Richtung geht auch die 798

Vgl. MüKoAktG/Stein, § 180 Rn. 16. Dies bejaht hingegen Birke, Formalziel, S. 210. 800 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289. 801 BVerfG, Beschl. v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, AG 2001, S. 42. 802 BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99 („MVS/ Lindner“); siehe hierzu auch Brellochs, AG 2014, 633 (635). 803 BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47; AG 2003, S. 273. 804 BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – II ZB 26/12, AG 2013, S. 877. 805 BVerfGE 100, 289 (303). 806 BVerfGE 100, 289 (305). 807 BVerfGE 100, 289 (306 ff.). 799

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Begründung des BVerfG bei Moto Meter. Danach ist die Beeinträchtigung der Minderheitsaktionäre in ihren durch Art. 14 Abs. 1 GG rechtlich geschützten Interessen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Anleger eine dem Wert ihrer Aktien entsprechende Entschädigung bekommen. „Dann ist es ihnen in aller Regel möglich, eine alternative Kapitalanlage in einem Unternehmen gleicher oder ähnlicher Ausrichtung zu finden, jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes.“808 Im Delisting-Urteil entschied das Gericht hingegen, dass von der Eigentumsfreiheit grundsätzlich nicht der bloße Vermögenswert des Aktieneigentums und der Bestand einzelner wertbildender Faktoren, insbesondere solcher, welche die tatsächliche Verkehrsfähigkeit einer Aktie steigern, geschützt sind.809 Die durch den Handel im regulierten Markt der Börse möglicherweise faktisch gesteigerte Verkehrsfähigkeit der Aktie nehme nicht an der Gewährleistung des Aktieneigentums teil.810 Das BVerfG erkennt zwar unter Verweis auf die DATAltana-Entscheidung an, dass die „besondere Verkehrsfähigkeit der Aktie als eine ,Eigenschaft‘ des Aktieneigentums anerkannt“ ist.811 Damit zählt aber nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit812 zum von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestand. „Ließe sich eine im Tatsächlichen gesteigerte Verkehrsfähigkeit feststellen, so erwiese sie sich als schlichte Ertrags- und Handelschance.“813 M. a. W. umfasst der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht die besonders leichte Absetzbarkeit, welche mit der Börsennotierung einhergeht.814 Als weiterer Schritt zur Anerkennung der Verkehrsfähigkeit als Bestandteil der Aktie können die Entscheidungen des BGH Macrotron und Frosta angesehen werden. Bei Macrotron ging es um den Fall eines regulären Delistings, also dem Rückzug der Gesellschaft aus dem geregelten Markt an allen Börsen,815 bei Frosta hingegen um das Downlisting der Gesellschaft, hier konkret um den Wechsel vom regulierten Markt der Berliner Wertpapierbörse in den Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse.816 Der BGH befand noch in Macrotron, dass das reguläre Delisting eines mit einfacher Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses bedürfe.817 Denn mit dem Rückzug der Gesellschaft aus dem amtlichen Handel oder vom geregelten Markt würde dem Aktionär der Markt genommen, welcher ihn in die Lage versetze, 808 809 810 811 812 813 814 815 816 817

BVerfG, AG 2001, 42 (43). BVerfGE 132, 99 (119). BVerfGE 132, 99 (121). BVerfGE 132, 99 (121). Gemeint ist die Übertragbarkeit, siehe Thomale, ZGR 2013, 686 (688, 690). BVerfGE 132, 99 (121). Vgl. Thomale, ZGR 2013, 686 (688). Vgl. BGH, AG 2003, 273 (274). Vgl. BGH, AG 2013, S. 877. BGHZ 153, 47; AG 2013, 273 (274).

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den Wert seiner Aktien jederzeit durch Veräußerung zu realisieren.818 Für Minderheits- und Kleinaktionäre, deren Engagement allein in der Wahrnehmung von Anlageinteressen bestehe, bringe der Wegfall des Marktes wirtschaftliche gravierende Nachteile mit sich, welche nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freihandel ausgeglichen werden könnten. Unter Verweis auf die DAT Altana-Entscheidung urteilte der BGH, dass der Verkehrswert und die jederzeitige Möglichkeit seiner Realisierung Eigenschaften des Aktieneigentums seien, „die wie das Aktieneigentum selbst verfassungsrechtlichen Schutz genießen.“819 Die Hauptversammlung habe darüber zu entscheiden, ob das Delisting als eine die Verkehrsfähigkeit der Aktie und folglich den Verkehrswert des Anteils beeinträchtigende Maßnahme im Hinblick auf den Minderheitenschutz durchgeführt werden dürfe und solle. Ferner könne ein adäquater Schutz der Minderheitsaktionäre nur dadurch erreicht werden, dass ihnen mit dem Beschlussantrag ein Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft oder den Großaktionär vorgelegt werde.820 Der Kaufpreis müsse dabei dem Anteilswert entsprechen. Unter dem Eindruck des Delisting-Urteils des BVerfG gab der BGH in Frosta seine Macrotron-Rechtsprechung auf, wonach beim Widerruf der Zulassung zum Handel im regulierten Markt auf Antrag der Gesellschaft ein Pflichtangebot an die Minderheitsaktionäre über den Kauf ihrer Aktien vorzulegen sei.821 Dieser Rechtsprechung sei durch das Delisting-Urteil, nach welcher der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs nicht berühre, die Grundlage entzogen. Der BGH verneinte es, ein Barabfindungsgebot aus der analogen Anwendung der §§ 29, 207 UmwG oder § 243 AktG zu gewinnen.822 Ebenso lehnt er die Pflicht zu einem Barabfindungsgebot aus einer Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Regelungen anderer gesellschaftsrechtlicher Strukturmaßnahmen (§§ 305, 320b, 327b AktG, §§ 29, 207 UmwG) und zu § 119 Abs. 1 AktG ab.823 Zudem bestehe keine aktienrechtliche Pflicht, einen Hauptversammlungsbeschluss herbeizuführen.824 Denn für den BGH ist der Widerruf der Börsenzulassung keine Strukturmaßnahme und ähnelt dieser auch nicht.825 Damit hat sich der BGH in Frosta für eine rein kapitalmarktrechtliche Lösung und ein kapitalmarktrechtliches Verständnis des Delistings entschieden.826

818

BGHZ 153, 47; AG 2013, 273 (274). BGHZ 153, 47; AG 2013, 273 (275). 820 BGHZ 153, 47; AG 2013, 273 (275). 821 BGH, AG 2013, S. 877. 822 BGH, AG 2013, S. 877 f. 823 BGH, AG 2013, 877 (878 f.). 824 BGH, AG 2013, 877 (878). Auch hierin besteht die Aufgabe der Macrotron-Rechtsprechung. 825 BGH, AG 2013, 877 (878 f.). 826 Brellochs, AG 2014, 633 (636). 819

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass zwar von Seiten der Rechtsprechung die Verkehrsfähigkeit der Aktie als gesichertes Gut angesehen wird. Mitnichten gilt dies aber auch für die Börsennotierung. Weder unterfällt sie dem grundrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG, noch können sich Anleger im Fall des Wechsels der Gesellschaft vom regulierten Markt in den Freiverkehr auf einen Barabfindungsanspruch berufen. Die Frosta-Grundsätze beanspruchen vermutlich auch Geltung für alle anderen Fälle des Delistings, hat der BGH doch die MacrotronGrundsätze, anstatt nur zum Downlisting zu entscheiden, für jegliche Fälle des Delistings für unanwendbar erklärt.827 Festzuhalten ist, dass die Frosta-Entscheidung in Hinblick auf die Frage nach dem Verhältnis von Verbandsrecht und Kapitalmarkrecht nicht viel hergibt.828 Frosta verringerte den Schutz der Altaktionäre sowohl unter verbandsrechtlicher Perspektive, weil der Hauptversammlung die Zustimmungsbefugnis genommen wurde, als auch unter Perspektive der Kapitalmarktorientierung, weil ihm nun kein Barabfindungsanspruch mehr zustand, durch den er am Kapitalmarkt unmittelbar hätte reinvestieren können. Die Frosta-Entscheidung ist daher zwar vordergründig nicht anlegerschützend, aber damit keineswegs kapitalmarkthinderlich oder sogar kapitalmarktfeindlich.829 Konnte man daher in Macrotron noch eine traditionell verbandsrechtliche Betrachtungsweise der Aktionärsrechte erkennen, lässt sich aus Frosta allenfalls noch ablesen, dass Verbands- und Kapitalmarktrecht komplementär sind.830 Einen Richtungsentscheid zugunsten einer verbandsrechtlichen oder kapitalmarktorientierten Betrachtung von Aktionärsrechten hat diese Judikatur nicht getroffen. cc) Verbandsrechtliche oder kapitalmarktorientierte Mitgliedschaft des Aktionärs Einen Beleg für eine stärkere kapitalmarktorientierte Unternehmensführung könnte man in einer möglicherweise veränderten Rechtsstellung der Aktionäre sehen. Dies ist für die hier angestellte Betrachtung von Belang, weil sich dadurch Erkenntnisse über deren typisierte Interessen gewinnen lassen. Fasst man den Aktionär im herkömmlichen verbandsrechtlichen Sinne auf, so geht es um seine Rechtsstellung in der Gesellschaft als wirtschaftlichem, mit entsprechenden Mitsprache- und Kontrollrechten versehenem Eigentümer der Aktiengesellschaft.831 Begreift man ihn hingegen stärker als Kapitalanleger, rückt der Umstand in den

827

Vgl. Rosskopf, ZGR 2014, 487 (497); Assmann, AG 2015, 597 (607); teilweise a. A. Heldt/Royé, AG 2012, 660 (671) für den Fall des vollständiges Delistings. Vgl. auch die Nachweise bei Groß, Kapitalmarktrecht, § 39 BörsG, Rn. 21b, Fn. 75, 76. 828 So auch Assmann, AG 2015, 597 (607). 829 Assmann, AG 2015, 597 (607). 830 Vgl. auch Assmann, AG 2015, 597 (607). 831 Vgl. Assmann, AG 2015, S. 597.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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Vordergrund, dass sich der Aktionär vornehmlich oder ausschließlich zu Anlagezwecken am öffentlichen Kapitalmarkt beteiligt.832 Namentlich Mülbert spricht sich dafür aus, die Position des Aktionärs von dem verbandsrechtlichen Verständnis zu lösen, da im Aktienrecht nunmehr eine „hybride, verbands- und anlegerbezogene Elemente umfassende Rechtsstellung des Aktionärs“ bestehe.833 Hieraus folgert Mülbert auch die Zulässigkeit einer an der Maximierung des Marktwerts der Aktien der Gesellschaft und damit am Shareholder Value ausgerichteten Unternehmensleitung.834 Dieses Leitbild eines „hybriden“ Aktionärs beansprucht ihm zufolge nicht nur Geltung für börsennotierte, sondern auch für nichtbörsennotierte Gesellschaften.835 Ein rein verbandsrechtlicher Ansatz der Aktionärsposition verfehle hingegen in zweierlei Hinsicht die normierte Rechtsstellung des (Publikums-)Aktionärs als gesetzlichem Leitbild. Einerseits schließe § 119 AktG die Aktionäre von der Mitwirkung an der innergesellschaftlichen Willensbildung weitgehend aus, andererseits konzentrierten sich die aktiengesetzlichen Schutzregeln auf den Schutz der Vermögensposition des Aktionärs, nicht hingegen seiner Mitverwaltungsrechte (Stimmrechte).836 Diese Akzentuierung des Vermögensschutzes sei Konsequenz des gesetzgeberischen Bemühens, die Attraktivität der Aktie als Anlageform zu verbessern „und dadurch die Funktion der (normtypischen Publikums-)AG als ,Kapitalpumpe‘ (…) zu stärken.“837 Ebenso bezieht sich Mülbert zur Begründung auf die Moto Meter-Rechtsprechung des BVerfG sowie die Möglichkeit des Squeeze out von Minderheitsaktionären nach den §§ 327a ff. AktG.838 Mülberts Ansatz kann nicht gefolgt werden.839 Habersack weist zu Recht darauf hin, dass eine kapitalmarktorientierte Interpretation der Mitgliedschaft auf eine Relativierung der das AktG prägenden „Unterscheidung zwischen mitgliedschaftlicher und damit durch Teilhaberechte geprägter Beteiligung und schuldrechtlicher Gläubigerstellung hinausläuft.840 Das verbandsrechtliche Fundament der Aktionärsbeteiligung zeige sich überdeutlich in dem Zustimmungserfordernis des § 221

832

Vgl. Berding, WM 2002, 1149 (1155). Mülbert, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), Vorb. §§ 118 – 147 Rn. 199; grundlegend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 97 ff. Vgl. auch Teichmann, AG 2004, 67 (75 f.). 834 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (424). 835 Mülbert, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 433 (450). 836 Mülbert, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), Vorb. §§ 118 – 147 Rn. 199; siehe auch Mülbert, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 433 (434, 449 f.). 837 Mülbert, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), Vorb. §§ 118 – 147 Rn. 199. 838 Mülbert, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 433 (435 ff.). 839 Ablehnend insbesondere Habersack, AG 2005, 137 (139 f.); dahingehend auch Bayer, in: ders. u. a., Gesellschaftsrecht, 35 (41); ders., NJW 2000, 2609 (2615); Tröger, NZG 2002, 211 (213); Assmann, AG 2015, 597 (604). 840 Habersack, AG 2005, 137 (140); siehe auch ders./Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (941 f.). 833

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Abs. 1 AktG,841 den strikten Voraussetzungen des „vereinfachten“ Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG842 sowie in dem Wiederaufleben des Stimmrechts der Vorzugsaktionäre nach § 140 Abs. 2 AktG843.844 Gerade auch für die nichtbörsennotierte Gesellschaft, die weitaus verbreiteter ist,845 ist das Anlegerkonzept Mülberts im Übrigen unpassend.846 Zwar hat der Gesetzgeber den Bestandsschutz mit dem Recht des Hauptaktionärs nach § 327a AktG, eine Minderheit 841 Bei den in § 221 Abs. 1 AktG angesprochenen Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen handelt es sich um hybride oder mezzanine Finanzierungsinstrumente als Mischformen zwischen Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung. Da hierdurch mitgliedschaftliche oder mitgliedschaftsähnliche Rechte begründet, aber auch bisherige mitgliedschaftliche Rechte verwässert werden können, muss trotz ihres schuldrechtlichen Kerns die Zustimmung der Aktionäre durch Hauptversammlungsbeschluss erfolgen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Aktionäre vor jenen Eingriffen in die mitgliedschaftliche und vermögensmäßige Struktur der Gesellschaft zu schützen sind, welche aus dem Inhalt der Rechtsgeschäfte resultieren, Hüffer/Koch, AktG, § 221 Rn. 1. 842 Das Bezugsrecht nach § 186 AktG ist ein wesentliches Mitgliedsrecht. Im Falle einer Kapitalerhöhung gewährleistet es, dass die Aktionäre keine Verwässerung ihrer vermögensrechtlichen und herrschaftsrechtlichen Mitgliedsrechte befürchten müssen, Veil, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 186 Rn. 1. Umgekehrt bedeutet der Ausschluss des Bezugsrechts nach § 186 Abs. 3 AktG einen Eingriff in die Mitgliedschaft, der sachlicher Rechtfertigung bedarf, siehe Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 25 sowie aus der Rspr. vor allem die Entscheidung Siemens/Nold (siehe oben Fn. 49). Ein Bezugsrechtsausschluss ist bei einer Kapitalerhöhung unter den in § 186 Abs. 3 S. 4 AktG genannten Voraussetzungen vereinfacht möglich, d. h. es bedarf keines sachlichen Grundes, Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 39, 44. Die Verwässerung der Aktienquote wird für hinnehmbar erachtet, weil den Bestandsaktionären der Nachkauf über die Börse aufgrund des börsennahen Ausgabepreises und des verhältnismäßig geringen Volumens von nicht mehr als zehn Prozent des Grundkapitals möglich und zumutbar ist, Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 39a unter Verweis auf die Gesetzesentwurfsbegründung v. 1.2.1994, BTDrs. 12/6721, S. 10. 843 § 139 Abs. 1 AktG verlangt für die Zulässigkeit eines Stimmrechtsausschlusses, dass die betroffenen Aktien mit einem Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind, Hüffer/ Koch, AktG, § 139 Rn. 5, 9. Aufgrund dieses Bedingungszusammenhanges ordnet § 140 Abs. 2 AktG an, dass das Stimmrecht wieder auflebt, wenn der Gewinnvorzug nicht oder nicht vollständig gezahlt wird, Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 140 Rn. 13. Die Vorzugsdividende ist also mit dem Ausschluss des Stimmrechts konditional verknüpft, MüKoAktG/ Schröer/Doralt, § 140 Rn. 8. Die Norm sichert damit die Rechtsstellung und Mitgliedschaft der Inhaber von Vorzugsaktien, vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 140 Rn. 1. 844 Habersack, AG 2005, 137 (139); ders./Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (941) f. 845 Im Jahr 2009 war der überwiegende Teil der ca. 17.000 deutschen Aktiengesellschaften nicht börsennotiert. Lediglich rund 700 – also weit weniger als fünf Prozent – waren zum damaligen Zeitpunkt börsennotiert i. S. v. § 3 Abs. 2 AktG, so Bayer/Hoffmann, AG 2011, R28 (R29). Bayer, AG 2012, 141 (153) geht ebenfalls von ca. 700 börsennotierten Gesellschaften aus, aber nur von „weit über 5.000“ nichtbörsennotierten AGs. Nach der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamts gab es in Deutschland im Jahr 2014 7.747 Aktiengesellschaften. Selbst bei konservativer Schätzung sind nichtbörsennotierte Gesellschaften deutlich in der Mehrheit, wobei die Hintergründe für deren Existenz, u. a. etwa Vorratsgründungen, Familiengesellschaften oder Konzerngesellschaften, dabei nicht außer Acht bleiben sollten, vgl. Spindler, AG 2008, S. 598 m. w. N. 846 Vgl. Habersack, AG 2005, 137 (139 f.).

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von nicht mehr als fünf Prozent aus der Gesellschaft zu drängen, nicht unerheblich eingeschränkt, doch betrifft dies den Sonderfall, dass ein einzelner Aktionär mindestens 95 Prozent des Kapitals auf sich vereinigt.847 Es kann auch nicht die Rede sein, dass bis zu dem Quorum von fünf Prozent das Leitbild des „hybriden“Aktionärs anerkannt ist.848 Dies zeigt das zeitlich nach den §§ 327a ff. AktG verabschiedete UMAG aus dem Jahr 2005, durch welches das Klagezulassungsverfahren nach § 148 AktG und das Aktionärsforum nach § 127a AktG in das Gesetz aufgenommen wurden. Dies lasse, so zu Recht Habersack, erkennen, dass der Gesetzgeber nach wie vor auf die Ausübung mitgliedschaftlicher Teilhaberechte setze und sich weit von einer Politik des „dulde und liquidiere“ entfernt habe.849 Nach § 148 Abs. 1 S. 1 AktG können Aktionäre, deren Anteile zusammen mindestens ein Prozent des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 Euro erreichen, die Zulassung beantragen, im eigenen Namen die in § 147 Abs. 1 S. 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. Mit der Änderung des § 147 AktG und der Neueinführung der §§ 148, 149 AktG wollte der Gesetzgeber das bisherige System der Verfolgungsrechte neu regeln. Dabei erkannte er zwar an, dass „der langfristig unternehmerisch beteiligte Aktionär (…) in der modernen Aktiengesellschaft zunehmend durch Anlegeraktionäre ergänzt oder von ihnen abgelöst“ wird, die aufgrund ihrer geringen Beteiligung keine unternehmerischen Ziele verfolgen wollen und können.850 Die antragstellende Minderheit könne so strukturiert sein, dass die Aktionäre nur zusammen das Quorum aufbrächten oder dies ein einzelner oder einige wenige zusammen vermochten. Dabei solle gerade das Aktionärsforum nach § 127a AktG dazu dienen, eine breite Basis für einen Klagezulassungsantrag zu finden.851 Ziel der Einführung des Aktionärsforums ist damit wiederum eine Verbesserung der Eigentümerkontrolle.852 Auch dies dient letztlich der Stärkung des Aktionärs in seiner verbandsrechtlichen Stellung. Ferner werde, worauf Habersack und Schürnbrand zu Recht hinweisen, eine entsprechende Typisierung der Aktionäre zwischen unternehmerisch und anlageorientiert durch den Umstand erschwert, dass auch Kleinaktionäre ihre Aktien gerade im Hinblick auf die Teilhaberechte erwerben, während selbst Großaktionäre ihre Beteiligung häufig nur als reine Finanzanlagen halten.853 Ein allgemeiner Schluss, dass ein Paradigmenwechsel854 stattgefunden habe, der generell bei der Rechtsanwendung zu berück847

So auch Habersack, AG 2005, 137 (140). So auch Habersack, AG 2005, 137 (140); a. A. Mülbert, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 433 (450). 849 Habersack, AG 2005, 137 (140). 850 Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 20. 851 Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 20. 852 So Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 127a Rn. 1 unter Verweis auf Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 15. 853 Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (943). 854 Für die Annahme eines Paradigmenwechsels in Teilbereichen aber Fleischer, ZGR 2002, 757 (766). 848

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

sichtigen wäre, kann jedenfalls nicht gezogen werden.855 Erst recht lässt sich hieraus nicht folgern, dass die Anwendung der Shareholder Value-Grundsätze geboten wäre.856 dd) Widerspruch der portfoliotheoretischen Anlegerorientierung zum verbandsrechtlichen Ansatz? Schließlich ist umstritten, ob der anlegerbezogene Individualismus der Portfoliotheorie mit dem gesellschaftsbezogenen Kollektivismus des verbandsrechtlichen Ansatzes zu vereinbaren ist oder konkreter, ob sich bei dem Formalziel der Gewinnerwirtschaftung der Akzent vom Gesellschaftsvermögen auf das (individuelle) Aktionärsvermögen verlagern lässt.857 Die Portfoliotheorie858 befasst sich allein mit der Wohlstandsmaximierung des diversifizierten Anlegers, das Aktienrecht stellt hingegen, wie dargestellt, den überindividuell verfassten Verbandszweck in den Mittelpunkt859.860 Verbandsrechtlich geht es also um die Mehrung des Gesell855 So zu Recht Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (943); dahingehend schon Habersack, Mitgliedschaft, S. 328: „Vernachlässigung der Eigentümerbefugnisse des Publikumsaktionärs eher eine rechtstatsächliche Erscheinung denn eine aktienrechtliche Gegebenheit“; siehe ferner Assmann, AG 2015, 597 (604). 856 An dieser Stelle kann auch auf das Holzmüller-Urteil des BGH (siehe oben Fn. 47) und dessen Fortführung und -entwicklung durch die Gelatine I-Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 ff.) zu den ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung im Hinblick auf die die Grundlagen und die Struktur der Gesellschaft betreffenden Entscheidungen verwiesen werden. Nach BGHZ 83, 122 (131) (Holzmüller) obliegt der Hauptversammlung eine Beschlusskompetenz bei solchen Entscheidungen, die einen tiefgreifenden Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen darstellen. Nach BGHZ 159, 30 (40) soll durch die notwendige Hauptversammlungsmitwirkung einer potenziellen Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre begegnet werden. Zugleich soll dadurch der Schutz der Anteilseigner vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden. Mit der Betonung des Schutzes der Aktionäre vor der Schwächung ihres mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechtes und ihrer vermögensrechtlichen Stellung zeigt sich deutlich das verbandsrechtliche Verständnis dieser Judikatur, vgl. Fleischer, NJW 2004, 2335 (2336). Allerdings kommt eine ungeschriebene Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nur in engen Grenzen in Betracht, nämlich dann, wenn diese die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, betreffen und in ihren Auswirkungen einem Zustand entsprechen, welcher allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann, BGHZ 159, 30 (44). Zur Begründung führt der BGH aus, dass in „einer global vernetzten Wirtschaftsordnung, in der es darauf ankommt, sich bietende Chancen umgehend zu nutzen oder aufkommenden Gefahren sogleich zu begegnen, (…) eine zu enge Bindung an jeweils einzuholende Entschließungen der nicht ständig präsenten (…) Hauptversammlung gänzlich unpraktikabel (wäre) und (…) eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge“ hätte, BGHZ 159, 30 (44). Parallel zu Gelatine I ist auch die Entscheidung Gelatine II des BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, S. 575 ff., ergangen. 857 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (431 f.). 858 Zur Portfoliotheorie siehe oben Fn. 680. 859 Mülbert, ZGR 1997, 129 (159).

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schaftsvermögens aus Sicht der Gesellschaft,861 allein die Gesellschaft steht bei der Gewinnerwirtschaftung im Vordergrund.862 Obwohl diese auch im Interesse der Aktionäre erfolgt, bezieht sich das überindividuelle Postulat der Gewinnerzielung nicht auf den Wohlstand der einzelnen Aktionäre, sondern den von der Aktiengesellschaft selbst mit ihrer Tätigkeit erwirtschafteten Ertrag.863 Die Partizipation der Aktionäre an den Vermögenszuwächsen gestaltet sich demgegenüber folglich allein als Reflex ihrer auf das Gesellschaftsvermögen bezogenen mitgliedschaftlichen Vermögensansprüche und führt nicht dazu, dass der Verband eine gemeinsame finanzielle Zielsetzung verschiedener Aktionäre verfolgt.864 Nach verbandsrechtlicher Konzeption partizipieren die Aktionäre finanziell während der Existenz der Gesellschaft durch Ausschüttungen und in der Liquidation durch Verteilung des Gesellschaftsvermögens; die Erwirtschaftung dieser Verteilungsgrößen setzt dementsprechend die Mehrung des Gesellschaftsvermögens voraus.865 Die Fürsprecher einer geänderten Ausrichtung argumentieren indes, dass die Überindividualität des Aktienrechts nicht in einem tatsächlichen Interesse der juristischen Person begründet sein könne.866 Subjektive Interessen seien nach modernem Wissenschaftsverständnis auf Individuen beschränkt. Überindividuell sei das Gesellschaftsinteresse nur insofern, als es aus dem von den Aktionären einvernehmlich festgesetzten Verbandszweck deduziert werde. Mithilfe der Kapitalmarkttheorie ließe sich jedoch ebenfalls ein allen Aktionären gemeinsames, überindividuelles Interesse an der Maximierung des Barwerts künftiger Zahlungsströme ermitteln.867 V. Bonin merkt an, dass sich der überindividuelle Verbandszweck stets „aus einer Hypothese über die Interessen des typischen Aktionärs“ ableite, erst recht ließe sich aber der Shareholder Value-Ansatz „als Hypothese über die Interessen des typischen Aktionärs verstehen.“868 Das Postulat zur Maximierung des Eigenkapitalwerts enthalte plausible Hypothesen – vor allem im Hinblick auf die erforderliche Mindestrendite – über das was, typischerweise im Interesse der Aktionäre liege; dabei sei das Shareholder Value-Konzept auf dieser Ebene schon im Ansatz deutlich „überindividueller“ als einfache Gewinnerzielungskonzepte.

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Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1042) zufolge ist dies der grundlegende Unterschied zwischen dem Kapitalgesellschaftsrecht und der ökonomischen Theorie, denn im Zentrum der ökonomischen Theorie steht nicht der Verband, sondern das Individuum. Deshalb gebe es auch keinen von den Individualinteressen der Mitglieder zu unterscheidenden Verbandszweck. 861 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (427 f.). 862 Mülbert, ZGR 1997, 129 (157). 863 Dahingehend auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (158). 864 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (427 f., 432). 865 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (428). 866 So etwa Birke, Formalziel, S. 213. 867 Birke, Formalziel, S. 214. 868 v. Bonin, Leitung, S. 142.

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Hiergegen wird eingewandt, dass es für die Gesellschaft, anders als für einen diversifizierten Anleger, darum gehe, das unsystematische869, also individuelle, unternehmensspezifische Risiko ihrer nicht im Marktkontext zu bewertenden Investitionen richtig zu bepreisen, wofür die aus dem CAPM abgeleiteten Risikoprämien untauglich seien.870 Auch die durch das KonTraG871, auf das sich die Befürworter einer Shareholder Value-geleiteten Unternehmensführung vornehmlich berufen, geschaffene erweiterte Möglichkeit des Rückerwerbs eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG sollte in erster Linie in Verfolgung des Gesellschaftsinteresses an einem adäquaten Börsenkurs wahrgenommen werden.872 Entsprechendes gelte auch für die nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zulässigen Aktienoptionsprogramme.873 Hier gewinnen auch die Aussagen des BGH im Mannesmann-Urteil874 an Bedeutung. Im Rahmen der Ausführung zur Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB verwies das Gericht darauf, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats bei ihren Vergütungsentscheidungen „insbesondere den Vorteil der Gesellschaft wahren“ müssten.875 Der BGH stellte heraus, dass der Gesellschaft hierfür ein zukunftsbezogener Nutzen zukommen müsse.876 Nimmt man diese Äußerungen ernst, folgt daraus, dass bei dem Postulat der Gewinnerwirtschaftung das Augenmerk nicht auf den individuellen Vorteil der Aktionäre, sondern auf das Gesellschaftsvermögen gelegt werden muss.877 Gleichwohl überzeugen diese Einwände nicht. Auch beim Shareholder ValueAnsatz kann von einer überindividuellen Zielgröße ausgegangen werden.878 Auf869

Siehe oben Fn. 680. So Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (428). 871 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 872 So Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (940). 873 Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. I, 889 (940). 874 BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331. 875 BGHSt 50, 331 (335). 876 BGHSt 50, 331 (338). 877 Hierin fügt sich der Kommentar von Lutter und Zöllner (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 34 v. 10.2.2004, S. 12) zu den Prämienzahlungen aus dem Vermögen der Mannesmann AG an den Vorstandsvorsitzenden K. Esser und an den Aufsichtsratsvorsitzenden J. Funk ein: „Vorstände sollen die Stellung ihrer Gesellschaft am Markt sichern und den Gewinn mehren. Dafür werden sie bezahlt, und dafür kann ihnen eine Prämie aus dem Gewinn zugesichert werden. Im Fall Mannesmann sind solche Erfolge gerade nicht erreicht worden. Die von Vorstand und Aufsichtsrat getragene Verteidigung gegen Vodafone hat die Kasse der Gesellschaft viele hundert Millionen D-Mark gekostet und ihr nicht für einen Pfennig Nutzen gebracht. Weder der Umsatz ist gestiegen noch der Ertrag – im Gegenteil. Gewiß, der Börsenwert der Aktien ist in dieser Zeit stark gestiegen. Aber davon hat Mannesmann nichts gehabt; es betraf das Vermögen der Aktionäre. Dann aber kann auch nicht aus der Kasse ihres Unternehmens eine Prämie gezahlt werden“. 878 So zu Recht Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (539); dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 142 f. 870

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grund seiner kapitalmarkttheoretischen Fundierung erwächst seine Zielgröße gerade daraus, dass sich alle Anleger darauf einigen, eine marktwertmaximierende Unternehmenspolitik zu verfolgen.879 Insofern ist auch diese Leitmaxime nicht allein anlegerbezogen, sondern übergeordnet auf der Gesellschaftsebene angesiedelt und ebenso „kollektivistisch“. Daraus ergibt sich kein Widerspruch zum überindividuellen Postulat der Gewinnerzielung, die im Interesse der Gesellschaft zu erfolgen hat. Die dem Verbandsrecht zugrunde liegende Fokussierung auf die Gesellschaft wird also nicht „transzendiert“,880 sondern es ändert sich allein der Beurteilungsmaßstab, der aber weiterhin auf Ebene der Gesellschaft angesiedelt bleibt. ee) „Gewinnerzielung“ als Bestandteil des verbandsrechtlichen Zwecks Der Shareholder Value-Ansatz könnte ferner deshalb mit dem Verbandsrecht inkompatibel sein, wenn man bedenkt, dass die Unternehmensführung aus verbandsrechtlicher Perspektive das Gesellschaftsvermögen zu mehren hat und die Maximierung des Marktwerts der Aktien demzufolge keine zulässige Leitmaxime darstellt.881 Dass die Gewinnerzielung wesentliches Element des Verbandszwecks einer erwerbswirtschaftlich tätigen Gesellschaft ist, wurde bereits angesprochen.882 Die Literatur schweigt sich häufig darüber aus, was genau unter „Gewinnerzielung“ zu verstehen ist.883 Dabei betrifft dies den Kern des verbandsrechtlichen Verständnisses. Zumindest Mülbert setzt sich detaillierter mit dem Inhalt des Verbandszwecks auseinander. Ihm zufolge ist der Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung zu konkretisieren im Sinne der langfristigen Gewinnmaximierung zugunsten der vorhandenen Aktionäre.884 Dabei

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Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (539). Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (433). 881 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (426). Siehe hierzu auch nochmals die Äußerung von Lutter und Zöllner in Fn. 877. 882 Siehe 1. Kapitel § 5 C. V. 883 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 71; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 73; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 82 Rn. 27; Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 9; MünchHdbGesR/Sailer-Coceani, § 9 Rn. 10; Zätzsch/Maul, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 2 Rn. 338; Lutter, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 82 Rn. 12. Manche Autoren verlangen indes schlicht, für die Aktionäre Gewinn zu erzielen (vgl. die Nachweise bei Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 158 Fn. 17), andere hingegen eine Gewinnoptimierung respektive eine angemessene, zufriedenstellende oder begrenzte Gewinnerzielung (vgl. die Nachweise bei Schilling, BB 1997, 373 (375) Fn. 43 sowie v. Bonin, Leitung, S. 119 Fn. 515 ff.) oder wie Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 39, die Maximierung des Gewinns. Charakterisierungen des Gewinns wie „angemessen“, „zufriedenstellend“ oder „begrenzt“ bieten aber keine hinreichend operablen Zielvorschriften, sondern sind selbst interpretationsbedürftig. Zur Klärung des Gewinnerzielungspostulats können sie nichts beitragen. 884 Mülbert, ZGR 1997, 129 (141, 157); ders., Aktiengesellschaft, S. 140. Dahingehend auch Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (467); Groh, DB 2000, 2153 (2158); Henze, BB 2000, 209 (212): „Erwirtschaftung und Maximierung von Gewinn“; vgl. ferner Schilling, BB 1997, 373 (375). A. A. etwa Ziemons, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, 880

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ist Mülbert jedenfalls darin zuzustimmen, dass allein die Konkretisierung im Sinne einer Maximierungsvorschrift eine hinreichend operable Zielvorschrift bietet.885 Darauf aufbauend, wird im Folgenden zu klären sein, welchem Bedeutungsgehalt der „Gewinn“ beizumessen ist.886 Vorstellbar ist dessen Einordnung in die Kategorien des Betriebsgewinns, Bilanzgewinns oder Jahresüberschusses,887 ferner in die Kategorien der Rentabilität oder der Eigenkapitalwertmehrung. Basierend auf den im Anschluss dargestellten Begründungsansätzen Mülberts888 wird im Rahmen der Auseinandersetzung über Mülberts Position der Frage nach der grundsätzlichen Vereinbarkeit des verbandsrechtlichen Postulats der Gewinnmaximierung mit dem Marktwertmaximierungsziel des Shareholder Value-Ansatzes nachgegangen werden. (1) Betriebsgewinn Der Betriebsgewinn889 ist das Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses890 und wird aus der Differenz zwischen Betriebserlösen und Kosten einer Periode errechnet.891 Konkret ist der Betriebsgewinn die Ergebnisgröße der Betriebsbuchführung, gewonnen aus der Differenz zwischen dem als Leistung bezeichneten Wert der in einer Periode erstellten Güter und Dienstleistungen und dem als Kosten bezeichneten Wert des damit verbundenen Güterverbrauchs.892 Zwar werden dadurch die realen Güterbewegungen des Produktionsprozesses erfasst. Keine Aussage trifft der Betriebsgewinn hingegen über den eigentlichen finanziellen Erfolg des Unternehmens, denn insbesondere die Finanzierungskosten berücksichtigt dieses Konzept nicht.893 Deshalb resultiert auch aus einem hohen Betriebsgewinn nicht unbedingt ein Vorteil für die Anteilseigner, lässt also ein Betriebsgewinn nicht zwingend auf einen Vorteil für die Gesellschaft oder seine Gewinnmaximierung schließen. Als Mess-

Rn. 8.325, 73. EL August 2016; Wellhöfer, in: ders./Peltzer/Müller, Haftung, § 4 Rn. 114 („keine Gewinnmaximierung“, sondern vielmehr „nachhaltige Gewinnerzielung“). 885 Mülbert, ZGR 1997, 129 (141) Fn. 39 unter Verweis auf Großmann, Unternehmensziele, S. 78. Dies befürwortend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 39 Fn. 15. 886 Das Problematische am Begriff des „Gewinns“ ist mitunter, dass ihm die zeitliche Dimension und die Unsicherheitsdimension fehlen. Denn unklar ist, ob damit ein zeitlicher Durchschnittsgewinn, der Erwartungswert möglicher Gewinne in einer bestimmten Zeitperiode oder der Erwartungswert der möglichen zeitlichen Durchschnitte erreicht werden soll, so Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (527). 887 Vgl. Alisch/Arentzen/Winter, Gabler Wirtschaftslexikon, „Gewinn“, S. 1251. 888 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, S. 129 ff.; Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, S. 421 ff. 889 Auch als Betriebsergebnis oder Betriebserfolg bezeichnet, siehe Alisch/Arentzen/Winter, Gabler Wirtschaftslexikon, „Betriebsergebnis“, S. 416. 890 Alisch/Arentzen/Winter, Gabler Wirtschaftslexikon, „Betriebsergebnis“, S. 416. 891 Alisch/Arentzen/Winter, Gabler Wirtschaftslexikon, „Gewinn“, S. 1251. 892 v. Bonin, Leitung, S. 123. 893 v. Bonin, Leitung, S. 123.

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größe für das Gewinnmaximierungspostulat ist der Betriebsgewinn mithin untauglich.894 (2) Bilanzgewinn und Jahresüberschuss Als Maßstab für die Gewinnerzielung sind ferner der Bilanzgewinn und der Jahresüberschuss in Betracht zu ziehen, da die Verwaltung gegenüber den Aktionären durch den Jahresabschluss Rechnung legt und der Begriff „Gewinnerzielung“ überhaupt stark im bilanziellen Sinne vorgeprägt ist895.896 Der Bilanzgewinn ergibt sich aus der Weiterrechnung des Jahresüberschusses nach Maßgabe von § 158 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 5 AktG, nämlich durch Verminderung um einen etwaigen Verlustvortrag bzw. Erhöhung um einen etwaigen Gewinnvortrag jeweils aus dem Vorjahr, Erhöhung um eventuelle Entnahmen aus der Kapital- bzw. den Gewinnrücklagen sowie Verminderung um etwaige Einstellungen in die Gewinnrücklagen.897 Der Jahresüberschuss898 (vgl. § 275 Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16 HGB) selbst ist das Jahresergebnis einer Kapitalgesellschaft und ergibt sich aus dem Saldo aller in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 HGB ausgewiesenen Erträge und Aufwendungen.899 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht zeigt das Jahresergebnis das im abgelaufenen Geschäftsjahr entstandene Ergebnis.900 Gegen die Orientierung am Bilanzgewinn spricht indes, dass diese im Widerspruch zur postulierten langfristigen Gewinnmaximierung stünde, da der Bilanzgewinn nur periodenbezogen, also für jedes Geschäftsjahr ermittelt wird.901 Ferner ist die Höhe des Bilanzgewinns als „technisch-rechnerische Größe“902 des Jahresabschlusses abhängig von der Höhe und Gewichtung der in § 158 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 4 AktG vorgesehenen Posten und damit kein verlässlicher und konsistenter Maßstab.903 894

Im Ergebnis auch v. Bonin, Leitung, S. 123. So Baums, ZGR 2011, 218 (233). 896 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (427). Dies befürwortend Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (470 ff.). 897 Ziemons, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch Aktiengesellschaft, Rn. 7.110, 73. EL August 2016; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 3; vgl. Weber, in: Faber u. a., Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Bilanzgewinn“, Rn. 2. 898 Im Fall eines negativen Saldos der „Jahresfehlbetrag“, Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Kap. G, Rn. 420. 899 Hoffmann, in: Faber u. a., Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Jahresüberschuss und Jahresfehlbetrag“, Rn. 1; vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, § 275 Rn. 21. 900 Hoffmann, in: Faber u. a., Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Jahresüberschuss und Jahresfehlbetrag“, Rn. 2. 901 Vgl. Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (537). 902 Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (537). 903 Nicht überzeugend ist dagegen das Argument, wonach die Anbindung an Rechnungslegungsgrößen schon deshalb nicht möglich, sondern vielmehr „von bilanziellen Ergebnisgrößen entkoppelt“ sei, weil § 58 AktG das Gewinnstammrecht der Aktionäre auf Ausschüttung eines (Mindest-)Gewinns beseitigt habe und der Schutz der Aktionäre auf die Anfechtungs895

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Ebenso wenig kann der Jahresüberschuss als zu maximierende Größe herangezogen werden kann. Dagegen spricht, dass der Jahresüberschuss allein ein in der Bilanz auszuweisender Posten ist und seinerseits stark von bilanziellen, handelssowie steuerrechtlichen Bewertungsfragen abhängt,904 mithin sein betriebswirtschaftlicher Aussagewert aufgrund der vielzähligen Einflussfaktoren nicht eindeutig und für die Beurteilung der Ertragskraft des Unternehmens unzureichend ist.905 Dieses Argument betrifft gleichermaßen den Bilanzgewinn, denn wird die Bilanz bei teilweiser Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, tritt nach § 268 Abs. 1 S. 2 HGB an die Stelle der Posten „Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag“ und „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ der Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“.906 Festzuhalten bleibt, dass bilanzielle Gewinngrößen nicht zur Ausformung des Gewinnmaximierungspostulats taugen. (3) Rentabilität Nicht zielführend ist auch die Heranziehung des Kriteriums der Rentabilität, welche in § 91 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG, unter Hervorhebung der Eigenkapitalrentabilität, als Gegenstand des Berichts des Vorstands an den Aufsichtsrat genannt ist. Unter Rentabilität versteht man eine Kennzahl für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, die sich aus dem Verhältnis des erzielten Gewinns (Ergebnis- oder Erfolgsgröße) zum eingesetzten Kapital oder Umsatz (Einfluss- oder Bezugsgröße) ergibt.907 Unter Eigenkapital ist die Summe der nach § 266 Abs. 3 HGB auf der Passivseite der Bilanz unter A auszuweisenden Beträge zu verstehen.908 Von der Eigenkapitalrentabilität, sprich der Verzinsung des Eigenkapitals,909 sind ferner die Gesamtkapitalrentabilität, die Kapitalrentabilität überhaupt (teilweise auch als Remöglichkeit des § 254 AktG beschränkt sei, so v. Bonin, Leitung, S. 125 im Anschluss an Mülbert, ZGR 1997, 129 (157); dahingehend auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 159; a. A. Müller, in: Bierich/Hommelhoff/Kropff, FS Semler, 195 (199). Richtigerweise kann weder aus § 58 Abs. 4 noch aus § 254 Abs. 1 AktG gefolgert werden, dass das körperschaftliche Gewinnstammrecht gänzlich abgeschafft ist, siehe hierzu genauer 1. Kapitel § 5 E. II. 1. b) ff). §§ 58, 254 Abs. 1 AktG besagen also nichts über die Tauglichkeit des Bilanzgewinns als Maßstab für das Gewinnmaximierungspostulat. Wichtig ist, dass es bei §§ 58 Abs. 3, 254 Abs. 1 AktG stets um die Gewinnverwendung geht, nicht um den vorher zu ermittelnden Bilanzgewinn. Weder dessen Existenz noch die des mitgliedschaftlichen Gewinnstammrechts an sich werden dadurch in Frage gestellt. Deshalb sprechen die §§ 58 Abs. 3, 254 Abs. 1 AktG für sich genommen nicht gegen die Heranziehung des Bilanzgewinns zur Ausformung des Gewinnmaximierungspostulats. 904 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 123. 905 Hoffmann, in: Faber u. a., Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Jahresüberschuss und Jahresfehlbetrag“, Rn. 2; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Kap. G, Rn. 421. 906 Siehe auch Schubert/Waubke, in: Grottel u. a., Bilanz-Kommentar, § 266 HGB, Rn. 183; Weber, in: Faber u. a., Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Bilanzgewinn“, Rn. 2. 907 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 25; Küting, DStR 1992, S. 265. 908 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 25; Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 5; Hölters/ Müller-Michaels, AktG, § 90 Rn. 7. 909 Siehe MüKoAktG/Spindler, § 90 Rn. 26; Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 5.

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turn on Investment bezeichnet), die (Netto-)Umsatzrentabilität, die Betriebsrentabilität, ferner aber auch der Gewinn je Aktie (Earnings per Share), das Kurs-GewinnVerhältnis (Price-Earnings-Ratio), die Dividenden- oder die Aktien-Rendite zu unterscheiden.910 Dadurch wird deutlich, dass die „Rentabilität“ der Gesellschaft aufgrund ihrer zahlreichen Erscheinungsformen einerseits ein sehr unscharfer Begriff ist.911 Andererseits hat auch die konkretere Eigenkapitalrentabilität für die Ertragskraft der Gesellschaft nur einen geringen Aussagewert, denn sie berücksichtigt nicht die Besonderheiten, welche bei der Betrachtung der Ertragskraft miteinzubeziehen sind, wie etwa das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital.912 Regelmäßig werden daher dem Aufsichtsrat noch weitere Finanzkennzahlen im Bericht des Vorstands nach § 90 AktG zu eröffnen sein.913 Rentabilität kann daher nicht als Maßstab für das Maximierungspostulat des Verbandszwecks zugrunde gelegt werden. (4) Unternehmens- und Eigenkapitalwert Taugliche Messgröße zur Ermittlung des Unternehmenswerts, und damit auch der darauf bezogenen Zugewinne und der Ertragskraft914 der Unternehmung, ist hingegen der Eigenkapitalwert915. Der hier vertretenen Verwendung des Werts des Eigenkapitals im Sinne des eigentlichen Unternehmenswerts916 als maßgebliches Kriterium zur Ausformung des verbandsrechtlichen Gewinnmaximierungspostulats liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich der Wert eines Wirtschaftsgutes, wie auch der Wert eines Unternehmens, aus den in der Zukunft aus seiner Verwendung zu erwartenden Erträgen ableitet.917 Die Maximierung des Eigenkapitalwerts führt demzufolge zur Gewinnmaximierung im Sinne des Verbandsrechts. Die Maximierung des eigentlichen Unternehmenswerts steigert nicht nur die Investitionsmög910 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 25; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 90 Rn. 17; Küting, DStR 1992, 265 (267 ff.); Schlienkamp, AG 2012, R14 (R15); ders., AG 2016, R17 (R18). 911 Vgl. Wellhöfer, in: ders./Peltzer/Müller, Haftung, § 19 Rn. 24. 912 Wellhöfer, in: ders./Peltzer/Müller, Haftung, § 19 Rn. 24. Ein hoher Fremdkapitalanteil kann zwar durch den sog. Hebeleffekt (Leverage Effect) die Eigenkapitalrentabilität erhöhen, aber im Fall der Verschlechterung der Geschäfte die Existenz der Gesellschaft gefährden, siehe Wellhöfer, a. a. O. 913 Vgl. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 17. 914 Dies korreliert mit den Aussagen der Gesetzesbegründung (Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11) zum UMAG (siehe oben Einführung, Fn. 28), wonach ein Handeln zum „Wohle der Gesellschaft“ u. a. dann vorliegt, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient. Der Hinweis der Ertragsstärkung oder m. a. W. Ertragskraft fügt sich insofern in das Verbandsziel der Eigenkapitalwertmaximierung. 915 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa). 916 In Abgrenzung zum Unternehmensgesamtwert, der auch die Fremdkapitalisierung mitumfasst. 917 Vgl. Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (272); MüKoAktG/Paulsen, § 305 Rn. 80; v. Bonin, Leitung, S. 128. A. A. Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (472).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

lichkeiten sowie den Nutzen für die Gesellschaft und sichert langfristig deren Existenz, was Grundlage für die weitere erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ist, sondern bedingt ebenso und als unmittelbare Folge die Nutzenmaximierung zugunsten der Aktionäre. Zum einen wird der Wert der Beteiligungen der Aktionäre erhöht, zum anderen werden höhere Ausschüttungen ermöglicht.918 Damit ist das Ziel einer langfristigen Eigenkapitalwertmaximierung auch unter Zugrundlegung eines rationalen Aktionärsverhaltens begründet, wie es sich auch aus dem „Gesamtregelungsplan“919 des AktG ergibt.920 Denn ein Aktionär will seinen Vermögensanteil und die Rendite seines Investments mehren.921 Der zu maximierende Gewinn liegt damit im Wertzuwachs des Unternehmens respektive des Eigenkapitals. Formalziel und Zweck der Gesellschaft ist demgemäß die Maximierung des Eigenkapitalwerts.922 Vereinfacht formuliert ist Gewinnmaximierung folglich als Eigenkapitalwertmaximierung aufzufassen. Diese Konkretisierung bietet eine hinreichend operable Zielvorgabe für die Unternehmensführung, denn zur Berechnung des Eigenkapitalwerts kann sowohl auf das Ertragswertverfahren als auch auf das beim Shareholder Value-Ansatz gebräuchliche Discounted Cash Flow-Verfahren zurückgegriffen werden.923 Zum Zwecke der Überprüfung der Kompatibilität des hier vertretenen Eigenkapitalwertansatzes mit der Shareholder Value-Methode werden diese beiden Unternehmensbewertungsverfahren im Folgenden näher dargestellt. Gerade durch den Vergleich des Ertragswertverfahrens zum Discounted Cash Flow-Verfahren könnte sich zeigen, dass sich der Shareholder Value-Ansatz an dieser Stelle als verbandsrechtskonform erweist. Im Rahmen des Ertragswertverfahrens, welches vor allem in Deutschland verbreitet und in der Praxis als Expertenauffassung nach dem Standard IDW S1924 anerkannt ist,925 wird der Unternehmenswert durch Abzinsung der den Eigentümern 918

Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 128. Siehe 1. Kapitel § 5 C. IV. 920 Dahingehend auch Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (538). 921 Vgl. auch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 136, der allerdings zwischen Aktionären und Anlegern unterscheidet; siehe hierzu bereits 1. Kapitel § 5 E. II. 1. b) cc). 922 So auch v. Bonin, Leitung, S. 129 f.; ähnlich Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 20. 923 Vgl. MüKoAktG/Paulsen, § 305 Rn. 80; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 20. Gerade dem Ertragswertverfahren liegt ebenso die Überlegung zugrunde, dass der Wert eines Unternehmens durch die künftig zu erwartenden Erträge bestimmt wird und diese durch Abzinsung auf den Bewertungsstichtag zum Ertragswert kapitalisiert werden, MüKoAktG/Paulsen, § 305 Rn. 80. 924 Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW S1). 925 Vgl. Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 33. Diese Methode ist für die Unternehmensbewertung auch in der Rspr. anerkannt, wobei auch andere Methoden wie das Discounted Cash Flow-Verfahren zur Anwendung gelangen dürfen, BGH, Beschl. v. 29.9.2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114; vgl. hierzu Fleischer, AG 2016, 185 (191 f.). Siehe hierzu ferner aus der obergerichtlichen Rspr. OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.11.2013 – 20 W 4/12, AG 2014, S. 291 f. 919

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künftig zufließenden finanziellen Überschüsse ermittelt.926 Der Eigenkapitalwert wird konkret auf Basis einer Plan-Gewinn- und Verlustrechnung und mittels Abzinsung der daraus ermittelten künftigen Ertragsüberschüsse zum Bewertungsstichtag errechnet.927 Es werden also dabei die Einzahlungsüberschüsse zur Bewertung herangezogen.928 Das Ertragswertverfahren beruht daher auf der Annahme, dass der Unternehmenswert hauptsächlich in zukünftig zu erwartenden Überschüssen – also in der Fähigkeit des Unternehmens, in Zukunft Gewinne zu erwirtschaften – besteht.929 Der Unternehmenswert entspricht damit dem nachhaltig erzielbaren Zukunftsgewinn,930 welcher aus den Ergebnissen der Vergangenheit in die Zukunft prognostiziert wird.931 Maßgeblich sind hierfür allein die Zahlungsströme (Cashflow), welche zwischen Unternehmen und Investor fließen,932 insofern die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens.933 Diese finanziellen Überschüsse sind, wie schon angedeutet, mit einem Kapitalisierungszinsfuß auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen.934 Bei der Bestimmung dieses Kapitalisierungszinssatzes ist vom landesüblichen Zinssatz für eine quasi risikofreie Anlage am Kapitalmarkt auszugehen, welcher aus dem durchschnittlichen Zinssatz für öffentliche Anleihen abgeleitet wird und etwa der Umlaufrendite langfristiger Staatsanleihen mit einer

926

Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 34. Wiedenfels/Cavailles, jurisPR-HaGesR 5/2010 Anm. 3 m. w. N. 928 Behringer, DStR 2001, 719 (721). 929 Normann, GmbH-StB 2012, S. 278; MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 Rn. 29. Dieses Grundverständnis deckt sich notwendigerweise mit dem bereits dargelegten Hintergrund des Eigenkapitalwerts; siehe hierzu bereits oben Fn. 923. 930 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 76. Die Unternehmenssubstanz, also die Summe der Werte der unternehmenszugehörigen Wirtschaftsgüter, ist hingegen im Hinblick auf das betriebsnotwendige Vermögen kein maßgeblich wertbestimmender Faktor, MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 Rn. 29. Die Unternehmenssubstanz ist hier nur insofern von Bedeutung, also sie die sachliche Grundlage für die Erzielung der Erträge bildet, Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 16. 931 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 76. 932 „Wertbestimmend nur diejenigen finanziellen Überschüsse des Unternehmens, die als Nettoeinnahmen in den Verfügungsbereich der Eigentümer gelangen (Zuflussprinzip)“, Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 34 unter Verweis auf IDW S1. 933 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 34. Der Gesamtwert des Unternehmens ergibt sich danach aus der Addition des Barwerts der zukünftigen Erfolge des betriebsnotwendigen Vermögens und des Barwerts des Nettoveräußerungserlöses des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, also derjenigen Vermögensgegenstände, welche veräußert werden können, ohne dass hiervon die Erfüllung des Unternehmenssachziels berührt wird, Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 75; MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 Rn. 31; Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 76 ff. Zielgröße sind im Übrigen allein die Einzahlungsüberschüsse des Unternehmens, also diejenigen liquiden Mittel, die für eine Ausschüttung an die Eigentümer zur Verfügung stehen, damit wiederum nicht die Mittel, welche für notwendige Investitionen im Unternehmen verbleiben müssen, Behringer, DStR 2001, 719 (721). 934 Schiffers, GmbH-StB 2003, 257 (260); Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Hdb. Personengesellschaften, § 36 Rn. 1145e, 65. Lieferung Juni 2016. 927

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Restlaufzeit von zehn oder mehr 10 Jahre entspricht.935 Entscheidend sind dabei nicht die aktuellen Zinssätze am Bewertungsstichtag, die mehr oder weniger zufällig sind, sondern auf die aus der Sicht des Stichtags von kurzfristigen Einflüssen bereinigte, künftig auf Dauer zu erzielende Verzinsung.936 Der hierdurch ermittelte Zinssatz ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen, da bei der Investition in ein Unternehmen im Gegensatz zur Anlage in öffentlichen Anleihen die Risiken der unternehmerischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind.937 Ferner ist der Zinssatz um die persönlichen Ertragsteuern zu vermindern, wobei hier eine typisierte Ertragssteuerbelastung in Höhe von 35 Prozent938 angesetzt wird.939 Beim Shareholder Value-Ansatz findet hingegen das auch international gebräuchlichere940 Discounted Cash Flow-Verfahren Anwendung.941 Ertragswert- und Discounted Cash Flow-Verfahren beruhen ihrerseits auf der gleichen konzeptio935

OLG Stuttgart, AG 2014, 291 (293); Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 61; Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 83; Schiffers, GmbH-StB 2003, 257 (260). 936 OLG Stuttgart, AG 2014, 291 (293); Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 62; Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 55 ff. 937 OLG Stuttgart, AG 2014, 291 (294); Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 63; Schiffers, GmbH-StB 2003, 257 (260); Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 59 ff. Nach IDW S1 wird dieser Risikozuschlag mithilfe von Kapitalmarktpreisbildungsmodellen, also dem CAPM oder dem darauf aufbauenden Tax Capital Asset Pricing Model (Tax-CAPM), aus den am Kapitalmarkt empirisch ermittelten Aktienrenditen abgeleitet. Der Risikozuschlag ergibt sich aus der mit dem b-Faktor gewichteten Marktrisikoprämie. Der bFaktor stellt das unternehmensspezifische Risiko des zu bewertenden Unternehmens dar. Siehe Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 64; Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 94 Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 59 ff. sowie insbesondere zum Risikozuschlag und b-Faktor beim Discounted Cash Flow-Verfahren bereits 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa) und Fn. 680. 938 Dieser Pauschalsteuersatz orientiert sich an der durchschnittlichen Belastung eines inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmers, welcher seine Kapitalgesellschaftsanteile im Privatvermögen hält. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag bleiben unberücksichtigt; die typisierte persönliche Ertragssteuer ist zudem um die Gewerbesteueranrechnung zu kürzen. Bei Kapitalgesellschaften ist seit Einführung der Abgeltungssteuer zum 1.1.2009 ein Pauschalsteuersatz von 26,4 Prozent anzuwenden, der außerdem den Solidaritätszuschlag berücksichtigt. Unter Geltung des bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Halbeinkünfteverfahrens liegt die typisierte Steuerbelastung bei 17,5 Prozent, Schindler, in: Beisel/ Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 73 ff. 939 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 73; Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 81; Schiffers, GmbH-StB 2003, 257 (260); vgl. OLG Stuttgart, AG 2014, 291 (294 f.). Allein im Rahmen des CAPM wird die Einkommensteuer mit einem PauschalSteuersatz berücksichtigt. Bei Anwendung des Tax-CAPM ergeben sich hingegen die für die Anteilseigner bewertungsrelevanten Nettozuflüsse erst aus der Kürzung der zu bewertenden Zahlungen um die Einkommensteuer. Beim Tax-CAPM wird bereits der Basiszinssatz der Einkommensteuer unterworfen und die Rendite des Marktportfolios nach Steuern berücksichtigt, um so die Netto-Rendite aus der Alternativanlage zu ermitteln. Siehe Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 65 f.; Ebenroth, u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 94. 940 Vgl. nur Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 20. 941 Siehe bereits 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa) sowie Fn. 672.

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nellen, investitionstheoretischen Grundlage des Kapitalwertkalküls, also der Ermittlung des Barwerts zukünftiger finanzieller Überschüsse.942 Unter Verwendung derselben Bewertungsprämissen, wie der Finanzierung, führen beide Verfahren daher zum gleichen Ergebnis.943 Während das Ertragswertverfahren den Unternehmenswert durch, wie dargestellt, Diskontierung der den Unternehmenseigner künftig zufließenden finanziellen Überschüssen ableitet, stellt das Discounted Cash FlowVerfahren allerdings unmittelbar auf solche Zahlungsgrößen ab, welche die künftige Finanzstruktur des Unternehmens berücksichtigen.944 Im Unterschied zum Ertragswertverfahren wird beim Discounted Cash Flow-Verfahren der Unternehmenswert also nicht aus prognostizierten Jahresüberschüssen und Ausschüttungen, sondern auf Grundlage der aus den Ein- und Auszahlungen resultierenden Zahlungsüberschüsse ermittelt.945 Zur Ermittlung des Unternehmenswerts sind hierbei die erwarteten Ausschüttungen an die Kapitalgeber zu diskontieren, wobei nur diejenigen finanziellen Überschüsse berücksichtigt werden, welche nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben an die Kapitalgeber ausgeschüttet werden dürfen (sog. Free Cash Flows).946 Im Wesentlichen unterscheidet sich das Discounted Cash FlowVerfahren von der Ertragswertmethode folglich dadurch, dass nicht ein durchschnittlicher, nachhaltig erzielbarer Zukunftsgewinn kapitalisiert wird, sondern ein Unternehmenswert auf Basis von freien Cashflows zu ermitteln ist.947 Beim Discounted Cash Flow-Verfahren wird im Rahmen der Equity-Methode der Wert des Eigenkapitals direkt durch Abzinsung der um die Fremdkapitalkosten verminderten Cash Flows mit der Rendite des Eigenkapitals ermittelt.948 Der Equity-Ansatz des Discounted Cash Flow-Verfahrens entspricht deshalb noch stärker dem Ertragswertverfahren.949 Die Unterschiede bestehen darin, dass sich einerseits die geplanten Ausschüttungen unmittelbar aus einer Cashflow-Rechnung ergeben, also der Anknüpfung an die Free Cash Flows, und andererseits der Kapitalisierungszins aus den Daten des Kapitalmarkts abgeleitet wird.950 Prägend für beide Verfahren ist jedoch die Orientierung am CAPM allein zum Zwecke der Risikoberücksichtigung.951 942

Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 79; Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 91; Zitzelsberger, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, § 20 Rn. 42; Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 12, 21. 943 Zitzelsberger, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, § 20 Rn. 42; MüKoGmbHG/ Reichert/Weller, § 14 Rn. 27; Kohl, in: Müller/Rödder, Hdb. AG, § 24 Rn. 12, 21. 944 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 79. 945 Normann, GmbH-StB 2012, 278 (279). 946 MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 Rn. 32. 947 Metzler/Kühner, VW 2000, S. 680. 948 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 79. Siehe zum Equity-Ansatz auch Fn. 667. 949 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 79; Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 96; Nestler/Kupke, BM 2003, 163 (164). 950 Schindler, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, § 3 Rn. 79; Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 96. Siehe bereits 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa). 951 Ebenroth u. a./Lorz, HGB, § 131 Rn. 96; vgl. oben Fn. 937.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

(5) Der Ansatz Mülberts Wie bereits angesprochen, hat sich namentlich Mülbert mit der hier aufgezeigten Thematik befasst. In einem älteren Beitrag konkretisiert Mülbert die postulierte Gewinnmaximierung dahingehend, dass der Gegenwartswert des erwarteten künftigen Ertrags,952 demgemäß der Barwert des Einzahlungsüberschusses, welcher nach Bedienung der Fremdkapitalgeber zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung steht, und damit der Gegenwartswert des auf die einzelne Aktie entfallenden künftigen Ertrags respektive Einzahlungsüberschusses, zu maximieren sei.953 Der Diskontierungszinssatz bestehe dabei aus dem Habenzinssatz für beinahe risikofreie Kapitalanlagen, wie etwa langfristige Bundesanleihen, und einer Risikoprämie, die das jeweilige unsystematische Risiko einer Investition widerspiegele.954 „Angesichts des Schweigens des Gesetzes hinsichtlich des für die Ertragsmaximierung maßgeblichen Grads der Risikoneigung“ sei zudem von einem „risikoneutralen Entscheiderverhalten“ auszugehen.955 Aus verbandsrechtlicher Perspektive liege die Ertragsmaximierung durch die Gesellschaft idealtypisch im übereinstimmenden Interesse aller Aktionäre.956 Mülbert zufolge ist Marktwertmaximierung mit dem auf Gewinnerzielung gerichteten Formalziel der normtypischen AG allenfalls beschränkt zu vereinbaren.957 Die Gesellschaft müsse aber auch die von der modernen Kapitalmarkttheorie geprägte Kapitalmarktrealität berücksichtigen; insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften sei eine marktwertmaximierende Unternehmenspolitik als zulässig anzusehen.958 In einem neueren Beitrag fasst Mülbert das Ziel der Gewinnerwirtschaftung als die Mehrung des Gesellschafts(netto)vermögens im Sinne des Eigenkapitalwerts auf.959 Gewinnerzielung qua Mehrung des Gesellschafts(netto)vermögens bemesse sich, indem man den Zuwachs nach den Grundsätzen der Unternehmensbewertung und nicht anhand von Ergebnisgrößen der Rechnungslegung ermittele, d. h. die Gesellschaft die zukünftig erzielten Einnahmeüberschüsse mit einem adäquaten Zinssatz diskontiere.960 Diese Unternehmensbewertung werde bei normalen Kapitalmarktverhältnissen mit größter Verlässlichkeit durch den Börsenkurs widergespiegelt.961 Der Eigenkapitalwert entspreche dem Kaufpreis für einhundert Prozent 952

Mülbert, ZGR 1997, 129 (157, 162). Mülbert, ZGR 1997, 129 (157 f., 162). 954 Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 955 Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 956 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (158). 957 Mülbert, ZGR 1997, 129 (161). 958 Mülbert, ZGR 1997, 129 (162 f.). 959 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (427). 960 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (430). 961 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (427 ff.), wobei er selbst Zweifel daran hegt, dass den realen Börsenkursen durchweg das Verständnis zugrunde liegt, wonach die Aktie als quotaler Anteil am Unternehmenswert zu bemessen ist. Sonst dürften laut Mülbert die 953

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der Anteile und sei der Wert des Unternehmens nach Berücksichtigung der Art der Finanzierung. Laut Mülbert stimmt der Eigenkapitalwert dabei idealtypisch mit dem Unternehmenswert überein, abzüglich des Saldos aus Finanzverbindlichkeiten und nichtbetriebsnotwendiger Liquidität (Nettofinanzverbindlichkeiten).962 Den Diskontierungssatz kann die Gesellschaft laut Mülbert selbst wählen, ohne etwaige exogene Vorgaben aus den Renditeerwartungen der Aktionäre beachten zu müssen.963 Das eigenkapitaldeckende Reinvermögen sei, ungeachtet der bilanziellen Behandlung von gezeichnetem Kapital und Rücklagen, der Gesellschaft selbst zugeordnet, stehe ihr mithin kostenlos zur Verfügung, weshalb die Gesellschaft insofern keine Renditeerwartungen Dritter einpreisen müsse.964 Die Gesellschaft habe bei der Wahl des Diskontierungssatzes jedenfalls die nächstbeste Alternativrendite zu berücksichtigen; zudem könne und werde sie, im Sinne der Portfoliotheorie, den Beitrag der einzelnen Investition zum Ergebnis ihres Investitionsportfolios berücksichtigen.965 Mülbert führt an, und eben darin liegt der Unterschied zum reinen Shareholder Value-Ansatz, dass es für die Gesellschaft darum gehe, das unsystematische Risiko ihrer nicht im Marktkontext zu bewertenden Investitionen richtig zu bepreisen und deshalb die aus dem CAPM abgeleiteten Risikoprämien nicht heranzuziehen seien.966 Daher verbiete es sich auch, dass die Gesellschaft die Änderungen in ihrem Vermögen anhand der Ertragswertmethode967 bemesse und die auf Basis des CAPM ermittelten marktdeterminierten Risikoprämien als Diskontierungssätze verwende.968 Gleichermaßen habe dieser Bewertungszusammenhang zur Folge, dass sich die Unternehmensbewertung durch den marktbezogenen Börsenkurs nicht mit dem Wert des Gesellschaftsvermögens für die Gesellschaft gleichsetzen lasse, denn die Gesellschaft müsse ihr Vermögen, mangels Haltens eines Bruchteils am Marktportfolio, unabhängig von diesem Marktzusammenhang bewerten.969 Keinesfalls sei also die Maximierung des im Börsenkurs ausgedrückten Marktwertes unterschiedlichen Kursverläufe von Stammaktien und Vorzugsaktien derselben Gesellschaft gar nicht vorkommen. Ähnlich v. Bonin, Leitung, S. 130. 962 v. Braunschweig, DB 2002, S. 1815. 963 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (430, 433). 964 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (430). 965 In seinem älteren Beitrag verlangte Mülbert noch, den Diskontierungszinssatz aus dem Habenzinssatz für beinahe risikofreie Kapitalanlagen zu bilden, Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 966 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (428). 967 Siehe hierzu sogleich. 968 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (428). Kritsch auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 63, der anmerkt, dass das Unternehmen die Risikoprämie entsprechend dem spezifischen Risikoprofil ihrer konkret betriebenen unternehmerischen Aktivität festsetzen müsse, aber Abweichungen zugunsten der Verwendung des Risikound Kapitalkostenkalküls des diversifizierten Portfolioinvestors befürwortet, soweit sich dadurch eine Verbesserung der Finanzierung des unternehmerischen Aktivitätenportefeuilles der Gesellschaft und eine Erhöhung der Ertragskraft rechtfertigen lässt. A. A. Birke, Formalziel, S. 215 ff. 969 Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (429).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

gleichbedeutend mit der maximalen Mehrung des Gesellschaftsvermögens aus Sicht der Gesellschaft.970 Mülbert konstatiert, dass das Gewinnziel im verbandsrechtlichen Sinne damit nicht vom Marktwertmaximierungsziel abgelöst wurde, letzteres sei aber gleichberechtigt zur Gewinnerzielung als Inhalt des Formalziels hinzugetreten.971 Bei der gesetzestypischen Aktiengesellschaft bildeten also Gewinnmaximierung für den Verband und Marktwertmaximierung der Aktien im gleichen Sinne Zweckvorgaben für die Tätigkeit der Organe. (6) Stellungnahme Zuletzt geht es um die Beantwortung der Frage nach der grundsätzlichen Vereinbarkeit des Postulats der Gewinn-, respektive der hier vertretenen Eigenkapitalwertmaximierung mit dem Marktwertmaximierungsziel des Shareholder ValueAnsatzes unter besonderer Berücksichtigung der zuvor aufgezeigten Beiträge Mülberts. Mülberts älterer Beitrag orientiert sich offensichtlich an der Ertragswertmethode. Die von ihm aus dem Verbandszweck abgeleitete Maximierung des Gegenwartswerts des Einzahlungsüberschusses bedeutet nichts anderes als die Steigerung des Eigenkapitalwerts und dieser lässt sich wie dargelegt auch mithilfe des Ertragswertverfahrens errechnen.972 Dem Shareholder Value-Konzept und Mülberts älteren Beitrag ist gemein, dass jeweils der Zinsfuß aus der Rendite fast risikoloser Anlagen zu bilden ist.973 Im älteren Beitrag liegt die Annäherung zum Shareholder ValueAnsatz damit noch stärker auf der Hand, besteht doch der einzige Unterschied in der unterschiedlichen Risikoprämie, die bei Mülbert das unsystematische Risiko der Investition widerspiegeln soll974 und angesichts der vorgeblichen Risikoneutralität der Unternehmensführung975 wohl geringer anzusetzen ist als nach dem CAPM. Hingegen erfasst das CAPM mithilfe des b-Faktors nur das systematische marktabhängige Risiko, das unsystematische Risiko bleibt hingegen unberücksichtigt.976 Auch der jüngere Ansatz Mülberts nimmt methodologisch Anleihen am Ertragswertverfahren – obschon er dessen Anwendung ausdrücklich ablehnt977 – respektive am Equity-Ansatz der im Rahmen des Shareholder Value-Ansatzes ge-

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Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (429). Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (438). 972 Dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 138. 973 Ähnlich v. Bonin, Leitung, S. 144. 974 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 975 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104 sowie die Stellungnahme hierzu 1. Kapitel § 5 E. II. 1. b) ee) (6). 976 Siehe hierzu bereits Fn. 680. 977 Vgl. 1. Kapitel § 5 E. II. 1. b) ee) (5) sowie Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (428). 971

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bräuchlichen Discounted Cash Flow-Methode.978 Man wird seine Ausführungen dahingehend verstehen müssen, dass Mülbert zufolge der unternehmensinterne und sich aus der Beurteilung sämtlicher Investitionen zu ermittelnde Zinsfuß für die Berechnung des Gegenwartswerts bestimmend sein soll.979 Denn laut Mülbert geht es eben für die Gesellschaft darum, das unsystematische Risiko richtig zu bepreisen, weshalb sich ein Rückgriff auf das CAPM verbietet. Darin liegt, wie bereits betont, genau der Unterschied zum Shareholder Value-Ansatz. Mit anderen Worten nimmt der Zweck der Gewinnmaximierung jedenfalls dann, wenn man sich den Effekt der Portfoliodiversifikation hinwegdenkt, eine andere Gestalt an als aus der Sicht des optimal diversifizierten Portfolioanlegers.980 Man wird Mülberts Beiträge folglich insgesamt als konzeptionelle Annäherung an das Ertragswertverfahren beurteilen müssen, wobei, wie im Falle des jüngeren Beitrags, kein exogener, marktbezogener Zinsfuß, sondern ein unternehmensintern ermittelter Zinssatz als Grundlage der Abzinsung nutzbar zu machen ist oder wie im Falle des älteren Beitrags, worin ein Unterschied zu Mülberts jüngerer Stellungnahme besteht, nach Maßgabe fast risikofreier Kapitalanlagen981. Jeweils lehnt es Mülbert ab, eine Prämie für das systematische Risiko anhand des CAPM einzupreisen, sondern will allein das unsystematische Risiko in den Diskontsatz einfließen lassen. Als Kernfrage dieser Gegenüberstellung zwischen dem Shareholder ValueKonzept und der Eigenkapitalwertmaximierung, etwa nach der Lesart Mülberts, entpuppt sich also, welche Risikoprämie für die Ermittlung des Diskontierungssatzes zugrunde zu legen ist.982 Diesbezüglich überzeugt jedenfalls nicht die von Mülbert behauptete Risikoneutralität des Aktienrechts.983 Die Risikopräferenz wirkt sich auf die gerade noch hinnehmbare Höhe der Risikoprämie und zugleich die Eigenkapitalkosten sowie spiegelbildlich darauf aus, welche Mindestrendite von den Aktionären erwartet wird.984 Das Aktiengesetz selbst gibt nicht vor, welcher Kalkulationszinsfuß, wie beispielsweise der b-Faktor des CAPM, zur Berechnung der Eigenkapitalkosten anzuwenden ist.985 Vielmehr schreibt der Verbandszweck aufgrund des Schweigens des Aktienrechts gerade keine bestimmte Risikopräferenz vor.986 Damit liegt es im ausschließlichen Ermessen der Unternehmensleitung, ob sie allein 978

Die Gleichung von Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (427) lautet daher auch: „Gewinnmaximierung ist Unternehmenswertmaximierung ist Marktwertmaximierung“. 979 Vorbild könnte hierfür der interne Ertragssatz (internal rate of return) sein, vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (233) m. w. N. 980 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 63. 981 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 982 Dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 134. 983 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129 (157) Fn. 104. 984 Vgl. v. Bonin, Leitung, S. 140, 144. 985 So auch v. Bonin, Leitung, S. 139. 986 So auch zu Recht v. Bonin, Leitung, S. 153.

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unternehmensinterne Diskontsätze verwendet oder, wie beispielsweise im Falle der Börsennotierung oder einem geplanten Börsengang, den CAPM zur Eigenkapitalkostenberechnung heranzieht.987 Die Festlegung des maßgeblichen und investitionsbezogenen Diskontierungssatzes erfolgt also auf der Ebene der unternehmerischen Entscheidung und ist nicht durch den Verbandszweck vorgegeben.988 Das zulässige Maß an Risikowagnis muss im Einzelfall durch den Vorstand im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung konkretisiert werden. Dementsprechend ist es der Gesellschaft auch nicht verwehrt, anstatt des herkömmlichen Ertragswertverfahrens auf die Discounted Cash Flow-Methode zurückzugreifen. Angesichts der bereits dargestellten989 Änderungen im Aktienrecht, wie insbesondere durch das KonTraG990, lässt sich eine partielle Öffnung des Aktienrechts für das Kapitalmarktrecht und dadurch eine Veränderung des klassischen Verbandsrechts und -zwecks991 nicht mehr abstreiten. Insofern widersprechen sich die Shareholder Value-Methode und der verbandsrechtliche Ansatz an dieser Stelle nicht. Zu diesem Ergebnis gelangt offensichtlich auch Mülbert, der das Marktwertmaximierungsziel auf die gleiche Stufe mit dem verbandsrechtlichen Gewinnerzielungsziel stellt, und die Ausrichtung der Gesellschaft auf das eine oder das andere Ziel dem unternehmerischen Ermessen der Leitungsorgane unterstellt.992 Es gilt ferner in praktischer Hinsicht zu bedenken, dass das CAPM nur unter strengen Voraussetzungen, insbesondere der Vollständigkeit und Vollkommenheit des Marktes, zutreffende Risikoprämien liefert und dieses Berechnungsmodell daher allenfalls eine Annäherung an die auf realen Kapitalmärkten geforderten Renditen bietet.993 Berücksichtigt man dies, fallen beispielsweise die Unterschiede zwischen der Konzeption Mülberts und dem portfoliotheoretischen Modell nur gering aus oder verschwinden gänzlich.994 In dieser Hinsicht lässt sich das Shareholder Value-Konzept mit dem verbandsrechtlichen Gewinnmaximierungspostulat im Sinne der Eigenkapitalwertmaximierung folglich in Einklang bringen. ff) Dividendenauskehrungen als Teil des Verbandszwecks? Es wurde bereits dargelegt, dass es Inhalt des Shareholder Value-Konzepts ist, Liquiditätsreserven dann an die Anteilseigner auszuschütten, sofern im eigenen Unternehmen keine Investitionsprojekte absehbar sind, welche wenigstens die Ei-

987

Ähnlich Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 64. Dahingehend auch v. Bonin, Leitung, S. 154. 989 Siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. b) aa). 990 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 991 Vgl. auch Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (440); v. Bonin, Leitung, S. 131. 992 Vgl. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (438). 993 v. Bonin, Leitung, S. 145. 994 Ähnlich v. Bonin, Leitung, S. 145. 988

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genkapitalkosten erwirtschaften.995 Dies wirft die Frage auf, ob diese Unternehmenspolitik mit dem Verbandsrecht kompatibel ist. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass es Bestandteil des Verbandszwecks ist, den erzielten Gewinn an die Aktionäre in Form von Dividenden auszuschütten.996 Namentlich Mülbert setzt dem entgegen, dass § 58 AktG ein Gewinnstammrecht des Aktionärs auf Ausschüttung zumindest eines bestimmten Mindestgewinns beseitige und den Schutz auf die Möglichkeit der Anfechtung nach § 254 Abs. 1 AktG verkürze.997 Ein Gewinnverwendungsbeschluss ist danach nur anfechtbar, wenn nicht einmal eine Mindestdividende in Höhe von vier Prozent des Grundkapitals gezahlt wird. Dem sei zu entnehmen, dass es nicht zum Verbandszweck einer Aktiengesellschaft gehören könne, den jährlich erwirtschafteten verteilungsfähigen Überschuss teilweise oder gar vollständig an die Aktionäre auszuschütten.998 Mülberts Auffassung ist zu widersprechen, denn der Auslegung der §§ 58, 254 Abs. 1 AktG kann für den Inhalt des Formalziels nichts entnommen werden.999 Bei genauer Betrachtung beseitigt § 58 AktG nicht das Gewinnstammrecht der Aktionäre auf Ausschüttung eines (Mindest-)Gewinns.1000 Zwar haben die Aktionäre nach § 58 Abs. 4 AktG nur insoweit einen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit dieser nicht nach Gesetz, der Satzung nach Maßgabe des § 58 Abs. 3 S. 2 AktG, durch Hauptversammlungsbeschluss nach § 58 Abs. 3 AktG oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 174 AktG von der Verteilung an die Aktionäre ausgeschlossen ist. Allerdings gewährt § 254 Abs. 1 AktG den Aktionären ein Anfechtungsrecht, wenn die Höhe der Ausschüttung vier Prozent des durch Einlagen belegten Grundkapitals unterschreitet und die weiteren Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 AktG nicht vorliegen.1001 Dadurch wird sichergestellt, dass das Gewinnstammrecht der Aktionäre nicht gänzlich entwertet wird, wenn auch vordergründig § 254 Abs. 1 AktG allein dem Schutz der Minderheit vor einer Aushungerpolitik der Mehrheit dient.1002 Ferner geht es zwar auch bei §§ 58 Abs. 3, 254 Abs. 1 AktG stets um die Gewinnverwendung. Doch lässt sich weder aus § 58 Abs. 4 noch aus § 254 Abs. 1 AktG schließen, dass das körperschaftliche und mitgliedschaftsrechtliche Gewinnstammrecht als abstrakter Anspruch, dessen Grundlage unmittelbar in der Mitgliedschaft des Aktionärs begründet ist,1003 gänzlich 995

Siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) cc). Wiedemann, ZGR 1975, 385 (413); Zöllner, ZGR 1988, 392 (418); ders., ZHR 162 (1998), 235 (239 f.); vgl. ferner die Nachweise bei v. Bonin, Leitung, S. 131 Fn. 574 sowie Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 158 Fn. 18. 997 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 159; zustimmend v. Bonin, Leitung, S. 125. 998 Mülbert, ZGR 1997, 129 (157). 999 So auch im Ergebnis, aber mit anderer Begründung v. Bonin, Leitung, S. 133. 1000 So auch Müller, in: Bierich/Hommelhoff/Kropff, FS Semler, 195 (199); vgl. auch Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (471). 1001 Zu den Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 AktG siehe unten Fn. 1006. 1002 Vgl. hierzu nur Hüffer/Koch, AktG, § 254 Rn. 1. 1003 Vgl. MüKoAktG/Bayer, § 58 Rn. 97 ff. 996

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abgeschafft ist. Das Gewinnstammrecht wandelt sich ohnehin erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluss in einen der Höhe nach bestimmbaren Anspruch.1004 Damit steht allein der Erhalt eines auszuschüttenden Gewinns unter Vorbehalt, das Gewinnstammrecht bleibt davon unangetastet. Ferner lässt sich aus dem Umkehrschluss zu § 254 Abs. 1 AktG ableiten, dass es der Unternehmensleitung offensteht, eine höhere als die dort genannte Marge, mithin den verteilungsfähigen Überschuss teilweise oder vollständig an die Aktionäre auszukehren.1005 Allein ein Weniger ist den Restriktionen des § 254 Abs. 1 AktG ausgesetzt.1006 Richtigerweise gibt schon das Formalziel der Eigenkapitalwertmaximierung vor, ob und in welcher Höhe Ausschüttungen oder Rücklagenbildungen etwa zugunsten von (Re-)Investitionen zu erfolgen haben.1007 Entscheidend ist hierbei, inwieweit der Unternehmens- bzw. Eigenkapitalwert am besten gesteigert werden kann. Es ist folglich immer so viel auszuschütten, wie nicht im Unternehmen, unter Beachtung der betriebswirtschaftlichen Kohärenz von Gewinnausschüttung und Thesaurierung, erneut wertsteigernd angelegt werden kann und damit ohne Grund und Anlass einbehalten würde.1008

1004

Spindler/Stilz/Stilz, AktG, § 253 Rn. 19. A. A. Mülbert, ZGR 1997, 129 (157). 1006 Siehe auch Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (472). § 254 Abs. 1 AktG verlangt u. a., dass die wirtschaftliche und finanzielle Notwendigkeit gegeben sein muss, den Aktionären auch die Mindestdividende vorenthalten zu müssen. Dies setzt voraus, dass die Bildung von Gewinnrücklagen oder eines Gewinnvortrags aus dem Bilanzgewinn mitunter die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft sichert. In diesem Zusammenhang ist mit Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Bestand und die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens gemeint, Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 254 Rn. 5; MüKoAktG/Koch, § 254 Rn. 15. Rentabilität ist die Fähigkeit des Unternehmens, seine Stellung im Vergleich zur Konkurrenz zu behaupten und gegebenenfalls zu expandieren, Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 254 Rn. 5; MüKoAktG/Koch, § 254 Rn. 15. Eine solche Expansion ist zur Festigung der Marktposition nicht selten erforderlich und in diesem Fall zulässiges Ziel der Rücklagenbildung, Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 254 Rn. 5; ähnlich MüKoAktG/Koch, § 254 Rn. 15; wohl a. A. Spindler/Stilz/Stilz, AktG, § 254 Rn. 11 (Rücklagenbildung für expansive Absichten in der Regel nicht zulässig). Da Stagnation aber in vielen Fällen mit unternehmerischem Rückschritt gleichbedeutend ist, rechtfertigen im Rahmen des § 254 Abs. 1 AktG selbst Expansionsbestrebungen eine Gewinneinbehaltung, siehe Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 254 Rn. 5. Die Thesaurierung ist erst recht zur Substanzerhaltung zulässig, Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 254 Rn. 5; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, § 254 Rn. 10. Die Thesaurierung ist notwendig, wenn die Ausschüttung aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei plausibler Einschätzung die Lebens- und Widerstandsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen würde, Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 254 Rn. 5, sowie unter Abwägung mit dem Renditeinteresse der Minderheitsaktionäre als geboten und nicht nur wünschenswert oder sinnvoll erscheint, MüKoAktG/Koch, § 254 Rn. 16. Damit ist es der Unternehmensleitung nicht verwehrt, aus weitgehend wirtschaftlichen Erwägungen zwischen Ausschüttung und Thesaurierung zu entscheiden. 1007 So auch v. Bonin, Leitung, S. 132. 1008 So zu Recht v. Bonin, Leitung, S. 132. 1005

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c) Zwischenergebnis Mit dem Shareholder Value-Konzept können keineswegs sämtliche Herausforderungen gelöst werden, die für die Ermessensausübung der Unternehmensleitung typisch sind und mitunter durch die Berücksichtigung von „weichen“ Faktoren vorgezeichnet sind.1009 Weiche Faktoren, wie die Reputation des Unternehmens, die Stabilität in den Vertragsbeziehungen und die Motivation von Arbeitnehmern haben unstreitig Einfluss auf den Marktwert, lassen sich aber nur schwerlich im Rahmen von Investitionsrechnungen operationalisieren.1010 Als überaus problematisch entpuppt sich ferner die portfoliotheoretische Ablehnung unternehmensinterner Diversifikationen. Beispiele wie Apple Inc., das hohe Gewinne nicht mehr nur mit Personal Computern, sondern vor allem mit Geräten wie Mobiltelefonen erzielt, sind eindrucksvolle Belege dafür, dass Diversifikation innerhalb von Unternehmen und Unternehmensgruppen langfristig wirtschaftlichen Erfolg gewährleisten und dem Ausbau der Marktstellung dienen kann. Auch deutsche Unternehmen wie die Allianz SE, die nicht nur im Versicherungsgeschäft, sondern mit ihrer Tochter Allianz Global Investors GmbH als Vermögensverwalter tätig ist, sowie die Bayer AG, die neben der Produktion von Pharmazeutika gleichermaßen im agrochemischen Bereich tätig ist, verdeutlichen die unternehmerischen Chancen von Diversifikationen. Ferner kann die ausreichende Streuung des Aktivvermögens dazu beitragen, Liquiditätsrisiken zu vermindern.1011 Der gegen den Shareholder Value-Ansatz gerichtete Vorwurf, er befördere den Abbau von Arbeitsplätzen, verdeckt andererseits den Umstand, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht schon deshalb willkürlich und sozialwidrig sind, nur weil sie der Steigerung des Gewinns eines schon rentablen Unternehmens dienen sollen.1012 Das BAG hatte bereits im Jahr 1999 entschieden, dass die Entscheidung eines Arbeitgebers, den Personalbestand dauerhaft zu reduzieren, zu den unternehmerischen Maßnahmen gehöre, die den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen könne.1013 Von den Arbeitsgerichten sei nur nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliege; die unternehmerische Entscheidung selbst sei hingegen nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei.1014 Shareholder Value vermag also solche beschäftigungspolitischen Tendenzen zu begünstigen; Gerichte können den Arbeitsplatzabbau aber gleichwohl als zulässig erachten. 1009

MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 77. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 77. 1011 So Baums, ZGR 2011, 218 (261). 1012 Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, Kündigungsrecht, § 1 KSchG, Rn. 471; MHdbArbR/ Berkowsky (3. Aufl.), § 112 Rn. 33. 1013 BAG, Urt. v. 17.6.1999 – 2 AZR 141/99, BAGE 92, 71; MDR 1999, S. 1389. Kritisch hierzu Quecke, NZA 1999, S. 1247 ff. 1014 BAG, MDR 1999, S. 1389; vgl. hierzu Feudner, NZA 2000, 1136 (1143). 1010

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Eine modifizierte Variante dieses Konzepts kann zudem in vielen Fällen unternehmerisch sinnvoll und angesichts zunehmender Kapitalmarktorientierung im Aktienrecht auch zulässig sein, nicht zuletzt bei einem geplanten Börsengang. Langfristig vermag sogar ein steigender Shareholder Value – und damit einhergehend höherer Börsenwert – das Risiko der Gesellschaft zu senken, Zielobjekt einer (feindlichen) Übernahme zu werden.1015 Das drohende Szenario einer (feindlichen) Übernahme ist insoweit ein starker Anreiz für das Management, den Shareholder Value zu maximieren.1016 Umgekehrt wird sich ein Unternehmen, das keinen angemessenen Shareholder-Value generiert, sinkenden Börsenkursen ausgesetzt sehen, welche für das Unternehmen die Gefahr erhöhen, Ziel einer (feindlichen) Übernahme zu werden.1017 Die hier im Einzelnen gewonnenen Erkenntnisse zur verbandsrechtlichen Kompatibilität des Shareholder Value-Ansatzes gebieten gleichwohl einen zurückhaltenden Umgang mit dieser Konzeption. Schnittstellen zwischen Verbandsrecht und Shareholder Value-Konzept lassen sich zwar ausfindig machen, insbesondere, wenn man wie hier die aktienrechtliche Gewinnerzielungsmaxime im Sinne des Ziels der Eigenkapitalwertmaximierung auffasst. Die Brücke zum Shareholder ValueAnsatz schafft in diesem Beispiel die Verwendung der Kapitalisierungszinsen aus den Daten des Kapitalmarkts. Die Festlegung des maßgeblichen Diskontierungssatzes erfolgt dabei stets, wie bereits festgestellt, nach freier unternehmerischer Entscheidung und ist nicht durch den Verbandszweck vorgegeben. Unternehmensleitungen müssen sich gleichwohl bewusst sein, dass (Minderheits-)Aktionäre de iure nicht nur Kapitalanleger, sondern auch mit Teilhaberechten versehene Mitglieder der Gesellschaft sind. Von daher verbietet es sich aus verbandsrechtlicher Perspektive, die Beteiligungsintentionen der Aktionäre allein als typisiertes und portfoliotheoretisches Renditeinteresse zu betrachten. Überhaupt ist die Gleichsetzung sämtlicher Aktionärsinteressen nur ein theoretisches Hilfsmittel, das die Wirklichkeit kaum jemals richtig abbilden wird und je nach Aktionärsstruktur auf Widerstand stoßen kann. Im Übrigen wecken jüngere Gesetzesnovellen wie das VorstAG1018 und das FührposGleichberG1019 Zweifel an der Kompatibilität des reinen Shareholder Value-Ansatzes mit dem geltenden Aktienrecht.1020 Im Ergebnis ist eine 1015

Vgl. Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1047). Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1047); vgl. Paul/Stein, in: Lutter/Bayer, Holding-Handbuch, § 10 Rn. 160. Als Instrument zur Verhinderung feindlicher Übernahmen kamen früher satzungsmäßige Höchststimmrechte in Betracht. Durch den durch das KonTraG novellierten § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG sind diese für im regulierten Markt börsennotierte Gesellschaften jedoch verboten worden, vgl. Liebscher, ZIP 2001, 853 (854). § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG n. F. lässt Höchststimmrechte kraft Satzungsbestimmung nur noch für nichtbörsennotierte Gesellschaften zu. 1017 Vgl. Vitale/Loose, BB 2014, 2903 (2904). 1018 Siehe oben Einführung, Fn. 32. 1019 Siehe oben Fn. 650. 1020 Seibert, AG 2015, 593 (596). 1016

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strenge und unreflektierte Orientierung am Shareholder Value-Ansatz – im Gegensatz zu einer modifizierten, auf das jeweilige Unternehmen angepassten Form dieses Konzepts – weder unternehmerisch dienlich noch verbandsrechtlich vollumfänglich zulässig. 2. Ausrichtung an den Interessen der Stakeholder Teile der heutigen Literatur befürworten eine pluralistische Zielorientierung der Aktiengesellschaft, welche der Unternehmensführung durch das Unternehmensinteresse vorgegeben sein soll. Insbesondere die ausführlichen Darstellungen Mertens’ und Cahns, Korts und Kochs, auf die sich die folgende Darstellung fokussiert, rücken die Interessen der Stakeholder viel stärker in den Vordergrund und sprechen sich gegen eine Shareholder Value-Orientierung aus. a) Die Ansicht Mertens’ und Cahns Nach Mertens und Cahn hat die Unternehmensleitung bei erwerbswirtschaftlich orientierten Gesellschaften in erster Linie um die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens besorgt zu sein.1021 Die Geschäftsführung müsse daher auf die Erzielung eines „angemessenen, zur substanziellen Erhaltung von Kapital- und Ertragskraft ausreichenden Gewinns gerichtet sein.“1022 Eine Verpflichtung auf das Ziel eines nachhaltig zu erwirtschaftenden, möglichst hohen Gewinns bestehe hingegen nicht.1023 Eine ausschließliche oder vorrangige Berücksichtigung von Aktionärsinteressen lehnen Mertens und Cahn ebenso wie die Ausrichtung der Leitmaxime am Shareholder Value-Konzept ab.1024 Das Aktionärsinteresse sei jedenfalls über seine Verfestigung in gesetzlichen Vorschriften, Satzungsregelungen und Hauptversammlungsbeschlüssen hinaus ein Aspekt, welcher „in angemessenen Grenzen eine Relativierung des Strebens nach Unternehmenserfolg rechtfertigt.“1025 Unerheblich 1021

KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 9, 21. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 21. „Ob der Vorstand darüber hinaus die Erzielung eines möglichst hohen Gewinns anstrebt, ob er seine Unternehmenspolitik stärker lang- oder kurzfristig orientiert, ob er mehr auf Einbehaltung der Gewinne im Unternehmen und auf Expansion des Unternehmens ausgeht oder stärker darauf, die Aktionäre mit einer möglichst hohen Dividende zu bedienen und wie er dementsprechend die Kapitalstruktur der Gesellschaft gestaltet, (…) steht in seinem unternehmerischen Ermessen. Dabei kann allerdings die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt ein Gesichtspunkt sein, dessen ausreichende Beachtung zur pflichtgemäßen Unternehmensleitung gehört“, a. a. O. 1023 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 10. 1024 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 16 ff. Dahingegen missverständlich die Aussage von KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 18, dass ein immer dichteres Netz gesetzlicher und vertraglicher Regelungen zum Schutz von namentlich Arbeitnehmern und anderen Gläubigern und demgegenüber eine weitgehende Versagung einer entsprechenden vertraglichen Vorsorge zugunsten der Aktionäre dafür spreche, deren Interessen besondere Bedeutung im Verhältnis zu denen anderer Bezugsgruppen einzuräumen. 1025 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 31. 1022

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sei hingegen das Interesse der Aktionäre, die „Kasse machen“ wollten, an der Veräußerung wichtiger Unternehmenssubstanz, also der Desinvestition von Gesellschaftsvermögen (asset stripping), sofern dieser Wille nicht in maßgeblichen Hauptversammlungsbeschlüssen verbindlichen Niederschlag gefunden habe.1026 Substanzveräußerungen könnten nur unter unternehmerischen Gesichtspunkten in Betracht kommen, insbesondere zur Rentabilitätserhaltung oder -steigerung, aus Rationalisierungsgründen, zur Konzentration der Investitionsmittel oder zur Marktanpassung. Es liege zudem im Rahmen des unternehmerischen Ermessens, weitere Ziele zu verfolgen, „wie die Ausrichtung der Produktion an Bedarfsdeckungsgesichtspunkten, angemessene Entlohnung der im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter, eine Ausgestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen, die darauf Rücksicht nimmt, dass der Betrieb wesentlicher Teil der sozialen und kulturellen Umwelt des Arbeitnehmers ist, Förderung des politischen und gesellschaftsbezogenen Engagements der Mitarbeiter, Nachwuchsförderung auch über den Bedarf der eigenen Unternehmung hinaus, soziale Integration des Unternehmens, Erhaltung einer lebenswerten Umwelt sowie auch gesamtwirtschaftlichen Anforderungen.“1027 Die unternehmerische Freiheit werde durch die Verpflichtung begrenzt, im Rahmen der Entscheidungsfindung eine Reihe von Interessen zu berücksichtigen und dabei dem Interesse an der erfolgreichen Behauptung des Unternehmens den Vorrang zu gewähren.1028 Allerdings stünden die verschiedenen Verantwortungsbereiche bei langfristiger Betrachtung weitgehend in praktischer Konkordanz.1029 Das „Ziel der Selbstbehauptung des Unternehmens“ verliert für Mertens und Cahn dann seine Verbindlichkeit für die Unternehmensleitung, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist und damit „einen volkswirtschaftlichen Gefahrenherd darstellt, der reorganisiert oder aus dem Verkehr gezogen werden muss.“1030 Eine besondere Verpflichtung auf das Gemeinwohl, die über die gesetzlichen Verhaltenspflichten hinausgeht, erkennen Mertens und Cahn nicht an.1031 Die Förderung von Gemeinwohlinteressen sei jedenfalls dann zulässig, sofern sie der Er1026

KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 24. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 10. 1028 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 14. 1029 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 19. „Ein Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaftet, kann keine Mittel für soziale Zwecke erübrigen und in der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen kaum über das gesetzlich Gebotene hinausgehen; das Unternehmen, das keine überdurchschnittlichen Arbeitsbedingungen anzubieten hat, wird am Arbeitsmarkt das Nachsehen haben; das Unternehmen das seine Kapitalgeber nicht zufriedenstellend bedient, wird auf Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung stoßen; ein Unternehmen das seine Belange rücksichtlos um des Erfolges willen durchsetzt oder sich von gemeinnützigen Aktionären ausschließt, muss um den Goodwill fürchten, wird seinen gesellschaftlichen und politischen Einfluss reduzieren und damit letztlich den Unternehmenserfolg in Mitleidenschaft ziehen“, a. a. O. 1030 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 22. 1031 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 33. 1027

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reichung oder Stabilisierung des Unternehmenserfolgs diene und in einem ausgewogenen Verhältnis zu den auf Gewinnerzielung gerichteten Aktivitäten stehe. Mertens und Cahn halten allerdings selbst dann entsprechende Maßnahmen für erlaubt, wenn ein konkreter Bezug zur Förderung des Unternehmenserfolgs nicht herstellbar ist.1032 Diese Entscheidung müsste jeweils in gründlicher Abwägung mit der Verantwortung für den Unternehmenserfolg getroffen werden.1033 In diese Abwägung dürften auch moralische und ethische Beweggründe des Managements einfließen; träten diese Gesichtspunkte jedoch in einen schwerwiegenden Konflikt mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, müssten diese zurückgestellt werden oder der Vorstand sein Amt aufgeben.1034 Dem Vorstand sei in der Frage, welchen Aufwand er für soziale Zwecke betreibe, auf welchen Gewinn er aus ethischen Gründen verzichte und für welche etwa sozialen oder politischen Zwecke er Gesellschaftsmittel einsetze, ein breiter Ermessensspielraum einzuräumen.1035 Dabei müsse er sich im Rahmen dessen halten, was nach Größenordnung und finanzieller Situation des Unternehmens als angemessen angesehen werden könne. „Misswirtschaft treiben oder die Rentabilität des Unternehmens gefährden darf er nicht.“1036 b) Die Ansicht Korts Nach Ansicht Korts darf die Wahrnehmung der Leitungsaufgabe des Vorstands nicht auf eine ausschließliche Orientierung am Gesellschaftsinteresse als „gebündelten Interessen der Aktionäre“ hinauslaufen.1037 Der Vorstand habe gerade wegen des Unternehmensinteresses vielmehr im ihm gesetzlich und satzungsmäßig vorgegebenen Rahmen zusätzlich die Interessen der Arbeitnehmer, der Gläubiger und der Öffentlichkeit zu beachten. Der Interessenpluralismus sei gegenüber dem Interessenmonismus aus rechtlichen Gründen geboten1038 und vorzugswürdig.1039 Ein

1032

KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 33. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 34. „Es gehört somit in die Entscheidung des Vorstands, ob er einen Betrieb in einer strukturschwachen Region aufrechterhält, der betriebswirtschaftlich besser verlegt werden sollte, ob er die Macht eines Unternehmens einsetzt, um Subventionen einer Gebietskörperschaft zu erhalten, die unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu missbilligen sind, oder ob er der Bundesregierung in einem konkreten politischen Handlungszusammenhang Hilfestellung leistet, die dem unmittelbaren Unternehmenserfolg eher abträglich sein, allerdings auch ein gewisses unternehmensdienliches Entgegenkommen der Regierung bei anderer Gelegenheit fördern mag“, a. a. O. 1034 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 34. 1035 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 35. 1036 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 35. 1037 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 40. 1038 Kort, AG 2012, 605 (608). 1039 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 122. 1033

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Verstoß gegen das „Gebot interessenpluralistischer Unternehmensführung“ könne zu einer Schadensersatzpflicht gemäß § 93 AktG führen.1040 Im Einzelnen führt Kort aus, dass die Ausrichtung der Leitung der Gesellschaft auf das Gesellschaftsinteresse die Rechtspflicht beinhalte, die Aktiengesellschaft dauerhaft rentabel zu halten.1041 In diesem Zusammenhang spiele auch das Konzept der „wertorientierten Unternehmensführung“ eine Rolle, was bedeute, dass die Unternehmensführung auf eine „Steigerung der Ertragskraft des Unternehmens“ auszurichten sei. Aus der Pflicht, dauerhaft Rentabilität zu gewährleisten, ergebe sich zugleich, dass der Fortbestand der Aktiengesellschaft zwar im Allgemeinen Ziel des Vorstandshandelns sein müsse.1042 Die Aufrechterhaltung einer dauerhaft unrentablen Gesellschaft sei hingegen nicht im Unternehmensinteresse. Ebenso zulässig sei die kurzfristige Orientierung an anderen Gesichtspunkten als demjenigen der Rentabilität, etwa aus Investitions-, Image- oder Marketinggründen, gerade um die Rentabilität langfristig gewährleisten zu können. Das Unternehmensinteresse sei auf eine „nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts“ bzw. des „Unternehmenserfolgs“ und nicht auf eine kurzfristige Steigerung des Börsenkureses oder eine kurzfristige Profitmaximierung ausgerichtet.1043 Zur Bedeutung der Aktionärsinteressen führt Kort aus, dass prima facie davon auszugehen sei, dass die gebündelten Interessen der Gesellschafter für das Unternehmensinteresse besonders wichtig seien.1044 Selbst wenn das Unternehmensinteresse insgesamt nicht mit den Aktionärsinteressen identisch sei, könne es dennoch kein von den Interessen der einzelnen Aktionäre vollkommen losgelöstes Interesse der Gesellschaft geben. Die in der Literatur anzutreffende unterschiedliche Betonung von Unternehmens- und Aktionärsinteresse sorgt jedoch Kort zufolge nur für geringfügige Auswirkung, als die Interessen der Aktionäre nämlich regelmäßig auf eine nachhaltige Unternehmensrentabilität ausgerichtet sind.1045 Zu keinem Zeitpunkt brauche es Ziel der Unternehmensführung zu sein, den Aktionären eine Steigerung des Börsenkurses ihrer Aktien zu ermöglichen.1046 Im Gegensatz zu einer älteren Stellungnahme1047 spricht sich Kort jetzt gegen die Deutung des Shareholder Value-Ansatzes als Leitmaxime aus und stellt fest, dass 1040

Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 40. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 53. 1042 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 53. 1043 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 53, 62. 1044 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 59. 1045 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 62. 1046 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 69. 1047 Bislang hatte Kort vertreten, dass eine „generelle Ausrichtung der Leitung der AG am Shareholder Value, also an einer Steigerung des inneren Werts des Anteils, geboten“ sei, mitunter deshalb, weil sich die Orientierung am Gesellschaftsinteresse nicht wesentlich von der Orientierung an den gebündelten Gesellschafterinteressen unterscheide, Kort, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 76 Rn. 54. 1041

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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sich dieses Konzept nicht zur Umformung der das Unternehmensinteresse prägenden, maßgeblichen Wertvorstellungen eigne.1048 Der Vorstand sei nicht auf das Ziel eines möglichst hohen Gewinns verpflichtet. Gegen eine „deutliche oder gar ausschließliche Ausrichtung“ auf Aktionärsinteressen spreche, dass der Vorstand nicht den Aktionären Loyalität schulde, sondern der Gesellschaft.1049 Der Vorstand sei weder verpflichtet, noch sei es ihm gestattet, sein Handeln allein an den Interessen der Aktionäre ausrichten.1050 Ferner sei der Vorstand auch nicht verpflichtet, die Interessen der Aktionäre vorrangig zu berücksichtigen.1051 Neben dem Gesellschaftsinteresse habe der Vorstand im beschränkten Maße die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, was sich mitunter aus Ziff. 4.1.1 DCGK ergebe, „der als ,Definitionsnorm‘ Auslegungsbedeutung auch für nichtbörsennotierte AG“ habe.1052 Darüber hinaus spricht sich Kort gegen eine besondere Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen aus.1053 Die Sicherung von Arbeitnehmerinteressen im Unternehmen erfolge in erster Linie durch ein engmaschiges Netz an zwingenden normativen und richterlichen Vorgaben im Individualarbeitsrecht und im Kollektivarbeitsrecht. Insbesondere das Kollektivarbeitsrecht sowie dessen Instrumente wie Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag seien bessere Mittel zur Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen als deren besondere Berücksichtigung beim Unternehmensinteresse als Handlungsmaxime des Vorstands. Ferner erfolge die besondere Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen institutionell nicht im Vorstand, sondern im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat. „Angesichts der Personal- und Überwachungskompetenz des mitbestimmten Aufsichtsrats fließen bereits bei der Bestellung (…) und bei der Überwachung des Vorstands durch den mitbestimmten Aufsichtsrat faktische Arbeitnehmerinteressen in die Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand ein.“1054 Überdies erhielten Arbeitnehmerinteressen ebenfalls im Wege der betrieblichen Mitbestimmung Einfluss auf die Unternehmensführung.1055 Jedoch selbst über den Bereich der unternehmerischen und betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung hinaus habe der Vorstand ein Recht und bisweilen die Pflicht, Arbeitnehmerinteressen bei der Leitung zu berücksichtigen, sofern diese nicht im Konflikt mit anderen, vorrangigen Maximen stünden.1056 Rentabilitäts- und Bestandsinteressen könnten für, aber auch gegen die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen sprechen, 1048

So Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 71 f.; ders., AG 2012, 605 (606). Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 72; ders., AG 2012, 605 (606). 1050 Kort, AG 2012, 605 (607). 1051 Kort, AG 2012, 605 (606). 1052 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 76. Für seine Behauptung, Ziff. 4.1.1 DCGK sei eine Definitionsnorm, bringt Kort hingegen keinen Nachweis. 1053 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 77 ff.; ders., AG 2012, 605 (610). Noch teilweise a. A. die Vorauflage, vgl. Kort, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 76 Rn. 56 ff. 1054 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 79. 1055 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 80. 1056 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 81. 1049

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

etwa dann, wenn die dauerhafte Rentabilität oder der Unternehmensbestand nur durch Kündigungen, Kurzarbeit oder Lohnzurückhaltung verwirklicht werden könne. Angesichts der Pflicht zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen kann Kort zufolge auch die Belastung der Gesellschaft mit „sozialen Kosten“ zulässig sein, etwa die Schaffung von Sozialeinrichtungen für die Arbeitnehmer, die Gewährung von direkten und indirekten Gehaltserhöhungen oder Betriebsrenten.1057 Zuletzt seien auch die Interessen der Öffentlichkeit von Belang.1058 Soweit das Gemeinwohl normativ konkretisiert sei, dürfe dem das Handeln des Vorstands nicht zuwiderlaufen.1059 Des Weiteren sei der Vorstand auch an sonstige untergesetzliche Normen und Regeln gebunden, etwa „unternehmensinteresseorientierte“ Compliance-Pflichten, die ihrerseits häufig Konkretisierungen einer gewissen Gemeinwohlbindung seien.1060 Darüber hinaus bestehe keine Pflicht des Vorstands, Belange des Gemeinwohls aktiv zu fördern.1061 Keinesfalls dürfe der Vorstand gemeinwohlbezogene Maßnahmen verfolgen, die nicht einmal indirekt der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung der Gesellschaft dienten.1062 Auch Sponsoring, Mäzenatentum, Spenden und anderweitige soziale Aktivitäten ließen sich nicht einfach durch Berufung auf die Gemeinwohlbindung der Gesellschaft rechtfertigen.1063 Vielmehr sei eine Abwägung zwischen den Interessen der Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und Arbeitnehmer auf der einen Seite und den Interessen der Allgemeinheit an derartigen Aktivitäten auf der anderen Seite vorzunehmen. Die Zulässigkeit von Ausgaben für soziale Zwecke hinge dabei mitunter von der Größenordnung der Gesellschaft ab.1064 Ferner sei es dem Vorstand zur Gewährleistung der Sozialakzeptanz des Unternehmens erlaubt, eine bestimmte Unternehmenspolitik in sozialer oder gesellschaftspolitischer Hinsicht zu verfolgen.1065 Demgemäß könne der Vorstand etwa Standortfragen auch entgegen betriebswirtschaftlichen Optimierungsüberlegungen entscheiden, wobei ein solches soziales Engagement immer nur innerhalb der Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens des Vorstands läge, wenn die Berücksichtigung vorrangiger Interessen, also denen der Gesellschaft, der Gesellschafter und der Arbeitnehmer, sowie die sonstige Gemeinwohlbindung nicht in den Hintergrund gerate. Allgemeine soziale und politische Zielsetzungen dürften nicht gegen die ausdrücklich artikulierten oder indi1057

Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 82. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 84. 1059 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 85. 1060 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 86 f. 1061 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 87. Mitunter kritisch auch zur Corporate Social Responsibility und zu der Figur des good corporate citizen, a. a. O., Rn. 88 ff. sowie ders., NZG 2012, 926 (927 f.). 1062 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 99. 1063 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 108. 1064 Zu den Einzelheiten siehe Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 108. 1065 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 109. 1058

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rekt ableitbaren Interessen des Unternehmens und der dort gebündelten Partikularinteressen verfolgt werden.1066 Zum Zwecke der Abwägung ordnet Kort diese Belange wie folgt:1067 Auf der einen Seite stünden die unternehmensinternen Interessen, ihrerseits gegliedert in gesellschaftsrechtlich vermittelte Interessen der Aktiengesellschaft und der Aktionäre sowie in mitbestimmungs- und arbeitsrechtlich vermittelte Interessen der Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite seien hingegen die externen Interessen, d. h. die Gemeinwohlinteressen, vorzufinden. Da das AktG von der verfassten Korporation ausgehe und somit gesellschaftsrechtliche Interessen in den Vordergrund rücke, ergebe sich rechtlich eine gewisse Stufung der Berücksichtigung dieser Belange. Im Wesentlich lediglich mitbestimmungs- und arbeitsrechtlich vermittelt sei die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen. In noch schwächerem Maße fände das Gemeinwohl bei dieser Interessenabwägung Berücksichtigung. Divergierende Interessen seien im Sinne praktischer Konkordanz gegeneinander abzuwägen.1068 c) Die Ansicht Kochs Koch befürwortet eine interessenplurale Zielkonzeption.1069 Eine Bindung an das erwerbswirtschaftliche Verbandsinteresse ebenso wie die vorrangige Ausrichtung auf das Shareholder Value-Konzept entspräche nicht der seit mit § 70 Abs. 1 AktG 1937 bestehenden aktienrechtlichen Sonderlage, obwohl diese 1965 in den Gesetzesmaterialien klare Bestätigung gefunden habe. Ebenso verbiete sich die Annahme einer Rangfolge der maßgeblichen Interessen.1070 Von den zu beachtenden Arbeitnehmer- oder Gemeinwohlbelange bleibe wenig, wenn sie nur in dienender Funktion dem Shareholder-Interesse untergeordnet würden und im Zweifel dahinter zurückstünden. Ebenso verbiete sich aber eine vorrangige Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen.1071 Aufgabe und Recht des Vorstands sei es, divergierende Interessen in der Entscheidungsfindung gegeneinander abzuwägen.1072 Der Vorstand sei nicht verpflichtet, Ermessen ausschließlich im Aktionärsinteresse auszuüben, wohl aber dazu, die Anteilseignerinteressen an einer risikoadäquaten Rendite für ihren Kapitalansatz im Rahmen seiner Ermessensausübung angemessen zu berücksichtigen.1073 Die Sicherung des Unternehmensbestands und der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens seien Vorstandspflichten.1074 Keine Pflicht bestünde 1066 1067 1068 1069 1070 1071 1072 1073 1074

Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 108. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 123. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 123. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 30. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 31. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 32. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 33 Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 33. Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 34.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

hingegen zur kurzfristigen Gewinnmaximierung.1075 Der Vorstand handele nicht pflichtwidrig, wenn er zu Lasten sonst erzielbarer Gewinne Sozialleistungen an die Belegschaft erbringe oder das Unternehmen mit anderen sozialen Kosten belaste. 3. Vermittelnde Ansichten Die folgenden Autoren befürworten zwar den Vorrang der Aktionärsinteressen, sprechen sich aber vermittelnd für die Berücksichtigung anderer, nachgeordneter Belange aus. a) Die Ansicht Spindlers Nach Auffassung Spindlers ist die Aktiengesellschaft zwar ein interessenmonistischer Verband, bei welchem es aus gesellschaftsrechtlicher Sicht allein um die Interessen der Aktionäre geht.1076 Das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen sei hingegen ein interessenpluralistischer Organismus, auf den neben den Anteilseignerinteressen auch die Interessen der im Unternehmen Tätigen, also der Organmitglieder und der Arbeitnehmer, sowie, im Hinblick auf Gegenstand und Größe des Unternehmens, auch die Interessen der Allgemeinheit bezogen seien.1077 Primär sei die Leitung der AG auf das Wohl der Gesellschaft und ihrer Aktionäre ausgerichtet.1078 Der Vorstand habe das erwerbswirtschaftliche Interesse der Gesellschaft zu wahren, welches sich mit dem gemeinschaftlichen Interesse der Aktionäre decke, die das Unternehmensrisiko trügen. Der Vorstand habe auf jeden Fall den Bestand des Unternehmens zu sichern und für eine dauerhafte Rentabilität zu sorgen.1079 Die Ausrichtung am Ziel der dauerhaften Rentabilität der Gesellschaft sei indes nicht gleichbedeutend mit einer Orientierung an einer kurz- oder langfristigen Gewinnmaximierung.1080 Zum einen biete der Gewinn keinen konkreten Maßstab (bilanzrechtlicher oder kalkulatorischer Gewinn). Zum anderen bedeute Gewinn nichts anderes als eine technisch-rechnerische Größe des Bilanzrechenwerks, der im Übrigen nicht langfristig, sondern nur periodisch für ein Jahr ermittelt werde. Dem Vorstand seien damit auch Sozialleistungen nicht verwehrt, welche die kurzfristige Gewinnmaximierung tangieren würden, solange der Erwerbscharakter der Gesellschaft insgesamt nicht beeinträchtigt werde.1081 Eine Bindung des Leitungsermes-

1075 1076 1077 1078 1079 1080 1081

Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 35. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 66. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 66. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 72. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 73. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 74. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 74.

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sens des Vorstands an ein (moderates) Shareholder Value-Konzept, das sich nicht an kurzfristigen Anteilseignerinteressen orientiert, hält Spindler für zulässig.1082 b) Die Ansicht Fleischers Fleischer spricht sich für die Vorrangigkeit der Interessen der Anteilseigner gegenüber den Belangen der anderen Gruppen1083 sowie für ein moderates Shareholder Value-Konzept aus.1084 Fleischer zufolge stellt die Aktiengesellschaft eine „Veranstaltung der Aktionäre“ dar.1085 Dem Vorstand werde durch seine Bindung an den Gesellschaftszweck (§ 82 Abs. 2 AktG) ein renditeorientiertes Verwaltungshandeln abverlangt, soweit die Satzung nichts anderes vorsehe. Durch das KonTraG1086 habe das Aktiengesetz zudem „Einsprengsel“ wertorientierter Unternehmensführung sowie der Prinzipal-Agenten-Theorie erfahren. Diese „Rückkehr zur Gesellschafterorientierung“ führe indes nicht dazu, dass andere Belange gänzlich unberücksichtigt blieben.1087 Zum einen trügen zahlreiche Vorschriften außerhalb des Aktienrechts zur Wahrung der Interessen von Arbeitnehmern, Gläubigern, Verbrauchern und der Allgemeinheit bei. Deren Einhaltung sei dem Vorstand „heteronom“ vorgegeben. Zum anderen werde er auf die „Partizipationsbedingungen“ der jeweiligen Gruppen eingehen müssen, um sich deren Mitwirken für die Zukunft zu sichern. Zuletzt dürfe der Vorstand Interessen über den (markt-)gesetzlichen Mindestrahmen hinaus berücksichtigen, soweit er dadurch einer gesellschaftlichen Erwartung entspreche und den Ruf der Gesellschaft als good corporate citizen pflege.1088 Auch das von ihm bevorzugte moderate Shareholder Value-Konzept lasse Raum für unternehmerische Entscheidungen, mit denen die Interessen von Nichtaktionären gefördert würden, sofern sie im wohlverstandenen Aktionärsinteresse lägen.1089 c) Die Ansicht Seibts Auch Seibt spricht sich für ein moderates Shareholder Value-Konzept als Leitmaxime aus.1090 Ihm zufolge ergibt die „normative Durchmusterung des Aktienrechts (…) einen Gewichtsvorsprung der Aktionärsinteressen vor den Belangen anderer 1082

Siehe MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 78, 80. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 37; siehe im Folgenden auch ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 30 f. 1084 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 38. 1085 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 37. 1086 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 1087 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 38. 1088 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 38. 1089 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 44; siehe auch ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 35. 1090 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23. 1083

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Anspruchs- und Interessengruppengruppen.“1091 Der Unternehmensbetrieb in der Rechtsform der AG sei zuvörderst eine „Veranstaltung der Aktionäre“.1092 Entsprechend seiner Bindung an den Gesellschaftszweck (§ 82 Abs. 2 AktG) sei der Vorstand zu einem nachhaltig renditeorientierten Verwaltungshandeln verpflichtet, soweit die Satzung nichts anderes vorsehe.1093 Diese Zielvorgabe spiegele sich auch in § 91 Abs. 2 AktG wider. Zudem hinge der Unternehmensbestand eben von der langfristigen Rentabilität ab. Die Wahrung von Belangen von Arbeitnehmern, Verbrauchern und der Allgemeinheit sei hingegen durch die Vorschriften außerhalb des Aktienrechts heteronom vorgegeben. Trotz des Gewichtungsvorsprungs zu Gunsten der Aktionärsinteressen sei es dem Vorstand aber gestattet, andere Stakeholder-Interessen und auch das „allgemeine Ziel der Förderung der Unternehmensreputation“ sowie in diesem Rahmen das Ziel eines „ethischen Wertemanagements“ über den (markt-)gesetzlichen Mindestrahmen hinaus zu berücksichtigen, soweit er dadurch einer gesellschaftlichen Erwartung entspreche und den Ruf der AG als good corporate citizen pflege, da bereits dies im wohlverstandenen Aktionärsinteresse liege.1094 Überdies rechtfertigten sich gemeinwohlbegünstigende Zuwendungen auf der Grundlage des von Seibt präferierten moderaten Shareholder Value-Ansatzes unter dem „auch empirisch belegbaren Gesichtspunkt, dass solche Mittelvergaben die soziale Akzeptanz der konkreten AG und damit ihr wirtschaftliches Fortkommen verbessern (können).“1095 Bei der Frage, welchen Aufwand er für welche Zwecke betreibe, auf welchen Gewinn er aus außerwirtschaftlichen Gründen verzichte und für welche mitunter sozialen Ziele er Mittel der Gesellschaft einsetze, habe der Vorstand einen weiten Ermessensspielraum. Die Höhe der unentgeltlichen Zuwendung dürfe aber insgesamt nicht den Rahmen dessen überschreiten, „was nach Größe und Außenbedeutung, finanzieller Ausstattung und wirtschaftlicher Situation der AG sowie ihrer strategischen Ziele (…), dem Branchenumfeld des Unternehmens, dem Grad der Akzeptanz der Unternehmensaktivitäten in der Allgemeinheit und der Nähe des unterstützten Zwecks zum Unternehmensgegenstand als angemessen angesehen werden kann.“1096 d) Die Ansicht Webers Laut Weber ist der Maßstab für die Ausübung der Leitungsaufgabe das Gesellschaftsinteresse, das identisch mit den gebündelten Interessen der Aktionäre ist.1097 Im primären Interesse aller Aktionäre einer erwerbswirtschaftlich tätigen AG läge 1091

Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23. Im Anschluss u. a. an Fleischer; siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 3. b) sowie Fn. 1085. 1093 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23. 1094 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23; in diesem Sinne bereits Fleischer; siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 3. b) sowie Fn. 1088. 1095 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 24. 1096 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 24. 1097 Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19. 1092

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die Sicherung der dauerhaften Rentabilität und damit des Bestandes des Unternehmens. Der Vorstand habe deshalb vorrangig das erwerbswirtschaftliche Interesse der Gesellschaft zu wahren und sei folglich, vorbehaltlich anderslautender Satzungsregelungen, dem Ziel der dauerhaften Rentabilität und des Bestandes des Unternehmens verpflichtet. Indes sei der Vorstand nicht verpflichtet, eine Gewinnmaximierung oder gar eine möglichst hohe Ausschüttung zugunsten der Anteilseigner anzustreben.1098 Vielmehr könne es im wohlverstandenen (langfristigen) Interesse der Gesellschaft liegen, auf (kurzfristige) Gewinne zu verzichten, um Rentabilität dauerhaft zu gewährleisten. Ferner spricht sich Weber dafür aus, im Konfliktfall die Aktionärsinteressen, vorbehaltlich anderslautender statutarischer Regelungen, vorrangig im Sinne eines moderaten Shareholder Value-Konzepts zu beachten.1099 Ferner sei der Vorstand nicht berechtigt, Maßnahmen zu verfolgen, welche nicht wenigstens indirekt der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung der Gesellschaft dienten.1100 Entscheidend seien dabei die erwartbaren positiven Auswirkungen auf das wirtschaftliche Fortkommen der Gesellschaft. 4. Zwischenergebnis zu 2. und 3. Gegen den Stakeholder-Ansatz wird im Allgemeinen vorgebracht, dass er mehrdeutige Zielvorgaben mache, folglich eine geringe Steuerungswirkung entfalte und dadurch zur Rechtfertigungsformel für ein nahezu beliebiges Vorstandshandeln werde.1101 Ein anderer Aspekt, der gegen diesen unternehmensrechtlichen Ansatz streitet, beruht auf dem Gedanken der Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Management (Prinzipal) und den Anteilseignern (Agenten). Der Vorstand ist als Treuhänder fremder Interessen gehalten, die ihm vorgegebene Zielvorstellung seiner Auftraggeber zu verfolgen.1102 Gibt es nun unterschiedliche Auftraggeber mit unterschiedlichen Zielfunktionen, weil der Vorstand verschiedenen Personengruppen mit heterogenen Interessen gleichermaßen verpflichtet ist, erweist sich diese „Maximierung der Zielfunktion“ zumindest dann als unerreichbar, sofern sich die beiden Zielgrößen in ihrem Erfüllungsgrad gegenseitig negativ beeinflussen.1103 Durch die 1098

Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19. Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 22. 1100 Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 31. 1101 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 34. „Ein Diener vieler Herren ist am Ende aller ledig und niemandem mehr verantwortlich“, Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 34; ders., AG 2001, 171 (177). Dahingehend auch MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 68; Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (460 f.); Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1044): „Sie gibt Raum, alles mögliche zu tun“. 1102 Kuhner, ZGR 2004, 244 (253). 1103 Kuhner, ZGR 2004, 244 (253 f.). Ein Beispiel hierfür ist etwa die Entscheidung der Unternehmensleitung, zur Gewinnsteigerung in einem nichtprofitablen Unternehmensbereich zu desinvestieren. Dies steht den Interessen der Arbeitnehmer an der Sicherheit ihrer Arbeitsplätze entgegen. An diesem Konflikt zeigt sich bereits das Dilemma bei der Verfolgung von nur zwei Interessen. 1099

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Vielzahl und die unterschiedliche Ausrichtung der Interessen, die in das Unternehmensinteresse einfließen, hat die Bindung an diese Interessen betriebswirtschaftlich nur eine geringe Steuerungsfunktion.1104 Mehrdeutige Zielvorgaben sind infolgedessen problematisch. Sie begünstigen missbräuchliches Handeln der Unternehmensleitung, denn anhand des Unternehmensinteresses lässt sich vieles rechtfertigen, obwohl es den Interessen der Anteilseigner und der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmung zuwiderläuft.1105 Erhalten Vorstand und Aufsichtsrat einen sehr viel weiteren diskretionären Entscheidungsspielraum, ist es somit schwieriger, ihre Entscheidungen als fehlerhaft anzugreifen und sie dafür verantwortlich zu machen.1106 Dies vermag in letzter Konsequenz zu einer Entwertung der Sorgfaltspflichten und zu einer Aushöhlung des Haftungsregimes der §§ 93, 116 AktG zu führen. Richtigerweise betont Wiedemann in diesem Zusammenhang, dass insbesondere eine Gemeinwohlverantwortlichkeit zur Auflösung des gesellschaftsrechtlichen Pflichten- und Haftungssystems führe.1107 Die Geschäftsleitung sei mit der treuhänderischen Wahrnehmung fremden Vermögens betraut. Lege man dies beiseite, so werde sich für beinahe jedes Verhalten eine plausible Begründung finden lassen. Die Behauptung Korts, ein Verstoß gegen das „Gebot interessenpluralistischer Unternehmensführung“ könne sogar zu einer Schadensersatzpflicht aus § 93 AktG führen, lässt sich hingegen nur schwerlich begründen, wenn man bedenkt, dass jeglicher Interessenpluralismus bis heute keine gesetzliche Verankerung erfahren hat und allein ein schillerndes Konstrukt der Rechtslehre ist. Selbst der Kreis der in Betracht kommenden Interessen ist unsicher und umstritten.1108 Zudem bedingt ein strenger Stakeholder-Ansatz steigende Unternehmensfinanzierungskosten, weil er Vermögensverteilungen zu Lasten der Aktionäre erlaubt.1109 Ferner ist an der Mehrzahl der dargestellten Ansätze problematisch, dass die dort postulierte Ausrichtung auf die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens unklar ist. Handelt es sich dabei um eine abgemilderte Form des Gewinnziels, bleibt offen, wie groß die Einschränkung sein soll.1110 Der Begriff der Rentabilität ist angesichts seiner Interpretationsbedürftigkeit vage und bietet keine hinreichend operable Zielfunktion.1111 Unverständlich ist auch die Ablehnung der Zielverpflichtung auf einen möglichst hohen (so Mertens und Cahn, Kort) oder maximalen Gewinn (so Koch, Spindler und Weber), konnte doch hier nachgewiesen werden, dass die Konkreti1104

Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 121; vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (255). Vgl. Kuhner, ZGR 2004, 244 (255). 1106 Vgl. Hopt, ZHR 175 (2011), 444 (477); ähnlich v. Bonin, Leitung, S. 113 f. 1107 Wiedemann, ZGR 1980, 147 (163). 1108 So Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (460). 1109 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 34. 1110 So v. Bonin, Leitung, S. 114. 1111 Rentabilität kann mitunter als (Gesamt-)Kapitalrentabilität, Eigenkapitalrentabilität, Umsatzrentabilität, Betriebsrentabilität, ferner sogar als Gewinn je Aktie, Dividendenrendite oder Aktienrendite gedeutet werden, vgl. Küting, DStR 1992, S. 265 ff. 1105

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sierung des verbandsrechtlichen Gewinnerzielungspostulats im Sinne einer Maximierungsvorschrift eine operable Zielgröße darstellt. Ebenso unbegründet ist die pauschale Ablehnung einer – zumindest angepassten – Shareholder Value-Orientierung (Mertens und Cahn, Kort, dahingehend auch Koch). Hier verdienen die vermittelnden Ansichten den Vorzug, auch wenn sie nicht genau darlegen, auf welche Weise der Shareholder Value-Ansatz zu modifizieren ist. Die Absage an eine besondere Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen seitens Korts verkennt, dass es jenseits von zwingenden arbeitnehmerschützenden Normen ein weites Feld von Bereichen gibt, in denen Mitarbeiter je nach dem Ermessen des Arbeitgebers positive wie negative Verhaltensanreize erfahren können. Zu denken ist hierbei an Vergütung, betriebliche Altersvorsorge, Arbeitsplatz- und Arbeitstätigkeitsausgestaltung oder Fortbildungsprogramme. Erst die Effektuierung solcher Belange von Unternehmensbeteiligten wird dem Verständnis des Unternehmens als Knotenpunkt und Netzwerk vieler beteiligter Akteure, in diesem Beispiel von Arbeitnehmern, gerecht. Notwendig ist natürlich stets, dass diese Maßnahmen der Verwirklichung des Verbandszwecks dienen. Der Verweis Korts auf die betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung überzeugt an dieser Stelle indes nicht. Daher spricht in diesem Punkt mehr für den Ansatz von Mertens und Cahn, welche besonderes Augenmerk auf die Mitarbeiter sowie deren angemessene Entlohnung und die Ausgestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen legen. Konzeptionell zutreffend ist dann auch die Beschreibung Spindlers, der zwischen dem (interessenmonistischen) Verband und dem hiervon getragenen Unternehmen als interessenpluralistischen Organismus trennt. Zu kurz greift indes der Einwand Ulmers in diesem Zusammenhang, dass gegen die Verbindlichkeit der Interessen sämtlicher Stakeholder im Rahmen der Leitungsbefugnis streite, dass der Gesetzgeber der Berücksichtigung dieser Belange außerhalb des Aktienrechts, etwa im Rahmen des kollektiven Arbeitsrechts, d. h. durch die Betriebsverfassung und das Tarifrecht, Rechnung trage und – angesichts der primären Funktion des Aktienrechts als Organisationsrecht der AG in ihrer Rolle als Unternehmensträger – eine Inkorporierung dieser Interessen in das AktG wenig systemkonform erscheine.1112 Die besondere Berücksichtigung solcher Belange ist verbandsrechtlich zwar nicht verbindlich, sie wird aber, je nach Lage der Umstände, unternehmerisch zweckdienlich sein. Befördert dies den Erfolg der Aktiengesellschaft, darf die Unternehmensführung von der Beachtung dieser Interessen nicht absehen. Kritisch ist das Ziel der Bestandserhaltung (so insbesondere Kort, Koch, Spindler und Weber) zu betrachten. Dieses lässt sich zum einen nicht mit dem elementaren Recht der Anteilseigner vereinbaren, welche die Gesellschaft und das in ihr gebundenen Kapital jederzeit auflösen dürfen (vgl. §§ 119 Abs. 2 Nr. 8, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG).1113 Das uneingeschränkte Postulat der Bestandserhaltung hätte außerdem zur Folge, dass die Veräußerung von Betriebsteilen und Tochtergesellschaften 1112 1113

Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (158). v. Bonin, Leitung, S. 114.

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sowie die Aufgabe bestimmter verlustreicher Geschäftsbereiche unmöglich würden. Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ist die Zielvorgabe des Fortbestandes einer konkreten Faktorkombination innerhalb einer konkreten institutionellen Ausprägung also zweifelhaft.1114 Eine strenge Pflicht zur Bestandserhaltung kann folglich nicht anerkannt werden.1115 Eine Übernahme – damit verbunden das potenzielle Ende des Bestands des Unternehmens in seiner bisherigen Form – kann sogar von Vorteil für die Gesellschaft und ihre Aktionäre sein, insbesondere wenn sich das Unternehmen in der Krise befindet und nur so gerettet werden kann. Regelmäßig nimmt die kombinierte Börsenkapitalisierung von Bieter- und Zielgesellschaft nach Bekanntgabe eines Übernahmeangebots sogar zu und sorgt für die Mehrung von Kapital.1116 Dynamische Wirtschaften folgen stets dem Imperativ des „wachse und weiche“, deshalb kann Bestandserhaltung für sich keine ökonomische Wertvorstellung sein. Notwendige Voraussetzung für die innovative Neukombination von Ressourcen ist deren Abzug aus nicht mehr wettbewerbsfähigen Wirtschaftseinheiten. Zustimmung verdient allerdings die Aussage Webers, dass dem Vorstand solche Maßnahmen untersagt seien, die nicht wenigstens indirekt der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung dienten, und gleichermaßen die Aussage Korts, dass – in diesem Fall gemeinwohlbezogene – Maßnahmen nur zulässig seien, sofern sie die erwerbswirtschaftliche Zielsetzung der Gesellschaft beförderten. Hingegen droht die von Mertens und Cahn gezogene Grenze, welche diese nur beim Betreiben von Misswirtschaft oder der Gefährdung der Rentabilität des Unternehmens überschritten sehen, unbestimmt und letztlich zu weitläufig zu sein. Die Betonung Korts, das Unternehmensinteresse sei auf die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts ausgerichtet, verdient, wie dargestellt wurde, aus verbandsrechtlicher Perspektive Zustimmung.

F. Stellungnahme und eigener Ansatz Nach einer Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse wird im folgenden Abschnitt ein eigener Ansatz zur dogmatischen Rechtfertigung und inhaltlichen Ausformung einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime für alle Gesellschaftsorgane, damit auch für den Aufsichtsrat, vorgestellt und begründet. I. Bewertung der bisherigen Ansätze in der Literatur Im Ergebnis bietet der Begriff des „Unternehmensinteresses“ keinen verlässlichen und konturierten Handlungsmaßstab. Er kann nur als sprachliche Abkürzung 1114 1115 1116

So zu Recht Kuhner, ZGR 2004, 244 (253). So auch v. Bonin, Leitung, S. 115. Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1047 f.).

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aufgefasst werden1117 und ist eine, je nach Lage der Dinge, beliebig interpretierbare und für Willkür anfällige Worthülse, welche Leitungsorganen widrigenfalls Rechtfertigungsansätze für die einseitige Besserstellung gesellschaftsfremder Interesse bietet.1118 Die Aussage Mülberts, dass „die Figur des Unternehmensinteresses im geltenden Recht trotz breiter gegenteiliger Rhetorik ohne rechtliche Legitimation bleibt“1119, verdient abermals uneingeschränkte Zustimmung.1120 Die dargestellten Auffassungen zur inhaltlichen Ausformung des Unternehmensinteresses mögen im Einzelfall aus unternehmenspraktischer Sicht zu zweckmäßigen Entscheidungen führen, sie finden aber in der lex lata keine Rechtfertigung und Grundlage. Ausschließlich der Verbandszweck der Gewinnerzielung bzw. -maximierung – im Sinne der hier vertretenen Eigenkapitalwertmaximierung – lässt sich anhand der Normen des AktG und ihrer Wertungen belegen. Für eine bindende Verhaltensmaxime muss sich aber zumindest ein Begründungsansatz im geltenden Recht finden lassen, denn ein überzeugendes Konzept kann ohne dogmatische Verankerung nicht auskommen. Dabei müssen keinesfalls die bisherigen Erkenntnisse, beispielsweise über die Zweckmäßigkeit einer prädestinierten Berücksichtigung einzelner StakeholderGruppen und über das Verständnis eines Unternehmens als wirtschaftlicher Knotenpunkt einer Vielzahl von Akteuren, unbeachtet bleiben. M. a. W. darf über die faktische Interessenpluralität in der Aktiengesellschaft nicht hinweggesehen werden. Dabei spricht auch einiges dafür, sich von dem Begriff „Unternehmensinteresse“ zu lösen und stattdessen auf einen unverfänglicheren und unbelasteten Terminus wie „Leitmaxime“1121 zurückzugreifen, wie er seit jeher gebräuchlich und anerkannt ist.1122 Dieser steht dann – vorausgesetzt es lässt sich eine Begründung am Aktienrecht festmachen – nicht im antithetischen Verhältnis zum tradierten und dogmatisch verankerten verbandsrechtlichen Ansatz im Sinne eines Gesellschaftsinteresses, sondern dient als dessen moderne Fortführung und Ergänzung. Dies steht keinesfalls im Widerspruch zur Judikatur des BGH, in der wahlweise von Unternehmens- oder Gesellschaftsinteresse die Rede ist.1123 Der BGH hat sich in diesem Bereich nicht festgelegt. Ferner kann, wie bereits angesprochen, nur eine aktienrechtlich verankerte Leitmaxime bindenden Charakter haben. Richtigerweise ist bislang die Frage nach 1117

Dahingehend auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 28; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 36; Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 23. Dem entspricht es, wenn Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (127) das Unternehmensinteresse als einen „nur als Abbreviatur brauchbaren (…) Begriff“ bezeichnet; so auch Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23. 1118 Ähnlich Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 86. 1119 Mülbert, AG 2009, 766 (772); siehe oben Fn. 537. 1120 Dahingehend auch Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (461). 1121 Oder alternativ „Leitungsmaxime“. 1122 Siehe MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 76; v. Werder, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 111 (zur Präambel); ders., Der Konzern 2015, S. 362 ff.; Kuhner, ZGR 2004, S. 244 ff.; Henze, BB 2000, 209 (212 ff.). 1123 Siehe 1. Kapitel § 4.

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verbindlichen aktienrechtlichen Vorgaben, sei es im Hinblick auf eine Stakeholderoder Shareholder Value-Orientierung, zu verneinen gewesen.1124 Insofern konnte die Hinwendung zur Stakeholder- oder Shareholder Value-Orientierung nur aufgrund des freien unternehmerischen Ermessens der Leitungsorgane erfolgen. Verpflichtet waren sie hierzu indes nicht.1125 Auch die statutarische Festschreibung einer bestimmten Managementstrategie und ebenso deren Ausschluss wird man als unzulässige Abweichung von §§ 23 Abs. 5, 76 Abs. 1 AktG und als Widerspruch zum grundlegenden verbandsrechtlichen Strukturprinzip des Aktiengesetzes ablehnen müssen.1126 Die Formulierung und Auswahl der Managementstrategien zur Verfolgung des Verbandszwecks fallen in die satzungsfeste Kompetenz des Vorstands.1127 Überdies können solche Satzungsvorschriften der AG insofern gefährlich werden, als sie die Freiheit des Vorstands einschränken, im Einzelfall für die Gesellschaft angepasste und günstige Lösungen anzustreben.1128 Erkennt man ferner an, dass insbesondere der Shareholder ValueAnsatz mit dem Verbandsrecht nicht vollends kompatibel ist, sorgt die bindende statutarische Festschreibung dieses Ansatzes in seiner unveränderten Form (der sich also nicht nur auf die Festlegung der Maximierung des Unternehmenswerts bzw. Eigenkapitalwerts beschränkt, was nach dem hier vertretenen Ansatz die zutreffende Konkretisierung des verbandsrechtlichen Gewinnerzielungs- bzw. Gewinnmaximierungsziels ist1129) für Widersprüche im Pflichtenprogramm der Unternehmensleitung, die vorrangig an den tradierten Verbandszweck gebunden ist.1130 Darüber sollte eine leistungsfähige Leitmaxime nicht nur bindenden Charakter haben, sondern ihre inhaltliche Umschreibung allgemeingültig genug gefasst sein, um generalklauselartigen Charakter aufzuweisen. Die konkrete Ausgestaltung der 1124 So zu Recht Ulmer, AcP 202 (2002), 143 (158 f.); ebenso gegen eine bindende, aber für eine nach dem Ermessen des Vorstands optionale Ausrichtung auf den Shareholder ValueAnsatz, Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (438). 1125 Streng genommen könnte man sogar annehmen, dass selbst die optionale, nicht bindende und auf freier Entscheidung der Unternehmensleitung beruhende interessenpluralistische Ausrichtung der erwerbswirtschaftlichen Aktiengesellschaft eine Einschränkung des Gewinnerzielungspostulats zulasten der Gesellschaft und ihrer Aktionäre darstellt und als solche einer gesetzlichen oder statutarischen Rechtfertigung bedarf. Dies wird allerdings, soweit erkennbar, nicht vertreten. 1126 Vgl. hierzu zum Beispiel des Shareholder Value-Ansatzes Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 65; Birke, Formalziel, S. 219 f.; Mülbert, ZGR 1997, 129 (164); ferner Schön, ZGR 1996, 429 (442 f.); Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 10; wohl auch KK/Mertens/ Cahn, Vorb. § 76 Rn. 14. A. A. Mülbert, in: Crezelius/Hirte/Vieweg, FS Röhricht, 421 (440); Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (540 ff.). 1127 So zu Recht Mülbert, ZGR 1997, 129 (164); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 65; v. Bonin, Leitung, S. 157, 159; ferner Birke, Formalziel, S. 219 f. 1128 Dahingehend zu Recht KK/Mertens/Cahn, Vorb. § 76 Rn. 10. 1129 Für die Zulässigkeit solcher Festsetzungen daher v. Bonin, Leitung, S. 158; Birke, Formalziel, S. 219 f. 1130 Vgl. dahingehend auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (165). A. A. Schmidt/Spindler, in: Assmann u. a., FG Kübler, 515 (541).

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Geschäftsleitungstätigkeit im Sinne des Tagesgeschäfts ist allein Sache des Vorstands, deren korrekte Ausführung wiederum Gegenstand der Kontrolle durch den Aufsichtsrat. II. Eigener Ansatz zur Herleitung und Bestimmung einer aktienrechtlichen Leitmaxime Seit Inkrafttreten des VorstAG1131 im Jahr 2009 enthält das AktG in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG einen weiteren1132 Hinweis für die Leitung der Aktiengesellschaft.1133 § 87 Abs. 1 S. 2 AktG wurde jüngst durch das ARUG II1134 novelliert. Zu klären ist, ob sich aus dieser Vorschrift Hinweise für eine aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime de lege lata gewinnen lassen. 1. Inhalt des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG Nach § 87 Abs. 1 S. 2 AktG ist die Vergütungsstruktur bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.1135 Ferner konkretisiert § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG den Nachhaltigkeitsbegriff1136 des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG in Bezug auf variable Vergütungsbe1131

Siehe oben Einführung, Fn. 32. Zu § 93 Abs. 1 S. 2 sowie §§ 111 Abs. 3 S. 1 und 121 Abs. 1 Var. 3 AktG siehe bereits 1. Kapitel § 5 D. VIII sowie Fn. 533. 1133 Dies ablehnend hingegen Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (474). 1134 Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) v. 12.12.2019, BGBl. I Nr. 50 S. 2637; im Folgenden als ARUG II bezeichnet. 1135 Adressat dieser Verpflichtung zur entsprechenden Ausgestaltung der Vergütungsstruktur ist allein der Aufsichtsrat, so zu Recht Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 10. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich aus § 87 Abs. 1 S. 2 AktG eine Leitmaxime ableiten lässt, die Verpflichtungen für den Vorstand sowie den Aufsichtsrat bedingt. Kritisch auch MünchHdbGesR/Wiesner, § 21 Rn. 46: „Bei der Festlegung von Zielvorgaben im Rahmen des Vergütungssystems darf die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft nicht aus dem Auge verloren werden. In die autonome Leitungsbefugnis des Vorstands und seine daraus folgende Weisungsunabhängigkeit darf nicht mittelbar durch Vergütungsregelungen eingegriffen werden, oder anders formuliert: die Vergütungsregelungen haben die Leitungs- und Geschäftsführungsautonomie des Vorstands zu berücksichtigen.“ Der DCGK beinhaltet in Ziff. 4.2.3 Abs. 2 S. 1 ebenfalls das Gebot, die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Ziff. 5.4.6 Abs. 2 S. 2 DCGK verlangt auch im Falle einer erfolgsorientierten Vergütung für die Mitglieder des Aufsichtsrats, dass diese auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichtet ist. Vgl. hierzu etwa Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 990 f. (zu Ziff. 4.2.3 DCGK). 1136 Der Begriff „Nachhaltigkeit“ hat seinen Ursprung in der Forstwirtschaft. Er wird dem deutschen Oberbergmann und Forst-Ökonomen Hannß Carl v. Carlowitz (1645 – 1714) zugeschrieben, der 1713 die „nachhaltende Nutzung“ von Wäldern forderte, weil er die Gefahr erkannte, dass mehr Holz geschlagen werde, als nachwachsen könnte, siehe v. Carlowitz, Sylvicultura oeconomica, S. 105 f.; vgl. Paetzmann, ZCG 2016, S. 279; Wagner, AG 2010, 774 (776) Fn. 23. „Nachhaltigkeit“ fand bisher vor allem im Steuerrecht und Umweltrecht An1132

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standteile dahingehend, dass eine mehrjährige Bemessungsgrundlage vereinbart werden soll.1137 a) Regelungsgehalt des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. Nach Inkrafttreten des VorstAG bis zur Novellierung durch das ARUG II war gemäß § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. die Vergütungsstruktur des Vorstands bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten.1138 Laut der Begründung der damaligen Koalitionsfraktionen zu § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. war es vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise Ziel des VorstAG gewesen, die Anreize in der Vergütungsstruktur „in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken“ und ferner, dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des Vorstands dafür zu sorgen hat, dass dem Vorstand gegenüber „Verhaltensanreize zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung gesetzt werden.“1139 In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum VorstAG hieß es ferner, „der Nachhaltigkeitsgedanke sollte grundsätzlich auch von nichtbörsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden.“ Das Nachhaltigkeitsgebot des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. erforderte dabei eine Orientierung der Vergütungsstruktur an einem dauerhaften, periodenübergreifenden Unternehmenserfolg, in Abgrenzung zu einer stichtagsbezogenen Betrachtung einzelner Leistungskennzahlen und Erfolgsparameter.1140 Es geht um das Ziel einer langfristigen Bestands- und Ertragssicherung der Gesellschaft.1141 Diese Investitionen müssen nicht zwingend jene mit dem höchsten Kapitalwert sein.1142 Eine bestimmte Corporate Social Responsibility-

wendung, vgl. Thüsing/Forst, GWR 2010, S. 515; ferner Wagner, AG 2010, 774 (776 f.); Kling, DZWIR 2010, 221 (227). Erst seit Inkrafttreten des VorstAG (siehe oben Einführung, Fn. 32) kommt „Nachhaltigkeit“ auch im Aktienrecht vor. Kritisch zu diesem Begriff, Marsch-Barner, ZHR 175 (2011), S. 737. 1137 Wilsing/Paul, GWR 2010, S. 363; vgl. Röttgen/Kluge, NJW 2013, S. 900; ferner Marsch-Barner, ZHR 175 (2011), 737 (739). An dieser Stelle entzündet sich ein Streit, ob sich das Nachhaltigkeitsgebot des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG allein in der Berücksichtigung der Langfristigkeit bei variablen Vergütungsbestandteilen erschöpft, vgl. die Nachweise bei Velte, NZG 2016, 294 (296). 1138 § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. lautete: „Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten.“ Das ARUG II ersetzte die Wörter „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ durch „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“. 1139 Begr. Fraktionsentwurf CDU/CSU und SPD v. 17.3.2009, BT-Drs. 16/12278, S. 1 und ferner S. 5; vgl. auch Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 30. 1140 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 12; Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 11; Hölters/ Weber, AktG, § 87 Rn. 30. 1141 So Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 118. 1142 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 27. Zum Verbandszweck der Eigenkapitalwertmaximierung siehe 1. Kapitel § 5 E. II. 1. b) ee) (4).

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Ausrichtung war i. R. d. § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. nicht erforderlich.1143 Die Norm sollte vordergründig vor allem ein Problem beherrschbar machen, das auch als „Zeitpräferenzkonflikt“ bezeichnet wird.1144 Denn am Unternehmensgewinn beteiligte Vorstandsmitglieder haben aus verschiedenen persönlichen Gründen (unterschiedliche Erfolgsmotivation zu Beginn und Ende des Anstellungsvertrags, bevorstehender Unternehmenswechsel oder Ruhestand) ein hohes Maß an Gegenwartspräferenz und ziehen daher Investitionsobjekte mit kurzfristig hohen Einzahlungsüberschüssen vor.1145 Vor diesem Hintergrund bezweckte § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. die Vereinbarung von vergütungsbedingten Verhaltensanreizen mit langfristig ertragssteigernder Wirkung.1146 Der Blick sollte auf Zukunftsinvestitionen gelenkt werden, etwa im Bereich von Forschung und Entwicklung sowie der Personalentwicklung, die sich nicht unmittelbar, sondern erst im Laufe der Zeit auf das Unternehmensergebnis auswirken, aber dadurch langfristig und dauerhaft zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen können.1147 Die Frage nach der Nachhaltigkeit der Unternehmensentwicklung kann dabei nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern ist von der Ausrichtung und der Strategie des jeweiligen Unternehmens abhängig.1148 Vor dem Hintergrund der Lehren, die man vermeintlich aus der Finanzmarktkrise gezogen hatte, diente § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. gleichermaßen der Unterbindung von Vergütungsstrukturen, welche Anreize zur Verfolgung kurzfristiger Ziele mit der Folge einer langfristig nicht dem Unternehmenswohl dienenden Entwicklung schaffen („Strohfeuer“)1149 und welche zum Eingehen unverantwortlicher und bestandsgefährdender Risiken verleiten und den langfristigen Unternehmenserfolg ausblenden1150. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass Nachhaltigkeit hier ausschließlich im zeitlichen Sinne, d. h. als langfristig zu verstehen war.1151 Umgekehrt war es weitgehend einhellige Meinung zu § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F., dass „Nachhaltigkeit“ im Rahmen der Vergütungsanforderungen des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. nicht als Sustainable Development missverstanden werden durfte, also im Sinne einer allgemeinen nachhaltigen und sozialen Entwicklung sowie ökologischen Ausrichtung des Unternehmens oder im Sinne einer besonderen Berücksichtigung 1143

Siehe Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 12. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 27; ders., NZG 2009, 801 (802). 1145 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 27; ders., NZG 2009, 801 (802). 1146 Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 122. 1147 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 27; MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 79; Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 30; Fleischer, NZG 2009, 801 (803). 1148 Vgl. Dauner-Lieb/v. Preen/Simon, DB 2010, 377 (379). 1149 Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 121; vgl. auch Wagner, AG 2010, 774 (776). 1150 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 28; MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 80; Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 30; MünchHdbGesR/Wiesner, § 21 Rn. 45; Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 122; Thüsing/Forst, GWR 2010, 515 (516); Dauner-Lieb/v. Preen/ Simon, DB 2010, 377 (379); Fleischer, NZG 2009, 801 (803). 1151 Siehe MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 79; Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 120. 1144

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der Belange künftiger Generationen.1152 Insofern verbot sich auch der Rückgriff auf die Nachhaltigkeitsdiskussionen seit den 1970er Jahren, welche insbesondere durch den Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums sowie später durch die von den Vereinten Nationen eingesetzte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (sog. Brundtland-Kommission) und die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 in Rio de Janeiro beeinflusst worden sind.1153, 1154 1152 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 27; MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 79; vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 11; Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 123. Fleischer, NZG 2009, 801 (802); Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (452). Für ein Verständnis der Nachhaltigkeit im Sinne eines Sustainable Developments hingegen Röttgen/Kluge, NJW 2013, S. 900 ff.; ähnlich Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (611). 1153 Vgl. Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (610 f.); Wieland, ZUR 2016, S. 473; Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 (449 f.). Während anfänglich die Debatten noch um die Überbeanspruchung nicht-regenerativer Umweltressourcen durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum kreisten, wurde der Blick später zunehmend auf das Problem der Generationengerechtigkeit gerichtet. Inzwischen hat sich das auch als tripple bottom line (planet – people – profit) bezeichnete Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit etabliert, das zwischen der ökologischen, der sozialen und der ökonomischen Nachhaltigkeit differenziert; siehe hierzu m. w. N. Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (610 f.). Schon seit dem Jahr 2011 liegt der rechtlich unverbindliche Deutsche Nachhaltigkeitskodex (abrufbar unter: https://www.deutscher-nachhaltig keitskodex.de/fileadmin/user_upload/dnk/dok/kodex/DNK_Broschuere_2017.pdf) vor und erweitert den Begriff der Nachhaltigkeit auf Umwelt- und Klimafragen sowie Aspekte wie Arbeitnehmer- und Menschenrechte etc., siehe hierzu Hecker/Peters, NZG 2012, S. 55 ff.; Kort, NZG 2012, 926 (928 f.). 1154 Als hochrangiges Ziel der EU ist die nachhaltige Entwicklung in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV niedergelegt und nimmt damit erkennbar Bezug auf das Konzept des Sustainable Developments. Konkrete Schlüsse über die Inbezugnahme vor allem umweltpolitischer Ziele hinaus lassen sich hieraus aber nicht ableiten, so Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 3 EUV, Rn. 23. Eine Bekräftigung der Wahrung von Stakeholder-Belangen könnte der Nachhaltigkeitsbegriff in Zukunft durch eine europäische Richtlinie erfahren, vgl. Velte, NZG 2016, 294 (295). Das Europäische Parlament hat am 8.7.2015 einen Vorschlag v. 9.4.2014 zur Änderung der bestehenden Richtlinien 2007/36/EG und 2013/34/EU (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ internal_market/company/docs/modern/cgp/shrd/140409-shrd_de.pdf) mit Änderungen angenommen (abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// NONSGML+TA+P8-TA-2015-0257+0+DOC+PDF+V0//DE ). Nach Maßgabe der geänderten Fassung des Richtlinienvorschlags sollen nunmehr die Leistungen von Mitgliedern der Unternehmensleitung anhand finanzieller und nichtfinanzieller Kriterien unter Einschluss von ökologischen und sozialen Faktoren und Aspekten der Unternehmensführung bewertet werden. Stärker in Richtung des Drei-Säulen-Modell rückt dagegen die „EU-CSR-Richtlinie“ (2014/95/ EU) v. 22.10.2014. Die Richtlinie bezweckt die Aufnahme ökologischer und gesellschaftlicher Aspekte betrieblichen Handelns in die Unternehmensberichterstattung, insbesondere von nichtfinanziellen Aspekten der Geschäftstätigkeit, Kumm/Woodtli, Der Konzern 2016, S. 218. Ziel dieser Richtlinie ist es nicht zuletzt, Unternehmen zu ermutigen, in ihrem Tagesgeschäft verstärkt auch soziale oder ökologische Ziele zu verfolgen, Eufinger, EuZW 2015, 424 (425). Unternehmen, welche dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen, müssen zukünftig in ihrem Lagebericht eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben, die Informationen über die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Gesellschaft beinhalten und sich dabei wenigstens auf Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltbelange sowie auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption beziehen, Eufinger, EuZW 2015, 424 (425); Schrader, ZUR 2013, 451 (455). Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht ist durch das Gesetz zur

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b) Novellierung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG durch das ARUG II Aufgrund der Änderungen am Wortlaut des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG1155 durch das ARUG II wird von einzelnen Literaturstimmen vertreten, dass sich die Vergütungsstruktur nun nicht mehr allein an einem langfristigen, wirtschaftlichen Unternehmenserfolg orientieren dürfe, sondern zwingend auch nichtfinanzielle Faktoren, wie etwa soziale und ökologische Ziele einbeziehen müsse.1156 Diese Ansicht stützt sich vor allem auf die Beschlussempfehlung und Begründung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, welcher mit der Doppelung der Begriffe „nachhaltig“ und „langfristig“ deutlich machen wollte, dass der Aufsichtsrat bei der Vergütungsfestsetzung auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen habe.1157 Die dem ARUG II zugrunde liegende Richtlinie enthält zudem den Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 18.4.2017 (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BGBl. I S. 802) erfolgt, durch das schwerpunktmäßig die §§ 289a ff. HGB n. F. ins Gesetz übernommen worden sind (zu den Änderungen vgl. Kumm/Woodtli, Der Konzern 2016, 218 (219 f.); Paetzmann, ZCG 2016, S. 279 ff. sowie Fleischer, AG 2017, 509 (521 f.). Normadressaten sind nach § 289b Abs. 1 S. 1 HGB solche Kapitalgesellschaften, welche die Voraussetzungen des § 267 Abs. 3 S. 1 HGB erfüllen, kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d HGB sind und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Für abhängige Konzerngesellschaften gelten die Befreiungen nach § 289b Abs. 2 HGB. Unter den Voraussetzungen des § 289b HGB n. F. haben die verpflichteten Unternehmen seither den Lagenbericht um eine nichtfinanzielle Erklärung mit dem in § 289c HGB n. F. Vorgeschriebenen zu ergänzen. Diese Erklärung muss sich nach § 289c Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 HGB n. F. auch auf Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen. Hommelhoff vertritt die Ansicht, dass die CSR-Berichtspflicht den Unternehmenszweck der betroffenen Gesellschaften und die Handlungspflichten der Unternehmensleitung ändere. Diese treffe künftig die Pflicht, die vorgegebenen nichtfinanziellen Unternehmensziele im Rahmen des unternehmerischen Ermessens mit dem Gewinnziel der Gesellschaft abwägend zum Ausgleich zu bringen. Das Handlungsprogramm solle über die Interessen der Shareholder hinaus auch auf die Stakeholder ausgerichtet werden (siehe Hommelhoff, NZG 2015, 1329 (1330); ders., in: Boemke/Lembke/Linck, FS Hoyningen-Huene, 137 (140 ff.); ders., in: Bork/Kayser/Kebekus, FS Kübler, 291 (295 f.). Schön, ZHR 180 (2016), 279 (288) vertritt hingegen die Ansicht, dass sich der Inhalt der §§ 76, 93 AktG durch ein harmonisiertes Bilanzrecht, welches Unternehmen aufgebe, für Zielsetzungen nichtfinanzieller Art eigene Konzepte zu entwickeln und zu begründen, nicht ändere. Dem ist zuzustimmen, denn durch die Hintertür des Bilanzrechts kann eine Änderung der aktienrechtlichen Leitmaxime nicht erfolgen. Trotz aller „Doppeldeutigkeiten und nudging-Tendenzen“ (so Fleischer, AG 2017, 509 (522)) bringen § 289a ff. HGB n. F. daher nur erweiterte Berichtspflichten für die betroffenen Unternehmen, die aktienrechtlichen materiellen Kernvorschriften der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG bleiben jedoch unangetastet. Handlungspflichten werden hierdurch also nicht begründet (so zu Recht auch Vetter, ZGR 2018, 338 (343)). 1155 Siehe oben Fn. 1138. 1156 So Velte, NZG 2020, 12 (13 f.); Florstedt, ZIP 2020, 1 (3); Walden, NZG 2020, 50 (57). 1157 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbrauchschutz zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 13.11.2019, BT-Drs. 19/15153, S. 55. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung sah nur die Ersetzung von „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ durch „langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ vor. Die Begründung der Bundesregierung (Begr. RegE v. 29.4.2019, BT-Drs. 19/9739, S. 72) lautete

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Erwägungsgrund, dass die Leistung von Mitgliedern der Unternehmensleitung anhand finanzieller und nichtfinanzieller Kriterien bewertet werden sollte, „gegebenenfalls einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Faktoren“.1158 Allerdings ist die Berücksichtigung nichtfinanzieller Aspekte nach dieser Richtlinie nicht verpflichtend, sondern wird nur empfohlen.1159 Richtigerweise hat sich allerdings durch das ARUG II am Regelungsgehalt des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG nichts geändert und „nachhaltig“ ist auch weiterhin nur zeitlich und im Sinne der bisherigen Auslegung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. zu verstehen.1160 Denn nach wie vor geht es bei § 87 Abs. 1 S. 2 AktG vorrangig um die Verhinderung von Vergütungsstrukturen, welche den Vorstand zum Eingehen unverantwortlicher Risiken verleiten, den langfristigen Erfolg der Aktiengesellschaft ausblenden und ihren Bestand gefährden können.1161 Die Fortentwicklung zu einer „nachhaltige(n) und langfristige(n) Entwicklung der Gesellschaft“ ist deshalb vielmehr als Bestätigung der schon vor dem ARUG II bestehenden Rechtslage aufzufassen. Dafür spricht auch, dass es der Gesetzgeber bei § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG und § 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum ARUG II bei der „langfristige(n) Entwicklung der Gesellschaft“ belassen und nicht ebenfalls „nachhaltig“ hinzugefügt hat. Wäre es dem Gesetzgeber mit der verpflichtenden Berücksichtigung sozialer und ökologischer Parameter bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung so ernst gewesen, wie die Begründung des Rechtausschusses suggeriert, hätte er auch jene Regelungen zum Vergütungssystem und Vergütungsbericht entsprechend anpassen müssen. Auch ist § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG durch das ARUG II unangetastet geblieben. Dort heißt es also weiterhin, dass variable Vergütungsbestandteile „daher“ eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen. Schon vom Wortsinn des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG und aus der gesetzlichen Systematik folgt deshalb, dass „nachhaltig“ weiterhin ausschließlich im zeitlichen Sinne zu verstehen ist.1162 damals, dass es sich hierbei allein um eine redaktionelle Anpassung und keine inhaltliche Änderung handele. Dabei sollten allein die terminologischen Unterschiede zwischen § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. („nachhaltige Unternehmensentwicklung“) und § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG-E sowie § 162 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG-E, wo jeweils die Rede von der „langfristige(n) Entwicklung der Gesellschaft“ war, nivelliert werden. Die redaktionelle Anpassung unterstreiche, dass die Begrifflichkeit „langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ im AktG einheitlich im Sinne der bisherigen Auslegung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. zu verstehen sei. 1158 Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl. L 132 v. 20.5.2017, S. 5 f. 1159 Vgl. Velte, NZG 2020, 12 (13). In Art. 9a Abs. 6 S. 1 der Richtlinie heißt es allein: „Die Vergütungspolitik fördert die Geschäftsstrategie, die langfristigen Interessen und die langfristige Tragfähigkeit der Gesellschaft und erläutert, wie sie das tut.“ Weder hieraus noch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie ergibt sich eine Pflicht zur Berücksichtigung nichtfinanzieller Ziele im Rahmen der Festsetzung der Vorstandsvergütung. 1160 So wohl auch Spindler, AG 2020, 61 (62 f.). 1161 So zu Recht Spindler, AG 2020, 61 (63). 1162 Vgl. Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219 (1221).

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Ferner spricht auch die Unschärfe des Begriffs „Nachhaltigkeit“ selbst für eine restriktive Auslegung.1163 Schließlich gilt es zu bedenken, dass § 87 Abs. 1 S. 2 AktG eine rein aktienrechtliche Vorschrift ist.1164 Das AktG ist nicht der richtige Regelungsort für die direkte oder indirekte Verpflichtung von Leitungsorganen auf die Beachtung sozialer und ökologischer Aspekte. Soziale und insbesondere arbeitsrechtliche Belange sind ebenso wie umweltrechtliche Belange in zahlreichen Vorschriften außerhalb des Aktienrechts ausführlich kodifiziert. Es überzeugt nicht, soziale und ökologische Maßstäbe nun auch als zwingende Parameter der Vergütungsstruktur zu implementieren. Ohnehin sind Aktiengesellschaften zur Einhaltung sozial-, arbeits- und umweltrechtlicher Normen schon aufgrund der Legalitätspflicht1165 verpflichtet. Festzuhalten ist damit, dass sich durch die Anpassung bei § 87 Abs. 1 S. 2 AktG nichts an der bisherigen Rechtslage geändert hat, denn Nachhaltigkeit ist auch weiterhin allein zeitlich i. S. v. Langfristigkeit zu verstehen und die Änderung von „Unternehmen“ in „Gesellschaft“ ist hier ebenso rein terminologischer Natur. Damit steht fest, dass der Aufsichtsrat soziale oder ökologische Ziele im Rahmen der Vorstandsvergütungsfestsetzung nicht berücksichtigen oder sogar bevorzugen muss und insbesondere nicht um den Preis einer Verminderung der wirtschaftlichen Rentabilität und Überlebensfähigkeit der Aktiengesellschaft. Gleichwohl ist es dem Aufsichtsrat jedoch erlaubt, diesen Belangen im Rahmen der Vergütungsstruktur angemessen Rechnung zu tragen. Er ist hierzu nur nicht verpflichtet. Sofern es den wirtschaftlichen Interessen der Aktiengesellschaft nicht zuwiderläuft, dürfen jedenfalls auch soziale und ökologische Belange im Rahmen der Festsetzung der Vorstandsvergütung beachtet werden. 2. Ableitung einer Leitmaxime aus § 87 Abs. 1 S. 2 AktG Es stellt sich die Frage, ob aus § 87 Abs. 1 S. 2 AktG Grundlage und Inhalt einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime gewonnen werden kann. In der Literatur wurde das Nachhaltigkeitsgebot teilweise schon als Untermauerung oder Konkretisierung der unternehmerischen Leitmaxime aufgefasst.1166 a) Bisherige Stellungnahmen in der Literatur Kort stellt etwa in diesem Zusammenhang zu Recht fest, dass sich aus dem Gebot, die Vorstandsvergütung am nachhaltigen Unternehmenserfolg auszurichten, der 1163

Vgl. Marsch-Barner, ZHR 175 (2011), 737 (745). Zu diesem Gedanken auch Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219 (1220). 1165 Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 A. III. 1. 1166 Alle Literaturstimmen beziehen sich auf § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. vor Inkrafttreten der ARUG II-Novelle. Für die Zeit nach Inkrafttreten des ARUG II waren zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit – soweit ersichtlich – noch keine neuen Stellungnahmen zu dieser Fragestellung veröffentlicht worden. 1164

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

Rückschluss ziehen lasse, dass die Herbeiführung eines nachhaltigen Unternehmenserfolgs Aufgabe des Vorstands sei.1167 Seibt zufolge entspricht die nachhaltige Unternehmensentwicklung der allgemeinen Pflichtenstellung der Unternehmensverwaltung, also von Vorstand und Aufsichtsrat, ihre Tätigkeit auf die Verfolgung des Unternehmensinteresses und hierbei das Ziel einer dauerhaften bzw. nachhaltigen Rentabilität bei Verfolgung des Gesellschaftszwecks auszurichten.1168 Deutlicher formuliert dies Spindler. Ihm zufolge entspricht die Ausrichtung des Vorstands- und Aufsichtsratshandels auf die Sicherung einer langfristigen Rentabilität inhaltlich ohne Weiteres dem Ansatz des „Gesellschafts- und Unternehmensinteresses“.1169 Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit könne nur als Wiederholung respektive Bekräftigung dieses allgemeinen Gebots aufgefasst werden. In § 87 Abs. 1 S. 2 AktG spiegele sich das Postulat der Verfolgung einer langfristigen Unternehmensstrategie wider, wonach die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten sei.1170 Damit habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Leitungsermessen des Vorstands auf eine Langzeitperspektive auszurichten sei.1171 Weber spricht von der Intention einer „Ausrichtung anhand eines langfristig definierten Gesellschaftsinteresses“1172 und Wiesner zufolge korrespondiert die Ausrichtung der Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung mit der Verpflichtung der Verwaltung, „den Gesellschaftszweck durch dauerhafte Rentabilität und Bestandssicherung der Gesellschaft zu verfolgen.“1173 Auch Kling bringt das Nachhaltigkeitsgebot des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG mit dem „Gesellschaftsbzw. Unternehmensinteresse“ in Verbindung.1174 Eine weitergehende juristische Begründung für diese Ansätze bietet das Schrifttum allerdings, soweit ersichtlich, nicht.1175 Dabei ist der Blick auf dieses neue Nachhaltigkeitsgebot lohnenswert, bringt er doch die Gelegenheit und Chance, den seit Jahrzehnten schwelenden Disput über die „richtige“ Leitung der Aktiengesellschaft zu klären. b) Auswirkung auf das Kompetenzgefüge zwischen Aufsichtsrat und Vorstand Irreführend ist in diesem Zusammenhang die Aussage Korts, dass der Vorstand die nachhaltige Unternehmensentwicklung bestimme, die Orientierung der Vergütung aber ausschließlich durch den Aufsichtsrat erfolge und der Aufsichtsrat nicht eigene 1167

Kort, NZG 2012, 926 (929). Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 12. 1169 MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 79. 1170 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 73 (zu § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F.). 1171 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 73. 1172 Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 30. 1173 MünchHdbGesR/Wiesner, § 21 Rn. 45. 1174 Kling, DZWIR 2010, 221 (227). 1175 Betriebswirtschaftlich ausführlich begründet hingegen von Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (611), die zu dem Schluss kommen, dass ihre wirtschaftswissenschaftlich begründete Leitmaxime der Verpflichtung „zur Wahrung des Unternehmensinteresses“ entspreche. 1168

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Vorstellungen von einer Nachhaltigkeit der Unternehmensentwicklung mittels seiner Vergütungspolitik durchsetzen dürfe.1176 Gerade durch die Ausgestaltung der Vergütungsstruktur kann der Aufsichtsrat aktiv auf den Vorstand einwirken, denn indem der Aufsichtsrat die Vergütung des Vorstands am Kriterium der Nachhaltigkeit auszurichten hat, stellt er implizit fest, welche mittel- und langfristige Unternehmenspolitik und Unternehmensstrategie nach seiner Vorstellung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung bzw. nachhaltigen und langfristigen Entwicklung der Gesellschaft genügt oder zuwiderläuft. Der Aufsichtsrat muss dabei eigene Maßstäbe entwickeln und ausarbeiten, wie sich die nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft darstellen soll;1177 die Ausgestaltung einer an den Kriterien des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG orientierten Vergütungsstruktur setzt gerade voraus, dass zuvor eine entsprechende Unternehmensstrategie in Absprache zwischen Vorstand und Aufsichtsrat festgelegt worden ist.1178 Diese Maßstäbe müssen sich dann in den Parametern der Vorstandsvergütung widerspiegeln. Insofern bedeutet § 87 Abs. 1 S. 2 AktG eine punktuelle Kompetenzverschiebung zum Aufsichtsrat hin, welche sich aber nur in den grundlegenden unternehmenspolitischen Fragen auswirkt. Diese unternehmenspolitischen Grundsatzentscheidungen müssen dabei in Anbetracht von § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG ohnehin zusammen mit dem Vorstand beratschlagt werden. Hingegen würde der dargelegte Zweck des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG durch den Vorschlag, dem Aufsichtsrat müsse eine Einflussnahme auf die Unternehmensstrategie über den Weg der Vorstandsvergütung versagt werden, geradezu konterkariert.1179 Der hier vertretene Ansatz steht auch im Einklang mit den gesetzlichen Kompetenzen des Aufsichtsrats. Es gilt als gesichert, dass die Überwachung durch den Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG auch präventiv und zukunftsbezogen sein und der Aufsichtsrat durch Beratung mit dem Vorstand kontrollierenden Einfluss auf die künftige Geschäftspolitik nehmen muss.1180 Denn insbesondere aus § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG lässt sich ablesen, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG auch zur Beratung des Vorstands über die 1176

So aber Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 125. Kritisch auch Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 10 (zu § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F.), der befürchtet, dass der Aufsichtsrat seine Zuständigkeit aus § 111 Abs. 1 AktG verfehle, wenn er die von ihm geschuldete Orientierung an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung dazu benutzen sollte, aktiv eigene Vorstellungen zu entwickeln und durchzusetzen. Kritisch in Bezug auf eine Kompetenzverschiebung ferner Dauner-Lieb/v. Preen/Simon, DB 2010, 377 (381). Vgl. auch Habersack, ZHR 180 (2016), 145 (147) zu anstellungsvertraglichen Zielvereinbarungen. 1177 A. A. Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 119; Mertens, AG 2011, 57 (58 f.). 1178 Ähnlich, wenn auch mit abweichendem Ergebnis Dauner-Lieb/v. Preen/Simon, DB 2010, 377 (381). 1179 So aber Wagner, AG 2010, 774 (778 f.). 1180 Siehe nur Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 50; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 14; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 18 f.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 10. Von diesem Verständnis geht erkennbar auch Ziff. 5.1.1 DCGK aus.

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künftige Unternehmenspflicht gehalten ist.1181 Die Verständigung über die richtige Unternehmenspolitik muss hier notfalls über § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gehen. Durch § 87 Abs. 1 S. 2 AktG liegt der Akzent der Beratungspflicht jetzt noch stärker auf den Grundlagen und dem substanziellen Verständnis der Geschäftspolitik und Unternehmensstrategie. c) Telos der Norm und Verhaltensanreize Nicht zuletzt legt auch die Begrifflichkeit „Entwicklung der Gesellschaft“ in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG nahe, dass der Aufsichtsrat mithilfe der Vorstandsvergütung nun bestimmte Ziele verfolgen kann, welche die strategische Ausrichtung der Aktiengesellschaft betreffen.1182 Ferner sollten die Erfahrungen und Lehren aus der Finanzmarktkrise nicht ohne Auswirkungen auf das Aktienrecht bleiben. Der Gesetzgeber hat deutlich zum Ausdruck gebracht, nach welchem Maßstab Aktiengesellschaften wirtschaften sollen. Dass er das Kriterium nicht in § 76 Abs. 1 AktG integriert hat, sondern den Weg über die § 87 AktG gewählt hat, mag dem Umstand geschuldet sein, dass sich realiter Verhaltensweisen bestmöglich über die Vergütung steuern lassen.1183 Die Verhaltenssteuerungsfunktion einer Vergütung dient schließlich dazu, die Art der Aufgabenerfüllung zu beeinflussen und damit bestimmte Verhaltensweisen hervorzurufen oder zu verhindern.1184 Wenn die Vergütung eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensführung honoriert, ist es auch das Ziel jeder Unternehmensleitung, sich auf nachhaltiges Wirtschaften auszurichten. Darin zeigt sich der grundlegende Charakter, den § 87 Abs. 1 S. 2 AktG für das Aktienrecht hat. Dem Gesetzgeber kann mithin nicht verschlossen geblieben sein, welch fundamentalem Zweck § 87 Abs. 1 S. 2 AktG dient. Dies gilt umso mehr, als 1181 So zu Recht MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 50; dahingehend auch Spindler/Stilz/ Spindler, AktG, § 111 Rn. 10; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 18. 1182 Dahingehend auch Thüsing/Forst, GWR 2010, 515 (516). Nach § 4 S. 1 InstitutsVergV (Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten v. 19.12.2013 – Institutsvergütungsverordnung, BGBl. I 2013, S. 4270), die aufgrund § 25a Abs. 6 KWG erlassen worden ist, müssen die Vergütungssysteme für Kreditinstitute einschließlich der Vergütungsstrategie auf die Erreichung der Ziele ausgerichtet sein, die in den Geschäfts- und Risikostrategien des jeweiligen Instituts niedergelegt sind. Hierin sieht Wagner, AG 2010, 774 (778 f.) auch für andere Aktiengesellschaften eine Beschränkung des Einflusses des Aufsichtsrats auf die Unternehmensstrategie verankert. Eine ähnliche Vorgabe ist in § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VersVergV (Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme im Versicherungsbereich v. 21.4.2016 – Versicherungs-Vergütungsverordnung, BGBl. I 2016, S. 763) für Versicherungsgesellschaften geregelt. Der Auffassung Wagner ist jedenfalls entgegenzuhalten, dass es sich bei der InstitutsVergV ebenso wie bei der VersVergV um Sonderregelungen handelt und sich deren Wertungen, zumal es sich im Verhältnis zu § 87 AktG um niederrangige Vorschriften handelt, nicht ohne Weiteres auf das allgemeine Aktienrecht übertragen lassen. Allgemein zu einer möglichen Ausstrahlung des Aufsichtsrechts auf das Aktienrecht Weber-Rey, ZGR 2010, S. 543 ff. 1183 Vgl. hierzu auch Dauner-Lieb/v. Preen/Simon, DB 2010, S. 377 ff. 1184 Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (609); vgl. Assmann, AG 2015, 597 (603).

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§ 87 Abs. 1 S. 2 AktG im Zuge des ARUG II eine Bestätigung erfahren hat. Zudem rückt der Gesetzgeber erneut die gesteigerte Bedeutung des Aufsichtsrats für die Unternehmenslenkung in den Blickpunkt. Damit lässt sich festhalten, dass die in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG erwähnte „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ als Grundlage einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime heranzuziehen ist.1185, 1186 d) Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften Nicht recht einleuchtend ist die Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften.1187 Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass sich die öffentliche Wahrnehmung bei der Vergütung von Vorständen in erster Linie auf die großen, börsennotierten Aktiengesellschaften richtet und die Politik hier Gehaltsexzessen1188 verbunden mit fehlgeleiteter und riskanter Unternehmensleitung entgegentreten wollte. Der Vermerk in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum VorstAG, „der Nachhaltigkeitsgedanke sollte grundsätzlich auch von nichtbörsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden“1189, zeigt, dass die Parlamentarier selbst Zweifel an der Beschränkung hegten. Der Ausschluss nichtbörsennotierter Gesellschaften sollte korrigiert werden, denn eine nachhaltige und langfristige Entwicklung kann nicht nur ein Postulat für börsennotierte Aktiengesellschaften sein. Hierfür gibt es keine sachliche Rechtfertigung. Bisweilen ist § 87 Abs. 1 S. 2 AktG dahingehend zu verstehen, dass die Leitungsorgane börsennotierter Aktiengesellschaften verpflichtet sind, eine nachhaltige Unternehmenspolitik zu verfolgen. Für nichtbörsennotierte Gesellschaften gilt diese Verpflichtung nicht unmittelbar, sie können sich aber daran orientieren und werden dies auch vernünftigerweise tun. Unabhängig davon ist auch der Aufsichtsrat einer nichtbörsennotierten Gesellschaft verpflichtet, Fehlanreize bei der Vorstandsver1185 Vor Inkrafttreten der ARUG II-Novelle wäre indessen die in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. verankerte „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ als Grundlage der hier vertretenen aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime heranzuziehen gewesen. Wie dargelegt wurde (siehe 1. Kapitel § 5 F. II. 1. b)), gehen mit dem ARUG II tatsächlich keine inhaltlichen Änderungen von § 87 Abs. 1 S. 2 AktG einher. 1186 Der durch das ARUG II eingefügte § 87a AktG sieht nun vor, dass der Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft ein klares und verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen muss, über dessen Billigung dann nach § 120a Abs. 1 S. 1 AktG die Hauptversammlung zu beschließen hat (wenngleich dieses Votum nach § 120a Abs. 1 S. 2 AktG weder Rechte noch Pflichten begründet). Gemäß § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG muss dieses Vergütungssystem auch Angaben zum Beitrag der Vorstandsvergütung zur Förderung der Geschäftsstrategie und zur langfristigen Entwicklung der Gesellschaft enthalten. Damit zeigt sich abermals deutlich, welchen besonderen Stellenwert der Gesetzgeber einer auf Nachhaltigkeit bzw. Langfristigkeit angelegten Unternehmensführung einräumt. 1187 Ähnlich Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 118. 1188 Vgl. dahingehend Seibert, WM 2009, S. 1489. 1189 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 17.6.2009, BT-Drs. 16/ 13433, S. 10.

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gütung zu vermeiden.1190 Jedenfalls mittelbar gibt es deshalb auch für nichtbörsennotierte Gesellschaften die Pflicht zum nachhaltigen Wirtschaften. e) Inhalt der hier vertretenen Leitmaxime Die Aspekte des Verbandszwecks zur Maximierung des Unternehmenswerts im Sinne des Eigenkapitalwerts und der Pflicht zur Hinwirkung auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft formen damit die hier vertretene aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime.1191 Die Gesellschaftsorgane sind deshalb verpflichtet, im Rahmen ihrer Kompetenzen auf die nachhaltige Maximierung des Unternehmenswerts hinzuarbeiten.1192 In der Zusammenschau mit § 91 Abs. 2 AktG, der bezweckt, dass bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt und abgewendet werden, zeigt sich, dass Nachhaltigkeit auch Bestandssicherung bedeutet. Dabei ist Bestandssicherung nicht als unbedingte Bestandserhaltung, etwa im Sinne der konkreten rechtlichen Gestalt der Gesellschaft, zu verstehen,1193 sondern zielt darauf ab, Gefahren für die Vermögensdeckung der Verbindlichkeiten (Gefahr der Überschuldung) oder für die Zahlungsfähigkeit (Gefahr der Illiquidität) der Gesellschaft zu unterbinden.1194 Substituiert die Gesellschaft „teures Eigenkapital“ durch billigeres Fremdkapital, sinken zwar nicht zuletzt aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen die Kapitalkosten der Gesellschaft, wohingegen die Eigenkapitalrenditen steigen (sog. Leverage-Effekt).1195 Umgekehrt nimmt mit einer höheren Verschuldung auch die Gefahr der Insolvenz zu. Ferner können Fremdkapitalgeber angesichts des gesteigerten Risikos höhere Zinsen verlangen. Entscheidend ist deshalb, dass sich die Unternehmensführung um eine sichere und angemessene Kapitalausstattung bemüht und der Fremdkapitalanteil beherrschbar bleibt.1196 1190 So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 87 Rn. 7; dahingehend auch MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 98. 1191 Eine direkte Anwendung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG auf andere Gesellschaftsformen wie die GmbH ist ausgeschlossen, insbesondere § 52 Abs. 1 GmbHG, § 25 MitbestG und § 1 DrittelbG eröffnen hierfür nicht den Weg, siehe Seibert, WM 2009, 1489 (1490). 1192 Insofern a. A. Kort, in: Großkomm. AktG, § 87 Rn. 126; Thüsing, AG 2009, 517 (520); ders./Forst, GWR 2010, 515 (516): keine Verpflichtung zur Steigerung des Unternehmenswerts. Ähnlich hingegen Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (611): „Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswerts“. 1193 Siehe hierzu bereits die Kritik unter 1. Kapitel § 5 E. II. 4. 1194 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (251). Laut der Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15 geht es um Entwicklungen, „die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken.“ Diese Interpretation ist also umfassender. Der Wortlaut des § 91 Abs. 2 AktG („Fortbestand der Gesellschaft“) streitet indes für ein engeres Verständnis, so auch m. w. N. Baums, ZGR 2011, 218 (251) Fn. 128. 1195 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (559 f.). 1196 Siehe hierzu und zu den damit verbundenen Pflichten des Aufsichtsrats 4. Kapitel § 14 A. und B.

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Ferner wird der Unternehmensleitung regelmäßig schon im Vorfeld die Vornahme solcher Geschäfte untersagt sein, bei welchen die Gefahr eines erheblichen Verlustes deutlich wahrscheinlicher als die Aussicht auf einen Gewinn ist, selbst wenn dieser im Falle des Reüssierens sehr hoch wäre.1197 Bereits die Festlegung des Unternehmensgegenstands stellt sicher, dass die Unternehmensführung nur die Geschäfte mit den damit verbundenen Risiken eingeht, für welche sich die Aktionäre als Satzungsgeber entschieden haben; auch für zukünftige Investoren vermittelt der Unternehmensgegenstand die Risikogeneigtheit der Gesellschaft.1198 Mithin dürfen keine bestandgefährdenden Entwicklungen verstärkt oder potenziell bestandsgefährdenden oder insolvenzauslösenden Risiken übernommen werden.1199 Indikator für die Risikotragfähigkeit der Gesellschaft ist das Eigenkapital, welches, wenn sich die Risiken eigenkapitalmindernd realisieren, als Verlustpuffer zum Schutz der Fremdkapitalgeber und Gläubiger dient.1200 Die Höhe des Eigenkapitals gibt deshalb an, welche potenziell eigenkapitalmindernden Risiken die Aktiengesellschaft noch tragen kann. Die beiden daraus ableitbaren Zielsetzungen der Unternehmenstätigkeit, also zum einen eine planende und operative Tätigkeit zum Zweck der Unternehmenswertmaximierung (Renditeorientierung) sowie zum anderen die Unterbindung bestandsgefährdender oder insolvenzauslösender Risiken (Bestandsorientierung), verhalten sich zueinander komplementär, denn sie begünstigen miteinander den dauerhaften und nachhaltigen Unternehmenserfolg.1201 Diese Nachhaltigkeits-Verpflichtung beinhaltet ferner die Berücksichtigung von Stakeholder-Belangen. Denn namentlich ohne ausreichend motiviertes und qualifiziertes Personal und ohne belastbare und dauerhafte Geschäftsverbindungen zu Lieferanten, Geschäftspartnern und Kunden wird dem Unternehmen ein langfristiger Erfolg verwehrt bleiben. Die juristische Analyse einer unternehmerischen Leitmaxime darf sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass ein Unternehmen im Grunde ein Netzwerk einer Vielzahl von Akteuren ist, die jeweils spezifische Beiträge zur Wertschöpfung leisten: Anteilseigner stellen Eigenkapital und Gläubiger Kredite oder andere Fremdkapitalarten zur Verfügung, Arbeitnehmer bringen ihre fachlichen sowie persönlichen Kompetenzen ein, Geschäftspartner stellen Dienstleistungen und Produkte zur Verfügung, Staat und Gemeinwesen gewährleisten die infrastrukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen und Kunden nehmen durch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen sowie die Produktabnahme zu bestimmten Preisen die Marktbewertung der Wertschöpfung vor.1202 Da diese Bezugsgruppen bzw. Stakeholder ihre Beiträge zum Wertschöpfungsprozess nur dann auf Dauer leisten werden, wenn sie hierfür hinreichend attraktive Anreize vom Unternehmen 1197 1198 1199 1200 1201 1202

(1043).

Dahingehend auch Baums, ZGR 2011, 218 (232). Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (232). Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (232, 238). Baums, ZGR 2011, 218 (246). Vgl. auch Baums, ZGR 2011, 218 (271). Vgl. Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (611). Ähnlich Eidenmüller, JZ 2001, 1041

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

(Kurssteigerungen, Dividenden, Zins- und Lohnzahlungen etc.) erhalten, setzt eine nachhaltig wertschöpfende Entwicklung einer Aktiengesellschaft voraus, dass den Belangen jeder Stakeholder-Gruppe in angemessenem Umfang Rechnung getragen wird, um dadurch die existenznotwendige Teilnahme all dieser Gruppen am Wertschöpfungsprozess für die Zukunft zu garantieren.1203 Auch an dieser Stelle ist der Aspekt der Vermeidung insolvenzauslösender Risiken von Bedeutung. Insbesondere den Gläubigern droht im Falle der Insolvenz der Gesellschaft häufig ein weitaus höherer Schaden – in ultimo der Totalverlust ihrer Ansprüche – als den einzelnen Aktionären, deren Haftung auf den Wert ihres Anteils beschränkt ist.1204 Auch unter diesem Aspekt erfordert nachhaltige Unternehmenswertsteigerung überlegtes Handeln und Rücksichtnahme auf Drittinteressen. Fremdkapitalgeber und andere Gläubiger, insbesondere solche mit längerfristigen Bindungen zu der Gesellschaft, sind an einer Unternehmenswertsteigerung ihrer Schuldnerin interessiert,1205 werden aber nur dann dauerhaft zur Kooperation bereit sein, wenn die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft keine allzu riskanten Züge annimmt.1206 „Viele Jahre erfolgreicher Entwicklung und fundierter Vorbereitungen für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft kennzeichnen den wirklich guten Unternehmer“ hat Semler schon vor Einfügung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG in seiner gegenwärtigen Gestalt zu Recht konstatiert.1207 Dem ist beizupflichten. Gerade das produzierende Gewerbe kann ohne konsequente Ausrichtung auf die Erforschung und Entwicklung neuer und besserer Technologien nicht auskommen. Nur eine Unternehmensführung, welche dies ernst nimmt, gewährleistet eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft. Eine nachhaltige und langfristige Entwicklung setzt auch voraus, dass ständig Nachwuchskräfte gewonnen werden, sei es durch das Angebot von Ausbildungsplätzen mit dem Ziel der späteren Übernahme in eine unbefristete Arbeitstätigkeit, sei es im Rahmen dualer Studiengänge oder durch die Anwerbung voll ausgebildeter Berufseinsteiger, etwa für Trainee-Programme. 1203

So zu Recht Faber/v. Werder, AG 2014, 608 (611). Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (241 ff.). 1205 Baums, ZGR 2011, 218 (243). 1206 Insbesondere Darlehensgeber können zwar durch risikoadjustierte oder bonitätsgestufte Zinssätze (siehe zu Letzteren Mülbert, WM 2004, S. 1205 ff.), durch das Anfordern zusätzlicher Kreditsicherheiten sowie die Vereinbarung besonderer kreditvertraglicher Bestimmungen (sog. covenants), welche den Schuldner zur Einhaltung gewisser Verhaltensregeln wie einer bestimmten Geschäftspolitik verpflichten (siehe hierzu Lehmann, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, 24. Kap., Rn. 12 ff.), Schutzvorkehrungen treffen, vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (244 f.). Gläubiger, denen diese Möglichkeiten indessen nicht zur Verfügung stehen, sind den Geschäftsrisiken der Gesellschaft dagegen weitaus stärker ausgesetzt. Insbesondere private Anleihegläubiger müssen deshalb im Fall der Insolvenz bzw. Restrukturierung des Schuldners regelmäßig mit hohen Einbußen rechnen. 1207 Semler, in: Lutter/Scholz/Sigle, FS Peltzer, 489 (492). 1204

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f) Der Einfluss von Corporate Social Responsibility In Abgrenzung zu den vorstehenden Ausführungen darf das hier vertretene Nachhaltigkeitsgebot hingegen keinesfalls im Sinne einer verpflichtenden Ausrichtung der Unternehmensführung an ökologischen, sozialen oder „ökosozialen“ Zielmaßstäben, wie beispielsweise Wachstumsreduzierung und Treibhausgasneutralität, missverstanden werden.1208 Dennoch bleibt es einer Unternehmensleitung unbenommen, auf freiwilliger Basis das Nachhaltigkeitspostulat auch auf dem Weg einer verstärkten Beachtung von Corporate Social Responsibility (CSR)-Belangen zu verfolgen.1209 Nach einer jüngeren Definition der Europäischen Kommission ist CSR gleichbedeutend mit der „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“.1210 Im Blickfeld der CSR stehen die Stakeholder, genauer die internen Stakeholder, wie die Belegschaft, und die externen Stakeholder, wie Anteilseigner, Investoren, Kunden, Zulieferer, Politik und Öffentlichkeit.1211 Im Rahmen von Corporate Social Responsibility verpflichten sich Unternehmen über die Erbringung wirtschaftlicher Leistungen hinaus zu Anstrengungen, etwa im sozialen und ökologischen Bereich, die das gesetzlich gebotene Maß übertreffen.1212 Hierfür beispielhaft sind etwa Programme der Automobilindustrie, die Engagement für Verkehrssicherheit zeigen, sich um die Weiterentwicklung und Bindung ihrer Mitarbeiter kümmern und sich in ihrem Kerngeschäft um eine umweltfreundlichere Produktion sowie, etwa im Hinblick auf CO2-Emissionen und Kraftstoffverbrauch, um die Entwicklung klimaschonenderer und sparsamerer Motoren bemühen.1213 Auch bei der Verfolgung von CSR-Aspekten darf jedoch keinesfalls das verbandsrechtliche Ziel der Gewinn- respektive Eigenkapitalwertmaximierung außer Acht gelassen oder als nachrangig behandelt werden. Immer müssen CSR-Maßnahmen für den Verbandszweck zumindest mittelbar vorteilhaft sein,1214 andernfalls 1208

Vgl. aber Ekardt, ZUR 2016, S. 463 ff. Siehe hierzu auch bereits 1. Kapitel § 5 F. II. 1. Vgl. auch Kort, NZG 2012, S. 926. Generell zu CSR siehe Fleischer, AG 2017, S. 509 ff. CSR ähnelt im Wesentlichen dem früher gebräuchlicheren Begriff des Gemeinwohls (vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 88 f., 93; ders., NZG 2012, 926 (927 f.)). Die Parallelen dieser moderneren ethischen Ausrichtung des Vorstandshandelns zu traditionellen Idealen wie dem des „ehrbaren Kaufmanns“ sind offensichtlich. 1210 Mitteilung der Europäischen Kommission, Eine neue EU-Strategie (2011 – 14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), KOM (2011) 681, S. 7. 1211 Schrader, ZUR 2013, 451 (453); vgl. Peemöller/Braune, BB 2013, S. 2091. Unterschieden werden kann ferner zwischen externer CSR, welche die korporative Freigiebigkeit nach außen, also gegenüber Unternehmens- und Gesellschaftsexternen anbelangt (etwa Spenden und Sponsoring), sowie der internen CSR, die alles verantwortliche und nachhaltige unternehmens- und gesellschaftsinterne Wirken umfasst, insbesondere das verantwortungsvolle Handeln gegenüber Mitarbeitern, Mülbert, AG 2009, 766 (767 f.). 1212 Schrader, ZUR 2013, 451 (453). 1213 Vgl. Schrader, ZUR 2013, 451 (452). 1214 Im Bereich von Sponsoring, Mäzenatentum, Spenden und ähnlichen sozialen Aktivitäten sind die Maßstäbe jedoch im Allgemeinen etwas großzügiger. Selbst wenn solche Maßnahmen keinen wirtschaftlichen Vorteil für die Gesellschaft bedingen, kommt es für ihre 1209

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

dürfen sie nicht umgesetzt werden.1215 Handelt die Unternehmensleitung dem zuwider, besteht die Möglichkeit der Haftung nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, denn ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft im Sinne der Norm liegt dann gerade nicht vor.1216 Folglich darf die Unternehmensleitung insbesondere bei manchen politischen Entwicklungen und Dogmen des jeweils vorherrschenden Zeitgeistes nicht allzu leichtgläubig sein, was sich einige Jahre später häufig als Trugschluss mit fatalen wirtschaftlichen Folgen erweisen kann. Manager müssen nicht jede politische Forderung und gesellschaftliche Entwicklung begrüßen, wenn sie bei gründlicher Prüfung Zweifel an deren Plausibilität haben. Unternehmen dienen allen voran wirtschaftlichen und nicht gesellschaftspolitischen, umweltpolitischen oder ähnlichen Zwecken. Deshalb sind Unternehmensführungen auch gehalten, sich über die finanzielle Profitabilität von CSR-Maßnahmen Klarheit zu verschaffen, wodurch Entscheidungen über die Beachtung von CSR-Belangen ein höheres Maß an Rationalität gewinnen und dazu beitragen, die Entstehung eines unsinnigen und dem Verbandszweck abträglichen CSR-Überwuchses und „Wohltätigkeitsdschungels“ zu unterbinden.1217 Stellt sich aber in Bezug auf die CSR-Aspekte umgekehrt gerade heraus, dass die Beachtung einzelner dieser Elemente für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens von zunehmender oder sogar eminenter Bedeutung ist,1218 muss die Unternehmensführung auf die Umsetzung dieser Faktoren hinwirken.1219 Zu Rechtmäßigkeit lediglich darauf an, ob diese in dem durch den Unternehmensgegenstand (man denke an die Förderung eines naturwissenschaftlichen Instituts durch ein Chemieunternehmen mit dem Ziel verbesserter Nachwuchsrekrutierung und etwaiger gemeinsamer Forschungsprojekte) und den Gesellschaftszweck abgesteckten Kontext liegen und sie im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den Belangen der Gesellschaft und der Aktionäre einerseits sowie den Gemeinwohlinteressen andererseits zulässig sind. Ausgaben für solche soziale Zwecke können dann zulässig sein, wenn sie der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft sowie deren sozialer und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung entsprechen, siehe Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 108; Fleischer, AG 2001, 171 (178); ferner Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 24. Dahinter steht der Gedanke, dass etwa Unternehmensspenden die Akzeptanz der Aktiengesellschaft in ihrer sozialen Gemeinschaft und damit das wirtschaftliche Fortkommen zu sichern vermögen und deren Verhaltenserwartungen durch bisherige Gepflogenheiten maßgeblich vorgeprägt sind, Fleischer, AG 2001, 171 (178); Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 45. Insofern lassen sich die beiden, nach neoklassischem Verständnis eigentlich konträren Aspekte Gewinnstreben und Freigiebigkeit als komplementäre Ziele begreifen, vgl. Fleischer, AG 2001, 171 (173); MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 106. Darüber hinaus gilt der strengere Maßstab, dass sich auch durch vorgeblich altruistische Handlungen zumindest mittelbar ein wirtschaftlicher Erfolg für das Unternehmen einstellen muss. 1215 Dahingehend auch Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 99; ders., NZG 2012, 926 (929); vgl. ferner Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 23. 1216 Vgl. auch Mülbert, AG 2009, 766 (769, 772 f.). 1217 Vgl. dahingehend auch Mülbert, AG 2009, 766 (773). 1218 Nach Peemöller/Braune, BB 2013, 2091 (2092) zeigt sich in Studien zunehmend die Korrelation von der Beachtung von CSR-Belangen und dem wirtschaftlichen Unternehmenserfolg. 1219 Richtig daher das Zitat bei Mülbert, AG 2009, 766 (774): „CSR hat die Nische der sozio-romantischen Philanthropie hinter sich zu lassen.“ Es sei rechtlich geboten, damit Geld zu verdienen.

§ 5 Gesellschafts- und Unternehmensinteresse

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denken ist etwa an die verstärkte und über bisherigen Gewohnheiten hinausgehende Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen, etwa mittels der Einführung von Kodizes, die den angemessenen Umgang von Mitarbeitern untereinander und von Vorgesetzten zu ihnen untergeordneten Mitarbeitern verbindlich festhalten. Nachhaltigkeit setzt danach die Setzung positiver Arbeitsbedingungen voraus. Dies vermag eine erhöhte Innovationskraft, Produktivität und Qualität freizusetzen sowie eine bessere Mitarbeiterrekrutierung und -bindung zu ermöglichen,1220 zumal sich gerade hierdurch Herstellungs- und Transaktionskosten sowie Kosten aufgrund erhöhter Mitarbeiterfluktuation senken lassen. Positive Außenwirkung und gute Unternehmensreputation können zudem einen besseren Zugang zu Zulieferern und Abnehmern schaffen und letzten Endes vielleicht höhere Marktpreise erzielen lassen. Dies mindert schlussendlich das unternehmungsspezifische, unsystematische Risiko, was sich – je nach Berechnung der Eigenkapitalkosten – angesichts eines niedrigeren Diskontsatz positiv auf den Unternehmenswert auswirkt.1221 Gleichermaßen kann sich dies auf die Fremdkapitalkosten günstig auswirken, wenn sich die Bonität des Unternehmens aufgrund verminderter unternehmensspezifischer Risiken verbessert und Bankdarlehen leichter und zu günstigeren Zinssätzen aufgenommen werden können.1222 g) Charakter dieser Leitmaxime Der hier vertretene Ansatz einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime versteht sich als Fortentwicklung und Ergänzung der verbandsrechtlichen Lehre. Diese Leitmaxime entspricht insofern dem herkömmlichen Gesellschaftsinteresse, als sie das Ziel der Gewinn- im Sinne der Eigenkapitalwertmaximierung in den Vordergrund stellt. Zugleich blendet dieser Ansatz nicht die unternehmenspraktischen Gegebenheiten aus, als er das von der Aktiengesellschaft getragene Unternehmen als Netzwerk einer Vielzahl von Akteuren auffasst. Ferner hat diese Leitmaxime aufgrund ihrer Verankerung im AktG zwar bindenden, aber auch grundsätzlichen Charakter und beansprucht daher nicht für sich, in jeder Situation konkrete Handlungsvorgaben zu bieten. Bei konkreten Investitionsvorhaben wird man allerdings aus dem Ziel der Eigenkapitalwertsteigerung ableiten können, dass der Vorstand zu beachten hat, ob die avisierte Investition aus ex ante Sicht einen positiven Nettobarwert aufweist und deshalb voraussichtlich zur Unternehmenswertsteigerung beitragen wird.1223 Bei mehreren Investitionsoptionen ist diejenige zu ergreifen, welche einen höheren Nettobarwert aufweist. Zugleich lassen sich für den Aufsichtsrat dadurch die Maßstäbe zur Kontrolle der Vorstandsentscheidungen und zur Beratung des Vorstands aufstellen. Den Erwägungen zum Bestandsschutz1224 1220 1221 1222 1223 1224

Vgl. Peemöller/Braune, BB 2013, 2091 (2092 f.).; Mülbert, AG 2009, 766 (768). Ähnlich Peemöller/Braune, BB 2013, 2091 (2094). Vgl. auch Peemöller/Braune, BB 2013, 2091 (2094). Dahingehend offenbar auch Baums, ZGR 2011, 218 (232 ff.). Siehe 1. Kapitel § 5 F. II. 2. e).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

kann für das konkrete Investitionsvorhaben ferner entnommen werden, dass diese im Hinblick auf die Risikotragfähigkeit und die Liquiditätslage der Gesellschaft vertretbar sein muss; die Aktiengesellschaft muss sich das betreffende Projekt mit dem kalkulierbaren Ausfall- bzw. Liquiditätsrisiko leisten können, ohne dadurch bestandsgefährdende Risiken zu begründen oder zu verstärken.1225 Ungeachtet dessen sind Vorstand und Aufsichtsrat dazu angehalten, sich die dargelegte Leitmaxime im Sinne eines Grundsatzziels zu vergegenwärtigen und in den grundlegenden sowie – für den Vorstand – in den alltäglichen Entscheidungen auf deren Realisierung hinzuwirken, sofern dem jeweiligen Leitungsorgan dafür ein ausfüllungsbedürftiges Ermessen offensteht. Das hier vertretene Konzept entspricht damit den Anforderungen an eine leistungsfähige Leitmaxime.

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen und die Ermessensausübung des Aufsichtsrats Zu klären ist ferner, wo diese aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime Bindungswirkung für den Aufsichtsrat entfaltet, an welchen „Schalthebeln“ im AktG sie also zur Geltung gelangt. Hingegen soll die in der Literatur schon diskutierte Frage, inwieweit Ermessensentscheidungen1226 der judiziellen Kontrolle entzogen sein können, hier nicht weiter untersucht werden.1227 Man erreicht eine erste Annäherung an die Beantwortung dieser Frage bei der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG – für den Aufsichtsrat i. V. m. § 116 S. 1 AktG – geltenden Differenzierung zwischen unternehmerischen Entscheidungen und rechtlich gebundenen Entscheidungen.1228 Nach der Gesetzesbegründung sind unternehmerische 1225

Dahingehend auch Baums, ZGR 2011, 218 (239). Der Begriff des unternehmerischen Ermessens ist inzwischen allgemein anerkannt, denn er findet Erwähnung in zahlreichen Stellungnahmen der Literatur, vgl. nur Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 29; Hopt, ZGR 1993, 534 (538 ff.); Horn, ZIP 1997, 1129 (1137); Heermann, ZIP 1998, S. 761 ff.; Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (126). 1227 Hierzu siehe etwa Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 134 ff. 1228 Vgl. Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 68; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 39 f.; Nietsch, ZGR 2015, 631 (642 f.). Dahingehend auch die Unterscheidung von Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 17 ff. zwischen Ermessenspflichten einerseits und Legalitätspflichten andererseits. Letztere ergeben sich danach aus der durch Gesetz und Satzung vorgegebenen Kompetenzordnung, aus den Normen des Aktienrechts sowie der Bindung der Gesellschaft an Recht und Gesetz im Außenverhältnis. Nur soweit laut Paefgen eine „rigide Pflichtenbindung“ bzw. strikte Legalitätspflicht im Sinne einer eindeutigen Handlungs- bzw. unmittelbaren Unterlassungspflicht für das entscheidungsbefugte Organ besteht, unabhängig davon, ob sie organisationsrechtlicher oder materieller Art ist, kann eine Verletzung der Leitungspflicht festgestellt werden, ohne dass es des Rückgriffs auf die für die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses in der konkreten Entscheidungssituation maßgeblichen Rechtsgrundsätze bedarf (a. a. O., S. 26). So letztlich 1226

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen

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Entscheidungen „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt.“1229 Dies unterscheidet sie von der Beachtung rechtlich gebundener Entscheidungen, also „gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum.“1230 Bei letzterem Entscheidungstypus gibt es keinen Ermessensspielraum, denn zwingende gesetzliche und statutarische Vorschriften haben die Funktion, Handlungsgrenzen zu setzen, welche nicht nach Opportunitätsaspekten relativiert werden dürfen.1231 Hingegen sind bei jeder unternehmerischen Entscheidung im Grundsatz Handlungsalternativen denkbar.1232 Hier liegt auch der entscheidende Anwendungsbereich der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime, denn sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat obliegen unternehmerische Entscheidungen, bei denen verschiedene Handlungsoptionen denkbar sind1233.1234 Ermessensleitender Bezugspunkt bei unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaftsorgane ist folglich die dargelegte aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime1235.1236 Damit entfaltet diese Leitmaxime Bindungswirkung einerseits gegenüber dem Vorstand, der die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung zu leiten hat, denn die Entscheidung über Zielkonzeption, Organisation, Führungsgrundsätze und Geschäftspolitik liegen im unternehmerischen Ermessen des Vorstands.1237 Andererseits kommt der Leitmaxime im Rahmen der Ermessensausübung des Aufsichtsrats Bedeutung zu, wie dies bereits angedeutet wurde und im Folgenden zu zeigen ist. Das unternehmerische Ermessen ist demnach auch kein freies, sondern stets ein zweckgebundenes Ermessen.1238 Die jeweils auch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (siehe Fn. 534), BGHZ 135, 244 (253): „Die unternehmerische Handlungsfreiheit ist Teil und notwendiges Gegenstück der dem Vorstand und nicht dem Aufsichtsrat obliegenden Führungsaufgabe. An ihr hat der Aufsichtsrat nur insoweit Anteil, wie das Gesetz auch ihm unternehmerische Aufgaben überträgt (…)“. 1229 Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 1230 Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 1231 Siehe OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I-6 W 45/09, AG 2010, 126 (128). 1232 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 69. 1233 Unternehmerische Entscheidungen zeichnen sich laut Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, S. 627 dadurch aus, dass sie Chancen und Risiken begründen oder diese bewusst in Kauf genommen werden. Sie werden also regelmäßig unter Unsicherheit getroffen, Horn, ZIP 1997, 1129 (1133). Nach Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 23 ist eine unternehmerische Entscheidung „jede bewußte Auswahl einer unternehmerischen Handlungsmöglichkeit von besonderer wirtschaftlicher Tragweite aus mehreren Handlungsalternativen (…). Wesentliche Kennzeichen dergestalt definierter unternehmerischer Entscheidungen sind die regelmäßige Notwendigkeit zur Entscheidung unter Unsicherheit, die vielfache Ausrichtung auf die Zukunft sowie die häufig hohe Komplexität“. 1234 Vgl. Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (628). 1235 Siehe 1. Kapitel § 5 F. II. e). 1236 Vgl. auch Nietsch, ZGR 2015, 631 (636); Paefgen, AG 2008, 761 (764); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (105 f.); Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (636). 1237 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 9. 1238 Vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 35.

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

notwendige Konkretisierung der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ist im Hinblick auf die anstehende Entscheidung – innerhalb der durch Satzung und Rechtsnormen gezogenen Grenzen – als Bestandteil der Willensbildung der Gesellschaft originäre Aufgabe der Unternehmensorgane.1239 Neben der Leitmaxime dienen ferner die Kriterien Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand der Feststellung, ob sich Vorstand und Aufsichtsrat bei ihren Entscheidungen im Rahmen des ihnen zugewiesenen Ermessensspielraums bewegt haben.1240 Für die Beurteilung, wo der Aufsichtsrat eigenes Ermessen ausüben kann, ist die Unterscheidung von der Leitungstätigkeit und der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats von Bedeutung.

A. Leitungstätigkeit des Aufsichtsrats Die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime findet zum einen Anwendung, sofern der Aufsichtsrat in Ausnahme zu § 111 Abs. 4 S. 1 AktG1241 verschiedentlich selbst an der Leitung der Gesellschaft beteiligt ist.1242 Diese unternehmerische Mitverwaltung tritt neben die reine Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats.1243 Bei solchen Entscheidungen beansprucht das Gremium für sich selbst unternehmerisches Ermessen.1244 Zukunftsorientierte unternehmerische Mitgestaltung ist, wie sie sich bereits aus § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG ergibt, ihrem Wesen nach unternehmerische Gestaltungsentscheidung.1245 Bei jeder dieser unternehmerischen Entscheidungen hat der Aufsichtsrat im Rahmen seines Ermessens die gebotene Sorgfalt zu beachten, also die jeweilige Entscheidung nicht nur nach dem Gebot der Rechtmäßigkeit, sondern auch den Geboten der Ordnungsmäßigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit zu treffen.1246 Hiervon betroffen sind die Entscheidungen über die Zustimmungserteilung bei zustimmungsbedürftigen Geschäften und über den Erlass von Zustimmungsvorbehalten selbst1247 (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG), die Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 172 AktG), die Zustimmung zu den Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn (§ 59 Abs. 3 AktG), die Entscheidungen über die Bedingungen der Aktienausgabe und den Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital (§§ 204 Abs. 1 S. 2, 203 Abs. 2 AktG), die Entscheidung über die Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG), die Mitwirkung bei der Ausübung von 1239 1240 1241 1242 1243 1244 1245 1246 1247

Vgl. Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (623). Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (621). Vgl. nur m. w. N. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 12. Vgl. Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (108). Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 71. Vgl. Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (617); Raiser, NJW 1996, 552 (553 f.). Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (618 f.). Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (623); Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (628). A. A. MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 43.

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen

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Beteiligungsrechten in mitbestimmten Tochtergesellschaften (§ 32 MitbestG, § 15 MontanMitbestGErgG), die Entscheidung über das Vergütungssystem (§ 87 AktG) und die Ausübung der Personalkompetenz (§ 84 AktG).1248 Gleichermaßen wird man auch die Entscheidung über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund (§ 84 Abs. 3 AktG) als unternehmerisch ansehen müssen.1249 Anders hingegen fällt die Interpretation bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder aus.1250 Ferner sind zu den unternehmerischen Entscheidungen zu rechnen der Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand, die Selbstorganisation des Aufsichtsrats, der Vorschlag für die Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG) und des Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 1 HGB, §§ 119 Abs. 1 Nr. 4, 124 Abs. 3 S. 1 AktG) und der Festlegung der Prüfungsschwerpunkte (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG), der Vorschlag für die Gewinnverwendung (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG), die Zustimmung zu Verträgen mit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 89, 114, 115 AktG) sowie die Mitwirkung an übernahmerechtlichen Stellungnahmen und Maßnahmen nach §§ 27, 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG.1251 In einigen der genannten Fälle hat der Aufsichtsrat eigenständige Mitwirkungsrechte, welche von ihm gleichberechtigt mit dem Vorstand ausgeübt werden.1252 In anderen Fällen hat der Aufsichtsrat zwar die gleichen Entscheidungsspielräume wie der Vorstand, jedoch keine eigene Gestaltungskompetenz, sondern nur eine Zustimmungskompetenz, d. h. er kann eine vom Vorstand vorgeschlagene Entscheidung billigen oder ablehnen, sie aber nicht durch eine eigene Sachentscheidung ersetzen.1253 Dies ist etwa der Fall bei der Entscheidung über die einem Zustimmungsvorbehalt unterliegenden Geschäfte oder bei der Zustimmung zu den Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn. Vorstand und Aufsichtsrat teilen sich in diesen Fällen immer das der Leitungsaufgabe immanente unternehmerische Leitungsermessen; dieses steht deckungsgleich beiden Organen zu.1254 Gerade Zustimmungsvorbehalte verleihen dem Aufsichtsrat ein starkes Machtinstrument und die Möglichkeit, in der AG unternehmerisch aktiv mitzuwirken. Im Zweifel wird sich der Vorstand bei solchen Entscheidungen, bei denen er die Zustimmung des Auf1248 Siehe KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 68; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 43; Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (629) sowie Fn. 10; Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (108); Cahn, WM 2013, S. 1293 f.; vgl. Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (618, 621); Lieder, ZGR 2018, 523 (525, 534 f.). 1249 So auch BGHZ 135, 244 (254 f.); KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 68; Lutter, ZIP 1995, 441 (442); a. A. MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 43. Vgl. ferner Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 141 ff. 1250 Siehe hierzu die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (siehe Fn. 534), BGHZ 135, 244 ff., sowie ferner Fn. 1257. 1251 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 68; Cahn, WM 2013, S. 1293 f. 1252 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (629). 1253 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (629) sowie Fn. 12. 1254 Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (108 f.).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

sichtsrats als unsicher erachtet, wenigstens mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden abstimmen, um die Möglichkeit einer Einigung auszuloten. Wie sich die unternehmerische Mitverwaltung des Aufsichtsrats konkret darstellt, wird im folgenden Kapitel darzustellen sein.

B. Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats Bei der gesetzlichen Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats muss danach gefragt werden, ob dem Aufsichtsrat bei der Überwachung der Leitungsentscheidungen des Vorstands ein Ermessensspielraum zusteht und wie sich seine Überwachungskompetenz zur Ermessensausübung des Vorstands verhält. I. „Überwachungsermessen“ des Aufsichtsrats? Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, die Überwachungs- und Beratungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks, der Satzung und der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime wahrzunehmen.1255 Bei der von der präventiven Kontrolle zu unterscheidenden rückblickenden, vergangenheitsbezogenen1256 Überwachungstätigkeit, kann der Aufsichtsrat nach überwiegender Auffassung keinen eigenen Entscheidungsspielraum in Anspruch nehmen.1257 Er vollzieht hier lediglich eine fremde Entscheidung nach, entfaltet also 1255

Dahingehend auch Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (620). Vgl. Raiser, NJW 1996, 552 (554); Henze, NJW 1998, S. 3309; Casper, ZHR 176 (2012), 617 (630). 1257 Siehe nur MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 44. So auch die ARAG/GarmenbeckEntscheidung des BGH (siehe Fn. 534), BGHZ 135, 244 (255), in der es um eine durch den Aufsichtsrat pflichtwidrig unterlassene Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches der Gesellschaft gegen ihren Vorstand ging. Dabei befand das Gericht, dass bei „dieser Kontrolltätigkeit (…) der Aufsichtsrat zwar die dem Vorstand zustehende unternehmerische Handlungsfreiheit (…) im Rahmen seiner Prüfung des Vorliegens eines pflichtwidrigen Vorstandshandelns zu berücksichtigen (hat). Für seine eigene Entscheidung kann der Aufsichtsrat aber ein unternehmerisches Ermessen (…) nicht in Anspruch nehmen.“ Nur ausnahmsweise lässt der BGH dabei ein Absehen von der Verfolgung zu, nämlich, „wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen.“ Dahingehend bereits die erstinstanzliche Entscheidung des LG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1994 – 32 O 158/92, AG 1994, 328 (329 f.) sowie Raiser, NJW 1996, S. 552 ff.; im Ergebnis auch Lutter, ZIP 1995, 441 (442). Anders hingegen das Berufungsgericht OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.6.1995 – 6 U 104/94, AG 1995, 416 (418 ff.). A. A. auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 142 Fn. 388 und S. 145 ff.; ders., AG 2008, S. 761 ff.; Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (637 ff.). Vgl. ferner die Darstellung der unterschiedlichen Ansichten zur Eingrenzung der ARAG/Garmenbeck-Rspr. nach Einfügung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. bei Casper, ZHR 176 (2012), 617 (623 ff.) und Koch, NZG 2014, 934 (935 ff.). Kritisch auch Heermann, AG 1998, 201 (203). Zustimmend hingegen Horn, ZIP 1997, 1129 (1137 f.); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (109 f.); siehe ferner die Stellungnahmen aus jüngerer Zeit von Koch, AG 2009, S. 93 ff.; Habersack, NZG 2016, S. 321 ff. Demgemäß muss auch die An1256

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen

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nicht selbst eine unternehmerische Tätigkeit.1258 Der Aufsichtsrat übt insofern kein eigenes Ermessen aus, sondern berücksichtigt allein fremdes Ermessen bei der von ihm zu treffenden Entscheidung.1259 Er ist nur berechtigt, aber auch verpflichtet, die sachgerechte Ausnutzung von Entscheidungsspielräumen durch den Vorstand zu überwachen.1260 Die Überwachung bezieht sich hier auf vergangene, abgeschlossene Tatbestände im Gegensatz zu einer vorausschauenden Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen des Vorstandes, wie sie im Gesetz – wie bereits aufgeführt – ausdrücklich vorgesehen sind.1261 Bei dieser Überprüfung vergangener Vorstandsentscheidungen ist nicht die Teilhabe, sondern die Überprüfung von Ermessensentscheidungen Aufgabe des Aufsichtsrats. Ein autonomer Handlungsspielraum kann dem Aufsichtsrat dabei nicht mehr zustehen, weil Fragen des unternehmerischen Ermessens bereits bei der Beurteilung des Vorstandshandelns zu prüfen sind.1262 Raiser gibt in diesem Zusammenhang zu Recht zu bedenken, dass die in § 111 AktG verankerte Überprüfungsfunktion des Aufsichtsrats nichts mit unternehmerischem Wagemut und Ermessen zu tun hat, sondern die Grenzen sichern soll, welche der unternehmerischen Freiheit des Vorstands gezogen sind.1263 Im Hinblick auf die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen den Vorstand fügt er hinzu, dass die unternehmerische Freiheit, welche Vorstand und Aufsichtsrat genießen, nicht dazu berechtigt, Vermögenswerte der Gesellschaft freiwillig aufzugeben.1264 Unternehmerisches Ermessen könne es nur bei der Wahl der Mittel zur Vermögensmehrung geben. Bedeutung erlangt das Ermessen des Aufsichtsrats damit wiederum bei zukünftigen Leitungsentscheidungen des Vorstands. Hält der Aufsichtsrat ein beabsichtigtes Geschäftsführungsverhalten des Vorstands für unvertretbar, sei es aufgrund von Satzungswidrigkeit oder bei Verstößen gegen die Maßstäbe von Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit,1265 und können Vorstand und Aufsichtsrat vorab keine Einigung erzielen, ist er berechtigt, einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG auch ad hoc, also außerhalb von Satzung oder Geschäfts-

wendung der Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen abgelehnt werden, so zu Recht Koch, AG 2009, 93 (94, 97) m. w. N. Zur gesamten Historie des ARAG/Garmenbeck-Falles siehe Grooterhorst, ZIP 1999 S. 1117 ff. Aus der jüngeren Rspr. siehe auch BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, AG 2009, S. 404 ff.; BGH, Urt. v. 8.7.2014 – II ZR 174/13, BGHZ 202, 26 ff. 1258 Vgl. Henze, NJW 1998, 3309 (3311); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (109). 1259 Henze, NJW 1998, 3309 (3311). 1260 BGHZ 135, 244 (253); Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (629); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (109 ff.). 1261 So zu Recht Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (111). 1262 Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (111). 1263 Raiser, NJW 1996, 552 (554). 1264 Raiser, NJW 1996, 552 (554). 1265 So Henze, NJW 1998, 3309 (3312).

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

ordnung durch einen auf die Einzelmaßnahme bezogenen Beschluss,1266 festzusetzen und zugleich die Zustimmung zu verweigern.1267 Diese Entscheidung, welche im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats steht, kann sich nach Aussage des BGH sogar „zu einer Pflicht verdichten, wenn er eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur noch durch Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes verhindern kann.“1268 Auch hier gewinnt also die Leitmaxime an Bedeutung. Dieser Aspekt ist genau genommen jedoch eine Frage, die konzeptionell der Leitungstätigkeit des Aufsichtsrats zuzurechnen ist.1269 II. Beachtung des vorstandseigenen Ermessensspielraums Eng verknüpft mit dem Vorstehenden ist der Umstand, dass der Aufsichtsrat bei seiner Kontrolltätigkeit die dem Vorstand zustehende unternehmerische Handlungsfreiheit zu berücksichtigen hat.1270 Bei der Überwachung des Vorstands ist damit zu berücksichtigen, dass dem Vorstand „ein weiter Handlungsspielraum“ bei der Geschäftsführung zusteht, ohne den „unternehmerische Tätigkeit schlechthin nicht denkbar“ ist.1271 Die Überwachungs- und Beratungspflicht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG bezieht sich damit zwar auf die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand, folglich auf die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leitungsentscheidung des Vorstands.1272 Der Aufsichtsrat muss deshalb auch kontrollieren, ob der Vorstand seine Entscheidungsspielräume im Einklang mit dem Gesetz ausübt. Er ist jedoch nicht befugt, die Beurteilung des Vorstands durch sein eigenes Urteil zu ersetzen, wenn jene ordnungsgemäß und rechtmäßig zustande gekommen ist und der Vorstand sein Ermessen mit der erforderlichen Sorgfalt ausgeübt hat.1273 Der Aufsichtsrat ist im Verhältnis zum Vorstand keine „Superleitungsinstanz“ und daher nicht berechtigt, 1266

MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 130. Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (630); Henze, NJW 1998, 3309 (3312). 1268 BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111 (127); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 27; Henze, NJW 1998, 3309 (3312). 1269 Siehe 1. Kapitel § 6 A. 1270 BGHZ 135, 244 (253). 1271 So die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (siehe Fn. 534), BGHZ 135, 244 (253); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (103, 105); vgl. Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (628); Heermann, ZIP 1998, 761 (762); Nietsch, ZGR 2015, 631 (635). Eine Schadensersatzpflicht kann daher laut BGHZ 135, 244 (253 f.) auch erst dann „in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muß“. 1272 Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (107); vgl. Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (620); Henze, NJW 1998, 3309 (3310). 1273 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (629 ff.). 1267

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gegen vertretbare Ermessensentscheidungen des Vorstands im Rahmen der normalen Geschäftsführung mit eigenen Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitserwägungen einzuschreiten.1274 III. Einschreiten bei ermessensfehlerhaften Entscheidungen des Vorstands Trotz seines weiten Handlungsspielraums darf der Vorstand von seinem Ermessen keinen fehlerhaften Gebrauch machen.1275 Grenzen ziehen der Ermessensausübung des Vorstands vor allem die zwingend einzuhaltenden gesetzlichen Regelungen, insbesondere des Aktienrechts, die vertraglichen Pflichten aus dem Anstellungsvertrag des Vorstands, ferner die Gesellschaftssatzung, Geschäftsordnungen und Beschlüsse der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats, im Vertragskonzern auch des herrschenden Unternehmens.1276 Wie bereits angesprochen, gehören zur pflichtgemäßen Ermessensausübung bei Geschäftsführungsentscheidungen auch die Verfolgung des Gesellschaftszwecks sowie die Berücksichtigung des Unternehmensgegenstands.1277 Ferner muss der Vorstand sein Handeln an der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime ausrichten.1278 Damit müssen bei jeder Entscheidung oder Maßnahme die Gebote der Ordnungsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet sowie die vom Vorstand gesetzlich, satzungsmäßig und vertraglich geschuldeten Sorgfaltsplichten befolgt werden.1279 Fehlerhaft ausgeübtes Ermessen verpflichtet den Aufsichtsrat im Übrigen auch dann, das vom Vorstand beabsichtigte Geschäft zu verhindern, wenn es sich um eine Frage der Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit handelt.1280 Ein Vorstand, welcher die Grenzen der zulässigen Ermessensausübung überschreitet, handelt in jedem Fall pflicht- und damit rechtswidrig.1281 Ebenso wenig ist es dem Vorstand gestattet, überhaupt keine unternehmerischen Chancen zu suchen oder zu nutzen. Dies ist als Ermessensunterschreitung gleichermaßen sorgfaltspflichtwidrig.1282 Der Ermessensspielraum unterliegt insbesondere wirtschaftlichen Grenzen, d. h. die Unternehmensführung muss ihr Verhalten an der Art und der Größe des Unternehmens ausrichten, vor jeder Entscheidung die erwarteten Chancen gegen die 1274

Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (622 f.). Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (641). 1276 Siehe Heermann, ZIP 1998, 761 (762 f.); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (105); vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 43, 23 f.; Fleischer, in: ders., Hdb. Vorstandsrecht, § 7 Rn. 1 f. 1277 Vgl. Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (628). 1278 So zu Recht, wenn auch unter Betonung des Unternehmensinteresses, Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (635). 1279 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (635); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (107); siehe hierzu aus der Rspr. nur BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 (130). 1280 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (641); Henze, NJW 1998, 3309 (3310). 1281 Vgl. Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (641). 1282 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 65 f. 1275

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

drohenden Risiken abwägen und bedenken, ob das von ihr geplante Verhalten erforderlich, geeignet oder angemessen ist.1283 Es müssen diejenigen Grenzen beachtet werden, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt beachten würde.1284 Die Ermessensausübung darf damit nicht zu einem Risiko führen, das bei vernünftiger Betrachtung von einem verantwortungsbewussten Unternehmen nicht übernommen würde; Chance und Risiken müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.1285 Eine Entscheidung darf insbesondere dann nicht getroffen werden, wenn die damit verbundenen Risiken das Bestehen des Unternehmens gefährden können.1286 Dies schließt es insbesondere aus, dass die Gesellschaft übergroße und existenzgefährdende Risiken eingeht.1287 Eine Überschreitung des unternehmerischen Ermessens kann auch dann vorliegen, wenn der Vorstand Fehlentscheidungen trifft, die darauf basieren, dass er die kurz-, mitteloder langfristige Planung von Unternehmensdaten unterlassen hat oder diese Planung aus ex ante Sicht fehlerhaft ist.1288 Mit diesen Kriterien gerät man abermals in das bereits bekannte und aufgezeigte Fahrwasser der hier vertretenen aktienrecht1283

Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (635). Vgl. Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (641). 1285 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (641). Um ein angemessenes Verhältnis zwischen Chancen und Risiken im Hinblick auf die Übernahme der Monsanto Company durch die Bayer AG und insbesondere mit Rücksicht auf die Haftungsrisiken aus dem Glyphosatgeschäft von Monsanto ging es auf der Hauptversammlung der Bayer AG im April 2019, siehe hierzu den Pressebericht „,Bayer steht vor einem Scherbengericht‘“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 98 v. 27.4.2019, S. 17). Der Aufsichtsrat der Bayer AG hatte im Vorfeld dieser Hauptversammlung Gutachten bei einer Anwaltssozietät sowie bei M. Habersack in Auftrag gegeben. Laut der Zusammenfassung des Gutachtens der Anwaltssozietät (abrufbar unter: https://www.bayer.de/de/zusammenfassung-gutachten-vorstandspflichten-monsantouebernah me.pdfx) hatte der Vorstand die Chancen und Risiken des Erwerbs umfassend gegeneinander abgewogen und war in zulässiger Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Chancen des Erwerbs die Risiken deutlich überwogen (a. a. O., S. 3). Der Zusammenfassung des Gutachtens von Habersack (abrufbar unter: https://www.bayer.de/de/zusammenfassung-habersack-gutachten-vorstandspflichten-monsantouebernahme.pdfx) zufolge hielt der Vorstand die mit dem Erwerb von Monsanto verbundenen Risiken – dies völlig plausibel – für beherrschbar. Dies gelte auch und insbesondere für die vom Vorstand gesehenen und in seine Abwägungsentscheidung einbezogenen Haftungsrisiken aus dem Glyphosatgeschäft von Monsanto (a. a. O., S. 2). Damit zeigt sich am praktischen Fall, wie bedeutsam eine wohlinformierte und sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken eines geplanten Geschäfts für die Beurteilung seiner aktienrechtlichen Zulässigkeit und, im Hinblick auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, für eine etwaige Haftung im Nachhinein ist. 1286 Semler, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 627 (635). Siehe ferner Heermann, ZIP 1998, 761 (765). 1287 Siehe hierzu die IKB-Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I-6 W 45/09, AG 2010, 126 (128 f.). Die Bank hatte in Kreditverbriefungen investiert, hinter denen sich Hypotheken- und Konsumentendarlehen einer großen Zahl unbekannter Schuldner verbargen, was mit einem entsprechend hohen Ausfallrisiko einherging. Vgl. auch MüKoAktG/ Spindler, § 93 Rn. 64; Binder, AG 2012, 885 (889). Zum erlaubten Risiko im Einzelnen siehe 4. Kapitel § 14 A. 1288 Henze, NJW 1998, 3309 (3310). 1284

§ 6 Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen

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lichen unternehmerischen Leitmaxime. Widerspricht eine Leitungsentscheidung des Vorstands diesen Maßstäben, muss der Aufsichtsrat eingreifen.

C. Keine Maßstabsverschiebung durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG An den aufgezeigten Maßstäben zur Ausübung unternehmerischen Ermessens durch Vorstand und Aufsichtsrat hat sich in Folge der gesetzlichen Verankerung der Business Judgement Rule nichts geändert.1289 Dies ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut und dem Hintergrund dieser Regelung. Positiv formuliert stellt die in § 93 Abs. 1 S. 2 (i. V. m. § 116 S. 1) AktG kodifizierte Business Judgement Rule1290 das Sorgfaltsgebot auf, wonach das Vorstandsmitglied (bzw. Aufsichtsratsmitglied), um keine Pflichtverletzung zu begehen, eine unternehmerische Entscheidung so vorbereiten und treffen muss, dass es vernünftigerweise annehmen darf, auf der Grundlage angemessener Information1291 zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.1292 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist nur auf unternehmerische Entscheidungen anwendbar.1293 Angesichts des Risikos, dass Fehleinschätzungen bei einer unternehmerischen Entscheidung im Nachhinein als Ergebnis einer unzulänglichen Entscheidungsfindung eingestuft werden, besteht allerdings die Gefahr, dass unternehmerische Misserfolge als Sorgfaltspflichtverstöße sanktioniert werden könnten und Managerhaftung zur Erfolgshaftung mutieren würde.1294 In der Folge bestünde ein erheblicher Anreiz für Vorstände, jegliche unternehmerische Risiken zu vermeiden. Demgegenüber dient die Business Judgement Rule der Schaffung eines safe harbor, damit das grundsätzliche Risiko einer Haftung gerade nicht zur Lähmung der unternehmerischen Initiative des Vorstands führt.1295 Man muss dies dahingehend auffassen, dass die Business Judgement Rule, welche ohnehin im Grundsatz bereits in Rechtsprechung und Lehre anerkannt war,1296 der Ausübung unternehmerischen Ermessens Vorschub leisten soll,1297 oder jedenfalls ein Geschäftsleiterermessen bei unternehmerischen Entscheidungen anzuerkennen ist.1298 Auch unter Anwendung 1289

Dahingehend auch Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 13. Zur Business Judgement Rule siehe bereits 1. Kapitel § 5 D. VIII. 1291 Zum erforderlichen Ausmaß an Informationsbeschaffung vgl. Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 116 Rn. 13 m. w. N. 1292 Vgl. Scholz, AG 2015, 222 (223). 1293 Siehe nur Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 15; Cahn, WM 2013, 1293 (1294). 1294 Siehe Cahn, WM 2013, S. 1293; vgl. auch Binder, AG 2012, 885 (894); Scholz, AG 2015, 222 (226). 1295 Cahn, WM 2013, S. 1293. 1296 Vgl. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 13; Cahn, WM 2013, S. 1293 m. w. N. 1297 Vgl. auch Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f. 1298 So Scholz, AG 2015, 222 (226). 1290

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1. Kap.: Generelle Handlungsmaximen des Aufsichtsrats

des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gelangt man wieder in die bereits bekannten Schemata ordnungsgemäßer Ermessensausübung durch Vorstand und Aufsichtsrat. Nichts anderes besagt die Gesetzesbegründung, wonach das Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“ als Maßstab für die Überprüfung dient, ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden ist.1299 Hierbei wird ausdrücklich auf die Ausführung der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung Bezug genommen.1300 Dieser Rechtsprechung kommt angesichts des Willens des Gesetzgebers zur Kontinuitätswahrung besondere Bedeutung zu.1301 Konsequenterweise ist das Vorliegen des Merkmals „vernünftigerweise“ laut dem Gesetzgeber zu verneinen, wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist.1302 Folglich muss der Vorstand auch in diesem Rahmen die bekannten Grundsätze einhalten, insbesondere die Bewertung der einzelnen Aspekte und ihre Abwägung gegenüber den damit verbundenen Risiken.1303 Ist der Vorstand auf der Grundlage angemessener Informationen (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) zu der vertretbaren Auffassung gelangt, dass sich das mit der Investition verbundene, potenziell insolvenzauslösende Ausfallrisiko aller Wahrscheinlichkeit nach nicht realisieren wird, handelt er bei Übernahme dieses Ausfallrisikos nicht pflichtwidrig.1304 Für die Mitglieder des Aufsichtsrats hat die Business Judgement Rule insbesondere dann eigenständige Bedeutung, sofern das Gremium selbst an einer unternehmerischen Entscheidung mitwirkt und dabei eine andere geschäftspolitische Auffassung als der Vorstand vertritt.1305 Die Anwendung der Business Judgement 1299

Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Siehe oben Fn. 1271. 1301 So zu Recht Koch, AG 2009, 93 (96). 1302 Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 unter Verweis auf die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung, BGHZ 135, 244 (253). Zu Recht folgern Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 17 hieraus, dass es nicht entscheidend sei, „ob die Entscheidung tatsächlich auf der Basis angemessener Informationen erfolgte und dem Wohle der Gesellschaft diente“. Ihnen ist zuzustimmen, dass es vielmehr ausreicht, dass der Vorstand dies vernünftigerweise annehmen durfte und dass die Beurteilung des Vorstands im Entscheidungszeitpunkt aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters vertretbar („vernünftigerweise“) erscheint. Siehe hierzu abermals Begr. RegE v. 14.3.2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11, wonach diese Sichtweise „durch das ,annehmen Dürfen‘ begrenzt und objektiviert“ wird. Binder, AG 2012, 885 (894) merkt in diesem Zusammenhang zu Recht an: „Indem die Regelung nur eingreift, wenn und soweit der Vorstand ,vernünftigerweise annehmen durfte‘, seine Entscheidung liege im Interesse der Gesellschaft, ist so eine inhaltliche Bewertung seiner diesbezüglichen Annahme geradezu vorgezeichnet.“ Dahingehend auch Koch, NZG 2014, 934 (940 f.), welcher sich mit Blick auf das Klagezulassungsverfahren und insbesondere § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG gegen einen Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle ausspricht. 1303 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 63; Roth, BB 2004, 1066 (1069). 1304 Baums, ZGR 2011, 218 (256). Zu den originären treten auch derivative Ausfall- bzw. Liquiditätsrisiken, etwa wenn ein Unternehmen dann gegen eine darlehensvertragliche Bedingung (sog. covenants) verstößt, weil es eine festgelegte Eigenkapitalquote unterschreitet und dies zur sofortigen Fälligstellung der Darlehensvaluta führt (siehe Baums, ZGR 2011, 218 (259) sowie bereits Fn. 1206). 1305 Cahn, WM 2013, S. 1293. 1300

§ 7 Zwischenergebnis

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Rule auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder wird man ohnehin mangels einer unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ablehnen müssen.1306 Auch hier befindet man sich auf bekanntem rechtlichen Terrain.

§ 7 Zwischenergebnis Damit stehen die grundsätzlichen Leitlinien der unternehmerischen Aufsichtsratsarbeit in Form der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime fest. Diese Leitmaxime ist für den Aufsichtsrat bei unternehmerischen Entscheidungen bindend und sie macht Vorgaben für die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung durch den Aufsichtsrat. Im folgenden Kapitel wird auf das wesentliche Aufgabenspektrum des Aufsichtsrats eingegangen und aufgezeigt werden, an welchen Stellen das hier vertretene Konzept der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime konkrete Bedeutung gewinnt und wie es sich auf die Unternehmensführung auswirken kann.

1306

Siehe nur Koch, AG 2009, 93 (94) m. w. N.; ders., NZG 2014, 934 (940).

2. Kapitel

Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats „Nur diejenigen Persönlichkeiten, die das Unternehmen nachhaltig erfolgreich führen, sind gute Manager, gleichgültig ob im Vorstand oder im Aufsichtsrat.“1 Das Gesetz gewährt dem Aufsichtsrat zahlreiche Instrumente, welche dieser für eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft nutzbar machen soll. Im folgenden Kapitel werden diese Kontroll- und Mitentscheidungsaufgaben des Aufsichtsrats dargestellt. Dabei wird der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime in der hier vertretenen Form immer wieder ein besonderes Gewicht bei den unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats zukommen. Die Aufgaben des Kontrollgremiums lassen sich in Überwachungs- und Leitungsfunktionen sowie die Personalkompetenz des Aufsichtsrats aufgliedern.

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats Bestimmendes Kennzeichen der Aktiengesellschaft ist ihre sog. duale Unternehmensverfassung, also die Trennung zwischen geschäftsführendem und überwachendem Organ, folglich zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.2 Beide Organe gemeinsam lassen sich aber in Anlehnung an § 120 Abs. 2 S. 1 AktG als Verwaltungsorgane der Gesellschaft bezeichnen.3 Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht in der Funktion als Überwachungsorgan der Geschäftsführung des Vorstands,4 wie sie in § 111 Abs. 1 AktG festgelegt ist. Die Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG ist überwiegend vergangenheitsbezogen und verpflichtet den 1

Semler, in: Lutter/Scholz/Sigle, FS Peltzer, 489 (492). Siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 3; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 21; Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 8. Den Gegenentwurf stellt die insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtsraum verbreitete sog. monistische Unternehmensverfassung dar, in deren One Board- oder One Tier-System Geschäftsführungsund Überwachungsaufgaben von einem einzigen Organ wahrgenommen werden. Zur Entstehungsgeschichte des Aufsichtsrats Lutter, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. II, S. 389 ff. 3 Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 23; Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 20; Roth, ZGR 2012, 343 (347). 4 Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 1; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 61; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 1; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 1. 2

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

211

Aufsichtsrat zur Kontrolle bereits abgeschlossener Vorgänge.5 Daneben hat die Kontrolle präventiven und zukunftsbezogenen Charakter und gewährt dem Aufsichtsrat das Recht zur Mitsprache in den laufenden und künftigen Angelegenheiten der Gesellschaft.6 Die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat dient in erster Linie dem Zweck, Mängel aufzudecken und zu beseitigen.7 In keiner Weise beinhaltet diese Funktion eine Oberleitungsermächtigung zugunsten des Aufsichtsrats, aufgrund derer er eine von ihm für richtig erachtete Geschäftspolitik auch dann gegenüber derjenigen des Vorstands durchsetzen kann, wenn letztere ebenso vertretbar ist.8

A. Kontrolle und Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes Wie bereits angesprochen, hat der Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Gegenstand der Überwachung ist also die Geschäftsführung des Vorstands. Zweifelhaft ist, ob der hier verwendete Begriff der Geschäftsführung gleichbedeutend wie in § 77 Abs. 1 S. 1 AktG aufzufassen ist. Dort ist Geschäftsführung im Sinne jeden Handelns des Vorstands für die Gesellschaft, gleichgültig ob tatsächlicher oder rechtlicher Natur, zu verstehen.9 Nach überwiegender Meinung bezieht sich die Überwachung hier jedoch vielmehr auf die Leitungsmaßnahmen des Vorstands, welche diesem nach § 76 Abs. 1 AktG obliegen.10 Die Leitung der Gesellschaft im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG, was nach herrschender Auffassung die Leitung des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens bedeutet oder diese zumindest überdies beinhaltet,11 betrifft die Unternehmer- bzw. Führungsfunktion des Vorstands, mithin einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung.12 Die Unternehmensleitung ist dabei ein Prozess, welcher eine Vielzahl von Entscheidungen betrifft und die strategische Führungs-

5

MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 29. Siehe MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 50. 7 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 31. 8 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 31. 9 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 77 Rn. 4; MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 6; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, § 77 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 3. 10 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 11; Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 166; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 20; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 7; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 2. 11 Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 39; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 14; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 5; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 10; KK/Mertens/ Cahn, § 76 Rn. 6; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 9; Fleischer, ZIP 2003 S. 1; Henze, BB 2000, S. 209. 12 Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 2; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 28, 29a; vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (3); Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (847). 6

212

2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

funktion des Unternehmens umfasst.13 Hier geht es deshalb um die Leitung und Koordination des Unternehmens, die Festlegung der Unternehmenspolitik und -ziele sowie der Unternehmensstrategie und -planung, ferner die Finanzierung, die Organisation und Struktur sowie die Kontrolle der Geschäftsentwicklung als auch die Besetzung der oberen Führungspositionen.14 Ferner sind hierzu sonstige Maßnahmen und Geschäfte zu rechnen, welche für die Gesellschaft von außergewöhnlicher Bedeutung sind oder mit denen ein außergewöhnliches Risiko verbunden ist.15 Der Leitung des Vorstands zuzuordnen sind schließlich die Aufgaben, welche ihm als Kollegialorgan durch das Gesetz zugewiesen sind.16 Der herrschenden Auffassung ist beizupflichten. Gegen ein umfassendes Verständnis der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, das die Geschäftsführung gleichbedeutend im Sinne des § 77 Abs. 1 AktG auffasst, spricht die Entstehungsgeschichte des § 111 Abs. 1 AktG.17 Sowohl in Art. 225 ADHGB18 von 1869 als auch in § 246 HGB in der Fassung von 1900, den Vorgängernormen zu § 95 Abs. 1 AktG 1937, auf den wiederum § 111 Abs. 1 AktG folgte, fand sich der Hinweis, dass der Aufsichtsrat die Geschäftsführung „in allen Zweigen der Verwaltung“ zu überwachen habe.19 In § 95 Abs. 1 AktG 1937 fand sich dieser Zusatz nicht mehr, um zu verdeutlichen, dass sich die Überwachung nicht auf jegliche Einzelmaßnahmen beziehen sollte.20 Nicht sämtliche Tätigkeiten jeder dem Vorstand hierarchisch weit entfernter Stelle sollte kontrolliert werden müssen, stattdessen sollte sich die Überwachung vor allem auf die originären Führungsfunktionen und deren Wahrnehmung erstrecken.21 Vor diesem Hintergrund ist es notwendig und folgerichtig, den Begriff der Geschäftsführung im Rahmen des § 111 Abs. 1 AktG nicht im Sinne des § 77 Abs. 1 AktG zu interpretieren, sondern ihn teleologisch zu reduzieren.22 Er ist mitunter im Rahmen der Bestimmung der Reichweite der Überwachung mit dem 13

MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 15. Siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 63; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 16; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 9; KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 4 f.; Henze, BB 2000, 209 (210); vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (4). 15 Henze, BB 2000, 209 (210). 16 Siehe hierzu Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 9; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; ferner KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 5; Henze, BB 2000, 209 (210). 17 So auch Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 25; ferner Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 11. 18 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch v. 5.6.1869, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 404 ff.; im Folgenden auch als ADHGB bezeichnet. 19 Lutter, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. II, 389 (400, 407); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 11; Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 25. 20 Lutter, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. II, 389 (407); vgl. Schütz, in: Semler/ v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 164. 21 Lutter, in: Bayer/Habersack, Wandel, Bd. II, 389 (400). 22 So auch Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 25; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 2; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65. 14

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

213

Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG gleichzusetzen.23 Damit ist Überwachungsgegenstand die dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG obliegende Leitungstätigkeit.24 I. Wesentliche Überwachungsgegenstände Der Aufsichtsrat braucht nicht die Tätigkeit des Vorstands in allen Einzelheiten zu prüfen und zu überwachen.25 Nur die zentralen Führungs- und Leitungsentscheidungen und -maßnahmen des Vorstands und grundsätzlichen Fragen der künftigen Geschäftspolitik sowie die wesentlichen Einzelmaßnahmen des Vorstands unterliegen seiner Überwachung, nicht hingegen das laufende Tagesgeschäft26.27 Etwas anderes wäre vor dem Hintergrund von derzeit im Durchschnitt rund sechs28 Sitzungen eines Aufsichtsratsgremiums pro Jahr weder praktikabel noch durchführbar.29 1. Überwachungsgegenstände aus der Berichterstattungspflicht des § 90 Abs. 1 AktG Insbesondere die in § 90 Abs. 1 AktG genannten Berichtspflichten des Vorstands geben Anhaltspunkte, welche Vorstandsmaßnahmen der Überwachung des Aufsichtsrats unterfallen.30 Diese Berichterstattung dient der Überwachung; was der Vorstand also berichtet, ist auch zu kontrollieren.31 In Anbetracht dieser Vorstandsberichtspflichten obliegt es dem Aufsichtsrat insbesondere, die beabsichtigte Unternehmenspolitik und andere wesentliche Fragen der Unternehmensplanung, 23

Rn. 7.

MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 26; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111

24 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65; vgl. Schütz, in: Semler/ v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 173. 25 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 16. 26 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 3; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 3; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 68. 27 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 8; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 3; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 3; Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 200; vgl. Henze, BB 2000, 209 (213 f.); OLG Stuttgart; Beschl. v. 19.6.2012 – 20 W 1/12, AG 2012, 762 (763 f.). 28 Diese Zahlen beziehen sich auf im DAX und MDAX gelistete Aktiengesellschaften. Im Jahr 2014 lag die durchschnittliche Sitzungsfrequenz bei 6,2 (DAX) bzw. 6,1 (MDAX), so Ruhwedel, BOARD 2014, 238 (239). 29 So auch Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 26. 30 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 8; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 12; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 22; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 18; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 3; vgl. MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 27; Semler, in: Lutter/ Scholz/Sigle, FS Peltzer, 489 (510 f.); Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (237). 31 Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 201; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 66.

214

2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung, zu prüfen (vgl. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG).32 Ebenso sind hiervon betroffen alle anderen Führungsentscheidungen, welche die Unternehmensentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit mittel- oder langfristig beeinflussen und die bedeutsam für die Vermögens-, Ertragsoder Finanzlage des Unternehmens oder die Interessen der Belegschaft sind.33 Berichte nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG sind nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 AktG mindestens einmal jährlich zu erstatten, wenn nicht Änderungen der Lage oder neue Fragen eine unverzügliche Berichterstattung gebieten. Dies wird man etwa im Falle eines geplanten Zusammenschlusses mit einem anderen Unternehmen annehmen müssen.34 Ferner prüft der Aufsichtsrat den Gang der Geschäfte, mitunter den Umsatz und die Lage der Gesellschaft am Markt (vgl. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AktG) sowie einzelne Rechtsgeschäfte, sofern diese für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind (vgl. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG). Ferner legt § 90 Abs. 1 S. 3 AktG fest, dass der Vorstand dem Aufsichtsratsvorsitzenden auch aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten hat. Hierbei handelt es sich typischerweise um potenziell negative Ereignisse,35 insbesondere Compliance-Fälle.36 Der Aufsichtsrat muss sich mit den in den Vorstandsberichten angesprochenen Geschäftsvorfällen, Entwicklungen und Ergebnissen sowie Entscheidungen und Planungen eingehend befassen und auseinandersetzen.37 Auch außerhalb der Regelberichterstattung kann es weitere Vorgänge geben, welche der Vorstand zu berichten und der Aufsichtsrat zu kontrollieren hat.38 Der Aufsichtsrat muss dabei Lücken in der Regelberichterstattung ebenso rügen wie eine unzureichende Berichterstattung.39 Insofern hat der Aufsichtsrat sich zu vergewissern, dass der Vorstand seiner Berichtspflicht nach § 90 AktG vollständig nachkommt.40 Ferner braucht sich der Aufsichtsrat nicht allein auf die Informationen des Vorstands zu verlassen, sondern kann auch selbst Informationen vom Vorstand anfordern, etwa in grundlegenden Fragen der Unternehmensstrategie (vgl. § 90 Abs. 3 AktG).41 Bei mit 32

Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 66. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 66; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 18. 34 Siehe hierzu Burgard/Heimann, AG 2014, 360 (361) im Anschluss an OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 1.10.2013 – 5 U 214/12, AG 2014, S. 373 ff. Diesem Urteil lag der inzwischen gescheiterte Zusammenschluss der Deutschen Börse AG mit einem anderen Börsenbetreiber zugrunde. Über diese Pläne informierte der Vorstand den Aufsichtsrat erst sehr spät. Das Gericht stellte allein fest, dass dies zumindest keinen eindeutigen und schweren Gesetzesverstoß begründete, der zu einer Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses nach § 243 Abs. 1 AktG geführt hätte. 35 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 33. 36 Arnold, ZGR 2014, 76 (87). 37 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 16; vgl. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 72. 38 Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 202. 39 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 20. 40 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 16. 41 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 17. 33

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

215

besonderen Risiken verbundenen Geschäften oder Investitionen von erheblicher Größenordnung muss der Aufsichtsrat über eine Informationsgrundlage verfügen, welche ihm die Prüfung der Erwägungen des Vorstands sowie eine eigene Risikoabschätzung und Verlaufs- und Ergebniskontrolle ermöglicht.42 Die Erwägungen des Vorstands dürfen vom Aufsichtsrat nicht unbesehen übernommen werden, sondern müssen zumindest einer kritischen Plausibilitätsprüfung unterzogen werden; für größere Investitionen ist eine gründliche Rentabilitätsanalyse unabdingbar.43 Je erheblicher also die Auswirkungen der konkreten Geschäftstätigkeit sind, umso gründlicher und detaillierter müssen die zugrunde liegenden Informationen sein.44 Allgemein kann es sogar geboten sein, dass der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand eine Informationsordnung erlässt, welche die Berichtspflicht en detail regelt und die Berichterstattungspflicht verschärfen kann.45 Diese Erwägungen führen zu der Frage, ob sich der Aufsichtsrat allein mit den Informationen des Vorstands begnügen muss oder ob er vorstandsunabhängige Informationsquellen nutzen darf. In diesem Kontext wird insbesondere zu klären sein, ob der Vorstand ein „Informationsmonopol“ gegenüber dem Aufsichtsrat besitzt oder ob der Aufsichtsrat andernfalls sogar Informationen durch direkten Kontakt mit Mitarbeitern der Aktiengesellschaft gewinnen darf. a) Informationsmonopol des Vorstands? Die wohl überwiegende Auffassung geht mit Blick auf § 90 AktG davon aus, dass der Vorstand ein Informationsmonopol gegenüber dem Aufsichtsrat besitzt.46 Der Aufsichtsrat müsse sich danach bei einem Informationsbegehren zunächst an den Vorstand wenden. Um die Autorität des Vorstands nicht zu untergraben, dürften Berichte nur in Ausnahmefällen, etwa bei dringendem Verdacht auf grobe Pflichtverletzungen und nur dann, wenn keine andere Abhilfe durch den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder erlangt werden könne, unmittelbar von Mitarbeitern eingefordert werden.47 Ausnahmen vom Informationsmonopol des Vorstands sollen auch dann zulässig sein, sofern zu befürchten sei, dass der Vorstand den Aufsichtsrat nicht oder nicht zutreffend informiere.48 Etwas anderes würde die klare Trennung der 42

KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 21. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 21. 44 Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (232). 45 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 73; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 20; Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (244 f.). Eine solche Informationsordnung sieht die Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15 ausdrücklich vor. Auch Ziff. 3.4 Abs. 1 S. 3 DCGK erkennt diese Möglichkeit an. 46 So Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 11; MüKoAktG/Spindler, § 90 Rn. 39; Krieger/SailerCoceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 39; Arnold, ZGR 2014, 76 (90 ff.); vgl. ferner die Nachweise bei Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 43 Fn. 176. 47 Dahingehend MüKoAktG/Spindler, § 90 Rn. 39; Lieder, ZGR 2018, 523 (563 f.). 48 Vgl. Dreher, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 87 (89). 43

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Zuständigkeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat aufheben.49 Ferner wäre zu befürchten, dass der Aufsichtsrat die Autorität des Vorstands untergrabe und die beiden Organe gegeneinander arbeiteten.50 Dem widerspricht eine sich im Vordringen befindende Gegenansicht.51 Laut Kropff sprechen die vorstandsunabhängigen gesetzlichen Rechte des Aufsichtsrats auf Einsicht der Bücher und Schriften der Gesellschaft aus § 111 Abs. 2 S. 1 AktG, ferner auf Bestellung eigener Sachverständiger aus § 111 Abs. 2 S. 2 AktG und die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Beauftragung des Abschlussprüfers nach § 111 Abs. 2 S. 3 AktG gegen ein Informationsmonopol des Vorstands.52 Insbesondere letzteres ermöglicht dem Aufsichtsrat, vom Abschlussprüfer Auskünfte zum Jahresabschluss einzuholen und seine Bewertung der Entwicklung der Ertragslage zu erfragen, ferner ihn auch auf Fragen der Geschäftsführung und Geschäftspolitik anzusprechen.53 Ferner weist Kropff darauf hin, dass dem Aufsichtsrat das Recht zustehen müsse, sich die ihm notwendig erscheinenden Informationen auch von anderer Stelle als dem Vorstand zu besorgen, wenn schon seine unternehmerischen Entscheidungen wegen fehlender angemessener Information pflichtwidrig seien (vgl. §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG).54 Dem entgegnen Krieger und SailerCoceani, dass sich Aufsichtsratsmitglieder in diesem Fall unwägbaren Haftungsrisiken ausgesetzt sähen, „da dem Informationsrecht stets auch eine Informationspflicht entspricht und der Aufsichtsrat den Vorwurf, eine Gefahr hätte durch noch weitergehende Nachfrage bei den Angestellten unterer Ebenen abgewendet werden können, oft nur schwerlich entkräften können wird.“55 Dieser Einwand verkennt allerdings, dass auch der Aufsichtsrat sein Verhalten ausschließlich am Wohle der Gesellschaft auszurichten hat. Aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime ist die nachhaltige Unternehmenswertmaximierung. Ist er deshalb aufgrund eigener 49 50

(91).

MüKoAktG/Spindler, § 90 Rn. 39. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 39; Arnold, ZGR 2014, 76

51 Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (238 f.); Paefgen, AG 2014, 554 (574); siehe auch Habersack, AG 2014, 1 (5 f.). 52 Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (238 f.); vgl. hierzu auch Dreher, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 87 (94 ff.). 53 Vgl. Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (241). 54 Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (238). 55 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 39; dahingehend auch Lutter, AG 2006, 517 (521); Arnold, ZGR 2014, 76 (92 f.). Diese Auffassung übersieht jedoch, dass der BGH im Hinblick auf die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers entschieden hatte, dass Voraussetzung einer Haftungsprivilegierung im Rahmen des unternehmerischen Ermessens sei, dass das unternehmerisches Handeln auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhe, wofür das Organ in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen habe, BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675 (1676 f.); so auch BGH, BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, ZIP 2013, 1712 (1715). Vgl. hierzu Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 13; v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 116 AktG, Rn. 310. Dies streitet dafür, dass ein Organ sich möglichst weitgehend und gründlich zu informieren hat.

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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Erwägungen der Auffassung, dass es notwendig ist, selbstständig Erkundungen einzuholen, darf ihm dies nicht durch den Verweis auf ein vorgebliches Informationsmonopol des Vorstands verwehrt sein. Dieses Verständnis korreliert mit dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 116 S. 1 AktG, der eine „angemessene“ Informationsgrundlage voraussetzt. Entscheidend ist hierbei, dass der Aufsichtsrat vernünftigerweise annehmen durfte, die Entscheidung erfolge tatsächlich auf der Basis angemessener Informationen.56 Diesem subjektiven Kriterium entspricht es, wenn Art und Ausmaß der Informationsgewinnung autonom durch den Aufsichtsrat bestimmt werden.57 Ein striktes Monopol auf Informationsgewährung seitens des Vorstands ist damit abzulehnen. In diesem Zusammenhang ist aber gleichwohl Kropff beizupflichten, der verlangt, dass der Aufsichtsrat „von einem Recht auf vorstandsunabhängige Information nur in einer die Autorität des Vorstands möglichst schonenden Form Gebrauch machen“ soll.58 Der Aufsichtsrat muss also selbst prüfen und sich vergewissern, ob es notwendig ist, eigene Erkundungen anzustellen und ob dies dem Ansehen des Vorstands sowie dem Verhältnis beider Verwaltungsorgane nicht abträglich ist. b) Zulässigkeit des direkten Kontaktes zu Mitarbeitern Der Aufsichtsrat kann in Ausnahmefällen auch in direkten Kontakt zu den Angestellten der Gesellschaft treten und sich diese durch deren Beiziehung in den Sitzungen des Gremiums oder eines Ausschusses als Informationsquelle nutzbar machen.59 Die Befragung des Angestellten ist nur in einer Aufsichtsrats- oder Ausschusssitzung zulässig, nicht hingegen am Arbeitsplatz des Mitarbeiters.60 Damit ist auch ausgeschlossen, dass ein Aufsichtsratsmitglied auf eigene Initiative das Gespräch mit Angestellten außerhalb einer Aufsichtsrats- oder Ausschusssitzung sucht. Als Rechtsgrundlage für das Befragungsrecht lässt sich § 109 Abs. 1 S. 2 AktG heranziehen.61 Danach können Sachverständige und Auskunftspersonen zur Beratung über einzelne Gegenstände hinzugezogen werden. Als Auskunftspersonen kommen solche Personen in Betracht, welche über bestimmte Vorgänge oder Einzelheiten aus ihrer Tätigkeit für die Aktiengesellschaft berichten können oder von denen sich der Aufsichtsrat ansonsten Informationen verspricht; hierzu zählen ins-

56

Dahingehend zu Recht Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 17. Vgl. auch v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 116 AktG, Rn. 310. 58 Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (239). 59 Vgl. Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (242). Dafür auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 43; ders., in: Schmidt/Lutter, AktG, § 109 Rn. 11. Gittermann, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 109 AktG, Rn. 38; Habersack, AG 2014, 1 (5 f.). 60 Vgl. Gittermann, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 109 AktG, Rn. 39; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 109 Rn. 10. 61 So auch Dreher, in: Habersack u. a., FS Ulmer, 87 (97 f.); ders., in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (49); a. A. Arnold, ZGR 2014, 76 (93). 57

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

besondere die Angestellten der Gesellschaft.62 Da die Befragung von Mitarbeitern gerade der Effektuierung der Überwachung des Vorstands dient,63 wird man zunächst fordern müssen, dass sich nach Auffassung des Aufsichtsrats Rückfragen mithilfe des Angestellten in der Sitzung leichter klären lassen. Der Aufsichtsrat kann seinen Überwachungspflichten gerade im Hinblick auf die internen Kontroll- und Revisionssysteme und die Finanzberichterstattung (vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG) besser nachkommen, wenn er selbst direkten Zugriff auf die Personen hat, die im Unternehmen die betreffenden Ressorts verantworten, beispielsweise den Leiter des Rechnungswesens und der internen Revision.64 Etwas anderes würde einen Nachteil gegenüber dem monistischen System bedeuten, in welchem der Leiter der internen Revision und des Rechnungswesens regelmäßig direkt an das audit committee65 berichten.66 Dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht des Vorstands muss allerdings dadurch Rechnung getragen werden, dass die Sitzungsteilnahme des Mitarbeiters zuvor regelmäßig mit dem Vorstand abzustimmen ist.67 Eine Anhörung kann nur dann am Vorstand vorbei durchgeführt werden, d. h. ohne dessen Einverständnis und ohne sein Beisein, wenn es um die Aufdeckung eklatanten Fehlverhaltens geht und unbeeinflusste Aussagen eines Mitarbeiters vonnöten sind, der sonst im Falle des Mithörens des Vorstands sein Karriereende befürchten müsste.68 Üblicherweise wird der Zugriff auf Mitarbeiter als Auskunftspersonen jedoch grundsätzlich durch Vermittlung des Vorstands erfolgen, um die Autorität des Vorstands nicht zu gefährden.69 In solchen Direktkontakten kann im Übrigen weder ein Verstoß gegen das Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG noch eine „systemsprengende Hinwendung zu einem monistischen Organisationsmodell“ gesehen werden, denn die Kontrolle der Geschäftsführung bildet das Ziel der Befragung der Mitarbeiter, nicht die Teilhabe an dieser.70 Überhaupt kann die Offenheit des Austausches zwischen Vorstand und Aufsichtsrat durch die Möglichkeit der Direktbefragung von Mitarbeitern sogar befördert werden, wenn für beide Organe klar ist, dass der Aufsichtsrat selbst unangenehme Informationen erhalten wird.71 Deshalb besteht im Ergebnis kein Anlass, dem Aufsichtsrat generell Direktkontakte zu 62

Gittermann, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 109 AktG, Rn. 36. So zu Recht Habersack, AG 2014, 1 (7). 64 So zu Recht Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 109 Rn. 11; zustimmend Gittermann, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 109 AktG, Rn. 38. 65 Vgl. hierzu Roth, AG 2004, 1 (2 f.). 66 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 109 Rn. 11. 67 Vgl. Kropff, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 225 (242). 68 Dies zielt auch auf die in jüngerer Zeit immer wichtiger werdenden Fragen um das sog. Whistleblowing ab. 69 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 55. 70 So zu Recht Habersack, AG 2014, 1 (7). 71 So zu Recht Roth, AG 2004, 1 (9). 63

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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Mitarbeitern zu verwehren, welche allem Anschein nach im Unternehmensalltag weit verbreitet sind.72 2. Jahresabschluss und Abhängigkeitsbericht Die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats in der Einzelgesellschaft, die keinen Konzernabschluss, Konzernlagebericht oder Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG erstellen muss, erstreckt sich nach § 171 Abs. 1 S. 1 AktG auf den Jahresabschluss, den Lagebericht der Aktiengesellschaft und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns. Diese Prüfungstätigkeit ist ein Kernbestandteil des Aufgabenspektrums des Aufsichtsrats, denn der Jahresabschluss ist finanzielles Abbild des wirtschaftlichen Erfolges oder Misserfolges der Aktiengesellschaft.73 Nach der Prüfung muss das Gremium nach § 171 Abs. 2 S. 4 AktG eigenverantwortlich entscheiden, ob es den Abschluss billigt oder Einwendungen erhebt.74 Billigt der Aufsichtsrat die Abschlüsse, übernimmt er damit zugleich die Mitverantwortung für deren Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit.75 Mit der Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses nach § 171 Abs. 1 S. 2 AktG steht dem Aufsichtsrat aber eine sachkundige Auskunftsperson zur Verfügung.76 Besonderes Gewicht bei der Prüfung des Jahresabschlusses haben insbesondere unternehmerische Zweckmäßigkeitserwägungen, denn durch die jeweilige Bilanzpolitik des Unternehmens können strukturelle Entscheidungen mit Auswirkungen für alle Unternehmensbeteiligten getroffen werden. Eine genaue Schilderung der relevanten Aspekte erfolgt daher im Rahmen der Darstellung der Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats.77 3. Besetzung und Wirken des Vorstands Der Aufsichtsrat muss sich fortlaufend vergewissern, dass der Vorstand ordnungsgemäß besetzt ist, seine Mitglieder für ihre Aufgaben geeignet sind und sie sachgerecht zusammenarbeiten.78 Von Bedeutung ist dabei insbesondere, dass Unternehmensplanung, Rechnungslegung und Rechnungslegungsprozess, Berichtswesen und Unternehmensorganisation, das Überwachungssystem zur Früherkennung bestandsgefährdender Risiken nach § 91 Abs. 2 AktG oder gegebenenfalls aufsichtsrechtliche Organisationspflichten wie nach § 25a KWG, sowie eine etwaige Compliance-Organisation und interne Kontroll- und Revisionssysteme den Anfor72

Vgl. Dreher, in: Habersack u. a., FS Ulmer, S. 87 f. Vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 171 Rn. 3. 74 Siehe Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 16. 75 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 487; vgl. Lutter, AG 2008, 1 (3). 76 Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 16. 77 Siehe 2. Kapitel § 9. 78 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 16; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 17; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 9. 73

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

derungen entsprechen.79 Ferner gilt im Hinblick auf die Übertragung von Leitungsaufgaben des Vorstands auf leitende Angestellten, dass der Aufsichtsrat kontrollieren muss, ob diese Delegation einer zweckmäßigen Organisation der Geschäftsführung entspricht, die eingesetzten Personen entsprechend geeignet sind und sie ihrerseits vom Vorstand ausreichend überwacht werden.80 Die Überwachung der vom Vorstand übertragenen Aufgaben betrifft jedoch nur solche, welche der Leitungskompetenz des Vorstands entsprechen.81 II. Zu überwachender Personenkreis Überwachungsgegenstand ist, wie dargelegt, nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung des Vorstands. Umstritten ist indes der zu überwachende Kreis an Personen, m. a. W. ob dieser personal oder funktional zu bestimmen ist, also ob sich die Überwachung unmittelbar auf den Vorstand sowie dessen Organisations- und Überwachungspflichten in Bezug auf die Geschäftsführung im Ganzen beschränkt82, oder ob die Überwachung des Aufsichtsrats auch die Geschäftsführung durch (leitende) Angestellte erfasst83.84 Die Kontrolle auch von Angestellten der Aktiengesellschaft ist namentlich dann bedeutsam, wenn die Leitung wichtiger Geschäftsfelder vom Vorstand unterhalb der Vorstandsebene angesiedelt ist85 oder dort Führungsentscheidungen getroffen oder wesentliche Einzelmaßnahmen ergriffen werden86. Vertreter der personalen Betrachtungsweise argumentieren, dass durch eine Erstreckung der Überwachung auf leitende Angestellte die Ordnung der Zuständigkeiten und der Verantwortung in der Aktiengesellschaft verloren zu gehen drohe.87 Kontrolliere der Aufsichtsrat auch auf Mitarbeiterebene, so könnte sich der Vorstand entpflichtet fühlen. 79

KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 16. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 9; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 70; vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1979 – III ZR 154/77, BGHZ 75, 120 (132 f.). 81 So zu Recht Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 9. 82 Für eine personale Betrachtungsweise: Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG, Rn. 50; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 70 f.; Lutter, ZHR 159 (1995), 287 (290); ders., in: Kindler u. a., FS Hüffer, S. 617; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 29; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 25; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 7. Siehe ferner die Nachweise bei Roth, AG 2004, 1 (5) Fn. 81. 83 Für eine funktionale Betrachtungsweise: KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 4; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 9; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 9; Roth, AG 2004, 1 (5). 84 Vgl. Roth, AG 2004, 1 (5). 85 Roth, AG 2004, 1 (5). 86 Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 4. 87 So Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 71. 80

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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Jedoch versteht es sich im Gegenteil hierzu von selbst, dass sich die Überwachung der Geschäftsführung nicht allein auf diejenigen Entscheidungen und wesentlichen Maßnahmen beschränken kann, an denen ein Vorstandsmitglied persönlich beteiligt ist.88 Neben den Aspekten, welche die Delegation der Führungsaufgaben betreffen, muss der Aufsichtsrat, sofern sich Hinweise auf eine mangelhafte Geschäftsführung ergeben, unbeeinflusst davon eingreifen, ob die Ursachen hierfür beim Vorstand oder bei nachgeordneten Mitarbeitern zu finden sind.89 Ferner kann der Aufsichtsrat die Überprüfung, ob der Vorstand die mit Führungsaufgaben betrauten Angestellten fachgerecht ausgewählt hat und sorgfältig kontrolliert, nur erfüllen, indem er sich mit dem Verhalten der betroffenen Mitarbeiter selbst beschäftigt.90 Damit unterfallen auch die Tätigkeiten der dem Vorstand nachgeordneten Ebenen der Überwachung des Aufsichtsrats, ohne Beschränkung auf die erste der dem Vorstand nachgeordnete Führungsebene.91 Die hier vertretene Auffassung ficht indes nicht an, dass seitens der Angestellten keine generelle Pflicht zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat besteht und der Aufsichtsrat sich bei Beanstandungen an den Vorstand zu wenden hat.92 III. Einzelne Überwachungsmaßstäbe Die Geschäftsführung des Vorstands ist durch den Aufsichtsrat auf die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung zu überwachen, d. h. auf Rechtsmäßigkeit (Legalität), Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung.93 1. Legalitätspflicht Für die Legalitätssicherung, also die Einhaltung von Recht und Gesetz in der Gesellschaft, ist der Vorstand zuständig.94 Aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG lässt sich die allgemeine Pflicht der Vorstandsmitglieder ableiten, sich bei ihrer Amtsführung gesetzestreu zu verhalten sowie für das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft 88

Dahingehend insbesondere KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26. So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26. 90 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26. 91 Ebenso Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 9. 92 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26. 93 Allgemeine Auffassung, siehe nur BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 (129 f.); KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 14; Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 167; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 53; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 14; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 9; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 20 f.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 14; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 73; vgl. ferner Semler, in: Lutter/Scholz/Sigle, FS Peltzer, 489 (515 ff.). 94 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 75; Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (618); vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504 (505). 89

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Sorge zu tragen.95 Die Bindung des Vorstands an das Gesetz kann zudem auf § 93 Abs. 4 S. 1 AktG gestützt werden, infolge dessen nur ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung den Vorstand von seiner Ersatzpflicht zu befreien vermag.96 Die Legalitätspflicht lässt sich aufgliedern in einerseits die interne Pflichtenbindung, welche durch das AktG, die Satzung und Geschäftsordnung näher ausgeformt ist, und andererseits die externe Pflichtenbindung, die sich aus den gesetzlichen Vorschriften außerhalb des AktG ergibt.97 Im Innenverhältnis der Gesellschaft hat der Vorstand daher auf die Einhaltung der Vorschriften des Aktiengesetzes, der Satzung und der Geschäftsordnung zu achten.98 Hierzu zählen die organspezifischen Rechtspflichten des Vorstands, wozu auch die in § 93 Abs. 3 AktG geregelten Sondertatbestände gehören, ferner die Wahrung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung (vgl. § 82 Abs. 2 AktG) sowie die Einhaltung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG).99 Der Vorstand, der Geschäfte betreibt, die vom Unternehmensgegenstand nicht gedeckt sind, handelt deshalb pflichtwidrig.100 Ist der Gegenstand des Unternehmens etwa wie ehemals im Fall der IKB Deutsche Industriebank AG „die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere durch Bereitstellung von mittel- und langfristigen Finanzierungen“101 und investiert der Vorstand dieser Bank annähernd die gleiche Summe, welche in ihrem angestammten Mittelstandsgeschäft angelegt ist, in das Verbriefungssegment sowie in strukturierte internationale Kreditfinanzierungen, sodass diese rund 46 Prozent des Gesamtvolumens des Geschäftsfeldes der Bank beträgt,102 begründet dies einen Vorstoß gegen den Unternehmensgegenstand in seiner konkreten Ausgestaltung.103 Der Vorstand muss entscheiden, wie er dieser Verantwortung gerecht wird.104 Dem Aufsichtsrat obliegt es demgemäß, auf rechtmäßiges Vorstandshandeln hinzuwirken, insbesondere die Beachtung der aktien-

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Jeweils m. w. N. Fleischer, ZIP 2005, 141 (142); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (509). Dreher, in: Dauner-Lieb u. a., FS Konzen, 85 (92); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (412). 97 Fleischer, ZIP 2005, 141 (142). 98 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 74; Bicker, AG 2014, S. 8. 99 Siehe im Einzelnen Fleischer, ZIP 2005, 141 (142 ff.). 100 So der BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, AG 2013, S. 259, der in diesem Fall aber fälschlicherweise eine andere Terminologie gebraucht („Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig“, Herv. d. Verf.), sonst aber richtigerweise vom Unternehmensgegenstand spricht; siehe hierzu auch Habersack, AG 2014, 1 (2). 101 So die Feststellung des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I-6 W 45/09, AG 2010, 126 (127). 102 OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (127). 103 Siehe Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 142 Rn. 54; vgl. ferner Baums, ZGR 2011, 218 (231). 104 Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (618). 96

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rechtlichen Kompetenzordnung sowie gesetzlicher Organisationspflichten, und rechtswidriges Vorstandshandeln zu unterbinden.105 Des Weiteren gilt es, im Außenverhältnis der Gesellschaft auf die Befolgung aller anderen Rechtsvorschriften zu achten, welche die AG als Rechtssubjekt betreffen und daher insbesondere an Wirtschaftsunternehmen und ihre Vertreter gerichtet sind, namentlich die Normen aus dem Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Steuerrecht, Umweltrecht, Vergaberecht, Strafrecht etc., unter Einschluss ausländischer Rechtsnormen, sofern diese Anwendung finden.106 Nach herrschender Auffassung stellt ein rechtswidriges Verhalten im Außenverhältnis zugleich eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis dar, mitunter weil die Gesellschaft infolge der Gesetzesverletzung Nachteile in Form von Geldbußen, Schadenersatzzahlungen oder durch Minderung von Reputation und Geschäftschancen erwachsen können.107 Die Rechtsbindungen der Gesellschaft nach außen wirken sich also dergestalt aus, dass die Organe im Rahmen ihrer Leitungspflicht im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft verpflichtet sind, diese externen Rechtsbindungen zu beachten.108 Anerkannte Handelsbräuche und anerkannte Grundsätze der Geschäftsmoral sind nicht Gegenstand der Legalitätspflicht, da sie keine zwingende Bindungswirkung entfalten.109 Dies gilt auch für die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex; allein die Erklärungspflicht nach § 161 AktG ist zu beachten. Im Folgenden wird auf die Aspekte der aktienrechtlichen Kompetenzordnung sowie Streitfragen um das Legalitätsprinzip eingegangen. a) Aktienrechtliche Kompetenzordnung Verstößt der Vorstand gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung, kommt es auf die rechtliche Überprüfung der Entscheidung in der Sache nicht mehr an.110 Neben den gesetzlich festgeschriebenen Entscheidungsbefugnissen von Aufsichtsrat111 und Hauptversammlung112 gibt es eine Reihe ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse sowie Entscheidungspflichten, die im Folgenden dargestellt werden.

105 Siehe MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 53; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 15; vgl. Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, S. 617. 106 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 74; Bicker, AG 2014, S. 8. 107 Siehe jeweils m. w. N. Fleischer, ZIP 2005, 141 (144); Ihrig, WM 2004, 2098 (2104). 108 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24. 109 So zu Recht Thole, ZHR 173 (2009), 504 (520). 110 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 18 f. 111 Z. B. die Erteilung des Prüfauftrags an den Abschlussprüfer nach § 111 Abs. 2 S. 3 AktG und die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands nach § 84 AktG. 112 Z. B. Satzungsänderungen nach §§ 179 ff. AktG, Kapitalerhöhungen nach §§ 182 ff. AktG, Kapitalherabsetzungen nach §§ 222 ff. AktG und die weiteren in § 119 Abs. 1 AktG genannten Rechte.

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

aa) Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten Prägend für das kompetenzrechtliche Verständnis der Aktiengesellschaft sind die Holzmüller-Entscheidung des BGH113 und ihre Fortentwicklung durch die Gelatine I-Entscheidung des BGH114 zur ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit im Hinblick auf Grundlagenentscheidungen der Aktiengesellschaft. Danach darf der Vorstand Strukturänderungen in der Gesellschaft nicht ohne die Mitwirkung der Hauptversammlung vornehmen.115 Im Holzmüller-Urteil entschied der BGH, dass der Hauptversammlung bei solchen Entscheidungen eine Beschlusskompetenz obliegt, die einen tiefgreifenden Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen darstellen.116 Diese Bindung betrifft ausschließlich das Innenverhältnis des Vorstands zur Gesellschaft.117 Durch diese Kompetenzerweiterung soll der potenziellen Mediatisierung des Aktionärseinflusses infolge von Strukturveränderung begegnet und der Schutz der Anteilseigner vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden.118 Allerdings kommt nach der jüngeren Gelatine I-Entscheidung eine ungeschriebene Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nur noch in engen Grenzen in Betracht, nämlich dann, wenn diese die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, betreffen und in ihren Auswirkungen einem Zustand entsprechen, welcher allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.119 Gestützt hatte der BGH diese Ansicht in der HolzmüllerEntscheidung auf § 119 Abs. 2 AktG. In Abkehr zur Holzmüller-Judikatur, die damit auch nicht mehr geltendes Recht ist, hatte es der BGH in der Gelatine I-Entscheidung neuerdings für vorzugwürdig erachtet, „die Grundlage für ein ungeschriebenes Mitwirkungsrecht der Aktionäre bei Geschäftsführungsmaßnahmen weder aus § 119 Abs. 2 AktG noch aus einer Gesetzesanalogie herzuleiten, sondern die zutreffenden Elemente beider Ansätze, nämlich die bloß das Innenverhältnis betreffende Wirkung einerseits und die Orientierung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen auf der anderen Seite, aufzunehmen und diese besondere Zuständigkeit der Hauptversammlung als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung anzusehen.“120 Am Ergebnis einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit ändert sich dadurch nichts.

113 BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. Dort ging es um die Ausgliederung eines Betriebs, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildete. 114 BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 ff. 115 Vgl. Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (132 f.). 116 BGHZ 83, 122 (131). 117 Vgl. BGHZ 159, 30; AG 2004, 384 (386). 118 BGHZ 159, 30 (40). 119 BGHZ 159, 30 (44). 120 BGHZ 159, 30 (42 f.).

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Weniger nachdrücklich, aber gleichsam als markante Bindung des Vorstands im Rahmen der Festsetzung der Ausgabebedingungen und des Bezugsrechtsausschlusses bei der genehmigten Kapitalerhöhung sind die Ausführungen des BGH in der Siemens/Nold-Entscheidung zu verstehen.121 Danach liegt es in der Verpflichtung des Vorstandes, im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen, ob der allein ihm bekannte vollständige Sachverhalt die Durchführung des Hauptversammlungsbeschlusses, der den Bezugsrechtsausschluss der Aktionäre umfasst, rechtfertigt.122 Die Umsetzung des Ermächtigungsbeschlusses darf hierbei nur erfolgen, wenn die zugrunde liegenden konkreten Tatsachen der abstrakten Umschreibung des Vorhabens entsprechen. Hat sich der Vorstand unter Verletzung seiner Amtspflichten nicht an die Vorgaben des Ermächtigungsbeschlusses gehalten, kann er gemäß § 93 Abs. 2 AktG zur Leistung von Schadensersatz herangezogen werden.123 Überdies kann die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens zum Gegenstand einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage, die beide gegen die Gesellschaft zu richten sind, gemacht werden. M. a. W. muss sich der Vorstand auch an die kompetenzrechtliche Ordnung halten und darf die durch die Hauptversammlung gefassten Ermächtigungsbeschlüsse nur nach pflichtgemäßem Ermessen ausüben. Der Aufsichtsrat muss dies bei seiner Überwachungstätigkeit im Blick behalten. bb) Keine unzulässige Delegation von Vorstandsaufgaben Einen besonderen Verstoß gegen die Leitungskompetenz des Vorstands aus § 76 Abs. 1 AktG stellt die unzulässige Delegation der Leitungsverantwortung auf Dritte dar. Nicht immer ist im Einzelnen klar, wie weit ein solches Delegationsverbot reicht. Denn schon in praktischer Hinsicht steht unmissverständlich fest, dass die Mitglieder des Vorstands nicht alles selbst bewerkstelligen können, sondern Aufgaben delegieren müssen.124 Unterteilen lässt sich diese Form der Aufgabenzuweisung in die horizontale, vertikale und externe Delegation.125 (1) Horizontale Delegation Der Grundsatz der Gesamtzuständigkeit des Vorstands wird in praxi regelmäßig dahingehend modifiziert, dass die Wahrnehmung der Geschäftsangelegenheiten durch die Satzung oder die Geschäftsordnung auf verschiedene Mitglieder des Vorstands verteilt werden.126 In § 77 Abs. 1 S. 2 AktG ist dies ausdrücklich vorge121 Vgl. BGH, Urt. v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 ff. Siehe hierzu auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 19. 122 BGHZ 136, 133; AG 1997, 465 (466). 123 BGHZ 136, 133; AG 1997, 465 (466). 124 Vgl. Schmidt-Husson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 6 Rn. 6. 125 Vgl. Schmidt-Husson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 6 Rn. 7 ff.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 32a. 126 Schmidt-Husson, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 6 Rn. 7.

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

sehen. Diese Geschäftsverteilung hat indes nicht zur Folge, dass sich die Mitglieder des Vorstands nur noch allein um die ihnen übertragenen Geschäftsbereiche kümmern müssten. Vielmehr sind sie weiterhin für die gesamte Geschäftsführung verantwortlich, welche dem Vorstand insgesamt als Organ obliegt.127 Die Vorstandsmitglieder sind aufgrund ihrer Verantwortung für die gesamte Geschäftsführung verpflichtet, auf die Tätigkeit der Vorstandskollegen in deren Sachbereichen zu achten; diese Aufsichtspflicht kann sich in Krisensituationen oder bestimmten Verdachtsmomenten zu einer stärkeren Kontrollpflicht steigern.128 Im Falle einer Unternehmenskrise muss der Aufsichtsrat also nicht nur den Vorstand stärker überwachen, sondern auch darauf achten, dass die Vorstandsmitglieder sich gegenseitig im gesteigerten Maße kontrollieren. Darüber hinaus sind jedenfalls die grundsätzlichen Aufgaben der Leitung, wie etwa die Unternehmensplanung und die Unternehmenskontrolle sowie die Auswahl und Überwachung der dem Gesamtvorstand unmittelbar nachgeordneten Personalebene, nicht auf einzelne Mitglieder übertragbar und müssen dem Vorstand überlassen bleiben.129 Gewisse organschaftliche Funktionen, die nur durch einen Willensakt des Gesamtvorstands erfüllt werden können, sind nicht auf einzelne Mitglieder übertragbar; vorbereitende Aufgaben können allerdings von einzelnen Mitgliedern des Vorstands erledigt werden.130 Zu diesen organschaftlichen Aufgaben zählen mitunter die laufende Berichterstattung an den Aufsichtsrat nach § 90 AktG, die Verlustanzeige nach § 92 Abs. 1 AktG, die Pflicht zur Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 83 Abs. 2 AktG und der Vorschlag über die Verwendung des Bilanzgewinns nach § 170 Abs. 2 AktG.131 Gänzlich unvereinbar mit dem deutschen Recht ist die Schaffung eines Chief Executive Officers (CEO) mit Richtlinienkompetenz und der gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern weisungsbefugt ist; nur ein negatives Vetorecht ist denkbar, keinesfalls aber ein positives Alleinentscheidungsrecht.132 Es gilt das Prinzip der Gesamtverantwortung des Vorstands, d. h. alle Mitglieder sind grundsätzlich gleichberechtigt und verpflichtet, bei grundlegenden Entscheidungen gemeinsam zu entscheiden.133 Hiervor unangetastet bleibt die Möglichkeit, ein Mitglied des Vorstands als Vorstandssprecher oder Vorstandsvorsitzenden zu bestellen, der den Gesamtvorstand koordiniert und als Repräsentant des Vorstands und der Aktiengesellschaft gegenüber der Öffentlichkeit auftritt, sofern den anderen Mitgliedern des

127 128 129 130 131 132 133

MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 58; § 93 Rn. 170. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 58. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 63. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 64. Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 64. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 69, 17 ff. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 69.

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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Vorstands ihre Funktionen und Aufgaben verbleiben und keine Weisungsgebundenheit besteht.134 (2) Vertikale Delegation Die Leitungsaufgabe ist zwar originäre Aufgabe des Gesamtvorstands und kann weder ganz noch teilweise an nachgeordnete Führungsebenen überantwortet werden.135 Der Vorstand verletzt folglich die zwingende aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung, sofern er nachgeordneten Personen die Ausübung von originären Leitungsfunktionen überlässt.136 Indes bedeutet die grundsätzliche Delegationsfeindlichkeit nicht, dass der Vorstand selbst alle Aufgaben vollumfänglich erledigen muss.137 In der Hand des Vorstands müssen aber zumindest die Festlegung unternehmenspolitischer Ziele sowie die wesentlichen Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele bleiben,138 ferner die grundlegenden Entscheidungen in den Bereichen der Unternehmensplanung, -koordination und -kontrolle, der Steuerungs-, Organisations-, Finanz- und unternehmerischen Führungsverantwortung, die Fragen der Besetzung von Führungspositionen und die Entscheidungen, bei denen das Gesetz einen Beschluss des Gesamtvorstands voraussetzt.139 Ferner dürfen Entscheidungen, die für die Gesellschaft von maßgeblicher Bedeutung sind, etwa weil sie wegen ihres Umfangs, ihrer Tragweite oder Risikostruktur mit Ausfallrisiken verbunden sind, nicht ohne Zustimmung des Vorstands beschlossen oder ausgeführt werden.140 Nicht delegierbare Geschäfte und Maßnahmen können auch in der Geschäftsordnung des Vorstands (vgl. § 77 Abs. 1 S. 2 AktG) festgeschrieben werden.141 Der Vorstand kann jedoch Geschäftsführungsmaßnahmen, die keine nicht-delegierbaren Leitungsaufgaben sind, an Mitarbeiter übertragen, ferner auch Hilfsaufgaben, welche seine Führungsentscheidungen vorbereiten, solange er bei diesen selbst im Ergebnis letzt- und eigenverantwortlich entscheidet.142 Bei unternehmerischen Entscheidungen müssen Mitarbeiter, sofern detailliertere Weisungen fehlen, denselben Rahmen und dieselben Pflichten, wie sie für den Vorstand gelten, beachten, insbesondere die Begrenzung durch den Unternehmensgegenstand; potenziell insolvenzauslösende Risiken dürfen grundsätzlich nicht übernommen wer-

134

Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 70. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 34, 49; vgl. KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 45; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 14. 136 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 14. 137 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18. 138 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49a. 139 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 45. 140 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (268 f.). 141 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (268). 142 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18; Baums, ZGR 2011, 218 (267). 135

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

den.143 Die Mitarbeiter sind ebenso wie der Vorstand zur nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung verpflichtet.144 Zeichnet sich eine bestands- oder liquiditätsgefährdende Entwicklung ab, muss unverzüglich der Vorstand informiert werden, der die weiteren Entscheidungen, soweit sie nicht unaufschiebbar sind, zu treffen hat.145 Grundvoraussetzungen einer ordnungsgemäßen Delegation sind die Schaffung eines eindeutigen und detaillierten Organisationsaufbaus, eine klare Verteilung der Zuständigkeiten für die Aufgabenerfüllung sowie eine genaue Definition der Aufgaben, die sorgfältige Auswahl und Instruktion der verantwortlichen Mitarbeiter, welche fachlich qualifiziert, erfahren und für ihre Aufgaben geeignet sein müssen und die Zuweisung der erforderlichen Kompetenzen, ferner die ausreichende Überwachung aller Mitarbeiter auf sämtlichen Hierarchiestufen.146 Auch bei der Aufgabendelegation verbleiben dem Vorstand also Residualpflichten; er ist für die ordnungsgemäße Erfüllung verantwortlich und muss ihre Vornahme anordnen und die Erfüllung überprüfen.147 Für bestimmte bedeutsame Geschäfte muss der Vorstand auch Methoden zur Identifizierung, Messung und Bewertung der damit verbundenen geschäftlichen Risiken vorgeben; ferner können hier Vorstandsrichtlinien an Bedeutung gewinnen, die anordnen, wie Risiken zu begrenzen sind.148 Kontrollaufgaben können dabei der internen Revisionsabteilung übertragen werden, die dem Vorstand zu berichten hat.149 Aufgaben, die keine Leitungsaufgaben sind, aber für die Leitungsfunktion des Vorstands von Bedeutung sind und auf Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands wahrgenommen werden, muss der Vorstand ebenfalls so organisieren und kontrollieren, dass seine Leitungskompetenz nicht durch auf dieser Ebene begangene Fehler beeinträchtigt wird.150 (3) Externe Delegation Differenziert ist die Frage der Delegation von Aufgaben, wie etwa der elektronischen Datenverarbeitung oder der Buchführung, an externe Dritte (Outsourcing) zu bewerten. Jedenfalls darf der Vorstand die Leitung der Gesellschaft und des Unternehmens nicht an einen gesellschaftsexternen Dienstleister übertragen.151 Der Vorstand ist verpflichtet, seine organschaftliche Leitungsfunktion selbst wahrzu143

Baums, ZGR 2011, 218 (267). Dahingehend auch Baums, ZGR 2011, 218 (267). 145 Baums, ZGR 2011, 218 (263, 267). 146 Pelz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 20 Rn. 4; vgl. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (163 f.); Baums, ZGR 2011, 218 (269). 147 Baums, ZGR 2011, 218 (269). 148 Baums, ZGR 2011, 218 (269). 149 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (270). 150 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 49a. 151 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18. 144

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nehmen.152 Deshalb dürfen nur solche Aufgaben an Dritte übertragen werden, welche nicht dem Leitungsbereich des Vorstands zuzuordnen sind.153 Mitunter dürfen bestimmte betriebliche Aufgaben auf externe Dritte ausgelagert werden, solange der Vorstand vertraglich sicherstellt, dass er die Kontrolle und den Überblick über die entsprechende unternehmerische Funktion behält.154 Deshalb hat der BGH auch im Holiday Inn-Urteil den Abschluss eines Betriebsführungsvertrags nicht als unzulässige Übertragung der Leitungsfunktion auf einen Dritten angesehen, weil dieser Vertrag Maßstab und Richtlinien für die Geschäftsführung des Dritten festlegte, Inhalt und Umfang der zulässigen Geschäftsführungsmaßnahmen sich am Interesse des Auftraggebers ausrichteten und diesem umfassende Informations-, Einsichts- und Kontrollbefugnisse eingeräumt waren, mit denen er die Einhaltung der vereinbarten Geschäftsführungsaufgaben erreichen oder das Vertragsverhältnis beenden konnte.155 Ein ähnliches Problem stellte sich im Opel-Urteil des LG Darmstadt, wo der Vorstand der Adam Opel AG die gesamte EDV der Gesellschaft an eine Tochtergesellschaft der Konzernmutter General Motors, in welcher die konzernweite Datenverarbeitung zusammengefasst war, übertragen hatte. Für das Gericht war dabei maßgeblich, dass der Vorstand innerhalb eines technisch und verwaltungsmäßig hoch differenzierten Produktionsbetriebes auf das Wissen und Können von Spezialisten angewiesen ist, welche in der Lage sind, verschiedene Lösungen für die jeweils zu treffenden Entscheidungen vorzubereiten. Solange der Vorstand jedoch für die Aufgabenstellung an die Datenverarbeitung zuständig und kontrollbefugt bleibe und die Letztentscheidungsbefugnis über einen Vorschlag innehabe, werde die selbständige Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nicht aufgegeben.156 Deshalb wurde die Übertragung der Datenverarbeitungsaufgaben auf die externe Gesellschaft nicht von dem Gericht als unzulässige Aufgabe unverzichtbarer Vorstandsaufgaben angesehen.157 In dem dargestellten Rahmen sind also auch vom Aufsichtsrat Aufgabendelegationen des Vorstands zu dulden. b) Externes Legalitätsprinzip „Beredten Ausdruck“ einer grundsätzlich vorrangigen (externen) Legalitätspflicht findet diese in § 396 Abs. 1 AktG, wonach die Aktiengesellschaft aufgelöst werden kann, wenn sie durch gesetzwidriges Verhalten ihrer Verwaltungsträger das 152

MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18; vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (2). MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18. 154 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 20. 155 BGH, Urt. v. 5.10.1981 – II ZR 203/80, NJW 1982 S. 1817 f.; vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 20; Henze, BB 2000, 209 (210). 156 LG Darmstadt, Urt. v. 6.5.1986 – 14 0 328/85, ZIP 1986, 1389 (1392). 157 Vgl. hierzu auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 20 f.; Henze, BB 2000, S. 209 f. 153

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Gemeinwohl gefährdet und Aufsichtsrat oder Hauptversammlung nicht für eine Abberufung der Verwaltungsträger sorgen.158 In manchen Konstellationen ist dennoch umstritten, ob Ausnahmen vom externen Legalitätsprinzip zulässig sind. Zeichnet sich dabei ab, dass der Vorstand hier ausnahmsweise gegen das Legalitätsprinzip handeln darf, muss dies der Aufsichtsrat bei seiner Überwachung berücksichtigen. Auf diese Fallkonstellationen wird im Folgenden eingegangen. aa) Nützliche Rechtsverletzungen (efficient breach of law)? Wie bereits angedeutet, sind Maßnahmen der Aktiengesellschaft, welche im Außenverhältnis gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, im Innenverhältnis der Gesellschaft immer zugleich eine Pflichtverletzung des handelnden Organs, wobei es hierbei irrelevant ist, ob der in Rede stehende Gesetzesverstoß wirtschaftlich oder rechtlich für die Gesellschaft vorteilhaft ist.159 Ganz fernliegend ist die Annahme pflichtgemäßen Verhaltens trotz eines Gesetzesbruchs indes nicht, wenn man bedenkt, dass die Missachtung teurer umweltrechtlicher Standards, Kartellrechtsverstöße wie auch Bestechungsgeldzahlungen, die zum Zuschlag für einen profitablen (Groß-)Auftrag führen, der Gesellschaft erhebliche Gewinne bescheren können, welche selbst nach Zahlung von Geldbußen nur im geringen Maße gemindert würden.160 Erachtete man solche Rechtsverletzungen indes als im Innenverhältnis zulässig, stünde dies einem Aufruf zu massenhaftem Umgehen gesetzlicher Vorschriften gleich.161 Der appellative Charakter einer solchen Auffassung ist damit mehr als zweifelhaft und verkennt den normativen Aspekt des geltenden Rechts. Für eine Rechtsgemeinschaft als auch eine Volkswirtschaft, die sich im schlimmsten Fall eines Wettbewerbs um die nützlichsten Gesetzesverletzungen ausgesetzt sähe, wäre dies verheerend. Im Jahr 1985 urteilte der BGH, dass „Rechtsgeschäfte, die schon nach ihrem objektiven Inhalt sittlich-rechtlichen Grundsätzen widersprechen, (…) ohne Rücksicht auf die Vorstellungen der das Rechtsgeschäft vornehmenden Personen nichtig“ sind.162 Bereits nach dieser Entscheidung mussten Schmiergeldvereinbarungen rechtlich nicht anerkannt werden, selbst wenn sie in einem fremden Staat zwar üblich, aber dennoch verboten sind. Dass wirtschaftliche Erfolge keinen Rechtfertigungsgrund für Korruption darstellen, zeigt sich nicht zuletzt durch die 158

So Fleischer, ZIP 2005, 141 (148); Bicker, AG 2014, 8 (9). So auch U. H. Schneider, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 905 (909); Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33 (42 ff.); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (513 ff.); Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (425 f.). 160 Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33 (42); Fleischer, ZIP 2005, 141 (145); vgl. auch Thole, ZHR 173 (2009), 504 (512 f.); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (425). 161 Ähnlich Thole, ZHR 173 (2009), 504 (516): „Wenn man davon ausgeht, dass die Erfüllung der an das Unternehmen gerichteten gesetzlichen Rechtsvorgaben aus Sicht des Gesetzgebers sozial erwünscht ist und dass vielfach ein Vollzugsdefizit im Hinblick auf die Durchsetzung des an die Gesellschaft gerichteten Verhaltensgebotes besteht, dann erzielt die Ablehnung einer Lehre von den nützlichen Pflichtverletzungen zumindest im Regelfall auch gewünschte Präventions- und Verhaltenssteuerungseffekte“. 162 BGH, Urt. v. 8.5.1985 – IVa ZR 138/83, BGHZ 94, 268 (272). 159

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Umsetzung internationaler Abkommen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger, welche durch Art. 2 § 1 EUBestG163 und Art. 2 § 2 IntBestG164 in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind. Damit sind Schmiergeldzahlungen an Amtsträger eines ausländischen Staates ebenso unter Strafe gestellt wie Schmiergeldzahlungen an ausländische Privatpersonen, für die § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB gilt165.166 Neben diesen Strafvorschriften äußert sich ein geändertes Werteverständnis auch in dem im Jahr 1999 verschärften167 § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG, wonach Bestechungsgelder nicht als Betriebsausgaben vom Gewinn abziehbar sind.168 Auch die Judikatur des BGH, dass im Ausland korrumpierenden Angestellten und Handelsvertretern nicht der Vorwurf einer Verletzung ihrer Dienst- oder Vertragspflichten gemacht werden könne169, wird sich danach nicht mehr aufrechterhalten lassen.170 Auch im Aktienrecht selbst lässt sich eine positive Anerkennung der Lehre von den nützlichen Pflichtverletzungen nicht finden.171 Ebenfalls wird man bei bloßen Ordnungswidrigkeiten oder Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Bindungen oder Normen mit bloßem Ordnungscharakter, etwa Vorschriften zur Arbeitszeit, nicht anders entscheiden können.172 Namentlich Paefgen befürwortet hingegen eine strikte Bindung allein an strafrechtliche Gebote und durch das private Deliktsrecht begründete Unterlassungsgebote und räumt dem Vorstand etwa bei sonstigen öffentlich-rechtlichen Bindungen einen Handlungsspielraum in Bezug auf das fragliche Rechtsverhältnis ein.173 Man wird für diese Sichtweise zwar § 396 Abs. 1 AktG heranziehen können, der erkennen lässt, dass es im Aktienrecht eine Unterscheidung zwischen minderen und erheblicheren Pflichtverletzungen gibt.174 Nichtsdestotrotz verbietet sich eine Qualifizierung von Ordnungswidrigkeiten als „Normen zweiter Klasse“, da auch sie im Interesse der 163 Gesetz zu dem Protokoll v. 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz – EUBestG) v. 10.9.1998, BGBl. II, S. 2340. Art. 2 § 1 EUBestG wurde durch Art. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption v. 20.11.2015 aufgehoben. Seither stellt § 334 StGB die Bestechung europäischer Amtsträger unter Strafe. 164 Gesetz zu dem Übereinkommen v. 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung – IntBestG) v. 10.9.1998, BGBl. II 1998, S. 2327. 165 Vgl. v. Heintschel-Heinegg/Momsen/Laudien, StGB, § 299 Rn. 9.1. 166 Siehe LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10, ZIP 2014, 570 (573). 167 Vgl. Wied, in: Blümich, § 4 EStG, Rn. 899. 168 Vgl. auch Fleischer, ZIP 2005, 141 (145). 169 BGHZ 94, 268 (272). 170 So auch m. w. N. Fleischer, ZIP 2005, 141 (145). 171 Thole, ZHR 173 (2009), 504 (515). 172 So auch Bicker, AG 2014, 8 (11); Fleischer, ZIP 2005, 141 (149); Dreher, in: DaunerLieb u. a., FS Konzen, 85 (92); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (412); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (520 f.); a. A. U. H. Schneider, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 905 (909 f.). 173 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 25. 174 Vgl. Bicker, AG 2014, 8 (11).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Öffentlichkeit erlassen sind und Anspruch auf unbedingte Einhaltung erheben.175 Für den Aufsichtsrat bedeutet dies, dass es für den Vorstand keinen Dispens je nach Art der verletzten Rechtsvorschrift geben kann. bb) Anwendung ausländischen Rechts Zu den im Außenverhältnis einzuhaltenden Rechtsnormen zählen grundsätzlich auch ausländische Rechtsvorschriften, welche die Gesellschaft im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Betätigung in dem jeweiligen Staat treffen.176 Sofern die Gesellschaft also über Auslandsniederlassungen verfügt, unterfällt sie den dort geltenden Gesetzen und die Organe der Gesellschaft müssen sich nach den daraus folgenden Pflichten richten, sofern diese dem Ordre Public nach deutschem Rechtsverhältnis standhalten.177 Es bietet sich jedoch an, dass Organmitglieder dann ausländisches Recht nicht berücksichtigen müssen, wenn dieses in der dortigen Rechtspraxis ohnehin nicht befolgt wird.178 Der Vorstand wird sich aber jedenfalls darüber informieren lassen müssen, ob das Recht in dem ausländischen Staat in praxi angewendet wird.179 Selbst dann aber wird der Vorstand zumindest bindende internationale Vorschriften (Codes of Conduct) im Auge behalten müssen.180 cc) Unklare oder streitige Rechtslage Wenn die Rechtslage unklar oder umstritten ist, wird dem Vorstand nach überwiegender Meinung ein Ermessensspielraum eingeräumt, für welche Auslegung er sich entscheidet.181 Er kann daher nach pflichtgemäßem Ermessen einen für die Gesellschaft günstigen Rechtsstandpunkt einnehmen, selbst wenn dies für die Gesellschaft nicht der rechtssicherste Weg ist.182 Bei eilbedürftigen Entscheidungen 175 So zu Recht Fleischer, ZIP 2005, 141 (149); dahingehend auch Thole, ZHR 173 (2009), 504 (520). 176 Bicker, AG 2014, S. 8; vgl. LG München I, ZIP 2014, 570 (572 f.); Pusch/Daub, in: Boecken u. a., Arbeitsrecht, § 93 AktG, Rn. 15. 177 So auch Bicker, AG 2014, 8 (12); ähnlich Paefgen, WM 2016, 433 (440). Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (426 f.) stellt hingegen darauf ab, ob das jeweilige Kollisionsrecht das ausländische Recht für anwendbar erklärt. Hiergegen spricht indes, dass die Beachtung allein des nach deutschem Kollisionsrecht berufenen Sachrechts in der internationalen Unternehmenspraxis nicht die gebotene Risikoeinschätzung und Risikoprävention ermöglicht, wenn die mit der Inanspruchnahme von ausländischen Behörden oder Gerichten verbundenen Gefahren nicht ausreichend zu beachten sind, so zu Recht Paefgen, WM 2016, 433 (440). Kritisch hierzu auch Bicker, AG 2014, 8 (12). 178 So zu Recht auch Bicker, AG 2014, 8 (12); vgl. ferner Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (427). 179 Bicker, AG 2014, 8 (12); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (427). 180 Vgl. Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (427). 181 Fleischer, ZIP 2005, 141 (149 f.); Bicker, AG 2014, 8 (10 f.); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521 ff.). 182 Bicker, AG 2014, 8 (10); vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141 (149); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (421).

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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kann sogar eine nur summarische Rechtsprüfung genügen.183 Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass in Rechtsnormen unbestimmte und interpretationsbedürftige Begriffe enthalten sind, welche Beurteilungsspielräume für den Rechtsanwender schaffen und demgemäß die Deutung der Norm höchst umstritten sein kann.184 Beispielhaft hierfür ist der Wechsel im Kartellrecht hin zum System der Legalausnahme. Konnten Unklarheiten in der Rechtsanwendung und damit einhergehende Bußgeldrisiken noch bis zum Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle185 durch eine Anmeldung bei der zuständigen Wettbewerbsbehörde beseitigt werden, müssen die Leitungsorgane fortan selbst einschätzen, ob die Voraussetzungen für die Freistellungsfähigkeit im Rahmen der Generalklausel des § 2 GWB erfüllt sind.186 Dies mag zumindest in einigen Fällen erhebliche rechtliche Risiken bei den betroffenen Unternehmen hervorrufen,187 insbesondere im Hinblick auf drohende Schadensersatzforderungen von Betroffenen nach § 33 Abs. 3 GWB188. In jüngerer Zeit hatte der BGH zweimal Gelegenheit, sich implizit im Rahmen der Frage nach einem Rechtsirrtum mit dem Aspekt der Entscheidung bei unklarer Rechtslage auseinanderzusetzen.189 Im ISION-Urteil entschied der BGH, unter welchen Voraussetzungen ein zuvor eingeholter Rechtsrat einen schuld- und haftungsausschließenden Rechtsirrtum begründen kann.190 Der BGH betonte dabei unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung, dass ein Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten müsse.191 Dabei treffe grundsätzlich den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Um jedoch den strengen Anforderungen an die dem Vorstand obliegende Prüfung der Rechtslage zu genügen, reiche eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person durch die Gesellschaft nicht aus. Erforderlich sei vielmehr, dass sich der Vorstand, welcher selbst nicht über die erforderliche Sach183 184

(415). 185

Fleischer, ZIP 2005, 141 (150); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (420). Vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403

Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 7.7.2005, BGBl. I S. 1954. 186 Vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521); Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33 (45 f.; 72); Lotze, NZKart 2014, 162 (163); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (407 ff.); vgl. ferner Bechtold/Bosch, GWB, § 2 Rn. 2 f. 187 Vgl. hierzu Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33 (71 ff.). 188 Vgl. Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (408). 189 Anders als häufig in der Literatur diskutiert der BGH (siehe hierzu sogleich) dieses Problem jedoch nicht unter dem Blickwinkel einer möglichen Anwendbarkeit von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (siehe nur Bicker, AG 2014, 8 (10); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (413); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521 ff.): „Parallelen zwischen Business Judgement und Legal Judgement unübersehbar“), sondern als Möglichkeit des verschuldensausschließenden beachtlichen, da unverschuldeten Rechtsirrtums. 190 Vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, AG 2011, S. 876 ff. 191 BGH, AG 2011, 876 (877).

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kunde verfüge, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lasse und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterziehe.192 In einer jüngeren Entscheidung konkretisierte der BGH die Anforderungen an die Fragestellungen an den Sachverständigen und an die Plausibilitätsprüfung, ferner das Kriterium der Unabhängigkeit des Beraters.193 Danach erfordert eine Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums nicht, dass ein Prüfauftrag ausdrücklich für eine bestimmte Rechtsfrage erteilt wird, sondern nur, dass die Prüfung die zweifelhafte Frage aus der Sicht des nicht fachkundigen Vorstands mitumfasst.194 Selbst wenn sich der dem sachkundigen Dritten erteilte Auftrag auf eine anderweitige Aufgabenstellung richte, könne es das Organ entlasten, wenn es sich nach den Umständen der Auftragserteilung darauf verlassen durfte, dass die Fachperson im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch diese zweifelhafte Frage geprüft habe. Unabhängig vom Inhalt des Prüfauftrags könne es das Organ ferner entlasten, wenn die fachkundige Person nach dem Inhalt der Auskunft die Rechtsfrage tatsächlich geprüft und beantwortet habe. Dass der Prüfauftrag nicht auf die ausdrückliche Klärung einer bestimmten rechtlichen Frage ziele, hindere eine Entlastung ebenfalls nicht. Von einem nicht selbst rechtskundigen Auftraggeber könne grundsätzlich nicht erwartet werden, dass er bestimmte Rechtsfragen formuliere. Weiterhin bestehe die Plausibilitätsprüfung nicht in einer rechtlichen Überprüfung der erhaltenen Rechtsauskunft.195 Sie beinhalte vielmehr eine Überprüfung, ob dem Berater nach dem Inhalt der Auskunft alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestanden hätten, er die Informationen verarbeitet habe und alle sich in der Sache für einen Rechtsunkundigen aufdrängenden Fragen widerspruchsfrei beantwortet habe oder sich aufgrund der Auskunft weitere Fragen aufdrängten. Ferner sei mit der Unabhängigkeit des Beraters nicht dessen persönliche Unabhängigkeit gemeint, sondern dass der Berater seine Rechtsauskunft sachlich unabhängig, mithin unbeeinflusst von unmittelbaren oder mittelbaren Vorgaben hinsichtlich des Ergebnisses erteilt habe.196 Mit dem jüngeren Urteil dürfte feststehen, dass die Beratung durch Syndikusanwälte ebenso unabhängig ist, sofern gewährleistet ist, dass der von ihnen erteilte Rechtsrat auf einer ergebnisoffenen Prüfung beruht.197 Damit der Vorstand auf eine angemessene Informationsgrundlage zurückgreifen kann, wird allerdings bei entsprechender Bedeutung der Entscheidung externer fachkundiger Rechtsrat einzuholen sein.198 Insbesondere bei komplexen und schwierigen Fragen und solchen von 192 193 194 195 196 197 198

BGH, AG 2011, 876 (877). BGH, Urt. v. 28.4.2015 – II ZR 63/14, AG 2015, S. 535 ff. BGH, AG 2015, 535 (536). BGH, AG 2015, 535 (537). BGH, AG 2015, 535 (537). So auch Bicker, AG 2014, 8 (10 f.). Fleischer, ZIP 2005, 141 (149 f.).

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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besonderer Tragweite, etwa bei Übernahmevorhaben, Großkrediten, Anleiheemissionen und Börsengängen respektive Delistings oder Downlistings, sind regelmäßig besondere Rechts- und auch Branchenkenntnisse gefragt, weswegen hier vom Vorstand im Einzelfall geprüft werden muss, ob die Hinzuziehung externer Rechtsanwälte erforderlich ist.199 Diese verfügen zumeist über ein breiteres Wissensspektrum und können aus den Erfahrungen mit unterschiedlichen Klienten aus vorvergangenen Mandaten regelmäßig Schlussfolgerungen für die jeweilige, neu zu klärende Frage ziehen und sich dadurch ein gefestigtes und praktisch verwertbares Judiz bilden. Ferner kann eine weitere Stellungnahme nach Fasson eines VierAugen-Prinzips das bislang gefundene Ergebnis untermauern oder begründetermaßen in Zweifel ziehen. Der Aufsichtsrat wird deshalb bei unsicherer Rechtslage immer prüfen müssen, ob der Vorstand nicht externe Rechtsberater hinzuziehen muss oder hätte müssen. dd) Bewusstes Abweichen von einer ständigen Rechtsprechung Mit dem zuvor Dargelegten nähert man sich dem Topos des bewussten Abweichens von einer gefestigten oder ständigen Rechtsprechung. Auch und gerade in einem demokratischen Rechtsstaat sind Recht und Gesetz nichts statisches, sondern vielmehr ständigen Änderungen ausgesetzt. Die Entscheidungen des BGH Siemens/ Nold200 und Gelatine I201 sind nur zwei Beispiele einer Rechtsfortentwicklung in Permanenz. Zeigen sich also praktische Schwierigkeiten in der Anwendbarkeit einer obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Judikatur und wird die Rechtsprechung aus diesen oder anderen Gründen in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Weise, wie etwa in Fachpublikationen, diskutiert und dort überwiegend abgelehnt, besteht damit immerhin die Möglichkeit, dass Gerichte zukünftig anders entscheiden werden. Zeichnet sich damit eine Änderung der Rechtsprechung ab, wird man ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung eher billigen können.202 Besteht hingegen eine gefestigte Rechtsauffassung oder ständige Rechtsprechung und Rechtspraxis, bei welcher keine Änderung zu erwarten ist, und kommt der Vorstand gleichfalls zu dem Entschluss, sich trotz dessen darüber hinwegzusetzen, müssen seine Gründe hierfür umso gewichtiger sein, je stärker der bisherige Rechtskanon ist.203 Dabei werden auch die im Falle des Scheiterns zu erwartenden Nachteile für die Gesellschaft zu berücksichtigen sein; bei drohenden unverhältnismäßig großen Nachteilen wird sich ein Abweichen von einer gefestigten Rechtsauffassung nicht rechtfertigen lassen.204 Gleichwohl wird der Vorstand aber verpflichtet sein, entsprechende Rechtsbehelfe 199 200 201 202

(425).

Vgl. dahingehend auch Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (421). Siehe oben Fn. 121. Siehe oben Fn. 114. Vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504 (524); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403

203 Vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504 (524); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (422); Bicker, AG 2014, 8 (11). 204 Vgl. auch Bicker, AG 2014, 8 (11).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

gegen behördliche oder gerichtliche Entscheidungen zu ergreifen, sofern diese nicht von vornherein aussichtslos sind, um zum Wohle des Unternehmens eine bislang geltende Rechtslage anzugreifen und den Interessen der Gesellschaft dadurch potenziell zur Durchsetzung zu verhelfen.205 Die Historie um die europarechtliche Zulässigkeit der Geschäftstätigkeit von Internet-Apotheken206 und insbesondere die in jüngerer Vergangenheit ergangene Entscheidung „Deutsche Parkinson Vereinigung“ des EuGH, welche die in Deutschland für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltende Preisbindung als Verstoß gegen das Unionsrecht wertete207, sind Testate für bisweilen nur schwerlich abzusehende Rechtsprechungsänderungen, die aber letztlich den wirtschaftlichen Belangen der betroffenen Unternehmen und Organisationen dienten. ee) Rechtfertigende Pflichtenkollisionen? In Anlehnung an die allgemeine Dogmatik des Haftungsrechts kommt eine Begrenzung des Legalitätsgrundsatzes in Betracht, sofern der Vorstand sich konfligierender Pflichten208 gegenübersieht oder ihm besondere Rechtfertigungsgründe, etwa unter Notstandsgesichtspunkten, zur Seite stehen.209 Das Vorstandsmitglied wird von seiner Verantwortlichkeit befreit, wenn es entweder das überwiegende Interesse wahrnimmt oder wenn es einer von zwei gleichrangigen Pflichten, von denen nur eine erfüllt werden kann, den Vorzug einräumt.210 Einen ersten Anhaltspunkt für einen Rechtfertigungsgrund enthält § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG, der in Ausnahme vom Verbot der Einlagenrückgewähr gestattet, Zahlungen an Aktionäre zu leisten, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.211 Diese Rechtfertigung wird aber unter dem Vorbehalt stehen, dass dem Vorstand keine anderen Möglichkeiten zur Abwendung des Schadens zur Verfügung stehen.212 Umstritten ist, ob der Vorstand, wen er ein feindliches Übernahmeangebot bekämpft, entgegen § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG berechtigt sein soll, Abwehrmaßnahmen zu unternehmen, wenn ihm Anhaltspunkte für eine gesetzeswidrige Ausbeutung oder 205

Dahingehend auch Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (423). Vgl. hierzu m. w. N. Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (423). 207 Siehe EuGH, Urt. v. 19.10.2016 – C-148/15, GRUR 2016, S. 1312 ff. 208 Einen Fall der rechtfertigenden Pflichtenkollision wurde etwa in BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 in Erwägung gezogen. Vgl. hierzu aus dem Strafrecht auch Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, Vorb. §§ 32 ff., Rn. 71/72. 209 Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (424); Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 34; ders., ZIP 2005, 141 (150); Bicker, AG 2014, 8 (12). 210 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 34. 211 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 103; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 34; ders., ZIP 2005, 141 (150); Bicker, AG 2014, 8 (12); Spindler, in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (424). 212 So Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 34; ders., ZIP 2005, 141 (150). 206

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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andauernde rechtswidrige Tätigkeit des Unternehmens nach Übernahme vorliegen.213 Dieses Unterfangen wird man allerdings kritisch beurteilen müssen. Im Fall der Übernahme ist im deutschen Recht ohnehin schon für den Vorstand ein sehr weiter Handlungsrahmen gezogen, der im Falle des dritten Erlaubnistatbestandes des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG nur unter dem Legitimationsvorbehalt der Zustimmung des Aufsichtsrats steht.214 Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Vorstand ohne Zustimmung des Aufsichtsrats über die Grenzen des § 33 WpÜG hinwegsetzen können soll, obwohl dies im Gesetz nicht geregelt ist.215 Kommt der Vorstand deshalb zum gegenteiligen Entschluss, ist der Aufsichtsrat gehalten, hier einzugreifen, sofern nicht andere Erlaubnistatbestände nach § 33 WpÜG gegeben sind. Generell kann die Anerkennung eines Notstands keine Blankettermächtigung für den Vorstand sein, sich aufgrund von ihm selbst als gefährlich eingestufter Situationen über seine Pflichten ohne gesetzliche Erlaubnis hinwegzusetzen.216 Die Annahme von rechtfertigenden Notstandssituationen ebenso wie Pflichtenkollisionen muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.217 Mit Sicherheit wird eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in aller Regel dann auszuschließen sein, wenn die Existenz des Unternehmens und der Arbeitsplätze nur durch Zuwiderhandlung gegen Arbeitsschutz- oder Umweltvorschriften gerettet werden kann.218 Den vom Gesetzgeber als höherrangig eingestuften gesamtgesellschaftlichen Interessen ist hier unbedingt der Vorzug einzuräumen. Anders wird sich der Vorstand entscheiden können und unter Umständen auch müssen, wenn es um den Schutz höchstrangiger Rechtsgüter wie dem des Lebens und der Gesundheit von Mitarbeitern geht.219 ff) Nützliche Vertragsverletzungen (efficient breach of contract)? Vergleichsweise klar ist das Meinungsbild bei der bewussten Verletzung vertraglicher Pflichten. Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass sich die Legalitätspflicht nicht auf die Vertragspflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten erstreckt und die Vorstandmitglieder im Innenverhältnis keine Rechtspflicht trifft, 213

Vgl. Bicker, AG 2014, 8 (12); Fleischer, ZIP 2005, 141 (150). Ablehnend etwa MüKoAktG/Schlitt, § 33 WpÜG, Rn. 181; vgl. ferner die Nachweise bei Bicker, AG 2014, 8 (12) Fn. 41. 214 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 104; ders., in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (424). 215 So zu Recht auch MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 104; ders., in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (424). 216 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 104; ders., in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (424). 217 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 104; ders., in: Heldrich u. a., FS Canaris II, 403 (424). 218 So zu Recht Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 34; ders., ZIP 2005, 141 (150 f.). Dahingehend auch BGH, Urt. v. 20.11.1996 – 2 StR 323/96, NStZ 1997, 189 (190), welcher die umweltgefährdende Abfallbeseitigung i. S. v. § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB a. F. nicht dadurch gerechtfertigt ansah, dass der Angeklagte mit seinem Handeln möglicherweise auch die Erhaltung von Arbeitsplätzen beabsichtigte. Ein solches Motiv dürfe grundsätzlich nicht als Rechtfertigung für unbefugte Abfallbeseitigung herangezogen werden. 219 Dahingehend auch Bicker, AG 2014, 8 (12).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

sämtliche Vertragspflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten zu erfüllen.220 Dem Vorstand steht hier insofern ein unternehmerischer Handlungsspielraum zu. Drohen also der Aktiengesellschaft infolge eines Vertragsbruchs massive Nachteile oder überwiegen schlichtweg die zu erwartenden Nachteile die potenziellen Vorteile, wird die Nichterfüllung regelmäßig pflichtwidrig sein. Hier gewinnt der Aspekt der Schadensabwendungspflicht des Vorstands an Bedeutung. In anderen Fällen mag es von Vorteil sein, die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zu verzögern, etwa um Nachverhandlungen mit der Chance etwaiger Preisnachlässe zu ermöglichen oder bei Liquiditätsengpässen die Antragspflicht nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO wenigstens zeitweilig zu umgehen, etwa wenn sich eine Entspannung der wirtschaftlichen Lage in naher Zukunft abzeichnet.221 Begründen lässt sich dieses Ergebnis mit den Ausführungen von U. H. Schneider. Dieser führt aus, dass der Schutz der Vertragstreue zwar ein wichtiges Rechtsgut sei.222 Gleichwohl oblägen dem Vorstand Leitungspflichten nur gegenüber der Gesellschaft, Maßstab seines Handelns sei das Interesse des Unternehmens, respektive, wie hier vertreten, die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime. Vorrang sei dabei der Schutz öffentlicher Interessen und absoluter Rechtsgüter, hingegen nicht das Erfüllungsinteresse Dritter aufgrund vertraglicher Vereinbarungen. Dem ist zuzustimmen. Es lässt sich ferner das formale Argument anfügen, dass Vertragsvereinbarungen und -regelungen mangels Allgemeingültigkeit keine Rechtsnormen im technischen Sinne sind.223 Nur auf solche allerdings bezieht sich die Legalitätspflicht.224 Grenzen schafften hier dennoch die Möglichkeit der Haftung aufgrund sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB als auch einer Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 StGB. Doch ist auch hier der maßgebliche Anknüpfungspunkt nicht die Vertragsverletzung, sondern die Missachtung des gesetzlich ausgewiesenen Verbots der sittenwidrigen Schädigung oder des Betrugsverbots.225 Im Ergebnis bleibt der Vorstand gehalten, sorgfältig das Für und Wider einer vertraglichen Pflichtverletzung abzuwägen.226 Dem damit verbundenen unternehmerischen Ermessensspielraum muss der Aufsichtsrat bei seiner Überwachung Rechnung tragen.

220

Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 33; U. H. Schneider, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 905 (911 f.); Fleischer, ZIP 2005, 141 (144, 150); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (518 f.); Bicker, AG 2014, 8 (9 f.); A. A. Koch, ZGR 2006, 769 (786 f.); Schneider, DB 2005, 707 (711). 221 Vgl. Bicker, AG 2014, 8 (9 f.); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (518 f.). 222 U. H. Schneider, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 905 (912). 223 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 33; U. H. Schneider, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 905 (911); vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141 (144, 150). 224 Bicker, AG 2014, 8 (9). 225 So zu Recht Thole, ZHR 173 (2009), 504 (518). 226 So auch Thole, ZHR 173 (2009), 504 (519).

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2. Ordnungsmäßigkeit und Beachtung gesetzlicher Organisationspflichten Der Prüfungsmaßstab der Ordnungsmäßigkeit bezieht sich auf die Unternehmensplanung und die Organisation des Unternehmens.227 Ordnungsmäßigkeit setzt damit auch eine sinnvolle und angemessene Unternehmensorganisation unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen voraus.228 Kein Vorstand darf etwa von der Einrichtung einer funktionstüchtigen Buchführung absehen.229 Der Vorstand muss insbesondere dafür sorgen, dass die unternehmensinternen Entscheidungsstrukturen mit Rücksicht auf Größe und Struktur des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens allgemeingültigen Standards genügen.230 Außerdem müssen ein ausreichender und permanenter Informationsfluss von den Mitarbeiterebenen bis zum Vorstand aufgrund eines effektiven Rechnungs- und Berichtswesens und ferner eine angemessene und effiziente Aufgabendelegation im Unternehmen gewährleistet sein.231 Der Aufsichtsrat muss sich seinerseits überzeugen lassen können, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft diesen Grundsätzen entsprechend tatsächlich leiten und steuern kann.232 a) Unternehmensplanung Besonders virulent für eine ordnungsgemäße Unternehmensorganisation ist eine angemessene Unternehmensplanung; die einschlägige Vorstandspflicht belegt die Existenz des § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG,233 ferner die hier vertretene Verpflichtung der Unternehmensleitung zur nachhaltigen Unternehmenswert- bzw. Eigenkapitalwertmaximierung. Die vorherige Festlegung von Determinanten gewährleistet später die Prüfung des Erreichten. Deshalb hat sich der Aufsichtsrat des Bestehens einer angemessenen Unternehmensplanung zu vergewissern und bestimmte Vorgaben zu machen.234 Im Einzelnen sollten sowohl eine kurzfristige Budgetierung des laufenden und des nächsten Geschäftsjahres als auch eine mittelfristige Planung für die nächsten drei bis vier Jahre gewährleistet sein, wobei letztere sich auf die Entwicklung der Produktion, des Umsatzes, der Finanzen und der Investitionen beziehen sollte.235 Eine Pflicht zur Langzeitplanung über vier bis fünf Jahre hinaus soll indes nur bestehen, sofern dies Größe und Struktur der unternehmerischen Tätigkeit der 227

Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 21. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 79; vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 21; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 14. 229 Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (131). 230 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 21. 231 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 84. 232 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 79. 233 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 79 f. 234 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 81; vgl. Semler, ZGR 1983, 1 (17 ff.). 235 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 81. 228

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Aktiengesellschaft vorgeben.236 Hierbei ist allen voran an langfristige Investitionsplanung von großen Aktiengesellschaften zu denken, wie sie insbesondere im Bereich des Automobilbaus oder der Pharmaindustrie angesichts hoher Entwicklungskosten über das wirtschaftliche Wohl und Wehe des Unternehmens für die nächsten Jahre entscheiden. Eine langfristige Planung kann auch für Energieunternehmen von besonderer Bedeutung sein, wenn ihnen im Rahmen der Energiewende durch die Politik die grundlegende Änderung der Stromerzeugung für die Zukunft vorgegeben wird. Jede Planung setzt ihrerseits die Verständigung von Vorstand und Aufsichtsrat über die künftige Unternehmensstrategie voraus.237 Zur Unternehmensplanung gehört in jedem Fall auch eine angemessene Personalplanung.238 b) Gesetzliche Organisationspflichten Das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit betrifft auch die Befolgung gesetzlicher Organisationspflichten, sofern diese zu den Leitungsmaßnahmen des Vorstands gehören.239 Von besonderer Bedeutung ist hierbei der durch das KonTraG240 eingefügte § 91 Abs. 2 AktG, wonach der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen hat, insbesondere ein Überwachungssystem einrichten muss, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.241 Dieses System soll es dem Vorstand ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ergreifen zu können.242 Die Lage der Gesellschaft kann dann als bestandsgefährdend bezeichnet werden, wenn die Möglichkeit der Insolvenz nahe liegt bzw. wenn der Eintritt der Insolvenz in absehbarer Zukunft wahrscheinlich ist, sofern sich die nachteilige Entwicklung nicht aufhalten lässt; eine Krise der Gesellschaft braucht noch nicht zu bestehen, ebenso wenig ist ein Verlust in der Höhe der Hälfte des Grundkapitals (vgl. § 92 Abs. 1 AktG) notwendig, wenngleich dies häufig eine Bestandsgefährdung andeuten 236

So Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 82. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 81. Ziff. 3.2 DCGK verlangt deshalb auch zu Recht, dass der Vorstand die strategische Ausrichtung des Unternehmens mit dem Aufsichtsrat abstimmt und mit ihm in regelmäßigen Abständen den Stand der Strategieumsetzung erörtert; siehe hierzu auch Ziff. 4.1.2 DCGK („Der Vorstand entwickelt die strategische Ausrichtung des Unternehmens, stimmt sie mit dem Aufsichtsrat ab und sorgt für ihre Umsetzung.“). 238 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 84; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 21. 239 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 85 ff.; Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (329). 240 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 241 Besondere aufsichtsrechtliche Organisationspflichten gelten für Kreditinstitute (vgl. § 25a KWG und die von der BaFin veröffentlichten und regelmäßig novellierten Mindestanforderungen an das Risikomanagement), Wertpapierdienstleistungsunternehmen (vgl. § 33 WpHG) sowie Versicherungsunternehmen (vgl. §§ 23 ff. VAG). 242 Baums, ZGR 2011, 218 (270). 237

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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wird.243 Ferner ist nach § 317 Abs. 4 HGB bei börsennotierten Aktiengesellschaften im Rahmen der Abschlussprüfung zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann.244 Über das Ergebnis hat der Abschlussprüfer dem Aufsichtsrat nach § 321 Abs. 4 S. 1 HGB Rechenschaft abzulegen.245 Nach § 321 Abs. 4 S. 2 HGB ist in dem Bericht auch darauf einzugehen, ob Maßnahmen erforderlich sind, um das interne Überwachungssystem zu verbessern. Zentrale Elemente dieses internen Überwachungssystems sind das Risikofrüherkennungssystem, das Compliance-System und die interne Revision, wobei die richtige dogmatische Herleitung des ComplianceSystems umstritten ist.246 aa) Risikofrüherkennungssystem Zu den Leitungsaufgaben des Vorstands gehört mitunter das von § 91 Abs. 2 AktG geforderte und eingangs erwähnte Risikofrüherkennungssystem.247 Daraus wird 243

Baums, ZGR 2011, 218 (252). So auch die Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15. 245 Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (622); Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (329, 335). 246 Vgl. Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (167). 247 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65. So auch die Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15. Der überwiegenden Meinung zufolge ist nach § 91 Abs. 2 AktG allein die Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems, d. h. Früherkennungs- und Überwachungssystem, nicht aber eines Risikomanagementsystems (risk management), das auch Maßnahmen zur Risikobewältigung beinhalten kann, gefordert, siehe jeweils m. w. N. Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 8 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 91 Rn. 34 f.; MüKoAktG/ Spindler, § 91 Rn. 16; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 14; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 87; Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (162); Baums, ZGR 2011, 218 (272). Dem ist zuzustimmen, denn nur eine restriktive Auslegung des unbestimmt und offen gefassten § 91 Abs. 2 AktG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Vorstand im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens weitgehend frei ist, über die Grundsätze der Organisation und Leitung zu entscheiden, siehe Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (162). Im Zuge der Implementierung des BilMoG (siehe oben Einführung, Fn. 30) und der Einfügung der §§ 289 Abs. 5 HGB, 107 Abs. 3 S. 2 AktG, die den Begriff des Risikomanagements verwenden, war ein Streit um eine jetzt verpflichtende Einführung eines umfassenden Risikomanagementsystems entfacht (siehe hierzu Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 91 Rn. 35; Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (163 ff.)). Dem ist nicht zu folgen. Ausweislich der Begr. RegE v. 30.7.2008, BT-Drs. 16/10067, S. 76 wird durch § 289 Abs. 5 HGB weder die Einrichtung noch die inhaltliche Ausgestaltung eines internen Kontrollsystems oder eines internen Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess verpflichtend vorgeschrieben. Eine derartige Verpflichtung zur Einrichtung eines umfassenden internen Risikomanagementsystems enthält auch § 107 Abs. 3 S. 2 AktG nicht (a. a. O., S. 102). Auch Ziff. 4.1.4 DCGK erwähnt, dass der Vorstand für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen sorgt. „Risikocontrolling“ bedeutet allerdings nichts anderes als das in § 91 Abs. 2 AktG verlangte Risikofrüherkennungssystem und „Risikomanagement“ allein die in das Risikofrüherkennungssystem eingebundenen Prozessschritte der Analyse, Bewertung und Überwachung der identifizierbaren Risiken, siehe m. w. N. 244

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

überwiegend das Erfordernis eines zweistufigen Systems abgeleitet, wonach der Vorstand auf der ersten Stufe durch geeignete Maßnahmen für die Früherkennung bestandsgefährdender Risiken zu sorgen und auf der zweiten Stufe die betreffenden Maßnahmen und deren Einhaltung zu überwachen hat.248 Die konkrete Ausgestaltung des Risikofrüherkennungssystems ist jeweils „von der Größe, Branche, Struktur, dem Kapitalmarktzugang usw. des jeweiligen Unternehmens abhängig“249.250 Die Vorschrift beschränkt sich damit bewusst auf ein Minimalprogramm.251 Die Erstellung eines Gesamtrisikoprofils mit Erfassung und Quantifizierung sämtlicher, auch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eintretender Ausfallund Liquiditätsrisiken und ein Abgleich mit dem Risikodeckungspotenzial der Gesellschaft nach dem Vorbild des Bankaufsichtsrechts erfordert dies allerding nicht.252 Stattdessen geht es hierbei allein um das frühzeitige Erkennen von bestandsgefährdenden Entwicklungen, die eine Gefahr für den Fortbestand der Gesellschaft, also für die Vermögensdeckung der Verbindlichkeiten (Gefahr der Überschuldung) oder für die Zahlungsfähigkeit (Gefahr der Illiquidität) der Gesellschaft bedeuten und damit die Insolvenz der Gesellschaft auslösen können.253 Ziel ist es also, dem Vorstand zu ermöglichen, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sowie zur Sicherung des Fortbestandes der Gesellschaft ergreifen zu können.254 Dazu muss der Vorstand für einen ausreichenden Planungszeitraum einen Liquiditätsplan erstellen lassen, in welchem die erwarteten Mittelzuflüsse und Mittelabflüsse einander gegenübergestellt werden um beurteilen zu können, ob die Gesellschaft jederzeit in der Lage sein wird, den erwarteten Liquiditätsbedarf zu decken.255 Dabei ist insbesondere auf den Liquiditätsgrad der Gegenstände des Aktivvermögens sowie eine ausreichende Liquiditätsreserve zu achten und der nachhaltige Zugang zu den für die Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (163). Bei Ziff. 4.1.4 DCGK soll es deshalb allein um die Wiedergabe des geltenden Rechts handeln, Bachmann, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 851 (zu Ziff. 4.1.4 DCGK). Überhaupt kann der Kodex rechtlich keine Geltung beanspruchen, so zu Recht auch Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (162); siehe hierzu eingehend 1. Kapitel § 5 D. VII. In Ziff. 3.4 Abs. 2 S. 1 DCGK ist überdies vorgesehen, dass der Vorstand den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen relevanten Fragen u. a. der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance informiert. Darüber hinaus soll der Aufsichtsratsvorsitzende nach Ziff. 5.2 Abs. 3 S. 1 DCGK zwischen den Sitzungen mit dem Vorstand regelmäßig Kontakt halten und mit ihm Fragen u. a. der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance des Unternehmens beraten. 248 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 91 Rn. 36 m. w. N.; Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 6 ff.; Hölters/Müller-Michaels, AktG, § 91, Rn. 5 ff. 249 Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15. 250 Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (330). 251 Baums, ZGR 2011, 218 (250). 252 Baums, ZGR 2011, 218 (251, 270). 253 Baums, ZGR 2011, 218 (251, 263, 272 f.). 254 Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 481 f.; ders., ZGR 2011, 218 (251). 255 Baums, ZGR 2011, 218 (263, 272).

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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Gesellschaft maßgeblichen Refinanzierungsquellen zu hinterfragen.256 Gerade bei risikobehafteten Entscheidungen sind die Erkenntnisse aus dem Früherkennungssystem heranzuziehen und gegebenenfalls zu berücksichtigen.257 Wie diese Systeme im Einzelnen konkret ausgestaltet sind, ist eine Frage der Betriebswirtschaftslehre. Im Verlauf ihres Daseins sind die Systeme periodisch auf ihre Funktionalität zu prüfen und ob sich neuere und bessere Modelle entwickelt und durchgesetzt haben.258 Jedenfalls muss das System in der Lage sein, bestandsgefährdende Ausfall- und Liquiditätsrisiken zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten. Diese Risikovorsorge kann bei kleineren Aktiengesellschaften Aufgabe des Vorstands sein, hingegen wird es bei größeren Gesellschaften einer eigenen Organisationseinheit bedürfen, also einer Stabsstelle mit Risikocontrollingfunktion und geeignetem Personal.259 Der Vorstand hat sich selbst oder mit Hilfe einer Prüfabteilung, etwa der internen Revision, regelmäßig vom Funktionieren des Früherkennungssystems zu überzeugen.260 Die Ablaufmechanismen und die Kontrolltätigkeit, ferner die Dokumentationspflicht kann in der Geschäftsordnung nach § 77 Abs. 2 S. 1 AktG für den Vorstand rechtlich bindend festgehalten werden.261 Der Aufsichtsrat muss hingegen überprüfen, ob der Vorstand ein solches System eingerichtet und dokumentiert hat und dieses geeignet ist, seine Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.262 Der Bericht des Abschlussprüfers nach § 321 Abs. 4 HGB bei börsennotierten Gesellschaften dient dabei gerade dem Ziel, dem Aufsichtsrat die Überwachung zu erleichtern.263 Dem Aufsichtsrat obliegt im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit niemals die Früherkennung einzelner Risikoanlagen, sondern nur die abstrakte Prüfung des Überwachungssystems.264 Einzelgeschäfte sind Angelegenheit des Vorstands. Der Aufsichtsrat hat dabei auf den Vorstand einzuwirken, dass dieser ein System implementiert, welches risikobehaftete Geschäfte zumindest aufdecken und nach Möglichkeit einschränken kann.265 Dies muss auf allen Feldern der geschäftlichen Tätigkeit passieren, wie in der Produktion, im Rechnungswesen, in der Finanzierung, im Debitorenmanagement sowie der informationstechnischen Infrastruktur eines Unternehmens.266 Damit der Aufsichtsrat fortlaufend und der Ab256

Baums, ZGR 2011, 218 (263). Baums, ZGR 2011, 218 (271). 258 Vgl. Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (331); Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (162). 259 Vgl. Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (330); Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (167); Baums, ZGR 2011, 218 (274). 260 Baums, ZGR 2011, 218 (274). 261 Vgl. Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (333 f.). 262 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65; Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (328 ff.). 263 Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (329). 264 Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (331). 265 Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (331). 266 Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (331). 257

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

schlussprüfer jährlich das System überprüfen kann, muss der Vorstand den Ablauf des Risikofrüherkennungssystems, alle Einzelmaßnahmen sowie Erkenntnisse aus dem System erfassen und dokumentieren.267 Gerade in großen Aktiengesellschaften wird es sich aber häufig anbieten, dass sich nicht der Gesamtaufsichtsrat mit der Überwachung des Vorstands in Bezug auf das Risikofrüherkennungssystems auseinandersetzt, sondern diese Aufgabe dem Prüfungsausschuss (vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG) übertragen wird.268 bb) Compliance-System Dem Begriff Compliance sind zwei Bedeutungsdimensionen zuzuschreiben.269 Im Ausgangspunkt setzt sie an der Legalitätspflicht der Organmitglieder an, damit an deren Pflicht zur rechtmäßigen Amtsführung und zur Einhaltung von Gesetzen und Rechtspflichten,270 ist also insofern mit dieser identisch. Darüber hinaus wird Compliance als Überwachungs- und Organisationsverantwortung insbesondere des Vorstands begriffen (Corporate Compliance).271 In dieser Bedeutungsdimension werden drei Grundfunktionen unterschieden, nämlich Maßnahmen zur Prävention, also zur Vermeidung von Fehlverhalten, ferner dessen Aufdeckung und zuletzt die Reaktion hierauf.272 Der Vorstand muss daher die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen und Schutzvorkehrungen ergreifen, um ein rechtmäßiges Verhalten der Aktiengesellschaft, ihrer Organmitglieder und der Mitarbeiter zu gewährleisten und rechtswidrige Handlungen zu verhindern und zu unterbinden,273 m. a. W. staatlich gesetzte Gebots- und Verbotsnormen sowie interne Richtlinien im Unternehmen durchzusetzen274.275 Insbesondere die Mitarbeiter der Gesellschaft müssen dazu 267

(273).

Vgl. Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (334 f.); Baums, ZGR 2011, 218

268 Vgl. Claussen/Korth, in: Schneider u. a., FS Lutter, 327 (332 f.). Ziff. 5.3.2 DCGK sieht deshalb auch vor, dass der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss einrichtet, der sich insbesondere mit der Überwachung u. a. der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems, des internen Revisionssystems sowie der Compliance befasst. 269 Vgl. LG München I, ZIP 2014, 570 (573); Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (137 f.); Goette, ZHR 175 (2011), 388 (391); Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (509 f.). 270 Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 11; MünchHdbGesR/Wiesner, § 25 Rn. 23; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (137 f.); Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403); vgl. Oetker, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 43 GmbHG, Rn. 23; Kort, NZG 2008, S. 81. 271 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (138); vgl. MünchHdbGesR/Wiesner, § 25 Rn. 23; Moosmayer, Compliance, Rn. 1; Arnold, ZGR 2014, 76 (79). 272 Moosmayer, Compliance, Rn. 2 ff.; Habersack, AG 2014, 1 (3). 273 Thole, ZHR 173 (2009), 504 (510); Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403); vgl. LG München I, ZIP 2014, 570 (573). 274 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (138); Goette, ZHR 175 (2011), 388 (390). 275 Auch nach Ziff. 4.1.3 S. 1 DCGK hat der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance). Nach S. 2 soll er mitunter für angemessene, an der Risikolage des Unternehmensausgerichtete Maßnahmen (Compliance Ma-

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angehalten werden, Recht und Gesetz einzuhalten, nötigenfalls unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen.276 Diese zweite Bedeutungsdimension wird auch als Legalitätskontrollpflicht277, als Überwachungspflicht im Sinne einer Legalitätskontrollpflicht278 oder als Legalitätsdurchsetzungspflicht279 bezeichnet. Sie fällt in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands.280 Umstritten ist, welche Norm oder welcher Grundsatz als sedes materiae der Compliance-Organisationspflichten des Vorstands heranzuziehen ist. Hierfür werden insbesondere die allgemeine Legalitätspflicht281 als auch § 91 Abs. 2 AktG282 angeführt.283 Gegen § 91 Abs. 2 AktG wird zwar vorgebracht, es sei fragwürdig, ob Sanktionen infolge von Compliance-Verstößen wirklich bestandsgefährdende Ausmaße annehmen könnten.284 Umgekehrt ergebe sich aus der Legalitätspflicht keine Beschränkung im Hinblick auf bestandsgefährdende Vorgänge.285 Die potenzielle Bestandsgefährdung illegalen Handelns von Unternehmen wird man aber angesichts etwa der Vielzahl von Rechtstreitigkeiten der Deutschen Bank, welche diese aufgrund ihrer teilweise ungesetzlichen Geschäfte in der Vergangenheit derzeit führen muss, und des sog. Abgasskandals bei Volkswagen, der für den Konzern Kosten in Höhe mehrerer Milliarden Euro verursachen könnte und ihn schon zu nagement System) sorgen. Mangels Gesetzeskraft des Kodex kann diese Bestimmung jedoch keine Bindungswirkung entfalten, so auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (143). Siehe hierzu eingehend 1. Kapitel § 5 D. VII. 276 Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (620). 277 So Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403). 278 So Paefgen, WM 2016, 433 (438). 279 So Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (138, 145). 280 LG München I, ZIP 2014, 570 (575); Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 12; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (162); Goette, ZHR 175 (2011), 388 (394); Arnold, ZGR 2014, 76 (80). 281 So Thole, ZHR 173 (2009), 504 (510); Goette, ZHR 175 (2011), 388 (392); Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403 f.); Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (144 ff.); Habersack, AG 2014, 1 (4); Maume/Haffke, ZIP 2016, 199 (201). 282 So Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (168 ff.); Spindler, WM 2008, 905 (906); Passarge, NZI 2009, 86 (89 f.); Berg, AG 2007, 271 (275 f.) in Bezug auf die Schaffung eines Systems zur Unterbindung von Korruption. Unklar Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (622). 283 Das LG München I, ZIP 2014, 570 (573) hatte diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dennoch und entgegen MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 52 ist diese dogmatische Verortung allerdings insofern bedeutsam, da von ihr abhängt, ob Compliance-Angelegenheiten in die Abschlussprüfung und den Prüfbericht nach §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB mit einzubeziehen sind, so zu Recht Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (169). Gänzlich abzulehnen sein wird indes der Versuch, die Rechtfertigung für Compliance-Organisationen aus § 130 OWiG zu gewinnen. Zu bedenken ist, dass § 130 OWiG nur solche Norm- und Pflichtverletzungen erfasst, die mit Strafe oder Geldbuße bewehrt sind. Wegen ihres beschränkten Regelungsgegenstandes ist aus der Norm keine geschlossene Compliance-Organisation im Hinblick auf rechtswidrige Verhaltensweisen von Mitarbeitern ableitbar, so zu Recht Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (140 ff.). 284 So Thole, ZHR 173 (2009), 504 (510). 285 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (145).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

milliardenschweren Rückstellungen zur Bewältigung dieser Krise gezwungen hat,286 nur noch schwerlich abstreiten können.287 Auch Kartellrechtsverstöße können angesichts der damit verbundenen Gewinnabschöpfungen und Bußgelder der Kartellbehörden sowie der zivilrechtlichen Ansprüche von Geschädigten ruinösen Charakter für das Unternehmen haben.288 Teure Strafzahlungen aufgrund von Auslandskorruption drohten auch der Siemens AG, wie der Fall Siemens/Neubürger des LG München I, der Haftungsansprüche des Konzerns gegen seinen ehemaligen Finanzvorstand betraf,289 zeigt. Gerade über Jahre hinweg vorgenommene illegale Geschäftstätigkeiten können selbst Großkonzerne an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds bringen, sind also in ultimo bestandsgefährdend i. S. d. § 91 Abs. 2 AktG.290 Hinzu kommt, dass bei gedanklicher Anknüpfung des Compliance-Systems an die Legalitätspflicht immer das staatliche Normbefolgungsinteresse und nicht das Schadensabwendungsinteresse der Aktiengesellschaft im Vordergrund stünde.291 Dies vernachlässigt aber die eigentliche und berechtigte Intention von Unternehmen, durch Compliance-Maßnahmen vorrangig Vermögens- und Reputationsschäden von der Gesellschaft abhalten zu wollen.292 Der Vorstand ist aufgrund seiner Schadensabwendungspflicht, die Ausdruck der Unternehmensleitungspflicht ist293, angehalten, das Schädigungspotenzial von Normverletzungen zu analysieren und hierauf zu reagieren.294 Compliance-Systeme dienen nicht der Sanktionierung jeder kleineren Gesetzesüberschreitung, wie Parkverstöße oder dergleichen, sondern der Verhin286 Siehe die Berichte „Keine Entwarnung für die Aktie der Deutschen Bank“ (FAZ.NET v. 28.10.2016, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/keine-entwarnungfuer-die-aktie-der-deutschen-bank-14500868.html) und „Volkswagen muss für Abgasaffäre weiteren Finanzpuffer bilden“ (FAZ.NET v. 27.10.2016, abrufbar unter: http://www.faz.net/ak tuell/wirtschaft/unternehmen/vw-abgasskandal-volkswagen-bildet-weiteren-finanzpuffer-14 500048.html). 287 Dahingehend auch MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 52. Siehe auch die Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15, wonach zu den bestandsgefährdenden Entwicklungen insbesondere auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften gehören, die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken. Siehe auch Arnold, ZGR 2014, 76 (77). 288 Vgl. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (144). 289 LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10, ZIP 2014, S. 570 ff.; siehe hierzu Bachmann, ZIP 2014, S. 579 ff.; Paefgen, WM 2014, S. 433 ff. 290 Deshalb zählt auch die Gesetzesentwurfsbegründung Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften zu den bestandsgefährdenden Entwicklungen, Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/ 9712, S. 15. 291 Vgl. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (150); Bachmann, ZHR 180 (2016), 563 (566). 292 Dahingehend auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (151): „Aufgabe einer ComplianceOrganisation ist es – zugespitzt formuliert – mithin nicht allein, die Rechtsordnung vor Rechtsübertretungen durch das Unternehmen zu schützen, sondern auch das Unternehmen vor Verletzungen der Rechtsordnung.“ Zu diesem Gedanken auch Habersack, AG 2014, 1 (2); vgl. ferner mit abweichender Auffassung Verse, ZHR 175 (2011), 401 (405 f.). 293 Vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521). 294 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (150).

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derung und Unterbindung gewichtigerer Rechtsverletzungen;295 zumindest aggregiert können diese bestandsgefährdenden Charakter aufweisen. Hinzu kommt, dass nur durch Anwendung des § 91 Abs. 2 AktG bei börsennotierten Gesellschaften die Prüf- und Berichtspflichten durch den Abschlussprüfer nach §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB ausgelöst werden, ohne dass der Aufsichtsrat den Abschlussprüfer ausdrücklich hierzu vertraglich verpflichten müsste.296 Außer Acht gelassen werden darf allerdings nicht, dass die Legalitätskontroll- bzw. Legalitätsdurchsetzungspflicht im Grunde genommen eine Seite der Legalitätspflicht ist.297 Vor diesem Hintergrund lassen sich die Compliance-Organisationspflichten des Vorstands richtigerweise aus der Zusammenschau von Legalitätspflicht und § 91 Abs. 2 AktG begründen. Die Legalitätspflicht im Sinne einer Legalitätskontrollbzw. Legalitätsdurchsetzungspflicht ist Grund für die Corporate Compliance. § 91 Abs. 2 AktG bedingt darüber hinaus die Pflicht zur Errichtung eines adäquaten Überwachungssystems, dessen Ziel es vorrangig, jedoch nicht ausschließlich ist, Schäden für die Aktiengesellschaft zu unterbinden. Dabei ist die Einrichtung einer institutionalisierten Compliance-Organisation aber keinesfalls zwingend vorgeschrieben.298 Dies ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 AktG, denn wie schon im Rahmen des Risikofrüherkennungssystems besagt die Vorschrift nichts über eine etwaige Institutionalisierung des Überwachungssystems. Der Vorstand muss selbst entscheiden, wie er für die Durchsetzung rechtmäßigen Verhaltens in der Gesellschaft sorgt. Alle ComplianceMaßnahmen299, auch im Hinblick auf die Aufklärung vom Compliance-Verstößen300, stehen immer unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit.301 Dies erscheint besonders erklärlich, wenn man bedenkt, dass das Maß an Unvorhersehbarkeit des Erfolgs von Compliance-Maßnahmen häufig noch höher sein wird als im Rahmen der Evaluierung der Erfolgschancen kaufmännischer Entscheidungen; ferner beinhaltet ein Compliance-System auch selbst immer eine kaufmännische Seite, weil zu den Zwecken eines solchen Systems stets die finanziellen Ressourcen

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Dahingehend auch Thole, ZHR 173 (2009), 504 (510). Vgl. Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (169); Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (622). 297 Siehe nur Thole, ZHR 173 (2009), 504 (509). 298 So auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (153); Paefgen, WM 2016, 433 (437); Hüffer/ Koch, AktG, § 76 Rn. 14 ff. 299 Praxisrelevante Compliance-Maßnahmen sind u. a. regelmäßige Compliance-Schulungen für Mitarbeiter, Verhaltensvorgaben (sog. Code of Conduct), die Einrichtung einer anonymen Hotline (sog. Whistleblower-Hotline) oder Compliance-Audits, d. h. regelmäßige und unangekündigte Prüfungen der Gesetzesbefolgung durch Mitarbeiter, vgl. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (154 f.). 300 Vgl. Arnold, ZGR 2014, 76 (83). 301 Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403). Paefgen, WM 2016, 433 (436); vgl. Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 91 Rn. 53; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (148, 154). 296

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

der Aktiengesellschaft eingesetzt werden müssen.302 Ungeachtet dieser Erwägungen wird es aber regelmäßig von Bedeutung sein, dass eine klare organisatorische Zuordnung von Verantwortung und Kompetenzen auf Vorstandsebene und den nachgelagerten Organisationsebenen besteht, damit die verantwortlichen Personen ausreichende Befugnisse haben, um bei Compliance-Verstößen angemessen reagieren zu können.303 Ferner müssen Mitarbeiter über die einschlägigen Gesetze hinreichend informiert sein und es muss eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung existieren, damit die Compliance-Vorgaben wirksam umgesetzt werden können.304 Zum Zwecke der Effektuierung des Informationsflusses über Compliance-Verstöße kommen insbesondere Whistleblowing-Systeme in Betracht.305 Im Hinblick auf die mit der Einrichtung einer eigenen Abteilung verbundenen Kosten kommt namentlich bei kleineren Gesellschaften auch die Betrauung der Rechtsabteilung mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben in Betracht.306 Je nach Größe des Unternehmens und der potenziellen Gefahr von Rechtsverstößen kann es aber erforderlich sein, dass der Vorstand eine auf Verhinderung von Rechtsverstößen ausgelegte institutionalisierte Organisationsstruktur in der Gesellschaft (Compliance-Organisation) implementiert.307 Hierfür entscheidend sind ferner Art, Organisation, Struktur und Situation des Unternehmens, die Art und Weise des Kapitalmarktzugangs, das Risikopotenzial der Märkte, auf welchen das Unternehmen tätig ist, die geografische Präsenz und die Verdachtsfälle aus der Vergangenheit.308 Wie der Vorstand diese institutionalisierte Compliance-Organisation dann im Einzelnen ausgestaltet unterfällt seinem Ermessen.309 Stets sollte sich die Compliance-Organisation aber auf sämtliche Unternehmenszweige beziehen, um Pflichtverletzungen durch Mitarbeiter aller Sparten zu unterbinden.310 Bei größeren oder börsennotierten Aktiengesellschaften wird neben der Einrichtung einer eigenständigen Compliance-Abteilung auch die Bestellung eines Compliance-Beauftragten 302

Vgl. Nietsch, ZGR 2015, 631 (655 f.). Siehe die Strukturprinzipien für Corporate Compliance von Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (157 ff.). 304 Vgl. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (158). 305 Siehe hierzu Maume/Haffke, ZIP 2016, 199 (202 ff.). Ziff. 4.1.3 S. 3 Hs. 1 DCGK beinhaltet die Empfehlung an den Vorstand, dass Beschäftigten auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden soll, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben (siehe hierzu Bachmann/Kremer, in: Kremer u. a., DCGK, Rn. 850d ff.). 306 Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (172). 307 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 75; Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, S. 617 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504 (510). Das LG München I, ZIP 2014, 570 (573) ist an dieser Stelle insofern besonders streng, als es vom Vorstand zur Erfüllung seiner Organisationspflichten bei entsprechender Gefährdungslage verlangt, dass er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet. 308 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 67; LG München I, ZIP 2014, 570 (573). 309 MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 67; Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (172); Dreher, ZGR 2010, 496 (520); Paefgen, WM 2016, 433 (437). 310 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 68. 303

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(Compliance Officer) häufig unumgänglich sein.311 Die Grundsätze ordnungsgemäßer Delegation von Aufgaben, insbesondere die Schaffung einer sachgerechten Organisationsstruktur sowie die Auswahl geeigneten Personals und deren Instruktion, gelten auch hier.312 Gegen einen Rückgriff auf die sektorspezifischen Vorgaben für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen spricht indes, dass diese eben besonders auf jene Branchen ausgerichtet sind und sich ihre Anwendung in das allgemeine Aktienrecht wohl kaum bewerkstelligen ließe.313 Besteht der Verdacht eines Compliance-Verstoßes auf Mitarbeiterebene, muss der Vorstand diesem Verdacht nachgehen und in dem Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, den Regelverstoß abstellen und ahnden, etwa durch Kündigung, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Initiierung von Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.314 Kommt es zu einem Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter oder Organmitglieder, kann es für die Aktiengesellschaft unter dem Blickwinkel der Schadensvermeidung bzw. -verminderung dienlich sein, mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren und freiwillig Informationen zur Verfügung zu stellen, um dadurch Ermittlungsverfahren abzukürzen und Reputationsschäden infolge langwieriger Berichterstattungen und etwaige Bußgelder zu reduzieren.315 Ferner ist der Vorstand verpflichtet, seine Entscheidung über die Ausgestaltung der Compliance-Organisation unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse über die Eignung der unterschiedlichen Compliance-Maßnahmen in regelmäßigen zeitlichen Abständen zu überprüfen und zu aktualisieren.316 Hinweisen nach Mängeln im Compliance-System, insbesondere nach einem erkannten Regelverstoß, muss der Vorstand nachgehen und diese Fehler beheben.317 Dafür ist entscheidend, dass dem Vorstand regelmäßig, etwa vom Compliance Officer, Bericht erstattet wird.318 Die Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, regelmäßig und anlassunabhängig319 zu prüfen, welche Maßnahmen der Vorstand zur Legalitätswahrung getroffen hat und ob der Vorstand selbst dieses System überwacht, etwa durch Berichterstattung des Compliance Officers, ferner ob diese Maßnahmen für den Aufsichtsrat plausibel 311 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 75; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (153, 163 ff.). 312 Vgl. LG München I, ZIP 2014, 570 (574); Pelz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 20 Rn. 4; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (163 f.). 313 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 65; Dreher, ZGR 2010, 496 (520); Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (139, 142); ablehnend auch Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (172); Paefgen, WM 2016, 433 (437); Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403). 314 Habersack, AG 2014, 1 (5). 315 Vgl. Kremer, in: Burgard u. a., FS Schneider, 701 (703 ff.). 316 Vgl. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (153, 158 f.). 317 Vgl. LG München I, ZIP 2014, 570 (573 f.); Habersack, AG 2014, 1 (5). 318 Vgl. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136 (169). 319 Vgl. Habersack, AG 2014, 1 (5).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

erscheinen und ausreichend sind320 und ob das System seinen Anforderungen gerecht wird,321 insbesondere ob es funktionsfähig und effizient ist322. Der Aufsichtsrat hat sich ferner zu vergewissern, ob der Vorstand Verdachtsfällen von ComplianceVerstößen nachgeht und bei Aufdeckung von Regelwidrigkeiten die gebotenen, bereits dargestellten Konsequenzen zieht, insbesondere das bestehende ComplianceSystem evaluiert und gegebenenfalls verbessert.323 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass es sich angesichts der Vielzahl von Aufgaben, welche den Aufsichtsrat betreffen, empfiehlt, die Überwachung des Compliance-Systems einem zuvor eingerichteten Prüfungsausschuss (vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG) zu überantworten und diesen zu einem jährlichen Bericht an das Gesamtgremium zu verpflichten.324 Dieser Ausschuss unterstützt aber lediglich den Gesamtaufsichtsrat bei der Überwachung. Er ist kein beschließendes Gremium. Die Verantwortung für die Überwachung verbleibt beim Plenum.325 Ferner kann sich der Aufsichtsrat ein Zustimmungsrecht nach § 111 Abs. 4 AktG für die Implementierung und die spätere Änderung des Compliance-Systems vorbehalten und dadurch schon vor dessen Einführung Nachbesserungen anregen.326 cc) Interne Revision Zu einem angemessenen Überwachungssystem gehört auch eine interne Revision.327 Die Verpflichtung des Vorstands, für eine angemessene Revision zu sorgen, ist daher Teil des Pflichtenprogramms des § 91 Abs. 2 AktG und ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung328 zum KonTraG329.330 Diese Revision kann etwa mit der Überwachung des Risikofrüherkennungssystems und des Compliance-Systems betraut werden.331 Die konkrete Einrichtung und Ausgestaltung des Revisionssystems als separate Stabsstelle oder vorstandseigene Aufgabe ist wiederum abhängig von 320

Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (618 f.); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 75; Habersack, AG 2014, 1 (3); Fuhrmann, AG 2015, R328. 321 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 65; vgl. Habersack, AG 2014, 1 (4); Arnold, ZGR 2014, 76 (85). 322 Vgl. Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (244 f.). 323 Habersack, AG 2014, 1 (5); vgl. Arnold, ZGR 2014, 76 (85 f.); Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (245). 324 So Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (620 f.). Dem trägt auch Ziff. 5.3.2 Abs. 1 DCGK Rechnung. 325 Goette, ZHR 175 (2011), 388 (394); Arnold, ZGR 2014, 76 (97). 326 Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (618). 327 Siehe MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 53. Ebenso Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 14 und Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 19, welche dies allerdings unter das Kriterium der Zweckmäßigkeit fassen. Ähnlich Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 11. 328 Siehe Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15. 329 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 330 Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (167). 331 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 50; Arnold, ZGR 2014, 76 (83).

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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der Größe und Struktur der Gesellschaft, dem Risikopotenzial der Märkte, auf denen das Unternehmen tätig ist, sowie der Art des Kapitalmarktzugangs.332 3. Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit Mit der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens hat der Vorstand dessen Lebensfähigkeit zu sichern.333 Dieses Gebot verpflichtet den Vorstand nach überwiegender Meinung insbesondere dazu, für Bestand und dauernde Rentabilität des Unternehmens zu sorgen.334 An dieser Stelle gewinnt das hier vertretene Konzept der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime mit dem Ziel der nachhaltigen Unternehmenswert- bzw. Eigenkapitalwertmaximierung an Bedeutung. Der Aufsichtsrat hat sich wiederum davon zu überzeugen, dass der Vorstand auf die Umsetzung dieses Ziels langfristig zuarbeitet. Im Hinblick auf die hierfür wesentlichen Parameter kann im Einzelnen auf die bereits gemachten Ausführungen Bezug genommen werden.335 Zu Recht haben in diesem Zusammenhang Aspekte wie die Sicherung der Liquidität der Aktiengesellschaft, ihre angemessene Finanzierung und ihre Ertragskraft ebenso wie ihre Marktstellung besondere Bedeutung.336 Sofern man die Zweckmäßigkeit nicht synonym mit der Wirtschaftlichkeit auffasst337 oder ihr eigenständige Bedeutung abspricht338, ist im Rahmen der Kontrolle ihrer Berücksichtigung durch den Aufsichtsrat sicherzustellen, ob die vom Vorstand getroffenen oder zu treffenden wesentlichen Entscheidungen zielführend sind, um die im Rahmen der Unternehmensplanung und -strategie angestrebten Ziele zu erreichen339.

B. Die Durchführung der Überwachung Im ersten Abschnitt ging es im Wesentlichen um die Gegenstände und Adressaten der Überwachung des Aufsichtsrats, außerdem um die Maßstäbe der Kontrolle. Der folgende Abschnitt widmet sich der Intensität der Überwachung bzw. Kontrolldichte sowie der Frage, welche Instrumente dem Aufsichtsrat zur Kontrolle der Ge-

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Dreher, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 161 (168); MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 51. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 89. 334 So MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 53. 335 Siehe 1. Kapitel § 5 F. II. 2. e). 336 Dahingehend Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 89. 337 Siehe oben Fn. 327; vgl. auch Henze, NJW 1998, 3309 (3310). 338 Dahingehend Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 90; vgl. auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 21; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 12. 339 Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 12. 333

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

schäftsführung des Vorstands zur Verfügung stehen und auf welchen Zeitraum sich die Überwachung beziehen muss. I. Kontrolldichte Die Intensität der vom Aufsichtsrat geschuldeten Überwachung ist abhängig vom Einzelfall zu bestimmen.340 Semler hatte daher in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens eine dreifache Abstufung der Kontrollpflicht in begleitende, unterstützende und gestaltende Überwachung vorgeschlagen.341 Demnach solle sich der Aufsichtsrat bei normalem Geschäftsgang in der Überwachung zurückhalten und auf eine allgemeine Kontrolle beschränken. Zeichnet sich eine Verschlechterung des Unternehmensergebnisses ab, müsse der Aufsichtsrat zu einer unterstützenden Überwachung übergehen und verstärkt Berichte anfordern sowie Zustimmungsvorbehalte beschließen. Im Fall des Eintritts einer Krise müsse der Aufsichtsrat seine Überwachung zu einer gestaltenden intensivieren und sich nachhaltig mit der Eignung des Vorstands und der Effizienz der Vorstandsarbeit auseinandersetzen. Problematisch ist an der Auffassung Semlers, dass sich in der Praxis die suggerierten Abstufungen kaum trennscharf voneinander unterscheiden lassen.342 Die Zunahme der erforderlichen Kontrolldichte erfolgt fließend, Grenzziehungen und Stufenbildung zur Schematisierung des erforderlichen Arbeitseinsatzes sind nicht erforderlich und erscheinen eher willkürlich.343 Richtig an der Auffassung Semlers ist aber die Erkenntnis, dass Art und Intensität der erforderlichen Überwachung sich nach der wirtschaftlichen Situation der Aktiengesellschaft richten müssen.344 In wirtschaftlich normalen Zeiten, die keinen Grund zur Besorgnis geben, kann sich der Aufsichtsrat darauf beschränken, die regelmäßigen Vorstandsberichte nach § 90 AktG sowie den Jahres- und Konzernabschluss nebst Lageberichten und Prüfberichten des Abschlussprüfers zu kontrollieren und auf exponierten Geschäftsfeldern vereinzelt Nachfragen zu stellen.345 Insbesondere im Rahmen der Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitskontrolle hat sich der Aufsichtsrat darauf zu beschränken, erst dann aktiv zu werden, wenn eine Vorstandsmaßnahme unvertretbar erscheint.346 Hier kommen sowohl bloße Beratungen, die auch bei vertretbarem Vorstandshandeln immer möglich sind, als auch im Falle des Überschreitens

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OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625 (627); vgl. MüKoAktG/ Habersack, § 111 Rn. 57. 341 Siehe Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 231 ff.; ders., AG 1983, S. 141 ff. 342 Dahingehend auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 111 Rn. 316; KK/ Mertens/Cahn, § 111 Rn. 25. Kritisch auch MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 57. 343 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 111 Rn. 316. 344 Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 25. 345 Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 25; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 55. 346 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 94.

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des vorstandseigenen Ermessens der Beschluss eines Ad hoc-Zustimmungsvorbehalts in Betracht, um die vom Vorstand geplante Maßnahme zu verhindern.347 Die Intensität der Überwachungstätigkeit ist ferner an die jeweilige Risikosituation anzupassen.348 In besonders sensiblen Branchen und Unternehmensbereichen wird der Aufsichtsrat selbst in normalen Zeiten die Geschäftsführung des Vorstands äußerst aufmerksam verfolgen müssen.349 Eine nur „begleitende“ Überwachung kann hier nicht genügen. Beispielhaft hierfür sind Unternehmenssparten, die aufgrund ihres Auslandsbezugs für Korruption besonders anfällig sind, oder Geschäfte mit eminent hohem Risikopotenzial. Bei letzterem darf sich der Aufsichtsrat nicht nur auf die Information und Risikoanalyse des Vorstands verlassen, sondern muss eine eigenständige Bewertung vornehmen.350 Gleichermaßen stark überwachungsbedürftig sind strategisch bedeutsame und zukunftsweisende Projekte, deren Erfolg über das künftige wirtschaftliche Wohl der Aktiengesellschaft bestimmt, also insbesondere Großinvestitionen und Fusionsvorhaben, die grundsätzlich ein entsprechendes Risikopotenzial aufweisen.351 Ist der Aufsichtsrat mit dem Vorhaben nicht einverstanden, kommt wiederum der Beschluss eines Ad hoc-Zustimmungsvorbehalts in Betracht.352 In Bezug auf die Derivatgeschäfte der Porsche Automobil Holding SE auf Aktien der Volkswagen AG zum Zwecke des Aufbaus der Beteiligung an dieser hatte das OLG Stuttgart im Piëch-Fall353 entschieden, dass diese mit einem gesteigerten Risiko verbunden waren und deshalb für die Gesellschaft besonders bedeutsam gewesen seien.354 Dem Gericht zufolge oblag dem Aufsichtsrat hier die Pflicht zur selbstständigen Risikoabschätzung.355 Es genügte nicht, sich auf die Entgegennahme der Vorstandsberichte zu beschränken, vielmehr hatte jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied den relevanten

347

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 94. OLG Stuttgart, ZIP 2012, 625 (627); MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 57. 349 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 94; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 23. 350 Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 26. 351 Vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 23; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 57; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 94; OLG Stuttgart, ZIP 2012, 625 (627). 352 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 94. 353 Streitgegenständlich waren dort mitunter die als „Sardinien-Äußerungen“ bekanntgewordenen Aussagen des Aufsichtsratsmitglieds F. Piëch gegenüber Medienvertretern, wonach er nicht wisse, wie hoch die Risiken der geplanten Übernahme der Volkswagen AG seien und es ihm nicht gelungen sei, sich Klarheit über die Risiken aus den Optionsgeschäften zu verschaffen und aus der Bilanz könne man die Risiken nicht hinreichend ablesen, Hoffmann, AG 2012, 478 (479). 354 OLG Stuttgart, ZIP 2012, 625 (627). 355 OLG Stuttgart, ZIP 2012, 625 (627 f.). 348

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Sachverhalt vollständig und richtig zu erfassen und sich hierüber ein eigenes Urteil zu bilden.356 Diese Auffassung wurde später vom BGH bestätigt.357 Nimmt die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens eine negative Wendung, erhöhen sich Kontrolldichte und Beratungsaufwand des Aufsichtsrats, der mit dem Vorstand alternative Strategien zur Verbesserung der Situation erörtern und gegebenenfalls auf deren Umsetzung hinwirken muss.358 Mit Aufkommen einer Unternehmenskrise, d. h. einer signifikanten oder sogar existenzbedrohenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation, intensivieren sich die Überwachungspflichten erneut.359 In dieser Situation ist vom Aufsichtsrat ein Höchstmaß an Kontrolldichte und Kontrollintensität zu fordern.360 Der Aufsichtsrat muss sich durch Anforderung zusätzlicher Berichte in verstärktem Maße informieren und häufiger zu Sitzungen zusammenfinden, vermehrt Zustimmungsvorbehalte festlegen und gegebenenfalls Sachverständige mit einzelnen Prüfungen beauftragen.361 Das Recht auf Sonderberichte nach § 90 Abs. 3 AktG und das Einsichts- und Prüfrecht nach § 111 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG muss der Aufsichtsrat in dieser Situation vollumfänglich ausschöpfen.362 Der Aufsichtsrat hat darauf hinzuwirken, dass der Vorstand bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung rechtzeitig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe des § 15a Abs. 1 InsO beantragt363 und muss ferner dafür sorgen, dass keine mit § 92 Abs. 2 AktG unvereinbaren Zahlungen geleistet werden364.365 Zur sachgerechten Beurteilung der zugrunde liegenden Tatsachen muss sich der Aufsichtsrats gegebenenfalls sachverständiger Experten wie Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte bedienen.366 Für die wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens wird regelmäßig ein Sanierungskonzept unabdingbar sein. Der Aufsichtsrat hat deshalb darauf hinzuwirken, dass der Vorstand ein solches Konzept ausarbeitet und eingehend mit dem Aufsichtsrat berät.367 Dem Sanie356

Kritisch Selter, NZG 2012, 660 (661); Hoffmann, AG 2012, 478 (482 ff.). Siehe BGH, Beschl. v. 6.11.2012 – II ZR 111/12, ZIP 2012, S. 2438 f. 358 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 24; vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 95. 359 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 25; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 25 f. 360 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 96; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 25. 361 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 96; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 25. 362 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 25; vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 58. 363 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 96, 100; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 25. 364 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 25; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 100. 365 Siehe auch BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, AG 2009, 404 (405). 366 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 100. 367 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 98; vgl. Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 26. 357

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rungskonzept hat eine Ursachenanalyse der Krise und damit einhergehend eine Analyse hinsichtlich der vorhandenen Ressourcen der Gesellschaft in finanzieller wie personeller Hinsicht vorauszugehen.368 Die Analysen und Konzepte des Vorstands muss der Aufsichtsrat in jedem Fall kritisch durchsehen und prüfen, abermals unter etwaiger Inanspruchnahme externer Beratung.369 Gerade in der Unternehmenskrise kann es geboten sein, dass der Aufsichtsrat von seiner Personalkompetenz Gebrauch macht und die Geschäftsverteilung im Vorstand ändert sowie Vorstandsmitglieder abberuft und neue, geeignetere bestellt.370 Für den Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 S. 1 und 2 AktG genügt nach überwiegender Auffassung auch die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung in der Krise.371 Gerade im personellen Neuanfang kann auch der Schlüssel zur Wiedererlangung des wirtschaftlichen Erfolgs liegen. Nach § 105 Abs. 2 S. 1 AktG kann der Aufsichtsrat nötigenfalls sogar einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern für höchstens ein Jahr bestellen. II. Zeitliche Dimensionen Die Überwachungspflicht richtet sich sowohl auf vergangene, abgeschlossene Sachverhalte als auch auf die grundsätzlichen Fragen der zukünftigen Geschäftspolitik.372 1. Vergangenheitsbezogene Kontrolle Die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG ist zu einem wesentlichen Teil vergangenheitsbezogen und verpflichtet ihn zur Überprüfung abgeschlossener Vorgänge.373 Auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, insbesondere der Vorstandsberichte (§ 90 AktG), aber auch des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§ 171 Abs. 1 AktG), muss der Aufsichtsrat in einem ersten Schritt das tatsächlich Geschehene erfassen, um den dadurch gewonnenen Sachverhalt in einem zweiten Schritt nach Maßgabe der dargestellten

368

Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 98. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 98; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 26. 370 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 97; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 26. 371 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 106; MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 135; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 36; MünchHdbGesR/Wiesner, § 20 Rn. 55; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 26; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 97. 372 BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 (129); vgl. Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, S. 617; Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (128); Arnold, ZGR 2014, 76 (85). 373 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 29. 369

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Überwachungsmaßstäbe zu beurteilen.374 Im Rahmen der Prüfung von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Vorstandshandelns ist der Aufsichtsrat gehalten, sich ein eigenes Urteil zu bilden und ebenso berechtigt, gegenüber dem Vorstand eigene, abweichende Vorstellungen zur Geschäftsführung zu verlautbaren.375 Dies bedeutet indes nicht, dass der Aufsichtsrat über den Umweg des Überwachungsrechts eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen zum Durchbruch verhelfen darf.376 Hat der Aufsichtsrat jedoch Zweifel am Vorgehen des Vorstands, sollte er den Dialog mit dem Vorstand zur weiteren Sachverhaltserhellung und Schadensverminderung suchen.377 Werden dem Aufsichtsrat rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands bekannt, muss er dagegen einschreiten.378 Zur vergangenheitsbezogenen Überwachung gehören insbesondere auch die Prüfung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Vorstand, die Beurteilung der Erfolgsaussichten und des Für und Wider einer Anspruchsverfolgung nach Maßgabe des Unternehmenswohls und die Entscheidung über die (u. U. gerichtliche) Geltendmachung der Ansprüche.379 2. Zukunftsbezogene Kontrolle Dass Überwachung nicht nur retroperspektivisch zu verstehen ist, sondern dem Aufsichtsrat auch im Rahmen einer begleitenden und vorausschauenden Überwachung die Mitsprache und Beratung des Vorstands in künftigen Angelegenheiten der Gesellschaft obliegt, verdeutlicht § 90 AktG, wonach der Aufsichtsrat bereits im Vorfeld über alle für die Gesellschaft wesentlichen Gegenstände unterrichtet werden muss.380 Dem Aufsichtsrat soll die „vorbeugende Überwachung der Geschäftsführung“381 möglich sein, die im Wesentlichen den permanenten Meinungsaustausch beider Leitungsorgane und insofern die laufende Beratung des Vorstands erfordert.382 Allein dadurch wird der gesetzgeberischen Entscheidung Rechnung getragen, die Unternehmensführung in die Hände zweier Organe zu legen, welche in einer Weise zusammenzuarbeiten haben, die vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 120 Abs. 2 374 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 29; vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 14 f. 375 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 29. 376 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 29; siehe hierzu bereits 1. Kapitel § 6 B. II. 377 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 30. 378 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 16. 379 Siehe MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 34, 41 ff.; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 17. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 447 ff. Siehe hierzu auch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (siehe 1. Kapitel, Fn. 534), BGHZ 135, 244 ff. 380 Vgl. Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (128); MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 50; Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 341; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 18. 381 Siehe Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 1. 382 Vgl. BGHZ 114, 127 (130); Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (128).

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S. 1 AktG als gemeinsame Verwaltung der Gesellschaft bezeichnet werden darf.383 Ziel ist es, dass der Aufsichtsrat als Gesprächspartner und institutioneller Ratgeber des Vorstands auftritt.384 Der Aufsichtsrat soll folglich untersuchen, ob die Planungen und Vorhaben des Vorstands plausibel sind oder ein anderes Vorgehen erfolgsversprechender ist.385 Kommt der Aufsichtsrat hierbei zu einem anderen Ergebnis als der Vorstand, muss er seine Bedenken darlegen und diese mit dem Vorstand erörtern, wobei dem Vorstand wiederum die endgültige Entscheidung überlassen bleibt.386 In keinem Fall darf sich der Aufsichtsrat aber unter Berufung auf seine Beratungsfunktion das Recht zuerkennen, sich gegen den Willen des Vorstands in die Geschäftsführung einzumischen, solange es nicht um die konkrete Besorgnis pflichtwidriger Geschäftsführung geht.387 Insbesondere das Initiativrecht zur Unternehmensplanung sowie zur Festlegung der künftigen Geschäftspolitik liegt allein beim Vorstand.388 Der Aufsichtsrat ist nicht berechtig, in das Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft einzugreifen und über das Instrument der Beratung die Leitungsverantwortung des Vorstands zu unterminieren.389 Außerhalb des Bereichs überwachungsbedürftigen Vorstandshandelns trifft den Aufsichtsrat im Übrigen keine Beratungspflicht.390 Die geschuldete Beratung wird durch den Umfang der Überwachungspflicht begrenzt.391 Demgemäß bezieht sich seine Pflicht zur Beratung auf den Strategieteil der Unternehmensleitung, nicht aber auf den rein operativen Bereich.392 III. Einwirkungsmöglichkeiten Dem Aufsichtsrat stehen gewisse Kontroll- und Interventionsinstrumente zur Verfügung, um auf den Vorstand Einfluss zu nehmen. Diese lassen sich vornehmlich in repressiv und präventiv wirkende Maßnahmen, wie etwa die Einführung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, unterteilen.393

383

So zu Recht Goette, in: Geiß u. a., FS 50 Jahre BGH, 123 (128). Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 103; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 18. Siehe auch BGHZ 114, 127 (129): „ständige Diskussion mit dem Vorstand“ und „laufende Beratung“. 385 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 19; vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 103. 386 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 103. 387 So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 40. 388 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 51. 389 Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 344. 390 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 108. 391 Schütz, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 342. 392 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 108. 393 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 31. 384

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

1. Stellungnahmen und Beanstandungen Stets möglich sind Stellungnahmen und Beanstandungen seitens des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand, selbst wenn es nicht um den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens geht.394 Ihnen kommt keine rechtliche Verbindlichkeit zu, denn der Aufsichtsrat hat – abgesehen von § 32 MitbestG und § 15 MontanMitbestGErgG – kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand.395 Ob sich der Vorstand der Auffassung des Kontrollgremiums fügt, hängt allein von seiner Entscheidung ab.396 Keinesfalls darf er einer Beanstandung unbesehen Folge leisten.397 Wird dem Aufsichtsrat indessen eine Pflichtverletzung des Vorstands bekannt, so muss er dagegen einschreiten.398 Die Gesellschaft hat in diesem Fall einen Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung und gegebenenfalls Schadensersatz; der Aufsichtsrat kann dies in Ausübung seiner Vertretungsmacht nach § 112 AktG namens der Gesellschaft geltend machen.399 2. Einsichts- und Prüfungsrechte nach § 111 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG Das Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG soll dem Aufsichtsrat die Möglichkeit verschaffen, aus konkretem Anlass eigene Prüfungsmaßnahmen vorzunehmen.400 Die Geltendmachung dieser Rechte steht dem Gesamtaufsichtsrat zu und bedarf zu ihrer Geltendmachung eines Beschlusses.401 Das Einsichts- und Prüfungsrecht umfasst alle körperlich oder in elektronischer Form bestehenden und verfügbaren Unterlagen der Aktiengesellschaft, etwa Verträge sowie Vermögensobjekte, zu denen auch Fabrikationsanlagen gehören.402 Auch Mitglieder des Vorstands dürfen befragt werden. Sie haben zu diesen Fragen Stellung zu beziehen oder diese durch sachkundige Angestellte beantworten zu lassen.403 An dieser Stelle wird erneut das Problem des direkten Kontaktes des Aufsichtsrats zu Angestellten virulent. Das Kontrollgremium darf dieses Recht nicht zu einer generellen Befugnis zum Zugriff auf die dem Vorstand oder der internen Revision zukommenden Daten ausbauen oder selbst eine Art Unternehmensrevision installie-

394

Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 32; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 37. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 110; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 38; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 32. 396 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 110; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 38. 397 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 32. 398 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 37. 399 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 37. 400 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. 401 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 56. 402 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 53. 403 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 55. 395

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ren.404 In erster Linie übt der Aufsichtsrat seine Kontrolle grundsätzlich auf der Basis der vom Vorstand zur Verfügung gestellten Informationen aus; er soll und kann nicht selbst die Vorarbeit der Auswahl und Gliederung der zur Überwachung relevanten Daten leisten.405 Das Einsichts- und Prüfungsrecht dient insbesondere auch der Möglichkeit des Aufsichtsrats, sich durch Stichproben von einer pflichtgemäßen Geschäftsführung durch den Vorstand zu überzeugen.406 Wie bereits angesprochen, ist gerade in sich anbahnenden oder schon eingetretenen Unternehmenskrisen der umfassende Gebrauch dieses Rechts geboten.407 Dies gilt auch dann, wenn der Verdacht besteht, dass der Vorstand den Aufsichtsrat über die Unternehmensentwicklung nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt hat.408 Der Vorstand kann die Einsichtnahme von Informationen grundsätzlich nicht unter Verweis auf Geheimhaltungsinteressen verwehren; bei sensiblen Daten mag gleichwohl eine Delegation des Einsichts- und Prüfungsrechts auf einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder Sachverständige nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG in Betracht kommen.409 Erforderlich ist hierfür stets ein konkreter Auftrag; eine dauerhafte und umfassende Delegation von Überwachungsaufgaben an einzelne Aufsichtsratsmitglieder ist nicht gestattet.410 Auch das Recht nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG zur Einschaltung eines Sachverständigen erlaubt es nicht, diesen als ständigen Berater einzusetzen oder mit einer permanenten Controllingfunktion auszustatten; seine Beauftragung dient nur der zeitlich und sachlich beschränkten Informationsbeschaffung und Prüfung im Einzelfall.411 Vernünftigerweise wird der Aufsichtsrat von dieser Möglichkeit ohnehin nur zurückhaltend Gebrauch machen, um die Autorität des Vorstands nicht zu beschädigen.412 3. Beauftragung des Abschlussprüfers (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG) Nach dem durch das KonTraG413 eingefügten § 111 Abs. 2 S. 3 erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluss und gibt nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen Prüfungsschwerpunkte vor.414 Vor Erteilung des Prüfungsauftrages erfolgt die Wahl des Ab404

KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. 406 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. 407 Vgl. auch KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. 408 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. 409 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 52. 410 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 58. 411 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 63. 412 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 62. 413 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 414 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 69, 71; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 41. Die Übertragung dieses Rechts auf den Aufsichtsrat, das zuvor nach § 318 Abs. 1 S. 4 405

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

schlussprüfers nach § 318 Abs. 1 HGB durch die Hauptversammlung, die jedoch regelmäßig dem Vorschlag des Aufsichtsrats nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG folgen wird.415 Im Anschluss an die Wahl hat der Aufsichtsrat nach § 318 Abs. 1 S. 4 HGB unverzüglich den Prüfungsauftrag zu erteilen. Sofern man mit der hier vertretenen Ansicht die Einrichtung von Compliance-Systemen nicht auf § 91 Abs. 2 AktG stützt, und folglich deren Evaluierung durch den Abschlussprüfer bei börsennotierten Gesellschaften schon von § 317 Abs. 4 AktG erfasst wird, kann nach zutreffender Ansicht der Aufsichtsrat vertraglich die Prüfungspflicht auch auf die Beurteilung des Compliance-Systems ausdehnen.416 Der Abschlussprüfer muss dann in gleicher Weise wie beim Risikofrüherkennungssystem an den Aufsichtsrat berichten, ob das vom Vorstand geschaffene Compliance-System plausibel erscheint, funktioniert und vom Vorstand ausreichend überwacht wird.417 Der Prüfungsbericht ist nach § 321 Abs. 5 S. 2 HGB dem Aufsichtsrat und gleichzeitig einem eingerichteten Prüfungsausschuss vorzulegen. Nach § 171 Abs. 1 S. 2 AktG hat der Abschlussprüfer an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses über diese Vorlagen teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten. 4. Einberufung einer Hauptversammlung (§ 111 Abs. 3 AktG) Erfordert es das Wohl der Gesellschaft, hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 3 S. 1 AktG die Hauptversammlung einzuberufen. Diese Befugnis steht selbstständig neben dem Recht des Vorstands zur Einberufung der Hauptversammlung nach § 121 Abs. 1 und 2 AktG.418 Die Entscheidung hierüber fällt der Gesamtaufsichtsrat nach § 111 Abs. 3 S. 2 AktG mit einfacher Mehrheit.419 Dieses Recht hat indes nicht den Zweck, dem Aufsichtsrat entgegen § 111 Abs. 1 AktG ein Initiativrecht für Geschäftsführungsmaßnahmen einzuräumen.420 Folglich ist es dem Aufsichtsrat entgegen einer in der Literatur geäußerten Ansicht421 auch nicht gestattet, die Hauptversammlung lediglich zum Zwecke der Erörterung von Geschäftsführungsfragen einzuberufen.422 Eine Einberufung ist nur dann statthaft, wenn es um Angelegenheiten geht, bei welchen die Hauptversammlung selbst eine Beschlusskompetenz HGB a. F. vom Vorstand wahrgenommen wurde, soll mitunter die Qualität der Überwachung erhöhen, KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 69. 415 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 71. 416 So zu Recht Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (622); a. A. Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 41. 417 Vgl. Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (622). 418 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 73. 419 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 75. 420 So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 75. 421 Siehe etwa Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 46; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 136. 422 So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 74.

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hat. Ausnahmen sind aber dann zuzulassen, wenn es um die Durchführung von Geschäftsführungsmaßnahmen wie Umstrukturierungen geht, die nach der GelatineRechtsprechung423 des BGH der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, auch wenn der Aufsichtsrat diese Maßnahmen durch Statuierung eines Zustimmungsvorbehalts und anschließende Zustimmungsverweigerung zu verhindern vermag.424 Ebenso ist es zulässig, wenn der Aufsichtsrat die Hauptversammlung zu dem Zweck einberuft, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen, um ihn im Anschluss nach § 84 Abs. 3 S. 2 Var. 3 AktG abberufen zu können.425 Von diesen besonderen Fällen abgesehen, muss sich der Aufsichtsrat aber bei dem Gebrauch der Befugnis des § 111 Abs. 3 AktG in Zurückhaltung üben. Zu Recht wird angeführt, dass in erster Linie der Vorstand nach § 121 Abs. 1 Var. 3 AktG verpflichtet ist, die Hauptversammlung einzuberufen, sofern es das Gesellschaftswohl erfordert.426 Eine Einberufung durch den Aufsichtsrat kommt daher nur bei schwerwiegenden Differenzen zwischen beiden Verwaltungsorganen im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses in Betracht.427 Einer späteren Anfechtbarkeit des Aktionärsvotums sollte dadurch vorgebeugt sein.428 5. Ad hoc-Zustimmungsvorbehalt (§ 111 Abs. 4 AktG) Die Möglichkeit, vom Vorstand beabsichtigte Maßnahmen per Veto zu verhindern schafft § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. Danach hat die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt kann auch ad hoc beschlossen werden.429 Ob der Aufsichtsrat diese Möglichkeit nutzt, unterliegt grundsätzlich seinem pflichtgemäßen Ermessen. Sofern der Aufsichtsrat eine gesetzwidrige oder nach seiner Auffassung unvertretbare Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur noch durch Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes verhindern kann, verdichtet sich sein Ermessen jedoch zu einer Pflicht.430 Missachtet der Vorstand den Zustimmungsvorbehalt oder setzt er sich über die verweigerte Zustimmung hinweg, handelt er pflichtwidrig.431 Eine Möglichkeit, dem Vorstand eine 423

Siehe oben 1. Kapitel, Fn. 856. A. A. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 74. 425 So auch Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 45; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 136. 426 So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 76. 427 KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 76. 428 Vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 ff. 429 BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111 (127); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 117; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 83; Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 111 Rn. 52; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 130. 430 Vgl. BGHZ 124, 111 (127); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 117; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 83; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 57. 431 Habersack, in: Kindler u. a., FS Hüffer, S. 259. 424

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

bestimmte Verhaltensweise vorzuschreiben, schafft dies zwar nicht, dennoch kann das Kontrollgremium hierdurch wenigstens Maßnahmen des Vorstands unterbinden.432 Folglich stellt der Zustimmungsvorbehalt eines der stärksten Instrumente des Aufsichtsrats zur Einflussnahme auf den Vorstand dar. 6. Zulässigkeit eines innergesellschaftlichen Organstreits? Umstritten ist, ob ein gerichtlicher Organstreit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand (Interorganstreit) zivilprozessual zulässig ist.433 Der BGH hatte diese Frage in der Opel-EDV-Entscheidung ausdrücklich offengelassen.434 Dieses Problem ist insbesondere im Zusammenhang mit den Berichtspflichten nach § 90 AktG bedeutsam. Ferner könnte der Aufsichtsrat versucht sein, einen vorgeblichen Anspruch auf Unterlassung pflichtwidrigen Vorstandshandelns einzuklagen, etwa bei Zuwiderhandlung gegen einen Zustimmungsvorbehalt.435 Richtigerweise wird man diese Möglichkeit jedoch ablehnen müssen.436 Die Organe haben weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eigene subjektive Rechte.437 Funktionen und Befugnisse sind ihnen als unselbstständige Organe der Aktiengesellschaft überantwortet.438 Folglich sind die Organe auch nicht parteifähig i. S. d. § 50 Abs. 1 ZPO.439 Ohnehin braucht der Aufsichtsrat regelmäßig nicht das Instrument der gerichtlichen Klage, um den Vorstand an Geschäftsführungsmaßnahmen zu hindern. Gerade für diese Fälle hat er zunächst die Möglichkeit eines Ad hoc-Zustimmungsvorbehalts.440 Ferner sind die Haftung des Vorstands nach § 93 AktG und als ultima ratio die Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG als Instrumente ausreichend. Die aktienrechtliche Kompetenzordnung ist so ausgestaltet, dass für jedes Organ die freie Entfaltung innerhalb seines jeweiligen kompetenziellen Spielraums gesichert ist.441 Gerade darauf sind die aktienrechtlichen Handlungsbefugnisse abgestimmt. Dieses System könnte durch die unbegrenzte Möglichkeit gerichtlicher Klagen konterkariert werden. Von daher besteht schon kein rechtliches Bedürfnis, einen gesellschaftsinternen 432 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 112. Siehe hierzu auch 2. Kapitel § 9 B. IV. 433 Befürwortend etwa Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 16; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 90 Rn. 70; Bork, ZGR 1989, S. 1 ff. 434 Siehe BGH, Urt. v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54 (62). 435 Vgl. Jaeger, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 9.191, 74. EL November 2016. 436 So auch MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 112. 437 KK/Mertens/Cahn, Vorb. § 76 Rn. 3. 438 KK/Mertens/Cahn, Vorb. § 76 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19; ähnlich MüKoAktG/Spindler, Vorb. § 76 Rn. 60. 439 Vgl. Jaeger, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 9.192, 74. EL November 2016. 440 Vgl. KK/Mertens/Cahn, Vorb. § 76 Rn. 5; Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 25. 441 KK/Mertens/Cahn, Vorb. § 76 Rn. 5.

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Organstreit im Wege der Rechtsfortbildung anzuerkennen. In praktischer Hinsicht würde die Zulässigkeit eines innergesellschaftlichen Organstreitverfahrens zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zudem die Gefahr bergen, dass das Ansehen der Aktiengesellschaft durch einen öffentlichen Prozess stark in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.442 Zu Recht hatte der BGH in der Opel-EDV-Entscheidung auch die Klagebefugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder anstelle des Gesamtaufsichtsrats verneint, da die Überwachung des Vorstands nach § 111 Abs. 1 AktG dem Gesamtaufsichtsrat als Kollegialorgan und nicht dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zusteht.443 Auch die Möglichkeit der actio pro socio, also der Prozessstandschaft für den Gesamtaufsichtsrat, ist abzulehnen, da schon nicht die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Gerichts besteht.444 Davon zu trennen ist die Frage, ob ein Aufsichtsratsmitglied aus eigenem individuellen Recht einen Anspruch gerichtlich gegen die Aktiengesellschaft geltend machen kann. Dies ist zumindest im Rahmen des § 90 Abs. 3 S. 2 und 5 AktG anzuerkennen.445 In beiden Fällen ist aber die Aktiengesellschaft passivlegitimiert.446 Es handelt sich bei diesen Fällen also schon nicht um Organstreitigkeiten, sondern um Klagen gegen die Aktiengesellschaft selbst.447 Konzeptionell ähnlich sind die Fallgestaltungen, in denen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder die Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses im Wege der Feststellungsklage, gerichtet gegen die Aktiengesellschaft selbst, begehren.448 Auch diese Klagen sind zulässig. 7. Antikorruptionsuntersuchungen Werden Korruptionsverstöße bekannt, können diese nicht unerhebliche Vermögens- und Reputationsschäden für das betroffene Unternehmen nach sich ziehen.449 Die Verwaltungsorgane sind nicht nur aufgrund des Legalitätsprinzips gehalten, Korruption und den damit einhergehenden Schädigungen Einhalt zu gewähren. Dabei ist es zunächst Angelegenheit des Vorstands, jeglichen Verdachtsmomenten in Bezug auf Korruptions- und sonstige Compliance-Verstößen nachzugehen. Es wurde bereits gezeigt, dass es Aufgabe des Vorstands ist, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um rechtmäßiges Verhalten in der Aktiengesellschaft durchzusetzen und 442

Dahingehend auch MüKoAktG/Spindler, Vorb. § 76 Rn. 60. BGHZ 106, 54 (63). 444 So auch Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 20. 445 BGHZ 106, 54 (62); Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 22. 446 Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 22 f. Siehe auch BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 (295), wonach die Aktiengesellschaft für Klagen eines Aufsichtsratsmitglieds gegen Maßnahmen des Aufsichtsratsvorsitzenden passivlegitimiert ist. 447 So auch Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 23. 448 Vgl. hierzu Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 108 Rn. 79 f. sowie die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (siehe 1. Kapitel, Fn. 534), BGHZ 135, 244 ff. 449 Vgl. Arnold, ZGR 2014, 76 (77). 443

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

damit Korruption zu verhindern. Auch und gerade bei der Korruptionsbekämpfung handelt es sich um einen Teil der Kontrolltätigkeit des Vorstands im Hinblick auf die Unternehmenstätigkeit.450 Die Kontrolle der ihm nachgeordneten Ebenen ist originäre Aufgabe des Vorstands.451 Hingegen muss der Aufsichtsrat allein prüfen, welche Maßnahmen der Vorstand zur Legalitätswahrung getroffen hat, ob der Vorstand dieses System überwacht, ferner ob diese Maßnahmen für den Aufsichtsrat plausibel sind und ob das System seinen Anforderungen gerecht wird. Die Funktion des Aufsichtsrats beschränkt sich auch an dieser Stelle auf die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands.452 Werden Korruptionsverstöße im Unternehmen bekannt oder entsteht wenigstens der Verdacht, dass diese begangen sein könnten, ist zu unterscheiden, ob dies auf Ebene des Vorstands oder auf den nachgeordneten Mitarbeiterebenen stattgefunden hat. Für die Überwachung des Vorstands ist der Aufsichtsrat ohne Weiteres zuständig.453 Diese Pflicht wird sich in Korruptionsfällen ohnedies zu einer umfassenderen Kontrolltätigkeit steigern.454 Innerhalb dieses Aufgabenbereichs kann er deshalb in zulässiger Weise Untersuchungen, auch nach Maßgabe von § 111 Abs. 2 S. 2 AktG durch etwaige Beauftragung externer Berater, wie Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte, einleiten und nach § 107 Abs. 3 S. 1 AktG einen Compliance- bzw. Antikorruptionsausschuss einrichten, der zumindest Hilfstätigkeiten bei der Aufarbeitung der Vorwürfe übernimmt. Die Überwachung des Vorstands selbst verbleibt als Kernzuständigkeit dem Plenum vorbehalten.455 Da der Ausschuss aber sämtlichen Korruptionsverstößen, die zumeist auch unterhalb der Vorstandsebene begangen wurden, nachgehen wird, überschreitet er im Fall der Ahndung von Mitarbeiterverstößen die Grenzen der Aufsichtsratsbefugnisse und der gesetzlichen Aufgabenverteilung.456 Die Vornahme von Antikorruptionsmaßnahmen, deren Überwachung und Durchsetzung sowie erst recht das Ergreifen von Personalmaßnahmen fällt in die Zuständigkeit des Vorstands.457 Die Untersuchungsarbeit eines Antikorruptionsausschusses wie auch des Gesamtaufsichtsrats muss sich daher auf die Verstöße von Vorstandsmitgliedern selbst sowie auf die Überwachung des Vorstands in Bezug auf dessen Antikorruptions-Compliance richten. Bei letzterem Aspekt ist dann wiederum zu fragen, ob der Vorstand sämtliche Teile einer Risikoanalyse unterzogen, eindeutige Verhaltensanweisungen an Mitarbeiter und weitere erfor450

Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (45). Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (50); Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (242); Habersack, AG 2014, 1 (5); Arnold, ZGR 2014, 76 (86). 452 Vgl. Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (44); Habersack, AG 2014, 1 (5). 453 Vgl. Habersack, AG 2014, 1 (5); Bachmann, ZHR 180 (2016), 563 (573). 454 Dahingehend Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (246). 455 Vgl. Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (46); Fuhrmann, AG 2015 R328 f.; Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (247 f.); Arnold, ZGR 2014, 76 (97, 102). 456 Vgl. Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (47). 457 Vgl. Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (47). 451

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derliche Vorsichtsmaßnahmen angeordnet hat sowie in besonders gefährdeten Unternehmensbereichen eine sorgfältige Personalauswahl vorgenommen und bei korruptiven Handlungen Personalmaßnahmen gegen zuwiderhandelnde Mitarbeiter ergriffen hat.458 Besteht der Verdacht eines Korruptionsvergehens eines Vorstandsmitglieds und ist zu befürchten, dass die dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG vorzulegenden Berichte des Vorstands diese Aspekte nicht ausreichend beleuchten, etwa wegen Parteilichkeit des Vorstands, und genügen auch Nachfragen beim Vorstand nicht, um eine Aufklärung herbeizuführen, muss der Aufsichtsrat andere Informationsquellen erschließen.459 Wie schon dargelegt, ist ein Informationsmonopol des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat abzulehnen. Der Aufsichtsrat kann auch, wie bereits dargelegt, in Ausnahmefällen in direkten Kontakt zu Mitarbeitern treten.460 Erst recht muss der Aufsichtsrat die Möglichkeit der Befragung von Mitarbeitern und ohne Beisein des Vorstands haben, wenn solch schwerwiegende Verdachtsmomente wie Korruptionsverstöße gegen Vorstandsmitglieder bestehen und der Aufsichtsrat nur auf diese Weise Aufklärung herbeiführen kann. Die Anwesenheit von Vorstandsmitgliedern bei solchen Befragungen wäre dagegen in den meisten Fällen für eine Aufklärung hinderlich.461 Andernfalls wäre er nicht zuletzt in der Wahrnehmung seiner Personalkompetenz faktisch beschränkt, denn vor der Abberufung eines Vorstandsmitglieds nach § 84 Abs. 3 AktG und der etwaigen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen muss er sich die notwendige Gewissheit über Vorliegen und Ausmaß derart schwerwiegender Vergehen verschaffen. Erlangt der Aufsichtsrat die für die Aufklärung des Korruptionsvergehens relevanten Daten, stellt sich die Frage, ob er gegenüber dem Vorstand informationspflichtig ist. Geht es allein um Verstöße von Mitarbeitern, ist die Weitergabe der Informationen an den Vorstand zumindest zweckmäßig. Als Folge der Überwachungs- und Beratungspflicht des Gesamtaufsichtsrats aus § 111 Abs. 1 AktG wird man auch eine Informationspflicht gegenüber dem Vorstand annehmen müssen.462 Grundsätzlich sollte bei Ermittlungen von Vorstand und Aufsichtsrat in derselben Angelegenheit ein Informationsaustausch in beide Richtungen stattfinden.463 Schwieriger zu beantworten ist indes die Frage nach einer Informationspflicht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand, wenn auf Ebene des Vorstands Korruptionsverstöße vermutet werden. Ist der gesamte Vorstand von den Vorwürfen betroffen, muss der Aufsichtsrat selbst die Ermittlungen fortführen, bis sich die Verdachtsmomente erhärten oder zerschlagen.464 Würde der Aufsichtsrat in diesem Fall seine 458 459 460 461 462 463 464

Vgl. Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (46). Vgl. Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (48 f.). Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 A. I. 1. b). Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (249). So schon zu Recht Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (52 f.). So auch Arnold, ZGR 2014, 76 (103 f.); Bachmann, ZHR 180 (2016), 563 (576 f.). Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (53).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Daten an den Vorstand weiterleiten, wäre ungewiss, ob dieser mit den Informationen sachgerecht umginge oder vielmehr mögliche Beweismittel unterschlagen und Druck auf eingeweihte und aussagewillige Mitarbeiter ausüben würde. Sind nur einzelne Mitglieder oder sogar nur ein einziges Mitglied des Vorstands von den Vorwürfen betroffen, könnte allerdings wiederum eine Pflicht zur Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse an nicht belastete Mitglieder des Vorstands bestehen. Auch dies ist zu befürworten.465 Um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, muss der Aufsichtsrat die nicht belasteten Vorstandsmitglieder über seinen Verdacht in Kenntnis setzen. Diese sind, wie bereits dargelegt, aufgrund ihrer Verantwortung für die gesamte Geschäftsführung verpflichtet, auch auf die Tätigkeit ihrer Vorstandskollegen zu achten, wobei sich diese Pflicht in solchen Verdachtsmomenten zu einer eingehenden Kontrollpflicht steigert. Die in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG normierte Verschwiegenheitspflicht entfaltet zwar innerhalb des Gesamtvorstands keine Geltung,466 jedoch wird man in Fällen schwerwiegender Verdachtsmomente gegen einzelne Vorstandsmitglieder ein Verbot der Informationsweitergabe an verdächtigte Mitglieder annehmen müssen. Denn verhält sich ein Vorstandsmitglied dem Anschein nach gegenüber der Aktiengesellschaft treuwidrig, kann es sich auf die im Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander bestehende Treuepflicht zur Weitergabe von Informationen nicht berufen.467

C. Schranken der Überwachung: „Überwachung des Aufsichtsrats durch den Vorstand?“ Die Überwachungsrechte aus § 111 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG sind ihrerseits funktional durch die Kompetenzen des Aufsichtsrats beschränkt.468 Sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten vorliegen, darf der Aufsichtsrat das Einsichts- und Prüfungsrecht nicht heranziehen, um den Vorstand im Stile einer Innenrevision auch in Alltagsfragen zu überwachen.469 Daraus folgt nicht, dass der Aufsichtsrat nicht auch zum Zwecke von Stichproben und ohne konkreten Anlass diese Befugnisse ausüben dürfte, um sich etwa von der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu überzeugen.470 Grundlose oder vollkommen übereifrige Untersuchungen und Kontrollen, welche die Integrität des Vorstands nachhaltig in Zweifel ziehen und als Misstrauensbekundung gewertet werden müssen, die ope465 So schon zu Recht Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (53 f.); dahingehend auch Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (250). 466 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 114; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 146; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 167; Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 31; Hölters/ders., AktG, § 93 Rn. 139. 467 So zu Recht Dreher, in: Habersack/Hommelhoff, FS Goette, 43 (54). 468 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 77. 469 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 77. 470 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 78.

§ 8 Die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrats

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rative, unternehmerische Tätigkeit des Vorstands behindern oder, etwa durch die ausufernde Indienststellung von Beratern, maßlos überhöhte Kosten nach sich ziehen, verbieten sich indes.471 Dabei darf vom Aufsichtsrat nicht verkannt werden, dass nicht Überwachung und Aufklärung das Primärziel unternehmerischen Handelns sind, sondern ihrerseits im Dienst der unternehmerischen Wertschöpfung stehen.472 In jüngerer Vergangenheit ist im Schrifttum sogar die Frage nach einer vorstandsseitigen Überwachung des Aufsichtsrats aufgeworfen worden.473 Dieses Recht könnte man auf die Leitungs- und Sorgfaltspflicht nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG stützen, denn der Vorstand hat die Pflicht, von der Gesellschaft Schäden abzuwenden, also auch solche, welche von Seiten des Aufsichtsrats drohen.474 Einen anderen Schluss legen hingegen die organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen nahe.475 Der Aufsichtsrat unterliegt keinen Weisungen des Vorstands und muss diesem auch nicht Bericht erstatten. Ferner gewährt § 103 AktG eben nicht dem Vorstand die Möglichkeit der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern. Einwirkungsmöglichkeiten de lege lata hat der Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat nicht. Demgemäß müsste eine Überwachung des Aufsichtsrats durch den Vorstand ohne Interventionswerkzeuge auskommen.476 Zudem wird man kaum abstreiten können, dass der Vorstand die Möglichkeit der „Gegenkontrolle“ auch dazu missbrauchen könnte, sich selbst der Überwachung durch den Aufsichtsrat zu entziehen.477 Von einer vorstandsseitigen Überwachung des Aufsichtsrats muss deshalb abgesehen werden. Diese findet zum einen keine ausreichende Stütze im Gesetz, zum anderen würde diese bei einem angespannten Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat nur neue Problemsituationen schaffen. Es verbleibt allein die Möglichkeit der Hauptversammlung, etwa nach ihrer Einberufung durch den Vorstand nach § 121 Abs. 1 AktG, die Kontrolleure nach § 103 Abs. 1 AktG abzuberufen und durch Neuwahl für einen personellen und programmatischen Neuanfang zu sorgen. Ferner darf auch der Disziplinierungseffekt der nach §§ 93, 116 AktG drohenden Haftung nicht unterschätzt werden. Darüber hinaus besteht für den Aufsichtsrat stets die 471

Hierfür beispielhaft mag der Fall eines inzwischen zurückgetretenen Aufsichtsratsmitglieds der Deutsche Bank AG sein, dem von Aufsichtsratskollegen bei Bewältigung seiner Aufgabe der internen Aufarbeitung verschiedener Rechtsverstöße des Bankhauses „Übereifer“ und das Verursachen nicht mehr verhältnismäßiger Kosten vorgeworfen wurde, siehe die Berichte „Zoff im Aufsichtsrat der Deutschen Bank“ (FAZ.NET v. 24.4.2016, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/streit-im-aufsichtsrat-der-deutschenbank-14195792.html) und „Aufsichtsrat Thoma verlässt die Deutsche Bank“ (FAZ.NET v. 28.4.2016, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/zuviel-ueberei fer-aufsichtsrat-thoma-verlaesst-die-deutsche-bank-14205852.html). 472 Vgl. Koch, ZHR 180 (2016), 578 (585). 473 Siehe Koch, ZHR 180 (2016), S. 578 ff. 474 So Koch, ZHR 180 (2016), 578 (580, 586). 475 So auch Koch, ZHR 180 (2016), 578 (580). 476 So auch Koch, ZHR 180 (2016), 578 (580, 593). 477 Vgl. Koch, ZHR 180 (2016), 578 (586).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Pflicht sicherzustellen, seine Tätigkeit an dem höheren unternehmerischen Ziel, nach hier vertretener Auffassung der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime der nachhaltigen Unternehmenswert- bzw. Eigenkapitalwertsteigerung, auszurichten. Zwecklose Kontrollen, die diesem Ziel abträglich sind, verbieten sich deshalb.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats Neben der Überwachungsfunktion hat der Aufsichtsrat weitere Befugnisse, die sich auf die Geschäftsführung und Unternehmensleitung beziehen. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zu, welcher das in § 111 Abs. 4 S. 1 AktG gesetzlich angeordnete Geschäftsführungsverbot ein Stück weit relativiert und dem Aufsichtsrat die Teilhabe an der Leitungsaufgabe des Vorstands vermittelt.478 Im Hinblick auf die Mitentscheidung in Geschäftsführungsfragen sind ferner die Mitwirkungsbefugnisse bei der Aufstellung des Jahresabschlusses, insbesondere die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns, als auch die mit dem Vorstand gemeinsame Pflichterklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex bei börsennotierten Gesellschaften nach § 161 Abs. 1 S. 1 AktG von Bedeutung. Diese Befugnisse geben Aufschluss darüber, inwieweit der Aufsichtsrat inzwischen in die Rolle eines „mitunternehmerischen, beratenden und mit-entscheidenden Unternehmensorgans“479 getreten ist. In der Praxis hat der Aspekt der mitunternehmerischen Tätigkeit des Aufsichtsrats inzwischen mehrheitlich Anerkennung erfahren. Laut einer Befragung aus dem Jahr 2010 unter 50 Aufsichtsratsmitgliedern, die mitunter Gesellschaften im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX kontrollieren, sprachen sich 54 Prozent für eine mitunternehmerische Tätigkeit des Aufsichtsrats aus, wobei hiervon die meisten die Bedeutung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens betonten.480 Inzwischen dürfte sich diese Akzeptanz noch weiter erhöht haben. Der hierbei besonders relevante Aspekt der Vorstandsberatung durch den Aufsichtsrat ist bereits angesprochen worden.481 Im folgenden Abschnitt werden nun die Instrumente in den Fokus rücken, mit deren Hilfe der Aufsichtsrat sich Einfluss auf die Geschäftsführung des Vorstands verschaffen und bei den grundsätzlichen Entscheidungen dem hier vertretenen Ansatz der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime zur Durchsetzung verhelfen kann.

478

Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 110; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 33. So Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 2 Rn. 58; vgl. auch Lutter, in: Sadowski, FS Albach, S. 225 ff. 480 Probst/Theisen, Der Aufsichtsrat 2010, 66 (67); dies., DB 2010, 1573 (1574 f.). 481 Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 B. II. 2. 479

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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A. Grundsatz: Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG) Gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG können Maßnahmen der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Weder eine anderslautende Bestimmung in der Satzung noch ein diesem Grundsatz widersprechender Beschluss des Vorstands oder des Aufsichtsrats kann dies ändern.482 Das Geschäftsführungsverbot sichert die Befugnis des Vorstands zur eigenverantwortlichen Leitung des Unternehmens nach § 76 Abs. 1 AktG und dient der Abgrenzung der Organkompetenzen und Verantwortlichkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat.483 Weder die bereits angesprochene Beratungsaufgabe484 noch die im Folgenden darzustellenden Zustimmungsvorbehalte gewähren dem Aufsichtsrat bei der Geschäftsführung ein Weisungsrecht oder ein Initiativrecht gegenüber dem Vorstand.485 Der Aufsichtsrat kann Geschäfte weder selbst vornehmen, noch kann er den Vorstand zur Vornahme der Geschäfte anweisen.486 Der Aufsichtsrat im deutschen Aktienrecht ist daher auch nicht mit dem AGVerwaltungsrat schweizerischer Prägung487 vergleichbar, der nach Art. 716a Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts u. a. die Aufgabe (Nr. 1) der Oberleitung der Gesellschaft, (Nr. 4) der Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen sowie (Nr. 5) der Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen hat. Dem deutschen Aufsichtsrat obliegt gerade nicht die „Oberleitung“ der Aktiengesellschaft.488 An diesem für das Aktienrecht ehernen Grundsatz haben sämtliche Novellierungen und Fortentwicklungen nichts geändert. Der Aufsichtsrat nimmt also trotz gestiegener Kontrolldichte, verstärkter Einbindung in die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft im Rahmen zustimmungspflichtiger Geschäfte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG und der damit einhergehenden erhöhten Mitverantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft gerade nicht die unternehmerische Leitungsfunktion in der Aktiengesellschaft wahr.489 Dieses Geschäftsführungsverbot richtet sich an den Aufsichtsrat als Organ.490 Hingegen können einzelne Aufsichtsratsmitglieder, etwa die leitenden Angestellten als Arbeitnehmervertreter im

482 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 110; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 49; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 61. 483 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 110. 484 Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 B. II. 2. 485 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 111. 486 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 51. 487 Vgl. hierzu Forstmoser, ZGR 2003, 688 (699 ff.). 488 So zu Recht MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 111. 489 So zu Recht Börsig/Löbbe, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 125 (134 f.). 490 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 61.

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

mitbestimmten Aufsichtsrat, die Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen, welche ihnen durch den Vorstand überantwortet worden sind.491

B. Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) Die Möglichkeit der verbindlichen Einflussnahme auf Entscheidungen des Vorstands wird dem Aufsichtsrat in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gewährt, wonach die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen hat, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Hierdurch kann der Aufsichtsrat dem Vorstand zwar keine bestimmte Verhaltensweise verordnen, er kann aber die vom Vorstand beabsichtigten Maßnahmen wie durch ein Veto verhindern.492 Der vornehmliche Zweck des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG besteht folglich darin, dem Aufsichtsrat die präventive Überwachung der Geschäftsführung zu erleichtern.493 Diese Befugnis fördert zudem das Recht und die Pflicht des Aufsichtsrats zur Beratung des Vorstands und verschafft ihm die Gelegenheit, eigene Positionen in den Fragen unternehmerischer Entscheidungen vorzubringen.494 Durch das TransPuG495 war die frühere Ermessensregelung („kann jedoch bestimmen“) hin zu einer Pflichtentscheidung für den Aufsichtsrat („hat jedoch zu bestimmen“) geändert worden.496 Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs war häufig bemängelte Folge der Vorgängerregelung und zugleich Motiv für deren Novellierung, dass viele Aufsichtsräte selbst bei Entscheidungen, welche die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegend änderten, nicht ausreichend und nicht rechtzeitig eingebunden wurden, obwohl diese Entscheidungen eigentlich vom Votum beider Organe getragen sein mussten und der Aufsichtsrat in solch grundlegenden Entscheidungen eingebunden sein sollte.497 Aus diesem Grund muss seit Inkrafttreten des TransPuG ein Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte geschaffen werden.498 Zur Errichtung der Zustimmungsvorbehalte sind sowohl der Satzungsgeber als auch der Aufsichtsrat, d. h. das Plenum (vgl. § 107 Abs. 3 S. 4 AktG), befugt, wobei der Aufsichtsrat die satzungsmäßig angeordneten Zustimmungsvorbehalte nicht wieder aufheben oder per General-

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So zu Recht Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 61. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 112; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 62. 493 Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 33, 100. 494 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 114. 495 Siehe oben Einführung, Fn. 22. 496 Vgl. hierzu KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 98. 497 Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769, S. 17. 498 Vgl. Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769, S. 17; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 113; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 63. 492

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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konsens aushebeln kann.499 Der Gesamtaufsichtsrat kann aber weitere Vorbehalte beschließen und auch bereits satzungsmäßig verabschiedete Vorbehalte verschärfen.500 Ist die Zustimmung des Aufsichtsrats vorbehalten, so muss sie vor Durchführung des beabsichtigten Geschäfts eingeholt werden.501 Angesichts der vielfältigen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten wird man auch im Falle eilbedürftiger Geschäfte von diesem Grundsatz keine Ausnahme zulassen dürfen. Das Zustimmungserfordernis betrifft gleichwohl nur das Innenverhältnis der Gesellschaft. Rechtsgeschäfte mit Dritten sind also selbst dann wirksam, wenn sie unter Verstoß gegen das Zustimmungsgebot abgeschlossen worden sind.502 Keinesfalls kann der Aufsichtsrat jedoch ein Unterlassen des Vorstands an einen Zustimmungsvorbehalt binden, denn dies würde zu einer Handlungspflicht des Vorstands auf Veranlassung des Aufsichtsrats führen.503 Der Zustimmungsvorbehalt gibt dem Aufsichtsrat nicht das Recht, die Durchführung einer Maßnahme anzuordnen.504 Ein Zustimmungsvorbehalt für ein Unterlassen würde folglich einen unzulässigen Eingriff in die Leitungsbefugnis des Vorstands darstellen und stünde im Widerspruch zur aktienrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.505 I. Geschäfte grundlegender Art § 111 Abs. 4 S. 2 AktG bezieht sich auf „bestimmte Arten von Geschäften“. Gemeint sind damit neben Rechtsgeschäften auch die sonstigen Maßnahmen der Geschäftsführung.506 Da nur „bestimmte“ Arten von Geschäften dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterfallen dürfen, ist jeweils die eindeutige Bezeichnung des zustimmungsbedürftigen Geschäfts nach seiner Art und seinen Merkmalen erforderlich; generalklauselartige Bezeichnungen reichen nicht aus.507 Die dem Vorstand in §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 S. 1 AktG zwingend und ausschließlich zugeschriebene Geschäftsführungsbefugnis verbietet es, den Zustim499 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 114 f.; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 117; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 38. 500 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 117. 501 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 124; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 106; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 140; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 46. 502 So ausdrücklich der BGH, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 24/17, WM 2018, 1889 (1891). 503 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 115; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 91; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 60; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 128; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 37; Dietrich, DStR 2003, S. 1577 ff.; Fonk, ZGR 2006, 841 (852). A. A. Lange, DStR 2003, 376 (377). 504 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 91; Dietrich, DStR 2003, 1577 (1578). 505 So zu Recht Dietrich, DStR 2003, 1577 (1578). 506 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 120. 507 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 120; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 65; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 41; Habersack, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 259 (264).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

mungsvorbehalt auf alltägliche und gewöhnliche Maßnahmen des routinemäßigen Geschäftsbetriebs oder pauschal und unbestimmt auf alle „wichtigen“ Geschäfte auszudehnen.508 Im Hinblick auf die aktienrechtliche Kompetenzverteilung muss das Recht des Vorstands zur eigenverantwortlichen und selbstständigen Leitung des Unternehmens unangetastet bleiben.509 Nur solche Geschäfte dürfen einem Zustimmungsvorbehalt unterstellt werden, welche für die Gesellschaft von unternehmensstrategischer oder fundamentaler Bedeutung sind, allen voran weil sie die Ertrags-, Finanz- oder Vermögenslage des Unternehmens grundlegend verändern oder gestalten.510 Ausweislich der Gesetzesbegründung können Zustimmungsvorbehalte auch für bedeutsame Investitionsentscheidungen, welche die Ertragsaussichten oder die Risikoexposition der Gesellschaft maßgeblich verändern, festgelegt werden.511 Maßnahmen minderer Bedeutung werden davon nicht umfasst. Die Aufstellung eines Zustimmungskatalogs setzt in jedem Fall voraus, dass der Aufsichtsrat die grundlegenden Geschäfte unter Berücksichtigung der individuellen Risiken, der wirtschaftlichen Lage und der Verhältnisse der Aktiengesellschaft identifiziert und konkretisiert.512 Ferner muss er kontinuierlich prüfen, ob eine Anpassung des Katalogs, etwa im Hinblick auf die Schwellenwerte zustimmungspflichtiger Geschäfte, angezeigt ist. Welche Zustimmungsvorbehalte der Aufsichtsrat im Einzelnen anordnet, unterfällt seinem pflichtgemäßen Ermessen.513 Der Aufsichtsrat ist nicht verpflichtet, für sämtliche Geschäfte von grundlegender Bedeutung einen Zustimmungsvorbehalt zu schaffen.514 Nach dem hier vertretenen Ansatz einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime mit dem Ziel der nachhaltigen Unternehmenswert- bzw. Eigenkapitalwertmaximierung muss der Aufsichtsrat jedoch zumindest solche Geschäfte einem Zustimmungsvorbehalt unterstellen, die von signifikanter Bedeutung für die Erreichung dieses Ziels sind. Unbedingt erforderlich ist danach, dass der Aufsichtsrat einen Katalog konkreter Geschäfte aufstellt, welche für die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Gesellschaft so bedeutsam sind, dass ihre Vornahme spürbare Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit oder das Geschäftsergebnis der Gesellschaft hat und sich diese Geschäfte insofern deutlich von den gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen unterscheiden. Wie weit der 508 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 120; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 84; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 121. 509 Lieder, ZGR 2018, 523 (537). 510 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 120; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 84; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 121. Ähnlich Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 42. Auch Ziff. 3.3 DCGK verlangt die Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten über Geschäfte von grundlegender Bedeutung, wozu Entscheidungen oder Maßnahmen, welche die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern, gehören. 511 Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769, S. 17. 512 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 121 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 36; Habersack, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 259 (265); Fonk, ZGR 2006, 841 (857). 513 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 115; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 105; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 64. 514 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 123; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 105.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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Aufsichtsrat diesen Kreis zieht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dazu können Personalfragen im Hinblick auf die Bereichsleitungsebene bzw. das Senior Management zählen, etwa wenn die unmittelbar dem Vorstand nachgeordnete Mitarbeiterebene Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt,515 aber auch die Erteilung von Prokura oder Generalvollmachten, wobei nicht jede Personalfrage einem Zustimmungsvorbehalt unterfallen sollte, um die Leitungsbefugnis des Vorstands nicht übermäßig zu beschränken. Ferner kommen als zustimmungsbedürftige Maßnahmen die Gründung und Schließung in- und ausländischer Tochtergesellschaften und Niederlassungen in Betracht, die nicht nur Vertriebszwecken dienen, ebenso die Bestellung und Abberufung der Geschäftsleitung in Tochtergesellschaften, der Abschluss und die Kündigung von konzerninternen Unternehmensverträgen, der Erwerb von Unternehmen oder Unternehmensteilen, sofern der Erwerbspreis zumindest eine bestimmte Schwelle überschreitet, Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen aber auch Internationalisierungs- und Expansionsentscheidungen im Allgemeinen, zumindest ab einer bestimmten Größenordnung, ferner die Einführung und Aufgabe von Produkten oder Produktarten, Finanzierungsfragen wie die Aufnahme und Gewährung von Darlehen über einen bestimmten, bei mehreren Darlehensverträgen aggregierten Schwellenwert hinaus und die Gewährung entsprechender Kreditsicherheiten, die Emission von Anleihen, die Einführung und Ausgestaltung von Beteiligungs- und Optionsplänen für Mitarbeiter, die Einführung und Ausgestaltung betrieblicher Altersvorsorgepläne, der Abschluss von Haustarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie die Entscheidung über den Bei- und Austritt aus Arbeitgeber- oder anderen Interessenverbänden, wenigstens sofern diese im Namen ihrer Mitglieder Tarifverträge abschließen dürfen.516 Darüber hinaus sollten unternehmens- bzw. branchenspezifische Geschäfte, wie etwa die Bestellung bestimmter Güter, wenigstens sofern diese über einen gewissen Auftragswert hinausgeht, oder die Annahme oder Vergabe entsprechender Aufträge einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen.517 In Ausnahmefällen können selbst bestimmte einzelne Geschäfte, die von herausragender Bedeutung für die Aktiengesellschaft sind, durch den Aufsichtsrat der Zustimmungspflicht unterworfen werden.518 Zu denken ist hier etwa an die Verträge, welche Zulieferer in der Automobilbranche mit den Herstellern schließen. Jedenfalls erforderlich ist, dass die Zu515

Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 124. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 118; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 87, 90; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 125; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 43; Habersack, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 259 (267). 517 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 118. Die skizzierten Topoi entsprechen in etwa dem, was im Jahr 2010 von 50 Aufsichtsratsmitgliedern als Beispielfälle unternehmerischer Mitwirkung genannt wurde. Demnach spielten vor allem Beteiligung und Akquisition, Investition und Finanzierung, Produkt und Geschäftsfeld, Internationalisierung und Personalentscheidung sowie Unternehmensstrategie eine Rolle, siehe Probst/Theisen, Der Aufsichtsrat 2010, S. 66 f.; dies., DB 2010, 1573 (1574). 518 So zu Recht Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 119; KK/Mertens/ Cahn, § 111 Rn. 83. 516

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

stimmungsvorbehalte die von ihnen erfassten Geschäfte möglichst präzise umschreiben.519 Eine Zustimmungspflicht für bestimmte Arten von Geschäften oder bestimmte einzelne Geschäfte kann durch den Aufsichtsrat auch ad hoc beschlossen werden, etwa um eine vom Aufsichtsrat für unvertretbar erachtete Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands noch verhindern zu können.520 Dabei kann sich das Ermessen des Aufsichtsrats zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts sogar zu einer Pflicht verdichten, wenn er eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands andernfalls nicht mehr unterbinden könnte.521 II. Teilhabe an der Unternehmensplanung durch Zustimmungsvorbehalte Die überwiegende Ansicht geht davon aus, dass Zustimmungsvorbehalte auch für unternehmensinterne Leitungsmaßnahmen festgelegt werden können, insbesondere die Aufstellung des Investitionsbudgets, unternehmensorganisatorischen Fragen wie die Einrichtung und Ausgestaltung einer Compliance-Organisation, die Entscheidung über Großinvestitionen und selbst mehrjährige Unternehmens- und Strategieplanungen, denn anders könnte der Aufsichtsrat mit abweichenden geschäftspolitischen Vorstellungen beim Vorstand nicht durchdringen.522 Notwendig ist jedoch, dass der Planungsgegenstand im Zustimmungsvorbehalt konkret bezeichnet ist.523 Aufgrund von § 87 Abs. 1 S. 2 AktG, der den Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft verpflichtet, die Vorstandsvergütung auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten, wird man das Kontrollgremium einer börsennotierten Gesellschaft inzwischen als verpflichtet ansehen müssen, die unternehmensstrategische Mittel- und Langfristplanung, wie auch die entsprechende Investitionsbudgetplanung, einem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen. Es wurde bereits erörtert, dass der Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft auf den Vorstand durch die Schaffung von Verhaltensanreizen bei der Ausgestaltung der Vorstandsvergütungsstruktur einwirkt und dadurch Einfluss auf die mittel- und langfristige Unternehmenspolitik und -strategie der Gesellschaft nimmt.524 Die Maßstäbe des Aufsichtsrats spiegeln sich insofern in den Parametern der Vergütungsstruktur wider. Ein Zustimmungsvorbehalt für die mittel- und lang519

Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 85. Vgl. BGHZ 124, 111 (126 f.); KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 83. 521 BGHZ 124, 111 (127); KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 83. 522 Siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 120, 122; MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 127; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 59; MünchHdbGesR/ Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 55; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 79, 86; Habersack, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 259 (268 ff.); vgl. Semler, ZGR 1983, 1 (20 ff.); Lutter, ZHR 159 (1995), 287 (300 f.); Kropff, NZG 1998, 613 (615 ff.); Fonk, ZGR 2006, 841 (849 f.). A. A. Spindler/Stilz/ Spindler, AktG, § 111 Rn. 66. 523 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 86. 524 Siehe 1. Kapitel § 5 F. II. 2. b). 520

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fristige Unternehmenspolitik und -strategie sowie die Ausrichtung der Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft nach § 87 Abs. 1 S. 2 AktG ergänzen sich hierbei gegenseitig. Nichts anderes ergibt sich auch aus § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1, 3, wonach variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen. Trotz der vorgeschalteten Beratungen von Vorstand und Aufsichtsrat und des Zustimmungsvorbehalts verbleibt das Initiativrecht der Unternehmensplanung stets beim Vorstand, da immer zuerst dieser die Planung vornimmt, ohne in diesem Stadium zwingende Interventionen des Aufsichtsrats fürchten zu müssen. Zustimmungsvorbehalte, die noch in laufende Entscheidungs- und Planungsprozesse des Vorstands eingreifen, sind ohnehin unzulässig.525 Die vom Vorstand abgeschlossene Planung muss dann, sofern sie für die nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft von Bedeutung ist, nach dem hier vertretenen Ansatz einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterworfen sein. Durch laufende Beratungen beider Verwaltungsorgane und im Fall der Ablehnung durch das Veto des Aufsichtsrats entwickelt sich dadurch letztlich die von beiden Seiten übereinstimmend als richtig eingeschätzte mittel- und langfristige Unternehmenspolitik und Unternehmensstrategie. Zwar führt ein Zustimmungsvorbehalt faktisch zu einem Verhandlungszwang für den Vorstand, sodass der Aufsichtsrat effektiv den Inhalt der Planung positiv beeinflusst.526 Doch kann durch frühzeitige Harmonisierung von vornherein Einverständnis über die grundlegende Unternehmenspolitik erzielt werden, was spätere Zustimmungsverweigerungen bei bedeutsamen Investitionsentscheidungen, bei welchen im Übrigen gleichermaßen Raum zur Mitgestaltung durch Vetoeinlegung besteht, und hohe Frustrierungskosten verhindern kann.527 Die Justierung der Vergütung nach § 87 Abs. 1 S. 2 AktG sorgt zudem für einen langfristigen Verhaltensanreiz, die gemeinsam gefundene Unternehmensstrategie konsequent zu verfolgen. Dadurch können Fehlentwicklungen von Anfang an unterbunden und die präventive Überwachung durch den Aufsichtsrat insgesamt effektuiert werden. Dem Aufsichtsrat verbleibt mithin die Möglichkeit, nicht nur durch die Auswahl des Vorstands Einfluss auf die Unternehmensplanung und Unternehmensstrategie zu nehmen, sondern auch während dessen Amtszeit.528 Lässt sich dauerhaft keine Einigung über die richtige Unternehmenspolitik erzielen, sondern herrschen tiefgreifende Differenzen über diesen Punkt, verbleibt dem Aufsichtsrat letztlich die Abberufung des betreffenden Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG.529 Auch nichtbörsennotierte Gesellschaften können sich nach dem hier vertretenen Ansatz richten. Verpflichtet sind sie hierzu angesichts der eindeutigen Beschränkung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG auf börsennotierte Gesellschaften allerdings nicht. 525 526 527 528 529

KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 84. Dahingehend zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 86. Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 86. Vgl. auch Semler, ZGR 1983, 1 (26 f.). Vgl. Semler, ZGR 1983, 1 (28 f.).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

III. Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung § 107 Abs. 3 S. 4 AktG schließt nicht aus, dass die Entscheidung über die Zustimmung einem Ausschuss übertragen wird.530 Jedenfalls die Zustimmung zur Unternehmensplanung und Unternehmensstrategie sollte bei börsennotierten Gesellschaften angesichts der sachlichen Konnexität zu den Vergütungsfragen jedoch vom Plenum entschieden werden. Die Übertragung der Zustimmungsbefugnis auf einen Ausschuss kann aber in Fällen eilbedürftiger Vorlagen die Wahrscheinlichkeit einer raschen Entscheidung befördern, da ein kleinerer Personenkreis in der Regel leichter als der Gesamtaufsichtsrat zu erreichen sein wird.531 Ob der Aufsichtsrat seine Zustimmung erteilt, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen.532 Diese Entscheidung ist für den Aufsichtsrat eine unternehmerische. In Anbetracht von §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG ist daher immer eine angemessene Informationsgrundlage erforderlich, auf deren Grundlage der Aufsichtsrat zu entscheiden hat.533 Der Aufsichtsrat hat dann zu prüfen, ob das Geschäft rechtmäßig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.534 Dabei darf er sich nicht allein auf die Plausibilität der Vorstandsvorlage verlassen, sondern muss selbst prüfen, ob diese vollständig und richtig ist und ob es alternative Handlungsmöglichkeiten gibt.535 Erachtet der Aufsichtsrat die vom Vorstand beabsichtigte Maßnahme für unvertretbar, muss er sie unterbinden.536 Eine Ermessensschrumpfung kommt erst recht in Betracht, wenn es um die Abwehr einer gesetzes- oder satzungswidrigen Maßnahme des Vorstands geht.537 Dies kann der Fall sein, wenn das vom Vorstand beabsichtigte Geschäft in Art oder Ausmaß dem Unternehmensgegenstand widerspricht. Hält der Aufsichtsrat die Vorstandsmaßnahme hingegen für zulässig und vertretbar, aber eine andere für zweckmäßiger, muss er die Zustimmung zwar nicht verweigern, er darf es aber.538 Sofern der Aufsichtsrat seine Zustimmung nur unter Bedingungen, etwa der Änderung einzelner Punkte, erteilt, kann er sogar weiteren gestaltenden Einfluss auf den Inhalt eines Geschäfts nehmen. Dies darf aber nicht so weit gehen, dass er den Vorstand seiner diesem vorbehaltenen Geschäftsführungsinitiative und seines unternehmeri-

530 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 128; KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 110. 531 Vgl. Fonk, ZGR 2006, 841 (870). 532 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 126; Grooterhorst, NZG 2011, 921 (923); Fonk, ZGR 2006, 841 (865 f.). 533 Vgl. Grooterhorst, NZG 2011, 921 (923); Fonk, ZGR 2006, 841 (861). 534 Fonk, ZGR 2006, 841 (863). 535 Fonk, ZGR 2006, 841 (863). 536 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 126. 537 Vgl. BGHZ 124, 111 (127); Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 72; Habersack, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 259 (266 f.); Hüffer, NZG 2007, 47 (53); Grooterhorst, NZG 2011, 921 (923). 538 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 126.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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schen Freiraums beraubt.539 Eine Pflicht zur Zustimmung wird man nur ausnahmsweise annehmen müssen, wenn der Aufsichtsrat keine vertretbaren Einwände gegen das Vorhaben hat und sein Unterlassen eine Schädigung der Gesellschaft nach sich ziehen würde.540 Über die Zustimmungserteilung bei statutarisch festgelegten Zustimmungsvorbehalten muss der Aufsichtsrat bzw. der Ausschuss in jedem Einzelfall entscheiden, bei selbst festgelegten Zustimmungsvorbehalten verbleibt dem Aufsichtsrat indessen die Möglichkeit der nachträglichen Änderung oder Einschränkung durch generelle Vorwegzustimmung.541 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird man aber dann machen müssen, sofern der Aufsichtsrat nach der hier vertretenen Ansicht zum Erlass von Zustimmungsvorbehalten in Bezug auf die mittel- und langfristige Unternehmensplanung und Unternehmensstrategie verpflichtet ist.542 Denn andernfalls könnte der Aufsichtsrat diese Pflicht durch Generalzustimmung unterlaufen. Die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung muss nach dem hier vertretenen Ansatz immer nach Maßgabe der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime erfolgen. Insbesondere an dieser Stelle beanspruchen die Einzelheiten dieser Leitmaxime Geltung für den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat muss der Frage nachgehen, ob und inwieweit sich das konkret geplante Geschäft in die zuvor mit dem Vorstand gemeinsam verabschiedete Mittel- und Langfristplanung einfügt.543 Dabei sind Chancen und Risiken des Geschäfts sorgfältig gegeneinander abzuwägen, in aller Regel unter Konsultation der vom Vorstand vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung.544 Der Aufsichtsrat muss sich die Frage stellen, ob das geplante Geschäft zur nachhaltigen Maximierung des Unternehmenswerts beiträgt. Überdies dürfen keine bestandsgefährdenden oder sogar insolvenzauslösenden Risiken und ebenso wenig übermäßige Risiken für die Vermögenslage oder für die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft eingegangen werden. Ist die Gefahr eines erheblichen Verlustes deutlich wahrscheinlicher als die Aussicht auf einen Gewinn, selbst wenn dieser im Falle des Erfolges sehr hoch wäre, wird das Geschäft regelmäßig zu untersagen sein. Die Existenz der Gesellschaft darf selbst im schlimmsten Falle nie in Frage stehen.545 Muss die Vornahme eines Geschäfts finanziert werden, hat der Aufsichtsrat zudem die Finanzierungsstruktur der Gesellschaft im Auge zu behalten.546 Im Sinne einer nachhaltigen und langfristigen Entwicklung der Aktienge539 So zu Recht KK/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 111; vgl. auch MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 143. 540 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 144. 541 Siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 127. 542 Siehe hierzu 2. Kapitel § 9 B. II. 543 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 131. 544 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 130. 545 So zu Recht Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 131; vgl. Grooterhorst, NZG 2011, 921 (923). 546 Siehe hierzu 4. Kapitel § 14 B.

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

sellschaft sind, abhängig von der Art des Geschäfts, auch die Belange der Stakeholder, allen voran der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies kann etwa dann von Bedeutung sein, wenn sich der Vorstand entschließt, aus Einsparungsgründen die Ausgaben für die betriebliche Altersvorsorge oder Fortbildungsprogramme zu senken. Dies wird regelmäßig im Wettbewerb um die fähigsten Mitarbeiter und Nachwuchskräfte einen Nachteil gegenüber anderen Arbeitgebern darstellen. Stehen Unternehmen oder Unternehmensteile zum Erwerb an, muss der Aufsichtsrat insbesondere die vom Vorstand zu übermittelnden Rentabilitätsberechnungen und Bewertungsgutachten sowie die inzwischen als üblich zu betrachtenden Due Diligence-Prüfungen zur Durchsicht heranziehen, anhand derer sich Chancen und Risiken des Geschäfts besser abschätzen lassen.547 IV. Folgen einer Zuwiderhandlung des Vorstands Fraglich ist, welche Möglichkeiten dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, wenn der Vorstand etwa ein für die Gesellschaft verbindliches Rechtsgeschäft vornimmt, ohne zuvor die Zustimmung des Aufsichtsrats trotz bestehenden Vorbehalts eingeholt zu haben oder ein zustimmungspflichtiges Geschäft ungeachtet einer nicht erteilten Zustimmung vornimmt. Nach § 82 Abs. 2 AktG ist der Vorstand im Innenverhältnis zu der Gesellschaft verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche der Aufsichtsrat für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben. Die vereinzelt vertretene548 Klagebefugnis des Gesamtaufsichtsrats aus eigenem organschaftlichen Recht gegen Übergriffe des Vorstands in die Kompetenzen des Aufsichtsrats, wie im Fall der Missachtung des Zustimmungsvorbehalts, ist, wie bereits dargelegt,549 abzulehnen. Möglich ist indes eine Unterlassungsklage gegen die Ausführung eines rechtswidrigen Vorstandsbeschlusses, wenn sich der Vorstand damit über das im Rahmen eines (gegebenenfalls Ad hoc-)Zustimmungsvorbehalts ausgesprochene Veto des Aufsichtsrats hinwegsetzt.550 Offen steht dem Aufsichtsrat zudem die Möglichkeit, den Vorstand im Falle eines kausalen Schadens haftbar zu machen. Denn der Vorstand handelt jedenfalls pflichtwidrig, wenn er einen Zustimmungsvorbehalt oder sogar die Verweigerung der Zustimmungserteilung missachtet.551 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den Vorstand des Amts zu entheben. Sofern unklar ist, ob das streitige Rechtsgeschäft überhaupt einem Zustimmungsvorbehalt unterliegt, wird man vom Vorstand in Anlehnung an die Ausfüh-

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Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 131; Grooterhorst, NZG 2011, 921 (923); Fonk, ZGR 2006, 841 (861). 548 Dies befürwortend MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 112; ders., in: Ulmer/Habersack/ Henssler, § 25 MitbestG, Rn. 147; Bork, ZGR 1989, 1 (19). 549 Siehe 2. Kapitel § 8 B. III. 6. 550 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 77 Rn. 28c. 551 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 147.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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rungen zum Handeln bei unklarer oder streitiger Rechtslage552 verlangen müssen, dass dieser einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Rechtsanwalt konsultiert und dessen Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht. Nur dann kann für den Vorstand, sofern er daraufhin das Rechtsgeschäft in Verkennung der tatsächlichen Rechtslage ohne Zustimmung des Aufsichtsrats durchführt, eine Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums in Betracht kommen. Allerdings dürfte es sich hierbei eher um ein theoretisches Problem handeln. In der Praxis wird der Vorstand im Zweifel die Frage der Zustimmungspflicht vorab mit dem Aufsichtsrat klären und nötigenfalls versuchen, dessen Zustimmung einzuholen.

C. Mitwirkung bei weiteren Geschäftsführungsmaßnahmen Der Aufsichtsrat ist auch zur Mitwirkung bei weiteren zentralen Geschäftsführungsentscheidungen berufen. Die wichtigsten nichtkonzernbezogenen Aufgaben sind dabei die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 172 AktG), die Entscheidung über die Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG) und die Entscheidungen über die Bedingungen der Aktienausgabe sowie den Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital (§§ 204 Abs. 1 S. 2, 203 Abs. 2 AktG). Ferner hat der Aufsichtsrat nach § 161 Abs. 1 S. 1 AktG gemeinsam mit dem Vorstand die Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex abzugeben. I. Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses Der Aufsichtsrat hat die Pflicht, den vom Vorstand aufgestellten und vom Abschlussprüfer geprüften Jahresabschluss, den Lagebericht sowie den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen und hierüber der Hauptversammlung schriftlich zu berichten.553 Die folgende Darstellung geht zunächst auf das Verfahren der Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Feststellung des Jahresabschlusses ein. Im Anschluss wird anhand des geforderten Prüfungsmaßstabs zu belegen sein, dass der Aufsichtsrat auch an dieser Stelle Einfluss auf die Unternehmenspolitik des Vorstands nehmen kann. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt hier folglich auf den Fragen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. 1. Verfahren Zu Beginn des Verfahrens hat der Vorstand dem Aufsichtsrat nach § 170 Abs. 1 S. 1 AktG den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach deren Aufstellung vorzulegen. Zugleich hat der Vorstand nach § 170 Abs. 2 S. 1 AktG dem 552 553

Siehe 2. Kapitel § 8 A. III. 1. b) cc). Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 62.

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

Aufsichtsrat den Vorschlag zu unterbreiten, welchen er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Zusätzlich erhält der Aufsichtsrat sowie ein etwaig eingerichteter Prüfungsausschuss nach Maßgabe der §§ 321 Abs. 5 S. 2 HGB, 111 Abs. 2 S. 3 AktG den Prüfungsbericht vom Abschlussprüfer. Nach § 171 Abs. 1 S. 1 AktG hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen. Nach Maßgabe des § 171 Abs. 1 S. 2 AktG hat der Abschlussprüfer an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses über diese Vorlagen teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten. Die Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks nach § 322 HGB muss den Aufsichtsrat dazu veranlassen, einerseits sich darüber schlüssig zu werden, ob er die Bedenken des Prüfers teilt, und andererseits diese Bedenken mit dem Vorstand und dem Prüfer zu erörtern.554 Gemäß § 171 Abs. 2 S. 1 AktG hat der Aufsichtsrat über das Ergebnis der Prüfung schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten. Im Falle der Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Abschlussprüfer hat der Aufsichtsrat nach § 171 Abs. 2 S. 3 AktG zu dem Ergebnis dieser Prüfung Stellung zu nehmen. Gemäß § 171 Abs. 2 S. 4 AktG hat der Aufsichtsrat am Schluss des Berichts zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt. Nach § 171 Abs. 3 S. 1 AktG hat der Aufsichtsrat seinen Bericht dem Vorstand fristgerecht zuzuleiten. Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, so ist dieser nach § 172 S. 1 festgestellt, sofern nicht Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses zu überlassen. Zugleich mit der Feststellung des Jahresabschlusses können Vorstand und Aufsichtsrat nach § 58 Abs. 2 S. 1 AktG auch einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Haben Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, oder hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluss nicht gebilligt, so stellt gemäß § 173 Abs. 1 S. 1 AktG die Hauptversammlung den Jahresabschluss fest. Der Aufsichtsrat wird der Hauptversammlung dann nach § 124 Abs. 3 S. 1 HGB vorschlagen, den Abschluss in der vom Aufsichtsrat für richtig gehaltenen und nicht in der vom Vorstand vorgelegten Form festzustellen.555 Die Nichtbilligung durch den Aufsichtsrat ist in der Praxis jedoch selten; allein durch ihre Androhung kann der Aufsichtsrat Änderungen durchsetzen und insbesondere Einfluss auf die Bilanzpolitik und die Rücklagenbildung nehmen.556 Über seine ursprüngliche Überwachungsaufgabe hinaus wirkt der Aufsichtsrat damit in praxi mit dem Vorstand gleichberechtigt an der Festlegung der Bilanz- und Ausschüttungspolitik mit.557 Die Prüfung und Billigung des Jah554 555 556 557

Vgl. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 46. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 48. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 30. So zu Recht MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 53.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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resabschlusses dürfen ferner nach § 107 Abs. 3 S. 4 AktG nicht an einen Ausschuss delegiert werden. Zulässig ist jedoch die Beauftragung eines Prüfungsausschusses (audit committee) mit der Vorbereitung der Prüfung und Entscheidung des Plenums.558 2. Prüfungsmaßstäbe Der Aufsichtsrat soll die Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit der Rechnungslegung und darüber hinaus auch für die mit ihr verbundenen unternehmerischen Entscheidungen im Bereich der Bilanzpolitik und der Rücklagenbildung tragen.559 In die Prüfung der Rechnungslegung soll er seine besonderen Kenntnisse über die hiesige Unternehmenspolitik einbringen und ebenso den Anteilseignerinteressen Geltung verleihen.560 Bindender Maßstab ist wiederum der hier vertretene Ansatz einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime. Die Prüfung des Aufsichtsrats nach § 171 Abs. 1 S. 1 AktG erstreckt sich insbesondere auf die Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses, also seine Konformität mit Gesetz und Satzung, etwa wenn diese zwingend die Bildung von Rücklagen vorsieht, ferner dessen Ordnungsmäßigkeit im Hinblick auf Übersichtlichkeit und Vollständigkeit der gesetzlich vorausgesetzten Angaben und Unterlagen und darüber hinaus auf die Zweckmäßigkeit der bilanzpolitischen Entscheidungen unter Einschluss des Gewinnverwendungsvorschlags und der Rücklagendotierung nach § 58 Abs. 2 AktG.561 Rechtmäßigkeitsprüfung und Zweckmäßigkeitsprüfung sind dabei streng voneinander zu unterscheiden. So kann der Versuch, eine wirtschaftliche Abwärtsentwicklung durch ergebnisaufbessernde Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu verschleiern, streng genommen nicht als zweckmäßige Wahlrechtsausübung gewertet werden, sondern ist als Verstoß gegen das Stetigkeitsgebot (vgl. §§ 246 Abs. 3, 252 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 HGB) anzusehen.562 Entscheidungen, welche die Ausübung bilanzieller Wahlrechte, die Bildung und Auflösung von Reserven, soweit diese nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, sowie die Dividenden- bzw. Ausschüttungspolitik betreffen, sind Aspekte der Zweckmäßigkeit.563 Im Rahmen der Prüfung der Zweckmäßigkeit hat der Aufsichtsrat zu kontrollieren, ob die vom Vorstand bei Aufstellung des Jahresabschlusses getroffenen bilanzpolitischen Ermessensentscheidungen den Interessen und insbesondere 558

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 483. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 34. 560 MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 34. 561 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 485; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 171 Rn. 4; MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 32 ff. Vetter, in: Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch, § 26 Rn. 67; Lutter, AG 2008, 1 (2); vgl. Sünner, AG 2008, 411 (412 f.). 562 Dahingehend MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 38. 563 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 171 Rn. 4; vgl. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 36; Lutter, AG 2008, 1 (3). 559

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

den Finanzierungsinteressen der Gesellschaft entsprechen,564 d. h. konform mit der Unternehmenspolitik sind, die nach der hier vertretenen aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime auf eine nachhaltige Unternehmenswertmaximierung auszurichten ist. Rücklagen in zu geringer Höhe könnten etwa im Nachhinein zur Deckung unvorhersehbar erhöhter Kosten für die Entwicklung eines neuen Produktes nicht ausreichen und die Aufnahme von Fremdkapitalmitteln erzwingen. Die Kontrollpflicht bezieht sich auch auf die innere „Stringenz“ von Bilanzpolitik und Ausschüttungspolitik einerseits sowie die Konsequenzen der Bilanzgewinnverteilung auf die Liquidität und Kreditwürdigkeit der Aktiengesellschaft andererseits. In Rahmen einer Gesamtbetrachtung müssen ferner das Standing der Gesellschaft am Kapitalmarkt sowie etwa geplante Kapitalerhöhungen berücksichtigt werden.565 Deshalb muss sich der Aufsichtsrat stets die Liquidität der Gesellschaft sowie deren Finanzplanung und Investitionsplanung vergegenwärtigen. Bei dieser Prüfung sind vom Aufsichtsrat die Bedeutung einer verstärkten Innenfinanzierung, damit verbunden einer sichereren Kapitalausstattung und höheren Risikotragfähigkeit, die Dividendeninteressen der Aktionäre sowie das Interesse der Gesellschaft an ihrer Attraktivität für den Kapitalmarkt im Hinblick auf künftige Kapitalaufnahmen in Einklang zu bringen.566 Sofern sich die vom Vorstand vorgeschlagene Gewinnverwendung in diese Gesamtbetrachtung einfügt, also die Liquiditätslage der Gesellschaft nicht strapaziert, die Eigenfinanzierung der beabsichtigten Investitionen nicht behindert und die Auswirkungen am Kapitalmarkt beachtet werden, kann der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Abschluss billigen.567 Will der Vorstand durch „Bilanzkosmetik“ eine Verschlechterung des Geschäftsergebnisses aufbessern, weil dieses andernfalls für die Reputation der Aktiengesellschaft, ihre Marktstellung oder ihre Kreditwürdigkeit negative Folgen haben könnte, muss dies der Aufsichtsrat berücksichtigen, darf dabei aber nicht die Interessen der Aktionäre und des Kapitalmarkts an einer offenen Darstellung der Ergebnisentwicklung und andererseits den damit verbundenen Druck auf eine Beseitigung der Verlustursachen außer Acht lassen.568 Jedenfalls kritikwürdig ist eine solche Bilanzpolitik, wenn sich der aufgebesserte Ergebnisausweis positiv auf die Vorstandsvergütung auswirkt.569 Umgekehrt kann es nicht im Sinne nachhaltiger Unternehmenswertsteigerung sein, wenn durch kritische Bilanzzahlen potenzielle Investoren verschreckt und Banken nicht mehr zur Darlehensvergabe bereit sind. Anders stellt sich die Situation wiederum dar, wenn das ausgewiesene Ergebnis durch bilanzpolitische Maßnahmen, wie die Bildung stiller Reserven, gemindert werden soll, um damit etwa spätere Verluste verschleiern zu können oder die Er564 MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 36; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 171 Rn. 4; Lutter, AG 2008, 1 (2). 565 Lutter, AG 2008, 1 (4). 566 Vgl. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 43. 567 Dahingehend zu Recht Lutter, AG 2008, 1 (4). 568 Vgl. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 38. 569 Vgl. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 38.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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wartungen auf höhere Gewinnausschüttungen zu senken.570 Dagegen können die berechtigten Interessen von Aktionären auf Ausschüttung einer angemessenen Dividende sprechen. Ferner dienen Dividenden auch der Attraktivität für zukünftige Investoren. Letzterer Belang wiegt umso schwerer, wenn die Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt notiert ist. Gerade durch seine Mitentscheidung über die Bildung von Rücklagen nach § 58 Abs. 2 S. 1 AktG oder über die Entnahme aus Rücklagen hat der Aufsichtsrat wesentlichen Einfluss auf die Ausschüttungspolitik der Aktiengesellschaft.571 Insgesamt zeigt sich also, dass der Aufsichtsrat bei der Bilanzfeststellung und beim Gewinnverwendungsvorschlag maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen über die Unternehmensfinanzierung hat.572 3. Bericht an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2 AktG) Besonderes Kommunikationsmedium zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist der Bericht nach § 171 Abs. 2 AktG. Dieser dient zwei unterschiedlichen Zwecken.573 Zum einen ist er der jährliche Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung als seinem Wahlorgan und Kontrollorgan, denn die Hauptversammlung entscheidet über die Wiederwahl der Aufsichtsratsmitglieder, jedenfalls soweit es sich hierbei um die Anteilseignervertreter handelt, als auch über die Entlastung des Aufsichtsrats nach § 120 AktG.574 Überdies dient der Bericht der Information der Hauptversammlung über die wichtigen Entwicklungen in der Aktiengesellschaft und ferner, ob und auf welche Weise der Aufsichtsrat bestimmte Aufgaben erfüllt hat und welche Überlegungen ihn dabei geleitet haben.575 Die Breite und Tiefe des Aufsichtsratsberichts an die Hauptversammlung hängt im Allgemeinen von der Lage der Gesellschaft ab.576 Bei wirtschaftlicher Schieflage sollte der Bericht daher umfangreicher sein. Hat der Prüfer auch warnende Hinweise oder gar Beanstandungen in seinen Bericht aufgenommen, muss der Aufsichtsrat an die Hauptversammlung berichten, dass er die Hinweise des Abschlussprüfers aufgenommen, mit dem Vorstand erörtert und idealiter für deren Berücksichtigung gesorgt hat.577 Die Funktionen des Berichtes legt § 171 Abs. 2 AktG im Einzelnen fest: Bei Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Abschlussprüfer hat der Aufsichtsrat nach § 171 Abs. 2 S. 3 AktG zu dem Ergebnis der Prüfung Stellung zu nehmen. Schließlich hat der Aufsichtsrat nach § 171 Abs. 2 S. 4 AktG zu erklären, ob nach 570 571 572 573 574 575 576 577

MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 39. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 42. So zu Recht MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 43. So Lutter, AG 2008, S. 1. Lutter, AG 2008, S. 1. Lutter, in: Kindler u. a., FS Hüffer, 617 (623); ders., AG 2008, S. 1. Vgl. Lutter, AG 2008, 1 (3 f.). Vgl. Lutter, AG 2008, 1 (4).

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt. Dieser Komplex wurde bereits dargestellt. In dem Bericht hat der Aufsichtsrat auch nach § 171 Abs. 2 S. 2 AktG mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahres geprüft hat; bei börsennotierten Gesellschaften hat er insbesondere anzugeben, welche Ausschüsse gebildet worden sind, sowie die Zahl seiner Sitzungen und die der Ausschüsse mitzuteilen. Im Rahmen des Berichts über die Überprüfungstätigkeit des Aufsichtsrats bietet es sich an, auf fünf verschiedene Aspekte einzugehen.578 Danach sollte der Aufsichtsrat im Einzelnen erklären, ob der Vorstand seinen Informationspflichten vollständig und zeitgerecht nachgekommen ist, ob und auf welche Art sich das Gremium von der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung überzeugt hat oder ob Unregelmäßigkeiten vorgekommen und wie diese gelöst worden sind. Berichtet werden sollte ferner über die Einrichtung und Leistungsfähigkeit geeigneter Compliance-Maßnahmen zur Überwachung des Personals durch den Vorstand. Der Aufsichtsrat sollte ferner auf die Ordnungsmäßigkeit der Unternehmensführung durch den Vorstand wie auch auf ein nach § 91 Abs. 2 AktG einzurichtendes Risikofrüherkennungssystem und dessen Leistungsfähigkeit eingehen. Im Übrigen sollte die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung ausdrücklich Erwähnung finden. Zuletzt sollte der Aufsichtsrat darüber berichten, ob der Vorstand zustimmungspflichtige Geschäfte rechtzeitig vorgelegt und der Aufsichtsrat ihnen zugestimmt und ob er im Berichtsjahr neue Zustimmungsvorbehalte festgelegt hat, etwa bei Großinvestitions- oder Desinvestitionsprogrammen. Dort kann ebenso auf die Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand in grundlegenden und unternehmensstrategischen Angelegenheiten oder bei Strukturfragen, auch im Rahmen der Bewältigung wirtschaftlicher Schwierigkeiten, eingegangen werden. Berücksichtigt der Aufsichtsrat in seinem Bericht diese Aspekte, kann er dadurch auf den Vorstand in mittelbarer Weise bestimmenden Einfluss nehmen. Der Vorstand muss sich immer bewusst sein, dass zumindest gravierenderes Fehlverhalten im Umgang mit dem Aufsichtsrat Eingang in dessen Bericht finden kann. Dies wiederum dürfte für die Kooperationsbereitschaft, nicht zuletzt in den für den Aufsichtsrat wesentlichen unternehmensstrategischen Fragen, förderlich sein. Auch hierdurch kann der Aufsichtsrat also gestaltenden Einfluss auf die Geschäftspolitik ausüben. Neben der Rechenschafts- und Informationsfunktion kann man dem Bericht nach § 172 Abs. 2 AktG daher auch den Zweck der Einflussnahme des Aufsichtsrats auf den Vorstand zuschreiben.

578 In Anlehnung an Lutter, AG 2008, 1 (5 f.); vgl. auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 9 Rn. 568 ff.

§ 9 Die Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats

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II. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals Bei der Ausnutzung einer Ermächtigung der Hauptversammlung an den Vorstand zur Kapitalerhöhung gegen Einlagen nach § 202 AktG (sog. genehmigtes Kapital579), bedarf der Vorstand nach § 204 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 AktG zur Festsetzung des Inhalts der Aktienrechte und der Ausgabebedingungen der Zustimmung des Aufsichtsrats.580 Gleiches gilt nach § 204 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 i. V. m. § 203 AktG für einen vom Vorstand beschlossenen Bezugsrechtsausschluss.581 Umfasst die Ermächtigung der Hauptversammlung auch den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, benötigt der Vorstand nach Auffassung des BGH auch für diese Entscheidung die Zustimmung des Aufsichtsrats.582 Bereits die Entscheidung, dass von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden soll, soll nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats getroffen werden.583 Denn mit der Formulierung in § 202 Abs. 3 S. 2 AktG, die neuen Aktien sollen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgegeben werden, ist die Entscheidung des Vorstands gemeint, von der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung Gebrauch zu machen.584 Vor Erteilung der Zustimmung muss der Aufsichtsrat wiederum die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Vorhabens des Vorstands überprüfen.585 Dabei kann er seine Kontrollfunktion nur erfüllen, sofern er sich mit dem konkreten Kapitalerhöhungsverfahren unter Berücksichtigung der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Situation des Unternehmens befasst.586 In jedem Fall muss sich der Aufsichtsrat die Finanzierungsstruktur der Gesellschaft vergegenwärtigen und prüfen, ob die vom Vorstand beabsichtigten Maßnahmen der Finanzierungsstruktur des Unternehmens förderlich sind, etwa weil sie durch zusätzliches Eigenkapital die Risikotragfähigkeit der Gesellschaft stärken können. Auch wenn in dem ermächtigenden Hauptversammlungsbeschluss nach § 202 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 202 Abs. 1 AktG schon zwingend der Nennbetrag des genehmigten Kapitals enthalten sein muss, hat der Aufsichtsrat gleichwohl zu kontrollieren, ob dieser Betrag zum Zeitpunkt der Ausnutzung, welche nach § 202 Abs. 2 S. 1 AktG bis zu fünf Jahre nach Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung erfolgen kann, noch angemessen ist, oder ob sich zwischenzeitlich die Verhältnisse

579

Vgl. Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 202 Rn. 1 ff. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 496. 581 Spindler/Stilz/Wamser, AktG, § 204 Rn. 39; Hüffer/Koch, AktG, § 204 Rn. 7; MüKoAktG/Bayer, § 204 Rn. 23. 582 BGH, Urt. v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 (140); vgl. Spindler/Stilz/ Wamser, AktG, § 204 Rn. 39; MüKoAktG/Bayer, § 204 Rn. 23; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 496. 583 Spindler/Stilz/Wamser, AktG, § 204 Rn. 39. 584 Spindler/Stilz/Wamser, AktG, § 204 Rn. 39. 585 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 496. 586 Spindler/Stilz/Wamser, AktG, § 204 Rn. 41. 580

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

der Gesellschaft dergestalt geändert haben, dass die mit der Kapitalerhöhung einhergehende Mediatisierung der Altaktionärsrechte unverhältnismäßig wäre. III. Erklärungspflicht zum Deutschen Corporate Governance Kodex (§ 161 Abs. 1 S. 1 AktG) Nach § 161 Abs. 1 S. 1 AktG erklären Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften jährlich, dass den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht.587 Für den Aufsichtsrat ist die sich auf die künftige Befolgung oder Nichtbefolgung beziehende Absichtserklärung von besonderem Interesse, denn er muss sich entscheiden, ob er den an ihn gerichteten Empfehlungen (vgl. insbesondere Ziff. 5 DCGK), insgesamt, in Teilen oder überhaupt nicht folgen möchte.588 Vorrangig handelt es sich dabei um eine Zweckmäßigkeitsentscheidung, bei welcher der Aufsichtsrat einen weiten unternehmerischen Ermessensspielraum hat.589 Insbesondere bei der Empfehlung des Ziff. 5.1.2 Abs. 1 S. 2 DCGK zur Forcierung von Diversity auf Vorstandsebene sollte sich der Aufsichtsrat nicht vorschnell an die Empfehlungen binden. In jedem Fall muss er prüfen, ob die Befolgung einer Empfehlung sich in die für ihn bindende aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime fügt und zur Erreichung des Ziels der nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung förderlich ist.

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats Durch Ausübung der Personalverantwortung bzw. Personalkompetenz gegenüber dem Vorstand, namentlich durch dessen Bestellung, den Widerruf seiner Bestellung, durch die Gestaltung und etwaige Herabsetzung seiner Vergütung als auch durch organisatorische Maßnahmen wie in Form einer Geschäftsordnung nimmt der Aufsichtsrat, der die Gesellschaft nach § 112 S. 1 AktG gegenüber – auch ausgeschiedenen590 – Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich vertritt, wesentlichen Einfluss auf die Leitung der Aktiengesellschaft. Insbesondere durch die Auswahl der Vorstandsmitglieder bestimmt der Aufsichtsrat maßgeblich den unternehmenspolitischen Kurs der Aktiengesellschaft. Mit dem Recht zur Bestellung und zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern sind ihm folglich zwei wesentliche

587

Zu den Einzelheiten des Deutschen Corporate Governance Kodex siehe 1. Kapitel § 5 D. VII. 588 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 492. 589 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 8 Rn. 492; Seibt, AG 2002, 249 (253 f.). 590 Siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 442.

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats

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Instrumente präventiver und repressiver Überwachung verliehen.591 Zu Recht wird daher der richtigen Ausübung der Personalbefugnis eine erhebliche Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft beigemessen.592

A. Bestellung und Wiederbestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 1 AktG) Zur selbstständigen Auswahl und Bestellung von Vorstandsmitgliedern ist, wie eingangs angesprochen, allein der Aufsichtsrat befugt und verpflichtet.593 Die Entscheidung über die Bestellung muss nach § 107 Abs. 3 S. 4 AktG zwingend durch den Gesamtaufsichtsrat erfolgen, der sich allerdings zur Vorbereitung seiner Entscheidung nach § 107 Abs. 3 S. 1 AktG eines Personalausschusses bedienen kann. Üblicherweise bereitet daher der Personalausschuss die Vorstandsbestellung so weitgehend vor, dass dem Gesamtaufsichtsrat letztlich nur ein einziger Personalvorschlag zur Beschlussfassung unterbreitet wird.594 Die Letztentscheidungsbefugnis liegt aber beim Plenum. In der mitbestimmungsfreien Gesellschaft erfolgt diese Wahl durch einen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefassten Beschluss.595 Sind mehrere Vorstandsposten zu besetzen, ist für jeden gesondert zu wählen.596 Für mitbestimmte Gesellschaften gilt das abgestufte Verfahren nach § 31 MitbestG mit drei Wahlgängen und einem zwischengeschalteten Vermittlungsverfahren.597 Der Aufsichtsrat und seine Mitglieder sind keinerlei Weisungen oder sonstigen Beschränkungen unterworfen, unstatthaft sind insbesondere vertragliche Vereinbarungen, die Aufsichtsratsmitglieder zu einem bestimmten Votum verpflichten sollen.598 Die Höchstdauer der Bestellung der Vorstandsmitglieder beträgt nach § 84 Abs. 1 S. 1 AktG fünf Jahre. Die Bemessung der Amtszeit liegt bis zu dieser Grenze im Ermessen des Aufsichtsrats. Vor dem Hintergrund, dass der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich und unabhängig leiten soll, ist von einer übermäßig kurzen Befristung abzusehen.599 Überwiegend wird sich deshalb für eine Bestellung von mindestens einem Jahr ausgesprochen.600 Letztlich bedarf die Ent591

Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 331. So Behme/Zickgraf, AG 2015, S. 841. 593 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 332 f. 594 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 337. 595 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 347; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 10. 596 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 347. 597 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 348. 598 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 333, 335. 599 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 45; siehe auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 355. 600 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 12 m. w. N.; Seibt, in: Lutter/Schmidt, AktG, § 84 Rn. 14. 592

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

scheidung über die Bestellungsdauer der sorgfältigen Würdigung des Einzelfalls.601 Mit Rücksicht auf den gebotenen Schutz der finanziellen Mittel der Gesellschaft und angesichts des Risikos, hohe Abfindungen an ein vorzeitig ausscheidendes Vorstandsmitglied zahlen zu müssen, ist es jedenfalls vorzugswürdig, bei Erstbestellungen regelmäßig davon abzusehen, die gesetzliche Maximaldauer von fünf Jahren vollständig auszunutzen.602 Für die Verlängerung der Amtszeit respektive die Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds nach Ablauf der Amtsperiode, die nach § 84 Abs. 1 S. 3 AktG eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses bedarf, gelten dieselben Grundsätze wie für die erstmalige Bestellung.603 Der Beschluss über die Verlängerung der Amtszeit oder Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds kann nach § 84 Abs. 1 S. 3 AktG frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden. Ein zuvor gefasster Beschluss ist unwirksam.604 § 84 Abs. 1 S. 3 AktG verbietet es aber nicht, die laufende Amtszeit auch früher als ein Jahr vor ihrem Ablauf einvernehmlich aufzuheben und eine Wiederbestellung auf bis zu fünf Jahre vorzunehmen.605 Für diese Vorgehensweise brauchen keine besonderen Gründe zu bestehen.606 I. Gesetzliche Anforderungen an die Auswahl der Vorstandsmitglieder Für die Auswahl der Vorstandsmitglieder setzt § 76 Abs. 3 AktG zunächst gewisse Mindestkriterien voraus, insbesondere die Freiheit von der Verurteilung aufgrund gewisser Straftaten. Ferner ist nach § 105 Abs. 1 AktG die gleichzeitige Mitgliedschaft in Vorstand und Aufsichtsrat untersagt, denn der Kontrollierte kann nicht zugleich Mitglied des Kontrollgremiums sein. Außerdem hat der Aufsichtsrat neuerdings nach § 111 Abs. 5 AktG bei Gesellschaften, welche börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, Zielgrößen für den Anteil von Frauen im Vorstand festzulegen. Spezialvorschriften legen weitere Voraussetzungen für die in ihren Geltungsbereich fallenden Gesellschaften fest (vgl. §§ 119 Abs. 2, 147 Abs. 2 KAGB, § 25c Abs. 1 KWG und § 24 Abs. 1 VAG), in der Regel im Hinblick auf die fachliche Eignung zur Leitung der Gesellschaft. Vergegenwärtigt man sich erneut die Bandbreite der Aufgaben bei der Leitung der Gesellschaft, werden die für alle Aktiengesellschaften gültigen Mindestanforderungen deutlich. Jedes Vorstandsmitglied muss in der Lage sein, das notwendige Verständnis für wirtschaftliche Vorgänge und Zusammenhänge in der Gesellschaft aufzubringen und unternehme601

Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 12. Siehe Seibt, in: Lutter/Schmidt, AktG, § 84 Rn. 14. 603 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 356. 604 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 16. 605 BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, AG 2012, 677 (678 f.); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 357; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 16. 606 BGH, AG 2012, 677 (678). Zustimmend Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 357. Ablehnend Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 16 (Erforderlichkeit beachtlicher Gründe für dieses Vorgehen). 602

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats

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risch zu handeln.607 Jedes Vorstandsmitglied muss mithin fähig sein, untergeordnete Führungsebenen mit qualifiziertem Personal zu besetzen und deren Arbeit sachgerecht zu organisieren sowie die untergeordneten Bereiche im Unternehmen zu überwachen.608 Letzteres ergibt sich schon aus der Legalitätspflicht. Zudem sind Mindestkenntnisse in Bezug auf Bilanzierung und Buchführung sowie die gesetzlichen Pflichten und Rechte des Vorstands und das aktienrechtliche Kompetenzgefüge erforderlich.609 Ebenso müssen – abhängig von der Aufgabenteilung des Gesamtvorstands nach divisionalen oder funktionalen Organisationsmustern – ausreichende Branchen- bzw. Ressortkenntnisse bei dem jeweiligen Vorstandsmitglied vorhanden sein, die entweder durch die theoretische Ausbildung oder die entsprechende berufliche Tätigkeit vermittelt worden sind.610 Der Aufsichtsrat muss dies bei der Besetzung der Vorstandsposten zwingend berücksichtigen. II. Unternehmerische Maßstäbe zur Auswahl der Vorstandsmitglieder Da regelmäßig durch die Auswahl von Vorstandsmitgliedern zumindest in Teilen eine Entscheidung über die Geschäftspolitik der kommenden Jahre gefällt wird, hat sich der Aufsichtsrat hierbei von den Interessen der Gesellschaft und dem Bestreben leiten zu lassen, eine für sie bestmögliche Wahl zu treffen.611 Je nachdem, welche Unternehmenspolitik der Aufsichtsrat für die Zukunft präferiert, wird man die eine oder die andere Persönlichkeit für die Leitung der Aktiengesellschaft gewinnen müssen.612 Nach der hier vertretenen Auffassung der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime muss der Aufsichtsrat deshalb schon bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern darauf achten, dass diese für eine nachhaltige Unternehmenswertmaximierung sorgen. Des Weiteren muss die betreffende Persönlichkeit über ihre allgemeine Qualifikation hinaus das erforderliche Profil für das konkrete Unternehmen und die konkreten Aufgaben mitbringen.613 Es wird deshalb unabdingbar sein, dass Aufsichtsratsmitglieder und allen voran der Aufsichtsratsvorsitzende laufend den externen Markt für Führungskräfte als auch das unternehmensinterne Mitarbeiterfeld beobachten, insbesondere um unerwartet eintretende Vakanzen schnell wieder besetzen zu können.614 Der Auswahl geeigneter Vorstandsmitglieder wird ferner eine eingehende und sorgfältige Bewertung und Analyse der unternehmerischen Bedürfnisse und eine langfristige Planung vorauszugehen 607

MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 41; Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (847). Dahingehend zu Recht Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (847). 609 Vgl. Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (847). 610 Vgl. Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (847 f.). 611 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 342. 612 Vgl. Lutter, in: Sadowski, FS Albach, 225 (226). 613 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 342. 614 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 342; Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (842). 608

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haben.615 Sinnvollerweise verlangt daher auch Ziff. 5.1.2 Abs. 1 S. 4 DCGK, dass der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorgen soll. Kritisch ist hingegen die Aufforderung in Ziff. 5.1.2 Abs. 1 S. 2 DCGK zu sehen, der Aufsichtsrat solle bei der Zusammensetzung des Vorstands auch auf Vielfalt (Diversity) achten. Der Vorwurf, die Kodex-Kommission habe sich für allgemeine gesellschaftspolitische Zielsetzungen vereinnahmen lassen,616 liegt hier nahe. Keinesfalls darf sich der Aufsichtsrat dazu verleiten lassen, bei der Auswahl der Vorstandsmitglieder nach anderen Kriterien als der Qualifikation der in Frage kommenden Aspiranten zu verfahren.617 Dabei kann auch ein vorheriger Werdegang im internationalen Umfeld, nicht aber zwingend Internationalität im Sinne eines möglichst breiten Spektrums an Nationalitäten der Vorstandsmitglieder, von Vorteil sein. Das Geschlecht und ebenso andere Diversitätsmerkmale618 werden daher als Auswahlmaßstab regelmäßig verfehlt sein.619 Eine Auswahl, die sich davon leiten und die bestmögliche Qualifikation als entscheidendes Kriterium zurücktreten lässt, wird sich im Zweifel als Pflichtwidrigkeit herausstellen. Bei der Entscheidung über die Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds oder Verlängerung seiner Amtszeit hat sich der Aufsichtsrat ebenso intensiv mit der Persönlichkeit des betreffenden Vorstandsmitglieds auseinander zu setzen, jetzt allerdings unter Beachtung der von ihm bisher erbrachten Leistungen.620

B. Widerruf der Bestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 3 AktG) und Suspendierung Nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG kann der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vor Ablauf der regulären Amtszeit abberufen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist.621 Nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG ist ein wichtiger Grund namentlich eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Eine grobe Pflichtverletzung kann in einer unsorgfältigen Geschäftsführung ebenso wie in Compliance-Verstößen, etwa Korrupti615

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 342. Siehe nur Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 344; Krieger, ZGR 2012, 202 (212); Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173 (1176). 617 So auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 344. 618 Zu den verschiedenen Dimensionen von Diversity vgl. Ulrich, Der Aufsichtsrat 2016, S. 157 f. 619 So zu Recht Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 344. Kritsch zu Gender Diversity auch Boerner/Keding/Hüttermann, ZfbF 2012, S. 37 ff. 620 Dahingehend auch Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 17. 621 BGH, Beschl. v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, AG 2007, S. 125. 616

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onsdelikten, des Vorstandsmitglieds liegen und die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung kann insbesondere durch schlechtes Krisenmanagement belegt werden.622 Eine Abberufung kommt auch bei einer Vertrauenszerrüttung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie dann in Betracht, wenn unüberbrückbare Differenzen zwischen beiden Verwaltungsorganen über grundsätzliche Aspekte der Unternehmenspolitik bestehen, denn eine förderliche Zusammenarbeit ist ohne Übereinkunft in den Grundsatzfragen nicht möglich.623 Richtigerweise kommt es für die korporationsrechtliche Abberufung ausschließlich auf die Interessen der Aktiengesellschaft an; die Belange des Vorstands sind hierfür irrelevant.624 Liegt ein wichtiger Grund vor, ist der Aufsichtsrat in der Regel auch zur Abberufung verpflichtet, wobei er hierbei über einen Ermessensspielraum verfügt.625 Ein Ermessensspielraum des Aufsichtsrats besteht jedoch nur hinsichtlich der Frage, ob er bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Abberufungsmöglichkeit Gebrauch macht.626 Denn nach der überwiegenden Meinung unterliegt die Frage nach dem Vorliegen eines wichtigen Grundes im vollen Umfang der gerichtlichen Überprüfung.627 Da die Entscheidung über die Abberufung gerade in Fällen des grundsätzlichen Dissens zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über die künftige Geschäftspolitik starke Züge einer unternehmerischen Entscheidung trägt, spricht in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch mehr dafür, dem Aufsichtsrat wenigstens hierbei einen Ermessenspielraum einzuräumen. Ermöglicht wird die Abberufung ferner nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG durch den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Die endgültige Entscheidung über den Widerruf der Bestellung ist jedoch vom Gesamtaufsichtsrat zu treffen (vgl. § 107 Abs. 3 S. 4 AktG). Das abgestufte Verfahren in mitbestimmten Gesellschaften nach § 31 Abs. 2 bis 4 MitbestG gilt nach § 31 Abs. 5 MitbestG auch für die Abberufung.628 Neben der einvernehmlichen Aufhebung der Bestellung und der einseitigen Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied629 ist auch die einseitige und zeitweilige630 Suspendierung, d. h. die vorübergehende Enthebung eines Vorstandsmitglieds von der Amtsführung631, von praktischer Relevanz. Das Vorstandsmitglied 622

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 365. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 365. 624 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 365. 625 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 368. 626 OLG Frankfurt am Main, AG 2015, 363 (365). 627 OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.2.2015 – 5 U 111/14, AG 2015, 363 (364 f.); Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 49; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 34; MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 130; MünchHdbGesR/Wiesner, § 20 Rn. 51. 628 Siehe hierzu Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 369. 629 Vgl. hierzu Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 376 f. 630 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 380. 631 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 378. 623

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bleibt dabei nach überwiegender und vorzugswürdiger Auffassung im Amt, nur darf es seine gesetzlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht mehr ausüben.632 Da die Suspendierung nur eine vorläufige Maßnahme und ein „Minus zum Bestellungswiderruf“ ist, sind unter Anwendung von § 84 Abs. 3 AktG geringere Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes als beim Widerruf zu stellen.633 Insbesondere kann der Verdacht einer zum Widerruf berechtigenden Pflichtverletzung eine Suspendierung rechtfertigen, wenn dieser Verdacht mangels ausreichender Aufklärung für eine Abberufung noch nicht ausreicht.634 Für den Aufsichtsrat kann es deshalb besser sein, mit der endgültigen Abberufung zuzuwarten und die Amtsführung des Vorstands durch Suspendierung bis zur Klärung der ihm zur Last gelegten Pflichtwidrigkeit auszusetzen. Für das Suspendierungsverfahren ist wiederum der Gesamtaufsichtsrat zuständig und es gelten dieselben Verfahrensvorschriften wie für die Abberufung.635

C. Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder Ferner ist zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft ein von der Organbestellung rechtlich unabhängiges Anstellungsverhältnis zu schließen.636 Für die Ausgestaltung und den Abschluss dieses Vertrags, welcher als Dienstvertrag mit dem Gegenstand der Geschäftsbesorgung nach §§ 611 ff., 675 BGB angesehen wird637, ist nach § 84 Abs. 1 S. 5 Hs. 1 i. V. m. § 84 Abs. 1 S. 1 AktG der Aufsichtsrat zuständig. Für die Beschlussfassung des Aufsichtsrats in mitbestimmten Gesellschaften gilt § 29 MitbestG, es genügt also die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.638 Die Anstellungsverträge dürfen nach § 84 Abs. 1 S. 5 i. V. m. S. 1 AktG nicht auf eine längere Dauer als fünf Jahre geschlossen werden, wobei eine Klausel mit dem Inhalt zulässig ist, dass im Fall einer späteren Verlängerung der Bestellung zugleich der Anstellungsvertrag entsprechend prolongiert wird.639 Ist im Anstellungsvertrag keine ausdrückliche Regelung zur Vertragsdauer enthalten, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Vertrag bis zum Ablauf der Bestellung unter Beachtung der Fünf-Jahresfrist geschlossen wurde.640 632

Jeweils m. w. N. Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 59; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 378. 633 So Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 59; ähnlich Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 379. 634 So zu Recht MünchHdbGesR/Wiesner, § 20 Rn. 73. 635 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 381. 636 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 384. 637 Vgl. Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 23. 638 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 387; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG, Rn. 41. 639 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 392. 640 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 28.

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Nicht vergütungsbezogene Regeln des Vertrags können einem Ausschuss zur Entscheidung übertragen werden, die Festsetzung der Bezüge, ebenso wie deren Herabsetzung nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG641, ist aber nach § 107 Abs. 3 S. 4 AktG vom Gesamtaufsichtsrats selbst zu beschließen.642 Deshalb muss auch die Festlegung der Erfolgsziele bei variablen Vergütungselementen dem Plenum vorbehalten sein, wenn es sich um verbindliche Zielfestlegungen handelt.643 Zulässig ist hier allein die Überantwortung der Vorbereitung der Vergütungsregelungen an einen Ausschuss.644 Die Beendigung des Anstellungsvertrags – in Betracht kommen dabei insbesondere die Kündigung oder der Abschluss eines Aufhebungsvertrags – richtet sich gemäß § 84 Abs. 3 S. 5 AktG nach den allgemeinen Vorschriften. Der Widerruf der Bestellung führt nur im Fall einer sog. Koppelungsklausel im Sinne der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung zur automatischen Beendigung des Anstellungsvertrags.645 Andernfalls bedarf es einer expliziten Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung, wobei im Bestellungswiderruf im Zweifel zugleich eine konkludente außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags und umgekehrt in der Kündigung des Anstellungsvertrags im Zweifel zugleich ein konkludenter Widerruf der Bestellung liegen wird.646 Sowohl die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB als auch die ordentliche Kündigung bedarf eines wichtigen Grundes;647 bei letzterer würde andernfalls § 84 Abs. 3 AktG umgangen, denn das gekündigte Vorstandsmitglied wäre de facto zur Amtsniederlegung gezwungen.648 Nach allgemeinen Grundsätzen kommt eine ordentliche Kündigung ohnehin nur dann in Betracht, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen oder andernfalls das Recht zur ordentlichen Kündigung vertraglich vorgesehen ist.649 Auch für die Beendigung des Anstellungsvertrags, sei es durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, ist der Aufsichtsrat zuständig (vgl. § 112 AktG). Ist diese Entscheidung einem Ausschuss überantwortet, ist dieser zur Kündigung oder Aufhebung des Vertrags erst in der Lage, wenn die Bestellung zuvor vom Gesamtaufsichtsrat beendet wurde.650 Auch muss das Plenum selbst über die Behandlung vertraglicher Vergütungsansprüche entscheiden (vgl. § 107 Abs. 3 S. 4 AktG). Insofern darf der Ausschuss nur vorbereitenden Verhandlungen über die Ausscheidensbedingungen führen, die endgültige Entscheidung liegt beim Gesamtauf-

641 642 643 644 645 646 647 648 649 650

Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 74. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 388 f. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 388. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 391. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 424. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 424. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 428, 432. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 432. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 432. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 426.

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sichtsrat.651 In mitbestimmten Gesellschaften findet wiederum § 29 MitbestG Anwendung.652 Die Abgabe der erforderlichen Willensklärung kann durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder, allen voran dem Aufsichtsratsvorsitzenden, vorgenommen werden.653

D. Ausgestaltung und Herabsetzung der Vergütung (§ 87 Abs. 1 und 2 AktG) Zur Einflussnahme des Aufsichtsrats auf Vorstandsmitglieder ist die Ausgestaltung der Vergütung von besonderer Bedeutung. Nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Bei der Festsetzung einer unangemessenen Vergütung drohen dem Aufsichtsrat Schadensersatzansprüche der Gesellschaft nach § 116 S. 3 AktG, ferner kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht.654 Als Vorstandsbezüge kommen nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und anreizorientierte Vergütungszusagen, wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder Art, in Betracht. Neben den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie der Lage der Gesellschaft können weitere Gesichtspunkte herangezogen werden, etwa Reputation und besondere Erfahrungen.655 Für die Aktiengesellschaft wird es im Wettstreit um die besten Führungskräfte regelmäßig notwendig sein, die am Markt geforderten Bezüge für ein erfolgversprechendes Vorstandsmandat zu zahlen. Denn bei der Vergütungsfestsetzung muss der Aufsichtsrat darauf achten, im Wettbewerb mit anderen Unternehmen die besten Führungskräfte anwerben zu können.656 Der Maßstab der Lage der Gesellschaft schließt es nicht aus, auch bei einer schlechteren wirtschaftlichen Lage höhere Bezüge zu zahlen, sondern eine solche Situation kann bessere Bezüge sogar erforderlich machen, um die richtigen und talentierten Persönlichkeiten für den Vorstand gewinnen zu können.657 Die jeweils übliche Vergütung umfasst dabei die horizontale und die 651

Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 426. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 426. 653 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 426. 654 Vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331 ff. (Mannesmann), wo die Strafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern wegen Untreue mit der kompensationslosen Anerkennungsprämie für ein Vorstandsmitglied begründet wurde. 655 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 397. 656 Vgl. Börsig/Löbbe, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 125 (151). 657 So zu Recht Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 397. 652

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vertikale Vergleichbarkeit.658 Die horizontale Vergleichbarkeit verlangt, dass sich die Vorstandsbezüge im durch Branche, Unternehmensgröße und Sitzstaat der Gesellschaft vorgegebenen üblichen Rahmen bewegen müssen. Auch hier gilt, dass überragende Fähigkeiten und Leistungen einen hohen Marktpreis und damit hohe Vergütungen bedingen und rechtfertigen.659 Vertikale Vergleichbarkeit bedeutet, dass die Vorstandsvergütung nicht Maß und Bezug zu den Mitarbeitergehältern im Unternehmen und den Bezügen anderer Vorstandsmitglieder verlieren soll. Diese Seite der Vergleichbarkeit hat mehr die Bedeutung eines Appels, insbesondere folgt aus ihr keine Obergrenze für Vorstandsgehälter.660 Allein bei börsennotierten Gesellschaften ist im Rahmen des § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 AktG eine Begrenzungsmöglichkeit (Cap) für außerordentliche Entwicklungen vorgesehen. Die laufende Vorstandsvergütung setzt sich letztlich in der Praxis aus fixen und variablen Bestandteilen zusammen, wobei sich die variablen Vergütungselemente vor allem mit dem Gedanken einer angemessenen Beteiligung am unternehmerischen Erfolg rechtfertigen lassen.661 Zum Inhalt des Postulats der Ausrichtung der Vergütungsstruktur bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft nach § 87 Abs. 1 S. 2 AktG ist bereits eingegangen worden.662 Hier liegt eine der Stellschrauben, mit deren Hilfe der Aufsichtsrat im Hinblick auf die variablen Vergütungsbestandteile Verhaltensanreize schaffen und die langfristige Arbeit des Vorstands beeinflussen kann. Deshalb sollen variable Vergütungsbestandteile bei Vorständen börsennotierter Gesellschaften nach § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG auch eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. In Anlehnung an die gesetzliche Höchstdauer der Bestellung von fünf Jahren empfiehlt sich daher die Anbindung an diesen Zeitraum, also etwa vier bis fünf Jahre.663 Dadurch wird erreicht, dass sämtliche Auswirkungen einer Amtszeit in der Bemessung der Vergütung Berücksichtigung finden. Aus § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG folgt indessen nicht, dass sämtliche variablen Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben müssen, sondern auch eine Kombination jährlicher Tantiemen und Boni mit langfristigen Vergütungskomponenten ist zulässig.664 Dabei ist allerdings sicherzustellen, dass insgesamt ein langfristiger Verhaltensanreiz erzeugt wird, was jedenfalls dann zutrifft, wenn die langfristigen Vergütungsbestandteile ihrem Vermögenswert nach überwiegen.665 Nach der hier vertretenen aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime der nachhaltigen Maximierung des Unternehmens- bzw. Eigenkapitalwerts müssen sich variable Vergütungsbestandteile deshalb an der 658

Siehe hierzu Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 397. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 397. 660 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 397. 661 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 400. 662 Siehe 1. Kapitel § 5 F. II. 1. 663 Dies ist umstritten, vgl. die Nachweise bei Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 401 Fn. 3 bis 5. 664 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 401. 665 Dahingehend auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 401. 659

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langfristigen Steigerung dieses Parameters ausrichten, wobei der Regelungszeitraum in Anknüpfung an das zuvor Gesagte wiederum vier bis fünf Jahre betragen sollte. Eine nachträgliche Herabsetzung der festgelegten Erfolgsziele (Repricing) wird sich deshalb in aller Regel verbieten.666 Werden Aktien als Vergütungsbestandteil gewährt, muss dies auch mit der Verpflichtung einhergehen, diese Anteile für mindestens den Zeitraum einer planmäßigen Amtsperiode zu halten, um auf diese Weise Verhaltensanreize zur langfristigen Kurswertsteigerung zu wecken. Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung in der Weise, dass die Weitergewährung der Bezüge unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen. Eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft liegt laut der Gesetzesbegründung etwa dann vor, „wenn die Gesellschaft Entlassungen oder Lohnkürzungen vornehmen muss und keine Gewinne mehr ausschütten kann. Insolvenz oder unmittelbare Krise erfüllen die Voraussetzung stets, sind aber nicht notwendig.“667 Vorübergehende oder geringfügige wirtschaftliche Schwierigkeiten begründen demnach noch kein Herabsetzungsrecht.668 Während die Insolvenz und eine unmittelbare Krise, also eine konkrete Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Gesellschaft, nach dem gesetzgeberischen Willen zwar stets die Voraussetzung der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft erfüllen, setzt dieser Tatbestand gleichwohl auch schon im Vorfeld ein, verlangt aber dann das Hinzutreten weiterer Umstände.669 Thesauriert etwa der Vorstand Gewinne, um sie anschließend für Investitionen oder die Stärkung der Eigenkapitalbasis zu verwenden, wäre es paradox, ihn für den damit möglicherweise einhergehenden Gewinnausfall zu sanktionieren.670 Den Ausprägungen der hier vertretenen aktienrechtlichen, unternehmerischen Leitmaxime widerspräche dies sogar in besonders eklatanter Weise. Auch Entlassungen und Lohnkürzungen in den Phasen konjunkturellen Abschwungs sind für sich genommen noch nicht unbedingt Ausdruck einer krisenhaften Zuspitzung, sondern denkbarer Bestandteil legitimen unternehmerischen Handelns.671 In der Regel wird man deshalb in der Situation der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage die Kumulation aus Dividendenausfall einerseits und Massenentlassungen sowie Lohnkürzungen andererseits als Herabsetzungsvoraussetzung fordern müssen.672 Diese müssen zwar nicht Ausdruck einer wesentlichen Gefährdung sein, denn eine wesentliche Verschlechterung erfordert der novellierte § 87 Abs. 2 S. 1 AktG gerade nicht mehr, aber zumindest mit einer gewichtigen mittleren Gefährdungslage für die 666

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 404. Begr. RegE v. 17.3.2009, BT-Drs. 16/12278, S. 6. 668 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 63; ähnlich MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 172. 669 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 173 f. 670 Vgl. Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 47. 671 Dahingehend auch Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 25; Bauer/Arnold, AG 2009, 717 (725). 672 So auch Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 25. 667

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Aktiengesellschaft einhergehen.673 Erforderlich für die tatbestandserfüllende Verschlechterung der Lage der Gesellschaft sind nach Abschluss des Anstellungsvertrags eingetretene Umstände. Wirtschaftliche Schwierigkeiten, die schon bei seinem Abschluss bekannt waren, genügen hingegen nicht.674 Als weitere Voraussetzung muss die Weitergewährung der Bezüge unbillig für die Gesellschaft sein. Laut der Gesetzesbegründung ist die Weiterzahlung der Bezüge dann unbillig, „wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat, aber auch dann, wenn ihm kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist. Wie im alten Recht wird auch bei dem neugefassten § 87 Abs. 2 S. 1 AktG an einer umfassenden Abwägung der Interessen des Vorstandsmitglieds und der Gesellschaft festzuhalten sein.675 Es sind damit weiterhin das Ausmaß der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft, die Höhe der Bezüge und die persönlichen Verhältnisse des Vorstandsmitglieds für die Herabsetzungsentscheidung bedeutsam.676 Stärker als bislang ist nun das Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds zu berücksichtigen.677 Hierdurch erlangt die Norm über das Merkmal der Unbilligkeit ein Stück weit den Charakter einer Sanktionsvorschrift. Zu weit ginge es indes, die Vorschrift im Allgemeinen zur Ahndung von Fehlverhalten von Vorstandsmitgliedern oder bei Abweichen von einer von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam verabschiedeten Unternehmenspolitik zu gebrauchen. Voraussetzung für § 87 Abs. 2 S. 1 AktG ist immer eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. Sind die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 S. 1 AktG erfüllt, ist der Aufsichtsrat dazu angehalten, die Bezüge angemessen herabzusetzen.678 Durch die mit dem VorstAG unternommene Wendung von einer „Kann“- zu einer „Soll“-Vorschrift wird das Ermessen des Aufsichtsrats allerdings nicht gänzlich beseitigt, ihm aber vorgegeben, dass die Vergütungsherabsetzung der Regelfall ist.679 Das Wort „soll“ macht also deutlich, dass der Aufsichtsrat üblicherweise zu einer Herabsetzung verpflichtet ist und allein bei Vorliegen besonderer Umstände davon absehen darf.680 Im Hinblick auf die Höhe der Vergütungsherabsetzung als auch die Frage, welche Bestandteile der Vorstandsbezüge herabgesetzt werden sollen, hat der Aufsichtsrat

673

So auch MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 172. Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 176. 675 MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 177. 676 MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 177; dahingehend auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 65; Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 50. 677 MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 178. 678 MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 184. 679 Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (540). 680 Siehe BGH, Urt. v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, WM 2016, 327 (331); zustimmend Schockenhoff, ZIP 2017, 1785 (1790). 674

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hingegen einen Beurteilungsspielraum, was im konkreten Fall „angemessen“ ist.681 Eine zu starke Kürzung könnte etwa eine negative Wirkung auf zukünftige Vorstandsanwärter haben.682 Umgekehrt wird der Aufsichtsrat eine umso stärkere Senkung der Bezüge in Betracht ziehen müssen, je mehr das Handeln des Vorstands zurechenbar zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Aktiengesellschaft beigetragen hat. Ein pflichtwidriges Unterlassen der Herabsetzung führt zur Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft.683 Die in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG genannten Bezüge der Vorstandsmitglieder sind durch Erklärung des Aufsichtsrats auf die angemessene Höhe herabzusetzen. Dogmatisch handelt es sich bei der Herabsetzungsbefugnis um ein einseitiges Gestaltungsrecht der Aktiengesellschaft.684 Dieses Gestaltungsrecht greift mit dem Zugang der Erklärung bei dem betreffenden Vorstandmitglied unmittelbar ein (vgl. § 315 Abs. 2 BGB) und ändert das Vertragsverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied.685 Angesichts des Wortlauts des § 87 Abs. 2 S. 1 AktG („Wei681 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 211 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 71; a. A. Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 27; Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (540). 682 Vgl. Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 54. 683 So auch MüKoAktG/Spindler, § 87 Rn. 211. 684 BGH, WM 2016, 327 (328). 685 Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (539). Aus dem Charakter der Herabsetzungsbefugnis als einseitiges Gestaltungsrecht resultiert zugleich die Verpflichtung des Aufsichtsrats, die Entscheidung über ihre Ausübung nach billigem Ermessen zu treffen (vgl. § 315 Abs. 1 BGB), welche allerdings durch den in § 87 Abs. 2 S. 1 AktG gezogenen Rahmen und insbesondere im Hinblick auf das Volumen der Herabsetzung schon vorgezeichnet ist (Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (539)). Die generellen Schwierigkeiten, mit welchen die Handhabung und Auslegung der gesetzlichen Herabsetzungsbefugnis verbunden ist, legt es nahe, entsprechende Abreden in die Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern aufzunehmen. Solange gewährleistet ist, dass die Gesellschaft die Vorstandsbezüge bei Überschreitung der Eingriffsschwelle des § 87 Abs. 2 S. 1 AktG herabsenken kann, lassen sich Vertragsklauseln, welche das Merkmal der Verschlechterung der Lage sowie den Maßstab der Angemessenheit konkretisieren, mit dem zwingenden Charakter dieser Vorschrift vereinbaren (Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (552)). Die Herausforderung für die Vertragsgestaltung besteht darin, dass derartige Abreden den §§ 305 ff. BGB unterfallen, sofern sie Bestandteil vorformulierter Verträge und damit als allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen sind. Auch das Aushandeln einzelner Bestimmungen des Anstellungsvertrags ändert dann nichts an dem Charakter der übrigen Klauseln als allgemeine Geschäftsbedingungen (siehe Palandt/Grüneberg, § 305 BGB, Rn. 18). Das folglich anwendbare Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zwingt zu einer genauen Formulierung der vertraglichen Herabsetzungsvorbehalte (Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (552)), weshalb hierbei zumindest das erforderlich Ausmaß der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die von der Herabsetzung betroffenen Bestandteile der Vorstandsbezüge und der Umfang ihrer Kürzung beschrieben werden sollten (vgl. Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (554)). Da durch eine solche Abrede § 87 Abs. 2 S. 1 AktG im Verhältnis zwischen dem Vorstandmitglied und der Aktiengesellschaft ergänzt und konkretisiert wird, ist sie auch nicht nach Maßgabe des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle gemäß den §§ 307 ff. BGB entzogen (vgl. Erman/Roloff, BGB, § 307 Rn. 40). Zwar unterfallen der Inhaltskontrolle keine Preis- und damit auch nicht Entgeltvereinbarungen. Eine vertraglich konturierte Befugnis des Aufsichtsrats, die Bezüge des Vorstands herabzusetzen und damit die vertraglich geschuldete Hauptleistung, also die Gewährung von Bezügen, inhaltlich zu modifizieren, unterliegen als

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats

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tergewährung“) ist allerdings nur die Herabsetzung künftiger Bezüge gestattet, nicht die Rückforderung der bereits geleisteten.686, 687 Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft wieder, so hat das Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Wiedergewährung der ursprünglich vereinbarten Bezüge.688 Gemäß § 87 Abs. 2 S. 2 AktG können Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft herabgesetzt werden. Problematisch hieran ist aber, dass in bereits verdiente Rechtspositionen eingegriffen wird, weshalb die Herabsetzung von Ruhestandsbezügen im Rahmen

Preisnebenabreden hingegen dem Kontrollregime der §§ 307 ff. BGB (vgl. Roloff, in: Henssler/ Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 307 BGB, Rn. 6). Für solche Klauseln von Bedeutung ist insbesondere § 308 Nr. 4 BGB, wonach ein Änderungsvorbehalt zugunsten des Klauselverwenders, aufgrund dessen er die versprochene Leistung ändern oder von ihr abweichen darf, unwirksam ist, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Die Judikatur des BAG, wonach der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst nicht über 25 bis 30 Prozent liegen darf, weil das Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden kann (BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BB 2005, 833 (834)), passt nicht zu dem Verständnis von einem Vorstandsmitglied als Teil eines Gesellschaftsorgans, welches unternehmerische Entscheidungen fällt (dahingehend zu Recht Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (554)). Ein vertragliches Herabsetzungsrecht sollte wenigstens dann zumutbar i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB sein, wenn die Herabsetzung dazu dient, die Weitergewährung von, in Ansehung der schlechteren wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, unverhältnismäßigen Vorstandsbezügen zu unterbinden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Vorstand kraft seines Amtes besonderen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft hat und damit letztlich auch auf das Entstehen der Voraussetzungen für den Herabsetzungsvorbehalt (dahingehend zu Recht Oetker, ZHR 175 (2011), 527 (555)). 686 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 72; vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 30; Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn. 51. 687 In jüngerer Zeit finden sich in Vorstandsanstellungsverträgen vermehrt sog. Claw-BackRegelungen. Diese sollen es der Gesellschaft ermöglichen, bereits an das betreffende Vorstandsmitglied ausbezahlte variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern. Auch der durch das ARUG II eingefügte § 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AktG sieht als Bestandteil des vom Aufsichtsrat zu beschließenden Vergütungssystems die Möglichkeit der Gesellschaft vor, variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern. Solche Rückforderungsklauseln können anknüpfen an ein Fehlverhalten der Vorstandsmitglieder, eine fehlerhafte Berechnung der variablen Vergütung, das Nichterreichen wirtschaftlicher Ziele innerhalb einer bestimmten Referenzperiode sowie eine nachträgliche Verschlechterung der Lage des Unternehmens (Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, S. 813). Anders als § 87 Abs. 2 S. 1 AktG knüpfen Claw-Back-Klauseln an bereits ausgezahlte Vergütungen an und zielen nicht auf die Anpassung künftiger Vergütungen ab (Schockenhoff/Nußbaum, AG 2018, 813 (816); Raitzsch, ZIP 2019, 104 (106 f.)). Die bereits im Zusammenhang mit § 87 Abs. 2 S. 1 AktG dargestellten Schwierigkeiten im Umgang mit den Anforderungen der §§ 307 ff. BGB (siehe oben Fn. 685) gelten hier in ähnlicher Weise. Insbesondere das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zwingt dazu, die Voraussetzungen eines vertraglichen Rückforderungsanspruches klar zu bestimmen (so zu Recht Schockenhoff/ Nußbaum, AG 2018, 813 (816); Raitzsch, ZIP 2019, 104 (108)). 688 So zu Recht Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 73; dahingehend auch Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 414.

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2. Kap.: Überwachungs- und Mitentscheidungsfunktionen des Aufsichtsrats

des § 87 Abs. 2 S. 2 AktG an restriktivere Voraussetzungen zu knüpfen ist.689 Ein Zugriff auf die Ruhestandsbezüge erscheint damit nur in existenziellen Notlagen der Gesellschaft als akzeptabel.690

E. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 AktG) Der Aufsichtsrat kann ferner Einfluss auf den Vorstand durch die Ausgestaltung seiner Geschäftsordnung nehmen. Es gehört zu den Pflichten des Aufsichtsrats, auf eine sachgerechte Organisation der Vorstandsarbeit zu achten und hinzuwirken.691 In der Geschäftsordnung können dispositive Regelungen zur Binnenorganisation und Geschäftsverteilung geregelt werden.692 In Betracht kommen insbesondere ein Katalog von nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zustimmungspflichtigen Geschäften, jedoch nur, sofern der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung erlässt, Bestimmungen über den Vorstandsvorsitzenden, die Bildung von Vorstandsausschüssen sowie der Informationsaustausch innerhalb des Vorstands und zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.693 Zwar liegt die Zuständigkeit für die Geschäftsordnung vorrangig bei der Satzung, die zum einen die Geschäftsverteilung festlegen (vgl. § 77 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 AktG) und zum anderen Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln kann (vgl. § 77 Abs. 2 S. 2 AktG).694 Insofern die Satzung aber keine Regelungen aufgestellt hat, kann der Gesamtaufsichtsrat, nach § 107 Abs. 3 S. 3 AktG nicht aber ein Ausschuss, eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen (vgl. § 77 Abs. 2 S. 1 AktG) und darin auch die Geschäftsverteilung regeln (vgl. § 77 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 AktG).695 Diese Befugnis folgt aus der Personalkompetenz des Aufsichtsrats über den Vorstand.696 Verzichtet der Aufsichtsrat auf die Aufstellung einer Geschäftsordnung für den Vorstand und ist dies auch nach der Satzung nicht ausdrücklich dem Aufsichtsrat vorbehalten, ist der Vorstand nach § 77 Abs. 2 S. 1 AktG selbst befugt, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Nach § 77 Abs. 2 S. 2 AktG kann die Satzung zwar Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln. Die Details bleiben aber dem

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So zu Recht Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 28; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 415. 690 So Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 28. 691 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 456. 692 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 77 Rn. 24. 693 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 77 Rn. 61; vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 452. 694 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 453. 695 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 453. 696 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 77 Rn. 26; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 77 Rn. 63.

§ 10 Die Personalverantwortung des Aufsichtsrats

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Aufsichtsrat vorbehalten, um die notwendige organisatorische Flexibilität und Freiheit bei der Vorstandsbesetzung erhalten zu können.697 Kommt der Aufsichtsrat zu dem Entschluss, die Ressortzuständigkeit eines Vorstandsmitglieds zu beschränken oder die Aufgaben im Vorstand neu aufzuteilen, kann er dies, sofern wiederum die Satzung keine Regelungen trifft, durch Novellierung der Geschäftsordnung erreichen. Korporationsrechtlich sind diese Änderungen ohne Weiteres zulässig, allerdings kann dies dem Vorstandsmitglied ein Recht zur Amtsniederlegung und zur Kündigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund verschaffen.698 Sofern der Aufsichtsrat ein unliebsam gewordenes Vorstandsmitglied loswerden möchte, aber keinen für § 84 Abs. 3 AktG ausreichenden Grund hat, insbesondere weil der Weg über den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nicht erfolgsversprechend erscheint, besteht folglich mit der Neuordnung der Geschäftsverteilung die Möglichkeit, das Vorstandsmitglied „auf das Abstellgleis zu schieben“ und es so zur Kündigung und Amtsniederlegung zu bewegen. Damit stehen das vornehmliche Funktionsspektrum des Aufsichtsrats sowie die Schalthebel fest, an denen sein unternehmerisches Handeln gefordert ist. Um ein vollständiges Bild von der mitunternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats zu gewinnen, ist es, wie in der Einführung angesprochen, jedoch ebenso wichtig, sich den Fragen der Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten zuzuwenden, allen voran seiner Besetzung und Organisation sowie seinen Treuepflichten. Diese Aspekte werden im folgenden Kapitel begutachtet.

697 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 454; vgl. MüKoAktG/Spindler, § 77 Rn. 51. 698 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 7 Rn. 457.

3. Kapitel

Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten Zur Erfüllung seiner Aufgaben hat der Aufsichtsrat insbesondere in personeller Hinsicht seine Funktionsfähigkeit herzustellen und dafür zu sorgen, dass er seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt und sich seine Mitglieder dabei rechtstreu verhalten.1 Der Aufsichtsrat muss darüber hinaus sicherstellen, dass seine Organisation und seine Arbeit den rechtlichen Anforderungen des AktG, der Gesellschaftssatzung und den Regelungen der Geschäftsordnung entsprechen.2 Dies ist die wesentliche Grundlage für eine zufriedenstellende Erledigung seiner Aufgaben, allen voran die effiziente Überwachung der Geschäftsführung durch den Vorstand.3 In diesem Kapitel wird deshalb auf die Aspekte der Besetzung des Aufsichtsrats unter Einbeziehung der Fragen nach einem Bestellungshindernis bei bestehenden Interessenkonflikten sowie nach der Qualifikation der Mitglieder und ferner auf die Organisation der Aufsichtsratsarbeit, etwa durch die Einrichtung von Ausschüssen, eingegangen.

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats Zwar obliegt nach Maßgabe des § 101 Abs. 1 S. 1 AktG der Hauptversammlung die Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, bei mitbestimmten Gesellschaften allein über die Anteilseignerbank.4 Dennoch trifft auch den amtie1

Vgl. Vetter, in: Hoffmann-Becking/Hüffer/Reichert, LA Winter, 701 (703 f.), der in diesem Zusammenhang von der Compliance-Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten spricht. 2 Vetter, in: Hoffmann-Becking/Hüffer/Reichert, LA Winter, 701 (703). 3 Vgl. Vetter, in: Hoffmann-Becking/Hüffer/Reichert, LA Winter, 701 (704). 4 Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder ist für die Vertreter der Anteilseignerseite und die Vertreter der Arbeitnehmerseite einheitlich in § 102 AktG geregelt (vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 MitbestG, § 10c Abs. 1 MontanMitbestGErgG sowie § 5 Abs. 1 DrittelbG; für Unternehmen, welche der Montanmitbestimmung unterliegen, folgt dies aus der Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Wahl der Arbeitnehmervertreter, vgl. §§ 5, 6 MontanMitbestG; vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 102 Rn. 11 und Fn. 24; Gasteyer, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 102 AktG, Rn. 21). Nach § 102 Abs. 1 S. 1 AktG können Aufsichtsratsmitglieder nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt.

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

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renden Aufsichtsrat die Pflicht, auf eine ordnungsgemäße Besetzung hinzuwirken, denn nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG hat er einen Vorschlag für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern zu unterbreiten. Der amtierende Aufsichtsrat hat damit eine „Vorschlagsverantwortung“ im Hinblick auf die Wahl ausreichend qualifizierter Mitglieder.5 Er muss sein Vorschlagsrecht an dem Gebot einer möglichst effektiven Überwachung der Gesellschaft ausrichten.6 Dabei hat der Aufsichtsrat auch darauf zu achten, dass die vorgeschlagenen Personen über die zur verantwortlichen Wahrnehmung ihres Mandats erforderliche persönliche und fachliche Qualifikation verfügen.7 Er muss damit auf eine Besetzung und Gesamtqualifikation des Kontrollgremiums hinwirken, welche diesem eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben ermöglicht.8 Nicht zuletzt verschafft das Vorschlagsrecht dem amtierenden Aufsichtsrat die Möglichkeit, die künftige Politik des Kontrollgremiums und damit die Unternehmensstrategie zu beeinflussen.9 Im Grundsatz ist das Vorschlagsrecht daher ein unternehmerisches Pflichtrecht des Aufsichtsrats, bei dessen Wahrnehmung er nach der hier vertretenen Auffassung einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime an das Gebot einer nachhaltigen Maximierung des Unternehmenswerts gebunden ist.10

A. Persönliche Anforderungen In Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen ist zunächst § 100 Abs. 1 und 2 AktG zu nennen. Mitglied des Aufsichtsrats kann nach § 100 Abs. 1 AktG nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, die keinem Betreuungsvorbehalt nach § 1903 BGB unterliegt, § 100 Abs. 2 AktG statuiert mitunter die zulässige Höchstzahl an Mandaten und § 105 AktG verbietet ein Nebeneinander von Aufsichtsratstätigkeit mit bestimmten Leitungsfunktionen. Außerdem gebietet § 96 Abs. 2 AktG bei mitbestimmten Aufsichtsräten und denen börsennotierter Gesellschaften neuerdings Geschlechterquoten; § 111 Abs. 5 AktG legt ferner Zielgrößen

Gemäß S. 2 wird das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet. Die längste zulässige Amtsdauer ergibt sich damit aus dem Rest des Geschäftsjahres, in dem die Amtszeit beginnt, vier weiteren Geschäftsjahren und einem Teil des darauffolgenden Geschäftsjahres. Die Amtszeit beginnt mit der Annahme der Bestellung. Daraus ergibt sich insgesamt eine Amtszeit von höchstens etwa fünf Jahren, siehe Gasteyer, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 102 AktG, Rn. 6, 8. Abweichendes regeln §§ 30 f. AktG für die Amtszeit der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (siehe hierzu Bayer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 30 Rn. 9). 5 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 101 Rn. 17, § 116 Rn. 22; ders., in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (542); Lutter, ZIP 2003, 417 (418). 6 MüKoAktG/Habersack, § 101 Rn. 17. 7 Vetter, in: Hoffmann-Becking/Hüffer/Reichert, LA Winter, 701 (717 f.). 8 Schilha, ZIP 2016, 1316 (1324). Dies deutet auch Ziff. 5.4.1 DCGK an. 9 So zu Recht Seibt/Scholz, AG 2016, S. 739 f. 10 Vgl. Seibt/Scholz, AG 2016, S. 739 (740).

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

fest. Spezialgesetzliche Vorgaben finden sich zudem in den §§ 18 Abs. 4, 119 Abs. 3, 147 Abs. 3 KAGB, § 25d KWG und § 24 VAG11.

B. Bestellungshindernis bei Interessenkollisionen? Wesentlich für die Effektuierung der Aufsichtsratsarbeit ist, dass die Mitglieder des Gremiums ihre Aufgaben von etwaigen Sonderinteressen unvoreingenommen wahrnehmen. Nur wenn sich diese bei der Arbeit als Kontrolleure allein am Wohl der Aktiengesellschaft orientieren, können sie ihrer unternehmerischen Verantwortung gerecht werden. Da Aufsichtsratsmitglieder diese Tätigkeit jedoch in der Regel nebenberuflich ausüben, besteht immer die Gefahr, dass sie sich bei Entscheidungen von den Belangen Dritter lenken lassen. Interessensgegensätze zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft sind deshalb häufig unvermeidbar.12 Wie solche Interessenskonflikte zu behandeln sind, ist im Wesentlichen eine Frage der organschaftlichen Treue- und Loyalitätspflichten der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft. Besteht von Anfang an die greifbare Möglichkeit eines dauerhaften Interessenkonflikts, kann dies gegen eine Bestellung sprechen. Die folgende Darstellung geht auf die dogmatischen Grundlagen der organschaftlichen Treue- und Loyalitätspflicht ein und zeigt zwei Fälle von Interessenkonflikten beispielhaft auf. Dieser Abschnitt schließt mit einem Vorschlag, wie mit solchen Interessenkollisionen umzugehen ist. I. Gesellschaftsrechtliche Treue- und Loyalitätspflicht Die Pflichtenstellung der Aufsichtsratsmitglieder beruht auf dem korporationsrechtlichen Verhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft.13 Wenngleich die Rechte und Pflichten aus dem Aufsichtsratsmandat jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied treffen,14 ist Träger der organschaftlichen Funktionen und Befugnisse allein der Aufsichtsrat als Plenum, nicht das einzelne Mitglied.15 Die mit der Ausübung dieser Befugnisse korrespondierenden Organpflichten obliegen allerdings den Aufsichtsratsmitgliedern.16 Die Mitglieder des Aufsichtsrats haben nach Maß11

Vgl. zur Anwendung dieser Vorschrift auf den Aufsichtsrat Hersch, VersR 2016, 145 (147 f.). 12 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 190. 13 Vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 30. Zum korporationsrechtlichen Verhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft Spindler/Stilz/ Spindler, AktG, § 101 Rn. 8; MüKoAktG/Habersack, § 101 Rn. 67; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 101 Rn. 92; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 101 AktG, Rn. 2; Mutter, in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, § 111 AktG, Rn. 136. 14 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 101 Rn. 97. 15 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 31. 16 BGHZ 114, 127 (130).

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

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gabe des § 116 S. 1 AktG in Anlehnung an das Leitbild des ordentlichen Geschäftsleiters ihre Aufgaben als ordentliche Überwacher und Berater des Vorstands zu erfüllen.17 Die grundsätzlichen Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder lassen sich in die Treuepflicht, die Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktionen und die in § 116 Abs. 1 S. 2 AktG genannte Verschwiegenheitspflicht gliedern.18 Adressaten dieser Pflichten sind sämtliche Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Weise und unabhängig davon, ob sie durch die Hauptversammlung oder als Arbeitnehmervertreter nach einem Mitbestimmungsgesetz gewählt, von einem Entsendungsberechtigten nach § 101 Abs. 2 AktG entsandt oder nach § 104 AktG gerichtlich bestellt worden sind.19 All diese Aufsichtsratsmitglieder unterliegen der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft.20 Diese Treuepflicht leitet sich aus deren besonderer Verfügungsmacht über fremde Vermögensinteressen ab.21 Angesichts dieser treuhänderischen Funktion und besonderen Vertrauensstellung gegenüber der Gesellschaft trifft jeden Aufsichtsrat im Rahmen seiner Organtätigkeit ein unbedingtes und über § 242 BGB hinausgehendes Gebot, sich der Gesellschaft gegenüber loyal zu verhalten, zu ihrem zu Wohle handeln und das Interesse der Gesellschaft zu wahren.22 Er muss daher im Rahmen der treuhänderischen Bindung alles unterlassen, was sich zum Nachteil auf das Unternehmen auswirken könnte.23 Die Treuepflicht stellt damit eine allgemeine Schranke insbesondere bei der Ausübung der Verwaltungs- und Kontrollrechte dar.24 Sie ist anhand des – bereits in §§ 100 Abs. 2, 110 Abs. 3 AktG zum Ausdruck kommenden25 – Nebenamtscharakters des Aufsichtsratsmandats zu bestimmen.26 Dabei ist das einzuhaltende Maß an Treuepflicht unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem ob das Aufsichtsratsmitglied sein Amt ausübt oder ob es jenseits der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats um sein allgemeines Verhältnis zur Ge17

Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 7. KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 4. 19 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 4; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 8. 20 OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625 (630); Hüffer/Koch, AktG, § 116 Rn. 7; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 46; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 173; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 56; Henssler, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 AktG, Rn. 10; Bürgers/Körber/Israel, AktG, § 116 Rn. 8; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 13 Rn. 1005 f.; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 25; Jaeger, in: Ziemons/Binnewies/Jaeger, Handbuch AG, Rn. 9.304, 68. EL April 2015; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 29 Rn. 26; Schick, in: Wachter, AktG, § 116 Rn. 4. 21 Möllers, ZIP 2006, S. 1615; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 56. 22 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 29; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 173. 23 Möllers, ZIP 2006, S. 1615. 24 Möllers, ZIP 2006, S. 1615. 25 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 29 Rn. 26. 26 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47. 18

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

sellschaft geht.27 Diese Trennung von Organfunktion und sonstigem Tätigwerden (Grundsatz der Rollentrennung28) ist möglich, da der Aufsichtsrat regelmäßig nur in und aufgrund von Sitzungen des Plenums und seiner Ausschüsse tätig wird.29 1. Treuepflicht bei der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats Im Rahmen der Ausübung seines Amtes unterliegt das Aufsichtsratsmitglied uneingeschränkt der Treuepflicht.30 Es steht dann in einem strikten Loyalitätsverhältnis zur Gesellschaft und darf von dem Gebot, sein Verhalten am Unternehmensinteresse auszurichten, nicht mit Rücksicht auf kollidierende eigene oder fremde Interessen abweichen, sondern muss den Vorteil der Gesellschaft wahren und Nachteile von ihr fernhalten.31 Es muss dem Wohl der Gesellschaft stets den Vorrang einräumen.32 Das Aufsichtsratsmitglied kann sich nicht damit rechtfertigen, den Interessen einer anderen Gesellschaft zu dienen, etwa kraft beruflicher Stellung oder vertraglicher Verpflichtung.33 Unabhängig davon darf die Organstellung nicht zum eigenen Vorteil eingesetzt oder ausgenutzt werden.34 Damit ist es einem Aufsichtsratsmitglied verwehrt, den mit seiner Amtsstellung verbundenen rechtlichen und fachlichen Einfluss dazu auszunutzen, um der Gesellschaft zu Gunsten eigener Interessen oder der Interessen Dritter einen Nachteil zuzufügen.35 Ebenso wenig dürfen auch in der Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied in Erfahrung gebrauchte Informationen zum Nachteil der Gesellschaft verwendet werden, wobei dieser Nachteil schon bei Gefährdung materieller oder ideeller Interessen der Gesellschaft vorliegt.36 Ebenso darf ein Aufsichtsratsmitglied Geschäftschancen, von denen es aufgrund seiner Tätigkeit erfahren hat, nicht wahrnehmen.37

27 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 24; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 Rn. 32; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47. 28 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 897. 29 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 178. 30 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 49. 31 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 49; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 25. 32 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 174. 33 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 174; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 25. 34 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 184. 35 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 184. 36 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 179; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 60. 37 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 60; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 13 Rn. 1006.

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2. Treuepflicht außerhalb der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats Außerhalb ihrer Organfunktion verbietet die Treuepflicht den Aufsichtsratsmitgliedern nach herrschender Ansicht nicht, die Verfolgung ihrer eigenen Interessen oder Interessen Dritter allein deshalb zu unterlassen, weil sich dies nachteilig auf die Interessen der Gesellschaft auswirken könnte.38 Außerhalb seiner Organfunktion muss das Aufsichtsratsmitglied nicht aktiv das Wohl der Gesellschaft fördern, sondern nur Rücksicht auf deren Belange und Interessen nehmen.39 Hier kann also jedes Aufsichtsratsmitglied eigene Interessen oder Interessen Dritter verfolgen.40 Ein Aufsichtsratsmitglied darf daher auch Geschäftschancen, von denen es außerhalb seiner Organtätigkeit erfahren hat und welche für die Gesellschaft von Interesse sein könnten, wahrnehmen.41 Ein aktives Zuwiderhandeln gegen die Interessen der Gesellschaft gestattet dies allerdings nicht, weswegen etwa der Vorstand, der Aufsichtsrat oder leitende Angestellte nicht zu solchen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen veranlasst werden dürfen, die an sich im Rahmen der Überwachungstätigkeit zu beanstanden wären.42 Ein Aufsichtsratsmitglied darf also seine Funktion und Einflussmöglichkeit nicht dergestalt zum eigenen oder Vorteil eines Dritten ausnutzen.43 II. Fallbeispiele Der bereits angesprochene Nebenamtscharakter des Aufsichtsratsmandats sowie die insbesondere in mitbestimmten Unternehmen gegebene faktische Interessenpluralität führen dazu, dass Aufsichtsratsmitglieder sich weiteren Interessen neben denen des Unternehmens verpflichtet fühlen.44 Dies erscheint vor dem Hintergrund zunehmender unternehmerischer Verantwortung des Aufsichtsrats besonders problematisch. Zwei Fallgruppen, welche die Treuepflicht der Aufsichtsräte betreffen, sind dabei von besonderem Interesse, nämlich die (Organ-)Zugehörigkeit in Konkurrenzunternehmen und die Loyalitätspflicht von Bankenvertretern. Hierbei ist stets zwischen einfachen Interessenkonflikten und Pflichtenkollisionen zu unterschei38 So KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 31; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47, 51; Hölters/ Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 Rn. 32; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 28. 39 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 57; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 26; Hopt/ Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 178; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 50. 40 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 26. 41 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 60; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 13 Rn. 1006; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 51. 42 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 50; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 185. 43 Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 29 Rn. 30; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 60. 44 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47.

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den.45 Bei Interessenkonflikten kollidieren die Interessen des Unternehmens mit den eigenen Interessen des Aufsichtsratsmitglieds.46 Bei Pflichtenkollisionen lässt sich die Pflicht zur Wahrnehmung des Unternehmensinteresses nicht mit der Pflicht aus einem anderen Rechtsverhältnis zu einem abweichenden Verhalten vereinbaren.47 Die folgenden Fallgruppen betreffen solche Pflichtenkollisionen. 1. Vertreter von Konkurrenzunternehmen Nicht unüblich ist es, dass Aufsichtsratsmitglieder zugleich leitende oder Organfunktionen in konkurrierenden Unternehmen ausüben. Selbst die Gesetzesbegründung zum TransPuG48 führt aus, dass im Aufsichtsrat typischerweise Mitglieder vertreten sind, die auch und häufig hauptberuflich in anderen Unternehmen arbeiten und demnach ein Interessenkonflikt ganz bewusst im System angelegt sei.49 Überwiegend wird es trotz der damit auftretenden Interessenkonflikte als grundsätzlich nicht treupflichtwidrig angesehen, dass Aufsichtsratsmitglieder außerhalb ihrer Organtätigkeit in den Wettbewerb mit der Gesellschaft treten oder Mandate in zwei miteinander konkurrierenden Gesellschaften annehmen.50 Die Annahme oder Beibehaltung beider Ämter gilt nicht schon für sich genommen als Treuepflichtverletzung, denn von einem ausdrücklichen Verbot der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, das zugleich in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist, ist im Gesetzgebungsverfahren abgesehen worden.51 Das Fehlen eines ausdrücklichen Wettbewerbsverbotes, wie es in § 88 AktG für den Vorstand geregelt ist, sowie § 105 Abs. 2 S. 4 AktG, der Aufsichtsratsmitglieder vom Wettbewerbsverbot des § 88 AktG für den Fall ihrer vorübergehenden Bestellung zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern befreit, sprechen ebenso dagegen.52 Daher kann von einem Aufsichtsratsmitglied nicht verlangt werden, den Interessen der Gesellschaft generell den unbedingten Vorrang gegenüber anderweitigen Interessen einzuräumen.53 Hierbei wird wiederum zwischen der Wahrnehmung der Organfunktion im Aufsichtsrat und der Tätigkeit außerhalb des Aufsichtsrats unterschieden. Eine analoge Anwendung von §§ 100 Abs. 2, 105 AktG auf diesen Fall kommt 45

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 896. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 896. 47 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 896. 48 Siehe oben Einführung, Fn. 22. 49 Begr. RegE v. 11.4.2002, BT-Drs. 14/8769, S. 18. 50 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 193; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 34; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 Rn. 14. 51 So Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 69 mit Hinweis auf Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 17. 52 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 100 Rn. 81; vgl. Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (247); Deckert, DZWIR 1996, S. 406. 53 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 47. 46

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daher laut der überwiegenden Ansicht nicht in Betracht.54 Dass strukturelle Konflikte nicht generell unzulässig sind, zeigt schon die in § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AktG angelegte Zulässigkeit einer Vielzahl von Mandaten.55 Die Gegenansicht würde hingegen einen Konkurrenten zum Aktionär minderen Rechts machen, der durch den Aufsichtsrat an der Unternehmensleitung nicht teilhaben dürfte.56 Im Übrigen könnte der betroffene Personenkreis nicht trennscharf umschrieben werden57 und es kann auch im Interesse der Gesellschaft liegen, sich Renommee, Erfahrung und Beziehungen eines Kandidaten eines Konkurrenzunternehmens nutzbar zu machen.58 a) Die Auffassung der herrschenden Meinung Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur behilft sich deshalb in der Weise, dass es dem Aufsichtsratsmitglied in Einzelfällen aus Gründen der Treuepflicht geboten sein soll, im Falle einer Pflichtenkollision seine Mitwirkung im Aufsichtsrat zu beschränken59 und sich der Stimme zu enthalten.60 Denkbar sei ferner der Ausschluss eines Mitglieds von einer Sitzung.61 Ließen sich diese Konflikte dauerhaft nicht vermeiden und könne ein Aufsichtsratsmitglied deshalb seiner Mitwirkungspflicht nur noch mit Einschränkungen nachkommen oder auf unabsehbare Zeit an Aufsichtsratssitzungen nicht mehr teilnehmen, könne die Treuepflicht sogar die Niederlegung seines Amtes gebieten.62 Widersetze sich das Aufsichtsratsmitglied dieser Pflicht, so bleibe die Möglichkeit der Abberufung nach § 103 AktG.63 Eine Konkurrenzsituation, welche zu einer dauerhaften und schwerwiegenden Pflichtenkollision führt und die den wesentlichen Kernbereich des Un-

54 OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 (454); LG München I, Urt. v. 22.11.2007 – 5 HKO 10614/07, AG 2008, 90 (91); Hüffer/Koch, AktG, § 103 Rn. 13a; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 69; vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 100 Rn. 78; Langenbucher, ZGR 2007, 571 (585). 55 Hüffer/Koch, AktG, § 103 Rn. 13b. 56 Hüffer/Koch, AktG, § 103 Rn. 13b. 57 So Hüffer/Koch, AktG, § 103 Rn. 13b; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 69; Dreher, JZ 1990, 896 (899). 58 So OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 (454); Spindler/ Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 69; vgl. Dreher, JZ 1990, 896 (899). 59 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 900. 60 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 34. 61 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 100 Rn. 82. 62 KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 34; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 900; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 116 Rn. 202, § 100 Rn. 85; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 29 Rn. 27; MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 90, 103 f.; vgl. Deckert, DZWIR 1996, 406 (409). 63 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 12 Rn. 900; Schick, in: Wachter, AktG, § 116 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 100 Rn. 82; MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 90, 103 f.

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ternehmens betrifft, steht laut einer Entscheidung des OLG Schleswig einer Bestellung sogar von Anfang an entgegen.64 b) Die Auffassung Lutters Vornehmlich von Lutter wird ein vollständiger Ausschluss von solchen Aufsichtsratsanwärtern vertreten, die in Unternehmen tätig sind, welche in zentralen Tätigkeitsbereichen in Konkurrenz zu der beaufsichtigten Gesellschaft stehen.65 Er sieht darin einen Verstoß gegen die Treueplicht eines Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft.66 Es sei schwerlich möglich, das Wohl zweier miteinander konkurrierender Gesellschaften gleichermaßen zu fördern.67 Im Aufsichtsrat, der über künftige Unternehmensplanungen zu unterrichten sei, gestalte sich eine offene Diskussion schwierig, wenn ein Vertreter der direkten Konkurrenz beteiligt sei.68 Hinzuzufügen ist, dass das Fehlen eines dem § 88 AktG entsprechenden Wettbewerbsverbotes schließlich nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass das Verbreiten von Unternehmensinterna durch ein Aufsichtsratsmitglied in einem Konkurrenzunternehmen nicht minder Schaden anrichten kann. Trotz der in § 116 S. 2 AktG angeordneten Verschwiegenheitspflicht bleibt zu befürchten, dass Informationen an Wettbewerber weitergereicht werden. Der von der herrschenden Meinung vertretene Lösungsweg birgt zudem Risiken. Schon der einmalige Verzicht eines Mitglieds auf Ausübung seines Stimmrechts verändert das Gleichgewicht im Aufsichtsrat und genügt in paritätisch mitbestimmten Gremien, um die Anteilseignerseite ihres Letztentscheidungsrechts aus § 29 Abs. 2 S. 1 MitbestG zu berauben. Ist die Konfliktsituation, der das Mitglied ausgesetzt ist, von Dauer, dann verfestigt sich dieses Ungleichgewicht und die Arbeit des Aufsichtsrats kann dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. c) Stellungnahme Die von der herrschenden Ansicht bereitgestellte Verfahrensweise bietet keine befriedigende Lösung. Denn die freiwillige Niederlegung eines Aufsichtsratsmandats setzt stets die entsprechende Bereitschaft dieses Mitglieds voraus. Kommt er dem nicht nach, bleibt der Gesellschaft zwar der Weg über die Abberufung nach 64

OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 (454 f.). Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 22; Lutter, ZHR 159 (1995), 287 (303); Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (511 ff.); Scheffler, DB 1994, 793 (795); vgl. Lutter/Kirschbaum, ZIP 2005, 103. 66 Lutter, ZHR 159 (1995), 287 (303); Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (245). 67 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 22; vgl. Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 75 ff. 68 Siehe das Beispiel bei Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 22, wie unter dem Beisein eines Repräsentanten von BMW die Modellpolitik zur C-Klasse oder E-Klasse bei Daimler offen diskutiert werden solle. 65

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§ 103 AktG. Dies wiederum verlangt allerdings im Falle des § 103 Abs. 1 AktG einen Hauptversammlungsbeschluss, was es zumeist unumgänglich machen wird, die nächste Hauptversammlung abzuwarten, bis der Aufsichtsrat wieder vollständig handlungsfähig ist. Zudem besteht das Risiko, nicht die ausreichende Mehrheit für die Abberufung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds zu erreichen. Die Möglichkeit der gerichtlichen Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG birgt ihrerseits das Prozessrisiko, dass der Richter die Konkurrenzsituation und Stimmunfähigkeit nicht als wichtigen Grund ansieht und damit verbunden die Fortsetzung des Amtsverhältnisses bis zum Ablauf der Amtszeit69 nicht als unzumutbar ansieht. Die Ansicht von Lutter ist hingegen vorzugswürdig. Es dürfte auf praktische Schwierigkeiten stoßen, verlangte man von einem Aufsichtsratsmitglied, bei Ausübung der einen Organtätigkeit nur die Interessen der hiesigen Gesellschaft zu wahren, aber die Belange des Konkurrenzunternehmens, bei welchem es ebenso engagiert ist, auszublenden. Die gleichsame Förderung des Wohls zweier Wettbewerber derselben Branche wird kaum möglich sein.70 Eine saubere Trennung beider Rollen ist unwahrscheinlich.71 Selbst wenn sich die Wahrnehmung der einen oder anderen Interessen trennen ließe, so bleibt dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied gleichwohl das Wissen aus seiner Organtätigkeit bei Wahrnehmung der Aufgaben im Konkurrenzunternehmen erhalten.72 Selbst bei Wahrung von Vertraulichkeit besteht kein Schutz gegen die Verwertung der gewonnen Informationen durch das Aufsichtsratsmitglied.73 In seiner Person akkumulieren sich Informationen, deren Verwertung durch die Aktionäre nur eingeschränkt kontrolliert werden kann.74 In Zeiten, in denen Aufsichtsräte verstärkt mit unternehmerischen Aufgaben konfrontiert sind und vertrauliche Informationen erhalten, ist es bedenklich, wenn einzelne Mitglieder nicht nur den Erfolg dieser, sondern auch anderer Gesellschaften im Sinne haben. Zum Wohle der Aktiengesellschaft ist es daher, die Berufung solcher Mitglieder von Anfang an zu unterlassen, deren Nähe zu einem anderen Unternehmen Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit bereitet. Zweifelhaft ist allerdings der Standpunkt Lutters, die Rechtsfolgen über eine Analogie zu §§ 100 Abs. 2, 105 AktG zu regeln und daran die Nichtigkeitsfolge des § 250 AktG zu knüpfen.75 § 105 AktG bezieht sich auf die Unvereinbarkeit von Vorstandsamt und Aufsichtsratszugehörigkeit 69

Vgl. zu dieser Voraussetzung OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 1.10.2007 – 20 W 141/ 07, AG 2008, 456; Hüffer/Koch, AktG, § 103 Rn. 10; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 103 Rn. 14. 70 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 22; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (244). 71 Langenbucher, ZGR 2007, 571 (584). 72 Lutter/Kirschbaum, ZIP 2005, 103 (104). 73 Langenbucher, ZGR 2007, 571 (584 f.). 74 Langenbucher, ZGR 2007, 571 (574, 577). 75 Siehe Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (518); für eine gesamtanaloge Anwendung auf die Fälle anfänglicher Inkompatibilität Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 46 ff., insbes. S. 58 ff.

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derselben Gesellschaft. Die in § 100 AktG genannten persönlichen Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder sind hingegen abschließender Natur. Zudem wurde laut der Gesetzesbegründung zum KonTraG76, wie bereits angesprochen, ausdrücklich auf ein in § 103 AktG zu implementierendes gesetzliches Verbot von Tätigkeiten in konkurrierenden Unternehmen verzichtet.77 Dies spricht für sich schon gegen eine planwidrige und damit analogiefähige Regelungslücke.78 Die Gesetzesbegründung hat jedoch auch die Frage, ob im Einzelfall eine Inkompatibilität anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen hieran zu knüpfen sind, ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen. Dies zeigt, dass auch der Gesetzgeber einen Verzicht auf ein Unvereinbarkeitsverbot keinesfalls als ultima ratio angesehen hat. Tatsächlich bedarf es auch keiner Analogie zu den §§ 100 Abs. 2, 103 AktG, sieht man einen (von Beginn an vorliegenden) Interessenkonflikt als treuepflichtwidrig an. Wichtig ist es aber mit einer solchen Inkompatibilität, die als Treuepflichtverletzung zu verstehen ist, konsequenterweise keine Nichtigkeitsdrohung nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG zu verbinden. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit ist mit dem Interesse der Gesellschaft an der ordnungsgemäßen und vollständigen Zusammensetzung ihrer Organe ohnehin nicht vereinbar. Außerdem steht die Rechtswirksamkeit der gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse auf dem Spiel, sofern sich vorangegangenen Aufsichtsratswahlen als nichtig erweisen.79 Mit der hier vertretenen Ansicht darf ein von der Inkompatibilität betroffenes Aufsichtsratsmitglied seine Wahl oder Berufung von vornherein nicht annehmen, da es sich andernfalls treuepflichtwidrig verhalten würde. Für ihn muss deshalb ein anderes Mitglied gewählt oder entsendet werden. Dies verhindert auch, dass später ein Abberufungsverfahren initiiert werden muss. d) Tatbestandskonturierung Um jedoch eine praktisch handhabbare und tragfähige Lösung zu entwickeln, ab wann diese Form der Inkompatibilität vorliegt, muss zum einen geklärt werden, wann von einer ausreichenden Wettbewerbs- bzw. Konkurrenzsituation auszugehen ist und zum anderen, welche Personen von der treuepflichtwidrigen Inkompatibilität betroffen sind. aa) Wettbewerbssituation Zunächst geht es also darum, wie stark die Wettbewerbssituation der Unternehmen sein muss.80 Das OLG Schleswig nannte als Voraussetzung für eine mögliche Inkompatibilität eine Konkurrenzsituation, die den wesentlichen Kernbereich des 76

Siehe oben Einführung, Fn. 19. Begr. RegE v. 28.1.1998, BT-Drs. 13/9712, S. 17. 78 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 100 Rn. 82; vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (585). 79 Wirth, ZGR 2005, 327 (346). 80 Vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (572 ff.); Wirth, ZGR 2005, 327 (345). 77

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Unternehmens betrifft.81 Das Gericht ging allerdings nicht darauf ein, was darunter genau zu verstehen sei. In der Literatur wird ebenfalls kaum auf eine exakte Abgrenzung eingegangen, sondern nur die Formel des OLG Schleswig wiedergegeben.82 Lutter verlangt hingegen für das Vorliegen einer Konkurrenzsituation, dass beide Unternehmen ganz oder teilweise im selben Marktsegment tätig sind.83 Das betreffende Marktsegment dürfe für das jeweilige Unternehmen nicht nur eine untergeordnete Rolle spielen und die Befassung dieser Angelegenheit durch den Aufsichtsrat nicht unwahrscheinlich oder nur als Nebensächlichkeit zu erwarten sein. Entscheidend sei, ob sich das Unternehmen aus dem betreffenden Marktsegment ohne wesentliche Änderung seines Charakters zurückziehen könne. Lutters Einordnung mag zwar eine grobe Orientierung bieten, einen hinreichend konkreten Rahmen für die Beurteilung einer relevanten Wettbewerbssituation bietet sie hingegen nicht. Habersack hält dagegen eine Pflicht zur Amtsniederlegung dann für möglich, wenn sich die Kerngeschäftsfelder der Unternehmen im Wesentlichen überschneiden.84 Was darunter zu verstehen ist, führt er allerdings nicht näher aus. Für Reichert und Schlitt soll Voraussetzung sein, dass sich die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaften im Kernbereich decken.85 Nicht ausreichend sei hingegen, dass ein Wettbewerb nur in den Randbereichen ihrer Tätigkeitsfelder bestehe. Auch diese Abgrenzung führt nicht zu mehr Abgrenzbarkeit. Langenbucher macht zu Recht geltend, dass der Verweis auf eine Überschneidung „im Kernbereich“ der Tätigkeit zweier Unternehmen unscharf sei, wo sich die Geschäftsfelder nur teilweise überschnitten.86 Selbst im Falle der Wettbewerbsüberschneidung nur in Randbereichen kann schließlich ein Anreiz zu missbräuchlichem Verhalten bestehen, wenn das Aufsichtsratsmitglied gewonnene Informationen zum Nutzen der anderen Gesellschaft verwenden kann, etwa wenn es um die günstigere Beschaffung von Basiskomponenten oder Rohmaterialien geht, welche für beide Unternehmen zur Herstellung ihrer Produkte notwendig sind.87 Langenbucher wird hier konkreter, indem sie versucht, aus dem Wettbewerbsrecht eine taugliche Formel zur Konkretisierung eines Konkurrenzverhältnisses zu gewinnen.88 Danach stehe ein Unternehmen mit all jenen Konkurrenten im Wettbewerb, welche dieselbe Ware oder Leistung auf einem Markt anböten und ihm damit den Abschluss von Geschäften mit Dritten streitig machten.89 Maßgeblich ist damit also das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.90 Laut dem BGH liegt 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90

OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 (455). Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 70. Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (514). MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 104. Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (244 f., 247). Langenbucher, ZGR 2007, 571 (573). Vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (574 f.). Vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (572 f.). Langenbucher, ZGR 2007, 571 (572) m. w. N. Weiler, in: Götting/Meyer/Vormbrock, Gewerblicher Rechtsschutz, § 25 Rn. 204.

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ein solches konkretes Wettbewerbsverhältnis vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises mit der Folge abzusetzen versuchen, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d. h. im Absatz behindern oder stören kann.91 Der Kerngehalt des konkreten Wettbewerbsverhältnisses liegt daher in der Identität der Abnehmerkreise (Marktidentität).92 Die Zielrichtung des Lauterkeitsrechts ist gleichwohl eine andere. Nach Maßgabe des § 1 S. 1 UWG dient dieses Gesetz mitunter dem Schutz von Mitbewerbern vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Der Schutz sonstiger Interessen der Allgemeinheit, außer dem Interesse an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 S. 2 UWG), ist indessen nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts.93 Aus diesem Grund verbietet sich auch ein Rückgriff auf das Kartellrecht. Ziel des Wettbewerbsrechts ist allein die Verhinderung einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen.94 Hingegen geht es bei der aktienrechtlichen Beurteilung eines in einer Wettbewerbssituation stehenden Aufsichtsratsmitglieds um die Eignung bestimmter Personen zur Ausführung der Überwachungstätigkeit.95 Entscheidend für die Beurteilung des relevanten Marktes ist laut Langenbucher nicht die Sicht eines Kunden, sondern die der Aktionäre der betreffenden Gesellschaft. Die Eignung eines Aufsichtsratsmitglieds sei immer dann zweifelhaft, wenn besonders deutliche Anreize zu missbräuchlichem Verhalten existierten. Dem ist beizupflichten. Die Schutzintention des Wettbewerbsrechts unterscheidet sich hiervon zu stark, als dass dessen Begriffsverständnis für das vorliegende Problem nutzbar zu machen wäre. Dort geht es um die Überschneidungen in den Abnehmer- und Kundenkreisen, hier um die Frage, bei welchen Tätigkeitsüberschneidungen beider Unternehmen Gefahren des Missbrauchs durch ein Aufsichtsratsmitglied hervorgerufen werden. Laut Wardenbach ist hingegen dann von einer Inkompatibilität auszugehen, wenn das betreffende Aufsichtsratsmitglied so weitgehend an einer ordnungsgemäßen Amtsausübung gehindert ist, dass dies für das Mandat nicht tragbar erscheint.96 Hierfür seien Umfang und Intensität der Konkurrenzsituation bzw. der Grad der Identität der Geschäftsfelder entscheidend.97 Demgemäß nimmt Wardenbach eine inkompatibilitätsbegründende Konkurrenzsituation bei vollständiger Kongruenz der 91

St. Rspr., siehe nur BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 210/98, GRUR 2001, 258; BGH, Beschl. v. 20.5.2009 – I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 (981); BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 99/ 08, GRUR 2011, 82 (83); vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 2 Rn. 94. 92 Weiler, in: Götting/Meyer/Vormbrock, Gewerblicher Rechtsschutz, § 25 Rn. 204; vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 2 Rn. 99. 93 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/1487, S. 16: „Der Schutz sonstiger Allgemeininteressen ist weiterhin nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts“. 94 So zu Recht Langenbucher, ZGR 2007, 571 (574) m. w. N. 95 Langenbucher, ZGR 2007, 571 (574); vgl. Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (514). 96 Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 86. 97 Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 86 f.

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Geschäftsfelder an.98 Das Gleiche solle bei einer Kongruenz im Hauptgeschäft gelten, denn auch hier werde der Aufsichtsrat entsprechend der Bedeutung des Hauptgeschäfts zu einem weit überwiegenden Teil mit solchen Fragen befasst sein, welche von der Konkurrenzsituation unmittelbar betroffen seien.99 Ebenso resultiere Inkompatibilität aus einer Konkurrenzsituation in einem Kerngeschäft, denn dessen Zustand wirke sich zumindest mittelbar auf die Gesamtsituation der Gesellschaft aus, weswegen ein Aufsichtsratsmitglied, das von den Beratungen über dieses Kerngeschäft ausgeschlossen sei, das Gesamtbild der Gesellschaft nicht mehr zuverlässig überwachen könne.100 Ein einzelnes Kerngeschäft zeichne sich dadurch aus, dass es für sich die übrige Tätigkeit des Unternehmens nicht überwiege, aber es andererseits kein völlig untergeordnetes Komplementär- oder Zusatzgeschäft sei.101 Umgekehrt läge keine Inkompatibilität vor, wenn es sich lediglich um eine Konkurrenzsituation in einem geschäftlichen Teilbereich handele, der nur unwesentlich ins Gewicht falle, also weder auf Unternehmensebene noch auf Geschäftsfeldebene eine eigenständige strategische Option darstelle.102 Wardenbach gelingt es, die einzelnen Geschäfte entsprechend ihrer für das Unternehmen ökonomischen Bedeutung zu kategorisieren. Dass es dabei immer noch in dem einen oder anderen Fall Abgrenzungsschwierigkeiten geben mag, ist aufgrund der Vielgestaltigkeit der in Frage kommenden Inkompatibilitäten unvermeidbar. Fest steht, dass man bei Inkompatibilitäten sicher nicht über die Grenze des § 88 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AktG hinausgehen können wird. Danach dürfen Vorstandsmitglieder ohne Einwilligung des Aufsichtsrats im Geschäftszweig der Gesellschaft keine Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen. Maßgeblich ist hierfür nach herrschender Meinung nicht der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, sondern der tatsächliche Geschäftszweig der Aktiengesellschaft, selbst wenn dieser weiter oder enger ist.103 Eine Eingrenzung auf bestimmte Hauptgeschäftsfelder der Gesellschaft wird dabei allerdings nicht vorgenommen.104 Erklärlich wird dies vor dem Hintergrund des Telos der Vorschrift, 98

Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 86 ff. Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 91. 100 Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 92 ff. 101 Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 92. 102 Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 95. 103 Hüffer/Koch, AktG, § 88 Rn. 3; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 88 Rn. 6; Kort, in: Großkomm. AktG, § 88 Rn. 28; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, § 13 Rn. 306. 104 Vgl. BGH, Urt. v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, AG 2001, 468; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 5.11.1999, AG 2000, 518 (519); Hüffer/Koch, AktG, § 88 Rn. 3; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 88 Rn. 6; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 88 AktG, Rn. 5; MüKoAktG/Spindler, § 88 Rn. 16 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 88 Rn. 28; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 20 Rn. 60; Fleischer, AG 2005, 336 (343). Bei dem insoweit vergleichbaren § 112 Abs. 1 Alt. 1 HGB sollen dabei grundsätzlich alle Handelszweige mitgeschützt sein, die auf der bisherigen Entwicklungslinie der Gesellschaft liegen (so Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 112 Rn. 6). 99

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denn sie dient wegen ihrer Beschränkung auf den Geschäftszweig der Gesellschaft der Konkurrenzverhütung.105 Damit unterscheidet sich der Zweck dieses Verbots von dem hier dargestellten Fall der Inkompatibilität von Aufsichtsräten. Denn bei letzterem geht es allein darum, dass sich Aufsichtsratsmitglieder bei Ausübung ihrer Mandatstätigkeit allein dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet fühlen und nicht von anderen Interessen leiten lassen sowie gewonnenes Wissen nicht zugunsten einer anderen Gesellschaft verwerten. Ein gänzliches Verbot der Tätigkeit in einem Geschäftszweig der Gesellschaft wäre außerdem mit dem Nebenamtscharakter des Aufsichtsratsmandats nicht in Einklang zu bringen, sondern würde vielmehr durch die Hintertür den Weg zu einem Berufsaufsichtsrat bahnen. Dies ist in Ansehung der §§ 100 Abs. 2, 110 Abs. 3 AktG de lege lata nicht geboten. Die Abgrenzung von Wardenbach bringt hingegen ein überzeugendes Grundgerüst zur Beurteilung von Konkurrenzsituationen. Es darf dabei allerdings nicht übersehen werden, dass die Evaluierung der ökonomischen Bedeutung eines Geschäftszweiges nicht allein gegenwartsbezogen erfolgen darf. Für Unternehmen ist es wichtig, stets in die Zukunft gerichtet zu planen. Daher kann heute eine Tätigkeit, die nur Komplementärcharakter aufweist, in einigen Jahren von weit höherer Bedeutung sein. Eine statische, allein auf den jetzigen Zustand bezogene Betrachtung würde deshalb fehlgehen. Lässt man allerdings ein Aufsichtsratsmitglied, das momentan die Interessen eines potenziellen, zukünftigen Wettbewerbers verfolgt, an frühzeitigen Unternehmensplanungen in Bezug auf dieses Komplementärgeschäft teilhaben, so kann der Schaden, der später entsteht, möglicherweise größer sein, als wenn es sich um ein gegenwärtiges Hauptgeschäft gehandelt hätte. Insofern können auch durch die Einteilung Wardenbachs nicht alle Konfliktsituationen gelöst werden. bb) Personenkreis Hinsichtlich der betroffenen Personen können im Wesentlichen die folgenden vier Fallgestaltungen unterschieden werden. Es stellt sich zum einen die Frage, ob Aufsichtsrat sein kann, wer in einem konkurrierenden Unternehmen Vorstand oder leitender Angestellter ist.106 Ebenso ist zu hinterfragen, ob Aufsichtsräte in konkurrierenden Unternehmen ein solches Mandat ausüben sollten.107 Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass das Aufsichtsratsmitglied Eigentümerunternehmer einer konkurrierenden Gesellschaft ist.108 Die vierte Fallgestaltung betrifft Aufsichtsratsmitglieder, welche persönlich eine Beteiligung an einem Wettbewerber in zumindest signifikanter Höhe halten.109 105

So BGH, Urt. v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, AG 2001, S. 468; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 88 Rn. 6; Kort, in: Großkomm. AktG, § 88 Rn. 31; Ziemons, in: Ziemons/Binnewies/ Jaeger, Handbuch AG, Rn. 8.880, 68. EL April 2015. 106 Vgl. Wirth, ZGR 2005, 327 (344); Langenbucher, ZGR 2007, 571 (575). 107 Vgl. Wirth, ZGR 2005, 327 (344); Langenbucher, ZGR 2007, 571 (575). 108 Langenbucher, ZGR 2007, 571 (575). 109 Vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (575).

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

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Für den Fall, dass ein Vorstandsmitglied eines Konkurrenzunternehmens Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft wird, gehen die Befürworter eines Wettbewerbsverbots von einer Inkompatibilität aus.110 Dem ist beizupflichten, denn in diesen Fällen ist offensichtlich, dass das Aufsichtsratsmitglied, das zugleich Vorstandsmitglied ist, sich in erster Linie um das von ihm mitgeführte Unternehmen kümmern wird. Nicht zuletzt von diesem Erfolg hängt schließlich seine Wiederbestellung als Vorstand ab. Ebenso ist seine wirtschaftliche Existenz schon aufgrund der üblicherweise für Vorstandsmitglieder weit höheren Bezüge von diesem Amt abhängig. Bei solchen Aufsichtsratsmitgliedern wird daher besonders die Gefahr bestehen, dass sie sich im Rahmen ihrer Organtätigkeit von gesellschaftsfremden Beweggründen leiten lassen. In Bezug auf die Fallgruppe der leitenden Angestellten ist es allerdings irreführend, diese mit Lutter auszuschließen und allein auf die Doppelorganschaft in Konkurrenzunternehmen abzustellen.111 Die Bindungen eines leitenden Angestellten, der dem Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft angehört, können diesen bei Wahrnehmung seiner Organtätigkeit in derselben Weise beeinflussen, wie dies im Fall eines Vorstands sein mag.112 Sein wirtschaftliches Wohl und Wehe sowie seine Aufstiegschancen werden in aller Regel mit der Gesellschaft verquickt sein, an die er arbeitsvertraglich gebunden ist. In praktischer Hinsicht ist daher eine Abweichung von der Behandlung eines Vorstandsmitglieds abzulehnen und auch bei einem leitenden Angestellten von einer Inkompatibilität auszugehen. Bislang ist allerdings in der Literatur, soweit erkennbar, kein Versuch der Abgrenzung des Begriffs des leitenden Angestellten vorgenommen worden. Dieser weist jedoch eine gewisse Unschärfe auf und bedarf daher der Klärung. Hier bietet es sich an, entweder auf Charakteristika wie die in § 105 AktG Abs. 1 angesprochene Prokura und Generalhandlungsvollmacht oder auf die Definition des leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG zurückzugreifen. Gemäß § 105 Abs. 1 AktG kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich Vorstandsmitglied, dauernd Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokurist oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein. Damit werden neben den Vorstandsmitgliedern auch bestimmte, dem Vorstand wirtschaftlich vergleichbare Personengruppen von der Aufsichtsratstätigkeit ausgeschlossen.113 § 90 Abs. 1 S. 2 AktG 1937 schloss noch leitende Angestellte aus („als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen“), was zu Schwierigkeiten bei der Auslegung geführt hatte.114 Prokurist in diesem Sinne ist dabei jeder, 110

Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (526); Lutter/Kirschbaum, ZIP 2005, 103 (104); Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (248); vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (577). 111 Vgl. Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (526). 112 Ähnlich Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 81; a. A. Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (526). 113 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 1. 114 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 4.

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welchem nach § 48 HGB Prokura erteilt worden ist, sei es als Einzelprokura nach § 48 Abs. 1 HGB, Gesamtprokura nach § 48 Abs. 2 HGB, Filialprokura nach § 50 Abs. 3 HGB oder auch als Titularprokurist, für welchen Prokura nur Ausdruck des hierarchischen Status ist.115 Ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter ist jeder, dessen Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 Abs. 1 HGB nicht auf bestimmte Arten oder einzelne Geschäfte beschränkt ist, also nicht nur Einzel- oder Arthandlungsvollmacht darstellt.116 Für § 105 Abs. 1 AktG genügt auch die Erteilung einer Generalvollmacht, da diese regelmäßig auch eine Generalhandlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 Alt. 1 HGB umfasst.117 Die damit ausgestatteten Generalbevollmächtigten stehen in der Hierarchie regelmäßig unter dem Vorstand und über allen sonstigen Bevollmächtigten, wie Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten.118 Die Generalvollmacht berechtigt umfassend zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen für die AG und geht somit im Umfang über die Generalhandlungsvollmacht nach § 54 HGB oder einer Prokura nach § 48 HGB hinaus.119 Dadurch wird dem Generalbevollmächtigten eine in der Unternehmenshierarchie herausgehobene Stellung und höhere Autorität verliehen.120 Hingegen betrifft § 105 Abs. 1 AktG nicht sonstige leitende Angestellte, die nicht die dargestellten Charakteristika aufweisen,121 soll doch die Vorschrift der Rechtsklarheit über die Aufsichtsratsbesetzung dienen.122 Dies gilt selbst dann, wenn der leitende Angestellte einem Vorstandsmitglied vergleichbare Aufgaben wahrnimmt.123 § 6 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 MitbestG schränkt diese Inkompatibilität in dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden Gesellschaften dahingehend ein, dass die Wählbarkeit eines Prokuristen als Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer nur ausgeschlossen ist, sofern dieser dem zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organ unmittelbar unterstellt und zur Ausübung der Prokura für den ge115 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 31; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 105 Rn. 6; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 13; Bürgers/Körber/Israel, AktG, § 105 Rn. 3, Hüffer/Koch, AktG, § 105 Rn. 3. 116 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 32; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 105 Rn. 8; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 14; Bürgers/Körber/Israel, AktG, § 105 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG, § 105 Rn. 4. 117 Bürgers/Körber/Israel, AktG, § 105 Rn. 3; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG, § 105 Rn. 5. 118 MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 14; vgl. MüKoHGB/Krebs, Vor § 48 Rn. 75, 81 ff.; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 54 Rn. 10. 119 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 78 Rn. 15. 120 Vgl. MüKoHGB/Krebs, Vor § 48 Rn. 75; Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 85. 121 Hüffer/Koch, AktG, § 105 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 41. 122 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 7, 44; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 15. 123 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 44; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 15.

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samten Geschäftsbereich des Organs ermächtigt ist.124 Diese Ausnahme gilt analog für Generalhandlungsbevollmächtigte,125 nicht hingegen für Generalbevollmächtigte.126 § 105 AktG stellt also allein auf formale Kriterien ab, ohne dass sich daraus ergibt, wie nahe der Betroffene tatsächlich unmittelbar der Geschäftsleitung zuarbeitet oder an der Vorbereitung ihrer Entscheidungen mitwirkt. § 6 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 MitbestG erhöht insoweit die Voraussetzungen, als nur direkt dem Vorstand unterstellte Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte, die für den gesamten Geschäftsbereich des Vertretungsorgans ermächtigt sind, von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind. Dies kommt für den Versuch einer Konturierung des Konkurrenzverbotes insofern näher, als damit regelmäßig nur die zweite Führungsebene angesprochen ist, die tatsächlich in strategischen und unternehmerischen Entscheidungen der Geschäftsleitung einbezogen sein wird. Gleichwohl wird abermals auf formale Kriterien abgestellt, was im Einzelfall dazu führen kann, dass Mitglieder der zweiten Führungsebene, die nicht über Prokura oder Generalhandlungsvollmacht verfügen, nicht von der Inkompatibilität erfasst werden. Dies spricht gegen den Rückgriff auf § 105 Abs. 1 AktG. Der Begriff des leitenden Angestellten selbst ist in § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG abschließend legaldefiniert.127 Er könnte deshalb eine Hilfestellung für die Konturierung des Konkurrenzverbotes liefern. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb (1.) zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder (2.) Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder (3.) regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein. § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG stellt damit ersichtlich auf ein formales Kriterium ab.128 Ein leitender Angestellter muss dabei nicht nur im Außenverhältnis befugt sein, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen, sondern hierüber auch im Innenverhältnis gegenüber

124 Vgl. Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 6 MitbestG, Rn. 21; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 16. 125 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG, Rn. 52a; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 105 Rn. 36; MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 16. 126 MüKoAktG/Habersack, § 105 Rn. 17; vgl. Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG, Rn. 52a. 127 Richardi/Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 194. 128 Richardi/Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 200.

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dem Arbeitgeber im Wesentlichen frei von Weisungen entscheiden können.129 Unabdingbar ist, dass die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis von hinreichender unternehmerischer Relevanz ist, welche sich auch aus der Anzahl der Arbeitnehmer ergeben kann, auf die sich die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht.130 Für § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG kommt es zunächst auf den formalen Status eines Generalbevollmächtigten oder Prokuristen an.131 Die Generalvollnacht muss mindestens dem Umfang der Prokura entsprechen132 und der leitende Angestellte faktisch am unternehmerischen Entscheidungsprozess beteiligt sein.133 Unter die Prokura im Sinne der Nr. 2 fallen auch die Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2 HGB) und die Niederlassungsprokura (§ 50 Abs. 3 HGB).134 Für die Prokura ist allerdings Voraussetzung, dass er die mit ihrer Erteilung verbundene Vertretungsmacht im Innenverhältnis zum Arbeitgeber tatsächlich im Wesentlichen Umfang wahrnehmen darf.135 Wer hingegen von der Prokura keinen Gebrauch machen darf, also nur Titularprokura hat, gehört daher nicht zu den leitenden Angestellten im Sinne der Nr. 2.136 § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG umschreibt im Sinne eines Auffangtatbestandes den Grundtatbestand zur Definition des leitenden Angestellten.137 Leitende Angestellte müssen dabei nach Art ihrer Tätigkeit und Bedeutung ihrer Funktion der Unternehmensleitung nahe stehen.138 Die von ihnen für Bestand und Entwicklung des Unternehmens oder Betriebs wahrzunehmenden bedeutsamen Funktionen müssen immer einen beachtlichen Teilbereich der unternehmerischen Gesamtaufgaben ausmachen und den in Nr. 1 und Nr. 2 genannten gleichwertig sein.139 Der Mitarbeiter muss damit regelmäßig an betriebs- oder unternehmenswichtigen Entscheidungen mitwirken sowie bei Wahrnehmung seiner Aufgaben aufgrund eines nicht

129 Richardi/Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 200; Gaul, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 5 BetrVG, Rn. 52; ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn. 19. 130 Richardi/Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 201; Gaul, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 5 BetrVG, Rn. 52. 131 Vgl. Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 87. 132 BAG AP Nr. 1 zu BetrVG 1972; Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 88. 133 BAG AP Nr. 141 zu § 1 TVG; Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 88. 134 Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 88. 135 Richardi/Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 205; Gaul, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 5 BetrVG, Rn. 57. 136 ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn. 20; Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 88. 137 ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn. 21. 138 BAG, Beschl. v. 29.1.1980 – 1 ABR 45/79, BAGE 32, 381. 139 ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn. 21.

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unerheblichen Ermessensspielraumes seine Entscheidungen frei von Weisungen treffen oder diese wesentlich beeinflussen können.140 Leitende Angestellte zeichnen sich also dadurch aus, dass sie in den typischen unternehmerischen Aufgabenbereich eingebunden sind.141 Dies wird besonders am funktionellen Grundtatbestand142 des § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG deutlich, wonach es sich um Führungsaufgaben mit betriebs- oder unternehmensleitendem Charakter handeln muss.143 Alle Fälle des § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG sind dadurch gekennzeichnet, dass stets eine eigene unternehmerische Tätigkeit des leitenden Angestellten erkennbar sein muss, welche das Unternehmen insgesamt oder wenigstens einen Betrieb betrifft.144 Zugleich wird durch die Bezugnahme auf Personalbefugnis in Nr. 1 und Prokura in Nr. 2 der Begriff des leitenden Angestellten für die hier zu beantwortenden Fragen des Konkurrenzschutzes unnötig weit gefasst. Für die hier anzustellende Betrachtung geht dies letztlich über das Ziel hinaus. Eine allein an formalen Kriterien gemessene Beurteilung bietet sich also nicht an. Personalkompetenz und Prokura führen zu einer unnötig weiten Inkompatibilität. Interessanter ist hierfür eher die in Nr. 3 angesprochene Mitwirkung an betriebs- oder unternehmenswichtigen Entscheidungen. Entscheidend für die hier dargestellte Problematik wird folglich sein, ob ein leitender Angestellter im konkreten Fall so weit oben im Unternehmen und nahe genug am Vorstand angesiedelt ist, dass er ausreichend Einfluss auf unternehmensstrategische und -planerische Entscheidungen nehmen kann sowie am unternehmerischen Entscheidungsprozess beteiligt ist.145 Hierfür dürfte eine Generalhandlungsvollmacht zwar in aller Regel ein gewichtiges Indiz sein, da diese zumeist nur Führungskräften im oberen Management haben werden, welche direkt dem Vorstand unterstellt sind.146 Als hinreichend wahrscheinlich dürfte allerdings gelten, dass regelmäßig diese Leitungsebene (häufig als 140

99 f.

Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 94,

141 Trümner, in: Däubler u. a., BetrVG, § 5 BetrVG, Rn. 229; Gaul, in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 5 BetrVG, Rn. 48; ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn. 17. 142 Vgl. Trümner, in: Däubler u. a., BetrVG, § 5 BetrVG, Rn. 262 f.; Richardi/Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 196. 143 Vgl. Trümner, in: Däubler u. a., BetrVG, § 5 BetrVG, Rn. 244. 144 Gaul, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 5 BetrVG, Rn. 50. 145 Vgl. auch insofern zu der schwierigen Bestimmbarkeit des Begriffs „Führungsebene“ im neugefassten § 76 Abs. 4 S. 1 AktG (eingefügt durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24.4.2015, BGBl. I S. 642) Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 46; Grobe, AG 2015, 289 (298); Teichmann/Rüb, BB 2015, 898 (902); Schulz/Ruf, BB 2015, 1155 (1160 f.). Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfes geht es um die im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands (Begr. RegE v. 20.1.2015, BT-Drs. 18/3784, S. 119). Inwieweit sich damit die angesprochenen Führungsebenen in der Praxis abgrenzen lassen werden, muss sich erst noch herausstellen. 146 Vgl. Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 MitbestG, Rn. 88.

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Bereichsleiter, Direktoren oder Directors bezeichnet) so stark an strategischen und geschäftsleitenden Entscheidungen und Maßnahmen beteiligt sein werden, dass ihre Inkompatibilität im Falle von wesentlicher Konkurrenz gerechtfertigt ist. Hierauf sollte sich die Inkompatibilität beschränken, möchte man die Möglichkeit eines Aktionärs, eigenes Personal in den Aufsichtsrat des Konkurrenzunternehmens zu entsenden, nicht zu stark beschneiden. Besonders augenfällig ist die Verquickung von Vorstand und zweiter Führungsebene im Übrigen bei der Deutschen Bank, welche im Jahr 2002 ein Exekutivkomitee (Group Executive Committee) eingerichtet hatte, das aus dem Vorstand sowie u. a. Führungskräften aus den Geschäftsbereichen bestand und mitunter für die Koordination der globalen Geschäftsbereiche und die Erörterung strategischer Fragen mit dem Vorstand sowie zu dessen Beratung und Vorbereitung von Vorstandsentscheidungen zuständig war.147 In solchen Führungsgremien arbeiten somit der Vorstand und die zweite Führungsriege mit insbesondere dem Ziel zusammen, das operative Geschäft nach Möglichkeit auf die Führungskräfte der zweiten Ebene auszulagern und dem Vorstand die verstärkte Beschäftigung etwa mit Strategiefragen zu ermöglichen.148 Ebenso kann dies dem Ziel dienen, Führungskräfte des operativen Geschäfts in die für das Gesamtunternehmen zentralen Entscheidungsprozesse mit einzubinden.149 Hier liegt es auf der Hand, dass Mitglieder des Exekutivkomitees, obwohl sie nicht im Vorstand sind, auch der Inkompatibilität unterfallen, da sie zu stark in die unternehmerischen Entscheidungen des Konkurrenten involviert sind. Gleiches wie für die Gruppe der Vorstandsmitglieder muss mithin auch für die Fallgruppe der Eigentümerunternehmer gelten, wenn also ein Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft als Einzelkaufmann, OHG-Gesellschafter, KG-Komplementär, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH oder Allein- oder Mehrheitsaktionär einer AG150 Konkurrent der Gesellschaft ist, auch wenn diese Fallgruppe vermutlich in praxi selten größere Relevanz haben wird. Deren erstes Interesse gilt naturgemäß dem Erfolg des eigenen Unternehmens. Eine Trennung der Interessenssphären zwischen eigenem und beaufsichtigtem Unternehmen erscheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich. Die dargestellten Inkompatibilitäten können auch ausgelöst werden, sofern das Aufsichtsratsmitglied Vorstandsmitglied, leitender Angestellter oder Eigentümerunternehmer im oben dargestellten Sinne der Obergesellschaft eines Wettbewerbers ist. Die Obergesellschaft wird in aller Regel auch zu Strategieentscheidungen be147 Dieses Group Executive Committee wurde inzwischen wieder abgeschafft, siehe hierzu den Pressebericht „Deutsche Bank schafft heimliches Machtzentrum ab“ (WELT.DE v. 19.10.2015, abrufbar unter: https://www.welt.de/wirtschaft/article147762306/Deutsche-Bankschafft-heimliches-Machtzentrum-ab.html). Vgl. v. Hein, ZHR 166 (2002), 464 (468). Siehe zur aktienrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Exekutivkomitees Götz, ZGR 2003, 1 (9 ff.). 148 Maaß/Schreier, AG 2013, R44. 149 Götz, ZGR 2003, 1 (9). 150 Vgl. Langenbucher, ZGR 2007, 571 (577).

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rufen sein, die später in den Tochtergesellschaften Gestalt annehmen werden.151 Anders ist hingegen zu entscheiden für Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte von Tochter- oder Schwestergesellschaften des Konkurrenten, denn diese sind nicht unmittelbar in die Entscheidungen des Wettbewerbers eingebunden.152 Zu weit ginge es zudem, mit Lutter153 auch Mitglieder des Aufsichtsrats der konkurrierenden Gesellschaft auszuschließen. Diese sind schon aufgrund der geringeren Sitzungsintervalle de facto weit weniger stark in das operative Geschäft des Konkurrenten eingebunden als Vorstände und leitende Angestellte. Dabei geht es letztlich um eine Abwägung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an der Integrität ihrer geschäftlichen Belange und dem Interesse eines Aktionärs, eine bestimmte, von ihm gewünschte Person in den Aufsichtsrat zu entsenden. Ist wie hier das Interesse des beaufsichtigten Unternehmens weniger stark betroffen, weil das Aufsichtsratsmitglied nicht direkt am operativen Geschäft des Konkurrenten beteiligt ist, muss dem Interesse des Aktionärs der Vorrang eingeräumt werden. Andernfalls würde sich das Konkurrenzverbot zu Recht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Anteilseigner, die zugleich im Wettbewerb zu der Gesellschaft stehen, zu Aktionären zweiten Ranges zu machen. 2. Vertreter von Banken Von Interesse ist seit jeher die Vereinbarkeit eines Aufsichtsratsmandats mit der Berufstätigkeit oder Organzugehörigkeit bei einer Bank.154 Diese Frage ist heute nur scheinbar von minderem Interesse als in der Vergangenheit, wie noch zu belegen sein wird. Dennoch sank laut Recherchen von Dittmann, Maug und Schneider die Anzahl der mit Bankenvertretern besetzten Aufsichtsratsposten von 1994 bis 2005 von 9,6 auf 5,6 Prozent und die Anzahl der Aufsichtsräte, in denen Bankrepräsentanten vertreten sind, von 50,7 auf 33,3 Prozent.155 1974 waren ihnen zufolge hingegen noch in 75 % der Aufsichtsräte der hundert größten deutschen Unternehmen Bankrepräsentanten vertreten und die Banken hielten 22,4 Prozent der Aufsichtsratsposten der Anteilseignerbank. Ebenso nahm ausweislich des Hauptgutachtens der Monopolkommission die Anzahl der Unternehmen, in denen deutsche Kreditinstitute Mitglieder ihrer Geschäftsführung in das Kontrollgremium entsendet hatten, kontinuierlich ab.156 Hatten danach Deutsche Bank AG, Landesbank Baden-Württemberg 151

Vgl. Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (247 f.). So zu Recht Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (248). 153 Lutter, in: Beisse/Lutter/Närger, FS Beusch, 509 (517 ff.). 154 Eine ähnliche Problemstellung wie bei der Repräsentanz von Bankenvertretern in Aufsichtsräten ergibt sich zunehmend aus der wachsenden Beteiligung institutioneller Investoren an deutschen Aktiengesellschaften. 155 Dittmann/Maug/Schneider, Review of Finance 2010, S. 35 ff. 156 Vgl. Sechzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2004/2005 v. 25.8.2006 BTDrs. 16/2460, S. 228 ff.; Neunzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2010/2011 v. 152

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

(LBBW), Bayerische Landesbank (BayernLB), Commerzbank AG und KfW Bankengruppe (ehemals Kreditanstalt für Wiederaufbau) im Jahr 2004 noch acht (Deutsche Bank AG), ein (LBBW), ein (BayernLB), fünf (Commerzbank AG) bzw. keine (KfW Bankengruppe) Mitglieder ihrer Geschäftsführungen in die Kontrollgremien anderer Unternehmen entsendet,157 waren es im Jahr 2008 seitens der Deutschen Bank AG nur noch fünf, von der LBBW dagegen zwei, von der BayernLB unverändert ein, von der Commerzbank nur noch zwei und von der KfW Bankengruppe ebenso zwei Mitglieder.158 Blieben es im Jahr 2010 bei der Deutschen Bank AG unverändert fünf, entsendete dieses Haus im Jahr 2012 nur noch ein Mitglied. LBBW und BayernLB entsendeten 2010 und 2012 gar keine Mitglieder mehr, Commerzbank AG und KfW Bankengruppe jeweils eines bzw. drei.159 Zurückführen lässt sich dies nachweislich auf die seit dem Anfang des Jahrtausends zunehmende Entflechtung der „Deutschland AG“, wie die starke gegenseitige Verschränkung von Anteilen und damit einhergehend Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten innerhalb der deutschen Wirtschaft bezeichnet wurde und in deren Zentrum vor allem Finanzdienstleister standen.160 Die zu Beginn dieses Jahrtausends geschaffene Möglichkeit, die mit dem Verkauf der Beteiligungen zutage tretenden stillen Reserven ohne Einbußen zu veräußern,161 mögen hierfür ebenso wie die zunehmende Betonung des Investmentbankengeschäfts im Vergleich zum industriellen Kreditgeschäft ausschlaggebende Faktoren gewesen sein. Nach den Recherchen von Dittmann, Maug und Schneider lag die Anteilsquote von Banken an Unternehmen aus dem Nichtfinanzbereich zwischen 1994 und 2001 um die vier Prozent und fiel dann bis 2005 auf 0,4 Prozent ab.162 Der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank bestätigt den Trend der seit Jahren sinkende Anteilsquote deutscher Banken an den im DAX notierten Unternehmen, welche im Jahr 2006 5,8 Prozent, 2008 3,5 Prozent, 2010 2,0 und 2012 2,1 Prozent betrug.163 Bis Ende des Jahres 2014 ist die Quote wieder leicht auf 3,3 Prozent gestiegen.164 Damit nahm die Geltung von Banken in

20.7.2012, BT-Drs. 17/10365, S. 174 ff.; Zwanzigstes Hauptgutachten der Monopolkommission 2012/2013 v. 17.7.2014, BT-Drs. 18/2150, S. 222 ff. 157 Vgl. Sechzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2004/2005 v. 25.8.2006 BTDrs. 16/2460, S. 228 ff. 158 Vgl. Neunzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2010/2011 v. 20.7.2012, BT-Drs. 17/10365, S. 174 ff. 159 Zwanzigstes Hauptgutachten der Monopolkommission 2012/2013 v. 17.7.2014, BTDrs. 18/2150, S. 222 ff. 160 Vgl. Sechzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2004/2005 v. 25.8.2006 BTDrs. 16/2460, S. 215; Beyer, MPIfG Working Paper 02/4, abrufbar unter: http://www.mpifg.de/ pu/workpap/wp02-4/wp02-4.html. 161 Vgl. Dittmann/Maug/Schneider, Review of Finance 2010, S. 35 ff. 162 Dittmann/Maug/Schneider, Review of Finance 2010, S. 35 ff. 163 Vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom September 2014, S. 27. 164 Vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom September 2014, S. 27.

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

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den Unternehmen durch die Verringerung der Anteile an den Gesellschaften spätestens seit Anfang des letzten Jahrzehnts merklich ab.165 Gleichwohl dürfte es als sicher gelten, dass deutsche Banken durch das Vollmachtstimmrecht, welches ihnen regelmäßig durch Kleinanleger eingeräumt wird, weiterhin einen nicht zu unterschätzenden Einfluss in der Hauptversammlung und auf die Besetzung des Aufsichtsrats haben.166 Die Rolle der Banken in der Hauptversammlung wird also schon allein durch die Ausübung von Depotstimmrechten167 maßgeblich gesteigert. Die Kumulation von Depotstimmrechten und den Eigenbeteiligungen der Banken verschafft ihnen nach wie vor die Gelegenheit, eigene Interessen in der Hauptversammlung zu verfolgen und eigene Vertreter in den Aufsichtsrat zu wählen.168 Die durch das ARUG169 eingefügte Beschränkung des § 135 Abs. 3 S. 4 AktG, wonach bei einer Beteiligung der Bank in Höhe von mehr als 20 Prozent am Grundkapital der Gesellschaft die Ausübung des Depotstimmrechts an eine ausdrückliche Weisung des Aktionärs geknüpft ist, ändert daran nichts. Zum einen ist, wie dargestellt, die Anteilsquote der Banken deutlich gesunken, zum anderen dürften schon ein weitaus niedrigeres Stimmgewicht von Bedeutung für die Besetzung von Aufsichtsräten sein, insbesondere, wenn wie üblich nicht das gesamte Grundkapital auf der Hauptversammlung vertreten ist. Die Frage nach der Treuepflicht von Bankenvertretern sowie der Vereinbarkeit ihrer Berufstätigkeit mit dem Aufsichtsratsamt stellt sich damit auch weiterhin. Die Bereitschaft von Unternehmen, überhaupt Bankenvertreter für den Aufsichtsrat zu gewinnen, begründet sich hingegen mit deren Expertise in Fragen der Unternehmensfinanzierung, die damit einhergehende Befähigung zur Vorstandskontrolle im Bereich des Finanzmanagements sowie mit generellen Branchenkenntnissen.170 Nicht zuletzt erhofften sich Unternehmen in der Vergangenheit durch die Aufsichtsratsrepräsentanz von Banken besonders günstige Konditionen bei der Fremdfinanzierung.171 Gegenwärtig mag dieser Aspekt angesichts dauerhaft niedriger Kreditzinsen in den Hintergrund getreten sein.172 Diese Aufsichtsratsmitglieder sind gleichwohl und trotz ihrer gängigen Bezeichnung als „Bankenvertreter“ nicht Repräsentanten der Banken, sondern selbst165

Vgl. Engert, ZGR 2012, 835 (839 f.). Vgl. MüKoAktG/Bayer, § 17 Rn. 47 f. 167 Vgl. hierzu Schmidt, WM 2009, S. 2350 ff. 168 Vgl. MüKoAktG/Bayer, § 17 Rn. 48. 169 Siehe oben 1. Kapitel, Fn. 791. 170 Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 96; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (228); Werner, ZHR 145 (1981), S. 252; Lutter, NJW 1995, 2766 (2767). 171 Vgl. Werner, ZHR 145 (1981), 252 (256). 172 Gegenwärtig beträgt der Leitzins der Europäischen Zentralbank für den Euroraum zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld null Prozent, siehe die Veröffentlichung der „Key ECB interest rates“, abrufbar unter: https://www.ecb.europa.eu/stats/policy_and_exchange_ra tes/key_ecb_interest_rates/html/index.en.html. 166

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

verantwortliche Organmitglieder der betreffenden Gesellschaft und folglich deren Wohl verpflichtet.173 Grundsätzlich dürfte allerdings zwischen der Bank und der Gesellschaft eine Interessensübereinstimmung bestehen.174 Dem Kreditinstitut muss insbesondere dann, wenn es – wie regelmäßig anzunehmen ist – mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung steht, daran gelegen sein, dass diese sich wirtschaftlich erfolgreich entwickelt.175 Nur so ist gesichert, dass Darlehensverbindlichkeiten beglichen werden und die Gesellschaft auch zukünftig als solventer Darlehensschuldner und Geschäftskunde zur Verfügung steht.176 Kommt es allerdings zu Konflikten zwischen den Interessen der Bank und denen der Gesellschaft, ist der Bankenvertreter verpflichtet, im Rahmen der Ausübung seines Aufsichtsratsmandats alles zu unterlassen, was zum Nachteil der Gesellschaft führen kann. Laut dem Bundesgerichtshof kann sich das Aufsichtsratsmitglied auch nicht darauf berufen, in seiner Eigenschaft als Vertreter der Bank gehandelt zu haben und in gerechtfertigter Weise deren Interesse verfolgt zu haben.177 Das Gericht führte hierzu aus, dass die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten, welche nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könne, nicht möglich sei, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen seien. Interessenkollisionen seien, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zwei Gesellschaften angehöre, auch grundsätzlich nicht in dem Sinne entlastend, dass die Pflichterfüllung gegenüber der einen Gesellschaft die Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen könne. Daraus folgt also, dass Mitglieder des Aufsichtsrats bei der Ausübung ihrer Organpflichten stets dem Interesse der Gesellschaft Vorzug vor den Belangen der Bank einzuräumen haben.178 Für den Fall von entsendeten Aufsichtsratsmitgliedern hatte der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass diese den Belangen der Gesellschaft den Vorzug vor solchen des Entsendungsberechtigten geben müssten und die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen hätten, ohne an die Weisungen des Entsendungsberechtigten gebunden zu sein.179 Über die genaue Eingrenzung des Pflichtenkreises von Bankenvertretern in Aufsichtsräten ist damit indessen noch nichts gesagt. Dies soll daher im Folgenden einer Klärung zugeführt werden. a) Die Auffassungen in der Literatur In der Literatur haben sich im Wesentlichen drei Meinungen zu den Pflichten von Bankenvertretern im Aufsichtsrat herausgebildet. Ulmer formulierte zunächst in 173

Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 96. Werner, ZHR 145 (1981), 252 (256). 175 Vgl. Mülbert, NJW 1996, 2257 (2258). 176 Vgl. Reese/Ronge, AG 2014, 417 (426). 177 BGH, Urt. v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629 (1630); vgl. Werner, ZHR 145 (1981), 252 (261 f.). 178 Vgl. bereits in diesem Sinne RG, Urt. v. 12.10.1940 – II 33/40, RGZ 165, 68 (79); Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (239). 179 BGH, Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296 (306 f.). 174

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

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Anlehnung an das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 21. Dezember 1979 die Regel, dass ein Aufsichtsratsmitglied den Vorstand zu keinem Handeln veranlassen dürfe, das es in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrats beanstanden müsste.180 Darüber hinaus differenzierte Ulmer zwischen drei Fallgruppen.181 Die erste Fallgruppe umfasst danach diejenigen Tätigkeiten, die das Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Organtätigkeit, also insbesondere bei der Überwachung des Vorstandes, vornimmt oder unterlässt. Die zweite Fallgruppe betrifft solche Handlungen, welche eindeutig außerhalb der Geschäftssphäre der Gesellschaft liegen und dem Hauptamt oder einem anderen Nebenamt des Aufsichtsratsmitglieds zuzurechnen sind. In der dritten Fallgruppe ist das Aufsichtsratsmitglied zwar formal außerhalb des Aufsichtsratsamtes im Rahmen seines Hauptamtes oder eines anderen Nebenamtes tätig, gerät allerdings mit der Geschäftssphäre der Gesellschaft in Berührung. In der ersten Gruppe gebührt laut Ulmer dem Unternehmensinteresse der Gesellschaft der uneingeschränkte Vorrang vor kollidierenden, aus dem Hauptamt oder der Privatsphäre des Aufsichtsratsmitglieds resultierenden Interessen.182 Die Berufung auf eine Interessenkollision zur Rechtfertigung eines gesellschaftsschädigenden Verhaltens scheide im Rahmen der Aufsichtsratsausübung aus. In der zweiten Fallgruppe bleibe dem Aufsichtsratsmitglied die Verfolgung der Interessen aus dem Haupt- oder einem anderen Nebenamt unbenommen.183 Gleichwohl sei ein Mindestmaß an Loyalitäts- und Treuepflicht auch hier zu fordern. Eine aktive und willkürliche Zuwiderhandlung gegen die Interessen der Gesellschaft sei dem Aufsichtsratsmitglied auch hier verwehrt. Andernfalls würden sich die Handlungsmöglichkeiten eines Aufsichtsratsmitgliedes außerhalb der Gesellschaft drastisch reduzieren und das Nebenamt den Maßstab für das noch erlaubte Verhalten im Hauptamt setzen. In der dritten Fallgruppe spricht sich Ulmer dafür aus, mit dem BGH von der Unteilbarkeit der Aufsichtsratsverantwortung auszugehen und verweigert dem Aufsichtsratsmitglied die Berufung auf ein Handeln im Hauptamt. Dies gelte vor allem in Fällen, in denen sich ein Rechtsgeschäft von Anfang an als eindeutig nachteilig für die AG erweise und es des Eingreifens des Aufsichtsratsmitglieds bedürfe, um den Vorstand der Gesellschaft zum Geschäftsabschluss zu veranlassen.184 Ulmer sieht hier allerdings die Gefahr einer Überspannung der mit dem Aufsichtsratsmandat verbundenen Pflichtenbindung.185 Ein Pflichtenverstoß könne schließlich sogar dann begründet sein, wenn sich das Aufsichtsratsmitglied in seinem Hauptamt nicht für ein mit der Gesellschaft günstigen Geschäftsabschluss einsetze. Damit wäre aber die Grenze vertretbarer Sorgfaltspflichten überschritten und der Vorrang der Interessen der Gesellschaft im Falle von Interessenkollisionen überspannt. Ulmer kommt deshalb zu dem Ergebnis, hier die stark abgeschwächten 180 181 182 183 184 185

Ulmer, NJW 1980, S. 1603. Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604). Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605). Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606). Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606). Ulmer, NJW 1980, 1603 (1607).

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

Pflichtenmaßstäbe seiner zweiten Fallgruppe anzuwenden. Allein wenn das Aufsichtsratsmitglied die Grenzen von Aufsichtsratstätigkeit und Haupt- oder anderem Nebenamt verwische und sich Einflussmöglichkeiten aus dem Aufsichtsratsmandat zu Nutze mache, sei eine andere Beurteilung angezeigt.186 Werner unterscheidet hingegen zwischen schädigenden, aber zulässigen „Auswirkungen“ und schädigenden, unzulässigen „Einwirkungen“.187 Ersteres betrifft die Überlegung, ob die aus der Pflichtenerfüllung in dem einen Bereich resultierenden, jedoch für den anderen Bereich schädlichen Folgen in Kauf genommen werden dürfen oder müssen, letzteres die Frage, ob es zu den Pflichten des einen Bereichs gehören kann, auf den anderen Bereich schädigenden und dem ersten Bereich vorteilhaften Einfluss zu nehmen. Bei solchen „Auswirkungen“ gelte grundsätzlich, dass bei Pflichtenerfüllung innerhalb eines Bereichs das Interesse des anderen Bereichs unberücksichtigt bleiben müsse. Das Vorstandsmitglied einer Bank brauche bei seinen Entscheidungen daher nicht zu berücksichtigen, ob sich diese negativ auf die Gesellschaft auswirkten, in der er Aufsichtsratsmitglied sei. Ebenso sei der Fall zu beurteilen, in dem das Vorstandsmitglied der Bank als Aufsichtsrat tätig sei. Dort habe er sein Votum ungeachtet etwaiger negativer Auswirkungen für die Bank so abzugeben, wie es den Interessen der Gesellschaft am besten entspreche.188 Hinsichtlich der Fallgruppe der „Einwirkungen“ gelte, dass eine Person, welche den Organen zweier Gesellschaften angehöre, keinen schädigenden Einfluss auf eine Gesellschaft mit der Begründung ausüben dürfe, sie tue dies in Erfüllung einer Rechtspflicht gegenüber der anderen Gesellschaft.189 Derartige schädigende Einwirkungen seien also selbst bei Nützlichkeit für den einen Bereich weder geboten noch statthaft.190 Lutter vertritt die Auffassung, dass die Interessen der Gesellschaft gegenüber denjenigen der Bank vorrangig seien.191 Wo der Bankenvertreter im Aufsichtsrat zum Einschreiten gegen sich als Repräsentant der Bank verpflichtet sei, müsse er diesen Konflikt durch Maßnahmen im Hauptamt beseitigen.192 Banken seien zwar nicht zur Gewährung von Darlehen in Notlagen verpflichtet, sie dürften aber ihre eigenen Interessen im Rahmen bestehender Geschäftsbeziehung nur sehr sorgsam und vorsichtig ausnutzen. Ein potenzieller Konflikt zwischen der Gesellschaft und den Interessen der Bank könne allein durch die sorgsame Behandlung ihres Kreditengagements gelöst werden. Zugleich obliege es der Bank, bei Konflikten zwischen ihren normalen Geschäftsinteressen und gravierenden Interessen der Gesellschaft ge-

186 187 188 189 190 191 192

Ulmer, NJW 1980, 1603 (1607). Werner, ZHR 145 (1981), 252 (257 f.). Werner, ZHR 145 (1981), 252 (259). Werner, ZHR 145 (1981), 252 (264). Werner, ZHR 145 (1981), 252 (265). Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (251). Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (241).

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schäftliche Zurückhaltung zu wahren.193 Der Bankenvertreter sei bei überschaubaren und temporären Konflikten zwischen der Gesellschaft und der Bank zur Stimmenthaltung und bei gleichrangigen und gravierenden Interessenkonflikten sogar zum Rücktritt verpflichtet. b) Stellungnahme Ulmer liefert mit seiner Dreiteilung eine hilfreiche Strukturierung. Insbesondere ist an seiner Auffassung richtig, dass bei Handlungen, die eindeutig außerhalb der Gesellschaftssphäre stattfinden, dem Aufsichtsratsmitglied ein größtmögliches Maß an Freiheit verbleiben muss, wenn auch eingeschränkt um aktive und willkürliche Zuwiderhandlungen gegen die Gesellschaft. Seine Beurteilung der dritten, besonders virulenten Fallgruppe hilft allerdings nicht weiter. Wie ein stark abgeschwächter Pflichtenmaßstab auszusehen hat, bleibt unklar. Insbesondere nimmt er nicht dazu Stellung, wie im Fall der Zuwiderhandlung mit dem Aufsichtsratsmitglied zu verfahren ist. Die von Werner vorgeschlagene Unterscheidung zwischen unzulässigen Einwirkungen und zulässigen Auswirkungen übersieht, dass es richtigerweise auch außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit unabdingbare Loyalitätspflichten des Mitglieds gibt. Überhaupt dürfte die Grenzziehung zwischen „Einwirkungen“ und „Auswirkungen“ nicht in jedem Fall einfach sein. So sind Fälle denkbar, in denen eine Handlung sowohl als „Einwirkung“ als auch als deren Folgen nur als „Auswirkung“ begriffen werden können. Denn es bleibt offen, wie Handlungen zu qualifizieren sind, welche der Bankenvertreter außerhalb der Sphären der Gesellschaft sowie der Bank vornimmt. Hier ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich.194 Zuzustimmen ist hingegen dem Ansatz von Lutter, der auch der Bank die Pflicht zur geschäftlichen Zurückhaltung auferlegt. Denn zu bedenken ist, dass der Bankenvertreter das Aufsichtsratsmandat nur mit dem Willen der Bank übernimmt. Zudem ist sich die Bank der Vorteile dieses besonderen Zugangs zum Vorstand der Gesellschaft bewusst. Deshalb muss die Bank auch in Kauf nehmen, bei Konflikten mit gewichtigen Interessen der Gesellschaft Zurückhaltung zu wahren. Sofern allerdings die Interessenkonflikte gravierender Natur sind, bleibt richtigerweise nur die Aufgabe des Aufsichtsratsamtes. Können dauerhafte Interessenskonflikte von Anfang an nicht ausgeschlossen werden, muss das Aufsichtsratsmitglied auf sein Mandat verzichten, da es andernfalls treuepflichtwidrig handeln würde. Insofern gilt das bereits Ausgeführte.

193 194

Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (251). Dahingehend auch die Kritik von Heermann, WM 1997, 1689 (1693).

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

c) Sonderfall: Feindliche Übernahmen Besonders virulent werden solche Konfliktsituationen bei in der jüngeren Vergangenheit immer häufiger195 vorkommenden feindlichen Übernahmen (unfriendly oder hostile takeover). Bei einer feindlichen Übernahme handelt es sich um den Kontrollerwerb über ein Unternehmen ohne Vereinbarung und gegen den Willen der Leitungsorgane der Zielgesellschaft, also Vorstand und Aufsichtsrat.196 Wesentliches Merkmal einer feindlichen im Gegensatz zu einer freundlichen Übernahme (friendly takeover) ist also, dass sich die Übernahme direkt zwischen Käufer und Aktionären vollzieht und die Verwaltung bei der Verkaufsentscheidung umgangen wird.197 Durch das Kaufangebot bedingte Wertsteigerungen können hingegen einen Anreiz für die Aktionäre schaffen, ihre Anteile an den Bieter zu veräußern. Dem Vorstand der Zielgesellschaft ist es hingegen gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG untersagt, nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Handlungen vorzunehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Dies gilt allerdings nicht, sofern die Hauptversammlung den Vorstand nach § 33 Abs. 2 WpÜG zur Vornahme solche Handlungen ermächtigt und der Aufsichtsrat diesen Handlungen zugestimmt hat. Spätestens dann dürfte das Übernahmeangebot nicht mehr nur den Interessen der Geschäftsleitung, sondern auch der Gesellschaft widersprechen. Hiervon unabhängig wird jedoch der Bank, welche die Akquisition als Kreditgeber oder Berater begleitet, immer noch an dem Zustandekommen des Geschäfts gelegen sein.198 Sofern einer ihrer Repräsentanten im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft vertreten ist, besteht das Risiko, dass dieser in irgendeiner Form den Interessen seines Kreditinstituts Vorrang zu denen der Gesellschaft einräumt. Denn muss es in seinem Hauptamt als Repräsentant der Bank darüber entscheiden, ob dem Bieter zum Zwecke der Unternehmensakquisition ein Darlehen gewährt werden soll, kann es zu Interessenkollisionen kommen, sofern der Bankenvertreter über im Aufsichtsrat erlangte und für die Kreditentscheidung wesentliche Informationen verfügt.199 Bankenvertretern wird man vor diesem Hintergrund kaum gänzlich unparteiisches Verhalten unterstellen können und an eine „Bewusstseinsspaltung“ je nach Aufgabenwahrnehmung ist nicht zu denken.200 Möglicherweise präferieren die 195 Vgl. Pressebericht „Hostile Takeovers Gain Momentum“ (Handelsblatt.com v. 2.12.2015, abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/today/companies/batten-down-thehatches-hostile-takeovers-gain-momentum/23507918.html). 196 Schanz, NZG 2000, 337 (338); Köhler, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch, S. 248; vgl. Kirchner, WM 2000, S. 1821; Heermann, WM 1997, S. 1689. 197 Schanz, NZG 2000, 337 (338). 198 Vgl. Heermann, WM 1997, S. 1689. 199 Heermann, WM 1997, 1689 (1692). 200 Vgl. Herkenroth, AG 2001, 33 (40). Da Personen ihre Wahrnehmung und Persönlichkeit nicht je nach Aufgabenbereich trennen können, fehlt es auch an der rechtlichen Akzeptanz mentaler Chinese Walls zur Schaffung von Informationsbarrieren. Chinese Walls sollen den unkontrollierten Abfluss vertraulichen Wissens in andere Vertraulichkeitsbereiche desselben

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potenziellen Käufer sogar diese Bank aufgrund ihrer Repräsentanz im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft.201 aa) Die Auffassungen in der Literatur Lutter vertritt vor diesem Hintergrund die Ansicht, dass die Bank sich von der Finanzierung der Übernahme fernhalten müsse.202 Laut Lutter ist nicht nur das Aufsichtsratsmitglied, sondern auch die Bank selbst aufgrund der Tätigkeit ihres Repräsentanten im Aufsichtsrat sowie aufgrund dessen Treuepflicht gebunden. Für die Bank sei dies zwar ein vergleichsweise übliches Kreditgeschäft, für die Gesellschaft aber ein außerordentlich gefährlicher Angriff. Daher bestünde für die Bank eine Rechtspflicht zur Einschränkung ihrer geschäftlichen Tätigkeit als Folge der Mitgliedschaft ihres Vertreters im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft.203 Zulässig sei es allerdings, wenn die Bank selbst die Übernahme des Unternehmens plane, denn hier sei sie nicht in ihren normalen Geschäftsinteressen, sondern in vitalen unternehmerischen Eigeninteressen betroffen.204 Laut Werner darf sich der Bankenvertreter hingegen für die Gewährung eines Übernahmekredites einsetzen, selbst wenn dies den Interessen der Zielgesellschaft, deren Aufsichtsratsmitglied er ist, zuwiderläuft.205 Er unterstellt dabei, der Nachteil für die Gesellschaft bestünde allein in dem Verlust ihrer Unabhängigkeit. Es sei zweifelhaft, ob deren Abwendung zu den Pflichten eines Aufsichtsratsmitglieds gehöre. Eine Grenze zieht allerdings auch Werner in Anlehnung an § 242 BGB dort, wo die Pflichtenerfüllung in einem Bereich willkürlich oder nur in der Absicht erfolgt, den anderen Bereich zu schädigen.206 Auch müsse sich der Akteur bei zwei gleichwertigen Alternativen zugunsten der für die Gesellschaft weniger schädlichen entscheiden. bb) Stellungnahme Die von Lutter geforderte Pflicht der Bank, den potenziellen Käufer der Gesellschaft nicht zu beraten oder zu kreditieren, ist abzulehnen. Zwar hat dieser Weg den Vorzug, ein einfaches Lösungsmuster zu bieten. Zudem kann nicht verkannt werden, dass die Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds nur nach Abstimmung mit seiner Bank erfolgt. Daraus ein Geschäftsverbot abzuleiten geht allerdings zu weit. Außerdem überzeugt die Unterscheidung Lutters zu solchen Fallgestaltungen, in welchen die Bank selbst die Übernahme anstrebt, nicht. In allen Fällen geht es Unternehmens verhindern. Vgl. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb., § 109 Rn. 142d; Fett, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 33 WpHG, Rn. 39. 201 Vgl. Heermann, WM 1997, 1689 (1690). 202 Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (244 f.). 203 Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (248). 204 Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (245 f.). 205 Werner, ZHR 145 (1981), 252 (260). 206 Werner, ZHR 145 (1981), 252 (261).

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

letztlich um schützenswerte Geschäftsinteressen der Bank. Diese sind den Interessen der Zielgesellschaft nicht nach-, sondern gleichrangig. Im Übrigen besteht bei der von Lutter vertretenen Ansicht stets die Gefahr, dass sich Gesellschaften bewusst Bankenvertreter aussuchen, um letztlich die Gefahr feindlicher Übernahmeversuche abzuwenden. Ebenso ist der von Werner vorgebrachten Auffassung, der Aufsichtsratsvertreter könne sich über die Interessen der Zielgesellschaft hinwegsetzen und für die Gewährung des Übernahmekredites einsetzen, nicht zu folgen. Ein solches Maß an Illoyalität ist für die Gesellschaft nicht akzeptabel. Die Gefahr des Verlustes der Unabhängigkeit der Gesellschaft muss von Aufsichtsräten in Betracht gezogen und unter Umständen abgewehrt werden. In jedem Fall missachtet der Lösungsvorschlag von Werner die jedem Aufsichtsratsmitglied obliegenden Treuepflichten. Die Einschränkung nach den Maßstäben von Willkür und Schädigungsabsicht hilft zudem nicht weiter, geht es doch der Bank regelmäßig allein um ihre Geschäftsinteressen, nicht aber um die Schädigung der Zielgesellschaft. Da für solche Konfliktsituationen kennzeichnend ist, dass sie sich zu Beginn des Aufsichtsratsmandats regelmäßig nicht absehen lassen, werden Maßnahmen zur präventiven Konfliktvermeidung, wie entsprechende Inkompatibilitätsvoraussetzungen in Gesellschaftssatzungen, regelmäßig keine taugliche Lösung darstellen.207 Auch Stimmrechtsverbote im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, sofern sich diese überhaupt aus § 34 BGB oder einer Gesamtanalogie aus §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG, 136 Abs. 1 AktG, 36 S. 1 und 53 Abs. 2 VAG ableiten lassen, sind nicht zielführend. Zum einen lässt sich dadurch der Interessenkonflikt regelmäßig nicht abwenden,208 zum anderen verbleibt das Aufsichtsratsmitglied weiterhin in seiner Funktion und ihm damit ein etwaiger Informationsvorsprung erhalten. Auch ist zweifelhaft, ob die Stimme des Bankenvertreters entscheidende Auswirkungen auf die Beschlüsse des Aufsichtsrats hat, etwa bei der Stellungnahme nach § 27 WpÜG.209 Letztlich bleibt in diesen Fällen nichts anderes übrig, als den Bankenvertreter mit einem Teilnahmeverbot zu belegen, ihn die Amtsniederlegung nahezulegen oder nach Maßgabe des § 103 Abs. 3 AktG einen Antrag auf Abberufung aus wichtigem Grund zu stellen.210 Diese Maßnahmen können zwar auch nicht verhindern, dass, wie Heermann zu Recht einwendet,211 der Bankenvertreter bereits erhaltene Informationen weiterverwendet. Jedoch ist damit zumindest für die Zukunft ein weiterer Informationsmissbrauch unterbunden.

207

Heermann, WM 1997, 1689 (1693). So zu Recht Heermann, WM 1997, 1689 (1694). 209 Vgl. Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 27 WpÜG, Rn. 17; Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 6. 210 So zu Recht auch Heermann, WM 1997, 1689 (1694). 211 Heermann, WM 1997, 1689 (1694). 208

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C. Qualifikation und Expertise von Aufsichtsratsmitgliedern Mit dem wachsenden Pflichtenkanon des Aufsichtsrats geht seit längerer Zeit die Frage nach der erforderlichen Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern einher. Der BGH hatte schon 1982 im Hertie-Urteil entschieden, dass jedes Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich zumindest aneignen müsse, welche es brauche, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können.212 Im Zentrum der folgenden Untersuchung wird daher die Frage stehen, welches Qualifikationsniveau und welche Expertise bei Aufsichtsräten für die pflichtgemäße Erledigung der Gremiumsarbeit erforderlich sind. I. Der unabhängige Finanzexperte (§ 100 Abs. 5 Hs. 1 AktG) Anforderungen an das Qualifikationsniveau von Aufsichtsratsgremien schreibt zunächst § 100 Abs. 5 Hs. 1 AktG für die dort genannten Gesellschaften von öffentlichem Interesse vor. Als objektive Besetzungsregel richten sich ihre Anforderungen jedoch nur an die Zusammensetzung des Gremiums, nicht aber an einzelne Mitglieder.213 Die Vorschrift setzt voraus, dass bei u. a. kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften im Sinne des § 264d HGB mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen muss. Nach der Gesetzesbegründung muss deshalb zumindest ein Aufsichtsratsmitglied beruflich mit Rechnungslegung oder Abschlussprüfung befasst sein oder gewesen sein, wobei dies nicht nur bei Angehörigen der steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Berufe oder bei einer speziellen beruflichen Ausbildung der Fall sein soll, sondern auch bei bestimmten Berufsgruppen wie Finanzvorständen oder fachkundigen Angestellten aus den Bereichen Rechnungswesen und Controlling, Analysten sowie langjährigen Mitgliedern in Prüfungsausschüssen oder Betriebsräten angenommen werden kann, die sich diese Fähigkeit durch Weiterbildung im Zuge ihrer Tätigkeit angeeignet haben.214 Gleichwohl müssen die erforderlichen Kenntnisse nicht zwingend durch eine schwerpunktmäßige Tätigkeit in diesem Bereich erlangt worden sein.215 Denn wie diese Kenntnisse erworben worden sind, ist im Gesetz nicht näher geregelt.216 Auch die Art. 41 Abs. 1 S. 3 der Abschlussprüferrichtlinie217, auf der § 100 Abs. 5 Hs. 1 AktG beruht, sagt

212

BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 (295). Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 42; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 50. 214 Siehe Begr. RegE v. 30.7.2008, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 215 OLG München, Beschl. v. 28.4.2010 – 23 U 5517/09, BK 2010, 336 (337). 216 OLG München, BK 2010, S. 336. 217 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der 213

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ebenso wenig hierüber aus. Das betreffende Aufsichtsratsmitglied muss über Kenntnisse verfügen, die es ihm ermöglichen, mit dem Abschlussprüfer sowie dem Finanzvorstand und den Leitern der Fachabteilungen auf Augenhöhe zu verhandeln.218 Deshalb muss es jedenfalls nicht auch über deren beruflichen Qualifikationen verfügen.219 Entscheidend ist, dass dieses Aufsichtsratsmitglied letztlich in der Lage ist, die nach § 107 Abs. 3 AktG zu überwachenden Systeme eigenständig beurteilen zu können und gegebenenfalls Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.220 II. Sektorvertrautheit (§ 100 Abs. 5 Hs. 2 AktG) Neben Streichung des Merkmals der Unabhängigkeit hat der Gesetzgeber mit Verabschiedung des Abschlussprüfungsreformgesetzes221 in § 100 Abs. 5 Hs. 2 AktG die weitere Voraussetzung eingefügt, dass die Mitglieder in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen. Dies dient der Umsetzung der europäischen Abschlussprüferrichtlinie222.223 Ziel der Richtlinie sowie der Gesetzesnovelle ist die Stärkung der fachlichen Kompetenz im Aufsichtsrat.224 Die Trennung des § 100 Abs. 5 Hs. 2 AktG von Hs. 1 allein durch ein Semikolon sowie Art. 39 der Abschlussprüferrichtlinie, der Grundlage dieser Vorgabe ist und sich ebenso nur auf Unternehmen von öffentlichem Interesse bezieht, sprechen allerdings dafür, dass die Pflicht zur Sektorenvertrautheit nur Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften von öffentlichem Interesse betrifft.225 1. Sektor Zur Bestimmung des Merkmals „Sektor“ lassen sich Anleihen im Wettbewerbsund Kartellrecht nehmen. Dort wird „Sektor“ synonym zu dem Begriff „Wirtschaftszweig“ verwendet und erfasst Unternehmen, die auf denselben Produkt- oder

Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/ EWG des Rates. 218 So Habersack, AG 2008, 98 (103); Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 57. 219 OLG München, BK 2010, 336 (337). 220 So zu Recht Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 57. 221 Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz) v. 10.5.2016, BGBl. I 2016, S. 1142. 222 Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen v. 16.4.2014, ABl. L 158 v. 27.5.2014, S. 196 ff. 223 Behme/Zickgraf, AG 2016, R132 (R133). 224 Vgl. Begr. RegE v. 11.1.2016, BT-Drs. 18/7219, S. 56. 225 Hüffer/Koch, AktG, § 100 Rn. 25a.

§ 11 Die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

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Dienstleistungsmärkten tätig sind, etwa die Automobilindustrie.226 Der Wirtschaftszweig kann weiterhin nach seiner Funktion, welche Unternehmen dort wahrnehmen, abgegrenzt werden, etwa durch die Unterscheidung von Herstellung und Handel.227 Die Deutsche Börse AG unterscheidet beispielsweise je nach Segment zwischen neun Supersektoren, 18 Sektoren und 63 Subsektoren.228 Supersektoren sind danach etwa Konsumgüter (Consumer Goods), Informationstechnologie (Information Technology), Telekommunikation (Telecommunication) oder Pharmazeutik und Gesundheitsfürsorge (Pharma & Healthcare), die spezifischeren Sektoren etwa Automobil (Automobile), Nahrungsmittel (Food and Beverages) oder Software. In den Subsektoren wird dies noch weiter aufgegliedert. Diese Interpretationsmöglichkeiten können aber nur einen Hinweis für die Klärung des Merkmals „Sektor“ liefern. Die Auslegung muss sich schließlich viel stärker von dem Zweck der Novelle leiten lassen, welche der Stärkung der fachlichen Kompetenz des Gremiums dienen soll.229 Im Ergebnis spricht deshalb viel dafür, die Vertrautheit der Gesamtheit der Aufsichtsratsmitglieder auf die Branche zu beziehen, in welcher die Gesellschaft geschäftlich tätig ist, z. B. Automobil, Finanzdienstleistungen, Konsumgüter, Immobilienwirtschaft oder Maschinenbau, und nicht nur auf das spezifische Geschäftsmodell innerhalb dieser Branche, etwa allein Fertigung von Bremsanlagen oder Finanzierung speziell von Immobilienprojekten.230 Die Forderung nach weitreichenden Spezialkenntnissen zu den von dem Unternehmen angebotenen Produkten oder Dienstleistungen innerhalb der Branche würde den Pool an verfügbaren Aufsichtsratsmitgliedern ohne Not schmälern sowie die Branchendurchlässigkeit von Aufsichtsratsmandaten erschweren.231 Weder Wortlaut noch Gesetzesbegründung lassen erkennen, dass dies vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen ist. Um den Kreis potenzieller Aufsichtsratsmitglieder nicht zu eng zu ziehen, genügen daher auch Branchenkenntnisse, die auf einem anderen, korrespondierenden Geschäftsfeld gesammelt wurden, wenngleich man hier je nach den Anforderungen des Einzelfalls unterschiedlichen Voraussetzungen gelten lassen sollte. Mag in einem Unternehmen spezifisches Wissen von Bedeutung sein, kann ein anderes Unternehmen von branchengleichen Quereinsteigern profitieren. Die exakte Bestimmung des „Sektors“ verbleibt damit eine Frage des Einzelfalls. In jedem Fall genügt nach der hier vertretenen Ansicht aber die Identität der im weiteren Sinne zu verstehenden Branche. 226 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, VO 1/2013, Art. 17 Rn. 3; Burrichter/Hennig, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 17 VO 1/2003, Rn. 19. 227 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, VO 1/2013, Art. 17 Rn. 3. 228 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutsche Börse AG, Version 9.2.3, Gültig ab 3.12.2018, S. 21, 62 ff., abrufbar unter: https://www.dax-indices.com/document/Resources/ Guides/Leitfaden_Aktienindizes.pdf. 229 Vgl. Begr. RegE v. 11.1.2016, BT-Drs. 18/7219, S. 56; Schilha, ZIP 2016, 1316 (1321). 230 Behme/Zickgraf, AG 2016, R132 (R133); dahingehend auch Schilha, ZIP 2016, 1316 (1321). 231 Dahingehend auch Schilha, ZIP 2016, 1316 (1321).

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2. Vertrautheit Das Kriterium der Vertrautheit erfordert intensive Kenntnisse in dem jeweiligen Sektor. Diese können sowohl durch praktische Berufserfahrung als auch durch theoretische Kenntnisse vermitteln worden sein, sofern sie nur intensiv genug sind.232 Auch Angehörige der beratenden Berufe, allen voran Rechtsanwälte und Unternehmensberater können sich dieses Wissen durch ihre Tätigkeit angeeignet haben, sofern sie zumindest über längere Zeit hinweg in dem Sektor der Gesellschaft beratend tätig waren, denn nur dann kann davon ausgegangen werden, dass sie weitreichende Einblicke in die Branche hatten.233 Eine operative oder unternehmerische Tätigkeit wird also gerade nicht vorausgesetzt.234 Wie dargestellt betrifft diese Vorschrift den Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit.235 Daraus folgt, dass auch weiterhin Mitglieder ohne branchenspezifische Kenntnisse in den Aufsichtsrat gewählt werden können. Um § 100 Abs. 5 Hs. 2 AktG nicht zu konterkarieren, wird jedoch zu fordern sein, dass die Mehrheit der Mitglieder diesem Kriterium genügt. Damit dürfte sichergestellt sein, dass in jedem Fall der Einfluss der branchenerfahrenen Mitglieder überwiegt und dadurch das Gremium in seiner Gesamtheit die erforderliche sektorenbezogene fachliche Kompetenz aufweist und in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.236

III. Ungeschriebene Anforderungen an die Sachkompetenz Darüber hinaus schweigt das Gesetz zu dem, was Aufsichtsratsmitglieder für ihre Tätigkeit an Erfahrung und Wissen mitbringen müssen. Wie bereits angesprochen, hatte der BGH im Hertie-Urteil entschieden, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich zumindest aneignen muss, welche es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können.237 Dabei genügt es, dass diese Kriterien zumindest zum Zeitpunkt des Amtsantritts oder unmittelbar danach erfüllt sind, wobei es zumindest konkreter Anhaltspunkte bedarf, dass der Kandidat bestehende Qualifikationsdefizite noch ausgleichen wird.238 Mehr als Selbstverständlichkeiten bringt diese „gesetzlich vorausgesetzte Sachkompetenz“239 allerdings nicht zum Ausdruck. Um ein klareres Bild der notwendigen 232

So auch Behme/Zickgraf, AG 2016, R132 (R134); Schilha, ZIP 2016, 1316 (1321). Vgl. Begr. v. 11.1.2016, BT-Drs. 18/7219, S. 56; Behme/Zickgraf, AG 2016, R132 (R134). 234 So auch Schilha, ZIP 2016, 1316 (1322). 235 Vgl. Begr. v. 11.1.2016, BT-Drs. 18/7219, S. 56; Behme/Zickgraf, AG 2016, R132 (R134). 236 Schilha, ZIP 2016, 1316 (1322). 237 BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 (295). 238 So zu Recht Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (76). 239 BGHZ 85, 293 (296). 233

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Mindestqualifikation zu gewinnen, bietet sich der Blick auf die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben an.240 Die Aufsichtsratsmitglieder müssen folglich in der Lage sein, die Vorstandsberichte eigenständig zu bewerten und insbesondere auf Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen,241 ferner müssen sie über die notwendigen Grundkenntnisse im Rechnungs- und Bilanzwesen verfügen, sachgerechte Personal- und Vergütungsentscheidungen im Hinblick auf den Vorstand treffen und dessen Organisation zweckmäßig regeln können.242 Aufsichtsratsmitglieder müssen auch die Berichte der Abschlussprüfer sowie – zumindest unter Zuhilfenahme der Berichte der Abschlussprüfer – die Jahresabschlüsse verstehen und hieraus die notwendigen Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens ziehen können.243 Im Sinne einer guten Corporate Governance müssen Aufsichtsratsmitglieder schließlich das Geschäftsmodell des Unternehmens sowie die Chancen und Risiken des Unternehmens am Markt verstehen können; nur rudimentäre Kenntnisse der Geschäftstätigkeit und des Unternehmensumfelds genügen nicht.244 Stehen insbesondere größere Akquisitionen an, müssen Aufsichtsratsmitglieder in der Lage sein, Due Diligence-Berichte, in welchen die Tatsachen über die Zielgesellschaft, deren Unternehmenskennzahlen aber auch die finanziellen und rechtlichen Risiken des Erwerbs zusammengefasst werden, sowie nicht zuletzt die umfangreichen Vertragswerke, welche ebenso wie Due Diligence-Berichte bei länderübergreifenden Sachverhalten oder internationalen Beteiligten zumeist in englischer Sprache verfasst sind, zu verstehen.245 Andernfalls wird es ihnen nicht möglich sein, die geplante Transaktion zu hinterfragen und zu bewerten. Wie der Vorstand müssen auch die Aufsichtsratsmitglieder die Rechte und Pflichten der Organe der Gesellschaft und das aktienrechtliche Kompetenzgefüge kennen. Sofern einem Aufsichtsratsmitglied etwa die zentralen gesetzlichen Gebote und Verbote für Vorstandsmitglieder nicht bekannt sind, wird es nicht in der Lage sein, das Handeln des Vorstands daraufhin zu überprüfen.246 Das Verständnis von der Tragweite des Zustimmungsvorbehalts sowie unternehmerisches Bewusstsein247 zur sachgerechten Ausübung des Zustimmungsvorbehalts sind weitere Voraussetzungen. Sieht man mit der hier vertretenen Ansicht überdies in der nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung die Leitmaxime für die Organe der Aktiengesellschaft, 240

So zu Recht Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (854 f.). Siehe zu den Aufgaben des Aufsichtsrats 2. Kapitel § 8 bis § 10. 241 Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1502). 242 Siehe hierzu nur Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 62, Drygala, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 100 Rn. 30; Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (854 f.). 243 Siehe Loritz, ZfA 2009, 477 (510 f.). 244 Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (496). Zu den Fragen des erlaubten Risikos und der Risikosteuerung siehe nachstehend 4. Kapitel § 14 A. 245 Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (502, 514, 521). 246 Siehe Loritz, ZfA 2009, 477 (512). 247 Vgl. auch Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1502).

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müssen Aufsichtsräte auch ein tiefgehendes Verständnis für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen mitbringen. Ferner wird man bei großen, international agierenden Gesellschafen ein höheres Maß an Mindestqualifikation voraussetzen dürfen als bei kleineren und mittleren AGs mit vorrangig regionalen oder nationalen Absatzmärkten.248 Dafür spricht, dass größere Gesellschaften komplexere Strukturen und ein erhöhtes Geschäftsvolumen aufweisen und schon aus diesen Gründen die Sensibilität und Achtsamkeit der Kontrolleure stärker ausgeprägt sein muss. Gemeinhin wird letztlich bei Aufsichtsratsmitgliedern gefordert, dass diese nach Maßgabe der §§ 93, 116 S. 1 AktG ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachungsorgans wahrnehmen.249 Geschuldet ist daher die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters.250 All diese Anforderungen gelten unbesehen der Tatsache, ob das Aufsichtsratsmitglied gewählt oder entsandt oder ob es aus dem Kreis der Arbeitnehmerschaft oder der Gewerkschaft stammt.251 IV. Notwendigkeit von Spezialwissen Unklar ist, ob man von Aufsichtsratsmitgliedern über das dargelegte Mindestqualifikationsniveau hinaus auch Spezialkenntnisse erwarten muss. Der novellierte § 100 Abs. 5 AktG hat zwar bei Gesellschaften von öffentlichem Interesse mehr Klarheit über die notwendigen Branchenkenntnisse gebracht. Hingegen sagt dies nichts darüber aus, ob die Aufsichtsratsmitglieder auch Expertenwissen aus einschlägigen Fachbereichen wie Bilanzwesen und Finanzen, Steuern, Recht und ebenso den spezifischen Markt- und Portfoliokenntnissen mitbringen müssen oder nach Möglichkeit wenigstens sollten.252 Dafür streiten gewiss zwei Aspekte. Dies ist zum einen der praktische Aspekt der Effektivität und Professionalität der Überwachung, die durch ein höheres Qualifikationsniveau zwangsläufig gestärkt wird. Zum anderen hat der Gesetzgeber mit dem reformierten § 100 Abs. 5 AktG zum Ausdruck gebracht, dass ein ausreichendes Verständnis der Kontrolleure für die Unternehmensmaterie unerlässlich ist. Entwickelt man diesen Gedanken konsequent weiter, muss von Aufsichtsratsmitgliedern auch verlangt werden können, dass sie jeweils über besonderes Wissen aus ihrer Berufsausübung verfügen und dieses gemeinsam mit den spezifischen Fertigkeiten und Kenntnissen der übrigen Mitglieder zum 248

Dahingehend Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1503); MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 24; zweifelnd Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (854). 249 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 29 Rn. 32 und § 33 Rn. 72; Hüffer/Koch, AktG, § 116 Rn. 2; Wirth, ZGR 2005, 327 (332). 250 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 2. 251 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 62; MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 23; Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (854); Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1501). 252 Dahingehend Lutter, DB 2009, 775 (778); Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 31; ablehnend Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 62; Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (855).

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Vorteil für die Aktiengesellschaft einsetzen können. Daraus folgt, wie schon Lutter dargelegt hat,253 dass ein hinreichendes und auf den Gesamtaufsichtsrat bezogenes Qualifikationsniveau erfordert, dass die Mitglieder jeweils Spezialwissen aus ihren Bereichen mitbringen, die zu den Kenntnissen der anderen Mitglieder komplementär sind, sich also gegenseitig ergänzen. Stets wird man Experten aus den für alle Unternehmen wichtigen Bereichen fordern müssen, also Juristen, Berufserfahrene mit Expertise aus den Bereichen Steuern, Rechnungslegung und Finanzen, zunehmend auch mit Erfahrung mit Compliance- sowie IT-Themen sowie generell (ehemalige) Geschäftsleiter bzw. Vorstände. Abhängig von der jeweiligen Branche bedarf es Spezialisten für die jeweiligen Produkte oder die entsprechenden Dienstleistungen, die vom Unternehmen auf dem Markt angeboten werden. Je weniger Branchenexpertise bei einem Teil der Aufsichtsratsmitglieder vorhanden ist, umso stärker wird bei den übrigen Kontrolleuren einschlägiges Wissen erforderlich sein. Ein allgemein verbindlicher, genauer Maßstab lässt sich damit nicht festlegen. Insbesondere darf dies nicht zu überhöhten Maßstäben führen, denn auch Personen mit geringeren Spezial- und Branchenkenntnissen können aufgrund ihrer Kontakte und Verbindungen, wegen internationaler Erfahrungen oder ihres erwiesenen Gespürs für unternehmerische Chancen einen Gewinn für das Gremium darstellen. Allerdings muss der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit das dargestellte erforderliche Qualifikationsniveau aufbringen, um die Unternehmensleitung auf Augenhöhe kontrollieren zu können. Wie jedem Vorstandsmitglied – abhängig von der Strukturierung des Unternehmens – einzelne Sparten oder Funktionsbereiche zugeordnet sind, muss die entsprechende Expertise auch auf Aufsichtsratsebene für jeden dieser Bereiche vorliegen. Nur wenn der Gesamtaufsichtsrat in der Lage ist, die Geschäfte der Gesellschaft nachzuvollziehen und die für den Ablauf des Unternehmensgeschehens wesentlichen Grundlagen und Bedingungen kennt, wird er seine Überwachungs- und Beratungsfunktion effektiv und zum Wohle der Gesellschaft ausüben können.254 V. Folgerungen für die Aufsichtsratsarbeit Ein Aufsichtsratsmitglied, das über für das Unternehmen erhebliche Spezialkenntnisse verfügt, muss diese in der Arbeit des Kontrollgremiums zum Einsatz bringen.255 Wie von der überwiegenden Meinung zu Recht vertreten, folgt daraus ein im Hinblick auf die Haftung nach § 116 S. 1 AktG erhöhter Sorgfaltsmaßstab des über Spezialkenntnisse verfügenden Aufsichtsratsmitglieds, soweit dessen Spezialgebiet betroffen ist.256 Denn diese Mitglieder werden möglicherweise gerade 253

Siehe Lutter, DB 2009, 775 (778); vgl. ferner ders., ZIP 2003, 417 (418 f.). Dahingehend auch Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (855). 255 So auch BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, AG 2011, 876 (878); Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 44; Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1505); Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (80). 256 Siehe nur BGH, AG 2011, 876 (878); MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 28; Bürgers/ Körber/Israel, AktG, § 116 Rn. 5; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 63; Spindler/Stilz/Spindler, 254

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wegen ihrer besonderen Kenntnisse in den Aufsichtsrat gewählt, weswegen sie auch dafür einzustehen haben, dass sie ihr Spezialwissen bei der Amtswahrnehmung einsetzen.257 Im Übrigen entspricht dieses Ergebnis dem allgemein anerkannten zivilrechtlichen Grundsatz, dass Sorgfaltsanforderungen wegen besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten erhöht sein können und zu Lasten des Betroffenen zu berücksichtigen sind, wenn er diese nicht nutzt.258 Ferner lässt sich aus dem Einsatz besonderer Expertise auch Wesentliches über die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat schlussfolgern. Dort wo Finanzierungs- oder Rechtsfragen angesprochen sind, müssen sich die Mitglieder mit der erforderlichen Expertise respektive Juristen besonders einbringen. Dort wo technische oder den Absatz eines Produkts betreffende Fragen von Wichtigkeit sind, sind vor allem die damit vertrauten Mitglieder gefordert. Dadurch ergibt sich ein Bild vom Aufsichtsrat, das der Aufgabenverteilung des Vorstands und damit den Sparten oder Funktionsbereichen im Unternehmen weitgehend gleicht. Für jeden dieser zu überwachenden Bereiche ist entsprechendes Spezialwissen notwendig. Entsprechend unterschiedlich ist die zeitliche Beanspruchung und Arbeitsintensität für die unterschiedlichen Aufsichtsratsmitglieder, je nachdem welches Thema gerade aktuell und im Gremium zu behandeln ist. Geht es hingegen um allgemeine unternehmenspolitische und -strategische Fragen oder um die Besetzung der Vorstandsposten, so sind dies allgemeine Themen, welche regelmäßig sämtliche Mitglieder in gleichem Maße betreffen. An dieser Stelle wird weniger spezielles Expertenwissen als vielmehr das Geschick und die Erfahrungen der Kontrolleure gefordert sein. Was die besagten Spezialkenntnisse anbelangt, gibt es zweierlei zu beachten: Zum einen können diese Kriterien nur wirksam bei den Vertretern der Anteilseignerbank berücksichtigt werden. Hier können die Aktionäre den Aufsichtsrat unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen so zusammensetzen wie sie möchten.259 Auf die Zusammensetzung der Arbeitnehmerbank können sie keinen Einfluss nehmen. Zum anderen handelt es sich bei den dargelegten Maßstäben nur um das Wünschenswerte, keinesfalls um rechtlich Bindendes, deren Missachtung die Anfechtung der Bestellung nach sich zöge. Solange die Wahl den Mindestkriterien des Hertie-Urteils des BGH sowie den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist die Entscheidung über die Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds wirksam und unanfechtbar.260 Im gegenteiligen Fall allerdings kommt nicht nur eine Anfechtung in AktG, § 116 Rn. 18; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 Rn. 10; Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten, § 13 Rn. 1011; Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (80). 257 So zu Recht Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 13 Rn. 1011; ähnlich Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 18. 258 Siehe nur BGH, Urt. v. 10.2.1987 – VI ZR 68/86, NJW 1987, 1479 (1480); Staudinger/ Caspers, § 276 BGB, Rn. 30; MüKoBGB/Grundmann, § 276 Rn. 56; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 276 Rn. 10; Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (80). 259 Vgl. Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1495). 260 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 22.

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Betracht, sondern auch ein Übernahmeverschulden nach Maßgabe der §§ 116, 93 Abs. 2 AktG des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds.261 Denn dieses kann sich nicht darauf berufen, dass es die vom Gesetz vorausgesetzten Fähigkeiten und Kenntnisse nicht besessen habe, die zur Verhinderung des schadensstiftenden Ereignisses notwendig gewesen wären.262 Fehlen ihm diese persönlichen Eigenschaften, ist es ihm auch von vornherein verwehrt, das ihm angetragenen Amt anzunehmen.

D. Gestaltung der Aufsichtsratsbesetzung durch Satzungsregelungen Die Satzung kann nach Maßgabe des § 100 Abs. 4 AktG persönliche Voraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite voraussetzen und schafft daher Regelungsmöglichkeiten für die Hauptversammlung. Diese persönlichen Anforderungen nach § 100 Abs. 4 AktG können sowohl das Anforderungsprofil der Aufsichtsratsmitglieder als auch Hinderungsgründe für eine Bestellung betreffen.263 Sie können die aktienrechtlich zwingenden persönlichen Anforderungen nur ergänzen oder verschärfen, nicht hingegen abschwächen.264 Interessanterweise sind solche Satzungsregelungen in praxi anscheinend nur in geringem Maße verbreitet.265 Für Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerseite kann die Satzung ohnehin keine persönlichen Anforderungen aufstellen, um nicht mitbestimmungsrechtliche Regelungen zu unterlaufen.266 Volle Handlungsfreiheit hat die Hauptversammlung bei zu entsendenden Aufsichtsratsmitgliedern, denn hier steht es ihr frei, überhaupt ein Entsendungsrecht einzuräumen und kann daher auch dessen Bedingungen statuieren.267 Bei zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedern dürfen hingegen statutarische Anforderungen die Auswahlfreiheit der Hauptversammlung weder unverhältnismäßig beschränken, noch dürfen sie faktisch auf ein Entsendungsrecht hinauslaufen.268 Der Hauptversammlung muss folglich eine freie Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder verbleiben.269

261

Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 22. So zu Recht Semler, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 1489 (1499). 263 Hölters/Simons, AktG, § 100 Rn. 38; MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 55. 264 Hölters/Simons, AktG, § 100 Rn. 38. 265 So Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 24; Wirth, ZGR 2005, 327 (330). 266 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 46; Hüffer/Koch, AktG, § 100 Rn. 20 f.; Hölters/Simons, AktG, § 100 Rn. 39; MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 56. 267 Hölters/Simons, AktG, § 100 Rn. 40; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 47. 268 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 36; Hölters/Simons, AktG, § 100 Rn. 40; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 47; Behme/Zickgraf, AG 2015, 841 (853). 269 Hüffer/Koch, AktG, § 100 Rn. 20. 262

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

Insbesondere möglich ist jedenfalls nach allgemeiner Ansicht die satzungsmäßige Festlegung einer besonderen fachlichen Qualifikation.270 Dies verschafft Gesellschaften die Möglichkeit, durch Satzungsbestimmungen eine Besetzung mit Fachleuten bestimmter Berufssparten zu erreichen. Dadurch wird die Auswahlfreiheit der Hauptversammlung auch nicht über Gebühr beschränkt, denn allein die Nennung fachlicher Qualifikationen in der Satzung bindet die Hauptversammlung noch nicht in der Wahl der jeweiligen Mitglieder. Auch wenn der Nominierungsausschuss vor der Wahl einen ausreichenden Pool an potenziellen Mitgliedern gesichtet und evaluiert hat, bleibt für die Hauptversammlung die Möglichkeit der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder bestehen. Ferner kann durch entsprechende Satzungsregelungen die Aufnahme von Vertretern von Konkurrenten in den Aufsichtsrat unterbunden werden.271 Inzwischen dürfte sogar allgemein anerkannt sein, dass die Bestellung von Personen, die etwa Organmitglied eines Konkurrenten oder diesem in anderer Weise zugehörig sind, durch Satzungsregelungen in zulässiger Weise unterbunden werden kann.272 Ebenso unterbindet man durch Satzungsregelungen Rechtsunsicherheit in der Beurteilung, wann bei einem Aufsichtsratsmitglied von Inkompatibilität auszugehen ist.273 Eine solche statutarische Auswahlbeschränkung nach § 100 Abs. 4 AktG ist dabei für die Vertreter der Anteilseignerseite wiederum ohne Weiteres möglich. Sie darf aber, wie schon dargelegt, den Kreis der wählbaren Personen nicht unangemessen beschränken und damit die Auswahlmöglichkeit der Hauptversammlung de facto beseitigen.274 Diese Gefahr wird jedoch üblicherweise zu vernachlässigen sein, denn eine solche Klausel wird regelmäßig nur einen verhältnismäßig kleinen Kreis an Personen, die mit Wettbewerbern verbunden sind, betreffen.275 Satzungsregelungen können daher sowohl als Mittel zur Sicherung des Qualifikationsniveaus im Aufsichtsrat als auch zur Vermeidung von Interessenkonflikten dienen.

270 So Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 36; Hölters/Simons, AktG, § 100 Rn. 41; MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 58; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 47; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 24. 271 Vgl. Wirth, ZGR 2005, 327 (346 f.); Langenbucher, ZGR 2007, 571 (587); Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG (4. Aufl.), § 100 Rn. 83. 272 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 100 Rn. 46; MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 58; Spindler/ Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rn. 47; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (248 ff.); Wirth, ZGR 2005, 327 (346 f.); Dreher, JZ 1990, 896 (904). In BGH, Urt. v. 21.2.1963 – II ZR 76/62, BGHZ 39, 116 ff. wurde eine derartige satzungsmäßige Beschränkung allein deshalb verworfen, weil sie unterschiedslos Geltung für Anteilseigner- als auch Arbeitnehmervertreter beanspruchte. 273 Dies befürchtend Schneider, BB 1995, 365 (369). 274 Siehe auch MüKoAktG/Habersack, § 100 Rn. 58; KK/Mertens/Cahn, § 100 Rn. 46. 275 So auch schon Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (251).

§ 12 Die effiziente Organisation des Aufsichtsrats

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§ 12 Die effiziente Organisation des Aufsichtsrats Höhere Sitzungsfrequenzen, eine stärkere Involvierung in unternehmerische Entscheidungen sowie eine höhere Kontrolldichte und Überwachungsintensität zwingen Aufsichtsräte zu einer erheblichen Effektuierung ihrer Tätigkeit.276 Mit diesen Entwicklungen entfernt sich das Aufsichtsratsmandat immer mehr von dem gesetzlichen Leitbild eines „Nebenamtes“.277 Im Rahmen der gesetzlichen und statutarischen Vorgaben ist der Aufsichtsrat zudem zur näheren Ausgestaltung seiner Organisation berechtigt und, soweit organisatorische Maßnahmen zur sachgerechten Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind, auch verpflichtet.278 Dies greift auch Ziff. 5.6 DCGK auf, der vom Aufsichtsrat verlangt, dass dieser regelmäßig die Effizienz seiner Tätigkeit überprüft, denn schließlich geht es bei der Effizienzprüfung vorrangig um Organisation und Verfahrensabläufe.279 § 107 AktG regelt die innere Ordnung des Aufsichtsrats bewusst unvollständig, um Spielraum für die Satzungsautonomie und die Geschäftsordnung zu lassen.280 Es bleibt dem Aufsichtsrat daher unbenommen, spezielle Aufgabenbereiche einzelnen Mitgliedern je nach Kenntnissen und Fähigkeiten zuzuweisen.281 Dies schließt unmittelbar an die zuvor vertretene Meinung an, wonach Aufsichtsratsposten vornehmlich nach Expertise besetzt werden sollten. Wird dies in der Praxis umgesetzt, erleichtert das die Arbeit des Gremiums, denn den fachkundigen Spezialisten kann leichter ein Arbeitsbereich überantwortet werden als Fachnovizen. In den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt ist seit längerer Zeit allerdings die Aufgabendelegation an Aufsichtsratsausschüsse, die § 107 Abs. 3 AktG ausdrücklich ermöglicht. Die folgende Darstellung zeigt daher zunächst die wesentlichen Facetten der Bildung von Ausschüssen sowie die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Ausschüsse auf. Im Anschluss daran wird, aufbauend auf den bereits gewonnenen Erkenntnissen zum Qualifikationsniveau von Aufsichtsräten, die Frage der Besetzung von Ausschüssen beleuchtet.

A. Ausschussbildung Zweck der Einrichtung von Ausschüssen ist es, das Plenum zu entlasten und für eine effizientere Erledigung der Arbeit des Aufsichtsrats zu sorgen.282 Ebenso steht hier erneut der Aspekt im Vordergrund, dass möglichst fachkundige Mitglieder sich intensiver und effizienter den ihnen übertragenen Aufgaben widmen können, als dies 276 277 278 279 280 281 282

Vgl. Börsig/Löbbe, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 125 (143). Börsig/Löbbe, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 125 (144). Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 654. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 655. Vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 1 ff. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 654. Vgl. MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 1.

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dem gesamten Gremium möglich wäre.283 Die Einrichtung von Ausschüssen bietet sich daher vor allem bei Gesellschaften an, welche über einen großen Aufsichtsrat verfügen und durch Ausschüsse eine leichtere Abarbeitung der anfallenden, insbesondere komplexeren Aufgaben erreichen können.284 Ziff. 5.3.1 DCGK fordert daher, dass der Aufsichtsrat abhängig von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens und der Anzahl seiner Mitglieder fachlich qualifizierte Ausschüsse bilden soll. Ist eine Erledigung der Aufgaben ohne Einrichtung von Ausschüssen schlechterdings nicht durchführbar, wird man den Gesamtaufsichtsrat sogar als zur Einrichtung von Ausschüssen verpflichtet ansehen müssen.285 Allein für mitbestimmte Gesellschaften ist in jedem Fall die Bildung eines Vermittlungsausschusses nach § 27 Abs. 3 MitbestG vorgeschrieben. Dieser ständige Ausschuss muss vom Aufsichtsrat unmittelbar nach der Wahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters gebildet werden und hat bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern die Vermittlungsaufgabe nach § 31 Abs. 3 S. 1 MitbestG.286 Generell eröffnet § 107 Abs. 3 S. 1 AktG dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse zu bestellen, namentlich, um seine Verhandlungen und Beschlüsse vorzubereiten oder die Ausführung seiner Beschlüsse zu überwachen. Unterschieden werden in Anlehnung an § 107 Abs. 3 S. 1 AktG Ausschüsse, die Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats vorzubereiten haben (vorbereitende Ausschüsse), welche die Ausführung der Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrats überwachen müssen (überwachende Ausschüsse) oder die bestimmte Angelegenheiten anstelle des Gesamtaufsichtsrats zu entscheiden haben (entscheidende Ausschüsse).287 Unzulässig ist in jedem Fall die Delegation von Entscheidung über besonders wichtige Aufgaben, die zwingend dem Plenum vorbehalten sind.288 Die zentralen Entscheidungen, die nicht übertragen werden können, ergeben sich aus § 107 Abs. 3 S. 4 AktG.289 Ferner darf nur der Gesamtaufsichtsrat über seine Selbstorganisation und Arbeitsweise entscheiden, wie über den Erlass der Geschäftsordnung sowie die Entscheidung über Bildung, Auflösung und Besetzung von Ausschüssen. Ebenso sind die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters als auch deren Abberufung ausschließlich Sache des Plenums.290 Ein allgemeines Verbot der Übertragung wichtiger Entscheidungen auf einen Ausschuss

283

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 743. Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 93. 285 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 743 sowie Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 109, die bei größeren Gesellschaften generell von einer Pflicht zur Einrichtung von Ausschüssen ausgehen. 286 Siehe hierzu Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 789 ff. 287 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 743. 288 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 744. 289 Siehe hierzu bereits 2. Kapitel § 9 und § 10. 290 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 41; MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 148; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 744. 284

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gibt es aber nicht.291 Das Delegationsverbot des § 107 Abs. 3 S. 4 AktG gilt auch nicht für Ausschüsse, welche Beschlüsse lediglich vorbereiten oder ausführen, oder die Ausführung überwachen.292 Auch die ungeschriebenen Übertragungsverbote schaffen hier keine Schranken.293 Unzulässig ist es hingegen im Rahmen der Arbeit von überwachenden Ausschüssen, dass der Aufsichtsrat seine allgemeine Überwachungsaufgabe weitgehend oder ausschließlich auf einen Ausschuss verlagert.294 Der Gesamtaufsichtsrat kann aber einen Ausschuss damit beauftragen, einzelne Bereiche der Geschäftsführung oder Geschäftsführungsmaßnahmen intensiver zu überwachen.295

B. Ausschussarten Von der Möglichkeit der Einrichtung von Ausschüssen wird in der Praxis in zunehmendem Umfang reger Gebrauch gemacht. Bei den fakultativ einzurichtenden Ausschüssen sind Aufsichtsratspräsidien, Personalausschüsse, Nominierungsausschüsse und Prüfungsausschüsse (Audit Committee) besonders verbreitet, aber auch Finanz- und Investitionsausschüsse finden sich zunehmend wieder.296 I. Personalausschuss Aufgabe des am meisten verbreiteten Personalausschusses ist die Vorbereitung von Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, insbesondere die Bestellung von Vorstandsmitgliedern und die Ausgestaltung von Anstellungsverträgen.297 Gleichermaßen wie bei Vergütungsfragen können hier nur Entscheidungen vorbereitet, aber nicht endgültig getroffen werden. Dies obliegt dem Gesamtaufsichtsrat.298 Entscheidungskompetenz kann dem Personalausschuss aber für die Einwilligung zu anderen Tätigkeiten eines Vorstandsmitglieds (§ 88 AktG), für die Zustimmung zur Gewährung von Darlehen nach §§ 89, 115 AktG an die dort genannten Personen, insbesondere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, sowie für die Zustimmung zu Verträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern nach § 114 AktG eingeräumt werden.299 291

Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 41; MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 146; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 744. 292 MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 159; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rn. 91. 293 MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 159. 294 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 746. 295 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 746; MünchHdbGesR/ Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 3. 296 Vgl. MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 2; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 746 ff.; Huthmacher, Pflichten und Haftung, S. 109. 297 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 750. 298 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 10, 13; siehe bereits 2. Kapitel § 9 B. III. 299 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 13.

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II. Aufsichtsratspräsidium Das Aufgabenspektrum des Aufsichtsratspräsidiums ist vielseitig. Häufig sind Präsidien als Personalausschuss tätig, daneben auch für Finanzierungs- und investitionspolitische Fragen zuständig, ferner für eilige und besonders vertrauliche Angelegenheiten.300 Kernfunktionen des Aufsichtsratspräsidiums sind aber jedenfalls der kontinuierliche Kontakt und die Beratung mit dem Vorstand und die Koordination der Aufsichtsratsarbeit und die Mitwirkung bei den Sitzungsvorbereitungen.301 Damit übernimmt das Präsidium Aufgaben, die sonst eigentlich vom Aufsichtsratsvorsitzenden zu erfüllen wären.302 Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, sein Stellvertreter und etwaige weitere Stellvertreter sind die „geborenen“ Präsidiumsmitglieder.303 Ohne sie kann das Präsidium nicht gebildet werden. III. Nominierungsausschuss Nach Ziff. 5.3.3 DCGK soll der Aufsichtsrat einen ausschließlich mit Anteilseignervertretern besetzten Nominierungsausschuss bilden, der dem Aufsichtsrat geeignete Kandidaten für dessen Vorschlag an die Hauptversammlung zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern benennt. Es handelt sich dabei um einen vorbereitenden Ausschuss.304 Aufgabe des Nominierungsausschusses ist es deshalb, ein Anforderungsprofil für die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zu entwickeln, von Zeit zu Zeit bei Veränderung der Unternehmensstruktur gegebenenfalls anzupassen und auf dieser Basis die Wahlvorschläge für das Plenum vorzubereiten.305 Aufgabe des Nominierungsausschusses kann es auch sein, das nationale und internationale Umfeld dahingehend zu untersuchen, welche Persönlichkeiten als mögliche Anteilseignervertreter zur Verfügung stehen.306 Die vorstehende Besetzungsempfehlung entspricht dem Gedanken des § 124 Abs. 3 S. 5 AktG, denn der Nominierungsausschuss befasst sich nur mit den durch die Hauptversammlung zu wählenden Anteilseignervertretern.307

300

Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 751; MünchHdbGesR/HoffmannBecking, § 32 Rn. 17. 301 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 751. 302 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 15. 303 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 752; MünchHdbGesR/HoffmannBecking, § 32 Rn. 16. 304 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 758. 305 Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1311 (zu Ziff. 5.3.3 DCGK); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 758. 306 So Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1311 (zu Ziff. 5.3.3 DCGK). 307 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 109.

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IV. Prüfungsausschuss Der Prüfungsausschuss geht auf das Audit Committee aus dem US-amerikanischen und englischen Recht zurück.308 Seit dem BilMoG309 ist der Prüfungsausschuss in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG gesetzlich hervorgehoben.310 Danach kann der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss bestellen, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung, hier insbesondere der Auswahl und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen, befasst. Nach § 107 Abs. 3 S. 3 AktG kann der Prüfungsausschuss ferner Empfehlungen oder Vorschläge zur Gewährleistung der Integrität des Rechnungslegungsprozesses unterbreiten. Bei u. a. kapitalmarktorientierten Gesellschaften bestimmt § 124 Abs. 3 S. 2 AktG, dass der Vorschlag des Aufsichtsrats zur Wahl des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen ist. Kernaufgabe des Prüfungsausschusses ist jedenfalls die Vorbereitung der dem Gesamtaufsichtsrat obliegenden Prüfung und Entscheidung über die Billigung von Jahresund Konzernabschluss und die Behandlung von Halbjahres- und Quartalsfinanzberichten.311 Ferner beinhaltet die in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genannte Überwachung des Rechnungslegungsprozesses eine Systemprüfung des Prozesses der Ableitung der Zahlen und Angaben des Jahresabschlusses.312 Der Prüfungsausschuss kann sich damit im Regelfall auf die Arbeit des Abschlussprüfers stützen und muss nur bei konkreten Anhaltspunkten oder Hinweisen des Abschlussprüfers weitergehend tätig werden.313 Die Überwachung der Wirksamkeit des Risikomanagementsystems und der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems umfasst diese Systeme mit Rücksicht auf den Rechnungslegungsprozess als auch auf die übrigen Abläufe im Unternehmen.314 Der Prüfungsausschuss muss also auch prüfen, ob die bestehende Organisation im Unternehmen den Anforderungen an die Eignung und Angemessenheit eines internen Kontrollsystems genügt.315 Die Überwachung der Wirksamkeit des internen Revisionssystems als auch – sofern sie beim Prüfungsausschuss und nicht bei einem eigens eingerichteten Ausschuss stattfindet – die Prüfung des ComplianceSystems sind ebenso Systemprüfungen.316 Aufgabe des Ausschusses ist es daher, 308

MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 113; vgl. Altmeppen, ZGR 2004, S. 390 ff. Siehe oben Einführung, Fn. 30. 310 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 753. 311 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 754; MünchHdbGesR/HoffmannBecking, § 32 Rn. 23. 312 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 756. 313 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 24. 314 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 756. 315 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 25; MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 115. 316 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 756; vgl. MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 27. 309

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nicht selbst eine interne Revision und die Überwachung der Mitarbeiter vorzunehmen, sondern die vom Vorstand eingerichteten Systeme zu prüfen.317 Stellt der Prüfungsausschuss bei einem der ihm übertragenen Überwachungsgegenstände Defizite fest, muss er den Gesamtaufsichtsrat darüber informieren.318 V. Finanz- und Investitionsausschuss Finanzausschüsse befassen sich zumeist mit der Finanzplanung des Unternehmens sowie Kreditaufnahmen und sonstigen Finanzierungsinstrumenten.319 Der Investitionsausschuss, der häufig mit dem Finanzausschuss zusammengelegt ist, hat hingegen die Beratung oder Entscheidung über zustimmungspflichtige Investitionen zur Aufgabe.320 VI. Ad hoc-Ausschuss Sondersituationen wie Unternehmenskrisen oder Übernahmeverfahren nach dem WpÜG sowie große Projektvorhaben wie Investitionen und Akquisitionen führen in der Praxis gelegentlich zur Bildung von Ad hoc-Ausschüssen zur Wahrnehmung solcher zeitlich beschränkten Aufgaben.321 Welche Aufgaben dieser Ausschuss hat, muss der Aufsichtsrat vor seiner Einsetzung, ebenso wie bei allen anderen Ausschüssen, ausdrücklich regeln. Dies kann etwa nur die Vorbereitung bestimmter Entscheidungen oder die Aufklärung eines Sachverhalts als auch die Einräumung des Beschlussrechts beinhalten, was etwa in den Fällen der Erteilung der Zustimmung bei einem Vorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zulässig ist;322 ebenso ist die Betrauung allein mit Überwachungsaufgaben denkbar.323 Insbesondere in Übernahmesituationen ist es möglich, diesem Ausschuss allein die Vorbereitung von Maßnahmen des Aufsichtsrats wie die Vorbereitung der Stellungnahme nach § 27 WpÜG zu übertragen.324 Gehören dem Gesamtaufsichtsrat auch Angehörige der Bietergesellschaft an, kann das Übernahmeangebot in einem Ad hoc-Ausschuss ohne deren Beisein vertraulich und von diesen unbeeinflusst diskutiert und bewerten werden.

317

Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 756. MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 118. 319 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 2. 320 Vgl. MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 2; MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 124. 321 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 128; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 34; Hasselbach/Seibel, AG 2012, S. 114 f. 322 Vgl. hierzu 2. Kapitel § 9 B. III. 323 Hasselbach/Seibel, AG 2012, 114 (116). 324 Hasselbach/Seibel, AG 2012, 114 (116). 318

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C. Ausschussbesetzung und Auswahl geeigneter Ausschussmitglieder Für Ausschüsse ohne Beschlusskompetenz genügen zwei Mitglieder, erledigende (auch überwachende, soweit sie abschließend tätig sind) sowie beschließende Ausschüsse bedürfen hingegen mindestens dreier Mitglieder, was sich bereits aus § 108 Abs. 2 S. 3 AktG ergibt, der durch die Bildung von Ausschüssen nicht unterlaufen werden darf.325 Nach Maßgabe von § 107 Abs. 3 S. 1 AktG sind die Ausschussmitglieder in jedem Fall aus der Mitte des Aufsichtsrats zu wählen. Bei der Ausschussbesetzung muss sich das Plenum an den Aufgaben des Ausschusses sowie an Qualifikation, Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen sowie der zeitlichen Verfügbarkeit der zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder orientieren.326 Denn Zweck jeder Ausschussbildung ist, wie Dreher zu Recht anmerkt, eine „intensivere und effektivere Aufsichtsratsarbeit zu ermöglichen.“327 Der BGH hatte hierzu ebenso entschieden, dass dem Aufsichtsrat die Prüfung obliegt, „welche Personen aus seiner Mitte ihm aus sachlichen Gründen jeweils besonders dazu berufen erscheinen, in einem solchen Ausschuß mitzuwirken.“328 Hieraus ergeben sich Konsequenzen für das Auswahlermessen des Plenums aber auch für ein etwaiges Übernahmeverschulden der Ausschussmitglieder.329 I. Prüfungsausschuss Allein für den Prüfungsausschuss einer Gesellschaft von öffentlichem Interesse schreibt § 107 Abs. 4 AktG vor, dass mindestens ein Ausschussmitglied die Kriterien des § 100 Abs. 5 AktG erfüllt, der Prüfungsausschuss also mit einem unabhängigen Finanzexperten besetzt ist.330 Darüber hinausgehend wird man aber für den Prüfungsausschuss jedweder Gesellschaft fordern müssen, dass alle Mitglieder über ein hinreichendes Mindestmaß an einschlägigem Fachwissen verfügen.331 Andernfalls könnten die Überwachung des Abschlussprüfers und die Beurteilung des Jahresabschlusses kaum in befriedigendem Maße durchgeführt werden.332 Daher sollte sich der Prüfungsausschuss, wie Kremer zu Recht anmerkt, idealerweise aus besonders

325 MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 136; vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 46; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rn. 98. 326 Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 28 Rn. 17; Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (87); vgl. MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 39; MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 137; Hasselbach/Seibel, AG 2012, 114 (118). 327 Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (87). 328 BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 (115); vgl. Dreher, in: Ebenroth/ Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (87). 329 Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (91). 330 Vgl. Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 84. 331 Dahingehend auch Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1301 (zu Ziff. 5.3.2 DCGK). 332 Vgl. Altmeppen, ZGR 2004, 390 (410).

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fähigen und erfahrenen Kennern der Rechnungslegungsregeln und -praxis und möglichst auch aus Personen der einschlägigen Branchen zusammensetzen.333 II. Weitere Ausschüsse Für alle übrigen Ausschüsse ist in jedem Fall eine genaue Evaluierung erforderlich, welche Qualifikation der einzurichtende Ausschuss voraussetzt.334 Eine einheitliche Richtschnur kann hier nicht vorgegeben werden, sondern es muss je nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden, welche Aufsichtsratsmitglieder für die Mitarbeit in den jeweiligen Ausschüssen geeignet sind. Qualifikationsvoraussetzungen sind daher nach den Aufgaben der einzelnen Ausschüsse zu bestimmen.335 Ausschüsse, die etwa hauptsächlich juristische oder Fragen der Finanzierung bearbeiten, die üblicherweise eine bestimmte Berufsausbildung und -qualifikation voraussetzen, verlangen nach der bevorzugten Wahl entsprechend vorgebildeter Aufsichtsratsmitglieder.336 Sind die bereits benannten Kriterien337 bei der Auswahl des Aufsichtsratsplenums durch die Hauptversammlung beachtet worden, steht auch ein ausreichender Pool an qualifizierten Mitgliedern zur Verfügung. Falsch wäre es indes, bei vorbereitenden Ausschüssen geringere Anforderungen an die Qualifikation als bei beschließenden Ausschüssen zu stellen, nur weil bei ersteren die Beschlusszuständigkeit beim Plenum verbleibt.338 Bereits die Vorbereitung der Beschlussvorlage und die Sondierung und Evaluierung der vorliegenden Berichte und Informationen setzt voraus, dass die Mitglieder des beauftragten Ausschusses mit der jeweiligen Sachmaterie vertraut sind. Für den Personalausschuss hatte der BGH in einem anderen Zusammenhang entschieden, dass die Notwendigkeit von Spezialkenntnissen in Anbetracht der dem Personalausschuss gestellten Aufgabe eher geringeres Gewicht als bei anderen Ausschüssen mit speziellerer Aufgabenstellung hat.339 Das allerdings kann man bezweifeln, vergegenwärtigt man sich, dass manche Aufsichtsratsmitglieder für die Mitarbeit im Personalausschuss aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungswerte und Kenntnisse in der Auswahl und Gewinnung von Personal geeigneter sein können.340 Allerdings lässt sich hieraus zumindest die Erkenntnis gewinnen, dass sich eine Unterscheidung zwischen Ausschüssen mit allgemeineren Themen und solchen mit spezielleren Aufgaben, welche besondere Fähigkeiten voraussetzen, anbietet.341 Zu den allgemeinen Ausschüssen gehören 333 334 335 336 337 338 339 340 341

Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1303 (zu Ziff. 5.3.2 DCGK). So zu Recht Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (88). Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (89). Dahingehend auch Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (91). Siehe 3. Kapitel § 11 C. So aber Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (89). BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342. So zu Recht Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (90). So auch Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (90).

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dann sicher das Aufsichtsratspräsidium sowie die Personal- und Nominierungsausschüsse, zu den letzteren der Prüfungsausschuss und Finanz- und Investitionsausschüsse. Bei einem Ad hoc-Ausschuss wird man hingegen nach der jeweils zu bearbeitenden Aufgabe unterscheiden müssen. III. Beteiligung der Arbeitnehmervertreter Im Rahmen der Besetzung der fakultativen Ausschüsse ist weitgehend anerkannt, dass sich aus den Regeln zur unternehmerischen Mitbestimmung kein Gebot der paritätischen Zusammensetzung respektive der Drittelbeteiligung in Ausschüssen ableiten lässt.342 Für das MitbestG hatte der BGH entschieden, dass dieses nicht auf Bildung, Zusammensetzung und Organisation von fakultativen Ausschüssen anwendbar ist.343 Werden daher Ausschüsse unter Ausübung des Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden im Anwendungsbereich des MitbestG ausschließlich mit Anteilseignervertretern besetzt, kann so die gesetzliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer in erheblichem Umfang ausgeschaltet werden.344 Laut dem BGH umfasst jedoch die in § 25 Abs. 1 MitbestG enthaltene Verweisung auf das Aktienrecht auch die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit der Gesellschaft hinsichtlich Organisation und Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen nach ihrem Ermessen und ihren Bedürfnissen.345 Damit hat der BGH den Meinungen eine Absage erteilt, die sich entweder dafür aussprachen, dass Ausschüsse im Grundsatz paritätisch zu besetzen seien oder in jeden Ausschuss wenigstens ein Vertreter der Arbeitnehmerseite berufen werden müsse.346 Die nichtparitätische Zusammensetzung ist aber nur dann zulässig, wenn es hierfür eine sachliche Rechtfertigung gibt, etwa im Hinblick auf die erforderliche fachliche Qualifikation der Ausschussmitglieder.347 Der BGH hatte in dem völligen Ausschluss der Arbeitnehmervertreter von einem beschließenden Personalausschuss wenigstens dann eine missbräuchliche Diskriminierung gesehen, wenn dafür im Einzelfall nicht erhebliche sachliche Gründe vorhanden sind, also der vorgeschlagene Arbeitnehmervertreter aus „konkreten sachlichen oder persönlichen Gründen für eine Mitarbeit in diesem Ausschuß ungeeignet oder mindergeeignet“ ist.348 Im Übrigen hatte das Gericht diese Streitfrage jedoch offengelassen.349

342 Siehe nur MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 140, 143; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG, Rn. 126; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 32 Rn. 39 f. 343 BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144 (148). 344 BGHZ 122, 342 (355). 345 BGHZ 122, 342 (357). 346 Vgl. BGHZ 122, 342 (355). 347 So die inzwischen ganz h. L., vgl. nur MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 140; Ulmer/ Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG, Rn. 127; Hüffer/Koch, AktG, § 107 Rn. 31. 348 So BGHZ 122, 342 (361).

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3. Kap.: Verantwortung des Aufsichtsrats in eigenen Angelegenheiten

Daraus lässt sich zunächst die zutreffende Schlussfolgerung ableiten, dass eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmervertretern und Anteilseignervertretern bei der Ausschussbesetzung wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder nicht erfolgen darf.350 Das Urteil des BGH lässt aber auch erkennen, dass sämtliche Mitglieder über eine ausreichende Qualifikation zur Ausübung ihres Mandats im Ausschuss verfügen müssen. Genügen Arbeitnehmervertreter diesem Maßstab nicht, können sie in sachlich gerechtfertigter Weise von der Mitarbeit ausgeschlossen werden. Dies muss aber wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder auch für Anteilseignervertreter gelten. Sind diese für die anstehenden Aufgaben nicht geeignet, dürfen sie in den Ausschuss ebenso wenig wie ungeeignete Arbeitnehmervertreter gewählt werden. Anteilseignervertreter genießen also keine Privilegierung gegenüber der Arbeitnehmerbank. Damit ist die Judikatur des BGH strenggenommen als Verpflichtung des Aufsichtsrats zu verstehen, nur geeignete Mitglieder für die jeweiligen Ausschüsse zu wählen. Bemüht sich die Hauptversammlung allerdings, qualifizierte Mitglieder in den Aufsichtsrat zu wählen, dürften zumindest auf Seiten der Anteilseignervertreter keine Qualifikationsdefizite zu erwarten sein und diese bei weniger befähigten Arbeitnehmervertretern zulässigerweise bei der Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen bevorzugt werden können.

D. Aufsichtsratsorganisation durch Satzung und Geschäftsordnung Die gesetzlichen Regelungen lassen Raum für ergänzende oder abweichende Regelungen über die Organisation der Aufsichtsratsarbeit.351 Satzungsregelungen binden zwar den Aufsichtsrat, sie dürfen aber auch nicht sämtliche Aspekte seiner Arbeit regeln, denn insbesondere über die Frage der Aufgabendelegation auf Ausschüsse darf allein der Aufsichtsrat entscheiden.352 Dies wird der Aufsichtsrat sinnvollerweise in einer eigenen Geschäftsordnung regeln und dadurch die anfallenden Aufgaben auf Ausschüsse oder einzelne, besonders befähigte Aufsichtsratsmitglieder verteilen.353

349 BGHZ 122, 342 (358); so auch OLG München, Urt. v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94, AG 1995, 466 (467). 350 So zu Recht Dreher, in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS Boujong, 71 (92). 351 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 652. 352 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 652. 353 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 652 ff.

4. Kapitel

Handlungsfelder und Handlungsoptionen Die vorherigen Kapitel befassen sich – von konkreten Fallgestaltungen weitgehend unabhängig – mit den Aufgaben und den verschiedenen Dimensionen der Verantwortung des Aufsichtsrats. Gegenstand dieses Kapitels ist hingegen die Herausarbeitung der Beziehungsgeflechte des Aufsichtsrats zu den Aktionären und zum Vorstand, der damit verbundenen Herausforderungen sowie der dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen. Aufgrund der Vielzahl von denkbaren Problemsituationen kann hier nur auf einige besonders virulente und aktuelle Fragestellungen eingegangen werden.1 Von Interesse wird dabei insbesondere sein, wie sich die in den vorherigen Kapiteln dargestellten Aufsichtsratsfunktionen und die hier vertretene Auffassung einer aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime auf die Interaktion des Kontrollgremiums mit den Aktionären und dem Vorstand auswirken. Dabei ist bedeutsam, dass sich zwar alle Organe nach der hier vertretenen Ansicht stets an dem Konzept der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime orientieren müssen und dennoch nicht selten Differenzen zwischen Aufsichtsrat, Aktionären bzw. Hauptversammlung und Vorstand in Bezug auf die Verfolgung der „richtigen“ Unternehmensstrategie bestehen. Betrachtet man die Verantwortung des Aufsichtsrats, wie in dieser Arbeit vertreten, als unternehmerisch, ist es etwa – um ein Beispiel zu nennen – unumgänglich, dass der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand insbesondere zu Finanzierungs- und Investitionsfragen Stellung bezieht und generell die Risikoträchtigkeit von Geschäften überwacht. Mitunter werden auch die Möglichkeiten des Aufsichtsrats bei der Kapitalmarktkommunikation sowie seine Rolle im Umgang mit bestimmten Aktionären von Interesse sein.

§ 13 Aktionäre Der Aufsichtsrat soll sicherstellen, dass die Interessen der Aktionäre gegenüber dem Vorstand angemessen vertreten werden.2 Gleichwohl sind die Zeiten, in denen sich Aktionäre mit einer eher passiven Rolle begnügten, also die Phasen der „strong

1

Vgl. auch Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 257. Vgl. Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (726). Dabei geht es im Grunde um nichts anderes als die Behandlung des Prinzipal-Agenten-Konflikts. 2

354

4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

managers and weak owners“, passé.3 Aktionäre aller Art, nicht nur Hedgefonds, sondern zunehmend auch die einstmals eher passiven institutionellen Investoren, nehmen ihre Anteilseignerstellung in immer stärkerem Maße aktiv wahr.4 Als institutionelle Investoren gelten dabei spezialisierte Finanzinstitutionen, die Kapital von einer Vielzahl von Anlegern in deren Auftrag mit dem Ziel der Renditemaximierung gebündelt anlegen.5 Dies sind insbesondere Versicherungen, Vermögensverwalter, Investment- und Pensionsfonds, Private Equity-Firmen, Banken, Hedgefonds, Dachfonds und Staatsfonds. Im Gegensatz zu Anteilseignern mit operativ strategischem Interesse sind institutionelle Investoren weder auf denselben Märkten wie ihre Portfoliounternehmen tätig noch diesen in der Wertschöpfungskette voroder nachgelagert.6 Insbesondere im Hinblick auf Gewinnverwendung und Kapitalmaßnahmen verlangen solche Aktionäre Mitspracherechte. Hinzu kommt, dass große Finanzinvestoren immer stärker in das Vakuum vorgedrungen sind, das nach der Entflechtung der „Deutschland AG“ entstanden war.7 Gerade angelsächsische Anlagegesellschaften verfolgen dabei eine deutlich aktivere Aktionärspolitik als hiesige Fonds- oder Versicherungsgesellschaften. Bei Zweifeln am Unternehmenserfolg werden nicht mehr nur die Anteile an der Gesellschaft verkauft, sondern es wird versucht, aktiv auf die Unternehmensleitung Einfluss zu üben.8 Dieses Phänomen des Aktionärsaktivismus (Shareholder Activism) wird durch die zunehmende Bedeutung von Stimmrechtsberatern (Proxy Advisors) weiter verstärkt, welche vor Hauptversammlungen Tagesordnungen und Geschäftspolitiken, aber auch die Vorschläge zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder analysieren und Beschlussempfehlungen veröffentlichen.9 Der folgende Abschnitt befasst sich damit, wie sich die Zusammensetzung und das Verhalten der Aktionäre börsennotierter deutscher Aktiengesellschaften geändert haben, wie sich Aktionärsaktivismus gegenwärtig äußert, ob der Aufsichtsrat angesichts dieser Herausforderungen in direkten Kontakt mit Aktionären und Investoren treten darf und wie er sich dabei verhalten sollte, ferner welche Handlungsmöglichkeiten bei einem den Gesellschaftsinteressen abträglichen Aktionärsaktivismus auf Seiten der AG bestehen und wie sich der Aufsichtsrat dabei einbringen sollte.

3

Schaefer, NZG 2007, S. 900; Schneider, ZGR 2012, 518 (520 f.). Vgl. Dimeg/Asmussen/Mentré, BOARD 2017, 92 (93). 5 Siehe Monopolkommission, Wettbewerb 2016 – XXI. Hauptgutachten v. 20.9.2016, S. 223, abrufbar unter: http://www.monopolkommission.de/images/HG21/HGXXI_Gesamt. pdf. 6 Monopolkommission, Wettbewerb 2016 – XXI. Hauptgutachten (Fn. 5), S. 227. 7 Schaefer, NZG 2007, S. 900; Dimeg/Asmussen/Mentré, BOARD 2017, 92 (93). 8 Schneider, ZGR 2012, 518 (521). 9 Bunz, NZG 2014, S. 1049. 4

§ 13 Aktionäre

355

A. Verbreiterung der Aktionärsbasis und gewandeltes Aktionärsverhalten Das Ende der Überkreuzbeteiligungen der sog. Deutschland AG hat die Basis der Aktionäre verbreitert.10 Inzwischen sind an deutschen börsennotierten Unternehmen größtenteils institutionelle, zumeist ausländische Investoren beteiligt. Das von institutionellen Investoren verwaltete Vermögen betrug im Jahr 2014 weltweit über 85 Billionen US-Dollar.11 In den Jahren 2015 und 2016 hielten institutionelle Investoren über 60 Prozent der Aktien an den im DAX gelisteten Unternehmen.12 Nach der Studie einer großen Beratungsgesellschaft waren institutionelle Investoren im Jahr 2014 sogar mit 64 Prozent an den im DAX gelisteten Unternehmen beteiligt, strategische Investoren und private Anleger hielten hingegen jeweils nur 13 Prozent.13 Danach sind bei Unternehmen wie etwa der Linde AG und der Bayer AG sogar 95 bzw. 88 Prozent der Aktien in den Händen institutioneller Investoren, bei der Volkswagen AG und bei der BMW AG aufgrund unterschiedlicher Eigentümerstruktur hingegen nur 44 bzw. 36 Prozent. Überwiegend halten (diversifizierte) institutionelle Investoren jedoch nur kleinere Minderheitsbeteiligungen an einer Vielzahl von Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen.14 Befinden sich 10

Dimeg/Asmussen/Mentré, BOARD 2017, 92 (93). Monopolkommission, Wettbewerb 2016 – XXI. Hauptgutachten (Fn. 5), S. 223. 12 Deutscher Investor Relations Verband/IPREO, Investoren der Deutschland AG 4.0, S. 7, abrufbar unter: https://www.dirk.org/dirk_webseite/static/uploads/170612_Die-Investoren-derDeutschland-AG-4-0_DAX-Studie-2016-Ipreo_DIRK.pdf; Monopolkommission, Wettbewerb 2016 – XXI. Hauptgutachten (Fn. 5), S. 223. 13 Siehe Ernst & Young, Wem gehört der DAX? Analyse der Aktionärsstruktur der DAXUnternehmen 2014, S. 14 f., abrufbar unter: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EYWem-gehoert-der-DAX-2015/$FILE/EY-Wem-gehoert-der-DAX-2015.pdf. 14 Aufgrund des Umstandes, dass dieselben Investoren in verschiedenen Wirtschaftsbereichen Anteile an mehreren Wettbewerbern halten, wird das Interesse der Investoren an der Gesamtmarktrendite jenes an der individuellen Unternehmensperformance häufig überwiegen (siehe Monopolkommission, Wettbewerb 2016 – XXI. Hauptgutachten (Fn. 5), S. 222 und 227). Gerade Indexfonds, welche die Zusammensetzung von Aktienindizes wie den DAX lediglich nachbilden und Aktien allein kaufen und verkaufen, um die schwankenden Marktwerte der Unternehmen zum Zwecke der Portfolioanpassung abzubilden, stehen daher im Verdacht, den Wettbewerb zwischen den Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, zu hemmen (siehe hierzu den Pressebericht „Wie Blackrock & Co Unternehmen beeinflussen“ (FAZ.NET v. 22.11.2016, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/blackrock-index fonds-sind-gefaehrlich-fuer-maerkte-unternehmen-14531944.html)). Den Interessen diversifizierter Investoren würde ein intensiver Wettbewerb zwischen solchen Portfoliounternehmen, die auf demselben Markt tätig sind, möglicherweise zuwiderlaufen, da Preise und Gewinnmargen der Unternehmen vermutlich sänken. Abhängig von der tatsächlich gegebenen Möglichkeit der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung birgt die Kumulation von Anteilen mehrere Wettbewerber desselben Marktes in den Händen eines Aktionärs die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung (siehe Monopolkommission, Wettbewerb 2016 – XXI. Hauptgutachten (Fn. 5), S. 228 ff.). Wenn sogar die Anteile aller Unternehmen auf demselben Markt mehrheitlich von institutionellen Investoren gehalten werden und folglich ein überwiegendes gemeinsames Interesse an einer höheren Gesamtmarkt- anstatt Einzelunternehmensrendite be11

356

4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

die übrigen Anteile im Streubesitz, sind institutionelle Investoren dennoch nicht selten die Aktionäre mit dem größten Einzelanteil. Bezieht man ferner in die Betrachtung mit ein, dass die Präsenzquote auf Hauptversammlungen der DAX-30 Unternehmen im Jahr 2017 durchschnittlich knapp 63 Prozent der Stammaktien betrug,15 zeigt sich, dass schon ein Minderheitsanteil genügen kann, um in der Hauptversammlung wesentlichen Einfluss ausüben zu können. Bedeutung gewinnt an dieser Stelle erneut das Depotstimmrecht der Banken.16 Banken können ihrerseits dazu beitragen, eine Mehrheit in der Hauptversammlung für oder gegen die Politik des Investors zu schaffen.

B. Aktionärsaktivismus Aktivistische Aktionäre begnügen sich nicht allein mit der Beteiligung an dem Portfoliounternehmen und der Ausübung ihrer aktienrechtlichen Mitgliedschaftsrechte, sondern versuchen direkten Einfluss auf die Unternehmensleitung zu nehmen.1718 Insbesondere Hedgefonds, Family Offices, Investmentfonds und PrivateEquity-Investoren treten aktivistisch auf. Allgemein werden unter den Begriff aktivistischer Aktionäre solche professionell agierende, institutionelle Investoren gefasst, die mit Beteiligungen von regelmäßig bis zu 25 Prozent bestimmte Ziele verfolgen, die durch die gewöhnliche Ausübung von Minderheitsrechten üblicherweise nicht zu erreichen sind, und deshalb auf die Geschicke der Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar Einfluss nehmen wollen.19 Im Fokus solcher Investoren stehen dabei insbesondere Unternehmen mit im Marktvergleich unterdurchschnittsteht, sorgt dies im Zweifel für die Verringerung der Wettbewerbsintensität für den gesamten betroffenen Markt. 15 Vgl. hierzu die Erhebung der Barkow Consulting GmbH, abrufbar unter: https://www.bar kowconsulting.com/hv-2017-rekordpraesenz-seit-20-jahren. Siehe ferner die Statistik der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e. V. zum Jahr 2015 (durchschnittliche Präsenzquote auf den Hauptversammlungen der DAX 30 Unternehmen rund 55 Prozent), abrufbar unter: http://www.sdk.org/assets/Statistiken/HV-Praesenzen/praesenz-dax15.pdf. 16 Siehe hierzu bereits 3. Kapitel § 11 B. II. 2. 17 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (50). 18 In jüngerer Zeit bekannt gewordene Beispiele für die Initiativen aktivistischer Aktionäre sind die Forderungen des Investmentfonds The Children’s Investment Fund gegenüber der Volkswagen AG, zu einem Zeitpunkt als The Children’s Investment Fund gerade zwei Prozent der Anteile an der Gesellschaft hielt, bis zu 30.000 Stellen konzernweit abzubauen sowie die Aufforderung von Active Ownership Capital S.à r.l. an die Stada Arzneimittel AG, fünf der sechs Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat auszutauschen. Bis dato hielt Active Ownership Capital S.à r.l. lediglich fünf Prozent der Anteile an Stada (siehe zu diesen Beispielen Kleinmanns, IRZ 2016, S. 341). Jüngst hatte sich der US-amerikanische Fonds Elliott mit einem Anteil von rund drei Prozent bei Thyssenkrupp AG eingekauft und eine höhere Rendite sowie den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden gefordert, der dem letztlich nachkam (siehe hierzu den Pressebericht „Der perfekte Sturm“, Wirtschaftswoche Nr. 30/2018 v. 20.7.2018, 14 (16)). 19 Vgl. Kleinmanns, IRZ 2016, 341 (342); Thaeter/Guski, AG 2007, S. 301.

§ 13 Aktionäre

357

licher Performance, hohen Cash-Positionen, unklarer Geschäftsstrategie, lose zusammenhängenden Geschäftsaktivitäten sowie solche Unternehmen, die am Kapitalmarkt unterbewertet sind. Ziel aktivistischer Aktionäre ist es dann zumeist, den Wert des Unternehmens durch strategische und operative Veränderungen zu steigern.20 Regelmäßig wird dabei versucht, Absprachen mit dem Vorstand zu treffen oder, im Falle eines mittel- und langfristigen Engagements, einen Sitz im Aufsichtsrat zu gewinnen.21 Gleichermaßen kommen auch aggressivere Versuche in Betracht, etwa in Form von Forderungen, Unternehmensteile oder wesentliche Vermögensgegenstände zu veräußern, Kosten zu senken, den Vorstand auszutauschen, Aktien zurückzukaufen oder hohe Dividenden auszukehren.22 In jüngerer Zeit sind aktivistische Aktionäre zunehmend im Rahmen von M&A-Transaktionen in Erscheinung getreten, insbesondere bei öffentlichen Übernahmeangeboten.23 Sieht das Übernahmenagebot etwa eine Mindestannahmeschwelle vor, so ist der Bieter gezwungen sich mit dem über eine Sperrminorität bei der Zielgesellschaft verfügenden Investor auf einen – im Zweifel höheren – Preis zu einigen, um im Anschluss an die Transaktion überhaupt Strukturmaßnahmen, wie den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vornehmen zu können.24 Verfügt der Investor nicht über eine Sperrminorität, kann er wenigstens höhere Abfindungen nach Abschluss der Strukturmaßnahmen und im Rahmen eines Spruchverfahrens erstreiten.25 Allen Handlungsvarianten ist letztlich gemein, dass es häufig aktivistischen Aktionären am Ende gelingt, einen höheren als ihren Minderheitsanteil entsprechenden Einfluss auf die Gesellschaft geltend zu machen.26 Im Rahmen des üblicherweise zu Tage tretenden Aktionärsaktivismus, sehen sich Zielgesellschaften typischerweise zwei grundsätzlichen Arten von Handlungsvarianten ausgesetzt, nämlich einerseits der Ausübung der Aktionärsrechte durch die 20

Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (50); Kocher, DB 2016, 2887 (2888 f.); Schockenhoff/ Culmann, ZIP 2015, 297 (298). 21 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (50). 22 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (50); Kocher, DB 2016, 2887 (2889). 23 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (51). 24 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (51). 25 Jüngeren Datums sind auch Leerverkaufsattacken von Investoren zum ausschließlichen Zwecke der kurzfristigen Realisierung von Kursgewinnen (sog. Leerverkaufsaktivismus, Investor Activism). Hierbei begründet der Investor zunächst größere Short-Positionen im Hinblick auf die Zielgesellschaft, um sie im Anschluss an einen durch den Investor provozierten Kursrutsch mit erheblichen Gewinnen wieder glattzustellen. Denn nach Eingehung der Leerverkäufe veröffentlichen die Investoren kritische Analysen und wecken dadurch Zweifel am Geschäftsmodell des Unternehmens sowie den vom Unternehmen publizierten Finanzkennzahlen. Mit dem Aktionärsaktivismus gemein hat der Leerverkaufsaktivismus die Suche nach Defiziten kapitalmarktorientierter Unternehmen. Ziel des Leerverkaufsaktivismus ist aber keinesfalls die Beteiligung an der Gesellschaft mit dem Ziel der Unternehmenswertsteigerung, sondern im Gegensatz und wie dargestellt, der Kursverfall. Deshalb ist der Leerverkaufsaktivismus auch keine Spielart des Aktionärsaktivismus (siehe hierzu Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (51); Kocher, DB 2016, 2887 (2891) sowie Schockenhoff/Culmann, AG 2016, S. 517 ff.). 26 Vgl. Kleinmanns, IRZ 2016, S. 341.

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Investoren, andererseits dem Versuch der Einflussnahme außerhalb der Normen des Aktienrechts. I. Ausübung von Aktionärsrechten Aktionäre haben unter anderem die Möglichkeit, gemäß § 122 Abs. 1 S. 1 AktG die Hauptversammlung einzuberufen. Voraussetzung ist aber, dass sie mindestens über einen Anteil von fünf Prozent am Grundkapital verfügen. Aktionäre, die über den Anteil am Grundkapital in dieser Höhe oder über einen anteiligen Betrag von 500.000 Euro verfügen, können gemäß § 122 Abs. 2 S. 1 AktG verlangen, dass Gegenstände auf die Tagesordnung der Hauptversammlung gesetzt und bekannt gegeben werden. Solche Beschlussgegenstände von aktivistischen Aktionären betreffen typischerweise die Abberufung und Nachwahl von Aufsichtsratsmitgliedern, den Vertrauensentzug gegenüber Mitgliedern des Vorstands, Satzungsänderungen, die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs. 2 AktG bei einem Anteil von mindestens ein Prozent des Grundkapitals oder bei einem anteiligen Betrag von 100.000 Euro sowie die gerichtlich Bestellung besondere Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bei einem Anteil von zehn Prozent am Grundkapital oder einem Anteil an diesem von einer Million Euro (§ 147 Abs. 2 AktG).27 Zum einen können die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nach § 103 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG von der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen abberufen werden. Allerdings sieht die Satzung vieler Publikumsgesellschaften eine Mehrheitsklausel vor, aufgrund derer die einfache Mehrheit in allen Fällen ausreicht, in denen dies gesetzlich zulässig ist.28 Da § 103 Abs. 1 S. 3 AktG jede „andere“ Mehrheit in der Satzung zulässt, reicht auch hier regelmäßig die einfache Mehrheit für die Abberufung dieser Aufsichtsratsmitglieder aus. Ist ein Aufsichtsratssitz unbesetzt, können Aktionäre nach § 104 Abs. 1 AktG einen Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds stellen. Hierdurch können aktivistische Aktionäre schließlich einen eigenen Vertreter in den Aufsichtsrat bringen.29 Ferner kann die Hauptversammlung den Vorstand zwar nicht direkt abberufen. § 84 Abs. 3 S. 2 AktG schafft jedoch einen wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds, sofern diesem das Vertrauen durch die Hauptversammlung entzogen wurde, es sei denn, dass dies aus offenbar unsachlichen Gründen geschieht. Selbst wenn der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung keine direkten Auswirkungen auf das betreffende Vorstandsamt hat, würde dieser Beschluss die Position des Vorstandsmitglieds also erheblich gefährden.30 Gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 AktG ist über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats 27 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (52); Schiessl, ZIP 2009, 689 (691 f.); Plagemann/ Rahlmeyer, NZG 2015, 895 (896); Bunz, NZG 2014, 1049 (1050). 28 Schiessl, ZIP 2009, 689 (691). 29 Bunz, NZG 2014, 1049 (1050); Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (52). 30 Schiessl, ZIP 2009, 689 (691).

§ 13 Aktionäre

359

gesondert abzustimmen, wenn die Hauptversammlung es beschließt oder eine Minderheit es verlangt, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen. Hat ein Aktionär einen Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 127 AktG gemacht und beantragt er daraufhin in der Hauptversammlung die Wahl des von ihm Vorgeschlagenen, muss nach § 137 AktG über seinen Antrag vor dem Vorschlag des Aufsichtsrats beschlossen werden, sofern es eine Minderheit der Aktionäre verlangt, deren Anteile zusammen zehn Prozent des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals erreichen. Ferner ist der Vorstand nach § 83 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG auf Verlangen der Hauptversammlung verpflichtet, Verträge, die nur mit deren Zustimmung wirksam werden, vorzubereiten und abzuschließen. Daraus ergibt sich ein Initiativrecht der Hauptversammlung für Unternehmensverträge, Verschmelzungsverträge, Gesamtvermögensgeschäfte i. S. d. § 179a AktG und Verträge über den Verzicht oder den Vergleich im Hinblick auf Ersatzansprüche.31 Zu denken ist ferner an die Aufforderung aktivistischer Aktionäre im Aktionärsforum des Bundesanzeigers, gemeinsam einen Antrag oder ein Verlangen nach dem AktG zu stellen oder in einer Hauptversammlung das Stimmrecht auszuüben. Möglich ist natürlich auch das Einsammeln von Stimmrechtsvollmachten anderer Aktionäre (sog. Proxy Solicitation).32 Dies verdeutlicht, dass es bei Ausübung der dargestellten (Minderheits-)Aktionärsrechte häufig genug um den Kampf um die Mehrheit geht.33 II. Handlungsweisen außerhalb des Aktienrechts Neben den im Aktienrecht ausdrücklich genannten Rechten bedienen sich aktivistische Aktionäre darüber hinaus auch anderer Maßnahmen. Häufig wird der Investor etwa zunächst versuchen, durch direkte Kontaktaufnahmen mit dem Vorstand die strategischen und operativen Aspekte der Unternehmensführung zu besprechen und dabei seinen eigenen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.34 Spätestens mit Überschreiten einer Beteiligung von drei Prozent muss der Investor auch an die Öffentlichkeit gehen, denn nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG muss, wer etwa durch Erwerb den Schwellenwert von drei Prozent (bzw. fünf, zehn, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 Prozent) der Stimmrechte aus ihm gehörenden Aktien an einem Emittenten mit dem Herkunftsstaat Deutschland erreicht, überschreitet oder unterschreitet, dies unverzüglich dem Emittenten und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mitzuteilen. Offene Briefe und Angriffe, auch durch Gang an die Wirtschaftspresse, gegen den Vorstand und Kritik etwa am Vergütungssystem, an der Finanzierungs- und Dividendenpolitik oder der strategischen Ausrichtung sind al-

31 32 33 34

Schiessl, ZIP 2009, 689 (692). Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (52). Vgl. Kocher, DB 2016, 2887 (2889). Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (52); Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (299 f.).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

lerdings vor sowie nach Erreichen der Meldeschwelle denkbar.35 Öffentliche Kampagnen zur Einwirkung auf die Unternehmensführung sind dabei häufig Teil der Strategie aktivistischer Aktionäre.36 Ferner kann dies auch der Gewinnung anderer Aktionäre dienen, um so letztlich die Mehrheit in der Hauptversammlung zu erreichen.37, 38 Letztendlich versuchen gerade diejenigen aktivistischen Aktionäre, 35 Vgl. Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (53 f.). So hatte der US-amerikanische Fonds Third Point einen offenen Brief an den Schweizer Lebensmittelhersteller Nestlé, an welchem er sich zuvor mit nur rund 1,3 Prozent beteiligt hatte, gerichtet, in dem Third Point das schwache Umsatzwachstum, die unterdurchschnittliche Entwicklung des Aktienkurses und den unternehmensstrategischen Kurs kritisierte. Der Investor forderte darüber hinaus die Aufspaltung des Konzerns in ein Getränke-, ein Lebensmittel sowie ein auf medizinische Nahrung spezialisiertes Unternehmen (siehe hierzu den Pressebericht „Der perfekte Sturm“, Wirtschaftswoche Nr. 30/ 2018 v. 20.7.2018, 14 (17)). 36 Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (300). 37 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (54). 38 Sofern mehrere Aktionäre zusammenwirken, stellt sich immer die Frage nach dem Vorliegen eines Acting in concert i. S. d. § 34 Abs. 2 WpHG (entspricht § 22 Abs. 2 WpHG a. F.) bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG mit der Folge der wechselseitigen Zurechnung der Stimmrechte. Die Stimmrechte werden infolgedessen zum einen im Hinblick auf die Meldepflicht nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG zusammengerechnet. Erreichen die aggregierten Stimmrechte an der Zielgesellschaft sogar die Schwelle von mindestens 30 Prozent (§ 29 Abs. 2 S. 1 WpÜG), müssen die betreffenden Aktionäre auch ein Pflichtangebot nach §§ 35 ff. WpÜG abgeben (vgl. MüKoAktG/Schlitt, § 35 WpÜG, Rn. 83; Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (54). Die abgesehen von den notwendigen Anpassungen im Grundsatz wortgleichen § 34 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG setzen für eine Zurechnung der Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der Gesellschaft voraus, dass der Meldepflichtige (§ 34 Abs. 2 S. 1 WpHG) bzw. Bieter (§ 30 Abs. 2 S. 1 WpÜG) sein Verhalten in Bezug auf die Gesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise mit dem Dritten abstimmt. Abstimmen verlangt eine Koordinierung der Verhaltensweisen aufgrund eines bewussten geistigen Kontaktes (MüKoAktG/Wackerbarth, § 30 WpÜG, Rn. 33). Das abgestimmte Verhalten setzt nach § 34 Abs. 2 S. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 2 S. 1 WpÜG voraus, dass der Meldepflichtige bzw. Bieter und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Gesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken. Eine Vereinbarung umfasst jede rechtlich verbindliche Abrede; praktisch bedeutsam sind hierbei insofern besonders Stimmbindungs- und Poolverträge, letztere im Sinne von langfristig angelegten Stimmrechtskonsortien (Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Konzernrecht, § 22 WpHG, Rn. 25; MüKoAktG/Bayer, § 34 WpHG, Rn. 37 f.), wobei die Verbindlichkeit als Voraussetzung teils in Abrede gestellt wird (so MüKoAktG/Wackerbarth, § 30 WpÜG, Rn. 35). Das Werben eines Aktionärs gegenüber anderen Aktionären für ein bestimmtes Abstimmverhalten genügt hingegen nicht. Auch ein lediglich bewusst oder unbewusst gleichgerichtetes Verhalten fällt nicht unter diesen Tatbestand (MüKoAktG/Bayer, § 34 WpHG, Rn. 37). Das abgestimmte Verhalten kann im Hinblick auf die Ausübung von Stimmrechten zustande kommen, wobei die Verfolgung eines gemeinsamen Plans, die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft zu ändern, nicht notwendig ist (Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Konzernrecht, § 22 WpHG, Rn. 27). Ferner genügt ausweislich des erweiterten Wortlautes („in sonstiger Weise zusammenwirken“) und in Abweichung zu der früheren Rspr. des BGH (Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98), wonach § 30 Abs. 2 S. 1 WpÜG a. F. nur solche Vereinbarungen erfasste, die sich auf die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung beziehen, auch ein Zusammenwirken außerhalb der Hauptversammlung (BGH, Urt. v. 25.9.2018 – II ZR 190/17, AG 2019, 37 (38)), insbesondere

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welche an einem längerfristigen Engagement an der Gesellschaft interessiert sind, direkten Einfluss auf deren Geschicke zu nehmen, insbesondere durch Gewinnung eines Aufsichtsratssitzes.39 Ein anderes Mittel ist der Versuch, eine Investorenvereinbarung mit der Gesellschaft abzuschließen, bei welcher sich diese verpflichtet, gewissen Forderungen des aktivistischen Aktionärs nachzukommen.40 III. Die zunehmende Bedeutung von Stimmrechtsberatern Mit dem wachsenden Einfluss von institutionellen Investoren nahm auch die praktische Bedeutung von Stimmrechtsberatern (Proxy Advisors), wie Institutional Shareholder Services Inc., Glass Lewis oder Ivox, zu,41 deren Geschäftsmodell es ist, Aktionäre bei der Ausübung ihres Stimmrechts zu beraten.42 Vor allem institutionelle Investoren mit breitem Beteiligungsportfolio greifen zur Vorbereitung von Abstimmungen in der Hautversammlung häufig auf die Empfehlungen institutioneller Stimmrechtsberater zurück, anstatt selbst die Unternehmenspolitik zu analysieren.43 Sehr häufig werden dabei die Ratschläge der Stimmrechtsberater übernommen.

auch zur (beabsichtigten) Einflussnahme auf den Vorstand oder Aufsichtsrat (Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Konzernrecht, § 22 WpHG, Rn. 28). Diese Tatbestandsvariante setzt allerdings voraus, dass das Zusammenwirken mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Gesellschaft erfolgt. Die unternehmerische Ausrichtung umfasst laut dem BGH die grundlegenden Weichenstellungen, welche das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie das verfolgte Geschäftsmodell, die Ausrichtung der Geschäftsbereiche oder die Finanzierungsstruktur (BGH, AG 2019, 37 (39)). Nach § 34 Abs. 1 Hs. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 1 Hs. 2 WpÜG sind allerdings Vereinbarungen in Einzelfällen ausgenommen, woraus die h. M. in formaler Betrachtungsweise ableitet, dass eine einmalige Abstimmung unabhängig von ihrer Bedeutung und Tragweite den Tatbestand nicht erfüllt (siehe nur BGH, AG 2019, 37 (42); Fuchs/Zimmermann, WpHG, § 22 Rn. 103; Süßmann, in: Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, § 30 Rn. 32; dies auch befürwortend, ohne sich jedoch festzulegen, BGHZ 169, 98; jedoch str., a. A. etwa Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Konzernrecht, § 22 WpHG, Rn. 30). Die bloße Wahl oder Abwahl von Aufsichtsratsmitgliedern in der Hauptversammlung begründet damit kein Acting in concert, sofern nicht über diesen Einzelfall hinaus Einfluss genommen wird (siehe Süßmann, in: Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, § 30 Rn. 38). Wirbt der aktivistische Aktionär Stimmrechtsvollmachten ein, kommt ferner eine Zurechnung nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpÜG in Betracht. Dies wird man jedoch dann ablehnen müssen, wenn der Aktionär für ein von vornherein festgelegtes Stimmverhalten geworben hat und andere Aktionäre ihm Stimmrechtsvollmacht mit der Weisung erteilen, in eben genau dieser Weise abzustimmen (vgl. Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (306)). Denn dann kann der Bevollmächtigte die Stimmrechte der anderen Aktionäre nicht nach eigenem Ermessen ausüben. 39 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (54). 40 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (54). 41 Schneider, ZGR 2012, 518 (525). 42 Langenbucher, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, S. 733. 43 Siehe Wilsing, ZGR 2012, 291 (294 f.); Bunz, NZG 2014, S. 1049; Fleischer, AG 2012, S. 2 f.; vgl. Schneider, ZGR 2012, 518 (522).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Schätzungen zufolge geschieht dies bei 80 Prozent der ausländischen Investoren.44, 45 Macht sich der Stimmrechtsberater den Aufruf eines aktivistischen Aktionärs an andere Aktionäre, seinem Vorschlag in der Hauptversammlung zu folgen oder in dieser oder jenen Art abzustimmen, zu eigen, und übernehmen die beratenen Aktionäre die Vorschläge ihres Proxy Advisors unbesehen, erhöht sich die Stimmrechtsmacht des aktivistischen Aktionärs beträchtlich.46 Auch hier geht es also letztlich um das Erreichen von Abstimmungsmehrheiten in der Hauptversammlung.47 44 So OECD, The Role of Institutional Investors in Promoting Good Corporate Governance, S. 121, abrufbar unter: https://www.oecd.org/daf/ca/49081553.pdf. 45 Aus der fast ausnahmslosen Übernahme dieser Vorschläge durch die Aktionäre resultiert eine faktische Stimmrechtsmacht, welche, da sie nicht durch Kapitalbeteiligung unterlegt ist, nicht unproblematisch ist (zu Recht hierauf hinweisend Seibert, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 1101 (1112)). 46 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (53). 47 Der typische Fall der Stimmrechtsberatung, in dem jeder Aktionär den Stimmrechtsberater jeweils für sich mandatiert, führt indessen nicht zu einem Acting in concert (siehe hierzu im Einzelnen Fn. 38) und damit etwa zu einer Meldepflicht des Stimmrechtsberaters bei Erreichen der Schwellenwerte des § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG (so zu Recht Langenbucher, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 733 (740)). Die Stimmrechte können gleichwohl auch demjenigen zugerechnet werden, der selbst keine Aktien hält (siehe MüKoAktG/Bayer, § 33 WpHG, Rn. 32; Langenbucher, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS HoffmannBecking, 733 (740); Vaupel, AG 2011, 63 (75)). Da Inhalt seines Mandats regelmäßig nur die Erteilung eines Vorschlages an die beratenen Aktionäre im Hinblick auf deren Abstimmverhalten in der Hauptversammlung ist, kommt eine Zurechnung ihrer Stimmrechte an den Stimmrechtsberater in diesen Fällen jedoch nicht in Betracht (so auch Langenbucher, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 733 (740)). Denn selbst, wenn mehrere Aktionäre denselben Berater beauftragen und alle seinem Vorschlag folgen, fehlt es doch an der erforderlichen Abstimmung unter den einzelnen Aktionären, insbesondere kommunizieren die Aktionäre nicht über den Berater als Mittelsmann (siehe Kocher/Heydel, AG 2011, S. 543 f.). Laut Vaupel, AG 2011, 63 (75 f.) ist hingegen von einer Zurechnung der Stimmrechte der Aktionäre an den Stimmrechtsberater dann auszugehen, wenn erstere sich faktisch an die Abstimmungsempfehlungen ihres Stimmrechtsberaters binden. Ferner seien die Stimmrechte der beratenen Aktionäre auch diesen wechselseitig zuzurechnen, wenn sie sich an die Abstimmungsempfehlungen eines bestimmten Stimmrechtsberaters hielten, denn auch darin sei ein abgestimmtes Verhalten zu sehen. De lege ferenda mögen diese Ergebnisse diskussionswürdig sein, de lege lata stehen sie nicht im Einklang mit dem Wortlaut. Ein bloß paralleles Stimmverhalten genügt nicht für eine Zurechnung, sofern dies vielmehr unbewusst und gerade nicht aufgrund eines abgestimmten Verhaltens geschieht (so auch Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88 (94); kritisch auch Seibert, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 1101 (1116)). Im Regelfall erfolgt auch keine Einigung zwischen dem Proxy Advisor und mehreren bzw. sämtlichen beratenen Aktionären über deren Abstimmungsverhalten. An eine sogar wechselseitige Stimmrechtszurechnung wäre hingegen zu denken, sofern der Stimmrechtsberater ausnahmsweise das gemeinsame Abstimmungsverhalten der Aktionäre in Absprache mit diesen zusammen koordiniert. Allein denkbar ist in praxi die Stimmrechtszurechnung an den Stimmrechtsberater nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpÜG. Voraussetzung ist hierfür, dass der Proxy Advisor die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen. Erforderlich ist also, dass der Stimmrechtsver-

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C. Rolle des Aufsichtsrats Wie eingangs angesprochen, sollen die Mitglieder des Aufsichtsrats sicherstellen, dass die Interessen der Aktionäre gegenüber dem Vorstand angemessen vertreten werden.48 Zugleich müssen sie im Rahmen ihrer Aufsichts- und Überwachungspflicht die Beachtung der gesetzlichen, insbesondere der aktienrechtlichen Vorschriften durch den Vorstand sicherstellen und sich selbst diesen fügen. Im Zusammenhang mit den Initiativen aktivistischer Aktionäre ist daher insbesondere von Interesse, wie der Aufsichtsrat mit deren Ansinnen umzugehen hat, Investorenvereinbarungen bzw. Business Combination Agreements mit der Gesellschaft abzuschließen, um diese respektive den Vorstand zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen oder einen Sitz im Kontrollgremium zu erhalten. Ferner steht im Fokus der nachfolgenden Betrachtungen, wie überhaupt ein weitsichtiger Umgang des Aufsichtsrats mit aktivistischen Aktionären aussehen kann. Zunächst wird jedoch die Frage zu klären sein, ob und in welcher Form Aufsichtsratsvertreter, wie von aktivistischen Aktionären häufig schon zu Beginn ihres Engagements gefordert, selbst mit Aktionären bzw. Investoren in direkten Kontakt treten dürfen. I. Kapitalmarktkommunikation und Aktionärsdialog des Aufsichtsrats Für Aktiengesellschaft ist die Kapitalmarktkommunikation ein bedeutendes Werkzeug, das Vertrauen des Kapitalmarkts in sie und die Unternehmensleitung zu stärken und dadurch ihre Entwicklung zu fördern.49 Ein Aktionärs- bzw. Investorendialog mit dem Vorstand ist deshalb in Deutschland bereits weitgehend Praxis, das institutionalisierte Gespräch mit dem Aufsichtsrat entwickelt sich auf Drängen von Aktionären jedoch erst allmählich.50 Insbesondere angelsächsische Investoren erwarten regelmäßig den unmittelbaren Dialog mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, etwa zu den Themen Unternehmensentwicklung und -führung sowie Markt-

treter zur Abstimmung im Namen des Aktionärs bevollmächtigt ist. Ferner dürfen von Seiten des Aktionärs keine Einzelanweisungen erteilt sein und dem Bevollmächtigten muss ein Ermessensspielraum bei der Ausübung des Stimmrechts verbleiben (Fuchs/Zimmermann, WpHG, § 22 Rn. 74). Die Bindung an die von dem Berater selbst erarbeiteten Stimmrechtsrichtlinien dürfte dem nicht entgegenstehen, sofern diese dem Abstimmenden in der praktischen Ausübung des Stimmrechts Ermessensspielräume eröffnen. Hingegen genügt es nicht, dass der Aktionär seine Stimmrechte selbst aufgrund der vorgegebenen Empfehlungen des Proxy Advisors ausübt und letzterer daher allenfalls „wie ein Stimmrechtsvertreter“ handelt (so aber Vaupel, AG 2011, 63 (75)), da in diesem Fall eben keine tatsächliche Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung vorliegt, wie sie § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 WpÜG voraussetzen. 48 Vgl. Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (726); Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (563). 49 Vgl. Vetter, AG 2014, S. 387. 50 Vgl. Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (728).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

umfeld,51 übersehen dabei aber den Bedeutungsunterschied zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und einem Chairman sowie die im System des one-tier-board unbekannte strikte Trennung von geschäftsführendem und beaufsichtigendem Organ.52 Dabei verschafft ein Investorendialog dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, sich über das Meinungsbild der Investoren und deren Interessen zu unterrichten sowie für die eingeschlagene Unternehmenspolitik zu werben.53 Zugleich werden Investoren in die Lage versetzt, sich schon zu Beginn ihres Engagements über die Arbeit des Aufsichtsrats zu informieren. Letztlich können solche Investor-RelationsMaßnahmen sogar dazu beitragen, den Kreis der Aktionäre zu erweitern, den Aktienkurs langfristig zu maximieren sowie seine Volatilität zu verringern und die Kapitalkosten des Unternehmens zu senken.54 Dies liegt wiederum auf einer Linie mit der hier vertretenen aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime einer nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung. Zugleich wirft diese Form des Dialogs aber die Frage nach seiner Zulässigkeit und der richtigen Ausgestaltung auf.55 Vorab gilt es zu klären, wer innerhalb des Aufsichtsrats überhaupt in den Dialog mit Investoren treten dürfte. 1. Zuständigkeit Innerhalb des Aufsichtsrats kommt allein der Vorsitzende für die Kapitalmarktkommunikation in Betracht, denn er ist Repräsentant des Kontrollgremiums in der Öffentlichkeit.56 Den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern ist Außenkommunikation von vornherein untersagt. Zwar ist der Aufsichtsratsvorsitzenden kein besonderes Organ der Gesellschaft, sondern nur Mitglied des Aufsichtsrats. Dennoch weist ihm das Aktienrecht eine prädestinierte Stellung zu.57 Der Aufsichtsratsvorsitzenden wird aus der Mitte des Gremiums gewählt (§ 107 Abs. 1 S. 1 AktG), ihm hat der 51 Siehe Vetter, AG 2014, S. 387 f.; Leyendecker-Langner, NZG 2015, S. 44; Grunewald, ZIP 2016, S. 2009; Hippeli, wistra 2018, S. 409. 52 Vgl. Henning, BOARD 2017, 41 (42); Vetter, AG 2014, S. 387; Leyendecker-Langner, NZG 2015, S. 44. 53 Vgl. Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (728). 54 Fleischer, ZGR 2009, 505 (508) m. w. N. 55 Die Initiative „Developing Shareholder Communication“ hat die Zulässigkeit solcher Gespräche bejaht und „Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat“ veröffentlicht, vgl. Initiative „Developing Shareholder Communication“, AG 2016, R300 ff. Der Deutsche Corporate Governance Kodex beinhaltet in Ziff. 5.2 Abs. 2 die Empfehlung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende „in angemessenem Rahmen bereit sein (sollte), mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen.“ Nach Auffassung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex sind aufsichtsratsspezifische Themen solche, für welche der Aufsichtsrat allein verantwortlich ist und die von ihm allein zu entscheiden sind, siehe Kremer, in: ders. u. a., DCGK, Rn. 1270 (zu Ziff. 5.2 DCGK). Kritisch Vetter, AG 2016 S. 873 ff. 56 Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (46); siehe auch v. Schenck, AG 2010, 649 (650); Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (363, 366); zweifelnd Koch, AG 2017, 129 (135 f.). 57 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 678.

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Vorstand „aus sonstigen wichtigen Anlässen“ zu berichten (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AktG) und der Aufsichtsratsvorsitzende ist dann wiederum verpflichtet, die Aufsichtsratsmitglieder spätestens in der nächsten Plenumssitzung darüber zu unterrichten (§ 90 Abs. 5 S. 3 AktG).58 Ferner hat der Vorsitzende nach § 176 Abs. 1 S. 2 AktG in der Hauptversammlung den Bericht des Aufsichtsrats zu erläutern. Hinzu kommt das Zweitstimmrecht des Vorsitzenden nach §§ 29 Abs. 2 S. 1, 31 Abs. 4 S. 1 MitbestG im Falle eines Abstimmungs- oder Wahlpatts im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat. Vor allem ist der Aufsichtsratsvorsitzende aber der ständige Ansprechpartner des Vorstands.59 Damit sind dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats letztlich diejenigen Aufgaben zugewiesen, die dem Vorsitzenden eines Kollegialorgans im Interesse seiner Handlungs- und Funktionsfähigkeit üblicherweise zustehen.60 Im Ergebnis müsste daher auch ihm als „geborenem Repräsentanten des Aufsichtsrats“61 die alleinige Kompetenz zur Gesprächsführung mit Investoren zustehen. Dies gestattet ihm aber keine Alleingänge, d. h. er muss die Auffassung des Aufsichtsrats wiedergeben.62 Um die in manchen Fällen gebotenen Vertraulichkeit zu wahren, bietet es sich an, dass der Aufsichtsratsvorsitzende die zentralen Gesprächsinhalte ausschließlich in einem Ausschuss bespricht und dort festlegt. Je nachdem welcher Ausschuss die größte Sachnähe zu dem jeweiligen Thema aufweist, werden hierfür regelmäßig der Personalausschuss oder der Nominierungsausschuss in Betracht kommen, hilfsweise auch das Aufsichtsratspräsidium. Im Ausschuss kann offener und mit weitaus geringerem Risiko diskutiert werden, dass vertraulich zu behandelnde Gesprächsthemen nach außen gelangen, wie dies bei einem zu großen Kreis an Eingeweihten der Fall sein könnte. 2. Zulässigkeit Ob der Vorsitzende des Aufsichtsrats überhaupt in den Dialog mit Investoren treten darf, hängt indes zunächst von der Einordnung des Aufsichtsrats im Gesamtgefüge der Aktiengesellschaft ab. Die Ansicht, welche ihn als reines Innenorgan betrachtet,63 muss strenggenommen die Zulässigkeit eines solchen Dialogforums verneinen. Die Kapitalmarktkommunikation und jede damit im Kontext stehende Gesprächsführung mit Marktteilnehmern steht danach allein dem Vorstand zu, weshalb jedes Aufsichtsratshandeln in diesem Bereich gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung verstößt.64 Die gegenteilige Ansicht hält solche Kontakte mit 58

v. Schenck, AG 2010, 649 (650). Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 11 Rn. 680. 60 v. Schenck, AG 2010, 649 (650). 61 So Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (363, 366). 62 So auch zu Recht Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (366). 63 So Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 1 Rn. 40, 284; Vetter, AG 2014, 387 (389); ablehnend auch Vetter, AG 2014, 387 (391 ff.); vgl. auch Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 34. 64 Vgl. Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (45); Vetter, AG 2014, 387 (388 f.). 59

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Investoren hingegen für zulässig.65 Kommt man zu dem Ergebnis, dass der Aufsichtsrat nicht ein reines Innenorgan ist, stellt sich die Frage, inwiefern die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands nach § 77 Abs. 1 AktG und das damit verknüpfte Verbote des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG, dem Aufsichtsrat Maßnahmen der Geschäftsführung zu übertragen, Öffnungen zu Gunsten einer Außenkommunikation des Aufsichtsratsvorsitzenden mit Aktionären und Investoren gestatten. a) Aufsichtsrat als reines Innenorgan? Dem Aufsichtsrat sind qua Aktienrecht Handlungen und Erklärungen mit Außenwirkung nicht fremd. Gemäß § 112 S. 1 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich und nach § 111 Abs. 2 S. 3 AktG erteilt er dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluss. Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat gegenüber Dritten im Rahmen seiner Überwachungsfunktion nach § 111 Abs. 1 AktG aufgrund einer Annexkompetenz kraft Sachzusammenhangs selbst vertretungsbefugt,66 wie beim Abschluss von Hilfsgeschäften und der Beauftragung von Sachverständigen oder Rechtsberatern.67 Ferner kommt dem Aufsichtsrat die Berichtspflicht gegenüber der Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 S. 1 und § 176 Abs. 1 S. 2 AktG zu.68 Betrachtet man dies zu Recht als Mittel der Kapitalmarktkommunikation,69 da schließlich der Bericht nach § 325 Abs. 1 S. 2 HGB zu veröffentlichen ist,70 zeigt sich, dass die hier geforderte Handlung nicht nur unternehmensintern, sondern auch nach außen hin gerichtet erfolgt. Dasselbe betrifft die Pflicht zur Erklärung nach § 161 AktG, die nach § 325 Abs. 1 S. 2 HGB zu veröffentlichen ist. Schließlich haben Vorstand und Aufsichtsrat nach § 27 WpÜG eine Stellungnahme abzugeben und zu veröffentlichen, wenn die Gesellschaft Ziel eines öffentlichen Erwerbsangebotes ist. Der Aufsichtsrat kann auch eine eigene, von der des Vorstands abweichende Erklärung abgeben, was in praxi dann wichtig ist, wenn der Vorstand ein eigenes Angebot abgibt (sog. Management Buy Out).71 Auch hier tritt der Aufsichtsrat im Außenverhältnis auf, unter Umständen sogar unabhängig vom Vorstand. Daraus lässt sich schließen, dass der Aufsichtsrat keinesfalls als bloßes Innenorgan 65

Siehe Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 25; Henning, BOARD 2017, S. 41 ff.; Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (730 ff.); Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, S. 360 ff.; Drinhausen/Marsch-Barner, AG 2014, 337 (349); Roth, ZGR 2012, 343 (369). 66 Vetter, AG 2014, 387 (389); Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136 (140). 67 Vetter, AG 2014, 387 (389); MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 86. 68 Henning, BOARD 2017, 41 (43). 69 So auch Vetter, AG 2014, 387 (390); Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (731); vgl. Hölters/Waclawik, AktG, § 171 Rn. 17. 70 MüKoHGB/Fehrenbacher, § 325 Rn. 29 f.; Koller u. a./Morck, HGB, § 325 Rn. 1. 71 Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 27 WpÜG, Rn. 18 ff.; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 27 Rn. 41 f.; Hirt/Hopt/ Mattheus, AG 2016, 725 (732).

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ausgestaltet ist, sondern im zumindest eingeschränkten Maße auch nach außen auftritt.72 b) Teleologische Reduktion von §§ 77 Abs. 1, 111 Abs. 4 AktG Grenze jeglicher Außenkommunikation des Aufsichtsratsvorsitzenden sind die in § 77 Abs. 1 AktG verankerte Geschäftsführungszuweisung an den Vorstand sowie das Verbot nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG, Maßnahmen der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat zu übertragen. Gerade im Bereich der Investor Relations gilt es zu beachten, dass der Vorstand und nicht der Aufsichtsrat für die allgemeine Informationspolitik zuständig ist.73 Insbesondere, wenn über die Unternehmensstrategie, die Begebung von Anleihen oder die erfolgreiche Ausnutzung von genehmigtem Kapital gesprochen werden soll, geht es offenkundig um Angelegenheiten der Geschäftsführung.74 Investorenkontakte des Aufsichtsrats können insofern nur dann als zulässig erachtet werden, wenn die §§ 77 Abs. 1, 111 Abs. 4 AktG teleologisch reduziert und die Befugnisse des Aufsichtsrats rechtsfortbildend durch Annexkompetenzen modifiziert werden.75 Die vorstehend dargestellten Aufgaben des Aufsichtsrats76 legen wiederum die Schlussfolgerung nahe, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Sachbefugnisse auch in der Öffentlichkeit auftreten kann.77 Dies muss erst recht der Fall sein, wenn man den Aufsichtsrat richtigerweise in der Pflicht und Verantwortung zum mitunternehmerischen Handeln zusammen mit dem Vorstand sieht. Entscheidend ist, dass der Aufsichtsrat mit Investoren solche Themen besprechen darf, die seinen eigenen, ausschließlichen Kompetenzbereich betreffen.78 Im Grundsatz darf sich der Aufsichtsrat daher zu den Aufgabenbereichen äußern, welche allein ihm zugewiesen sind, namentlich zu der Überwachung und Beratung des Vorstands sowie zu den Personal- und Vergütungsentscheidungen betreffend den Vorstand, ebenso zur Organisation der Aufsichtsratsarbeit und Einrichtung von Ausschüssen. Zulässig wäre somit auch der Austausch mit Aktionären über das Anforderungsprofil für ein neues Vorstandsmitglied oder über die Bemessung der Vorstandsvergütung.79 Zwar besteht diesbezüglich mit § 120 Abs. 4 AktG bereits ein 72

So auch Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (733). Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (45). 74 Vgl. Koch, AG 2017, 129 (132). 75 Vgl. Koch, AG 2017, 129 (132). 76 Siehe 4. Kapitel § 13 C. I. 2. a). 77 So auch Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (733). 78 So auch Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (45 f.) („Annexkompetenz“); Hirt/Hopt/ Mattheus, AG 2016, 725 (733); Gruenwald, ZIP 2016, 2009 (2010 f.); Kocher, DB 2016, 2887 (2890); Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (363 ff.): „Communication follows competence“. Dies entspricht auch der Ansicht der Initiative „Developing Shareholder Communication“, vgl. Leitsatz 1 (Initiative und Themen) der Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat (siehe oben Fn. 55). 79 So zu Recht Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (364). 73

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Forum von Aktionären einer börsennotierten Gesellschaft („Say-on-pay“)80, doch begründet deren Hauptversammlungsbeschluss nach § 120 Abs. 4 S. 2 AktG weder Rechte noch Pflichten und lässt die Verpflichtungen des Aufsichtsrats nach § 87 AktG unberührt. Damit ist der Aufsichtsrat weiterhin gehalten, sich angemessen über die Bemessung der Vorstandsvergütung vor deren Festsetzung zu informieren.81 Die Eröffnung der Möglichkeit des Investoren- und Aktionärsdialogs des Aufsichtsratsvorsitzenden durch Rechtsfortbildung erfordert dennoch, Ausnahmen von dem in §§ 77 Abs. 1, 111 Abs. 4 AktG enthaltenen gesetzlichen Verbot nur sehr restriktiv zuzulassen.82 Da der Aufsichtsrat nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG auch in die Unternehmensplanung einzubeziehen ist, bestünden faktisch kaum noch Grenzen für den Dialog mit Investoren und Aktionären und die Zuständigkeit des Vorstands für die Unternehmenskommunikation würde ausgehöhlt, wenn sich die Annexkompetenz des Aufsichtsrats auf seinen gesamten Aufgabenbereich erstreckte.83 Fragen der Unternehmensstrategie, Unternehmenspolitik und Finanzplanung sind damit, auch wenn sie zum Überwachungsgegenstand des Aufsichtsrats gehören, keine zulässigen Gesprächstopoi, denn sie liegen nicht in seiner alleinigen Kompetenz.84 Gleiches gilt im Bereich der geteilten Zuständigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat, wie etwa beim genehmigten Kapital. Die Aspekte der Unternehmensführung gehören ohnehin zur Leitungsbefugnis des Vorstands und sind nicht zulässiger Gesprächsstoff für den Aufsichtsratsvorsitzenden. Zulässig sind aber gleichwohl unverbindliche Gespräche mit tatsächlichen oder potenziellen Investoren über die allgemeinen Entwicklungen des Unternehmens und der betreffenden Branche, selbst wenn diese nicht eindeutig dem ausschließlichen Aufgabenbereich des Aufsichtsrats zugeordnet werden können.85 Für die hier vertretene Ansicht spricht letztlich auch die Erwägung, dass es für die hiesige Volkswirtschaft nachteilig wäre, wenn das deutsche Aktienrecht im Unterschied zu den Rechtsregimen anderen Ländern nicht den Anliegen institutioneller Anleger entsprechen würde.86 Ferner ist auf das „Mandatsverhältnis“ zwischen Aktionären und Aufsichtsrat zu verweisen. Vor diesem Hintergrund wäre ein völliges Kontaktverbot zwischen Anlegern und Aufsichtsrat letztlich verwunderlich.87

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Vgl. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 56. Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (364). 82 Koch, AG 2017, 129 (132). 83 So Koch, AG 2017, 129 (134). 84 Im Ergebnis ebenso Schaper, AG 2018, 356 (358); a. A. Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (734). 85 Vgl. Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (46). 86 Zu diesem Gedanken Koch, AG 2017, 129 (133). 87 Vgl. Koch, AG 2017, 129 (133). 81

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3. Schranken Bei der Kapitalmarktkommunikation unterliegt der Aufsichtsrat einigen Begrenzungen. Die offizielle Gesprächsführung des Aufsichtsratsvorsitzenden darf zum einen nicht den öffentlichen Äußerungen des Vorstands zuwiderlaufen. Für alle Beteiligten gilt, dass die Gesellschaft nach außen mit einer Stimme sprechen muss (sog. one-voice-policy).88 Gerade bei sensiblen Themen sollte der Aufsichtsratsvorsitzende die gebotene Rücksicht wahren.89 Nach außen getragene Indiskretionen, insbesondere gegen den Vorstand, verbieten sich ohnehin.90 Genuine Vorstandsbereiche, wie die Geschäftspolitik, sind wie dargestellt ohnehin nicht zulässiger Gegenstand von Gesprächen des Aufsichtsratsvorsitzenden mit Investoren und Aktionären. Ferner ist der Aufsichtsrat nach §§ 116 S. 1 und S. 2, 93 Abs. 1 S. 3 AktG zur Verschwiegenheit über die im Rahmen der Organtätigkeit bekanntgewordenen vertraulichen Vorgänge der Gesellschaft verpflichtet.91 Grenzen sind der Verschwiegenheitspflicht zwar dort gesetzt, wo das Interesse der Gesellschaft eine Offenbarung der vertraulichen Vorgänge erfordert, etwa um Missverständnisse zu beseitigen oder das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu verbessern.92 Die Entscheidung über die Offenlegung solcher Informationen liegt allerdings beim Vorstand.93 Anders hingegen verhält es sich bei Angelegenheiten, welche zum alleinigen Aufgabenbereich des Aufsichtsrats gehören, etwa Personalfragen bezüglich des Vorstands.94 Hier obliegt es dem Gesamtaufsichtsrat, über die Veröffentlichung zu entscheiden.95 Eine weitere Begrenzung der Kapitalmarktkommunikation ergibt sich aus dem Insiderrecht. Nach Art. 14 lit. c MMVO96 ist die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen verboten. Wer dem zuwiderhandelt, begeht nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG eine Straftat. Insiderinformationen sind nach Art. 7 Abs. 1 lit. a MMVO nicht öffentlich bekannte, präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder 88 Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rn. 48; vgl. Koch, AG 2017, 129 (132 f.); Kocher, DB 2016, 2887 (2890). 89 Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (46). 90 Vgl. auch Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (366). 91 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 52 f.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 99 f. 92 Hölters/ders., AktG, § 93 Rn. 138; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 169; Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (47); Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (366 f.). 93 MüKoAktG/Habersack, § 116 Rn. 65; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 169; Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (367). 94 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 Rn. 102; Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (47); Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (736 f.). 95 Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (367). 96 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung – MMVO).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Finanzinstrumente sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MMVO i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 und Nr. 1 in Anh. I/Abschn. C der MiFID II-RL97 auch übertragbare Wertpapiere. Diese sind nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II-RL solche Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, wie etwa Aktien. Nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 MMVO sind Informationen dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von dem vernünftigerweise erwartet werden kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des u. a. damit verbundenen derivativen Finanzinstruments zuzulassen. Für die Eignung zur Kurserheblichkeit ist nach Art. 7 Abs. 4 MMVO maßgeblich, ob ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Dies ist der Fall, wenn ein Anreiz zum Kauf oder Verkauf besteht und das Geschäft dem verständigen Anleger lohnend erscheint.98 Nach Aussagen des damaligen Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel und der Deutschen Börse AG aus dem Jahr 1999 konnte von einer erheblichen Kursrelevanz ausgegangen werden, „wenn eine das übliche Maß der Schwankungen deutlich übersteigende Kursänderung zu erwarten ist. Dabei sind rein marktbedingte Kursbewegungen zu eliminieren.“99 Die Schwelle der Kursrelevanz soll also Bagatellfälle ausschließen.100 Folgt man diesem Dictum auch heute noch,101 muss der Aufsichtsrat sorgfältig überprüfen, welchen Inhalt die Investorengespräche haben dürfen, um nicht widerrechtlich Insiderinformationen zu veröffentlichen. Für den Geltungsbereich des § 13 Abs. 1 WpHG a. F. war vor dem Inkrafttreten des AnSVG102 von einer Kurserheblichkeit auszugehen, sofern zum Zeitpunkt der Vornahme des Insidergeschäfts eine Kursänderung bei Aktien von mindestens 5 Prozent zu erwarten ist, wobei die in Frage stehende Kursänderung nicht tatsächlich eingetreten sein musste.103 Nach Inkrafttreten des AnSVG104 war Voraus97

Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/ EU (MiFID II – Markets in Financial Instruments Directive). Siehe hierzu auch Stenzel, DStR 2017, 883 (884). 98 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 107 Rn. 54. 99 BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad hoc-Publizität, S. 38. 100 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 107 Rn. 54. 101 So Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 107 Rn. 54; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 10 Rn. 22. 102 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetzes – AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, S. 2630 ff.; im Folgenden auch als AnSVG bezeichnet. 103 Vgl. Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 13, Rn. 63.

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setzung geworden, dass ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Eine ergänzende Berücksichtigung von Schwellenwerten war damit nicht mehr erforderlich.105 Der subjektive Ansatz ist auch Grundlage der novellierten MMVO geblieben und kann durch sein Absehen von starren Grenzwerten erhebliche Gefahr für allzu mitteilungsbedürftige Marktakteure bedeuten. Zieht man ferner in Betracht, dass Personalentscheidungen auf Vorstandsebene in jüngerer Vergangenheit Kurssprünge von bis zu 12 Prozent ausgelöst haben,106 entpuppt sich das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen als eine für Aufsichtsräte höchst praxisrelevante Verhaltensregel. Schließlich ist zu klären, ob die Offenlegung unrechtmäßig ist. Unter der Geltung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. wurde durch eine Abwägung zwischen einerseits dem Ziel des Insiderrechts, den Kreis der Insider möglichst gering zu halten, und andererseits den Funktionserfordernissen rechtlicher und wirtschaftlicher Institutionen und dem daher notwendigen Informationsfluss zu ermitteln versucht, in welchen Fällen die Mitteilung oder Zugänglichmachung von Insiderinformationen „unbefugt“ ist.107 Demzufolge stellte nach herrschender Meinung, welche sich wie die Gesetzesbegründung108 auf Art. 3 lit. a der Richtlinie betreffend Insidergeschäfte109 berief, die im Rahmen der normalen Arbeits- oder Berufsausübung oder in Erfüllung einer Aufgabe erfolgte Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation keine Verletzung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a. F. dar.110 Nach der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22. November 2005, in welcher über die Informationsweitergabe an Unternehmensexterne entschieden wurde, muss diese Ausnahme vom Insiderverbot allerdings eng ausgelegt werden.111 Nach diesem Urteil ist die „Weitergabe einer solchen Information nur dann gerechtfertigt, wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.“112 Im Schrifttum wurde daraus geschlossen, dass die Weitergabe von Insiderinformationen 104

Siehe oben Fn. 102. Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG, Rn. 46. 106 Vgl. die Nachweise bei Koch, AG 2017, 129 (140). 107 Siehe nur Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 73; Wehowsky, in: Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 WpHG, Rn. 13 (214. EL Mai 2017); Hilgendorf/ Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Art. 14 MAR, Rn. 62. 108 Begr. RegE v. 27.1.94, BT-Drs. 12/6679, S. 47. 109 Richtlinie des Rates v. 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte (89/592/EWG). 110 Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 73; Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Art. 14 MAR, Rn. 65; Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 WpHG, Rn. 12, 214. EL Mai 2017; Fuchs/Mennicke, WpHG, § 14 Rn. 199 ff. 111 EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – C-384/02 (Københavns Byret/Dänemark), ZIP 2006, 123 (125). 112 EuGH, ZIP 2006, 123 (126). 105

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an Unternehmensexterne nur dann rechtmäßig ist, wenn sie berufsbedingt erfolgt oder als unerlässlich zur Wahrnehmung einer Aufgabe anzusehen ist.113 Hierbei handelt es sich aber eher um Fälle, in denen externe Berater wie Anwälte, Steuer- und Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer oder Kreditinstitute herangezogen werden.114 Die Weitergabe von Informationen an potenzielle Investoren verbietet sich deshalb unter dem Blickwinkel des Insiderrechts. Aber auch die unternehmensinterne Insiderinformationsweitergabe an einzelne Aktionäre ist danach im Zweifel unzulässig, denn sie bewegt sich regelmäßig nicht im „normalen Rahmen“ der Arbeits- und Berufsausübung oder in Erfüllung der Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder.115 Die Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre ist deshalb zumeist widerrechtlich.116 Nur dadurch lässt sich der Gefahr begegnen, dass einzelne Aktionäre, unter Verletzung der informationellen Chancengleichheit, Sondervorteile auf Kosten anderer Anteilsinhaber erhalten.117 Allenfalls unter besonderen Voraussetzungen kann die Mitteilung von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre im Interesse des Unternehmens nicht nur geboten, sondern auch unerlässlich im Sinne der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH118 sein.119 Deshalb ist die Mitteilung von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn dies im Interesse des Unternehmens zwingend erforderlich ist.120 Ein in der Literatur erörtertes Beispiel ist, wenn an einen Aktionär mit wesentlicher Beteiligung eine Mitteilung gemacht wird, da dieser einer in der Hauptversammlung geplanten Grundlagenentscheidung zustimmen soll,121 oder wenn eine Kapitalerhöhung geplant ist, der die Hauptversammlung zustimmen muss.122 Beides sind hingegen Fragen, die in den Geschäftsbereich des Vorstands fallen. Weil mit der Europäisierung des Insiderrechts keine wesentlichen Änderungen verbunden waren, sind die bis dahin entwickelten Auslegungsgrundsätze auch weiterhin anzuwenden.123 Der Aufsichtsrat wird deshalb 113

Siehe Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 74b, 96. Vgl. Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 97 ff. 115 Vgl. Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 89. 116 Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 92; Fuchs/Mennicke, WpHG, § 14 Rn. 285 ff. 117 Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 92; Fuchs/Mennicke, WpHG, § 14 Rn. 285. 118 Siehe oben Fn. 111. 119 Vgl. Fleischer, ZGR 2009, 505 (527). 120 Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Art. 14 MAR, Rn. 69; dahingehend auch Fuchs/Mennicke, WpHG, § 14 Rn. 293; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG, Rn. 51. 121 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG, Rn. 51; Fuchs/Mennicke, WpHG, § 14 Rn. 293. 122 Assmann, in: ders./Schneider, WpHG, § 14 Rn. 84. 123 Vgl. Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Art. 14 MAR, Rn. 13; von der Linden, DStR 2016, 1036 (1037). Art. 14 lit. b MMVO findet seine Entsprechung in Art. 3 lit. a 114

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auch nach der neueren Rechtslage oberhalb der Schwelle der Kursrelevanz kaum Möglichkeiten haben, sich auf die vorgebliche Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen zu berufen. Damit erweist sich das Insiderverbot aus guten Gründen als großes Hindernis für die Kapitalmarktkommunikation des Aufsichtsrats und muss vom Aufsichtsratsvorsitzenden bei Investorengesprächen stets beachtet werden. 4. Insbesondere: Gleichbehandlungsgebot Hürden für die Kapitalmarktkommunikation schafft auch das verbandsrechtliche Gleichbehandlungsgebot nach §§ 53a, 131 Abs. 4 AktG.124 Danach müssen Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleichbehandelt werden.125 Erhalten einzelne Aktionäre mehr Informationen als andere, liegt folglich eine Ungleichbehandlung im Sinne des § 53a AktG vor.126 Der BGH lässt die Ungleichbehandlung allerdings zu, wenn diese sachlich berechtigt ist und nicht den Charakter der Willkür birgt.127 Ferner ist nach § 131 Abs. 4 AktG, sofern einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden ist, diese auch jedem anderen Aktionär auf dessen Verlangen in der Hauptversammlung zu erteilen. Wie § 53a AktG greift aber § 131 Abs. 4 AktG auch dann nicht, wenn die Auskunft sachlich berechtigt war.128 Ferner müssen die Informationen dem anderen gerade in dessen Eigenschaft als Aktionär gegeben worden sein. Wurden sie nur einem potenziellen Investor verschafft, der noch vor der Entscheidung steht, Aktien der Gesellschaft zu erwerben, findet § 131 Abs. 4 AktG ohnehin keine Anwendung.129 Auch betrifft diese Vorschrift nur solche Informationen, welche der Vorstand erteilt hat,130 oder deren Weitergabe durch ihn veranlasst oder autorisiert ist, etwa weil die auskunftserteilende Person aufgrund ihrer vorstandsseitig zugewiesenen Aufgabenzuteilung hierzu in der Gesellschaft befugt ist.131 Auskünfte von Aufsichtsratsmitgliedern sind hingegen von vornherein nicht geeignet, einen Auskunftsanspruch nach § 131 Abs. 4 AktG zu begründen.132 der ersetzten Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation (2003/6/EG). 124 Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44 (47); Fleischer, ZGR 2009, 505 (520): § 53a AktG als verbandsrechtliche Schranke bei der selektiven Informationsweitergabe. 125 Fleischer, ZGR 2009, 505 (520). 126 Vgl. Henning, BOARD 2017, 41 (42). 127 BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141 (150). 128 Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (739). 129 So auch Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (614). 130 Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (739); in diesem Sinne wohl auch Hölters/Drinhausen, AktG, § 131 Rn. 39; a. A. Koch, AG 2017, 129 (138). 131 MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, § 38 Rn. 53; MüKoAktG/Kubis, § 131 Rn. 143. 132 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 96; MüKoAktG/Kubis, § 131 Rn. 143. So auch jüngst das LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.2.2016 – 3 – 05 O 132/15, ZIP 2016,

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Letztlich ist damit allein im Hinblick auf § 53a AktG eine sachliche Rechtfertigung erforderlich, d. h. der Eingriff in die Mitgliedschaft muss geeignet und erforderlich sein, ein bestimmtes Interesse der Gesellschaft zu wahren, und unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen als verhältnismäßig erscheinen.133 Die Literatur hat bislang vor allem die Gespräche von Vorstand und Investoren unter dem Blickwinkel des § 53a AktG untersucht. Danach verstößt der Vorstand nicht gegen § 53a AktG, wenn er die persönliche Einladung zu einem Gespräch annimmt.134 Auch soll es erlaubt sein, dass der Vorstand im Vorfeld eines Hauptversammlungsbeschlusses, etwa bei einer geplanten Kapitalerhöhung, versucht, sich die Mitwirkung von Großaktionären zu sichern und vor geplanten Börsengängen mit ausgewählten Investoren spricht, um ein Gespür für die Akzeptanz der Investoren und die Bewertung des Unternehmens zu bekommen.135 Diese Erwägungen lassen sich nur begrenzt auf den Aufsichtsrat anwenden. Sein Aufgabenbereich ist – wie dargestellt – von dem des Vorstands zu unterscheiden. Aber auch hier kann eine unterschiedliche Behandlung von Groß- und Kleinaktionären aufgrund ihrer verschiedenen Bedeutung für die Gesellschaft berechtigt sein.136 Für kapitalmarktorientierte Unternehmen sind Beziehungen mit Investoren von fundamentaler Bedeutung. Im Rahmen seiner Aufgaben kann der Aufsichtsrat folglich mit Investoren und Großaktionären ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Kontakt treten, sofern dies letztlich dem hier vertretenen Konzept der nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung dient und damit sachlich gerechtfertigt ist. Folglich ist dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats das bevorzugte Gespräch dieser Art auch unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgebots zu gestatten. 5. Ergebnis Es konnte gezeigt werden, dass der Aufsichtsratsvorsitzende im Rahmen der Sachbefugnisse des Aufsichtsrats in den Dialog mit Investoren bzw. Aktionären 1535 (1536). Greift hingegen § 131 Abs. 4 AktG ein, so entfaltet seine Rechtsfolge, d. h. Nachinformationsanspruch aller übrigen Aktionäre in der Hauptversammlung, nach herrschender wenn auch bestrittener Ansicht Sperrwirkung gegenüber einem unmittelbar auf § 53a AktG gestützten Auskunftsanspruch außerhalb der Hauptversammlung, da § 131 Abs. 4 AktG als spezielle Ausformung insoweit den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz überlagern soll, so Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 105; Hüffer/Koch, AktG, § 131 Rn. 42; Spindler/ Stilz/Siems, AktG, § 131 Rn. 85; Hoffmann-Becking, in: Pfeiffer/Wiese/Zimmermann, FS Rowedder, 155 (157 ff.); a. A. Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 513. Vgl. hierzu auch Fleischer, ZGR 2009, 505 (520 f.). 133 Hüffer/Koch, AktG, § 53a Rn. 10; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rn. 19; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 34 f.; ders., ZGR 2009, 505 (520); Fleischer/Bauer/Wansleben, DB 2015, 360 (366). 134 So Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (300). 135 Fleischer, ZGR 2009, 505 (521 f.); Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (629). 136 Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725 (737).

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treten darf. Er muss dabei aber die dargestellten Schranken beachten, insbesondere die one-voice-policy, das aktienrechtlichen Verschwiegenheitsgebots und die insiderrechtlichen Vorgaben. II. Investorenvereinbarungen mit der Gesellschaft Aktivistische Aktionäre versuchen häufig Vereinbarungen mit der Gesellschaft zu schließen, um ihren Forderungen zur Durchsetzung zu verhelfen.137 Allgemein werden unter Investorenvereinbarungen Absprachen verstanden, die im Zusammenhang mit strategischen Beteiligungen stehen, jedoch solchen unterhalb der Ebene eines Zusammenschlusses.138 Derartige Vereinbarungen bedingen typischerweise die Pflicht des Vorstands, der Hauptversammlung eine Dividende in einer bestimmten Höhe vorzuschlagen, Vermögensgegenstände der Gesellschaft zu veräußern, deren wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft der Aktionär anzweifelt, ein genehmigtes Kapital auszunutzen bzw. nicht auszunutzen oder sogar dem aktivistischen Aktionär vertrauliche Unternehmensinformationen zu übermitteln. Vertragspartner und Verpflichteter einer Investorenvereinbarung ist gleichwohl stets die Gesellschaft und nicht der Vorstand.139 Darüber hinaus sind weitere Fallgestaltungen von Investorenvereinbarungen denkbar. In Betracht kommt etwa, dass der Investor die Übernahme der Gesellschaft plant und durch eine Investorenvereinbarung das Szenario einer feindlichen Übernahme in ein solches einer freundlichen Übernahme geführt werden kann.140 Davon wiederum zu unterscheiden ist der Fall, in welchem sich die Gesellschaft das Investment eines Großaktionärs sichern möchte und sich deshalb bestimmten Selbstbindungen unterwirft. Für die weitere Betrachtung sind nur die erstgenannten Fälle von Investorenvereinbarungen im engeren Sinne von Bedeutung, selbst wenn die nachstehenden Erörterungen auch in den anderen Szenarien relevant sein können. 1. Rechtsnatur und Zuständigkeit Eine generelle Festlegung der Rechtsnatur von Investorenvereinbarungen ist nicht möglich. Je nach Ausgestaltung der Investorenvereinbarung wird man diese als schuldrechtlichen Austauschvertrag sui generis (§§ 311, 241 BGB), Vorvertrag, „hinkendes“ Schuldverhältnis mit bloßen Sekundärpflichten (etwa zur Einwirkung, Förderung oder Rücksichtnahme) jedoch ohne Primärpflichten, unverbindliche Absichtserklärung oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) einordnen 137

Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (54). Siehe hierzu m. w. N. Reichert, ZGR 2015, 1 (3) sowie zur Abgrenzung von sog. Business Combination Agreements. 139 Vgl. Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (570); Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (100). 140 Vgl. Kiem, AG 2009, 301 (302); Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (567). 138

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

können.141 Darüber hinaus sind Investorenvereinbarungen jedenfalls nicht als Beherrschungsverträge i. S. d. § 291 Abs. 1 S. 1 AktG aufzufassen. Ein umfassendes Weisungsrecht bezüglich der Leitung der Gesellschaft i. S. d. § 308 Abs. 1 S. 1 AktG begründen diese nicht, denn es geht hierbei nur um die schuldrechtliche Fixierung bestimmter, abgegrenzter Inhalte.142 Demgemäß fallen Investorenvereinbarungen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Vorstands.143 Insbesondere gibt es auch keine Hauptversammlungskompetenz nach den bereits dargestellten Holzmüller/GelatineGrundsätzen des BGH.144 Der Aufsichtsrat ist jedoch verpflichtet, derartige Vereinbarungen zu überprüfen, denn Bestandteil seiner Kontrollaufgabe ist es, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen, der verpflichtet ist, die Gesellschaft zu leiten und seine organschaftliche Leitungsfunktion selbst wahrzunehmen.145 Es bietet sich daher an, dass der Aufsichtsrat den Abschluss solcher Investorenvereinbarungen unter den Vorbehalt seiner Zustimmung nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG stellt, um zunächst die Möglichkeit zu erhalten, den Inhalt der geplanten Verabredung prüfen zu können. Wesentliche Schranke für Investorenvereinbarungen ist § 76 AktG, der bedingt, dass der Vorstand, mit Ausnahme der im Konzernrecht vorgesehenen Fälle, sich keinen Weisungen Dritter unterwerfen darf.146 Aufgrund der aktienrechtlichen Kompetenzordnung darf der Vorstand darüber hinaus keine Bindungen zulasten die Gesellschaft eingehen, für welche es der Mitwirkung der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats bedarf.147 2. Entäußerung von Leitungskompetenzen und Vorwegbindung des Vorstands Umstritten ist, wie weit das Verbot, dass sich der Vorstand keinen Weisungen Dritter unterwerfen darf, geht. Allgemein besagt § 76 Abs. 1 AktG, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Daraus abgeleitet wird zum einen der Grundsatz der Weisungsunabhängigkeit.148 Bei der Ausübung seiner Leitungsmacht unterliegt der Vorstand danach keinen Weisungen.149 Ihm kann insbesondere kein Aktionär und kein gesellschaftsfremder Dritter Anweisungen er141 Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, 75 (80 ff.); vgl. Reichert, ZGR 2015, 1 (4); andere Autoren fassen Investorenvereinbarungen überwiegend als schuldrechtliche Abreden auf, vgl. Seibt, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, 105 (108); Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (619); Kiem, AG 2009, 301 (304 f.). 142 So auch Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (566 f.). 143 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (570); Kiem, AG 2009, 301 (307). 144 Siehe auch Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (552) m. w. N. 145 Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 3 Rn. 61 ff.; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 18; vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (2). Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 A. 146 Vgl. Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (558). 147 Vgl. Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (572); Kiem, AG 2009, 301 (307 f.); Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (100). 148 Fleischer, in: ders., Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 48. 149 Fleischer, in: Grundmann u. a., FS Schwark, S. 137.

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teilen. Diese Leitungsautonomie kann dem Vorstand weder entzogen werden, noch kann sich der Vorstand ihrer freiwillig entäußern. Teile der Literatur leiten aus § 76 Abs. 1 AktG auch ein Verbot der Vorwegbindung ab, welches es dem Vorstand untersagt, sich im Hinblick auf seine künftigen Leitungsentscheidungen bereits vorab festzulegen.150 Danach ist es dem Vorstand versagt, sein künftiges Leitungsverhalten oder auch nur einzelne wesentliche Maßnahmen einer rechtsgeschäftlichen Vorwegbindung zu unterwerfen.151 Aus dem Recht zur Ausübung eines weiten unternehmerischen Ermessensspielraums folgt die vorstandsseitige Pflicht, sich dessen nicht vorzeitig zu begeben.152 Laut Lutter ist es sogar Sinn von § 76 Abs. 1 AktG, den Vorstand von gesellschaftsinternen Zukunftsbindungen dieser Art freizuhalten.153 Gemein ist den Befürwortern jedoch nur das Bekenntnis zu den Termini des Verbots der Vorwegbindung bzw. der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht. Die genauen Ausprägungen dieser Schranken sind dagegen umstritten. Lutter hält derartige Selbstbindungen des Vorstands a priori für unverbindlich.154 Hingegen wollen Mertens und Cahn kein weitergehendes Verbot einer Selbstverpflichtung des Vorstands annehmen.155 Andernfalls wäre das Eingehen von u. a. strategischen Allianzen, Bindungen aus Konsortialverträgen oder längerfristigen Finanzierungsverträgen für die Gesellschaft nicht möglich. Zulässig seien daher einzelne, begrenzte Einwirkungsrechte auf die Geschäftsführung.156 Vertragliche Bindungen dürften nur nicht soweit führen, dass sie den Leitungsspielraum des Vorstands derart und in unvertretbarer Weise einschränkten, sodass er seiner unternehmerischen Führungsverantwortung nicht mehr genügen könne. Dies sei etwa der Fall, wenn schuldrechtlich begründete Einwirkungsmöglichkeiten eines Aktionärs es diesem faktisch ermöglichten, einen wesentlichen Teil der Leitungsfunktion des Vorstands der Gesellschaft seiner Entscheidungsgewalt zu unterwerfen und eine seinen Interessen entsprechende Unternehmenspolitik durchzusetzen oder eine diesen widersprechende Unternehmenspolitik zu blockieren. Auch Fleischer will Vereinbarungen „im Einzelfall“ als zulässige Ermessensausübung werten und befürwortet damit eine Lockerung eines strengen Verbots der Vorabbindung des Vorstands.157 Die Beschränkung des unternehmerischen Handlungsspielraums sei aber nur dann pflichtgemäß, wenn der Vorstand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine wohlinformierte Ermessensentscheidung getroffen habe und die Nachteile der vertraglichen

150 Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 27; KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 47; Lutter, in: Goerdeler u. a., FS Fleck, 169 (184 f.); vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 68 f.; ders., in: Grundmann u. a., FS Schwark, S. 137. 151 Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 25. 152 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 59. 153 Lutter, in: Goerdeler u. a., FS Fleck, 169 (184). 154 Lutter, in: Goerdeler u. a., FS Fleck, 169 (184). 155 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 53. 156 KK/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 53 f. 157 Fleischer, Grundmann u. a., FS Schwark, 137 (154 f.).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Dauerbindung durch die Vorteile für die Gesellschaft aufgewogen würden.158 Damit verlagert sich Frage nach der Rechtmäßigkeit der Vorabbindung auf die Ebene des § 93 Abs. 1 AktG.159 In der jüngeren Literatur wird hingegen nur noch eine Beschränkung des Grundsatzes der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht auf den Kernbereich der Leitung befürwortet.160 Damit liegt eine Verletzung dieses Grundsatzes erst dann vor, wenn dem Vorstand kein Bereich der Unternehmensleitung mehr verbleibt, bei dem er weisungsfrei entscheiden kann,161 wenn sich die Gesellschaft einer besonders weitgehenden Bindung unterwirft, deren Grenzen bislang nicht trennscharf formuliert werden können, oder wenn sich der Vorstand der Gesellschaft sogar unmittelbar dem Willen eines Dritten unterwirft.162 3. Stellungnahme Die besseren Argumente sprechen für eine Begrenzung des Vorabbindungsverbotes auf den Kernbereich der unternehmerischen Leitungsmacht. Ein absolutes Verbot der Vorabbindung findet zum einen im Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG keinen Anhaltspunkt. Andererseits streiten hierfür praktische Notwendigkeiten des Wirtschaftslebens. Unternehmen unterwerfen sich permanent vertraglichen Bindungen in unterschiedlichem qualitativen, quantitativen und zeitlichen Ausmaß.163 Finanzierungsverträge bedingen in aller Regel die Vereinbarung bestimmter Finanzkennzahlen (financial covenants), welche das Versprechen beinhalten, bestimmte finanzielle Schwellenwerte (etwa Eigenkapitalausstattung oder Verschuldungsgrad) nicht zu unter- bzw. überschreiten, sowie anderer vertraglicher Verpflichtungen (undertakings), die stark in die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens eingreifen. Dieser Vergleich mit der Fremdfinanzierung von Gesellschaften zeigt die Bereitschaft von Gesellschaften und das Bedürfnis von Banken, solch weitgehende Bindungen zu vereinbaren.164 Würde die Gesellschaft sich darauf nicht einlassen, bliebe ihr in vielen Fällen die Aufnahme von Darlehen verwehrt. Fremdkapitalgeber können das mit der Darlehensbegebung immanente Risiko neben den dargestellten vertraglichen Vereinbarungen, deren Verletzung regelmäßig das bankseitige Kündigungsrecht, wenn auch regelmäßig mit Heilungsmöglichkeiten, bewirkt, sogar dadurch noch stärker unter Kontrolle bringen, indem sie einen individuellen Zinssatz festlegen und sich Kreditsicherheiten gewähren lassen. Der Aktionär bleibt hingegen 158

Fleischer, Grundmann u. a., FS Schwark, 137 (151 f.). Kritisch hierzu Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (99). 160 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (576 f.); Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (95 ff.). 161 So Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (576 f.). 162 Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (100 f.). 163 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (577). 164 Siehe hierzu insbesondere Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (554 ff.). 159

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auf die Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte beschränkt, die allerdings, wie dargestellt, im Einzelfall und abhängig von der Höhe des Engagements sehr weitgehend sein können. Gerät die Gesellschaft jedoch in die Insolvenz, haftet der Aktionär unbeschränkt mit dem investierten Eigenkapital, ohne sich aus insolvenzfesten Kreditsicherheiten wie Grundpfandrechten Befriedigung verschaffen zu können. Dieser Vergleich zeigt, dass für einen Aktionär ein begründetes Interesse am Abschluss von Investorenvereinbarungen bestehen kann. Für die Gesellschaft können solche Abmachungen sogar den Vorteil haben, dass sich durch sie mit dem aktivistischen Aktionär bestimmte Verhaltensregeln hinsichtlich der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte festlegen lassen.165 Dient dies ferner der Stabilisierung seines Engagements und sorgt dies etwa für eine Abwendung oder Unterbindung der bereits erwähnten öffentlichen Pressekampagnen durch den aktivistischen Aktionär, liegt die Investorenvereinbarung sogar im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft an einer nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung, die durch aufreibende und ressourcenzehrende Abwehrmaßnahmen leicht behindert würde. Untersagte man dem Vorstand derartige Selbstbindungen, würde dies hingegen seine unternehmerische Bewegungsfreiheit nicht unerheblich begrenzen und ihm wichtige Gestaltungsinstrumente privatautonomer Bindung entziehen,166 welche ihm aber zur Verfolgung des Ziels der nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung zur Verfügung stehen müssen. Unternehmen unterwerfen sich im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen andauernd verschiedenartigen Bindungen. Zu nennen sind neben den bereits angesprochenen langfristigen Fremdfinanzierungen auch Lieferverträge und Großaufträge, ohne die das Unternehmen nicht bestehen kann. Nur dort, wo sich der Vorstand seiner Entscheidungsmacht in den zentralen Bereichen der Unternehmensleitung begibt, wie die Unternehmens- und Strategieplanung, die Koordination und Kontrolle der nachgeordneten Unternehmensebenen sowie der Personaleinsatz, liegt ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich der vorstandsseitigen Leitungsmacht vor. Der Aufsichtsrat muss dies bei der Überprüfung des Vorstands entsprechend berücksichtigen. 4. Einzelne Vertragsinhalte Ob die von aktivistischen Aktionären typischerweise verlangten Abreden den aufgezeigten Grundsätzen standhalten, wird im Folgenden zu untersuchen sein. Daneben können vor allem das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot aus § 33 WpÜG, das Gleichbehandlungsgebot aus § 53a AktG, die Grundsätze der Kapitalerhaltung und das Verbot der Financial Assistance aus § 71a AktG die Möglichkeiten vertraglicher Vorabbindungen beschränken.167

165 166 167

Vgl. Kiem, AG 2009, 301 (302). Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (96). Koch, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 65 (100).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

a) Vorschlag einer Dividende an die Hauptversammlung Stellen wie üblich Vorstand und Aufsichtsrat nach § 172 AktG den Jahresabschluss fest, so können sie gemäß § 58 Abs. 2 S. 1 AktG einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte in andere Gewinnrücklagen einstellen. Dadurch wird das Ausmaß des nach § 58 Abs. 4 AktG von den Aktionären beanspruchbaren Bilanzgewinns, der mit der Feststellung des Jahresabschlusses entsteht,168 maßgeblich beeinflusst.169 Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat zugleich mit der Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts zu dessen Prüfung (§ 171 Abs. 1 AktG) nach § 170 Abs. 2 S. 1 AktG den Vorschlag vorzulegen, welchen er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, ist dieser nach § 172 S. 1 AktG grundsätzlich festgestellt. Nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 2, 174 Abs. 1 S. 1 AktG entscheidet schließlich die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns, wobei sie hierbei nach § 171 Abs. 1 S. 2 AktG an den festgestellten Jahresabschluss, nicht hingegen an den Vorschlag der Verwaltung gebunden ist.170 Unbeachtlich sind der Vorschlag des Vorstands und die Stellungnahme des Aufsichtsrats nach § 171 Abs. 2 AktG trotzdem nicht, denn sie stellen gegenüber der Hauptversammlung die Einschätzung der Verwaltung über die Verwendung der Bilanzgewinns dar, insbesondere welche Beträge in die Rücklage eingestellt werden sollen.171 Anders als die Hauptversammlung, unterliegt die Verwaltung auch weit strengeren Restriktionen, wenn sie den Vorschlag zur Verwendung des Gewinns unterbreitet, denn sie muss den Aktionären eine verantwortungsvolle Dividendenentscheidung auf der Grundlage ausreichender Informationen bieten.172 Vor besondere Herausforderungen stellen die Verwaltung hierbei Bestrebungen institutioneller Aktionäre, den Fremdkapitalisierungsanteil der Gesellschaft zu erhöhen, denn sofern die Gesamtkapitalrendite über dem Fremdkapitalzins liegt, wird die Eigenkapitalrentabilität mit steigender Verschuldung zunehmen, solange das Unternehmen Gewinne erwirtschaftet (sog. Leverage-Effekt).173 Hingegen sinkt die Eigenkapitalrentabilität überproportional, sofern es zu einem Gewinneinbruch kommt. Kehrseite einer hohen Fremdkapitalquote ist stets ein erhöhtes Insolvenzrisiko der Gesellschaft, welches gerade zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft und derjenigen Akteure geht, deren wirtschaftliche Existenz vom Fortbestand der Gesellschaft abhängig ist, allen voran Geschäftspartner, manche (langjährige) An168

Vgl. Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 58 Rn. 91. Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (526). 170 MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 174 Rn. 8; Spindler/Stilz/Euler/Klein, AktG, § 174 Rn. 10. 171 Vgl. MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 170 Rn. 52. 172 Vgl. Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (542). 173 Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, S. 523; MüKoAktG/Schürnbrand, Vor §§ 182 ff., Rn. 17; vgl. Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (655 ff.); Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (559 f.). 169

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teilseigner, (ungesicherte) Anleihegläubiger und Arbeitnehmer.174 Ein zentrales Mittel zur Änderung der Kapitalisierungsstruktur ist die Auskehr von Gesellschaftsvermögen durch besonders hohe Dividenden (sog. Super- oder Jumbodividenden), bei denen der zugrunde liegende Bilanzgewinn nicht allein aufgrund von Jahresüberschüssen entsteht, sondern vielmehr der bilanzielle Jahresüberschuss mithilfe ertragswirksamer Sondereffekte, wie der Realisierung stiller Reserven, der Neubewertung von Rückstellungen oder der Auflösung von Rückstellungen, in die Höhe getrieben wird.175 Neben der Auflösung von Rückstellungen dienen als Instrumente zur Finanzierung der Ausschüttung des Bilanzgewinns an die Aktionäre zumeist die Aufnahme von Fremdkapital, wie Anleihen oder Bankdarlehen, sowie der Verkauf von Aktivvermögen. Aus Sicht des Aktionärs refinanzieren diese Dividenden dann sein zugunsten des Aktienerwerbs eingesetztes Eigenkapital und sorgen für die Erhöhung seiner Aktienrendite. Generell hat der Vorstand über den Vorschlag zur Gewinnverwendung nach pflichtgemäßen Ermessen und im Rahmen des gesetzlich und satzungsmäßig Zulässigen zu entscheiden.176 Der Aufsichtsrat muss seinerseits den Gewinnverwendungsbeschluss des Vorstands darauf prüfen, ob der Einbehalt des Betrages in der vom Vorstand vorgeschlagenen Höhe im Interesse der Gesellschaft an einer verstärkten Innenfinanzierung liegt und dieses Interesse wiederum im Einklang mit den Dividendeninteressen der Aktionäre sowie dem Interesse der Gesellschaft an der Pflege des Kapitalmarktes im Hinblick auf künftige Kapitalaufnahmen liegt.177 Ein Dividendenvorschlag, welcher bei seiner Umsetzung die Existenz der Gesellschaft gefährden würde, ist allein deshalb sorgfaltspflichtwidrig i. S. d. §§ 93 Abs. 2, 116 S. 1 AktG.178 Nach der hier vertretenen Auffassung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime einer nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung nicht aus dem Blick verlieren. Schranken zieht diese Leitmaxime folglich dort, wo nicht durch das operative Geschäft erwirtschaftete Dividendenzahlungen allein dem kurzfristigen Gewinninteresse von Aktionären dienen, aber die dauerhafte wirtschaftliche Ertragsfähigkeit der Gesellschaft maßgeblich beeinträchtigen. Handelt die Verwaltung bei Unterbreitung ihres Vorschlags dem zuwider und verletzt dadurch ihre „Vorschlagsverantwortung“179, handelt sie auch sorgfaltspflichtwidrig i. S. d. §§ 93 Abs. 2, 116 S. 1 AktG. Richtigerweise wird man daher auch ein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten annehmen müssen, wenn der 174

Eidenmüller, ZHR 171 (2007), 644 (656 f.). Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (524 f.); Schnorbus/Plassmann, ZGR 2015, 446 (448, 466 f.); Schneider, NZG 2007, S. 888. 176 Spindler/Stilz/Euler/Klein, AktG, § 170 Rn. 32; Bürgers/Körber/Schulz, AktG, § 170 Rn. 7; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2015, S. 655. 177 MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 43. 178 Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (542); Schnorbus/Plassmann, ZGR 2015, 446 (460 f.). 179 So die zutreffende Begriffsetablierung durch Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (542). 175

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Vorstand durch seinen Vorschlag geplante oder bereits in die Wege geleitete Investitionen verhindert.180 Generell muss der Vorstand darauf achten, dass Fremd- und Eigenkapital in einem ausgewogenen Verhältnis stehen und die Gesellschaft aus ex ante-Sicht dauerhaft in der Lage ist, ihre Fremdkapitalkosten zu zahlen.181 Massive Erhöhungen der Fremdkapitalquote zum alleinigen Zwecke der Dividendenfinanzierung sind damit von vorherein unzulässig. Auch hierauf muss der Aufsichtsrat bei der Prüfung des Gewinnverwendungsvorschlags des Vorstands achten. Bei korrekter Handhabung dieser Leitsätze kann der von aktivistischen Aktionären initiierte „Eigenkapitalraub“ sowie Asset Stripping frühzeitig unterbunden werden. Im Ergebnis abzulehnen ist hingegen ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 AktG allein aufgrund der übermäßigen Auskehr von Dividenden. § 71a Abs. 1 AktG versieht Rechtsgeschäfte, welche die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand haben, mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit (sog. Verbot der finanziellen Unterstützung bzw. Financial Assistance). Dies betrifft vor allem fremdfinanzierte Unternehmenskäufe im Wege des Aktienerwerbs (Share Deal), bei welchen das Kapital der Zielgesellschaft zur Finanzierung des Aktienerwerbs verwendet werden soll. Nach § 71a Abs. 1 AktG ist es grundsätzlich verboten, dass die Zielgesellschaft das Kreditrisiko aus dem fremdfinanzierten Erwerb ihrer Aktien übernimmt.182 Hingegen ist es die wohl einhellige Meinung im Schrifttum, dass Dividendenzahlungen und andere gesetzlich zulässige Ausschüttungen nicht gegen § 71a AktG verstoßen, selbst wenn sie letztlich der Finanzierung des Aktienerwerbs dienen.183 Wäre die Dividendenausschüttung an den Aktienerwerber verboten, stünde dies auch im Widerspruch zu § 53a AktG.184 Dieses Ergebnis streitet jedoch umso mehr dafür, dass der Vorstand seiner „Vorschlagsverantwortung“ im Sinne einer nachhaltigen Finanzierungs- und Dividendenpolitik gerecht werden muss und der Aufsichtsrat gehalten ist, die Befolgung dieser Pflicht zu überprüfen. b) Veräußerung von Vermögensgegenständen der Gesellschaft Investoren sind ferner bemüht, mit der Zielgesellschaft zu vereinbaren, dass aus ihrer Sicht unrentables Anlagevermögen veräußert wird. Dies löst unter Umständen das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 179a AktG aus. Denn diese Norm umfasst über ihren Wortlaut hinaus nicht nur die Übertragung des 180 So zu Recht Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (541 f.); Schnorbus/Plassmann, ZGR 2015, 446 (462 f.). 181 Siehe hierzu nachstehend 4. Kapitel § 14 A und B. 182 Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 2. 183 Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 71a Rn. 2, 13; MüKoAktG/Oechsler, § 71a Rn. 31; Spindler/Stilz/Cahn, AktG, § 71a Rn. 12; Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (543). 184 Habersack, in: Bitter u. a., FS Schmidt, 523 (543).

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ganzen Gesellschaftsvermögens, sondern findet auch dann Anwendung, wenn der Gesellschaft nach der Veräußerung nur unwesentliches Vermögen verbleibt.185 Ob der Vermögensgegenstand wesentlich ist, ist in erster Linie qualitativ zu bemessen.186 Entscheidend ist danach, ob die Gesellschaft mit dem zurückbehaltenen Vermögen ihren satzungsmäßig festgelegten Unternehmensgegenstand weiterverfolgen kann, wenn auch lediglich in eingeschränktem Maße.187 Im Umkehrschluss ist § 179a AktG auch bei Verbleib von wesentlichen Vermögensgegenständen anwendbar, wenn damit der bisherige Unternehmensgegenstand nicht einmal in eingeschränktem Umfang weiterverfolgt werden kann.188 Die Rechtsprechungsgrundsätze der Holzmüller189- und Gelatine-Entscheidungen190 des BGH finden hingegen bei der Veräußerung von Gesellschaftsvermögen richtigerweise keine Anwendung.191 Andernfalls würden die engeren Voraussetzungen des § 179a AktG, unter denen die Zustimmung der Hauptversammlung notwendig ist, umgangen werden.192 Im Übrigen tritt auch der mit Ausgliederung wichtiger Unternehmensteile der Gesellschaft auf nachgelagerte Tochtergesellschaften verbundene Mediatisierungseffekt zu Lasten der Aktionäre der Muttergesellschaft, der wesentlicher Grund für die Holzmüller- und Gelatine-Leitlinien ist, nicht ein.193 Ist mit der Vermögensübertragung hingegen eine Änderung des Unternehmensgegenstands verbunden, bedarf dies als Satzungsänderung nach § 179 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung.194 Kann ferner durch Veräußerung des Vermögensgegenstandes der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand nicht mehr ausgefüllt werden, ohne dass zugleich die Satzung entsprechend geändert wird, liegt darin eine Pflichtverletzung des Vorstands.195 Der Vorstand muss folglich, unter kritischer Begleitung des Aufsichtsrats, prüfen, ob Vereinbarungen über die Veräußerung von Vermögensgegenständen den vorgenannten Kriterien standhalten und keine Zustimmung der Hauptversammlung not185 186 187

Rn. 8. 188

Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179a Rn. 19; Hüffer/Koch, AktG, § 179a Rn. 4. Hüffer/Koch, AktG, § 179a Rn. 4. Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179a Rn. 19; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179a

Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179a Rn. 8. BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller), BGHZ 83, 122 ff. 190 BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine I), BGHZ 159, 30 ff.; BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), NZG 2004, S. 575 ff. 191 OLG Köln, Urt. v. 15.1.2009 – 18 U 205/07, AG 2009, 416 (418); Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 22; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 119 Rn. 35; Emmerich/Habersack/ Schürnbrand, Konzernrecht, Vor § 311 AktG, Rn. 43; Joost, ZHR 163 (1999), 164 (185). Siehe auch Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179a Rn. 6; Hüffer/Koch, AktG, § 179a Rn. 2. 192 Ähnlich Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 22. 193 Vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, S. 234. 194 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 34. 195 Siehe OLG Köln, Urt. v. 15.1.2009 – 18 U 205/07, AG 2009, 416 (417 f.); Emmerich/ Habersack/Schürnbrand, Konzernrecht, Vor § 311 AktG, Rn. 43, 31; Hüffer/Koch, AktG, § 179 Rn. 9a. 189

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

wendig ist. Ferner muss die Veräußerung auch im Interesse der Gesellschaft liegen.196 Zeichnet sich ab, dass das zu veräußernde Anlagevermögen dauerhaft keine Rendite erwirtschaftet und der Verkaufserlös zum Zwecke eines höheren nachhaltigen Unternehmenswertzuwachses in anderen Geschäftsfeldern der Gesellschaft erfolgsversprechender investiert werden kann, ist eine derartige Verkaufsverpflichtung jedenfalls zulässig. Der Aufsichtsrat sollte gleichwohl die Veräußerung von bedeutenden Vermögensgegenständen dem Erfordernis seiner Zustimmung nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG unterwerfen. Der Vorstand könnte sich in diesem Fall nur dann in einer Investorenvereinbarung rechtmäßig zu der Veräußerung verpflichten, sofern er vorher die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt hat. c) Verschaffung vertraulicher Unternehmensinformationen Aktivistische Aktionäre drängen häufig darauf, von der Gesellschaft vertrauliche Informationen zu erhalten. Unterschieden werden muss hierbei, ob konkrete Auskünfte im Zusammenhang mit einem bestimmten Sachverhalt erteilt werden sollen oder ob der Aktionär generell vertrauliche Informationen von der Gesellschaft erhalten möchte. Vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse können etwa interne finanzielle Daten sein, sofern sie nicht publiziert worden sind, interne betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Unternehmensplanungen und -strategien, Investitions- und Finanzierungsabsichten sowie Produktentwicklung und Forschung, aber auch technische Informationen, etwa zu bestimmten Herstellungsverfahren, oder kaufmännische Informationen, wie der Kundenstamm des Unternehmens. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG besagt, dass Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren haben. Diese Pflicht gilt nach § 116 S. 1 AktG entsprechend auch für Aufsichtsratsmitglieder. Gemäß § 116 S. 2 AktG sind sie insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Diese Norm hat allerdings lediglich klarstellenden Charakter.197 aa) Konkretes Auskunftsverlangen Derartige vertrauliche Informationen können offengelegt werden, sofern dies im Interesse der Gesellschaft liegt.198 Insbesondere ist es zulässig, vertrauliche Informationen im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung offenzulegen, sofern die Gesellschaft ein eigenes und ihr Geheimhaltungsinteresse überwiegendes Interesse an

196

Siehe auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (303). Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 29; KK/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 37. 198 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 27; Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 31; Banerjea, ZIP 2003, S. 1730. 197

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dem Zustandekommen des Erwerbsgeschäfts hat.199 Notwendig ist jedoch, dass das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft durch Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non-disclosure agreements, confidentiality agreements) möglichst weitreichend geschützt wird. Die von Lutter vertretene Ansicht erlaubt die Offenlegung von Daten, welche das gesamte Unternehmen der Gesellschaft betreffen, hingegen nur, sofern „es sich um ein ungewöhnliches und überragendes, anders nicht erreichbares, eigenes unternehmerisches Interesse der Gesellschaft handel(t), gewissermaßen um eine einmalige und unwiederbringliche unternehmerische Chance.“200 Diese Auffassung postuliert damit eine Vorrangstellung der Geheimhaltungspflicht, welche nicht zu begründen ist, denn die Geheimhaltungspflicht geht nicht weiter als das Interesse der Gesellschaft.201 So stellt auch § 404 Abs. 1 AktG nur die „unbefugte“ Offenbarung unter Strafe, die gerade im Rahmen von Due DiligencePrüfungen regelmäßig nicht vorliegen wird.202 Fraglich ist allerdings, ob es dem Vorstand gestattet ist, dem am Erwerb einer Minderheitsbeteiligung interessierten Investor vertrauliche Informationen zur Durchführung einer Due Diligence-Prüfung im Hinblick auf die Gesellschaft zu verschaffen.203 Dies ist bei aktivistischen Aktionären, deren Beteiligung der Gesellschaft die dargestellten Schwierigkeiten verschaffen kann, im Zweifel nicht der Fall. Es mag aber im Interesse der Gesellschaft liegen, dann ausnahmsweise Informationen zur Verfügung zu stellen, sofern der Aktionär angibt, durch öffentlich zugängliche Informationen Missstände identifiziert zu haben, die jedoch durch die vertraulichen Angaben der Gesellschaft entkräftet werden können.204 bb) Generelle Auskunftserteilung über vertrauliche Informationen Eine generelle Auskunftspflicht besteht neben den gesetzlich normierten, individuellen Auskunftsansprüchen (§§ 131, 293 g Abs. 3, 295 Abs. 2 S. 3, 319 Abs. 3 S. 5, 320 Abs. 4 S. 3, 326 AktG, § 64 Abs. 2 UmwG) hingegen nicht. Eine dahingehende Bindung, dem aktivistischen Aktionär generell vertrauliche Informationen zu verschaffen, würde auch gegen die Geheimhaltungspflicht der §§ 93 Abs. 1 S. 3, 116 S. 1, 2 AktG verstoßen, denn ein dies überwiegende Interesse der Gesellschaft an dem Engagement dieses Aktionärs wird regelmäßig nicht zu begründen sein. Auch wird sich der Verstoß gegen § 53a AktG in diesem Zusammenhang nicht rechtfertigen lassen. 199 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 27; Banerjea, ZIP 2003, S. 1730. 200 Lutter, ZIP 1997, 613 (617). Zustimmend Ziemons, AG 1999, 492 (495). 201 So zu Recht Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 32; MüKoStGB/Kiethe, § 404 AktG, Rn. 59; Müller, NJW 2000, 3452 (3454 f.). 202 Vgl. MüKoStGB/Kiethe, § 404 AktG, Rn. 58 ff. 203 Für den Fall des Aktienerwerbs über die Börse generell zustimmend Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1731 f.). 204 Vgl. Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (303 f.).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

d) Nichtausnutzen eines genehmigten Kapitals und die Entscheidungen der Münchener Gerichte In der Vergangenheit enthielten Investorenvereinbarungen häufig Regelungen, wonach es dem Vorstand untersagt war, kein genehmigtes Kapital i. S. d. § 202 AktG auszunutzen. Zweck dieser Regelung war aus Sicht der Investoren, dass ihr Engagement durch die Ausgabe neuer Aktien nicht verwässert werden sollte. Das LG München I hatte demgegenüber die Abrede, wonach der Vorstand ohne die Zustimmung des Investors weder genehmigtes Kapital i. S. d. § 202 AktG ausnutzen noch die Ausgabe von Aktienoptionen oder ähnlichen Instrumenten unterstützen noch einen Teil oder alle eigenen Aktien oder neue eigene Aktien veräußern oder erwerben dürfe, für nach § 134 BGB nichtig gehalten.205 Zur Begründung führte es aus, dass diese Klausel gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung und den Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung einer Aktiengesellschaft durch den Vorstand verstoße.206 Ferner übe ein Aktionär seine Rechte im Rahmen der Hauptversammlung aus. Diese könne gemäß § 119 Abs. 2 AktG mit Maßnahmen der Geschäftsführung nur befasst werden, wenn der Vorstand dies verlange. Hingegen obliege die Leitung einer Aktiengesellschaft aufgrund von § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand. Diese Kompetenzverteilung stelle zwingendes Recht dar, weshalb für statuarische und insbesondere für vertragliche Änderungen kein Raum bleibe.207 Ferner könne ein einzelner Aktionär schon nicht – unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen – mit der Hauptversammlung gleichgesetzt werden. Weiterhin sei die Entscheidung, von einer aufgrund § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG erteilten Ermächtigung Gebrauch oder keinen Gebrauch zu machen, originäre Aufgabe des Vorstandes, welche im Ermächtigungsbeschluss allenfalls an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden werden könne.208 Eine Erwerbs- oder Veräußerungsentscheidung oder die Ausübung genehmigten Kapitals nach § 202 AktG könnten daher nicht von der Zustimmung eines Aktionärs abhängig gemacht werden. In einer solchen Klausel liege schließlich eine unzulässige Selbstbindung des Vorstands, weil sich dieser nicht durch das Zustimmungserfordernis Dritter seiner Freiheit begeben dürfe, welche dem Interesse aller Aktionäre an der Gleichbehandlung und dem Erhalt von Wert und Quote ihrer Beteiligung diene.209 Auch werde die Freiheit des Vorstands verletzt, unternehmerische Entscheidungen eigenverantwortlich treffen zu können. Das OLG München hat die Auffassung des Landgerichts im Wesentlichen bestätigt.210 Diese Entscheidungen sind kritikwürdig. Wie bereits eingangs festgestellt, kann nur dort von einem unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Leitungsmacht des 205 LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HKO 20488/11, NZG 2012, S. 1152 ff.; siehe hierzu auch Otto, NZG 2013, 930 (935 f.). 206 LG München I, NZG 2012, 1152 (1153). 207 LG München I, NZG 2012, 1152 (1153). 208 LG München I, NZG 2012, 1152 (1153). 209 LG München I, NZG 2012, 1152 (1153). 210 Siehe OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, AG 2013, 173 (176).

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Vorstands ausgegangen werden, wo dieser sich seiner Entscheidungsmacht in den zentralen Bereichen der Unternehmensleitung begibt. Beschränkt sich die Selbstbindung allein auf die Frage der Ausnutzung oder Nichtausnutzung eines genehmigten Kapitals, liegt kein Eingriff in diesen Kernbereich vor, sofern die generelle Entscheidung, wie die Finanzierungsstruktur der Gesellschaft zu gestalten ist, weiterhin beim Vorstand verbleibt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung einer Aktiengesellschaft liegt hier damit nicht vor. Es stellt auch keinen Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung dar, wenn bereits in der Investorenvereinbarung geregelt ist, dass der Vorstand das genehmigte Kapital nicht ausnutzen wird. Denn es liegt im freien unternehmerischen Ermessen des Vorstands, diese Maßnahme vorzunehmen oder von ihr – auch im Rahmen einer Vereinbarung mit einem Dritten – abzusehen. Nur sofern die positive wie negative Entscheidung über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals von der Zustimmung eines einzelnen Aktionärs oder Investors abhängig ist, liegt ein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung vor. In diesem Fall tritt das Votum des einzelnen Aktionärs an die Stelle der Hauptversammlung, was im Widerspruch zur Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft stünde, denn alleine die Hauptversammlung schafft nach § 202 Abs. 2 AktG durch Satzungsänderung genehmigtes Kapital und kann dies auch wieder durch Aufhebungsbeschluss rückgängig machen.211 Darf hingegen ein einzelner Aktionär über die Ausnutzung und Nichtausnutzung des genehmigten Kapitals befinden, wird die Zuständigkeit der Hauptversammlung an dieser Stelle umgangen. Insofern ist den beiden Entscheidungen zuzustimmen. Nach der hier vertretenen Ansicht und entgegen der Auffassung der Münchener Gerichte kann der Vorstand daher in einer Investorenvereinbarung die Möglichkeit zur Ausnutzung eines genehmigten Kapitals ausschlagen. Unzulässig ist es hingegen, wenn die Ausnutzung von der Entscheidung des Vertragspartners abhängig gemacht wird. Dies muss der Aufsichtsrat vor Erteilung seiner Zustimmung zu dem Vertrag prüfen. e) Abgabe von Gewährleistungen und Haftungsansprüche Es kommt vor, dass Investoren die Abgabe von Gewährleistungen bezüglich der wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft einfordern, etwa für den Fall, dass sich nach Übernahme der Aktien herausstellt, dass die erworbenen Gesellschaftsanteile weniger werthaltig sind als vom Investor zum Zeitpunkt des Erwerbs angenommen. Solche Gewährleistungen werden auch im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Verhältnisse und Rechtsverhältnisse mit Gesellschaftsexternen, wie wesentliche Liefer- oder Lizenzverträge, gewerbliche Schutzrechte oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen eingefordert.212 Gegenstand dieser Gewährleistungen und Garantien kann auch die Richtigkeit eines oder 211 212

Vgl. MüKoAktG/Bayer, § 202 Rn. 47 f. Vgl. Weinheimer/Renner, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, Rn. 14.63.

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

mehrerer zurückliegender Jahresabschlüsse sein. Mit der Vereinbarung von Gewährleistungen und Garantien geht die Möglichkeit von Haftungsansprüchen des Investors gegenüber der Gesellschaft einher. aa) Gesetzliche Haftungsansprüche und Kapitalerhaltungsgrundsatz Dies lenkt den Fokus zunächst auf die Fragestellung, ob Aktionäre gegenüber der Aktiengesellschaft überhaupt gesetzliche Haftungsansprüche auf Rückgewähr ihrer Einlage, etwa im Falle von Prospekthaftungsansprüchen, entgegen dem Grundsatz der Kapitalerhaltung erfolgreich geltend machen können. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung besagt, dass jede Ausschüttung der Gesellschaft an ihre Aktionäre strikt untersagt ist, soweit diese nicht aus Bilanzgewinn erfolgen kann.213 Schutzgegenstand des § 57 AktG, der die zentrale aktienrechtliche Vorschrift der Kapitalerhaltung ist,214 ist das gesamte Gesellschaftsvermögen der AG nebst den gesetzlichen Rücklagen und freien Reserven mit Ausnahme des förmlich festgestellten Bilanzgewinns.215 Das Reichsgericht hatte zunächst der Kapitalerhaltung dem Vorrang gegenüber Schadensersatzansprüchen von Aktionären eingeräumt216 und später konkretisiert, dass dies sowohl bei originärem als auch bei derivativem Erwerb gelten solle217. Von dieser Rechtsprechung kehrte das Reichsgericht später nur teilweise und insofern ab, als es allein beim originären Erwerb von Aktien dem Kapitalerhaltungsgrundsatz Vorrang vor den Haftungsansprüchen des Aktionärs einräumte, nicht jedoch beim derivativen Erwerb eigener Aktien der Gesellschaft.218 In den Jahrzehnten danach herrschte deshalb die Ansicht vor, dass der Grundsatz der Kapitalaufbringung sowohl einer Anfechtung als auch einer Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschaft allein beim originären Aktienerwerb entgegenstehe, während die Aktiengesellschaft bei der Wiederveräußerung (derivativ) erworbener eigener Aktien dieselben Pflichten wie ein anderer Verkäufer habe und der Kapitalerhaltungsgrundsatz die Rückabwicklung des Erwerbs wegen Anfechtung sowie Schadensersatzansprüchen nicht ausschließe.219 Unter Hinweis darauf, dass es sich bei den §§ 77, 45, 46 BörsG a. F. gegenüber § 57 AktG um leges posteriores sowie leges speciales handele, lehnte das LG Frankfurt am Main als erstes den Vorrang des Kapitalerhaltungsgrundsatz gegenüber der börsenrechtlichen Prospekthaftung unabhängig davon ab, ob es sich um einen Erwerb durch Zeichnung oder durch (derivatives) Umsatzgeschäft handelt.220 Für den Fall der Haftung einer Aktiengesellschaft auf Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung der 213 214 215 216 217 218 219 220

Langenbucher, ZIP 2005, S. 239. MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 1. Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 57 Rn. 1; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 6. RG, Urt. v. 14.3.1903 – I 371/02, RGZ 54, 128 (130 ff.). RG, Urt. v. 8.11.1905 – I 154/05, RGZ 62, 29 (30 f.). RG, Urt. v. 28.4.1909 – I 254/08, RGZ 71, 97 (99 ff.). Siehe Bayer, WM 2013, 961 (964 f.) m. w. N. LG Frankfurt am Mai, Urt. v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, AG 1998, 488 (491).

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erworbenen Aktien nach § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB, § 400 AktG, jeweils i. V. m. § 31 BGB, aufgrund fehlerhafter Ad hoc-Mitteilungen bei einem derivativen Aktienerwerb entschied schließlich der BGH, dass der Kapitalerhaltungsgrundsatz gegenüber der Haftung unabhängig von der Art des Aktienerwerbs zurückstehen müsse, und die Haftung nicht auf das freie Vermögen, d. h. auf einen das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage übersteigenden Betrag, beschränkt sei.221 Seither hat sich die Ansicht in der Literatur durchgesetzt, dass die Haftung von Aktiengesellschaften aufgrund fehlerhafter Kapitalmarktinformationen bei der Kapitalmarktinformationshaftung und auch bei der Börsenprospekthaftung sowohl beim originären als auch beim derivativen Erwerb durch die Kapitalerhaltungsvorschriften weder ausgeschlossen noch begrenzt werden.222 Begründet wird dies zum einen mit der Aussage des Gesetzgebers in der Begründung zum 3. FMFG223, wonach Aktiengesellschaften sich im Rahmen der Haftung gegenüber dem Anspruchsteller nicht auf das aktienrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 AktG und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien berufen könnten und die Prospekthaftungsregelungen insoweit abschließende Spezialregelungen enthielten, die den allgemeinen Grundsätzen vorgingen.224 Auch europäisches Recht steht dem nicht entgegen. Zum einen unterfällt die Haftung für kapitalmarktrechtliche oder anderweitige gesetzliche Schadensersatzansprüche nicht dem Begriff der „Ausschüttung“ i. S. d. Art. 56 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie225, welcher nach Art. 56 Abs. 4 insbesondere die Zahlung von Dividenden und von Zinsen für Aktien erfasst. Zwar ist Zweck der Richtlinie ausweislich ihres 40. Erwägungsgrunds, „das Kapital als Sicherheit für die Gläubiger zu erhalten, indem insbesondere untersagt wird, dass das Kapital durch nicht geschuldete Ausschüttungen an die Aktionäre verringert wird“, weswegen auch verdeckte Vermögensverlagerungen vom Begriff der „Ausschüttungen“ erfasst werden müssen.226 Die Vorschrift will jedoch nur sicherstellen, dass Verwaltung und Aktionäre das Kapital der Gesellschaft nicht zum Nachteil der Gläubiger schmälern.227 Deshalb erfasst ihr Ausschüttungsverbot auch nicht die Befriedigung kapitalmarktrechtlicher oder deliktischer Ansprüche von Aktionären. Dies wäre auch vom

221

BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, WM 2005, 1358 (1360). Siehe Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 47 ff.; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 66 f.; MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 22 ff.; Grigoleit/Grigoleit/ Rachlitz, AktG, § 57 Rn. 6; Bayer, WM 2013, 961 (967 ff.). 223 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz – 3. FMFG), BGBl. I 1998, Nr. 18, S. 529. 224 Begr. RegE v. 6.11.1997, BT-Drs. 13/8933, S. 78. 225 Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts. 226 Bayer, WM 2013, 961 (967) zu Art. 15 der abgelösten, aber insofern identischen Kapitalrichtlinie (RL 77/91/EWG des Rates v. 13.12.1976). 227 Bayer, WM 2013, 961 (967). 222

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Wortsinn der „Ausschüttung“ nicht mehr gedeckt.228 Ferner verpflichtet Art. 11 der Prospektverordnung229 die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Emittenten für die Richtigkeit der in einem Prospekt enthaltenen Angaben haften. Die Vereinbarkeit eines gegenüber dem Gläubigerschutz vorrangigen Anlegerschutzes wird hierdurch bestätigt.230 Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach Art. 59 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie kann damit einer Schadensersatzleistung der Gesellschaft nach Maßgabe kapitalmarktrechtlicher oder deliktischer Ansprüche ebenso wenig entgegenstehen. Ferner soll das grundsätzliche Verbot, eigene Aktien zu erwerben, allein dafür sorgen, dass der willkürliche Erwerb eigener Aktien nur innerhalb der vorgegebenen Grenzen möglich ist.231 Eine darauf aufbauende Begrenzung der Haftung der Gesellschaft entgegen den vorstehenden Überlegungen wäre hingegen widersinnig. Zu Recht hatte der EuGH daher auch zur alten Kapitalrichtlinie entschieden, dass diese nicht nationalen Regelungen entgegenstehe, welche im Rahmen der Umsetzung u. a. der Prospektrichtlinie vorsieht, dass Aktiengesellschaften als Emittenten gegenüber Erwerbern von Aktien dieser Gesellschaften wegen Verletzung von Informationspflichten haften und die Verpflichtung der Aktiengesellschaften beinhaltet, aufgrund dieser Haftung dem jeweiligen Erwerber den Erwerbspreis zurückzuzahlen und die Aktien zurückzunehmen.232 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch eine unterschiedliche Behandlung von originärem und derivativem Erwerb nicht mehr aufrechterhalten. Schließlich ist es aus Sicht des fehlinformierten oder getäuschten Aktionärs irrelevant, ob er die Aktien durch unmittelbare Zeichnung, durch derivativen Erwerb von der Emissionsbank auf dem Primärmarkt oder durch derivativen Erwerb auf dem Sekundärmarkt von der Gesellschaft selbst erworben hat.233 In allen Fällen ist die Gesellschaft für den Schaden des Aktionärs verantwortlich. Zuletzt gibt es keinen einleuchtenden Grund, die sonstige kapitalmarktrechtliche oder deliktische Haftung anders als die Prospekthaftung zu behandeln.234 Im Ergebnis steht daher § 57 AktG der gesetzlichen Haftung der Aktiengesellschaft aus §§ 826 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG, §§ 97, 98 WpHG, § 21 WpPG235 oder § 20 VermAnlG236 nicht entgegen.237

228

Bayer, WM 2013, 961 (967). Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017. 230 Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 49 noch zu Art. 6 der ersetzten Prospektrichtlinie (RL 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003). 231 Bayer, WM 2013, 961 (967). 232 EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – C-174/12, NZG 2014, 215 (216 ff.), Rn. 22 ff., insbes. 45. 233 Bayer, WM 2013, 961 (969). 234 Bayer, WM 2013, 961 (969). 235 Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz – WpPG) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, S. 1698 ff.; im Folgenden auch als WpPG bezeichnet. 229

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bb) Vertragliche Gewährleistungsansprüche Ähnlich wie bei Unternehmenskaufverträgen verlassen sich die Parteien auch im Rahmen von Beteiligungsverträgen nicht allein auf die gesetzlichen Vorschriften, sondern vereinbaren darüber hinaus Gewährleistungen, deren Verletzung vertragliche Haftungsansprüche auslöst. Für Investoren liegt die Schwierigkeit offensichtlich darin begründet, dass die gesetzlichen Bestimmungen die Haftung von häufig restriktiven Voraussetzungen abhängig machen, wie bei § 826 BGB die Sittenwidrigkeit des schädigenden Verhaltens, bei § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Gesellschaft, im Rahmen von §§ 97 f. WpHG das Unterlassen einer den Emittenten betreffenden Insiderinformation oder die Veröffentlichung einer ihn betreffenden unwahren Insiderinformation sowie bei § 21 WpPG und § 20 VermAnlG die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts. Allein aufgrund der Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft im Nachhinein anders als ursprünglich dargestellt herausstellen oder entwickeln, muss jedoch noch nicht zwingend einer der vorgenannten Haftungsansprüche erfüllt sein. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Investoren bemüht sind, Gewährleistungen und damit verbunden Haftungsansprüche vertraglich festzulegen. Problematisch an der Abgabe solcher Gewährleistungen ist aus Sicht der Gesellschaft, dass die ursprünglich geleistete Einlage im Haftungsfall ganz oder in Teilen an den Investor bzw. (künftigen) Aktionär zurückfließen würde.238 Solche Leistungen könnten damit wiederum aufgrund eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr an den Aktionär gemäß dem Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 57 AktG unzulässig sein.239 Untersagt sind hierdurch nicht nur offene Ausschüttungen, sondern auch verdeckte Zuwendungen an Aktionäre. Da von der Norm ferner nicht nur tatsächliche Leistungen, sondern bereits die rechtliche Verpflichtung zu verbotenen Leistungen erfasst werden,240 soll bereits die Vereinbarung der entsprechenden Gewährleistungsklausel nichtig sein. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BGH richtigerweise und entgegen der früher herrschenden Mei-

236

Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagengesetz – VermAnlG) v. 6.12.2011, BGBl. I 2011, S. 2481 ff.; im Folgenden auch als VermAnlG bezeichnet. 237 Vgl. nur Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 47 ff. 238 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (584); Sieger/Hasselbach, BB 2004, 60 (62). 239 Im Falle der Übernahme von Aktien bei Durchführung einer Kapitalerhöhung wird ein Verstoß gegen das Prinzip der Kapitalaufbringung in der Regel schon deshalb nicht vorliegen, weil im Zeitpunkt der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung die Sach- oder Bareinlage der Gesellschaft bei Volleinzahlung durch den Neuaktionär komplett zur Verfügung stehen wird. Die Realisierung einer Gewährleistung oder Garantie würde zeitlich erst deutlich später einsetzen und wäre nicht mehr am Grundsatz der Kapitalaufbringung zu messen (vgl. Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (586)). 240 Siehe nur MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 12 m. w. N.

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nung241 bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr weder das der verbotenen Leistung an den Aktionär zugrunde liegende Verpflichtungs- noch das Erfüllungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig, weil sich aus § 62 AktG eine andere Rechtsfolge ergibt und diese Rechtsfolge zudem mit dem Bereicherungsrecht in Konkurrenzprobleme geraten würde.242 Trotz ihrer Wirksamkeit ist es dem Vorstand verwehrt, solche Vereinbarungen zu schließen, die im Widerspruch zum Kapitalerhaltungsregime des § 57 AktG stehen. Vorstands- sowie Aufsichtsratsmitglieder haften zudem nach Maßgabe von § 93 Abs. 3 Nrn. 1, 2 und 5 i. V. m. § 116 S. 1 AktG für verbotswidrige Vermögenszuwendungen an Aktionäre.243 Nach richtiger Ansicht ist es dabei unerheblich, dass der Investor zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch gar nicht Aktionär der Gesellschaft ist, sondern diese Eigenschaft erst nach der Unterzeichnung erlangt. Denn auch künftige Aktionäre fallen unter den Anwendungsbereich von § 57 AktG, wenn zwischen der verbotswidrigen Leistung – als solche gilt bereits, wie bereits dargelegt, die rechtliche Verpflichtung zu einer nach § 57 AktG verbotenen Leistung – und dem Erwerb der Aktien ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Leistung mit Rücksicht auf die künftige Aktionärseigenschaft erfolgt.244 Dies wird in den meisten Fällen zutreffen, denn der Erwerb der Aktien erfolgt regelmäßig im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Investorenvereinbarung und der Abgabe der darin enthaltenen Gewährleistungserklärungen. Aus dem Kapitalerhaltungsregime des § 57 AktG folgt zwar deshalb kein generelles Verbot, mit Aktionären oder Investoren Drittgeschäfte zu schließen. Voraussetzung ist aber, dass ein solches Geschäft durch „einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt“ ist, wie § 57 Abs. 1 S. 3 AktG klarstellt. Daraus wird gefolgert, dass der Leistung der Aktiengesellschaft eine äquivalente und marktgerechte Gegenleistung gegenüberstehen muss. Nach der Auffassung des Gesetzgebers und der Rechtsprechung bemisst sich dies nach einer bilanziellen Betrachtungsweise.245 Auf den vor Einfügung von S. 3 abgestellten Drittvergleich, also ob die Gesellschaft die Gewährleistungen zu gleichen Bedingungen auch mit einem unabhängigen Dritten vereinbart hätte und die Ausgestaltung des konkreten Rechtsgeschäfts nicht durch das zukünftige mitglied241 Siehe die Nachweise bei MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 227 sowie Fleischer, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 57 Rn. 73. 242 BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 179/12, BGHZ 196, 312 (315 ff.); siehe hierzu auch Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 73 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 57 Rn. 32. 243 Siehe Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 76; MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 239; Hüffer/Koch, AktG, § 57 Rn. 32. 244 BGH, Urt. v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, AG 2008, 120 (121); MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 113; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 57 AktG Rn. 33; Hüffer/Koch, AktG, § 57 Rn. 18. 245 Vgl. die Begr. RegE zu dem insofern gleichlautenden § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG in dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 25.7.2007, BT-Drs. 16/6140, S. 41; BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09, BB 2011, 2059 (2061).

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schaftliche Verhältnis zwischen AG und Investor beeinflusst wurde,246 muss auch hier zurückgegriffen werden. Bei Austauschgeschäften ist nach Maßgabe des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG entscheidend, ob die Gesellschaft einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch hat.247 Dabei erleichtert das Bestehen von Marktpreisen (und insofern die Möglichkeit des Marktvergleichs des Geschäfts) die Entscheidung, ob die Gegenleistung als vollwertig und angemessen anzusehen ist.248 Regelmäßig wird sich jedoch für die Abgabe der hier in Rede stehenden Gewährleistungen kein Marktvergleich aufstellen oder sich überhaupt ein „Markt“ für derartige Absprachen finden lassen.249 Diese sind vielmehr gerade deshalb problematisch, weil sie dem Aktionär im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft gewährt werden und der Aktionär der Gesellschaft nicht wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt.250 Eine Lösung dieses Problems ist bislang nicht in Sicht. Insbesondere wird es zumeist schwierig sein, etwaige Gegenleistungen des Investors rechnerisch-bilanziell mit der Gewährleistungszusage der Gesellschaft zu vergleichen. Maidl und Kreifels wollen hingegen Garantien der Gesellschaft insofern zulassen, sofern die dadurch begründete Verpflichtung das Kernkapital der Gesellschaft (Grundkapital und obligatorische Rücklagen) nicht angreift.251 Diese Unterscheidung wurde auch im Rahmen der Diskussion über den Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftung und der Kapitalmarktinformationshaftung gegenüber § 57 AktG als mögliche Lösung angesprochen, ist aber auch dort mit Rücksicht auf die rechtspraktischen und bilanzrechtlichen Schwierigkeiten abzulehnen.252 Zudem ist der implizite Verweis auf die Ausnahmen vom Kapitalerhaltungsgrundsatz deshalb verfehlt, weil hier, wie bereits angesprochen, allein spezialgesetzliche Vorschriften der allgemeinen Regelung des § 57 AktG vorgehen und sich daraus keine verallgemeinerungsfähige Ausnahme bilden lässt. Für vertragliche Vereinbarung von Gewährleistungen und Garantien sowie die damit zusammenhängenden vertraglichen Haftungsansprüche können diese Ausnahmen nicht gelten. Hier bleibt es beim Vorrang von § 57 AktG. Kiefner setzt hingegen an die Aktionärseigenschaft an und vertritt die Meinung, dass der Investor zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht als Aktionär anzusehen und deshalb der Anwendungsbereich des § 57 AktG zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet sei.253 Er begründet dies damit, dass auch bei Eigenkapitalinvestitionen ein legitimes Interesse an einem Investitionsschutz bestünde, 246

Siehe die Nachweise bei Brandi, NZG 2004, 600 (605). Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 57 Rn. 8 f.; ähnlich Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 57 Rn. 44, dem zufolge die Drittvergleichsprüfung im Deckungsverbot aufgeht. 248 Vgl. Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 21. 249 Vgl. Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (587). 250 Im Grundsatz daher ablehnend etwa Schall, in: Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht, 75 (97 f.). Vgl. hingegen zur Prospekthaftung der Gesellschaft gegenüber den Aktionären Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 47 ff. 251 Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093). 252 Vgl. Bayer, WM 2013, 961 (969). 253 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547 (586 f.). 247

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vergleichbar mit der wirtschaftlichen Rechtfertigung von Gewährleistungen bei der Fremdkapitalaufnahme durch die Gesellschaft. Diese Begründung mag zwar aus wirtschaftlicher Perspektive plausibel sein, widerspricht aber dem Grundsatz, dass auch Leistungen an einen künftigen Aktionär nach § 57 AktG zu messen sind, sofern zwischen Erlangung der Aktionärsstellung und Vornahme der Leistung ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Zuwendung causa societatis erfolgt. Dies ist, wie bereits festgestellt, in den meisten einschlägigen Szenarien der Fall. Allein aus wirtschaftlichen Erwägungen kann der aus Gründen der Kapitalerhaltung sehr weite Anwendungsbereich des § 57 AktG nicht eingeschränkt werden. Dies wäre allein Angelegenheit des Gesetzgebers. Brandi fragt hingegen bei der Beurteilung der kapitalerhaltungsrechtlichen Zulässigkeit des Geschäfts, ob dieses im betrieblichen Eigeninteresse der Gesellschaft liegt.254 Nach der hier vertretenen Auffassung von der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime könnte dies etwa der Fall sein, wenn der Gesellschaft besondere Vorteile durch den Investor im Ausgleich für die Abgabe der Gewährleistungen vermittelt würden, etwa die Unterstützung bei der Eröffnung neuer Absatzmärkte, der Abschluss strategischer Partnerschaften oder sogar die Bereitstellung von Know-how. Beide Lösungsansätze können indes nicht überzeugen, denn sie widersprechen dem klaren Wortlaut des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG, der einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch verlangt. Damit scheitern solche Abreden letztlich am Kapitalerhaltungsregime des § 57 AktG, denn der Gewährleistungszusage steht summenmäßig keine Gegenleistung des Investors in mindestens derselben Höhe gegenüber. Aus diesen Gründen bleibt der Aktiengesellschaft die Abgabe solcher Gewährleistungen und Garantien versagt. Entsprechenden Plänen des Vorstands muss der Aufsichtsrat die Zustimmung versagen. f) Vereinbarungen über die Gremienbesetzung Die Gesellschaft kann dem Aktionär keine Sitze im Aufsichtsrat zusprechen.255 Dies erklärt sich zum einen aufgrund der Vorgaben des Aktienrechts, wonach die Mitglieder des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt werden, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden sind oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften gewählt werden (§§ 101 Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Ferner macht allein der Aufsichtsrat der Hauptversammlung nach Maßgabe des § 124 Abs. 3 S. 1 AktG Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern. Der Vorstand hat demgegenüber weder der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag über die Aufsichtsratsbesetzung zu unterbreiten noch auf sonstige Weise Einfluss auf die Wahl der Personen auszuüben, welche ihn schließlich kontrollieren werden. Folglich kann der Vorstand auch keine Verpflichtung zur personellen Besetzung des Aufsichtsratsgremiums eingehen. Die 254

So Brandi, NZG 2004, 600 (605). Dahingehend auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (301); Kiem, AG 2009, 301 (309 f.). 255

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Vertretungsmacht des Vorstands ist zwar grundsätzlich nach § 78 Abs. 1 AktG unbeschränkt und nach § 82 Abs. 1 AktG unbeschränkbar.256 Eine dahingehende Bindung des Vorstands selbst oder der durch ihn vertretenen Gesellschaft wäre dennoch von Anfang an in rechtlicher Hinsicht unmöglich, denn zuständig zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ist allein die Hauptversammlung.257 Nach §§ 311a Abs. 1, 278 Abs. 1 BGB würde dies zwar nicht die Wirksamkeit des Vertrags berühren, könnte aber für den Investor unter den Voraussetzungen des § 311a Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz auf das positive Interesse oder auf Aufwendungsersatz begründen.258 Zwar wird dem Investor regelmäßig die Unmöglichkeit der Erfüllung dieser Abrede bewusst sein. Kenntnis wie auch Kennenmüssen führen jedoch nicht zu einem Entfallen der Ersatzpflicht des Schuldners, sondern sind allein nach § 254 BGB als anspruchsminderndes Mitverschulden zu berücksichtigen.259 Üblicherweise kommt es im Rahmen der Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB nicht zur gänzlichen Nivellierung des Schadensersatzanspruches, sondern zu einer Teilung.260 Folglich wird in solchen Fällen, in denen sowohl dem Schädiger als auch dem Geschädigten die Unmöglichkeit des Leistungsversprechens bewusst war, letztlich Schadensersatz zu leisten sein. Der Aufsichtsrat ist allein deshalb gehalten, den Vertragsentwurf vor Abschluss zu überprüfen und den Vorstand auf die Unzulässigkeit solcher Bestimmungen hinzuweisen. Allein denkbar ist, dass der Aufsichtsrat zusagt, bestimmte Personen aus dem Kreis des Investors in seinen Vorschlag an die Hauptversammlung nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG einzubeziehen. Im Rahmen des gesetzlichen Vorschlagsrechts obliegt dem Aufsichtsrat jedoch eine „Vorschlagsverantwortung“ und er muss darauf achten, dass die vorgeschlagenen Personen über diejenigen persönlichen und fachlichen Qualifikationen verfügen, welche zur verantwortlichen Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats erforderlich sind.261 Deshalb sind auch hier bedingungslose Zusagen bedenklich und müssen richtigerweise unter dem Vorbehalt der sorgfaltsmäßigen Prüfung der Investorenvertreter durch den Aufsichtsrat stehen. Aus § 136 Abs. 2 AktG ergibt sich zudem, dass die Wahlvorschläge des Aufsichtsrats die Hauptversammlung niemals binden können.262 Um gleichwohl einen Vertreter des Investors zu einem Aufsichtsratsmandat zu verhelfen, ist schließlich denkbar, dass der Vorstand 256

Allgemeine Meinung, siehe nur Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 78 Rn. 7; MüKoAktG/Spindler, § 78 Rn. 26; Hüffer/Koch, AktG, § 78 Rn. 5; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 78 Rn. 9. 257 Vgl. Staudinger/Caspers, § 275 BGB, Rn. 38 ff.; Staudinger/Feldmann, § 311a BGB, Rn. 15. 258 Vgl. MüKoBGB/Ernst, § 311a Rn. 11; Staudinger/Feldmann, § 311a BGB, Rn. 34. 259 BGH, Urt. v. 8.5.2014 – VII ZR 203/11, BGHZ 201, 148 (157); Erman/Kindl, BGB, § 311a Rn. 10; MüKoAktG/Ernst, § 311a Rn. 68; Staudinger/Feldmann, § 311a BGB, Rn. 54 f. 260 Vgl. Staudinger/Schiemann, § 254 BGB, Rn. 111 ff.; MüKoBGB/Oetker, § 254 Rn. 117 ff. 261 Siehe hierzu 3. Kapitel § 11. 262 Siehe Kiem, AG 2009, 301 (310).

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im Anschluss an die Amtsniederlegung eines Aufsichtsratsmitglieds einen Investorenvertreter als Nachfolger im Rahmen der gerichtlichen Bestellung nach § 104 AktG vorschlägt und das Gericht diesen infolgedessen ernennt.263 Aufgrund des naturgemäß unsicheren Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens sollte aber auch hier von verbindlichen Zusicherungen abgesehen werden. Auf Bedenken stößt ferner eine Verpflichtung des Vorstands gegenüber dem Vorstand, von seinem Amt innerhalb einer bestimmten Frist zurückzutreten.264 Für die Bestellung des Vorstands und den Widerruf der Bestellung ist zum einen nach § 84 AktG allein der Aufsichtsrat zuständig. Ferner kann der Vorstand zwar durch einseitige Erklärung von seinem Amt zurücktreten.265 Auch ist die einvernehmliche Aufhebung des Vorstandsmandats mit der Zustimmung des Aufsichtsrats möglich, die allerdings einen Beschluss des Gesamtaufsichtsrats erfordert.266 Diese Entscheidung muss vom Aufsichtsrat aber allein im Interesse der Gesellschaft und nicht des Investors gefällt werden. Schwierigkeiten bereiten solche Abreden vor allem deshalb, weil der Vorstand dadurch seine Amtszeit ohne Wissen des Aufsichtsrats, der zunächst von der Ableistung der vollen Amtsperiode durch den Vorstand ausgehen wird, verkürzen würde.267 Folglich sollte auch diese Verpflichtungserklärung unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Aufsichtsrats stehen müssen. Sein Einverständnis hängt allerdings auch hier davon ab, ob die Amtsniederlegung im Interesse der Gesellschaft liegt. 5. Fazit Im Rahmen der dargestellten Beschränkungen ist es dem Vorstand erlaubt, Vorabbindungen in Investorenvereinbarungen mit Aktionären einzugehen. In der Verantwortung des Aufsichtsrats liegt es allerdings, den Vorstand hierbei zu überwachen und zu beraten sowie solche Verträge wenigstens einem Ad hoc-Zustimmungserfordernis zu unterwerfen. III. Strategischer Umgang mit aktivistischen Aktionären Für börsennotierte Gesellschaften ist es häufig schwierig, auf die Initiativen aktivistischer Aktionäre richtig zu reagieren. Im Vorfeld sind eine transparente Kapitalmarktkommunikation und eine selbstbewusste Darstellung der Unterneh-

263

Vgl. Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (301 f.); Kiem, AG 2009, 301 (309). Ablehnend auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (302). 265 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 56; MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 160; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 44; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 141. 266 Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 57; MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 162; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 47; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 144. 267 Siehe auch Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297 (302). 264

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mensstrategie sicherlich von Vorteil.268 Der permanente Kontakt zu Großaktionären sowie die Berücksichtigung und Beantwortung kritischer Äußerungen von Aktionären aber auch von Kapitalmarktanalysten sind gleichermaßen hilfreich, um mögliche Angriffe von vornherein abzuwehren. Indessen mag die Gewinnung eines langfristig beteiligten Minderheitsaktionärs wichtig sein, um die Gesellschaft und ihren Börsenkurs dauerhaft zu stabilisieren, und sollte deshalb von der Verwaltung der Aktiengesellschaft in Betracht gezogen werden.

D. Gewinnung von Ankeraktionären Eine Möglichkeit die Geschäftstätigkeit von Einflussnahmeversuchen aktivistischer Aktionäre unabhängiger zu machen, deren Kampagnen zwar wie dargestellt die kurzfristige Renditesteigerung der Aktionäre, weniger aber den langfristigen Unternehmenserfolg im Blick haben, und zugleich den Aktionärskreis sowie den Kursverlauf einer börsennotierten Aktiengesellschaft zu stabilisieren, ist die Gewinnung von Ankeraktionären (anchor shareholders).269 Erfolgt die Gewinnung eines Ankeraktionärs zudem durch Ausgabe neuer Aktien, verbreitert dies die Eigenkapitalbasis der Gesellschaft. Zudem wird die Kombination aus strategischen Zielen, dem fortlaufenden Austausch zwischen Aktionär und Unternehmensverwaltung sowie der Stabilisierung des Aktionärskreises die Unternehmenswertschöpfung nachhaltig begünstigen,270 was mit dem hier vertretenen Ansatz der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime korrespondiert. Letztlich kann die Gewinnung eines Ankeraktionärs auch positive Signale an den Kapitalmarkt senden.271 Ankeraktionäre haben einen zumindest mittelfristigen Anlagehorizont und streben üblicherweise starke Minderheitspositionen in den Zielunternehmen an, in der Regel zwischen 5 und 30 Prozent der Stimmrechte.272 Ihr Ziel ist zumeist eine langfristige und damit nachhaltige Rendite.273 Als Ankeraktionäre kommen insbesondere Unternehmerfamilien, Finanzinvestoren, Staats- und Pensionsfonds und strategisch interessierte Industrie- und Familienunternehmen in Betracht, seltener auch Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften.274 Bei Industrie- und Familienunternehmen wird insbesondere dann Bereitschaft zu einem Engagement bestehen, wenn sich geschäftliche Berührungspunkte mit der Zielgesellschaft abzeichnen. Weniger geeignet für die Rolle eines Ankeraktionärs sind indessen Hedgefonds sowie Private Equity-Investoren, da deren Anlagehorizont in der Regel wesentlich kürzer ist. 268 269 270 271 272 273 274

Vgl. Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49 (59). Vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (603). So Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (607). Schiessl, AG 2009, 385 (387). Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (602 f.). Plagemann/Rahlmeyer, NZG 2015, 895 (896). Schiessl, AG 2009, 385 (386); Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (603 f.).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

I. Restriktionen durch eine (aktienrechtliche) Neutralitätspflicht? Vor Inkrafttreten des WpÜG im Jahre 2002275 wurde überwiegend angenommen, dass der Vorstand einer sogenannten Neutralitätspflicht unterliege und deshalb keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen dürfe.276 Dogmatisch wurde das Neutralitätsgebot entweder als echte Organpflicht des Vorstandes i. S. d. § 76 AktG oder als Kompetenzregelung zugunsten der Hauptversammlung verstanden.277 Zur aktienrechtlich Herleitung der Neutralitätspflicht wurde vor allem das Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre, die Funktion des Vorstands als Wahrer von Fremdinteressen, die es ihm verbietet, auf die Zusammensetzung der Aktionäre Einfluss auszuüben, und die Unzulässigkeit von auch nur mittelbaren Eingriffen in die Stimmrechtsausübung durch die Aktionäre herangezogen.278 Seit 2002 untersagt schließlich § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG dem Vorstand der Zielgesellschaft, solche Handlungen nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots vorzunehmen, durch welche der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Jedenfalls für die Übernahmephase gibt es daher keinen Anwendungsbereich für ein (weitergehendes) aktienrechtlich begründetes Neutralitätsgebot.279 Wenigstens dann, wenn man diese Norm als kapitalmarktrechtlich verfasste Neutralitätspflicht begreift, könnte außerhalb des Übernahmezeitraums noch Raum für ein verbandsrechtliches Neutralitätsgebot bestehen. Für die kapitalmarktrechtliche Einordnung spricht die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG auf Zielgesellschaften, die auf einem organisierten Markt zugelassen sind; dies sind nach § 2 Abs. 7 WpÜG mithin auf einem regulierten Markt an einer Börse im Inland.280 Hinzu kommt, dass die Beachtung des WpÜG nach § 4 Abs. 1 S. 1 WpÜG von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ausgeübt wird, die gemäß § 4 Abs. 2 WpÜG die ihr nach dem WpÜG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Hingegen spricht für die aktienrechtliche Einordnung, dass § 33 WpÜG gerade das Interesse der Aktionäre 275

Siehe oben 1. Kapitel, Fn. 782. Für ein generelles Neutralitätsgebot etwa KK/Mertens (2. Aufl.), § 76 Rn. 26. Für eine Neutralitätspflicht erst nach Abgabe eines Übernahmeangebots Hopt, ZGR 1993, 534 (542 ff., 553); ders., in: Schneider u. a., FS Lutter, 1361 (1375 ff.); Krieger, ZHR 163 (1999), 343 (357 f.); Mülbert/Birke, WM 2001, S. 705 ff.; Krause, AG 1996, 209 (214). Gegen eine allgemeine Neutralitätspflicht, jedoch für ein „aktienrechtliches Vereitelungsverbot“, wonach der Vorstand gegen den Willen der Aktionäre eine bestimmte Zusammensetzung des Aktionärskreises nicht erzwingen, verteidigen oder verhindern darf, Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (259 ff.). 277 Vgl. die Nachweise bei Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (245). 278 Vgl. Krause/Pötzsch/Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 47; Krause, AG 2000, 217 (218); Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (247). 279 Krause/Pötzsch/Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 50; MüKoAktG/Schlitt, § 33 WpÜG, Rn. 51; Krause, AG 2002, 133 (136); Wolf, ZIP 2008, 300 (301). 280 So Krause/Pötzsch/Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 51. 276

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schützen soll, in ihrer Entscheidung über die Annahme des Übernahmeangebots nicht durch Abwehrhandlungen des Vorstands beeinträchtigt zu werden.281 Hinzu kommt die Auffassung des Gesetzgebers, dem zufolge das Verbot erfolgsverhindernder Maßnahmen durch Vorstand und Aufsichtsrat bereits vor Kodifikation des § 33 WpÜG bestanden hat und dieses gesellschaftsrechtlich aus der Funktion des Vorstands als Fremdinteressenwahrer abzuleiten ist.282 Das streitet gegen die Existenz eines verbandsrechtlichen allgemeinen Neutralitätsgebots außerhalb des Anwendungsbereichs des § 33 WpÜG. Ferner ist zu bedenken, dass andernfalls Maßnahmen des Vorstands ohne Bezug zu einem konkreten Übernahmeangebot an strengeren Maßstäben als dem des § 33 WpÜG zu messen wären, was insbesondere angesichts des weiten Ausnahmetatbestands des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG zu einer sachgrundlosen Unterscheidung führen würde, je nachdem ob sich die Zielgesellschaft in oder außerhalb eines Übernahmeverfahrens befindet.283 Es wäre widersprüchlich, würde man Vorfeldmaßnahmen stärkeren Restriktionen als Verteidigungshandlungen im Rahmen eines konkreten Übernahmeverfahrens unterwerfen.284 Unberührt bleiben die allgemeinen Pflichten des Vorstands zur sorgfaltsmäßigen Geschäftsführung nach §§ 76, 93 AktG.285 Ein allgemeines aktienrechtliches Neutralitätsgebot gibt es jedenfalls nicht.286 Zieht man ferner in Betracht, dass § 33 WpÜG der Sache nach ein Verhinderungs- bzw. Vereitelungsverbot beinhaltet,287 muss es dem Vorstand außerhalb dieser Verbotsnorm erlaubt sein, positiv auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises, etwa durch die Gewinnung eines strategischen Investors, Einfluss zu nehmen. Leitlinie für die Gewinnung des „richtigen“ Ankeraktionärs ist nach der hier vertretenen Auffassung allein die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime. Führt die Beteiligung eines neuen Aktionärs etwa zu einer Stabilisierung des Börsenkurses, zur Erweiterung des Absatzmarktes oder zur Gewinnung zusätzlichen Know-hows, vermag dies den Unternehmenswert langfristig zu steigern und ist damit grundsätzlich zulässig. Sofern sich angesichts der gegenwärtigen Aktionärsstruktur der Gesellschaft die Gewinnung eines Ankeraktionärs aus den vorstehenden Erwägungen empfiehlt, darf der Vorstand, etwa durch gezielte Kontaktaufnahme oder die Unterstützung des Aktienerwerbs, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises einwirken.288 Der Aufsichtsrat hat diesen Prozess wiederum beratend und überwachend zu begleiten. 281

Vgl. MüKoAktG/Schlitt, § 33 WpÜG, Rn. 6, 9. Begr. RegE v. 5.10.2001, BT-Drs. 14/7034, S. 57. 283 Vgl. Krause, AG 2002, 133 (136). 284 v. Falkenhausen, NZG 2007, S. 97. 285 Vgl. MüKoAktG/Schlitt, § 33 WpÜG, Rn. 51. 286 So auch Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 40; Wolf, ZIP 2008, 300 (301 f.); unentschieden hingegen BGH, Beschl. v. 22.10.2007 – II ZR 184/06, AG 2008, S. 164. 287 Siehe Brandi, in: Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, § 33 Rn. 10; Krause, AG 2000, 217 (219). 288 Dahingehend auch Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (610); Schiessl, AG 2009, 385 (387). 282

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

II. Barkapitalerhöhung und Bezugsrechtsausschluss Neben oder zusätzlich zu einem Erwerb von bestehenden Aktien von anderen Aktionären, besteht auch die Möglichkeit, dass die Gesellschaft im Rahmen einer Barkapitalerhöhung junge Aktien gegen Bareinlagen an den Investor ausgibt und das Bezugsrecht der Altaktionäre dabei ausschließt (§§ 182, 186 AktG). Diese Maßnahmen fallen zwar in den Handlungsbereich der Hauptversammlung und werden regelmäßig von Seiten des Vorstands initiiert, doch muss sich auch der Aufsichtsrat über die jeweiligen Handlungsoptionen und deren Voraussetzungen im Rahmen seines gesetzlichen Prüfungsauftrages vergewissern. Bei börsennotierten Gesellschaften haben zwar Anfechtungsrisiken sowie das Bestreben, günstige Kapitalmarktverhältnisse kurzfristig ausnutzen zu können, zu einer Präferenz zugunsten der Ausgabe neuer Aktien aus genehmigtem Kapital gegenüber der ordentlichen Kapitalerhöhung geführt.289 Da aber nach der hier vertretenen Ansicht auch dort der Bezugsrechtsausschluss letztlich sachlich gerechtfertigt sein muss und die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital regelmäßig nicht mit Blick auf die Gewinnung von Ankeraktionären vorgenommen wird sowie den nominellen Beschränkungen des § 202 Abs. 3 S. 1 AktG unterliegt, wird sich üblicherweise die reguläre Barkapitalerhöhung als das bessere Instrument anbieten. 1. Barkapitalerhöhung nach § 182 AktG Nach dem gesetzlichen Leitbild beschließt die Hauptversammlung nach § 182 AktG zunächst die Kapitalerhöhung. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Höhe des Ausgabebetrages der neuen Aktien. Grenzen hierfür zieht zunächst das Verbot der Unterpariemission des § 9 Abs. 1 AktG. Gemäß § 9 Abs. 1 AktG dürfen Aktien für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag oder den auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals nicht ausgegeben werden (geringster Ausgabebetrag). Dies gilt auch für die Kapitalerhöhung.290 Gemäß § 9 Abs. 2 AktG ist die Ausgabe für einen höheren Betrag hingegen zulässig. § 183 Abs. 3 AktG legt überdies fest, dass, sofern die neuen Aktien für einen höheren Betrag als den geringsten Ausgabebetrag ausgegeben werden sollen, der Mindestbetrag, unter dem sie nicht ausgegeben werden sollen, im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals festzusetzen ist. Gesetzlich zulässig sind im Grundsatz also nur Pari- und Überpariemissionen.291 Die Hauptversammlung kann ebenfalls auf eine Festsetzung des Ausgabebetrags verzichten und stattdessen die Verwaltung, also den Vorstand, den Aufsichtsrat oder beide Organe gemeinsam, zur Festlegung ermächtigen.292 Allein den Mindestbetrag muss sie nach Maßgabe des § 182 Abs. 3 289 Hölters/Apfelbacher/Niggemann, AktG, § 182 Rn. 5; Busch, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch, § 41 Rn. 4. 290 Hüffer/Koch, AktG, § 9 Rn. 4. 291 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 9 Rn. 4; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 182 Rn. 19 f. 292 Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 182 Rn. 22; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 24.

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AktG festsetzen. Ebenso kann sie einen Höchstbetrag festlegen. Im Übrigen ist aber die Verwaltung verpflichtet, den Ausgabebetrag nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen. Der Beschluss über die Kapitalerhöhung ist schließlich nach Maßgabe des § 184 AktG anzumelden. Im Anschluss daran beginnt die Zeichnung der neuen Aktien nach § 185 AktG. Nach Leistung der Mindesteinlage293 haben der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats nach § 188 Abs. 1 AktG die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Mit Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals ist das Grundkapital nach § 189 AktG erhöht und die Grundkapitalerhöhung wirksam. Erst im Anschluss daran dürfen nach § 191 AktG die neuen Aktien ausgegeben werden. 2. Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 AktG Grundsätzlich hat jeder Aktionär bei einer Kapitalerhöhung nach § 186 Abs. 1 AktG Anspruch auf Zuteilung so vieler neuer Aktien, wie es seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entspricht.294 Ist allerdings die Gewinnung eines bestimmten Aktionärs wesentlicher Zweck der Kapitalerhöhung, muss die Unternehmensverwaltung versuchen, das Bezugsrecht der Altaktionäre im Hinblick auf die neuen Aktien auszuschließen. Das Bezugsrecht kann dabei nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG nur im Beschluss über die Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden. Der Bezugsrechtsausschluss ist daher untrennbarer Bestandteil des Kapitalerhöhungsbeschlusses und fällt damit ebenfalls in die Kompetenz der Hauptversammlung.295 a) Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Bezugsrechtsauschluss ist nach § 186 Abs. 3 S. 2 AktG, dass dem Beschluss neben den in Gesetz oder Satzung für die Kapitalerhöhung aufgestellten Erfordernissen eine Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustimmt. Neben dem weiteren formellen Erfordernis nach § 186 Abs. 4 S. 1 AktG, wonach der Bezugsrechtsauschluss, gemeint ist die Absicht, die Hauptversammlung über einen Bezugsrechtsausschluss beschließen zu lassen,296 ausdrücklich und ordnungsgemäß, d. h. im Vorfeld der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern und mit der Einberufung der Hauptversammlung in der Tagesordnung,297 bekanntgemacht worden sein muss, hat der Vorstand der Hauptversammlung nach § 186 Abs. 4 S. 4 AktG einen schriftlichen Bericht über den Grund für den teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Bezugsrechts zugänglich zu machen und darin den vorge293 294 295 296 297

Siehe MüKoAktG/Schürnbrand, § 188 Rn. 13; Hüffer/Koch, AktG, § 188 Rn. 5. Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 5 ff. Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 20. MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 79. MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 79.

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

schlagenen Ausgabebetrag zu begründen. Zweck des Vorstandsberichts ist es, die Hauptversammlung über die Gründe für den Bezugsrechtsausschluss in Kenntnis zu setzen und dadurch den Aktionären eine fundierte und sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen.298 Der BGH hat hier betont, dass dieser Bericht die Hauptversammlung zuverlässig in die Lage versetzen soll, die Interessen der Gesellschaft an einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss gegenüber anderen Alternativen zu bewerten, die Nachteile für die ausgeschlossenen Aktionäre zu erkennen und beides gegeneinander abzuwägen.299 Zugleich bilde der Bericht in einem etwaigen Anfechtungsprozess eine sichere Ausgangsbasis für die gerichtliche Nachprüfung. Der Vorstandsbericht muss daher diejenigen konkreten Umstände aufführen, welche für die sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses erforderlich sind, wobei insbesondere auf die abwägungsrelevanten Interessen der Aktionäre einzugehen ist sowie darauf, ob das angestrebte Ziel mit milderen Mitteln erreicht werden kann.300 Die Nennung abstrakter Gründe für den Bezugsrechtsausschluss genügt nicht. Ferner ist auch der Ausgabebetrag unter Darlegung der Berechnungsgrundlagen und Bewertungskriterien zu begründen, ebenso wenn die Hauptversammlung keinen Ausgabebetrag oder nur Mindest- bzw. Höchstbetrag festsetzen soll.301 Steht der Zeichner der neuen Aktien schon fest, muss auch dieser benannt werden.302 Allein beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG genügt richtigerweise die Begründung für den vorgeschlagenen Ausgabebetrag sowie für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG.303 Den sachlichen Grund für den Bezugsrechtsausschluss muss der Vorstand hingegen nicht darlegen.304 b) Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Im Rahmen des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG ist der Ausschluss des Bezugsrechts bereits dann materiell zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn von Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet, also nicht fünf Prozent oder mehr unter dem Börsenpreis liegt.305 Dies setzt voraus, dass die Aktien überhaupt einen Börsenpreis haben, d. h. zum Handel im regulierten Markt oder zum Freiverkehr zugelassen sind oder auf einem regulierten Markt in

298

MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 80; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 23. BGH, Urt. v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319 (326). 300 Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 23; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 81 f. 301 Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 23; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 83; MünchHdbGesR/Scholz, § 57 Rn. 136 f.; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 27 ff. 302 Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 23. 303 Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 60; MünchHdbGesR/Scholz, § 57 Rn. 138; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 43. 304 Dies ist jedoch umstr., zur a. A. siehe Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 39 f. 305 Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 42. 299

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einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums gehandelt werden.306 Als Ausgabebetrag gilt der vom Vorstand festgesetzte Betrag.307 Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, bedarf der Bezugsrechtsausschluss keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung,308 sondern die sachliche Rechtfertigung für den Bezugsrechtsausschluss wird vermutet.309 Wem die neuen Aktien zugeteilt werden, liegt zwar im Ermessen des Vorstands.310 Auch die Platzierung nur bei bestimmten Erwerbern ist zulässig.311 Allerdings verlangt die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum dann ausnahmsweise auch bei Vorliegen der Voraussetzungen § 186 Abs. 3 S. 4 AktG eine gesonderte Prüfung anhand des § 53a AktG, wenn nur ein Aktionär zur Zeichnung berechtigt ist.312 In diesem Fall müssen sachliche Gründe die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Dies betrifft indessen nicht den hier in Betrachtung stehenden Fall, dass ein Investor, der bislang nicht Aktionär war, Aktien der Gesellschaft erwerben soll.313 Denn jener ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht Aktionär der Gesellschaft. § 53a AktG kann aber durch eine Begünstigung gesellschaftsexterner Dritter zum Nachteil der bestehenden Aktionäre nicht verletzt werden.314 Ein Bezugsrechtsausschluss, welcher nicht die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG erfüllt, bedarf hingegen der sachlichen Rechtfertigung. Nach dem Kali + Salz-Grundsatzurteil des BGH ist hier eine materielle Beschlusskontrolle erforderlich, sofern nicht ausnahmsweise alle vom Bezugsrechtsausschluss betroffenen Aktionäre zustimmen.315 Die weniger restriktiven „Siemens/Nold“-Grundsätze des BGH können dabei nicht auf die ordentliche Kapitalerhöhung übertragen werden.316 Allein im Rahmen des genehmigten Kapitals nach §§ 202 f. AktG kann die Hauptversammlung das Bezugsrecht der Aktionäre bereits dann ausschließen oder den Vorstand zu dem Bezugsrechtsausschluss er306

Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 39 c; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 42. Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 42. 308 BGH, v. 11.6.2007 – II ZR 152/06, NZG 2007, S. 907; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 39; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 137. 309 Grigoleit/Rieder/Holzmann, AktG, § 186 Rn. 74. 310 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67 (72). 311 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67 (72); Marsch-Barner, AG 1994, 532 (540); Trapp, AG 1997, S. 115 f. 312 MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 139; MünchHdbGesR/Scholz, § 57 Rn. 129, 139; Goette, ZGR 2012, 505 (515 ff.); Martens, ZIP 1994, 669 (677); Marsch-Barner, AG 1994, 532 (540). 313 Insofern missverständlich Schiessl, AG 2009, 385 (388). 314 So zu Recht MüKoAktG/Götze, § 53a Rn. 6. 315 Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 40 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 25; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 88. Aus der Rspr.: BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76 (Kali + Salz), BGHZ 71, 40 (44 ff.); BGH, Urt. v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319 (321 ff.). 316 So zu Recht Hölters/Apfelbacher/Niggemann, AktG, § 203 Rn. 18; MüKoAktG/ Schürnbrand, § 186 Rn. 92; OLG Schleswig, Urt. v. 18.12.2003 – 5 U 30/03, NZG 2004, 281 (284); Bayer, ZHR 168 (2004), 132 (150). 307

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

mächtigen, sofern die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, allein im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben wird.317 Denn hier wird nicht nur perspektivisch über mögliche, sondern über aktuelle Maßnahmen beschlossen.318 „Siemens/Nold“ hat jedoch lediglich bei genehmigtem Kapital den Zeitpunkt verschoben, in welchem die nachstehenden sachlichen Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses dann doch vorliegen müssen, nämlich vom Zeitpunkt des Beschlusses der Hauptversammlung auf den späteren Zeitpunkt des Bezugsrechtsausschlusses bzw. des Gebrauchmachens des Bezugsrechtsausschlusses durch den Vorstand.319 Im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung nach § 182 AktG ist der Bezugsrechtsausschluss deshalb nach überwiegender Auffassung nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn er im Gesellschaftsinteresse liegt320 und zwar unter gebührender Berücksichtigung der Folgen für die ausgeschlossenen Aktionäre.321 Dazu bedarf es einer Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck.322 Daraus folgt als weitgehend anerkannter Prüfungsmaßstab, dass der Bezugsrechtsausschluss bei der Bar- als auch bei der Sachkapitalerhöhung dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn er im Gesellschaftsinteresse liegt, zur Verwirklichung des Gesellschaftsinteresses geeignet und erforderlich ist und in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen der betroffenen Altaktionäre steht.323 Entscheidend dafür, ob der Bezugsrechtsausschluss im Gesellschaftsinteresse liegt, ist, dass das Ziel der Verwirklichung des Bezugsrechtsausschlusses dem Gesellschaftsinteresse dient.324 Interpretiert man mit der hier vertretenen Auffassung das Gesellschaftsinteresse, vorbehaltlich anderslautender Satzungsbestimmungen, im Sinne einer unternehmerischen aktienrechtliche Leitmaxime, der zufolge es Ziel der Organe der Aktiengesellschaft sein muss, nachhaltig den Unternehmenswert zu 317

BGH, Urt. v. 23.6.1997 – II ZR 132/93 (Siemens/Nold), BGHZ 136, 133 ff. OLG Schleswig, Urt. v. 18.12.2003 – 5 U 30/03, NZG 2004, 281 (284). 319 So zu Recht Zöllner, AG 2002, 585 (587). Dies ist zwar umstr., aber wohl überwiegende Meinung, vgl. nur MüKoAktG/Bayer, § 203 Rn. 127 f. sowie Spindler/Stilz/Wamser, AktG, § 203 Rn. 96. Hierauf deuten auch die Aussagen des BGH in Siemens/Nold (BGHZ 136, 133 (136)) hin, wonach der Vorstand von der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss mitunter „nur dann Gebrauch machen (darf), wenn die Durchführung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt.“ Dem BGH zufolge hat der Vorstand die Erfüllung dieser Voraussetzung im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen. Diesem Verständnis entspricht auch eine spätere Entscheidung des BGH (Beschl. v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, WM 2006, S. 432), wonach die „konkrete Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme von der Ermächtigung gedeckt und der Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt ist, (…) der Vorstand – unter Kontrolle des Aufsichtsrats – vorzunehmen (hat), wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht.“ Zur Gegenansicht vgl. MünchHdbGesR/Scholz, § 59 Rn. 59 ff. 320 BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76 (Kali + Salz), BGHZ 71, 40 (44). 321 BGHZ 71, 40 (45 f.); bestätigt in BGH, Urt. v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319 ff. 322 BGHZ 71, 40 (46). 323 Siehe nur Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 43; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 25; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 89; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 34. 324 Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 44. 318

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steigern, genügt es, wenn sich ein Investor infolge des Bezugsrechtsausschluss als Aktionär an der Gesellschaft beteiligt und sich wegen seines Engagements die gewünschte Stabilisierung des Börsenkurses ergibt sowie negative Ausschläge im Börsenkursverlauf vermindert werden können. Treten weitere positive Effekte für die Gesellschaft auf, etwa die Gewinnung zusätzlichen Know-hows oder besserer Absatzchancen, spricht dies umso mehr dafür, dass das intendierte Ziel des Bezugsrechtsausschlusses im Gesellschaftsinteresse liegt. Das Mittel des Bezugsrechtsausschlusses ist auch geeignet, die dargelegten Ziele im konkreten Fall zu verwirklichen. Ferner ist der Bezugsrechtsausschluss regelmäßig dann erforderlich, wenn sich andernfalls das Engagements eines Aktionärs mit angemessener und von der Gesellschaft und dem Investor gewünschten Teilhabequote nicht umsetzen lässt. Ein für die Altaktionäre schonenderes Mittel, nämlich die Kapitalerhöhung unter Berücksichtigung des gesetzlichen Bezugsrechts, steht damit jedenfalls nicht zur Verfügung.325 Fraglich ist aber, ob der Bezugsrechtsausschluss auch verhältnismäßig ist, also ob der Bezugsrechtsausschluss das angemessene und am besten geeignete Mittel zur Verfolgung überwiegender Gesellschaftsinteressen ist.326 Hierbei wird man, schon aufgrund der Begrenzung des § 71 Abs. 2 AktG, die Gesellschaft regelmäßig nicht auf den Erwerb eigener Aktien verweisen können. Angesichts der sachlich zu rechtfertigenden Verwässerung des Mitgliedschaftsrechts der Altaktionäre wird man umso strengere Maßstäbe anlegen müssen, je höher das genehmigte Kapital ist, denn entsprechend schwerer wiegt folglich der Eingriff in die mitgliedschaftliche und vermögensrechtliche Stellung der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre.327 Unter Berücksichtigung der in die Abwägung miteinzubeziehenden Realstruktur der Gesellschaft328, wird man deshalb bei einer börsennotierten Gesellschaft den Bezugsrechtsausschluss im Hinblick auf ein genehmigtes Kapital, das nicht weit über 10 Prozent des Grundkapitals (vgl. § 186 Abs. 3 S. 4 AktG) liegt, als verhältnismäßig ansehen müssen. Grundsätzlich gilt aber, dass je schwerer der Eingriff in die Rechte der Aktionäre ist, desto gewichtiger das Interesse der Gesellschaft an dem Bezugsrechtsausschluss sein muss.329 Dabei sind die widerstreitenden Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre gegeneinander abzuwägen, wobei auf Seiten der Aktionäre insbesondere die Wertminderung ihrer Anteile und Beeinträchtigung der Stimmkraft, wie etwa ein Verlust einer Sperrminorität, zu berücksichtigen sind.330 Richtigerweise spricht auch die Kooperation mit anderen Unternehmen für die sachliche Rechtfertigung eines Bezugsrechtsaus-

325

Vgl. Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 48; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 27. So BGHZ 83, 319 ff. 327 Vgl. MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 103. 328 Vgl. MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 106. 329 BGHZ 71, 40 (45); Grigoleit/Rieder/Holzmann, AktG, § 182 Rn. 54; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 28. 330 Grigoleit/Rieder/Holzmann, AktG, § 182 Rn. 54; Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 28. 326

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

schlusses.331 Deshalb sollte auch die Gewinnung von Ankeraktionären im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre als sachlicher Rechtfertigungsgrund anerkannt werden. Ab welcher Höhe dennoch ein Bezugsrechtsausschluss in solchen Fällen sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist, lässt sich typisierend kaum festlegen. Nach Ansicht des BGH sind die jeweiligen tatsächlichen Umstände in der Gesellschaft für den Bezugsrechtsausschluss entscheidend.332 Je nach Realstruktur des Aktionärskreises kann schon ein die zehn-Prozent-Grenze des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG geringfügig übersteigender Betrag gegen die sachliche Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses sprechen. Dann ist die Barkapitalerhöhung im Hinblick auf den übersteigenden Anteil nur unter Wahrung des Bezugsrechts der Altaktionäre zulässig. Denkbar ist es dann, dem Investor vertraglich zuzusichern, dass er die neuen Aktien nach Abschluss des Verfahrens insoweit zugeteilt bekommt, als die Bezugsrechte nicht ausgeübt worden sind.333 Allerdings muss die Gesellschaft auch hier darauf achten, dass der Ausgabebetrag den Wert der neuen Aktien nicht übersteigt, da dies andernfalls als faktischer Ausschluss des Bezugsrechts anzusehen sowie an den formellen und materiellen Kriterien des Bezugsrechtsausschluss zu messen ist.334 Üblicherweise wird sich daher bei börsennotierten Gesellschaften der Ausgabebetrag für die neuen Aktien am aktuellen Börsenkurs orientieren müssen. Der Ausgabebetrag gilt gleichermaßen allerdings erst dann als unangemessen hoch, wenn der Bezugspreis über dem „wirklichen“ Wert unter Einschluss der stillen Reserven und dem inneren Geschäftswert liegt.335 Es dient indessen der Rechtssicherheit des Bezugsrechtsausschlusses, wenn die Gesellschaft das Vorliegen seiner formellen und materiellen Voraussetzungen sicherstellt.336 Zuletzt bindet § 255 Abs. 2 S. 1 AktG die Hauptversammlung bei der Festlegung des Ausgabebetrages der neuen Aktien. Danach kann eine Anfechtung des Bezugsrechtsausschlusses auch damit begründet werden, dass der sich aus dem Erhöhungsbeschluss ergebende Ausgabebetrag oder der Mindestbetrag, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig ist. Zweck der Norm ist der Schutz der Aktionäre vor der Verwässerung ihrer Mitgliedsrechte.337 Denn der vom Bezugsrecht ausgeschlossene Aktionär kann nicht im Verhältnis 331 BGHZ 83, 319 (323); Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 31; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 97; MünchHdbGesR/Scholz, § 57 Rn. 119e. 332 BGHZ 71, 40 (46). 333 Schiessl, AG 2009, 385 (392). 334 Ganz h. M., siehe nur Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 43; Busch, in: Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch, § 42 Rn. 95; Hölters/Apfelbacher/Niggemann, AktG, § 186 Rn. 39 ff.; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 75 ff.; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 142 ff., der jedoch eine sachliche Rechtfertigung im Falle eines faktischen Bezugsrechtsauschlusses für entbehrlich hält. 335 Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 81; jedoch str., vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 43; MüKoAktG/Schürnbrand, § 186 Rn. 144. 336 So Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 43. 337 Überwiegende Ansicht, siehe nur Hüffer/Koch, AktG, § 255 Rn. 2; Schwab, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 255 Rn. 1.

§ 13 Aktionäre

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seiner bisherigen Beteiligungsquote neue Aktien zeichnen und profitiert damit nicht vom günstigeren Ausgabekurs. Für die Bemessung eines angemessenen Ausgabeoder Mindestbetrages ist bei nichtbörsennotierten Gesellschaften ausschließlich der wahre Wert der Anteile, d. h. unter Berücksichtigung der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts, heranzuziehen.338 Eine Anfechtbarkeit erfolgt bei Ausgabe unter dieser Grenze jedoch nur, sofern die Wertabweichung für die Altaktionäre objektiv nicht hinnehmbar ist.339 Schließlich machen erst Preisabschläge die Zeichnung der neuen Aktien lukrativ. Wenn schließlich längerfristige Steigerungen des Aktienwertes durch Gewinnung eines bestimmten Ankeraktionärs zu erwarten sind, wird dies als Rechtfertigung für geringere Abschläge bei der Ausgabebetragsbemessung anzuerkennen sein.340 Handelt es sich um eine börsennotierte Gesellschaft, ist der Börsenwert ihrer Aktien richtigerweise neben dem wahren Unternehmenswert als weiterer Bewertungsmaßstab anzuerkennen.341 Dieser darf bei Ausgabe der neuen Aktien nicht unterschritten werden.342 Insofern fungiert der Börsenpreis als Untergrenze, wenn der wahre Wert der Anteile niedriger ist. Eine unwesentliche Unterschreitung des Börsenkurses ist aber für die Aktionäre, wie schon im Hinblick auf den wahren Wert bei nichtbörsennotierten Gesellschaften, regelmäßig hinzunehmen. Ist jedoch der wahre Wert (etwa im Falle am Markt unterbewerteter Gesellschaften) höher als der Börsenpreis, ist allein dieser wahre Wert maßgeblich und darf nicht unterschritten werden.343 Hat die Hauptversammlung ausnahmsweise keinen Ausgabebetrag festgelegt, nimmt eine Ansicht in der Literatur hingegen an, dass die Verwaltung zu einer Überpariemission verpflichtet sei, soweit diese sich durchsetzen ließe.344 Andernfalls läge eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft vor. Dieser Meinung ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass es sich hierbei nicht um eine starre Pflicht handelt und die Verwaltung dann, wenn es für die Gesellschaft zweckmäßig ist, etwa um einen Aktionär für ein dauerhaftes Engagement zu gewinnen, nach oben dargelegten Grundsätzen auch einen Ausgabetrag zu pari festsetzen kann. Im Rahmen des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses sehen manche Stimmen § 186 Abs. 3 S. 4 AktG als lex specialis zu § 255 Abs. 2 S. 1 AktG an, weswegen es genügen solle, dass der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unter-

338

BGHZ 71, 40 (51); Hüffer/Koch, AktG, § 255 Rn. 5; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 255 Rn. 3. 339 Hüffer/Koch, AktG, § 255 Rn. 7; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 255 Rn. 3. 340 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 255 Rn. 7; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 255 Rn. 3. 341 So wohl auch Hüffer/Koch, AktG, § 255 Rn. 8. Dies ist allerdings umstritten und insbesondere in BGHZ 71, 40 (51) noch abgelehnt worden. 342 Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 255 Rn. 4. 343 So auch Hirte, WM 1997, 1001 (1004). 344 So etwa Hüffer/Koch, AktG, § 182 Rn. 25; Bürgers/Körber/Marsch-Barner, AktG, § 182 Rn. 37.

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

schreitet.345 Diese Ansicht ist abzulehnen, denn für das von ihr postulierte Rangverhältnis von § 186 Abs. 3 S. 4 und § 255 Abs. 2 S. 1 AktG findet sich im Gesetz keine Stütze.346 Ferner will § 255 Abs. 2 S. 1 AktG, der die Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses bereits voraussetzt, einen darüber hinausgehenden Vermögensschutz gewährleisten und bleibt deshalb auch beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss von Bedeutung.347 Wenn folglich der Börsenpreis den wahren Wert der Aktien deutlich unterschreitet, gleichwohl aber als Ausgabebetrag herangezogen wird, bleibt auch im Rahmen des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses eine Anfechtung nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG statthaft. III. Flankierende Investorenvereinbarung Eine flankierende Vereinbarung mit einem zukünftigen Ankeraktionär kann für die Gesellschaft dann von Nutzen sein, wenn in ihr eine bestimmte Haltedauer und eine bestimmte Beteiligungshöhe des Aktionärs festgelegt werden.348 Die juristischen Herausforderungen, welche auch der Aufsichtsrat in Betracht ziehen muss, ähneln jenen, welche bereits im Rahmen der Begutachtung von Investorenvereinbarungen mit aktivistischen Aktionären behandelt worden sind.349 Im Einzelnen kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. IV. Fazit Die Kombination aus langfristigen strategischen Zielen, dem damit verbundenen Austausch mit der Unternehmensführung und die dauerhafte Stabilisierung der Aktionärsstruktur begünstigen die nachhaltige Unternehmenswertentwicklung der Gesellschaft und stehen im Einklang mit dem hier vertretenen Ansatz der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime.350 Der Einfluss aktiver Ankeraktionäre auf das Management, etwa durch Geltendmachung ihrer Aktionärsrechte oder durch informelle Gespräche mit der Unternehmensführung können empirischen Studien351 zufolge die Entwicklung der Eigenkapitalrendite und damit des Unternehmenswerts befördern, allerdings ohne dass sich die Gesellschaft üblicherweise mit einer kurzfristigen Exit-Strategie sowie dem Ansinnen von Investoren nach überhöhten Dividenden und faktischem Eigenkapitalabbau auseinandersetzen muss. Zusam345 Bürgers/Körber/Göz, AktG, § 255 Rn. 5. Für dieses Rangverhältnis LG München I, Urt. v. 6.10.2005 – 5 HKO 15445/05, AG 2006, S. 169; Busch, AG 1999, S. 58 f. 346 So zu Recht Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 39e; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 255 Rn. 4; zweifelnd auch OLG München, Urt. v. 1.6.2006 – 23 U 5917/05, AG 2007, 37 (41). 347 Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 255 Rn. 9. 348 Vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (617 ff.). 349 Siehe 4. Kapitel § 13 C. II. 350 Dahingehend auch Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (607). 351 Vgl. die Nachweise bei Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (606).

§ 14 Vorstand

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mengefasst ergeben sich daraus für die Gesellschaft zahlreiche Chancen für die Geschäftsentwicklung. Die Gewinnung eines Ankeraktionärs ist daher – je nach Realstruktur der Gesellschaft – regelmäßig im Gesellschaftsinteresse und kann vom Vorstand forciert werden. Der Aufsichtsrat sollte sich frühzeitig darauf konzentrieren, die Pläne des Vorstands zu überwachen und beratend zu begleiten. Dies gilt erst recht für die Ausgestaltung von Investorenvereinbarungen. Angesichts der Sensibilität solcher Transaktionen empfiehlt sich gleichermaßen die Einrichtung eines Ad hoc-Ausschusses.352 Aus den vorstehenden Erwägungen kann der Aufsichtsrat aber der Gewinnung von Ankeraktionären generell offen gegenüberstehen.

§ 14 Vorstand Die Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat ist grundsätzlich durch das Aktienrecht vorgegeben. Das Tagesgeschäft ist im Wesentlichen Vorstandsangelegenheit, nur die grundlegenden, bedeutsamen sowie besonders kritischen Belange gehören auch auf die Agenda des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat muss die strategischen Weichenstellungen des Vorstands, wie etwa im Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung der Gesellschaft, bereits zu einem frühen Zeitpunkt kritisch begleiten und überwachen.353 Das permanente Hinterfragen der Strategie sowie der zugrunde liegenden Voraussetzungen hinsichtlich ihrer technischen, unternehmerischen und rechtlichen Realisierbarkeit und Finanzierbarkeit ist zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats.354 Sofern etwa die Risiken eines Geschäfts nicht richtig eingeordnet werden, kann dies die wirtschaftliche Existenz eines vormals gesunden Unternehmens bedrohen.355 Aufsichtsräte müssen sich deshalb über die wesentliche Kennzahlen und die Risiken gerade solcher Geschäfte informieren, die aufgrund ihres Volumens im Falle des Scheiterns die Existenz der Aktiengesellschaft bedrohen würden.356 Markante Beispiele für derartige Geschäfte mögen die Übernahme eines anderen, (deutlich) größeren Unternehmens sein, dessen Kaufpreis sogar die eigene Börsenkapitalisierung überschreitet oder die Übernahme sanierungsbedürftiger Unternehmen.357 Bei Vorstandberichten besteht zudem immer die Gefahr, dass potenzielle Risiken geringer und die Geschäftschancen größer als tatsächlich gegeben dargestellt werden, um einen positiven Abstimmungsausgang im Aufsichtsrat zu begünstigen.358

352 353 354 355 356 357 358

Vgl. Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (613). Vetter, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 103 (116). Vetter, in: Fleischer u. a., 50 Jahre AktG, 103 (106). Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (479). Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (500). Vgl. Loritz, ZfA 2009, 477 (503). Siehe Loritz, ZfA 2009, 477 (516).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Im Mittelpunkt einer unternehmerisch verantwortungsvollen Aufsichtsratsarbeit steht deshalb die Zusammenarbeit beider Organe in den Bereichen der Investition und Finanzierung sowie im Hinblick auf Risikosteuerung und Überschuldungsabwehr. Hier muss sich der Aufsichtsrat einmischen, denn Fehler in der Überwachungsarbeit auf diesen Feldern können Zukunft und Existenz der Gesellschaft nachhaltig gefährden. In den folgenden Abschnitten werden daher die vorbenannten Themen beleuchtet und der Frage nachgegangen, wie sich der Aufsichtsrat dabei jeweils zu verhalten hat.

A. Erlaubtes Risiko und Risikosteuerung „Das Eingehen von Risiken gehört zum Wesen unternehmerischer Tätigkeit.“359 Die Frage nach dem vertretbaren Risiko einer unternehmerischen Entscheidung ist sowohl für die Beurteilung der Pflichtgemäßheit der Leitung durch den Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG als auch nachgelagert im Rahmen der Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG von Bedeutung. Der Vorstand darf bei einer unternehmerischen Entscheidung dann nicht mehr im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vernünftigerweise annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, wenn er das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt hat.360 Zugleich ist das Eingehen von Risiken jeder unternehmerischen Entscheidung immanent und für sich genommen nicht justiziabel.361 Letztlich entscheidend ist die Prävention erheblicher Risiken.362 Ergibt sich aus den dem Vorstand vorliegenden Informationen, dass eine unternehmerische Maßnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefährdung der Existenz der Gesellschaft zur Folge hat, muss er sie unterlassen.363 Zeichnet sich hingegen ab, dass die Maßnahme mit überwiegender Wahrscheinlichkeit positive Ergebnisse bringen wird, kann er sich durchführen. Entscheidend wird sein, ob die Eingehung des Risikos ex ante noch vertretbar erscheint, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts ist und ob die Risiken unter der Einhaltung sorgfaltsgemäßer und branchenüblicher Absicherungen eingegangen wurden.364 Die Bestandssicherungspflicht des Vorstands ist seit dem KonTraG365 zudem in § 91 Abs. 2 AktG in Gestalt der Pflicht wiederzufinden, ein Risikofrüherkennungssystem zu schaffen.366 Diesen Leitlinien 359

Baums, ZGR 2011, 218 (219). Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 23. 361 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 63. 362 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 64. 363 MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 64; vgl. auch Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 93 Rn. 18. 364 So zu Recht Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 18. 365 Siehe oben Einführung, Fn. 19. 366 Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, § 34 Rn. 1430. Zum Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG siehe 2. Kapitel § 8 A. III. 2. b) aa). 360

§ 14 Vorstand

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entsprechend muss der Aufsichtsrat solche unternehmerische Entscheidungen des Vorstands überprüfen und nötigenfalls per Ad hoc-Zustimmungsvorbehalt unterbinden. Bedeutsam ist daher die Abgrenzung von noch vertretbaren und damit erlaubten zu unverhältnismäßigen und in letzter Konsequenz bestandsgefährdenden Risiken. Der folgende Abschnitt versucht diese Unterscheidung einer Klärung zuzuführen und damit die vorgenannten Rechtssätze unter Berücksichtigung der Verantwortung des Aufsichtsrats zu präzisieren. I. Risikotypen In der allgemeinen Entscheidungslehre wird Risiko als einschätzbare, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintretende, aber noch nicht eingetretene Abweichung von einem mit einer bestimmten Aktion verfolgten Ziel verstanden.367 Die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung kann dabei sehr klein, der daraus entstehende Schaden hingegen sehr hoch und damit zwingend in Betracht zu ziehen sein. Das Risiko als zu erwartende Schwankung des möglichen Ergebnisses um das angestrebte Ziel umfasst damit strenggenommen nicht nur negative, sondern auch positive Abweichungen. Die Entscheidungslehre trennt ferner die Entscheidungen unter Risiko von den Entscheidungen unter Ungewissheit.368 Von Entscheidungen unter Risiko wird gesprochen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Zielabweichungen berechnet oder geschätzt werden kann. Hingegen zeichnen sich Entscheidungen unter Ungewissheit dadurch aus, dass dem Eintritt eines möglichen Ereignisses keine Wahrscheinlichkeit gegenübergestellt werden kann. Für die nähere Betrachtung sind nur ökonomische Risiken von Interesse. Ein ökonomisches Risiko kann die Gesellschaft im Rahmen einer Risiko-Chancen-Abwägung unter Berücksichtigung des zu erwirtschaftenden positiven Nettobarwertes der geplanten Investition und gemäß der hier vertretenen aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime auf sich nehmen. Insofern sind Risiken also hinnehmbar.369 Das Eingehen von Rechtsrisiken, also die mögliche Verletzung staatlicher Rechtsnormen, aus bloßem Nützlichkeitskalkül verbietet sich hingegen von vornherein.370 Rechtsnormen sind von der Aktiengesellschaft zu befolgen. Dies gebietet schon die aktienrechtliche Legalitätspflicht.371 Bei den ökonomischen Risiken lassen sich einzelbezogene von bestandsbezogenen Risiken unterscheiden.372 Einzelbezogene Risiken sind zu erwartende und 367

Baums, ZGR 2011, 218 (222 f.). Beide Gruppen werden unter dem Topos „Entscheidungen unter Unsicherheit“ zusammengefasst, Baums, ZGR 2011, 218 (222). 369 Baums, ZGR 2011, 218 (224). 370 Baums, ZGR 2011, 218 (223 f.). 371 Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 A. III. 1. 372 Baums, ZGR 2011, 218 (225 ff.). 368

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

einschätzbare Abweichungen von einem mit einer unternehmerischen Maßnahme verfolgen Ziel, also ob etwa ein Investitionsprojekt den Unternehmenswert steigern oder die kalkulierbaren Risiken einen negativen Nettobarwert des Projekts erwarten lassen.373 Bei einzelbezogenen Risiken steht daher die Frage im Raum, inwieweit die mit einer einzelnen unternehmerischen Maßnahme erwartete Unternehmenswertsteigerung verfehlt werden kann bzw. ob sich das Projekt oder die Investition trotz des damit verbundenen Risikos oder der etwaig erforderlichen Aufwendungen zur Risikovorsorge lohnt.374 Bei bestandsbezogenen Risiken geht es hingegen um den Beitrag von Ausfalloder Liquiditätsrisiken zur Gefahr der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft. Im Fokus steht also die Entscheidung, ob sich die Gesellschaft die Eingehung des Risikos unter Berücksichtigung ihrer Risikotragfähigkeit leisten kann, insbesondere mit Rücksicht auf die Forderungen ihrer Fremdkapitalgeber und ihren sonstigen Gläubiger, oder ob insofern Maßnahmen zur Risikovorsorge notwendig sind. Maßgeblich für einzelne oder mehrere bestandsbezogene Risiken ist also deren Auswirkung auf die Gesellschaft insgesamt und nicht nur auf ein Einzelprojekt.375 Die Untersuchung bestandsbezogener Risiken ist deshalb nicht nur zu Beginn eines Projektes, sondern im Verlauf der gesamten Lebenszeit der Gesellschaft erforderlich.376 II. Risikomessung Je nachdem, ob es um die Messung einzelbezogener oder bestandsbezogener Risiken geht, werden unterschiedliche Verfahren angewendet. Diese Methoden sind zwar wirtschaftswissenschaftlich anerkannte Ansätze, gleichwohl kann und soll die Geschäftsleitung andere Verfahren nutzen, wenn diese für das jeweilige Unternehmen oder die jeweilige Branche bessere und genauerer Ergebnisse bringt. Der Aufsichtsrat muss bei der Überprüfung entsprechender Investitionsvorhaben die Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Risikoanalysen des Vorstands auswerten. Zum besseren Verständnis werden nachfolgend die Risikomessmethoden und die Risikosteuerung in der Gesellschaft dargestellt. 1. Messung einzelbezogener Risiken Wichtigstes Beurteilungskriterium für Investitionsalternativen ist der Barwert oder Kapitalwert, also die Summe der abgezinsten Einzahlungsüberschüsse.377 Weist die Investition einen positiven Kapitalwert auf, ist sie vorteilhaft. Beim Vergleich 373 374 375 376 377

Baums, ZGR 2011, 218 (226). Baums, ZGR 2011, 218 (225). Baums, ZGR 2011, 218 (225). Baums, ZGR 2011, 218 (226). Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 169 ff.

§ 14 Vorstand

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mehrerer Investitionsmöglichkeiten wird in der Investitionsrechnung das Investitionsprojekt mit dem höchsten positiven Kapitalwert präferiert.378 Um bei Berechnung des Barwerts der Investition auch die Unsicherheiten des Projekts zu berücksichtigen, müssen nicht nur die künftigen Zahlungsrückflüsse (Cashflow) kalkuliert werden, sondern in deren Berechnung auch die möglichen, gemäß der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts gewichteten günstigen und ungünstigen Ergebnisse einberechnet werden.379 Berechnungsmodelle und -hilfen bieten hierfür in die Zukunft fortgeschriebene Erfahrungswerte, die Annahme unterschiedlicher Szenarien, computersimulierte Prognosen oder schlichtweg historische Erfahrungen und Einschätzungen.380 Hilfreich sind auch finanzwirtschaftliche Simulationsmethoden wie die Breitbandanalyse oder die Sensitivitätsanalyse.381 Bei letzterer wird etwa untersucht, wie stark sich der Kapitalwert verändert, sofern unsichere Daten variieren. Möglicherweise führen diese Abweichungen sogar dazu, dass ein anderes Investitionsobjekt den höheren Kapitalwert aufweist als das scheinbar rentablere.382 Die Volatilität der in der Kapitalwertberechnung unterstellten Einzelerwartungen gibt daher Aufschluss über das Risiko eines Projektes. Je höher die Standardabweichung ist, desto größer ist auch das Risiko.383 Zur endgültigen Berechnung des Nettobarbzw. Nettogegenwartswerts der geplanten Investition müssen im Anschluss die künftigen Rückflüsse (Cashflow) aus der Investition mit dem Kapitalkostensatz auf den Investitionszeitpunkt abdiskontiert und der investierte Betrag abgezogen werden.384 2. Messung bestandsbezogener Risiken Bei bestandsbezogenen Risiken wird zur Quantifizierung des möglichen Verlusts einer Vermögensposition nicht die Volatilität des erwarteten Ergebnisses, sondern allein das Ausfallrisiko betrachtet.385 Die hierfür gebräuchlichen Methoden versuchen sowohl die Schadenshöhe bei Risikoeintritt als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ausfallrisiken zu erfassen. In geeigneten Fällen wird der sogenannte Value at Risk bestimmt, also der geschätzte maximale Wertverlust einer Vermögensposition, welcher innerhalb eines festgelegten Zeitraums mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten kann, der jedoch nur mögliche negative Planabweichungen oder Ausfallrisiken (Down side risk) berücksichtigt.386 Value at Risk-Ansätze vermögen unterschiedliche Risikoarten wie Markt- oder Währungsrisiken mit 378 379 380 381 382 383 384 385 386

Baums, ZGR 2011, 218 (234). Baums, ZGR 2011, 218 (228 f.). Baums, ZGR 2011, 218 (228). Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 253 ff. Vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 253 f. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 229. Baums, ZGR 2011, 218 (229); siehe zum Kapitalkostensatz 1. Kapitel § 5 E. II. 1. a) aa). Baums, ZGR 2011, 218 (230). Baums, ZGR 2011, 218 (230).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

einer einheitlichen Messvorschrift zu erfassen und in einer Kennzahl in Geldeinheiten auszudrücken.387 Neben der Risikoquantifizierung eignet sich der Value at Risk auch für eine Risikoadjustierung im Unternehmen und die Allokation von Risikokapital.388 Dafür kann etwa das Risiko der Projekte in jedem Geschäftsbereich des Unternehmens durch Vorgabe eines maximal zulässigen Verlustpotenzials beschränkt werden.389 Der jeweilige Geschäftsbereich kann dann nur noch solche Projekte realisieren, welche das maximal zulässige Verlustpotenzial nicht überschreiten. III. Risikosteuerung Möglichkeiten der Steuerung und Verminderung von Risiken sind die gänzliche Risikovermeidung durch Unterlassen eines geplanten Projektes, die Risikolimitierung, etwa durch Zuweisung eines maximal zulässigen Verlustpotenzials zu einem Geschäftsbereich, die Risikodiversifikation und der Risikotransfer, etwa durch den Verkauf von Forderungen,390 oder die Risikovorsorge durch die Bildung von Rückstellungen.391 Übersteigt allerdings der für die dargestellten Maßnahmen zur Risikosteuerung erforderliche Kapitaleinsatz den Verlust, der bei ihrem Nichtergreifen möglicherweise eintritt, dann brauchen diese auch nicht ergriffen zu werden.392 Dies muss der Aufsichtsrat bei der Vorstandskontrolle in Betracht ziehen. IV. Folgerungen für unternehmerische Entscheidungen Im Gegensatz zum Bankaufsichtsrecht, das Kreditinstituten im KWG und in der MaRisk393 detaillierte Vorgaben zur Handhabung von Risiken macht, gibt das allgemeine Aktienrecht nur die äußeren Rahmenbedingungen für deren Eingehung und Behandlung vor. Die Regelungen aus KWG und MaRisk sind aus systematischen Gründen aufgrund ihres spezifischen Zuschnitts auf Kreditinstitute nicht auf das allgemeine Aktienrecht anwendbar.394 Ferner würde deren Erstreckung auf Unternehmen aus anderen Bereichen zu erheblicher Rechtsunsicherheit über das Ausmaß der Befolgungspflicht und der Anwendbarkeit dieser Normen führen. Den äußeren 387

Holst/Holtkamp, BB 2000, 815 (816). Holst/Holtkamp, BB 2000, S. 815. 389 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 649. 390 Ein Beispiel hierfür liefert die Kreditwirtschaft, wo Banken durch Syndizierung bereits begebener Darlehen oder durch Veräußerung notleidender Darlehen versuchen, ihre Risikoexposition (risk exposure) zu verringern. 391 Baums, ZGR 2011, 218 (237). 392 Baums, ZGR 2011, 218 (237). 393 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Rundschreiben 09/2017, Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) v. 27.10.2017. 394 Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (571). 388

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Rahmen für die Eingehung von ökonomischen Risiken legen daher die Satzung und die allgemeinen aktienrechtlichen Bestimmungen fest, insbesondere der nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG zwingend in der Satzung anzugebende Unternehmensgegenstand sowie die Normen, welche die Ausübung der Leitung und die Haftung betreffen, also §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 S. 2 sowie §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG. Die Risikomessung und die Risikosteuerung fließen an verschiedenen Stellen in die aktienrechtliche Würdigung von Investitionsvorhaben mit ein. 1. Begrenzung durch den Unternehmensgegenstand Der Unternehmensgegenstand bezeichnet die Art der Tätigkeit der Gesellschaft.395 Überschreiten Vorstand bzw. Aufsichtsrat die ihnen durch den Unternehmensgegenstand gezogenen Grenzen, so können sie sich schadensersatzpflichtig machen.396 Ist der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand, wie ehedem im Fall der IKB Deutsche Industriebank AG, die „Förderung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere durch Bereitstellung von mittel- und langfristigen Finanzierungen“397 und investiert diese Bank in Verbriefungsgeschäfte und anderen strukturiere Finanzierungsformen ohne unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zum Industriekreditgeschäft nahezu die gleiche Summe, wie in das Mittelstandsgeschäft, dürfte dies nicht mehr vom Unternehmensgegenstand gedeckt sein.398 Die Schranke des Unternehmensgegenstands ist unabhängig davon zu beachten, ob eine geplante Investition aus ex ante-Sicht einen positiven Nettobarwert aufweist und daher zur Unternehmenswertsteigerung beitragen würde.399 Indem der Unternehmensgegenstand den Tätigkeitsbereich absteckt, in welchem die Gesellschaft tätig werden soll, begrenzt er zugleich den Kreis der Geschäfte, welche der Vorstand für die Gesellschaft abschließen darf.400 Damit soll die Festlegung des Unternehmensgegenstands zugleich sicherstellen, dass sich der Vorstand nur in den Tätigkeitsbereichen mit den damit verbundenen Risiken bewegt, für die sich die Aktionäre entschieden haben.401 In der Regel sind dem Vorstand daher auch solche Geschäfte nicht gestattet, bei denen die Gefahr eines für die Gesellschaft erheblichen Verlustes sehr viel wahrscheinlicher als die Möglichkeit eines Gewinn ist, selbst wenn bei positivem Ausgang ein hoher Gewinn anfällt und der dabei zu erwartende Nettobarwert des Geschäfts positiv ist.

395 396 397 398 399 400 401

Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 33; siehe hierzu 1. Kapitel § 5 C. II. Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 38; MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 86. Siehe OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I-6 W 45/09, AG 2010, 126 (127). So OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (128). Baums, ZGR 2011, 218 (232). Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 32. Baums, ZGR 2011, 218 (232).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

2. Begrenzung durch die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime Nach der hier vertretenen Ansicht haben sich Vorstand und Aufsichtsrat bei ihren unternehmerischen Entscheidungen nach der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime mit dem Ziel der nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung zu richten. Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, sofern der langfristige Bestand des Unternehmens gesichert wird.402 Das Eingehen von Geschäften, welche insolvenzauslösende oder bestandsgefährdende Entwicklungen befördern oder verstärken, konterkariert die Erreichung dieses Ziel. Der Vorstand darf solche Geschäfte deshalb nicht eingehen.403 3. Begrenzung durch die Business Judgement Rule Nach § 93 Abs. 1 S. 2 liegt eine Pflichtverletzung des Vorstands (und in Anwendung von § 116 S. 1 AktG des Aufsichtsrats) nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied (bzw. das Aufsichtsratsmitglied) bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Nach der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH handelt der Vorstand erst dann pflichtwidrig, wenn „die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist (…).“404 Im Bereich von Investitionsentscheidungen muss daher ein Projekt zumindest dann unterbleiben, sofern es ex ante einen negativen Nettobarwert aufweist.405 Die Investition darf nicht getätigt werden, wenn sie nicht wenigstens die Kapitalkosten erwirtschaftet. Stets muss der Vorstand, um in den Vorzug des Safe Harbour des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu gelangen, eine ausreichende Tatsachengrundlage für seine unternehmerische Entscheidung geschaffen haben.406 Im Grunde genommen muss er hierfür alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen, um dadurch die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen zu können.407 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG schreibt schon deshalb nicht die Nutzung eines bestimmten betriebswirtschaftlichen Systems zur Risikobewertung vor, weil sämtliche Methoden Beschränkungen und Unsicherheiten aufweisen und den Erfolg der Investition nicht genau vorhersagen können.408 Unabdingbar für eine auf geordneter Tatsachenbasis zu treffende Investitionsentscheidung sind sie dennoch. Die Geschäftsleitung muss deshalb eine oder mehrere Methoden der Investitionsrech402

Vgl. auch Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 34. So auch Baums, ZGR 2011, 218 (232). 404 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (253 f.). 405 Baums, ZGR 2011, 218 (234); ders., Unternehmensfinanzierung, S. 414 m. w. N. 406 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 55 ff. 407 Zum GmbH-Recht, BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, GmbHR 2008, 1033 (1034). 408 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (235 f.). 403

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nung einsetzen. Je höher dabei das Investitionsvolumen und damit das Risiko ist, umso kritischer müssen die Tatsachengrundlagen des Projektes hinterfragt werden und Ergebnisse der einen Berechnungsmethode durch die Hinzuziehung einer weiteren überprüft werden. In einfachen, weniger risikoträchtigen Fällen mit geringem Investitionsvolumen können hingegen Faustregeln und einfache Methoden genügen, um eine ausreichende Tatsachengrundlage zu schaffen.409 Nur in Abhängigkeit von der Bedeutung der Investition für das Unternehmen, insbesondere gemessen am Investitionsvolumen und der damit korrespondierenden Risikoträchtigkeit lässt sich bestimmen, wie ausgeprägt die Risikoanalyse zu erfolgen hat.410 Nutzt der Vorstand bei größeren Investitionsvorhaben nicht ein oder mehrere Risikoanalysemodelle, muss der Aufsichtsrat diese Bewertung nachfordern. Unbestritten ist, dass die Geschäftsleitung bei unternehmerischen Entscheidungen einen weiten Ermessensspielraum hat, denn ohne ihn wäre eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht möglich.411 Sie kann auch risikoträchtige Geschäfte vornehmen, sofern der Nettobarwert einer Investition wenigstens positiv ist.412 Ob die Investition gleichwohl lohnenswert ist und einer nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung dient, muss dann letztlich unter dem Aspekt der notwendigen Aufwendungen der Risikovorsorge beurteilt werden. Lediglich Geschäfte, bei welchen die Gefahr eines erheblichen Verlustes deutlich wahrscheinlicher als die Aussicht auf einen Gewinn ist, sind auch dann untersagt, sofern bei positivem Ausgang ein sehr hoher Gewinn anfallen würde, also der ex ante eingeschätzte Nettobarwert des Geschäfts noch positiv ist.413 Stets geht es dabei um die Frage, ob die geplante Investition im Hinblick auf die Risikotragfähigkeit und Liquiditätsdecke der Gesellschaft vertretbar ist.414 Weder darf der Vorstand sorgfaltspflichtwidrig bestandgefährdende Entwicklungen verstärken noch möglicherweise insolvenzauslösende Risiken übernehmen. Besondere Aufmerksamkeit wird in der Literatur dem Phänomen des Klumpenrisikos gewidmet.415 Dieser Begriff umschreibt die Situation, dass große Teile des Gesellschaftsvermögens aus nur einem einzigen oder wenigen Gegenständen bestehen oder viele Einzelinvestitionen stark korrelieren.416 Allerdings ist das Eingehen von Klumpenrisiken bereits regelmäßig durch die Festlegung des Unternehmensgegenstands bzw. des Geschäftsbereichs, in dem die Gesellschaft unternehmerisch tätig wird, vorgezeichnet. Hierfür beispielhaft ist der Automobilzulieferer, welcher nur einen einzigen Automobilhersteller bedient. Nur innerhalb des konkreten Ge409 410 411 412 413 414 415 416

Baums, ZGR 2011, 218 (235 f.). Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (236). MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 63. Baums, ZGR 2011, 218 (238). So zu Recht Baums, ZGR 2011, 218 (238). Baums, ZGR 2011, 218 (238 f.). Vgl. die Nachweise bei MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 64. Baums, ZGR 2011, 218 (240).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

schäftsbereichs des Unternehmens muss sich der Vorstand daher fragen, ob er das Geschäftsrisiko durch Diversifikation der Produkte und Gewinnung weiterer Kunden und Vertragspartner streuen und effektiv mindern kann.417 Eine Pflicht, auch andere Geschäftsbereiche zwangsläufig erschließen zu müssen, folgt hieraus aber keinesfalls. V. Überschuldungsabwehr und Bestandssicherung Von oberstem Interesse für die Gesellschaft ist letztlich die Sicherung ihrer Lebensfähigkeit und ihres Bestands. Realisieren sich die angesprochenen Risiken, dann vermindern sie je nach Sachlage entweder den Jahresüberschuss oder begründen bzw. erhöhen einen Jahresfehlbetrag. Das Eigenkapital der Gesellschaft hat insofern die Funktion eines Puffers, welcher die sich realisierenden Risiken abfedern soll.418 Entsteht ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag, kann dies auf das Vorliegen einer Überschuldung i. S. d. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO hindeuten, wobei zur Feststellung dieses Insolvenzgrundes zunächst eine Überschuldungsbilanz aufzustellen ist.419 Bei dem Investitionsvolumen nach bedeutsamen unternehmerischen Entscheidungen und insbesondere dann, wenn bereits eine Bestandsgefährdung droht, muss von der Unternehmensleitung geprüft und vom Aufsichtsrat kontrolliert werden, ob eine Überschuldung der Gesellschaft im Fallen des Scheiterns des Projektes eintreten könnte. Gerade hier konkretisiert sich die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats im Besonderen. Besondere Beachtung verdient dabei der Umstand, dass die Interessen von Eigenkapitalgebern, Fremdkapitalgebern und sonstigen Gläubigern im Hinblick auf die Übernahme von Risiken mitunter stark divergieren können. Die beschränkte Haftung der Gesellschafter mag Anreize zur Übernahme von Risiken schaffen und insbesondere dann, wenn die Eigenkapitaldecke schon fast aufgezehrt ist, die Zustimmung zu hochriskanten Investitionen begünstigen.420 Sorgt das Investment für Erträge, so profitieren davon die Anteilseigner. Realisiert sich hingegen das Ausfallrisiko der Investition, tragen insbesondere Fremdkapitalgeber und sonstige Gläubiger den Verlust.421 Fremdkapitalgeber, etwa Banken, können sich dabei noch durch risikoadjustierte Zinssätze oder insbesondere durch die Gewährung insolvenzfester Kreditsicherheiten durch die Gesellschaft absichern. Andere Gläubiger, wie vor allem Arbeitnehmer, haben hingegen keine Möglichkeit, sich gegen riskante unternehmerische Entscheidungen zu schützen. An dieser Stelle ist es wiederum Aufgabe des Aufsichtsrats, bei der Kontrolle der bedeutsamen unternehmerischen Entscheidungen und insbesondere dann, wenn sich eine Unternehmenskrise bereits abzeichnet, auch die Gläubigerinteressen zu wahren. Hierzu passt, 417 418 419 420 421

Baums, ZGR 2011, 218 (240). Baums, ZGR 2011, 218 (243). Vgl. Bürgers/Körber/Pelz, AktG, § 92 Rn. 18. Baums, ZGR 2011, 218 (244); Fleischer, ZGR 2004, 437 (446). Baums, ZGR 2011, 218 (244 f.).

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dass das aktienrechtliche Gläubigerschutzsystem – anders als das Bankaufsichtsrecht, welches die periodische Ermittlung der Risikotragfähigkeit eines Instituts erfordert – viel stärker verhaltensbezogen ist.422 Dazu gehört die Einrichtung eines Früherkennungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG423 sowie die Pflicht des Vorstands und – damit einhergehend – die entsprechende Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, weder sorgfaltspflichtwidrig bestandsgefährdende Entwicklungen außer Acht zu lassen oder zu verstärken noch potenziell insolvenzauslösende Risiken zu übernehmen.424 Ist die Bestandgefährdung der Gesellschaft der Unternehmensleitung bekannt oder für sie erkennbar, was bei Vorliegen eines funktionstüchtigen Früherkennungssystems rechtzeitig der Fall sein sollte, muss sie bei Übernahme weiterer Ausfallrisiken sorgfältig prüfen, ob diese noch tolerierbar sind.425 Ergibt diese Prüfung, dass sich das Ausfallrisiko mit überwiegender Wahrscheinlichkeit realisieren wird, darf das betreffende Investment nicht getätigt werden. Die zunehmende Insolvenznähe wegen einer zu niedrigen Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft erfordert eine viel stärkere Risikoaversion als im Falle einer im Bestand ungefährdeten Gesellschaft. Hier verschiebt sich im Rahmen der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime der nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung das Interesse der Gesellschaft auf ihre Bestandserhaltung, ohne die schlechterdings eine nachhaltige Unternehmenswertsteigerung nicht mehr stattfinden kann. Ähnliches gilt im Falle der Übernahme von potenziell insolvenzauslösenden Risiken in Situationen, in welchen eine Bestandsgefährdung der Gesellschaft noch nicht gegeben ist. „Potenziell insolvenzauslösend“ sind solche Risiken, welche im Falle ihres Eintritts die Überschuldung der Gesellschaft herbeiführen, weil für die Übernahme dieses Risikos die notwendige Risikotragfähigkeit nicht gegeben ist, d. h. das Eigenkapital der Gesellschaft nicht ausreicht, um die im Falle der Realisierung des Ausfallrisikos eintretenden Verluste abzudecken.426 Muss die Unternehmensleitung deshalb zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung nach sorgfältiger Prüfung konstatieren, dass sich das Ausfallrisiko wahrscheinlich realisieren und dadurch die Überschuldung der Gesellschaft ausgelöst wird, darf dieses Risiko nicht übernommen werden. Denn der Vorstand kann dann „vernünftigerweise nicht annehmen“, noch „zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG).427 Im Zweifel sind alternative Investments mit zwar niedrigerem Erwartungswert, jedoch auch geringerem Ausfallrisiko zu bevorzugen.

422 423 424 425 426 427

Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (246 ff.). Siehe hierzu 2. Kapitel § 8 A. III. 2. b) aa). Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (250 ff.). Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 483 f. Baums, ZGR 2011, 218 (254). Baums, ZGR 2011, 218 (255).

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

VI. Liquiditätssicherung Zu den bestandgefährdenden Risiken für die Gesellschaft gehören auch Liquiditätsrisiken. Verfügt die Gesellschaft nicht über ausreichend Liquidität, um ihre Zahlungspflichten zu erfüllen, liegt der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO vor.428 Liquiditätsrisiken sind daher Risiken, die einzeln oder aggregiert dazu beitragen können, die Zahlungsfähigkeit und damit den Fortbestand der Gesellschaft zu gefährden.429 Die Risikotragfähigkeit bestimmt sich hier – anders als im Hinblick auf eine mögliche Überschuldung – nicht nach dem vorhandenen Eigenkapital der Gesellschaft, sondern nach dem Verhältnis ihrer verfügbaren Zahlungsmittel zu den fälligen Zahlungsverpflichtungen.430 Liquiditätsrisiken bergen daher sowohl eine Erhöhung der erwarteten Zahlungsverpflichtungen als auch die Verminderung des Zahlungsvermögens.431 Ein Beispiel für die Verminderung des Zahlungsvermögens ist, wenn mit Banken keine Vereinbarung über die Refinanzierung eines endfälligen Darlehens erzielt werden kann oder ein Schuldner der Gesellschaft nicht leistet und dadurch Kapital länger in illiquiden Aktiva gebunden ist.432 Liquiditätsrisiken lassen sich mit Hilfe von Liquiditätsplänen erfassen.433 Diese gliedern die für die jeweilige Planungsperiode erwarteten und geplanten Mittelzuflüssen und Mittelabflüssen, etwa aus dem operativen, dem Investitions- und dem Finanzierungsbereich. Wird ein negativer Saldo ausgewiesen, reichen also die Mittel nicht für den erwarteten Liquiditätsbedarf, muss der Liquiditätsplan um die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen ergänzt werden, etwa um eine weitere Kreditaufnahme oder die Erhöhung eines Kontokorrentkredites. Nach richtiger Auffassung wird man annehmen müssen, dass aus § 91 Abs. 2 AktG die Pflicht für den Vorstand resultiert, einen Liquiditätsplan zu erstellen.434 Denn bei dem Liquiditätsplan handelt es sich um eine geeignete Maßnahme, um bestandgefährdende Entwicklungen früh erkennen zu können. Letztlich wird vermutlich keine Aktiengesellschaft in praxi auf die Aufstellung eines Liquiditätsplans verzichten. Der Aufsichtsrat muss dies gleichwohl entsprechend kontrollieren. Möglichkeiten der Minderung des Liquiditätsrisikos bestehen dabei in der Anpassung derjenigen Auszahlungs- und Einzahlungspositionen, auf welche das Unternehmen selbst Einfluss ausüben kann, etwa bei den Ausgaben für nicht be-

428

Vgl. Schmidt/Schmidt, InsO, § 17 Rn. 14. Baums, ZGR 2011, 218 (257). 430 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (258); MüKoInsO/Eilenberger, § 17 Rn. 8. 431 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (258). 432 Vgl. Baums, ZGR 2011, 218 (259). 433 Baums, ZGR 2011, 218 (259 ff.); MüKoAktG/Spindler, § 91 Rn. 28. 434 So Baums, ZGR 2011, 218 (263); Bunting, ZIP 2012, 357 (361); a. A. Hölters/MüllerMichaels, AktG, § 91 Rn. 6. 429

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triebsnotwendige Investitionen.435 Für Liquiditätsrisiken im Allgemeinen sowie für den Fall im Besonderen, dass sich die Fälligkeiten von Ein- und Auszahlungen nicht decken, ist eine entsprechende Liquiditätsreserve vorzuhalten. Die Diversifikation von Aktivvermögen als auch der (Re-)Finanzierungsquellen trägt ferner dazu bei, Liquiditätsrisiken zu mindern.436 Konkretisiert sich für den Vorstand die Liquiditätsgefährdung der Gesellschaft, muss er bei der Übernahme weiterer Zahlungsverpflichtungen sorgfältig prüfen, ob diese im Hinblick auf den zu sichernden Bestand der Gesellschaft noch hinnehmbar sind.437 Gelangt der Aufsichtsrat, anders als der Vorstand, zu einer negativen Einschätzung, muss er die Investitionsentscheidung notfalls per Ad hoc-Beschluss unterbinden. Generell müssen sämtliche Mittelabflusspositionen, auf welche die Gesellschaft Einfluss nehmen kann, zur Abwehr der Zahlungsunfähigkeit überprüft und nötigenfalls vermindert oder gestrichen werden. Diese Maßnahmen erfolgen idealiter in Abstimmung zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat. Liquidierbare Positionen müssen eventuell geltend gemacht werden. Schließlich verbietet § 92 Abs. 2 S. 3 AktG dem Vorstand, sorgfaltspflichtwidrig Zahlungen an Aktionäre zu veranlassen, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten.

B. Investitionspolitik Es wurde bereits dargelegt, dass der Vorstand keine Investitionen tätigen darf, deren Nettobarwert ex ante negativ ist.438 Investitionen müssen wenigstens ihre Kapitalkosten erwirtschaften. Grundsätzlich sollen diejenigen Investitionsprojekte unternommen werden, welche einen im Vergleich höheren Nettokapitalwert erwirtschaften. Widersetzt sich der Vorstand dieser Regel, muss der Aufsichtsrat einschreiten. Darüber hinaus obliegt die Führung der Geschäfte und damit die Entscheidung über die Unternehmensplanung und Investitionen dem Vorstand.439 Dabei hat der Vorstand ein weites unternehmerisches Ermessen, wenngleich dies durch den Unternehmensgegenstand beschränkt ist.440 Dennoch kann der Aufsichtsrat durch die Festlegung der Vergütungsparameter Einfluss auf die künftige Unternehmenspolitik nehmen – diese Möglichkeit weist ihm § 87 Abs. 1 S. 2 AktG nach der hier vertretenen Auffassung ausdrücklich zu.441 Unabhängig davon sollte der Aufsichtsrat die unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands im Hinblick 435

Baums, ZGR 2011, 218 (261). Baums, ZGR 2011, 218 (261). 437 Baums, ZGR 2011, 218 (263 f.). 438 Siehe 4. Kapitel § 14 A. IV. 3. 439 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 4; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 9; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 76 AktG, Rn. 7. 440 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rn. 86. 441 Vgl. 1. Kapitel § 5 F. II. 2. b). 436

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auf Planungen und Investitionen, auch und insbesondere in den Bereichen von Forschung und Entwicklung, kritisch hinterfragen und nötigenfalls eigene Vorschläge unterbreiten. Beabsichtigt der Vorstand, andere Unternehmen – etwa und insbesondere zum Zweck der strategischen Erweiterung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft – zu erwerben, muss der Aufsichtsrat Chancen und Risiken der geplanten Akquisition besonders sorgfältig prüfen und den Erwerb notfalls durch Ad hoc-Beschluss unterbinden. Diese Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats muss nach der hier vertretenen Ansicht immer auf die Befolgung der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime mit dem Ziel der nachhaltigen Unternehmenswertmaximierung ausgerichtet sein.

C. Finanzierung Besondere Bedeutung im Zusammenhang mit der Steuerung von Risiken, der Überschuldungsabwehr und der Liquiditätssicherung kommt letztlich der Finanzierung und der Finanzierungsstruktur der Gesellschaft zu. Eine Ausprägung der Leitungsverantwortung des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG ist deshalb seine Finanzverantwortung für die Aktiengesellschaft und deren Kapitalstruktur.442 Der Aktiengesellschaft stehen grundsätzlich drei Formen der Finanzierung zur Verfügung, nämlich die Finanzierung durch Eigenkapital, durch Fremdkapital sowie durch Mezzanine- bzw. Hybridkapital. Vor dem Hintergrund der Kapitalkosten sowie der Gefahr von Illiquiditätsrisiken muss die Unternehmensleitung besondere Sorgfalt auf die Finanzierungsstruktur der Gesellschaft legen. Der Aufsichtsrat ist dabei verpflichtet, die Strukturentscheidungen des Vorstands prüfend zu begleiten. Alle Finanzierungsformen weisen dabei Eigenheiten auf. Der folgende Abschnitt stellt diese kurz vor, untersucht im Rahmen der Darstellung des Eigenkapitals die Frage nach der „angemessenen“ Eigenkapitalausstattung und versucht, die gesellschaftsfinanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats herauszuarbeiten. I. Eigenkapitalfinanzierung Eigenkapital zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es der Gesellschaft dauerhaft zur Verfügung steht, also anders als etwa ein Darlehen nicht zurückgezahlt werden muss.443 Ferner ist es gegenüber Fremdverbindlichkeiten strukturell subor442

Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597 (610). Vgl. MüKoAktG/Schürnbrand, Vor §§ 182 ff., Rn. 16 f. Die klarste Bestimmung, aus welchen Bestandteilen sich das Eigenkapital der Gesellschaft zusammensetzt, trifft das Bilanzrecht (zu den anderen Interpretationen des Eigenkapitals siehe Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 441 ff.). Nach § 266 Abs. 3 lit. A HGB setzt sich das Eigenkapital aus (I) dem gezeichneten Kapital, (II) der Kapitalrücklage, (III) den Gewinnrücklagen, (IV) dem Gewinnoder Verlustvortrag sowie (V) dem Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag zusammen. Das gezeichnete Kapital (§ 272 Abs. 1 HGB) ist das Haftungskapital der Kapitalgesellschaft, im 443

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diniert, es wird also im Insolvenzfall an letzter Stelle bedient. Zudem ist Eigenkapital durch seine Gewinnabhängigkeit charakterisiert. Den Eigenkapitalgebern steht also nur das Residuum zu, welches nach Abzug der Fremdkapitalkosten sowie der weiteren Verbindlichkeiten und Aufwendungen verbleibt, während im Falle eines Darlehens der vertraglich vereinbarte Zins gezahlt werden muss. 1. Zweck des Eigenkapitals Das Eigenkapital der Gesellschaft dient verschiedenen Zwecken,444 die von der Verwaltung der Aktiengesellschaft bei der Strukturierung der Gesellschaftsfinanzierung entsprechend zu berücksichtigen sind. Zum einen trägt es dazu bei, dass das Unternehmen seine fälligen Verbindlichkeiten tilgen kann (Schuldentilgungsfunktion). Ferner verhindert Eigenkapital, dass schon geringe finanzielle Verluste zu Forderungsausfällen und zur Überschuldung der Gesellschaft führen (Funktion als Verlustpuffer hinsichtlich bereits eingetretener Verluste bzw. Funktion als Risikopuffer hinsichtlich noch nicht eingetretener Verluste). Je höher das vorhandene Eigenkapital der Gesellschaft ist, desto stärker sind die Gläubiger vor der Gefahr geschützt, dass Verluste der Aktiengesellschaft die Erfüllung ihrer Forderungen Falle der Aktiengesellschaft also deren Grundkapital (§ 7 AktG), das bei der Gründung der Gesellschaft von den Aktionären aufgebracht werden muss und das durch Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung verändert wird (Ebenroth u. a./Böcking/Gros, HGB, § 272 Rn. 4; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB § 272 Rn. 1). Kapitalrücklagen sind die Einlagen, die von den Gesellschaftern in das Eigenkapital der Gesellschaft geleistet werden, jedoch nicht Leistungen auf das gezeichnete Kapital (Baumbach/Hopt/Merkt, HGB § 272 Rn. 6; MüKoHGB/Reiner, § 272 Rn. 64). Hierfür kommt insbesondere das Aufgeld bei der Ausgabe von Aktien in Betracht (siehe § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Die Gewinnrücklagen sind schließlich die aus dem Geschäftsergebnis gebildeten Rücklagen (§ 272 Abs. 3 S. 1 HGB). Nach § 272 Abs. 3 S. 2 HGB gehören hierzu mitunter die gesetzlichen sowie die auf Satzung beruhenden Rücklagen, die bei der Aktiengesellschaft nach § 58 sowie § 150 Abs. 1 und 2 AktG gebildet werden (Ebenroth u. a./Böcking/Gros, HGB, § 272 Rn. 24). Diese Gewinnrücklagen können im Sinne einer gesellschaftsinternen Selbstfinanzierung zur Deckung späteren Liquiditätsbedarfs verwendet werden (vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 414). Die Höhe des Gewinnvortrags (§ 174 Abs. 2 Nr. 4 AktG) ergibt sich aus dem Beschluss der Hauptversammlung nach § 174 AktG über die Verwendung des Rests des Vorjahresbilanzgewinns, der weder in Gewinnrücklagen eingestellt noch an die Gesellschafter ausgeschüttet wurde (MüKoHGB/Reiner/Haußer, § 266 Rn. 96). Der Verlustvortrag ist hingegen der Bilanzverlust aus dem Vorjahr, welcher weder durch Gewinne noch durch Rücklagenauflösung kompensiert worden ist. Jahresüberschuss und Jahresfehlbetrag ergeben sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung als wirtschaftlichem Ergebnis der abzurechnenden Periode (Koller u. a./Morck, HGB, § 266 Rn. 12). Wird die Bilanz hingegen, wie bei der AG wegen § 58 AktG üblich, bereits unter Berücksichtigung der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, so tritt nach § 268 Abs. 1 S. 2 HGB an die Stelle der Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ sowie „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ der Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“. Dieser ergibt sich dann aus der Summe von Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag und Gewinn- bzw. Verlustvortrag und abzüglich der Verwendung des Jahresergebnisses (MüKoHGB/Reiner/Haußer, § 268 Rn. 2). 444 Siehe hierzu Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 445 ff.; vgl. ferner Bieg/Kußmaul/ Waschbusch, Finanzierung, S. 60 ff.

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

gefährden.445 Die Vermögensbindung des Eigenkapitals soll zudem die Verschiebung von Gesellschaftsvermögen in das Privatvermögen der Gesellschafter beschränken, denn das Gesellschaftsvermögen ermöglicht der Gesellschaft, künftig anfallende Verluste zu kompensieren.446 § 57 AktG untersagt nicht nur die Rückgewähr von Einlagen an Aktionäre, sondern vielmehr jede Leistung der Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre aufgrund deren Mitgliedschaft, wenn sie nicht aus Bilanzgewinn erfolgt oder ausnahmsweise gesetzlich zugelassen ist.447 Entscheidend ist die wertmäßige Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens. Deshalb ist auch ohne Belang, wenn die Zahlung zwar nicht aus dem Grundkapital, sondern aus den gesetzlichen Rücklagen nach § 150 AktG erbracht wird.448 Überdies sollen sich die Aktionäre in Form eines Selbstbehalts an dem unternehmerischen Risiko der Gesellschaft beteiligen und von übermäßigen wirtschaftlichen Risiken abhalten lassen (Funktion des Selbstbehalts). Schließlich hat Eigenkapital Warnfunktionscharakter gegenüber der Unternehmensleitung, denn einerseits soll seine Verminderung den Blick rechtzeitig auf bestandsgefährdende Entwicklungen lenken und zum anderen dient es als Schranke bei der Übernahme von Ausfallrisiken (Eigenkapital als Risikolimit).449 2. Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung Diese Zwecke allein machen der Unternehmensleitung allerdings keine Vorgaben, wo die Grenze zwischen angemessener und unangemessener Eigenkapitalausstattung zu ziehen ist. Generell ist es Gesellschaften nicht erlaubt ist, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit ohne die Sicherung durch Eigenkapital in nennenswerter Höhe auf ihre Gläubiger abzuwälzen.450 Die Eigenkapitaldecke darf weder von Anfang an unangemessen niedrig sein noch im Laufe der Zeit unangemessen niedrig werden. Diese Pflicht konkretisiert sich im Wesentlichen in den (organisatorischen) Pflichten der Unternehmensleitung, ein funktionierendes Frühwarnsystem nach § 91 Abs. 2 AktG einzurichten sowie bei sich abzeichnenden bestandsgefährdenden Entwicklungen oder bei der Übernahme potenziell insolvenzauslösender Risiken dafür Sorge zu tragen, dass der Bestand der Gesellschaft gesichert wird.451 Diese bereits dargestellten Pflichten452 der Risikosteuerung und -limitierung sind also auch und gerade im Rahmen der Erhaltung der notwendigen Eigenkapitalausstattung von 445

Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 449. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 453. 447 H. M., siehe nur BGH, Urt. v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, NZG 2008, 106 (107); Hüffer/ Koch, AktG, § 57 Rn. 2; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 14. Zu § 57 AktG siehe 4. Kapitel § 13 C. II. 4 e) aa) und bb). 448 MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 8; Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 463. 449 Siehe hierzu 4. Kapitel § 14 A. 450 Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 479. 451 Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 480. 452 Siehe 4. Kapitel § 14 A. 446

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Bedeutung, ohne die eine möglichst wirksame Risikokontrolle nicht denkbar ist. Daraus folgt, dass der Vorstand dafür zu sorgen und der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachung sicherzustellen hat, dass die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft ein Niveau erreicht, die den Bestand der Gesellschaft dauerhaft sicherstellt und Ausfallrisiken vorbeugt. Eine gegenüber der Kapitalerhöhung wesentlich einfacher Möglichkeit der Eigenkapitalstärkung ist die Rücklagenbildung.453 Richtigerweise kommt Vorstand und Aufsichtsrat, wenn sie nach § 172 S. 1 AktG den Jahresabschluss feststellen, bei der Entscheidung über die Bildung von Gewinnrücklagen nach § 58 Abs. 2 AktG das Privileg des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zugute, weil die Rücklagenbildung eine unternehmerische Entscheidung der Verwaltung darstellt.454 Die Unternehmensverwaltung ist also in ihrer Entscheidung, Gewinne zu thesaurieren anstatt sie an die Aktionäre auszukehren, weitgehend ungebunden. Richtigerweise wird sie sogar zur Rücklagenbildung verpflichtet und eine (übermäßige) Dividendenausschüttung untersagt sein, wenn sich eine konkret abzeichnende Bestandsgefährdung des Unternehmens nur auf diese Weise abwenden lässt oder die Dividendenausschüttung Liquiditätsengpässe nach sich ziehen würde.455 II. Fremdkapitalfinanzierung Idealtypisch steht Fremdkapital der Gesellschaft nicht dauerhaft zur Verfügung und ist aufgrund eines vertraglich vereinbarten Zinssatzes, der Vergütung der Fremdkapitalgeber, gewinnunabhängig ausgestaltet.456 Gesellschaftsrechtlich vermittelt die Hingabe von Fremdkapital keine Mitglieds- oder Mitspracherechte in der Gesellschaft. Allenfalls über vertragliche Abreden (covenants) können den Darlehensgebern mittelbar Einwirkungsrechte gewährt werden. Die klassische Form der Fremdkapitalfinanzierung einer Aktiengesellschaft ist das Bankdarlehen.457, 458 Bei 453

Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 414. So zu Recht Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 58 Rn. 20; Hüffer/Koch, AktG, § 58 Rn. 10; vgl. MüKoAktG/Bayer, § 58 Rn. 39. 455 Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 423. 456 MüKoAktG/Schürnbrand, Vor §§ 182 ff., Rn. 19. 457 Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 323, 328; Habersack, AG 2015, 613 (621). 458 Ein breites System der Finanzierung von Aktiengesellschaften durch (Groß-)Banken hatte sich seit etwa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland etabliert. Dieses bankbasierte Finanzsystem dominierte bis in die 1990er Jahre. Durch die im Jahr 1994 einsetzenden aktien- und kapitalmarktrechtlichen Reformen sowie die im Jahr 2002 erfolgte steuerliche Befreiung von Gewinnen aus Beteiligungsveräußerung und der damit einhergehenden Entflechtung der „Deutschland AG“ hat sich dieses System mit der Zeit stärker zu einem kapitalmarktorientierten Modell entwickelt, wodurch institutionelle in- und ausländische Investoren an Bedeutung gewannen. Die Attraktivität von nach deutschem Recht begebenen Anleihen sind indessen durch Aktivitäten des Gesetzgebers gesteigert worden, insbesondere durch das Entfallen des bis 1990 bestehenden Erfordernisses der staatlichen Genehmigung für Inhaber- und Orderschuldverschreibungen nach §§ 795, 808a BGB a. F. Siehe hierzu Baums, 454

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

Akquisitions- oder Investitionsfinanzierungen kommen regelmäßig zeitlich befristete Kreditlinien (sog. Terminkreditlinien oder term loan facilities) zur Begleichung von Kaufpreisen, Investitions- und Transaktionskosten, Rückzahlung bestehender Bankdarlehen sowie Gesellschafterdarlehen in Betracht, sowie für laufende Geschäfte Betriebsmittelkreditlinien, häufig in Form vom Kontokorrentdarlehen.459 Neben die Finanzierung durch Darlehen tritt die Fremdkapitalfinanzierung durch sonstige Investoren, insbesondere im Rahmen von Schuldverschreibungen bzw. Anleihen.460 Bei entsprechendem Druck durchsetzungsstarker Aktionäre oder aufgrund entsprechender vergütungsbasierender Anreize kann sich für den Vorstand die Motivation ergeben, eine hohe Verschuldungsquote für die Gesellschaft mit dem Ziel der Steigerung der Eigenkapitalrendite anzustreben.461 Die Möglichkeit der günstigen Verschuldung angesichts zuletzt dauerhafter niedriger Kreditzinsen sorgt für zusätzliche Motivation zur Aufnahme von Fremdkapital. Mit der zunehmenden Verschuldung gehen allerdings auch eine erhöhte Insolvenzgefahr und ein erhöhtes Ausfallrisiko der Gesellschaftsgläubiger einher.462 Vor diesem Hintergrund muss bei jeder weiteren Aufnahme von Fremdkapital sorgfältig geprüft werden, ob sich bereits eine bestandgefährdende Entwicklung abzeichnet oder bestehende Verbindlichkeiten durch die weitere Erhöhung der Verschuldung der Gesellschaft nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden können. Ferner ist in Betracht zu ziehen, dass Kapitalmärkte auf die schlechtere Bonität einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft reagieren werden, etwa mit höheren Zinsen bei der Begebung von Unternehmensanleihen. Vor diesem Hintergrund ist der Aufsichtsrat gehalten, jede dem Volumen nach bedeutsame Fremdkapitalaufnahme kritisch zu begleiten und, sofern sich diese nicht mehr verantworten lässt, nötigenfalls durch einen Ad hoc-Beschluss zu unterbinden. Zudem werden sich in den Regelungen von Darlehensverträge nicht selten verbindlich einzuhaltende Finanzkennzahlen (financial covenants) befinden, deren Über- bzw. Unterschreiten die Pflicht zur Sondertilgung (mandatory prepayment event), die Anpassung des Darlehenszinses (margin ratchet) oder sogar das Kündigungsrecht der Bank (Event of Default) bewirken kann.463 Auch andere Gläubigerschutzvorschriften (covenants) und Verpflichtungen (undertakings) in Darlehensverträgen können erheblich in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Gesellschaft eingreifen, wie etwa vertraglich vereinbarte Beschränkungen des Rückerwerbs eigener Aktien, Beschränkungen bei der Kapitalausstattung von Unternehmensfinanzierung, S. 333, 339; Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rn. 1 ff.; Habersack, AG 2015, 613 (614, 621). 459 Vgl. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, § 5 Rn. 1 ff. 460 Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 328; Habersack, AG 2015, 613 (621). 461 Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 476 f. im Hinblick auf Kreditinstitute. Dieses Phänomen tritt aber auch in den meisten anderen Branchen auf. 462 Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 355. 463 Zum ähnlichen Fall von Bedingungen in Anleihen vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 356.

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verbundenen Unternehmen, vertragliche Verbote, bestimmte Gegenstände des Anlagevermögens zu veräußern und Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Bank bei der Anpassung der Geschäftstätigkeit.464 Der Aufsichtsrat sollte deshalb bei großvolumigen Darlehen darauf achten, dass solche Bestimmungen die wirtschaftliche Flexibilität der Gesellschaft nicht allzu stark einengen.

III. Finanzierung durch Mezzanine- bzw. Hybridkapital Zwischen der Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, deren Eckpunkte bei einer Aktiengesellschaft zum einen die Stammaktie (Aktiengesellschaft als „Kapitalsammelbecken“) und zum anderen das Bankdarlehen markieren, befinden sich eine Reihe zahlreicher und unterschiedlicher hybrider Zwischenformen.465 Eine genaue Bestimmung, welche Finanzierungsinstrumente hierunter zu verstehen sind, steht bislang aus. Wenigstens lässt sich zwischen eigenkapitalnahen (equity mezzanine) und fremdkapitalnahen (debt mezzanine) Instrumenten unterscheiden.466 Hybrides Eigenkapital bezeichnet Finanzierungsformen, welche zivilrechtlich als Eigenkapital zu charakterisieren sind, sich aber bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eher durch Fremdkapitalmerkmale auszeichnen.467 Hybrides Fremdkapital weist hingegen wirtschaftlich Züge von Eigenkapital auf, ist zivilrechtlich aber Fremdkapital. Typische Charakteristika von hybriden Finanzierungsformen sind daher die Nachrangigkeit gegenüber den (sonstigen) Fremdkapitalgebern aber die Vorrangigkeit gegenüber dem Eigenkapital, ein gegenüber Fremdkapitalkosten höheres Entgelt für die Kapitalbereitstellung bei gleichermaßen zeitlicher Befristung der Kapitalüberlassung sowie die Möglichkeit, das Entgelt für die Kapitalausgabe als Betriebsausgabe geltend zu machen.468 Häufige Hybridfinanzierungsformen sind Nachrangdarlehen (junior loan oder mezzanine facility), partiarische Darlehen, Genussrechte, Wandel- oder Optionsanleihen sowie typische oder atypische Beteiligungen.469 Generell von Vorteil mag für die Schuldnerunternehmen sein, dass durch solche Finanzierungen keine mitgliedschaftlichen Rechte der Kapitalgeber begründet werden. Bei richtiger Gestaltung sind diese Finanzierungsinstrumente aus bilanzieller Sicht als Eigenkapital einzuordnen, mit dem Vorzug der Stärkung der Eigenkapitalquote der Gesellschaft, begründen jedoch aus steuerlicher Sicht Betriebsausgaben und senken damit die Steuerlast der Gesellschaft.470 Haben die Parteien im Rahmen eines (nachrangigen) Darlehens vereinbart, dass die Ansprüche der Dar464 465 466 467 468 469 470

Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 349 ff. Vgl. Baums, Unternehmensfinanzierung, S. 323. MüKoAktG/Schürnbrand, Vor §§ 182 ff., Rn. 31 ff. Richter, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 31. Kap., Rn. 128. Richter, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 31. Kap., Rn. 128. Richter, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 31. Kap., Rn. 129 ff. MüKoAktG/Schürnbrand, Vor §§ 182 ff., Rn. 21, 32.

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4. Kap.: Handlungsfelder und Handlungsoptionen

lehensgeber im Insolvenzfalle subordiniert sind, sind diese Verbindlichkeiten in der Überschuldungsbilanz nicht zu passivieren (vgl. §§ 39 Abs. 2, 19 Abs. 2 S. 2 InsO).471 Erforderlich ist hierfür allerdings, dass Schuldner und Fremdkapitalgeber einen qualifizierten Rangrücktritt vereinbaren, der Darlehensgeber also mitunter auch schon für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hinter den in § 39 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 InsO aufgeführten Verbindlichkeiten zurücktritt.472 Insbesondere für Unternehmen mit dünner Eigenkapitaldecke und drohender Überschuldung stellt dies eine Möglichkeit dar, zusätzliches Fremdkapital aufnehmen zu können, ohne die Überschuldungsbilanz weiter zu belasten.473 Wandelanleihen, die ihren Inhabern ein Bezugsrecht auf Anteile des Schuldnerunternehmens einräumen, bergen für die Schuldnerunternehmen den Vorteil, dass einerseits das in Anspruch genommene Fremdkapital bei Ausübung des Bezugsrechts nicht zurückgezahlt werden muss und außerdem die Verzinsung häufig deutlich niedriger ist als für sonstigen Anleihen.474 Allerdings bedarf es für die Ausgabe von Wandel- (und ebenso Options-)Anleihen eines Zustimmungs- oder Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 221 Abs. 1 und 2 AktG). Da die Aktionäre ein Bezugsrecht haben, sind im Falle des Ausschlusses ebenso die formellen und materiellen Voraussetzungen hierfür zu beachten (vgl. § 221 Abs. 4 S. 2 AktG).475 Die zeitliche Befristung mezzaniner Finanzierung sorgt allerdings auch hier dafür, dass zum Zeitpunkt ihrer Endfälligkeit regelmäßig eine Anschlussfinanzierung erforderlich sein wird, unter Umständen bei einer versprochenen zusätzlichen Zahlung (non-equity-kicker) sogar mit einer erhöhten Schuldsumme. Ferner bringen zahlreiche vertragliche Nebenabreden (covenants), wie sie auch in Darlehensfinanzierungen bekannt sind, die bereits dargestellten Herausforderungen für die Schuldnerunternehmen. Gerade Unternehmen, denen keine Bankdarlehen mehr ausgereicht werden, können durch mezzanine Finanzierungen die notwendigen Kapitalmittel, etwa für Investitionen oder Überbrückung von finanziellen Engpässen, erhalten. Deshalb sind auch solche Finanzierungen sorgfältig in Betracht zu ziehen und stellen einen möglichen Baustein im Finanzierungsmix einer Aktiengesellschaft dar. Bei bedeutsamen Finanzierungen muss sich der Aufsichtsrat wiederum in die Entscheidung des Vorstands durch Prüfung und gegebenenfalls Veto per Ad hoc-Beschluss einbinden. Maßgeblich ist auch hier, ob sich die Gesellschaft die betreffende Finanzierung unter den Aspekten ihrer Solvenz und der nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung leisten kann oder – gemäß den vorstehenden Überlegungen zum qualifizierten Rangrücktritt und bei einer drohenden Überschuldung – solche Finanzierungen sogar verstärkt berücksichtigen muss. 471 Vgl. MüKoAktG/Schürnbrand, Vor §§ 182 ff., Rn. 34; Braun/Bußhardt, InsO, § 19 Rn. 22. 472 Vgl. Uhlenbruck/Mock, InsO, § 19 Rn. 227 ff. 473 Vgl. Richter, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 31. Kap., Rn. 131. 474 Vgl. MünchHdbGesR/Scholz, § 64 Rn. 5 ff. 475 Vgl. MünchHdbGesR/Scholz, § 64 Rn. 31 ff.

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IV. Fazit Im Rahmen seine Finanzverantwortung für die Gesellschaft hat der Vorstand die passende Finanzierungsstruktur unter Berücksichtigung der verfügbaren Finanzierungsquellen aufzulegen. Er ist dabei in seiner Entscheidung weitgehend frei, solange der Bestand der Gesellschaft – insbesondere durch eine übermäßige Verschuldung – nicht gefährdet wird. Der Aufsichtsrat hat diese strukturellen Entscheidungen zu begleiten und zu überwachen. Er muss wie der Vorstand darauf achten, dass die Solvenz der Gesellschaft ungefährdet ist. Insbesondere bei großvolumigen Darlehen oder Anleihen ist darauf zu achten, dass die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Gesellschaft nicht durch kreditvertragliche Nebenabreden zu stark eingeengt wird. Das setzt wiederum, wie schon an anderer Stelle betont, voraus, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats in der Lage sind, die strukturellen Finanzierungsentscheidungen und die zuvor dargestellten Unterschiede zwischen den einzelnen Finanzierungsformen nachzuvollziehen und, insbesondere im Hinblick auf die Risikotragfähigkeit der Gesellschaft, zu beurteilen. Andernfalls kann eine kritische Überwachung des Vorstands nicht gelingen. Ferner ist bei Wandel- und Optionsanleihen zu berücksichtigen, dass einerseits die Altaktionäre die Verwässerung ihrer Anteile befürchten werden, andererseits neue Aktionäre gewonnen werden können. Tragen solche Finanzinstrumente aber, neben der Verminderung von Rückzahlungsansprüchen zulasten der Gesellschaft, zur Etablierung einer breiteren und gegebenenfalls stabileren Aktionärsstruktur bei, wird dies für die Gesellschaft letztlich sogar von Vorteil sein.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Ein vorübergehendes Ende in der Fortentwicklung des Aufsichtsrats und seiner Rolle in der Aktiengesellschaft ist bislang nicht abzusehen. Es ist davon auszugehen, dass weitere legislatorische Bestrebungen auf europäischer und nationaler Ebene beständig Veränderungen mit sich bringen werden. Für den Status quo konnten jedoch wichtige Erkenntnisse für die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats gewonnen werden.

A. Aktienrechtliche Leitmaxime I. Welche generellen Leitmaximen für die Organe der Aktiengesellschaft und damit auch und im besonderen Maße für den Aufsichtsrat gelten, ist bis heute ungeklärt und umstritten. Sieht man als Leitmaxime das – allerdings kaum noch in Reinform vertretene – Gesellschaftsinteresse an, sind die Organe der AG bei Fehlen einer anderslautenden Satzungsbestimmung allein auf den Verbandszweck und demnach auf die Erwirtschaftung und Maximierung von Gewinnen verpflichtet. Dem widersetzen sich die Befürworter eines in den Einzelheiten höchst unklaren Unternehmensinteresses, wonach die Organe der Aktiengesellschaft auch andere Interessen, insbesondere die der Arbeitnehmer und weiterer Nichtanteilseigner (Stakeholder) beachten müssen. Gleichermaßen konnte jedoch festgestellt werden, dass die in der Literatur bislang geäußerten Begründungsansätze eines solchen Unternehmensinteresses nicht überzeugen. Auch der Inhalt der in der Literatur vertretenen Interpretationen eines Unternehmensinteresses führt nicht weiter. Die älteren Literaturauffassungen sind häufig zu unbestimmt oder stellen schlichtweg keine operablen Zielvorgaben dar. Darüber hinaus basieren zahlreiche Konzepte auf dogmatischen Grundlagen, welche mit der lex lata unvereinbar sind. II. Auch am modernen Stakeholder-Ansatz ist vor allem problematisch, dass er mehrdeutige Zielvorgaben macht, damit eine geringe Steuerungswirkung entfaltet und dadurch letztlich zur Rechtfertigungsformel für ein nahezu beliebiges Handeln der Geschäftsleitung wird. Durch die Vielzahl der unterschiedlichen Interessen, die in das Unternehmensinteresse einfließen, hat die Bindung an diese Belange betriebswirtschaftlich nur eine geringe Steuerungsfunktion. Mithilfe des Unternehmensinteresses lässt sich vieles rechtfertigen, selbst wenn es den Interessen der Anteilseigner und der wirtschaftlichen Entwicklung der Aktiengesellschaft zuwiderläuft. Erhalten Vorstand und Aufsichtsrat einen sehr viel weiteren diskretionären Entscheidungsspielraum, ist es schwieriger, fehlerhafte Entscheidungen aufzugrei-

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fen und beide Organe dafür verantwortlich zu machen. Dies kann in letzter Konsequenz zu einer Entwertung der Sorgfaltspflichten und zu einer Aushöhlung des Haftungsregimes nach den §§ 93, 116 AktG führen. Im Ergebnis bietet der Begriff des „Unternehmensinteresses“ also keinen verlässlichen und konturierten Handlungsmaßstab. Das Unternehmensinteresse bleibt im geltenden Recht zudem ohne rechtliche Legitimation. III. Ansätze wie der Shareholder Value-Ansatz bieten demgegenüber zwar operable und überprüfbare Vorgaben für die Unternehmensleitung. Gerade das Shareholder Value-Konzept beruht seinerseits jedoch auf der portfoliotheoretischen Ablehnung einer unternehmensinternen Diversifikation sowie der künstlichen Gleichsetzung sämtlicher Aktionärsinteressen. Es konnte gezeigt werden, dass dies zumeist nicht im Einklang mit der Wirklichkeit erfolgreicher Unternehmen steht. Jüngere Gesetzesnovellen lassen zudem Zweifel aufkommen, dass der reine Shareholder Value-Ansatz noch im Einklang mit der lex lata stünde. IV. Festgestellt werden konnte schließlich, dass ausschließlich der Verbandszweck der Gewinnerzielung bzw. -maximierung – im Sinne der hier vertretenen Eigenkapitalwertmaximierung – sich mit den Normen des AktG und ihren Wertungen nachweisen lässt. Ferner kann nur eine aktienrechtlich verankerte Leitmaxime bindenden Charakter haben. Richtigerweise war bislang die Frage nach verbindlichen aktienrechtlichen Vorgaben, sei es im Hinblick auf eine Stakeholder- oder eine Shareholder Value-Orientierung, zu verneinen. Es konnte ferner belegt werden, dass zur Begründung einer aktienrechtlichen Leitmaxime de lege lata auf § 87 Abs. 1 S. 2 AktG zurückgegriffen werden kann. Vorgeblich gebietet § 87 Abs. 1 S. 2 AktG allein, die Vergütungsstruktur des Vorstands bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft, also auf einen dauerhaften, periodenübergreifenden Unternehmenserfolg auszurichten. Gezeigt werden konnte ferner, dass der Aufsichtsrat durch die Ausgestaltung der Vergütungsstruktur aktiv auf den Vorstand einwirken kann. Indem er dessen Vergütung am Kriterium der Nachhaltigkeit auszurichten hat, stellt er implizit fest, welche mittelund langfristige Unternehmenspolitik und Unternehmensstrategie nach seiner Vorstellung einer nachhaltigen und langfristigen Entwicklung der Aktiengesellschaft genügt oder zuwiderläuft. Insofern bedeutet § 87 Abs. 1 S. 2 AktG eine punktuelle Kompetenzverschiebung zum Aufsichtsrat hin, welche sich aber nur in den grundlegenden unternehmenspolitischen Fragen auswirkt. V. Damit ist die in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG erwähnte „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ als Grundlage für eine aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime heranzuziehen. Dabei bilden der Verbandszweck zur Maximierung des Unternehmenswerts im Sinne des Eigenkapitalwerts und die Pflicht zur Hinwirkung auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft die zentralen Elemente dieser aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime. Die Gesellschaftsorgane, und damit auch der Aufsichtsrat, sind deshalb verpflichtet, im Rahmen ihrer Kompetenzen auf die nachhaltige Maximierung des

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Unternehmenswerts hinzuarbeiten. Nachhaltigkeit in dem hier verstandenen Sinne bedeutet auch Bestandssicherung. Bestandssicherung zielt darauf ab, Gefahren für die Vermögensdeckung der Verbindlichkeiten (Gefahr der Überschuldung) oder für die Zahlungsfähigkeit (Gefahr der Illiquidität) der Gesellschaft zu unterbinden. Hierfür ist entscheidend, dass sich die Unternehmensführung um eine sichere und angemessene Kapitalausstattung bemüht und der Fremdkapitalanteil beherrschbar bleibt. Das Eigenkapital ist dabei stets Indikator für die Risikotragfähigkeit der Gesellschaft, welches, wenn sich die Risiken eigenkapitalmindernd realisieren, als Verlustpuffer zum Schutz der Fremdkapitalgeber und Gläubiger dient. Ungeachtet dessen beinhaltet die hier dargelegte Nachhaltigkeits-Verpflichtung auch die Berücksichtigung von Stakeholder-Belangen. Da diese Bezugsgruppen ihre Beiträge zum Wertschöpfungsprozess nur dann dauerhaft leisten werden, wenn das Unternehmen hierfür hinreichend attraktive Anreize setzt, erfordert eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft, dass den Belangen jeder Stakeholder-Gruppe in angemessenem Umfang Rechnung getragen wird, um dadurch die existenznotwendige Teilnahme all dieser Gruppen am Wertschöpfungsprozess für die Zukunft sicherzustellen. VI. Im Ergebnis ist die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime die Fortentwicklung der verbandsrechtlichen Lehre. Sie entspricht insofern dem herkömmlichen Gesellschaftsinteresse, als es das Ziel der Gewinnmaximierung im Sinne der Eigenkapitalwertmaximierung in den Vordergrund rückt. Diese Leitmaxime hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verankerung bindenden Charakter. Der Vorstand hat bei konkreten Investitionsvorhaben zu beachten, ob die avisierte Investition aus ex ante Sicht einen positiven Nettobarwert aufweist und deshalb voraussichtlich zur Unternehmenswertsteigerung beitragen wird. Bei mehreren Investitionsoptionen ist diejenige zu ergreifen, welche einen höheren Nettobarwert aufweist. Ferner muss sich die Aktiengesellschaft das Projekt mit dem kalkulierbaren Ausfall- bzw. Liquiditätsrisiko auch leisten können, ohne bestandsgefährdende Risiken zu begründen oder zu verstärken. Diese Leitlinien bilden zugleich den Kontrollmaßstab des Aufsichtsrats. VII. Anwendung findet die aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime daher bei allen unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaftsorgane, nicht hingegen bei den rechtlich gebundenen Entscheidungen. Bei unternehmerischen Entscheidungen ist folglich diese Leitmaxime ermessensleitender Bezugspunkt. Auch das unternehmerische Ermessen des Aufsichtsrats ist damit immer zweckgebunden. Dies ist vor allem bei den Leitungsentscheidungen des Aufsichtsrats von Bedeutung, etwa bei der Zustimmungserteilung bezüglich zustimmungsbedürftiger Geschäfte sowie dem Erlass von Zustimmungsvorbehalten selbst (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG), bei der Mitwirkung an der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 172 AktG), bei den Entscheidungen über die Bedingungen der Aktienausgabe und des Bezugsrechtsausschlusses beim genehmigten Kapital (§§ 204 Abs. 1 S. 2, 203 Abs. 2 AktG), bei der Entscheidung über das Vergütungssystem (§ 87 AktG) sowie bei der Ausübung der Personalkompetenz (§ 84 AktG). Hier trägt der Aufsichtsrat unternehmerische

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Verantwortung im besonderen Maße. Im Rahmen der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ist die Leitmaxime nur bei der präventiven Kontrolle in Bezug auf zukünftigen Leitungsentscheidungen des Vorstands von Bedeutung. Anders als bei der vergangenheitsbezogenen Überwachungstätigkeit kann der Aufsichtsrat hier einen eigenen Entscheidungsspielraum in Anspruch nehmen, wenn auch unter Beachtung des vorstandseigenen Ermessensspielraums.

B. Funktionen des Aufsichtsrats I. Die Funktionen des Aufsichtsrats lassen sich gliedern in seine Überwachungsund Leitungsfunktionen sowie seine Personalverantwortung. Die Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG ist überwiegend vergangenheitsbezogen und verpflichtet den Aufsichtsrat zur Kontrolle bereits abgeschlossener Vorgänge. Daneben hat die Kontrolle präventiven und zukunftsgerichteten Charakter und gewährt dem Aufsichtsrat Mitsprache bei den künftigen Angelegenheiten der Gesellschaft. Gegenstand der Überwachung sind jeweils die Leitungsmaßnahmen des Vorstands (vgl. § 76 Abs. 1 AktG). Nicht die Kontrolle des laufenden Tagesgeschäfts, sondern die zentralen Führungs- und Leitungsentscheidungen und -maßnahmen des Vorstands und grundsätzlichen Fragen der künftigen Geschäftspolitik sowie die wesentlichen Einzelmaßnahmen des Vorstands unterliegen der Überwachung des Aufsichtsrats. In Anlehnung an § 90 Abs. 1 AktG sind dies die beabsichtigte Unternehmenspolitik und andere wesentliche Fragen der Unternehmensplanung, insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung. Ebenso umfasst sind alle anderen Führungsentscheidungen, welche die Unternehmensentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit mittel- oder langfristig beeinflussen und die erheblich für die Vermögens-, Ertragsoder Finanzlage des Unternehmens oder die Interessen der Belegschaft sind. II. Der Aufsichtsrat hat dabei die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung zu überwachen, d. h. die Rechtsmäßigkeit (Legalität), Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. Zur Rechtmäßigkeit gehört zum einen die Beachtung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, aber auch des externen Legalitätsprinzips. Die Nützlichkeit von Rechtsverletzungen (efficient breach of law) ist dabei für den Aufsichtsrat kein Grund, dem Vorstand Dispens zu erteilen. Das Für und Wider nützlicher Vertragsverletzungen (efficient breach of contract) kann hingegen abgewogen werden. Der Prüfungsmaßstab der Ordnungsmäßigkeit bezieht sich auf die Unternehmensplanung und die Organisation des Unternehmens, wozu insbesondere die Einrichtung und Unterhaltung eines funktionstüchtigen Risikofrüherkennungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG gehört. Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verpflichten den Vorstand zur Sicherung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft, also für deren Bestand und dauerhafte Rentabilität zu sorgen. Hier gewinnt abermals das hier vertretene Konzept der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime mit dem Ziel der nachhaltigen Unternehmenswert- bzw. Eigenkapitalwertmaximierung

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an Bedeutung. Der Aufsichtsrat hat sich davon zu überzeugen, dass der Vorstand dieses Ziel verfolgt. Im Rahmen der Durchführung der Überwachung sind Maßnahmen von geringerer Intensität bloße Stellungnahmen und Beanstandungen. Zu den stärkeren Maßnahmen des Aufsichtsrats gehören hingegen Ad hoc-Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 AktG). III. Bei den Leitungsfunktionen des Aufsichtsrats ist zu beachten, dass diesem gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden dürfen. Auch Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) dürfen nur für solche Geschäfte konstituiert werden, die für die Gesellschaft von unternehmensstrategischer oder fundamentaler Bedeutung sind, allen voran, weil sie die Ertrags-, Finanz- oder Vermögenslage des Unternehmens grundlegend verändern oder gestalten. Damit hat der Aufsichtsrat üblicherweise nur bei bedeutenden Maßnahmen mitzuentscheiden. Ein unternehmerisch verantwortungsvoll handelnder Aufsichtsrat tritt hierbei also nicht in Konkurrenz zum Vorstand. Die dem Vorstand gesetzlich überantworteten autonomen Aufgabenbereiche hat der Aufsichtsrat zu respektieren. Unternehmerische Verantwortung auf Seiten des Aufsichtsrats darf nicht in einem Verdrängungswettbewerb zu Lasten des Vorstands münden. Extensive Zustimmungsvorbehalte, deren Folge die Verdoppelung von Entscheidungszuständigkeiten wäre, waren vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Die unternehmerischen Kompetenzen des Aufsichtsrats sind üblicherweise nur bei solchen Entscheidungen gefragt, welche von weitreichender Bedeutung für die Gesellschaft sind. Hier ist es sinnvoll, wenn sich unternehmerisches Denken und unternehmerische Fähigkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat gegenseitig ergänzen. IV. Gerade durch die Zustimmungsvorbehalte kann sich der Aufsichtsrat die Teilhabe an der für die Gesellschaft bedeutsamen Unternehmensplanung sichern. Angesichts von § 87 Abs. 1 S. 2 AktG wird man das Kontrollgremium sogar als verpflichtet ansehen müssen, die unternehmensstrategische Mittel- und Langfristplanung sowie die entsprechende Investitionsbudgetplanung einem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats, ob dieser schließlich seine Zustimmung erteilt. Diese Entscheidung muss nach dem hier vertretenen Ansatz jedenfalls nach Maßgabe der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime erfolgen. Dabei muss der Aufsichtsrat prüfen, ob und inwieweit sich das konkret geplante Geschäft in die zuvor mit dem Vorstand gemeinsam verabschiedete Mittel- und Langfristplanung einfügt und ob es zur nachhaltigen Maximierung des Unternehmenswerts beiträgt. Bestandsgefährdende oder insolvenzauslösende Risiken sowie übermäßige Risiken für die Vermögenslage oder für die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft dürfen nicht eingegangen werden. V. Kernbestandteil der Personalverantwortung des Aufsichtsrats ist die Entscheidung über die Bestellung und Wiederbestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 1 AktG). Der Aufsichtsrat muss sich hierbei von den Interessen der Gesellschaft leiten lassen, da durch die Auswahl von Vorstandsmitgliedern wenigstens teilweise eine Entscheidung über die künftige Geschäftspolitik gefällt wird. Nach der hier ver-

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tretenen Auffassung der aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime muss der Aufsichtsrat deshalb schon bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern darauf achten, dass diese für eine nachhaltige Unternehmenswertmaximierung sorgen werden. In der Ausrichtung der Vorstandsvergütungsstruktur in börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Aktiengesellschaft nach § 87 Abs. 1 S. 2 AktG liegt eine der Stellschrauben, mit deren Hilfe der Aufsichtsrat Verhaltensanreize schaffen und die langfristige Arbeit des Vorstands beeinflussen kann.

C. Zusammensetzung, Organisation und Arbeitsweise des Aufsichtsrats I. Zur Erfüllung seiner Aufgaben hat der Aufsichtsrat insbesondere in personeller Hinsicht seine Funktionsfähigkeit herzustellen und dafür zu sorgen, dass das Gremium seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt. Der Aufsichtsrat muss darüber hinaus sicherstellen, dass seine eigene Organisation und Arbeit den rechtlichen Anforderungen des AktG, der Gesellschaftssatzung und der Geschäftsordnung entspricht. Aus § 124 Abs. 3 S. 1 AktG folgt zudem eine „Vorschlagsverantwortung“ des amtierenden Aufsichtsrats im Hinblick auf die Wahl ausreichend qualifizierter Mitglieder. Sein Vorschlagsrecht muss er an dem Gebot einer möglichst effektiven Überwachung der Gesellschaft ausrichten. Dabei hat der Aufsichtsrat auch darauf zu achten, dass die vorgeschlagenen Personen über die zur verantwortlichen Wahrnehmung ihres Mandats erforderliche persönliche und fachliche Qualifikation verfügen. II. Dabei ist zu beachten, dass Interessensgegensätze zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und Gesellschaft aufgrund des Nebenamtscharakters des Mandats häufig unvermeidbar sind. Besteht jedoch von Anfang an die greifbare Möglichkeit eines dauerhaften Interessenkonflikts, kann dies sogar gegen eine Bestellung sprechen. Gerade bei Repräsentanten von Konkurrenzunternehmen kann daraus folgen, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Wahl oder Berufung von vornherein nicht annehmen darf, da es sich andernfalls treuepflichtwidrig verhalten würde. III. Im Hinblick auf die Frage der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern, lautete die Kernaussage im Hertie-Urteil des BGH, dass jedes Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen muss, welche es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können. Für Gesellschaften von öffentlichem Interesse schreibt das Gesetz lediglich vor, dass ein unabhängiger Finanzexperte dem Gremium angehören muss (§ 100 Abs. 5 Hs. 1 AktG) und die Mitglieder des Aufsichtsrats in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen (§ 100 Abs. 5 Hs. 2 AktG). Um ein klareres Bild der notwendigen Mindestqualifikation zu gewinnen, bietet sich der Blick auf die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben an. Dessen Mitglieder müssen in der Lage sein, die Vorstandsberichte eigenständig zu bewerten und insbesondere auf Recht-

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mäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Sie müssen ferner über die notwendigen Grundkenntnisse im Rechnungsund Bilanzwesen verfügen, um zumindest die Berichte der Abschlussprüfer zu verstehen, sachgerechte Personal- und Vergütungsentscheidungen im Hinblick auf den Vorstand treffen und dessen Organisation zweckmäßig regeln können. Den Aufsichtsratsmitgliedern muss die Tragweite des Zustimmungsvorbehalts bewusst sein. Sie müssen weiterhin über unternehmerisches Denken verfügen, nicht zuletzt im Hinblick auf Konstituierung und Ausübung von Zustimmungsvorbehalten. Sie brauchen schließlich ein tiefgehendes Verständnis für die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen der Gesellschaft. Im Hinblick auf das zur Überwachung erforderliche Spezialwissen ist erforderlich, dass ein auf den Gesamtaufsichtsrat bezogenes entsprechendes Qualifikationsniveau vorhanden ist. Dabei sind Experten aus den für alle Unternehmen wichtigen Fachbereichen erforderlich, also Juristen, Berufserfahrene mit Expertise aus den Bereichen Steuern, Rechnungslegung und Finanzen, zunehmend auch mit Erfahrung mit Compliance- sowie IT-Themen sowie generell (ehemalige) Geschäftsleiter bzw. Vorstände. Abhängig von der jeweiligen Branche bedarf es Spezialisten für die jeweiligen Produkte oder die entsprechenden Dienstleistungen, die vom Unternehmen auf dem Markt angeboten werden. Dabei muss der Aufsichtsrat nur in seiner Gesamtheit das dargestellte erforderliche Qualifikationsniveau aufbringen, um die Unternehmensleitung auf Augenhöhe kontrollieren zu können. Die entsprechende Expertise für alle Sparten und Unternehmensbereiche muss letztlich auch auf Aufsichtsratsebene vorhanden sein. IV. Zur Effizienz der Aufsichtsratsarbeit trägt im Wesentlichen die Einrichtung von Ausschüssen bei. Unterschieden werden in Anlehnung an § 107 Abs. 3 S. 1 AktG vorbereitende Ausschüsse, überwachende Ausschüsse und entscheidende Ausschüsse. Die Entscheidung über besonders wichtige Aufgaben bleibt dabei zwingend dem Plenum vorbehalten. Zentrale Ausschüsse sind der Personalausschuss, das Aufsichtsratspräsidium und der Prüfungsausschuss. Daneben sind der Nominierungsausschuss, der Finanz- und Investitionsausschuss sowie die kurzfristig einzurichtenden Ad hoc-Ausschüsse von praktischer Bedeutung.

D. Zusammenwirken des Aufsichtsrats mit Aktionären und Vorstand I. Die beiden zentralen Akteure bzw. Akteursgruppen in der Gesellschaft, mit denen der Aufsichtsrat interagiert, sind der Vorstand und die Aktionäre. Der Aufsichtsrat muss im Hinblick auf die Aktionäre sicherstellen, dass deren Interessen gegenüber dem Vorstand angemessen vertreten werden. Im Unterschied zu vergangenen Zeiten begnügen sich gerade institutionelle Investoren heute nicht mehr nur mit einer passiven Aktionärsrolle, sondern versuchen auf verschiedene Weise Einfluss auf das Unternehmensgeschehen zu nehmen. Dabei üben diese Investoren nicht nur ihre Rechte als Aktionäre aus, sondern versuchen auch über den Gang an die Öffentlichkeit Druck auf die Geschäftsleitung aufzubauen. Der Aufsichtsrat ist im

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Umgang mit solchen „aktivistischen Aktionären“ an mehreren Stellen gefordert. Zum einen darf der Vorsitzende des Aufsichtsrats in den Dialog mit den Investoren treten, wenngleich er die dargestellten Schranken zu beachten hat und die Gesellschaft insgesamt nach außen nur mit einer Stimme sprechen darf. Im Rahmen von Investorenvereinbarungen muss der Aufsichtsrat hingegen prüfen, ob die geplanten Abmachungen im Einklang mit dem Aktienrecht stehen und für die Gesellschaft, insbesondere aus unternehmerischer Sicht, vertretbar sind. Zum Zwecke eines vorausschauenden, strategischen Umgangs mit aktivistischen Aktionären ist der Gewinnung von Ankeraktionären eine besondere Bedeutung beizumessen. Auch hier muss der Aufsichtsrat die Arbeit des Vorstands kritisch begleiten. Insgesamt erfordert der Umgang mit aktivistischen Aktionären unternehmerische Kompetenz auf Seiten des Aufsichtsrats. II. Von besonderem Interesse für die Beziehung des Aufsichtsrats zum Vorstand sind die Fragen, welche das geschäftliche Risiko, die Überschuldungsabwehr, Investitionen und die Finanzierung der Aktiengesellschaft betreffen, denn hierbei handelt es sich um die besonders bedeutsamen unternehmerischen Entscheidungen, welche der Aufsichtsrat begleiten und prüfen muss. Dabei ist entscheidend, dass nur solche ökonomischen Risiken eingegangen werden dürfen, die durch den Unternehmensgegenstand und die hier vertretene aktienrechtliche unternehmerische Leitmaxime gedeckt sind. Für eine weitere Begrenzung sorgt die Business Judgement Rule. Unzulässig ist damit das Eingehen von Geschäften, welche insolvenzauslösende oder bestandsgefährdende Entwicklungen befördern oder verstärken, zu denen auch Liquiditätsrisiken gehören. Von oberstem Interesse für die Gesellschaft ist letztlich die Sicherung ihrer Lebensfähigkeit und ihres Bestands. Im Rahmen der Prüfung von bedeutsamen Investitionsentscheidungen ist deshalb zu beachten, dass der Vorstand keine Investitionen tätigen darf, deren Nettokapitalwert negativ ist. Investitionen dürfen nicht getätigt werden, wenn sie nicht wenigstens die Kapitalkosten erwirtschaftet. Der Aufsichtsrat kann aus seiner Sicht falsche Investitionsentscheidungen notfalls durch Ad hoc-Beschluss verhindern. Auch bei diesen Fragen steht der Aufsichtsrat in besonderem Maße in der unternehmerischen Verantwortung. Erhebliche Bedeutung im Zusammenhang mit der Steuerung von Risiken, der Überschuldungsabwehr und der Liquiditätssicherung kommt letztlich der Finanzierung der Gesellschaft zu. Der Aufsichtsrat ist deshalb verpflichtet, die Strukturentscheidungen des Vorstands prüfend zu begleiten. Denn mit der zunehmenden Verschuldung gehen auch eine erhöhte Insolvenzgefahr und ein erhöhtes Ausfallrisiko der Gesellschaftsgläubiger einher.

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E. Resümee und Ausblick I. Der Aufsichtsrat hat im Rahmen zahlreicher, in dieser Arbeit dargestellter Funktionen die Pflicht, unternehmerisch verantwortungsvoll zu handeln. Der von Lutter geprägte Begriff des „mitunternehmerischen“ Unternehmensorgans1 ist deshalb nicht nur These, sondern in rechtstatsächlicher Hinsicht Erkenntnis. Es konnte insbesondere nachgewiesen werden, dass sich die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats aus der Interpretation und Zusammenschau des AktG und seiner Wertungen ergibt. Zugleich wirkt sich diese unternehmerische Verantwortung auch unmittelbar auf die Wahrnehmung der Befugnisse und Aufgaben durch den Aufsichtsrat aus. Maßstab unternehmerisch verantwortlichen Handels ist der hier herausgearbeitete und, soweit ersichtlich, bislang nicht vertretene Ansatz einer in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG verankerten, aktienrechtlichen unternehmerischen Leitmaxime. Die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats ist dabei stets komplementär zu jener des Vorstands. Die Beachtung der gesetzgeberischen Entscheidung, dass der Aufsichtsrat üblicherweise, d. h. sofern sich das Unternehmen nicht in einer Krise befindet, nur bei zentralen Fragen mitzuentscheiden hat, verhindert das Übergreifen des Aufsichtsrats in die Entscheidungskompetenzen des Vorstands, etwa im Rahmen alltäglicher und gewöhnlicher Maßnahmen. Vorstand und Aufsichtsrat müssen gleichwohl in jeder Situation zum Wohle der Aktiengesellschaft vertrauensvoll kooperieren. Funktionierende Unternehmensstrukturen sind letztlich nicht nur für die Aktionäre und Arbeitnehmer, sondern für die gesamte Volkswirtschaft wichtig.2 Entscheidend ist deshalb, dass die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats diejenige des Vorstands ergänzen soll und diese Zusammenarbeit idealiter zu einem Zuwachs an unternehmerischem Denken und Können führt. II. Voraussetzung gewissenhafter, unternehmerisch verantwortungsvoller Aufsichtsratsarbeit ist stets die Besetzung des Kontrollgremiums mit qualifizierten Mitgliedern, die über das notwendige Wissen verfügen, um den Vorstand effektiv überwachen und beraten zu können. Die in dieser Arbeit im Einzelnen dargestellten und fortentwickelten Qualifikationskriterien können dazu beitragen, eine gewissenhafte Kontrolltätigkeit zu forcieren. Dabei wäre es rechtspolitisch empfehlenswert, wenn Aktiengesellschaften qualifikationsbezogene Kriterien in der Satzung auch mit Wirkung für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerbank festlegen könnten. Dafür müsste § 100 Abs. 4 AktG entsprechend novelliert werden. In Anbetracht des Umstandes, dass alle Aufsichtsratsmitglieder die gleichen Rechte und Pflichten haben und angesichts der Notwendigkeit einer professionellen Aufsichtsratsarbeit besteht für diese Ausnahme ohnehin kein Grund. Die quasiparitätische Mitbestimmung des MitbestG behindert zudem in einigen Fällen aufgrund gegenseitiger Abhängigkeiten und der Gefahr opportunistischen Verhaltens eine effektive, unternehmerisch verantwortungsvolle Überwachungs- und Beratungstätigkeit. Der Gesetzgeber sollte deshalb überdenken, diese Form der unternehmeri1 2

Siehe Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, § 2 Rn. 58. Loritz, ZfA 2009, 477 (479).

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schen Mitbestimmung zu reformieren. Überlegenswert wäre es etwa, die quasiparitätische Mitbestimmung durch eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu ersetzen und es im Übrigen den Unternehmen zu überlassen, mit der Belegschaft weitergehende Mitbestimmungsrechte zu vereinbaren. III. Die exemplarisch ausgewählten Handlungsfelder im Verhältnis zu Aktionären und Vorstand zeigen in besonderer Weise, wie die unternehmerische Verantwortung des Aufsichtsrats in praktischer Hinsicht gefordert ist. Soweit ersichtlich, wurden diese Tätigkeiten in der Literatur bislang nicht aus dieser Perspektive untersucht. Sie sind zugleich Beleg dafür, dass es nicht bei den bestehenden Herausforderungen, welchen sich Vorstand und Aufsichtsrat gegenwärtig im Unternehmensalltag stellen müssen, bleiben wird, sondern dass neue Aufgaben hinzukommen werden. Zu denken ist etwa an die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, welche der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union für deutsche Unternehmen bringen kann. Auch deshalb wird sich die Frage nach der unternehmerischen Verantwortung des Aufsichtsrats angesichts neuer Gegebenheiten immer wieder stellen. Auch hierfür können die in dieser Arbeit gefundenen Erkenntnisse eine Hilfestellung bieten. Mit Spannung zu beobachten sind zuletzt die legislatorischen Bemühungen, das deutsche Aktienrecht fortlaufend den Bedürfnissen der Marktteilnehmer anzupassen, beeinflusst vor allem durch die Rechtssetzungsinitiativen der Europäischen Union. Gerade im Hinblick auf zukünftige europäische Rechtsakte kann das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu einer Maßstabsverschiebung weg von dem monistischen Board-System und hin zum dualistischen Leitungssystem mit der Trennung der Organe Vorstand und Aufsichtsrat bewirken. Wie stark diese Veränderungen tatsächlich aussehen werden, wird sich noch herausstellen.

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Sachwortverzeichnis Abschlussprüfer 259, 280, 283, 347 Ad hoc-Zustimmungsvorbehalt 253, 261 f. Aktionäre 353, 355 – Ankeraktionäre 397 – Gleichbehandlungsgebot 373 – Mitgliedschaft 140 Aktionärsaktivismus, Shareholder Activism 356 Antikorruptionsuntersuchungen 263 ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 33, 101, 199, 202 – 204, 416 ARUG 136, 325 ARUG II 181 f., 185 f., 191 Aufsichtsratsmitglieder – Auswahl 302 – Bestellungshindernis 304 – Persönliche Anforderungen 303 – Qualifikation 333, 338 – Sachkompetenz 336 – Treue- und Loyalitätspflicht 304 Ausschüsse – Ad hoc-Ausschuss 348 – Aufsichtsratspräsidium 346 – Ausschussbildung 343 – Besetzung 349 – Beteiligung der Arbeitnehmervertreter 351 – Finanz- und Investitionsausschuss 348 – Nominierungsausschuss 346 – Personalausschuss 345 – Prüfungsausschuss 347 Bestandssicherung 418 Betriebsgewinn 148 Bezugsrechtsausschluss 400 f. – Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 401 – Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 402 Bilanzgewinn

149

BilMoG 32, 347 Business Judgement Rule 32, 99, 207, 410, 416 Compliance 244 – Compliance-Organisation 248 – Compliance-System 244 Corporate Social Responsibility/CSR

195

DAT Altana-Entscheidung 137 Delisting-Entscheidung 137 f. Demokratieprinzip 94 Deutscher Corporate Governance Kodex/ DCGK 31, 85 – Erklärungspflicht 286 – Gesetzeskraft 88 – Handelsbrauch 89 – Satzungsgleiche Wirkung 89 – Unternehmerische Entscheidung 90 Direktkontakt zu Mitarbeitern 217 Eigenkapital 422 – Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung 424 – Zweck 423 Eigenkapitalwert 151 Eigenkapitalwertmaximierung 152, 160, 197 Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats 258 Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats 257 Entscheidung – rechtlich gebundene 198 – unternehmerische 198, 200, 414 Ermessen 199 f. – Leitungsermessen 201 – Überwachungsermessen 202 Erwerbswirtschaftliche Ausrichtung 49

476

Sachwortverzeichnis

Finanzexperte, unabhängiger 333 Finanzierung 422 – Eigenkapitalfinanzierung 422 – Fremdkapitalfinanzierung 425 – Mezzanine- und Hybridkapitalfinanzierung 427 Formalziel 48, 53 Frosta-Entscheidung 137 ff. Gelatine I-Entscheidung 224 Gemeinwohlbindung 62 Genehmigtes Kapital 285, 386 Gesamtregelungsplan des AktG 51 Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats 269 Gesellschaftsinteresse 39 f., 44, 54, 100 Gesellschaftszweck 45 ff., 53, 200 Gewinnerzielung/Gewinnerwirtschaftung 50 f., 53, 147, 156 Gewinnmaximierungspostulat 151, 160 Grøngaard und Bang-Entscheidung 371 Hauptversammlung – Bericht 283 – Einberufung 260 – ungeschriebene Zuständigkeiten 224 Hertie-Entscheidung 333, 336, 340 Holiday Inn-Entscheidung 229 Holzmüller-Entscheidung 44, 224 Innenorgan 366 Insiderinformationen 369 Interne Revision 250 Investitionspolitik 421 Investorenvereinbarungen 375 ISION-Entscheidung 233 Jahresabschluss 279 Jahresüberschuss 149 Kali + Salz-Entscheidung 43, 403 Kapitalerhaltungsgrundsatz 388 Kapitalerhöhung 400 f. Kapitalmarktkommunikation 363 – Schranken 369 – Zulässigkeit 365 – Zuständigkeit 364 Kapitalmarktorientierung 132, 140

Kapitalsammelbecken 53 Kompetenzordnung, aktienrechtliche 223 KonTraG 31, 132 ff., 240, 250, 259, 312, 410 Kontrolldichte 252 Legalitätspflicht 221 Lehre vom Aktienunternehmen 79 Leitmaxime, aktienrechtliche unternehmerische 416 – Anwendungsbereich 198 ff. – Begründung 187 – Inhalt 192, 197 Leitungsfunktionen 268 Liquiditätssicherung 420 Macrotron-Entscheidung 137 f. Mitbestimmung – betriebsverfassungsrechtliche 66 – Drittelbeteiligung 67 – Montanmitbestimmung 67 – quasiparitätische 67 – unternehmerische 66 Mitbestimmungskommission 68 Mitbestimmungsrecht 66 Mitbestimmungsurteil 67 Mitunternehmer/mitunternehmerisch 31, 34, 268, 438 Moto Meter-Entscheidung 137 f. Nachhaltigkeit 181, 183, 187 f., 192 f., 195, 197 NaStraG 136 Neutralitätspflicht, aktienrechtliche 398 Opel-Entscheidung 229, 262 f. Ordnungsmäßigkeit 239 – Gesetzliche Organisationspflichten – Unternehmensplanung 239 Organstreit 262 Personalverantwortung 286 Piëch-Entscheidung 253 Rentabilität 150 Risiko 410 – Risikomessung 412 – Risikosteuerung 414

240

Sachwortverzeichnis – Risikotypen 411 Risikofrüherkennungssystem

241

Satzung 45, 341 Sektorvertrautheit 334 Shareholder Value-Konzept 117 f. – Aktienrechtliche Kompatibilität 132 – Anlegerorientierung 124 – Berechnung 121 – Inhalt 120 – moderates 173, 175 – Strategie 125 Siemens/Neubürger-Entscheidung 246 Siemens/Nold-Entscheidung 44, 225, 404 Sozialbindung des Eigentums 61, 63 f. Sozialstaatsprinzip 62, 65 Sozialverbandstheorie 77 Squeeze out 135 Stakeholder 55, 87, 117, 194 Stakeholder-Ansatz 117, 165 Stimmrechtsberater, Proxy Advisors 361 Theorie vom verfassten Unternehmen TransPuG 31, 133, 270, 308

82

Überschuldungsabwehr 418 Überwachung, Intensität 251 Überwachung, Schranken 266 Überwachungsfunktionen 210 Überwachungsgegenstände 213 Überwachungsmaßstäbe 221 UMAG 32, 99 f., 136, 143 Unternehmen an sich/Theorie des Unternehmens an sich 56 Unternehmensgegenstand 46 f., 53, 200, 222, 276, 415

477

Unternehmensinteresse 38, 40, 55, 70, 72, 76, 87, 100, 102, 117, 165, 178 Unternehmensträger 81 Unternehmenswert/Unternehmungswert 121, 151 Verantwortlichkeit 30 Verantwortung, Begriff 29 Verbandsinteresse 44, 54 Verbandszweck 45 f., 53, 160 Vergangenheitsbezogene Kontrolle 255 Verkehrsfähigkeit der Aktie 136 Verwaltungsrat 269 VorstAG 32, 119, 164, 182, 191, 297 Vorstand 409 – Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder 292 – Berichterstattungspflicht 213 – Bestellung 287 – Delegation von Vorstandsaufgaben 225 – Geschäftsführung 211 – Geschäftsordnung 300 – Informationsmonopol 215 – Suspendierung 290 – Vergütung 294 – Widerruf der Bestellung 290 Wettbewerbssituation 312 Wirtschaftlichkeit 251 Wirtschaftsordnung 65 Wohl der Gesellschaft 40, 100, 410 Zielmonistischer Ansatz 54 Zukunftsbezogene Kontrolle 256 Zustimmungsvorbehalte 270 Zweckmäßigkeit 251