Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmeangeboten: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen Rechts, des deutschen Aktienrechts und des WpÜG [1 ed.] 9783428512898, 9783428112890

Darf der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot ergrei

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Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmeangeboten: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen Rechts, des deutschen Aktienrechts und des WpÜG [1 ed.]
 9783428512898, 9783428112890

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 170

Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmeangeboten Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen Rechts, des deutschen Aktienrechts und des WpÜG

Von Roland Hens

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ROLAND HENS

Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmeangeboten

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 170

Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmeangeboten Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen Rechts, des deutschen Aktienrechts und des WpÜG

Von Roland Hens

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-11289-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und Sabine

Vorwort Welche Pflichten dem Vorstand der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten obliegen, ist ein Thema, dessen Entwicklung sich während des Erstellens dieser Arbeit, zwischen Mitte 2000 und Mitte 2002, überschlug. Es gab auf nationaler Ebene in dieser Zeitspanne insgesamt drei Gesetzesentwürfe, die schließlich in das zum 01. 01. 2002 in Kraft getretene WpÜG mündeten. Auf europäischer Ebene ergingen zwei Richtlinienvorschläge. Als die Übernahmerichtlinie im Europäischen Parlament im Sommer 2001 überraschend scheiterte, war der Weg für § 33 WpÜG, der die Vorstandspflichten der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens regelt, frei. Bei einem Zustandekommen der Richtlinie wäre § 33 WpÜG in keiner Weise richtlinienkonform gewesen, so dass diese Vorschrift mit ihrem jetzigen Inhalt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zustande gekommen wäre. Durch die genannten Veränderungen mussten umfangreiche Teile erheblich überarbeitet, teilweise auch ganz neu erstellt werden. Durch eine letzte umfangreiche Aktualisierung im Sommer 2002 wurde das WpÜG und insbesondere dessen § 33 in seiner Fassung vom 21. 12. 2001 berücksichtigt. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit stellt neben § 33 WpÜG die nach wie vor relevante Diskussion der Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten nach den §§ 76 f., 93 AktG dar. Es würde mich sehr freuen, wenn auch die Darstellung der Abwehrmöglichkeiten des Board of Directors einer US-amerikanischen Corporation gegen feindliche Übernahmeangebote am Beispiel des wichtigsten Inkorporationsstaates Delaware in Wissenschaft und Praxis auf Interesse stießen. Einen großen Dank möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Martin Henssler, für die äußerst freundliche und hilfsbereite Betreuung meiner Promotion aussprechen. Meinen Eltern danke ich herzlichst für die mentale und finanzielle Unterstützung, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Während der Arbeitsphase hat mich meine Freundin Sabine immer wieder bestärkt und mich gerade in den letzten Monaten der Fertigstellung durch Ihre umfangreiche Mitwirkung an der sprachlichen Abrundung der Arbeit unterstützt. Dafür gilt ihr mein inniger Dank. Köln, im November 2003

Roland Hens

Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Teil I Feindliche Übernahmeangebote und die rechtliche Problematik ihrer Abwehr durch den Vorstand der Zielgesellschaft

31

A. Feindliche Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Die Entwicklung feindlicher Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

C. Gründe der Bietergesellschaft für die Unterbreitung eines Übernahmeangebots . . . . .

34

D. Gründe für die Abwehr von Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

E. Die Problematik einer Abwehrkompetenz des Vorstands gegen Übernahmeangebote

37

Teil II Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht und die Historie einer Europäischen Übernahmerichtlinie

39

A. Die bis zum Inkrafttreten des WpÜG geltende spezielle privatrechtliche Regelung für Unternehmensübernahmen in Deutschland durch den Übernahmekodex . . . . . . . . .

39

B. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten nach dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

C. Die Historie einer Europäischen Richtlinie zur Regelung von Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

10

Inhaltsverzeichnis

D. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates zu einer Europäischen Richtlinie betreffend Übernahmeangebote vom 19. Juni 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

I. Die wichtigsten Rahmenvorgaben des Gemeinsamen Standpunktes . . . . . . . . . . .

44

1. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines öffentlichen Übernahmeangebots, Art. 9 ÜRGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

II. Der Richtlinienentwurf des gemeinsamen Vermittlungsausschusses des Europaparlaments und des Ministerrats vom 6. Juni 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Der Weg zur Einigung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

2. Die wesentlichen Änderungen des Richtlinienentwurfs im Vergleich zum Gemeinsamen Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

a) Die Pflichten des Leitungs- und des Verwaltungsorgans der Zielgesellschaft nach dem Richtlinienentwurf – Art. 9 RichtlinienE . . . . . . . . . . . . . . .

49

b) Die Änderungen von Art. 9 ÜRGS und Art. 9 RichtlinienE . . . . . . . . . . . . . .

50

3. Das Scheitern der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

E. Der neue Anlauf im Hinblick auf ein einheitliches europäisches Übernahmerecht durch die Winter-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

F. Die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Regelung des deutschen Übernahmerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

I. Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen des Bundesfinanzministeriums vom 29. 06. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

1. Die Hintergründe und Ziele des Diskussionsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

2. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten nach § 31 DiskussionsE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

II. Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zu einem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

1. Der erweiterte Anwendungsbereich des Referentenentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . .

55

2. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten, § 33 RefE WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

G. Der Regierungsentwurf des Bundesfinanzministeriums zu einem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 11. Juli 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

H. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20. Dezember 2001 . . . . . . . . . . . .

58

Inhaltsverzeichnis

11

Teil III Die Verhaltensweise des Board of Directors der Zielgesellschaft bei Hostile Takeover Bids in den USA

60

A. Die Vorreiterrolle des US-amerikanischen Übernahmerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

B. Die Entwicklung von M&A-Transaktionen und Hostile Takeovers in den USA . . . . . .

60

C. Die Vorgehensweise der Bietergesellschaft zum Erwerb der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . .

61

I. Proxy Contests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

II. Der Kontrollerwerb durch Tender Offers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

D. Überblick über das US-amerikanische Gesellschafts- und Übernahmerecht . . . . . . . . .

63

I. Die bundeseinheitliche Regelung von Tender Offers – Der Securities Exchange Act und der Williams Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Pflichten des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Rechte der Aktionäre der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

3. Die Kriterien für das Vorliegen eines Tender Offer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

4. Beginn und Dauer eines Tender Offer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

5. Die Pflicht zur Stellungnahme des Board of Directors der Zielgesellschaft .

66

II. Die Einzelstaatenzuständigkeit im Bereich des Corporation Law . . . . . . . . . . . . . .

67

III. Takeover Statutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

1. Fair Price Statutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

2. Control Share Acquisition Statutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Freeze-out / Business Combination Statute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

IV. Das Verhältnis von bundeseinheitlichem und einzelstaatlichem Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

V. Die herausragende Rolle von Delaware im Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

E. Ein Überblick über die Zulässigkeit der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote durch das Board of Directors in Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

F. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen im Einzelnen . . . .

74

I. Enhanced Scrutiny – Der Unocal-Test des Delaware Supreme Court . . . . . . . . . .

74

12

Inhaltsverzeichnis 1. Die grundlegende Entscheidung: Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946 (Del. 1985) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

2. Die Voraussetzungen zum Bestehen des Unocal-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

a) Der Nachweis vernünftiger Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

b) Der Nachweis eines vernünftigen Verhältnisses von der ergriffenen Abwehrmaßnahme zur bestehenden Bedrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

c) Das Erfordernis einer nicht drakonischen Abwehrmaßnahme . . . . . . . . . . .

78

II. Die Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

1. Die Anforderungen der Business Judgment Rule – Duty of Care und Duty of Loyalty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Duty of Care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

b) Duty of Loyalty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

(1) Interessenkonflikt – „Conflict of interests“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(2) Unbefangener Ausschuss – Committee of Independent Directors . . . .

83

III. Das Erfordernis umfassender Fairness bei Durchführung einer Transaktion – Entire Fairness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

IV. Der Revlon-Test bei einem unvermeidbaren Verkauf der Gesellschaft . . . . . . . . .

85

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

I. Präventivmaßnahmen – Shark repellents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

1. Shareholder Rights Plans – „Poison Pills“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

a) Die Zulässigkeit von Poison Pills . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

b) Das Recht zur Aufrechterhaltung eines Shareholder Rights Plans bei einem feindlichen Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

(1) Die wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur Annahme des Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

(2) Weißer Ritter – White Knight . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

(3) „Just-Say-No“-Defense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

c) Flip Over Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

d) Flip In Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

e) Dead Hand Pills . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

(1) Die uneinheitliche Rechtsprechung zu Dead Hand Pills . . . . . . . . . . . . . (a) Die Unzulässigkeit einer Dead Hand Pill in Bank of New York v. Irving Bank Corp., 528 N.Y.S. 2d 482 (N.Y. Sup. Ct. 1988) . . . (b) Die Zulässigkeit einer Dead Hand Pill in InvaCare v. Healthdyne Technologies, Inc., 968 F. Supp. 1578 (N.C. Ga. 1997) . . . . . . . . . .

98 98 99

Inhaltsverzeichnis (2) Die Rechtsprechung von Delaware – Carmody v. Toll Brothers . . . . . .

13 99

f) No Hand Pills . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 g) Ergebnis der Zulässigkeit von Dead Hand und No Hand Poison Pills . . . . 102 h) Back End Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Die gestaffelte Board-Mitgliedschaft – Staggered Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Ausschluss kumulativer Stimmrechte – Cumulative voting Rights . . . . . . . . . . 103 4. Die Verpflichtung der Aktionäre, eine beabsichtigte Beschlussfassung über die Wahl von Directors im Rahmen einer Aktionärsversammlung vorzeitig mitzuteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5. Fair Price Provisions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 6. Qualifizierte Stimmerfordernisse – Supermajority Provisions . . . . . . . . . . . . . . 106 7. Erweiterte Stimmrechte – Super-Voting Stock Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8. Goldene Fallschirme – Golden Parachutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 9. E.S.O.P. (Employee Stock Ownership Plan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Post-Offer-Strategies – Abwehrmaßnahmen nach Vorliegen eines konkreten Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. White Knight – Weißer Ritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. White Squire – Weißer Junker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Defensive Acquisitions – Anti Trust Defence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Der Rückerwerb eigener Aktien – Share Repurchase / Self Tender Offer . . . . 109 5. Greenmail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 6. Corporate Restructuring – Spin Offs und Split Offs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 7. Die Unterbreitung eines Gegenangebots – Pac-Man-Defense . . . . . . . . . . . . . . . 111 H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Teil IV Die Zulässigkeit der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote durch den Vorstand der Zielgesellschaft in Deutschland nach Art. 19 ÜK und nach dem Aktiengesetz

114

A. Die Verhaltensweise des Vorstands nach dem Übernahmekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B. Die Bedeutung des Aktienrechts für das Vorstandsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

14

Inhaltsverzeichnis

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten nach dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten? – Das Meinungsspektrum in der gesellschaftsrechtlichen Literatur . . . . . . . 118 1. Die Neutralitätspflicht des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Ausnahmen von der Neutralitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Die Befugnis des Vorstands zur Einflussnahme auf den Aktionärskreis – Das Recht zu Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Die Untersuchung der verschiedenen Ansätze zur Begründung einer Neutralitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Die Neutralitätspflicht als Resultat einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung – „Holzmüller“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Das Holzmüller-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Die Hauptversammlungskompetenz bezüglich der Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Herleitung der Neutralitätspflicht aus den Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nach § 76 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Abwehrmaßnahmen als Gegenstand der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Herleitung der Neutralitätspflicht aus § 53a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Die Begründung der Neutralitätspflicht mit der Funktionsnotwendigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5. Herleitung der Neutralitätspflicht aus der Funktion des Vorstands als Wahrer fremder Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Der Lösungsansatz von Hopt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Stellungnahmen der Vorstände der Zielgesellschaften bei Übernahmeangeboten nach dem Übernahmekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Ergebnis und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Die vom Vorstand innerhalb seines Leitungsermessens zu berücksichtigenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Das Aktionärsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Die verschiedenen Anlegerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Inhaltsverzeichnis

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b) Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Aktionärsinteressen – Der Shareholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Die Interessen der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Das Interesse der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Die Interessen der Gläubiger der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5. Das Vorstandsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Das Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Die Terminologie in der Literatur und Rechtsprechung – Unternehmensoder Gesellschaftsinteresse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Das Gesellschaftsinteresse im Aktiengesetz und im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Der Inhalt eines eigenen Gesellschaftsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Die Eigenständigkeit des Gesellschaftsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (1) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (2) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (3) Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Der Inhalt des Gesellschaftsinteresses – Das Gesellschaftsinteresse als Interesse am wirtschaftlichen Erfolg und als Bestandsinteresse . . . . . . . . . . 150 (1) Das Gesellschaftsinteresse an dauerhafter Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . 151 (2) Das Interesse am Fortbestand der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Das Gesellschaftsinteresse als Schranke des Leitungsermessens . . . . . . . . . . . . 153 III. Die Ermessensausübung des Vorstands bei Vorliegen eines Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Teil V Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

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A. Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Präventivmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Die Steigerung des Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Erschwerung der Abberufung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

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Inhaltsverzeichnis 3. Einschränkungen des Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Die Vinkulierung von Namensaktien – § 68 II AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5. Vertragliche Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6. Stimmrechtsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7. Höchststimmrechte und Mehrstimmrechtsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 8. Die Ermächtigung des Vorstands zur Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 9. Die Vorratsermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung zur Abwehr von Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen während eines Übernahmeverfahrens . . . . . . . . . . . . 168 1. Das Ausnutzen der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Anzeige- und Werbekampagnen und die Einflussnahmen auf die Aktionäre zu einer so genannten „Pool- und Frontenbildung“ durch Roadshows . . . . . . . 169 a) Die Zulässigkeit von Roadshows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Die Mannesmann-Entscheidung des LG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Die Zulässigkeit von Werbekampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Das Erfordernis informationshaltiger Werbung am Beispiel der Anzeigenkampagne Vodafone-Mannesmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Verkauf und Zukauf von Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4. Der Erwerb eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Abwendung eines schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens der Gesellschaft, § 71 I Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Ermächtigung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Die reguläre Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6. Die Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Der Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Die Berichtspflicht nach § 203 I 1 i.V.m. § 186 IV 2 AktG . . . . . . . . . . 179 (2) Die Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (a) Die Anforderungen an die Ermächtigung nach der älteren BGHRechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (b) Die Rechtsprechungsänderung durch die Siemens / Nold-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7. Wandel- und Optionsschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 8. Die Suche nach einem Weißen Ritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 9. Die Pac-Man-Verteidigung – Das Gegenangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Inhaltsverzeichnis

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B. Die Zulässigkeit der US-amerikanischen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht 185 I. Shark Repellents – Präventivmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Shareholder Rights Plans / Poison Pills . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Goldene Fallschirme – Golden Parachutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Die Staffelung der Amtszeiten von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern 187 4. Die Beurteilung weiterer Präventivmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Post Offer Strategies – Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Teil VI Das Übernahmeverfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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A. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Struktur und Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes . . . 189 II. Aufbau und Anwendungsbereich des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. Ablauf eines Übernahmeverfahrens nach dem WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Das Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots und der Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Die Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Veröffentlichungspflichten des Bieters während des Übernahmeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Die begründete Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Die Annahmefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 IV. Werbung, § 28 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 V. Die Aufsicht zur Kontrolle eines ordnungsgemäßen Übernahmeverfahrens durch die BAFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 VI. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 VII. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2 Hens

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Inhaltsverzeichnis VIII. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

Teil VII Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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A. § 33 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Der Grundsatz: Die Neutralitätspflicht gemäß § 33 I 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Das Verhältnis von § 33 WpÜG zum Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Der Handlungsbegriff des § 33 I 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht gemäß § 33 I 2, II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot, § 33 I 2, 2. Fall WpÜG . . . . . 205 II. Handlungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, § 33 I 2, 1. Fall WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Den Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft in erheblichem Maße verändernde Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Die Ausgabe neuer Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Der Erwerb eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Die Beweislast für das Vorliegen von Maßnahmen nach § 33 I 2, 1. Fall WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 33 I 2, 3. Fall WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Beschlussmaßstäbe für die Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Kritische Würdigung des Zustimmungserfordernisses des Aufsichtsrats . 211 2. Einschränkung des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG durch das Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 33 I 2, 3. Fall WpÜG . . . . . . . . . . 212 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Die Vorratsermächtigungen gemäß § 33 II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Die Anforderungen an die Vorratsermächtigung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . 215

Inhaltsverzeichnis

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a) Das Interesse des Vorstands an einer ununterbrochenen Ermächtigung . . 216 b) Die Auswirkungen der Versagung einer erneuten Vorratsermächtigung auf die noch nicht abgelaufene Frist einer bestehenden Ermächtigung . . . 216 2. Die inhaltlichen Anforderungen an die Abwehr eines Übernahmeangebots auf der Grundlage eines Vorratsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Die Höhe eines bestimmten Angebotspreises als entscheidendes Kriterium für die Abwehrbefugnis des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Abwehrmaßnahmen des Vorstands aufgrund einer Vorratsermächtigung unter Beachtung des Gesellschaftsinteresses, § 3 III WpÜG . . . . . . . . . . . . . 217 3. Die Zustimmung des Aufsichtsrats, § 33 II 4 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Abwehrmaßnahmen im Rahmen der Vorratsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 V. Die Beurteilungskriterien für die rechtmäßige Abwehr eines Übernahmeangebots nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG und § 33 II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Die Heranziehung der Kriterien der US-amerikanischen Rechtsprechung . . . 220 2. Die Unangemessenheit des Angebotspreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Die Aufrechterhaltung einer erfolgreichen Geschäftsstrategie . . . . . . . . . . . . . . 222 4. Der Nachweis für die Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG und § 33 II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 C. Die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abwehrmaßnahmen nach § 33 I WpÜG . . 224 I. Präventivmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Strukturelle Präventivmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Die Erfüllung von vertraglichen oder sonstigen Rechtspflichten während eines Übernahmeverfahrens als Abwehrmaßnahme gegen ein Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Die Problematik eines Vertragsschlusses zur Abwehr eines Übernahmeangebots vor der Veröffentlichung der Entscheidung nach § 33 I 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Die Wirksamkeit eines Vertrages vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots, dessen Erfüllung das Übernahmeangebot vereiteln soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Die analoge Anwendung des § 202 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Unzulässige nachträgliche Abwehrmaßnahmen nach der Begründung des Regierungsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Die Ausgabe neuer Aktien und der Erwerb eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Die Veräußerung von Crown Jewels und die Schaffung kartellrechtlicher Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2*

20

Inhaltsverzeichnis III. Der Börsengang von Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Pac-Man . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 V. Anzeige- und Werbekampagnen und die Einflussnahmen auf die Aktionäre zu einer „Pool- und Frontenbildung“ durch Roadshows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Die Zulässigkeit von Roadshows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Die Zulässigkeit von Werbekampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

D. Handlungen des Vorstands aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Die verkürzte Einberufungsfrist für Hauptversammlungen während eines Übernahmeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Das Mehrheitserfordernis von Genehmigungsbeschlüssen der Hauptversammlung während des Übernahmeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 III. Die Bestimmtheit der Beschlussvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 E. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Teil VIII Ergebnis der Arbeit

244

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Abkürzungsverzeichnis

A.2d a.A. a. a. O. ABA aff ’d AG

AktG ALI Am. Bus. L. J. Ariz. J. Int’l & Comp. L. Art. Aufl. BAFin BayObLG BB Bd. BDI Begr. Beil. BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ BMJ bp BT-Drucksache B. U. L. Rev. Bus.Law BVerfG

Atlantic Reporter, Second Series anderer Ansicht an angegebenem Ort American Bar Association affirmed – Aktiengesellschaft – Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen) Aktiengesetz vom 06. 09. 1965 (BGBl. I, S. 1089), BGBl. III / FNA 4121 – 1 American Law Institute American Business Law Journal Arizona Journal of International & Company Law Artikel Article Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater Band Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beilage Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1988 (BGBl. 1989 I S. 1, ber. S. 902) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 08. 1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz bullet point Drucksache des Deutschen Bundestages Boston University Law Review Business Lawyer Bundesverfassungsgericht

22 Cal. C.D. CEO Cir. Colum. Bus. L. Rev. Colum. L. R. Corp. D. DB DBW Del. Del.Ch. Del. Gen. Corp. L Del. J. Corp. L. ders. dies. DiskussionsE Diss. DSW DWiR E.D. EGAktG ERISA ESOP EU EuGH f. F.2d FAZ ff. Fn. FS F.Supp. FTD GmbH Harv. L. Rev. Hervorh. d. Verf. Hrsg. Ill. Inc.

Abkürzungsverzeichnis California Central District Chief Executive Officer Circuit Columbia Business Law Review Columbia Law Journal Corporation (Federal) District Court Der Betrieb Die Betriebswirtschaft – Delaware – Delaware Supreme Court Delaware Court of Chancery Delaware General Corporation Law Delaware Journal of Corporate Law derselbe(n) dieselbe(n) Diskussionsentwurf zu Art. 1 eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen: Übernahmegesetz vom 29. Juni 2000 Dissertation Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Eastern District Einführungsgesetz zum Aktiengesetz vom 6. September 1965, BGBl. I S. 1185, BGBl. III / FNA 4121 – 2 Employee Retirement Income Security Act of 1974 Employee Stock Ownership Plan Europäische Union Europäischer Gerichtshof folgender Federal Reporter, Second Series Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende Fußnote Festschrift Federal Supplement Financial Times Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Harvard Law Review Hervorhebung des Verfassers Herausgeber Illinois Incorporated

Abkürzungsverzeichnis Int’l Law. JA JURA JZ KGaA KölnKomm KonTraG KSchG LBO LG lit. Ltd. M&A MBO Me. Miami U. L. Rev. Minn. MitbestG MontanMitbestG

m. w. N. N.C. N.D. N.J. NJW No. N.Y. N.Y.S. 2d NYSE NZG OLG PLC, plc PLI / Corp PR RefE WpÜG

23

International Lawyer Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristenzeitung Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kündigungsschutzgesetz Leveraged Buyout Landgericht litera Limited Mergers & Acquisitions Management Buyout Maine Miami University Law Review Minnesota Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976 (BGBl. I S. 1153) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951 (BGBl. S. 347) mit weiteren Nachweisen North Carolina North Dakota New Jersey Neue Juristische Wochenschrift Number New York New York Supplement, Second Series New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Public Limited Company Practising Law Institute Corporate Law and Practice Course Handbook Series Public Relations Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zu Art. 1 eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 12. März 2001

24 RegE WpÜG

RGBl. RichtlinienE

RIW RMBCA Rn. S. s. S.D. SE SEA SEC s. o. s. u. ss. St. Louis U. L. J. Sup.Ct. Supp. SZ Tex. L. Rev. U. Cin. L. Rev. U. Miami L. Rev. ÜRGS

US USA v. vgl. Vol. WiB Wis. WL WM

Abkürzungsverzeichnis Regierungsentwurf zu Art. 1 eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 11. Juli 2001; abgedruckt in BTDrucksache 14 / 7034 S. 7 ff.; die Begründung zum RegE WpÜG ist abgedruckt in BT-Drucksache 14 / 7034 S. 27 ff. Reichsgesetzblatt Richtlinienentwurf des Gemeinsamen Vermittlungsausschusses des Europaparlaments und des Ministerrats vom 6. Juni 2001 Abgedruckt in: Neye, ZIP 2001, 1120, 1123 ff. Recht der Internationalen Wirtschaft Revised Model Business Corporation Act Randnummer Seite – Section – siehe South Dakota Southern Reporter Securities Exchange Act Securities Exchange Commission siehe oben siehe unter Sections St. Louis University Law Journal Supreme Court Supplement Süddeutsche Zeitung Texas Law Review University Cincinnati Law Review University Miami Law Review Gemeinsamer Standpunkt des Europäischen Rates für eine Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote, abgedruckt in: Pötzsch / Möller, WM Sonderbeilage 2 zu Heft 31 / 2000, S. 32 United States United States of America versus vergleiche Volume Wirtschaftsrechtliche Beratung – Zeitschrift für Wirtschaftsanwälte und Unternehmensjuristen Wisconsin Westlaw Wertpapiermitteilungen

Abkürzungsverzeichnis WpHG WpÜG z. B. ZGR ZHR ZIP ZRP

25

Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 14. 11. 2001, in Kraft getreten am 01. 01. 2002, BGBl. 2001 S. 3822 ff. zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung Die Pflichten des Vorstands der Zielgesellschaft von börsennotierten Aktiengesellschaften bei feindlichen Übernahmeangeboten ist ein in den letzten Jahren in Deutschland zunehmend relevantes und kontrovers diskutiertes Thema. Der Grund liegt darin, dass Unternehmen nach einem erfolgreichen Börsengang nun verstärkt auch ihre Aktien als „Währung“ in Übernahmetransaktionen einsetzen und eine zielgerichtete M&A-Strategie zunehmend als Instrument der Wachstumspolitik einer Unternehmung begreifen. Dies gilt umso mehr weltweit: die Verwendung von Aktien als Währung betrug bei der Gesamtzahl von Transaktionen 1992 noch 15%, bis 1999 stieg diese Zahl auf 40%. Bei Transaktionen mit einem Volumen von über DM 2 Mrd. sogar auf 80%.1 In Deutschland erreichte die Kontroverse über die Reglementierung von Unternehmensübernahmen einen Höhepunkt anlässlich der Übernahmeschlacht zwischen dem britischen Telekommunikationsunternehmen Vodafone Airtouch plc und der Düsseldorfer Mannesmann AG im Winter 1999 / 2000. Diese Übernahme hat die Regelungsbedürfnisse in besonderem Maße offen gelegt. Im Mittelpunkt der Diskussion stand das ablehnende Verhalten des Vorstands der Mannesmann AG. Inwieweit Abwehrmaßnahmen des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten zulässig sind, wird als Kernfrage jeden Übernahmerechts angesehen.2 Die Bundesregierung hatte die Übernahme von Mannesmann im Frühjahr 2000 zum Anlass genommen, zur Ausarbeitung eines Übernahmegesetzes eine Expertenrunde zu berufen, um eine verbindliche Regelung von Unternehmensübernahmen zu beschleunigen. Ziel war es, ein Übernahmerecht zu schaffen, das die Interessen von Unternehmen und Aktionären in angemessener Weise berücksichtigt und darüber hinaus auch für ausländische Investoren Transparenz schafft und den Finanzplatz Deutschland stärkt. Nachdem zunächst am 29. Juni 2000 ein Diskussionsentwurf (DiskussionsE) und am 12. März 2001 ein Referentenentwurf (RefE WpÜG) zu einem speziellen Übernahmegesetz über die Homepage des Bundesfinanzministeriums 3 veröffentlicht worden war, folgte an gleicher Stelle am 11. Juli 2001 ein Regierungsentwurf zu einem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen 1 www.mergers-and-acquisitions.de / fakten1020.htm#uebernahmewelt, s. dort Gliederungspunkt „Aktien als Währung“. 2 Hopt in FS Lutter 2000, 1361, 1362. 3 www.bundesfinanzministerium.de.

28

Einleitung

(RegE WpÜG)4, der hinsichtlich der Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens im Vergleich zu den vorherigen Entwürfen signifikante Änderungen enthielt. Am 14. November 2001 stimmte der Bundestag schließlich über den Regierungsentwurf mit einigen Änderungen,5 vorgenommen durch den Finanzausschuss, ab. Die bedeutendste Änderung im Vergleich zum Regierungsentwurf vom 11. Juli 2001 betraf § 33 RegE WpÜG, der die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens regelt. Die Neufassung wurde von den Koalitionsfraktionen SPD / Bündnis 90 Die Grünen gegen die Stimmen der CDU / CSU-Fraktionen bei Stimmenthaltung der PDS-Fraktion beschlossen.6 Der Diskussionsentwurf und der Referentenentwurf korrespondierten mit dem zeitgleichen Richtlinienverfahren für eine Europäische Richtlinie zur Regelung von Übernahmeangeboten. Die deutschen Entwürfe orientierten sich inhaltlich nach den Richtlinienvorgaben, so dass bei einem Inkrafttreten der Richtlinie diese direkt in nationales Recht umgesetzt werden und in Kraft hätten treten können. Nachdem die Richtlinie am 6. Juni 2001 im Vermittlungsverfahren nach zähen Verhandlungen beschlossen worden war, scheiterte sie völlig unerwartet mit einem äußerst knappen Abstimmungsergebnis am 4. Juli 2001 im Europäischen Parlament. Der Regierungsentwurf vom 11. Juli 2001 orientierte sich in Bezug auf die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens schon nicht mehr an den Vorgaben des letzten Richtlinienentwurfs in Form der Einigung im Vermittlungsausschuss vom 6. Juni 2001. Die schnelle Reaktion der Regierung nach dem Scheitern der Richtlinie durch Veröffentlichung des Regierungsentwurfs ist damit zu erklären, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder schon im Frühjahr 2001 vorhatte, auch bei einem Zustandekommen der Richtlinie für den Zeitraum der Umsetzungsfrist hinsichtlich der Verhaltensweise des Vorstands einen eigenen Weg zu gehen, um bestehende Wettbewerbsnachteile zu anderen EU-Staaten auszugleichen. Insofern waren die im Regierungsentwurf enthaltenen Änderungen der Vorstandspflichten zumindest gedanklich schon vorbereitet. Nach dem Scheitern der Übernahmerichtlinie schien zunächst die baldige Wiederaufnahme der Arbeit an einer einheitlichen europäischen Übernahmeregelung ungewiss. Jedoch setzte die Europäische Kommission bereits Anfang September 2001 eine Expertenkommission unter der Leitung des Niederländers Jaap Winter

4 Der RegE WpÜG in seiner Fassung vom 11. Juli 2001 ist abgedruckt in BT-Drucksache 14 / 7034 S. 7 ff.; die Begründung zum RegE WpÜG ist abgedruckt in BT-Drucksache 14 / 7034 S. 27 ff. 5 Siehe zu den Änderungen im Vergleich zum RegE WpÜG BT-Drucksache 14 / 7477 S. 7 ff. 6 BT-Drucksache 14 / 7477 S. 68.

Einleitung

29

ein, um einen neuen Vorschlag für eine Übernahmerichtlinie auszuarbeiten.7 Mittlerweile liegen erste Ergebnisse der Expertengruppe vor.8 In Deutschland bestand bis zum Inkrafttreten des WpÜG zum 1. Januar 2002 nur der freiwillige Übernahmekodex (ÜK) der Börsensachverständigenkommission als spezielle Regelung von Übernahmeangeboten. Das Manko des Übernahmekodex war, dass ihn nicht alle börsennotierten Gesellschaften anerkannt hatten und er bei Verstößen gegen dessen Verhaltenspflichten keine ausreichenden Sanktionsmöglichkeiten enthielt. Ungeachtet der privatrechtlichen Vorschriften des ÜK richtete sich das Verhalten des Vorstands der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots nach dem Aktienrecht, da in Deutschland eine spezielle gesetzliche Regelung fehlte. Die Literaturmeinungen zu diesem Thema reichen von der überwiegend angenommenen Neutralitätspflicht des Vorstands bis hin zu einem Bejahen der Befugnis, Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote ergreifen zu können. Da die verschiedenen Begründungsansätze für das Vorstandsverhalten auf unterschiedlichen Ausgangspunkten basieren und in der mittlerweile umfangreichen Literatur dogmatisch oft nur unzureichend erörtert werden, werden in dieser Arbeit sämtliche Ansichten einer rechtlichen Überprüfung unterzogen. Von Bedeutung ist dabei vor allem das Grundsatzproblem, ob, und wenn ja, wann der Vorstand Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen kann bzw. muss. Im Mittelpunkt der aktienrechtlichen Diskussion steht die von der herrschenden Meinung angenommene Neutralitätspflicht des Vorstands. Aufgrund der vergleichsweise äußerst geringen Erfahrung mit feindlichen Unternehmensübernahmen in Deutschland bietet sich ein Rechtsvergleich mit der Abwehrbefugnis des Board of Directors einer US-amerikanischen Corporation an. In den achtziger Jahren fand in den USA ein M&A-Boom statt, der zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Board führte. Aus dem US-amerikanischen Erfahrungsschatz lassen sich einige sinnvolle Aspekte auf das deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz im Rahmen der Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft übertragen. Die ausgeprägte US-amerikanische Entwicklung der Verhaltenspflichten des Board of Directors ist insbesondere für die gerichtliche Überprüfung eines Interessenkonflikts des Vorstands bei Vorliegen eines Übernahmeangebots hilfreich.

Gang der Darstellung Im ersten Teil dieser Arbeit wird nach der Erläuterung der wesentlichen Begrifflichkeiten die Problematik der Regelung der Verhaltensweise des Vorstands der 7 Siehe Pressemitteilung der Europäischen Union vom 04. 09. 2001, Dokument IP / 01 / 1237; als deutscher Rechtswissenschafter ist Klaus J. Hopt Mitglied der Expertengruppe. 8 Siehe zu den Vorschlägen der Winter-Kommission unten Teil II, E.

30

Einleitung

Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten dargestellt. Der zweite Teil illustriert die turbulenten Entwicklungen des deutschen und europäischen Übernahmerechts von Anfang 2000 bis Mitte 2002. Der dritte Teil befasst sich mit der Rechtslage zur Verhaltensweise des Board of Directors einer US-amerikanischen Corporation und der Darstellung der in den USA verwendeten Abwehrstrategien. Im vierten Teil wird nach einer kurzen Illustration der Verhaltenspflichten des Vorstands nach dem Übernahmekodex die Abwehrbefugnis des Vorstands nach dem Aktiengesetz untersucht, da es als Verhaltensmaßstab für die Vorstandspflichten im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen auch seit Inkrafttreten des WpÜG noch eine wichtige Rolle spielt. Dies liegt daran, dass das WpÜG nur das Vorstandsverhalten während eines Übernahmeverfahrens regelt. Vorbeugende Abwehrmaßnahmen sind nach wie vor anhand des Aktiengesetzes zu beurteilen. Ferner ist eine Klärung der gesellschaftsrechtlichen Vorstandspflichten auch deshalb von Interesse, weil die amtliche Begründung des RegE WpÜG darauf Bezug nimmt.9 Der fünfte Teil der Arbeit zeigt die möglichen Abwehrinstrumente gegen Übernahmeangebote nach deutschem Aktienrecht auf. Der sechste Teil verschafft einen Überblick über ein Übernahmeverfahren nach dem WpÜG. Eine ausführliche Erörterung des die Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten regelnden § 33 WpÜG folgt im siebten Teil.

9 Zu dem vom Bundestag am 14. 11. 2001 tatsächlich beschlossenen WpÜG existiert zu § 33 WpÜG nur eine oberflächliche Begründung, s. dazu BT-Drucksache 14 / 7477 S. 74 f.; aufgrund der geringen inhaltlichen Unterschiede zwischen § 33 RegE WpÜG und § 33 WpÜG ist auch zu § 33 WpÜG die ausführlichere Regierungsbegründung zu § 33 RegE WpÜG heranzuziehen, siehe dazu BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57 ff.

Teil I

Feindliche Übernahmeangebote und die rechtliche Problematik ihrer Abwehr durch den Vorstand der Zielgesellschaft A. Feindliche Übernahmeangebote Ein Übernahmeangebot ist ein öffentliches Kauf- oder Tauschangebot eines Bieters an die Aktionäre der Zielgesellschaft zum Erwerb der Kontrollstimmrechtsmehrheit.1 Das Übernahmeangebot kann sich auf alle oder nur einen Teil der Anteile der Zielgesellschaft beziehen.2 Votiert der Vorstand der Zielgesellschaft gegen das Übernahmevorhaben, handelt es sich um ein feindliches Übernahmeangebot.3 Seit Inkrafttreten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ist der Begriff Übernahmeangebot gemäß § 2 I i.V.m. § 29 WpÜG legaldefiniert: Übernahmeangebote sind freiwillige oder auf Grund einer Verpflichtung nach diesem Gesetz erfolgende öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind. Nach § 29 II WpÜG ist unter Kontrolle das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft zu verstehen. Vor Inkrafttreten des WpÜG übte nach der Regelung des Art. 16 bp 1 ÜK derjenige die Kontrolle über die Zielgesellschaft aus, der die Mehrheit von 50% der Stimmrechte der Zielgesellschaft besaß. Der Grund für das Absenken auf 30% in § 29 II WpÜG ist darin zu sehen, dass die Hauptversammlungspräsenzen deutlich gesunken sind und ein Stimmrechtsanteil von 30% regelmäßig ausreicht, Hauptversammlungsbeschlüsse entscheidend zu beeinflussen. 1

Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, ZGR Sonderheft 9 „Übernahmeangebote“,

S. 8. 2 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 8; Weisser, Feindliche Übernahmeangebote und Verhaltenspflichten der Leitungsorgane, S. 5; So auch die Definition des Übernahmekodex, siehe dort „Begriffsbestimmungen“, „Öffentliche Angebote“ in Verbindung mit Art. 7 Nr. 3, Nr. 4 ÜK. 3 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 8; Kirchner, WM 2000, 37; Klein, NJW 1997, 2085; Marquardt, WiB 1994, 537; Mertens, AG 1990, 252; von Rosen / Seifert, Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 277; Rümker in FS Heinsius 1991, 683, 685, 686; Schanz, NZG 2000, 338; Joussen, BB 1992, 1075, 1076 zufolge handelt es sich dann um ein feindliches Übernahmeangebot, wenn der Bieter den Vorstand der Zielgesellschaft im Vorfeld des Übernahmeangebots davon nicht in Kenntnis setzt.

32

Teil I: Feindliche Übernahmeangebote und Problematik der Abwehr

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat sogar eine Kontrollschwelle von 30% noch als zu hoch erachtet, da die Durchschnittspräsenz bei Hauptversammlungen von noch 61% der Stimmrechte im Jahre 1998 auf 54,5% in 1999 / 2000 gesunken ist4 und damit die Kontrolle bereits bei einem niedrigeren Stimmenanteil als 30% ausgeübt werden konnte. Bei der Hauptversammlung der Siemens AG im Jahre 2000 beispielsweise hätten aufgrund der geringen Teilnahme bereits 13% der Stimmrechte ausgereicht, um jede wichtige Entscheidung zu blockieren.5 Ein weiterer bedeutender Unterschied des WpÜG zum bisherigen Verständnis von Übernahmeangeboten ist, dass sich nun ein Übernahmeangebot wegen der Unzulässigkeit von Teilangeboten nach § 32 WpÜG von vornherein auf alle Aktien der Zielgesellschaft erstrecken muss.

B. Die Entwicklung feindlicher Unternehmensübernahmen Feindliche Übernahmen haben sich Mitte der achtziger Jahre in Großbritannien6 und vor allem in den USA7 entwickelt. Anfangs waren feindliche Übernahmen überwiegend dadurch motiviert, die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen um Unternehmensteile abzuspalten oder durch den Verkauf werthaltiger Aktiva einen Arbitragegewinn zu erzielen (sog. „Asset Stripping“).8 Im Verlauf der neunziger Jahre ging der Trend dahin, dass feindliche Übernahmen eher aus Gründen industrieller Logik und wegen des Anstrebens von Synergieeffekten statt fanden.9 Bis zum Ende der Neunziger Jahre haben feindliche Übernahmen in Deutschland eine untergeordnete Rolle gespielt. Erwähnenswert sind lediglich die erfolgreichen feindlichen Angebote Metro / Asko, Krupp / Hoesch und Veba / Feldmühle sowie die erfolglosen feindlichen Angebote Pirelli / Continental, Hochtief / Holzmann, Krupp / Thyssen und T&N / Kolbenschmidt.10 Die generelle Unterentwicklung feindlicher Übernahmen in Deutschland hat mehrere Gründe. Wegen des Mitbestimmungsrechts der Belegschaft im Aufsichtsrat und der Unabhängigkeit des Vorstands fällt es dem Bieter schwer, nach einer Übernahme das Management mit eigenem Personal zu besetzen. Eine weitere Ur4 Spiegel Online, www.spiegel.de, vom 2. August 2000: „Sinkende Präsenz: Aktionäre erleichtern Übernahmen“. 5 Spiegel Online vom 2. August 2000: „Sinkende Präsenz: Aktionäre erleichtern Übernahmen“. 6 von Rosen / Seifert, S. 278. 7 Lese 96 Colum. L. Rev. (1996) 2175; Xuequing, St. Louis U. L. J. (2000), 223. 8 von Rosen / Seifert, S. 278. 9 von Rosen / Seifert, S. 278. 10 von Rosen / Seifert, S. 279.

B. Die Entwicklung feindlicher Unternehmensübernahmen

33

sache ist das Fehlen verbindlicher Regeln bis zum Inkrafttreten des WpÜG, um für die notwendige Transparenz von Übernahmen zu sorgen.11 Politische und soziale Hinderungsgründe wie der Einfluss der Gewerkschaften und der Konsensansatz der deutschen Wirtschaft und Politik treten hinzu.12 Einen Meilenstein in der Entwicklung von deutschen Übernahmen stellt die Übernahmeschlacht von Vodafone und Mannesmann dar, die zwar letztlich nicht als feindlich bezeichnet werden kann, da sich die Vorstände kurz vor Ablauf der Angebotsfrist noch einigten. Jedoch inszenierte der Vorstand von Mannesmann gegen das bis zu diesem Zeitpunkt feindliche Übernahmeangebot ein beispielloses Abwehrszenario. Mannesmann kalkulierte Ende Januar 2000 mit rund DM 400 Millionen für Werbung, PR, Anwälte, Call-Center und Investmentbanken.13 Nach Berechnungen gab Mannesmann damit für jeden seiner Aktionäre ca. DM 3000 aus.14 Auch über die Ausmaße der Abwehrinszenierung und ihre Kosten hinaus stellt diese Übernahme einen Meilenstein auf diesem Gebiet dar, da aufgrund des Transaktionsvolumens von $ 200 Milliarden die weltweit größte Übernahme15 in Deutschland stattfand. In den letzten Jahren ist ein stetiger Anstieg der Anzahl von Übernahmen und der gesamten Transaktionsvolumina zu verzeichnen. Weltweit betrug das Volumen von Unternehmensübernahmen und Fusionen im Jahre 1991 noch $ 286,9 Milliarden, 1998 bereits $ 2,5 Billionen, 1999 waren es $ 3,4 Billionen16 und im Jahre 2000 waren 37.000 Transaktionen mit $ 3,5 Billionen zu beziffern.17 Allein in Europa überstieg das Transaktionsvolumen im Jahre 1999 die Marke von $ 1,2 Billionen.18 Während 1991 weltweit nur drei Deals Volumina von $ 5 Milliarden erreichten und keine Transaktion die Grenze von $ 10 Milliarden überschritt, gab es 1999 47 Übernahmen und Fusionen mit einem Volumen von jeweils über $ 10 Milliarden.19 In Deutschland hat sich das Gesamtvolumen der Unternehmenstransaktionen von DM 935 Milliarden im Jahr 2000 im Vergleich zu DM 389 Milliarden im Jahr 1999 fast verzweieinhalbfacht.20 Die Anzahl der Transaktionen mit deutscher Beteiligung stieg im Jahr 2000 im Vergleich zum Vorjahr um 127 auf 1972.21 Al11 12 13 14 15 16

von Rosen / Seifert, S. 279. von Rosen / Seifert, S. 279. Spiegel Online vom 17. 01. 2000: „Baby, Baby, balla-balla“. Spiegel Online vom 17. 01. 2000: „Baby, Baby, balla-balla“. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 05. 02. 2000, S. 18: „Gigantenschlacht“. Dougherty, SE82 ALI-ABA (2000) 373, 375; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799,

809. 17 www.mergers-and-acquisitions.de / fakten1020.htm#uebernahmewelt; Quelle: Thompson Financial Securities Data. 18 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 809. 19 Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000) 753, 758. 20 www.mergers-and-acquisitions.de / fakten1040.htm. 21 www.mergers-and-acquisitions.de / fakten1040.htm, Quelle: M&A International.

3 Hens

34

Teil I: Feindliche Übernahmeangebote und Problematik der Abwehr

lein im Telekommunikationsbereich haben sich die Transaktionen im Jahr 2000 im Vergleich zu 1999 von 19 auf 92 erhöht und damit mehr als vervierfacht.22 Feindliche Transaktionen beliefen sich 1999 weltweit auf ein Gesamtvolumen von $ 473 Milliarden, was 14% aller Deals ausmacht.23 Der Grund für diesen verhältnismäßig hohen Prozentsatz liegt vor allem darin, dass in Europa das Rekordvolumen feindlicher Übernahmen von $ 355 Milliarden erreicht wurde.24 Sehr unterschiedlich stellt sich der Erfolg feindlicher Übernahmeversuche dar: 1994 waren 60%, 1998 31% und 1999 54% erfolgreich.25 Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung ist auch in den nächsten Jahren mit einem Anstieg von Unternehmensübernahmen und damit gleichzeitig auch von feindlichen Übernahmen zu rechnen. In Deutschland ist eine sich steigernde Anzahl von Unternehmensübernahmen auch wegen des Inkrafttretens der Körperschaftssteuerreform zu erwarten, wonach seit dem 1. Januar 2002 Verkäufe von Unternehmensbeteiligungen steuerfrei sind.26 Vor diesem Hintergrund war das Inkrafttreten gesetzlicher Übernahmeregeln dringend geboten.

C. Gründe der Bietergesellschaft für die Unterbreitung eines Übernahmeangebots Die Häufigkeit von Unternehmensübernahmen generell und damit auch von feindlichen Übernahmeangeboten hängt mit den Börsenbewertungen zusammen. Attraktiv ist eine Gesellschaft für einen Bieter insbesondere dann, wenn sie am Kapitalmarkt unterbewertet ist. Dann kann der Bieter im Falle einer erfolgreichen Übernahme die Zielgesellschaft gegebenenfalls „unter Wert“ übernehmen. Da in der Mehrzahl der Übernahmeangebote die Erwerbergesellschaft den Aktionären der Zielgesellschaft kein Bargeld sondern eigene Aktien zum Tausch anbietet,27 spielt die Börsenbewertung der Bietergesellschaft eine ebenso wichtige Rolle. Ist sie vergleichsweise hoch bewertet, werden Übernahmen anderer Gesellschaften finanziell interessant. Die Beweggründe einer Gesellschaft, eine andere Gesellschaft zu übernehmen, können sehr unterschiedlich sein. Eine Übernahme kann eine anschließende Fusion von Bieter- und Zielgesellschaft bezwecken. In diesem Fall handelt es sich nicht 22 23 24

www.mergers-and-acquisitions.de / fakten1040.htm, Quelle: M&A International. Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000) 753, 761; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 809. Dougherty SE82 ALI-ABA (2000) 373, 375; Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000) 753,

762. Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000) 753, 762. Financial Times Deutschland (FTD) Online, www.ftd.de / uebernahmegesetz, vom 13. 03. 2001: „Klare Regeln für feindliche Übernahmen“. 27 Vlahakis PLI / Corp (2000), 799, 809. 25 26

C. Gründe der Bietergesellschaft für ein Übernahmeangebot

35

selten um eine feindliche Übernahme, die gescheiterten Verhandlungen zwischen den Vorständen der zu fusionierenden Gesellschaften folgt. Spricht sich der Vorstand einer Gesellschaft gegen eine Fusion aus, bleibt der an der Fusion interessierten Gesellschaft die Möglichkeit, durch eine Übernahme von Unternehmensanteilen die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen und dann einen Verschmelzungsbeschluss der Hauptversammlung herbeizuführen. Aber auch im Rahmen einvernehmlicher Verhandlungen von Bieter- und Zielgesellschaft über eine Konzernbildung oder eine Fusion erfolgen Übernahmeangebote, um der Bietergesellschaft den Erwerb der im Streubesitz befindlichen Aktien zu ermöglichen. Bei einem Konzernbildungs- oder Fusionsinteresse zielt die Übernahme auf die Ausschöpfung bisher unzureichend genutzter ökonomischer Potentiale zur Gewinnrealisierung ab.28 Dabei steht die Verfolgung langfristiger unternehmerischer Zielsetzungen im Vordergrund, wie beispielsweise die weitere Diversifizierung der Produktpalette, die Erschließung eines Vertriebskanals oder der Einstieg in Forschung und Entwicklung. Das wirtschaftliche Hauptkriterium für Übernahmen ist die auf diverse Berechnungsmodelle gestützte Überzeugung, dass die Gewinne des Unternehmens nach der Übernahme höher sein werden als die Gewinnsumme der Einzelgesellschaften. 29 Oft wird in diesem Zusammenhang sinnbildlich von der Gleichung „1 + 1 = 3“ gesprochen.30 Grund für ein Übernahmeangebot kann ebenso eine beabsichtigte Ausweitung von Marktanteilen oder die Erschließung neuer Märkte für die Bietergesellschaft,31 ein Zugewinn an Know-how oder die Nutzung von Patenten, Markenzeichen etc.32 der Zielgesellschaft sein. Eine Übernahme kann auch die Zerschlagung der Zielgesellschaft zum Ziel haben. Bei niedrigen Kursen und unterwertiger Marktkapitalisierung der Zielgesellschaft kann die Übernahme der kurzfristigen Gewinnrealisierung bzw. Nutzung fremder Liquidität dienen, indem stille Reserven der Zielgesellschaft aufgelöst werden.33 Damit kann beispielsweise die Sanierung der Bietergesellschaft bezweckt sein. Diese Absicht wird teilweise mit der Ausnutzung von Synergien verschleiert, obwohl es tatsächlich um einen Vermögenstransfer zugunsten der Bietergesellschaft geht.34 Bei Barangeboten kann der Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft dazu missbraucht werden, die Übernahme zu finanzieren (sog. „LeveNolte / Leber, DBW 1990, 573, 574. Witt, Übernahmen von Aktiengesellschaften und Transparenz der Beteiligungsverhältnisse, S. 33. 30 Zu den Wertsteigerungsmöglichkeiten, die einen Bieter veranlassen, ein Übernahmeangebot abzugeben und der Berechnung der Höhe des Angebotspreises in einer modelltheoretischen Analyse vgl. im Einzelnen Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil II, S. 524 ff. 31 Werner, Probleme „feindlicher“ Übernahmeangebote im Aktienrecht, S. 8. 32 Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 964. 33 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 10; Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 964. 34 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 551. 28 29

3*

36

Teil I: Feindliche Übernahmeangebote und Problematik der Abwehr

raged Buyout“ / LBO).35 Eine Unterform des LBO ist das Management Buyout (MBO). Hier wird die Gesellschaft unter Ausnutzung des Gesellschaftsvermögens durch sein Management übernommen.36 Eine Zerschlagung der Zielgesellschaft kann auch der Eliminierung eines direkten Konkurrenten dienen.37 Dieser Fall tritt insbesondere bei einer konglomeraten Zielgesellschaft auf.38 Ferner kann eine Übernahme als Investment verstanden werden, wenn die Zielgesellschaft nach Einschätzung des Bieters unterbewertet ist und er sich nach einer Übernahme eine Kurssteigerung erhofft.39

D. Gründe für die Abwehr von Übernahmeangeboten Aus diesen möglichen Absichten für Übernahmeangebote ergeben sich zugleich die Gründe für den Vorstand der Zielgesellschaft, das Übernahmeangebot abzuwehren. Hat der Bieter die Absicht, die Zielgesellschaft nach der Übernahme zu zerschlagen oder finanziell auszubeuten, indem er eine fremdfinanzierte Übernahme mit dem Kapital der Zielgesellschaft refinanziert (LBO), will er die Geschäftspolitik zum Nachteil der Zielgesellschaft ändern oder sind nach einer Übernahme für die Zielgesellschaft keine Synergieeffekte zu erwarten, ist eine Übernahme aus Sicht der Zielgesellschaft abzulehnen. Oft resultiert die Ablehnung des Vorstands der Zielgesellschaft aus einer Unangemessenheit des Angebots wegen der Unterbewertung der Zielgesellschaft am Kapitalmarkt.40 Wenn der Bieter ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreitet, ohne mit dem Vorstand der Zielgesellschaft im Vorfeld zu verhandeln, bestimmt er allein die Bedingungen des Angebots.41 Dann wird er naturgemäß die für ihn denkbar günstigsten Angebotskonditionen wählen. Dies kann zu einer Unangemessenheit des Angebots führen. Hier liegt es im Interesse der Zielgesellschaft, sich gegen ausbeuterische Übernahmeversuche verteidigen zu können. Zielt ein Übernahmeangebot hingegen auf die Ausschöpfung von ungenutzten Ressourcen und Synergien ab, spricht nichts für die Abwehr einer Übernahme, wenn der Angebotspreis angemessen ist und das Konzept der Bietergesellschaft dem wirtschaftlichen Interesse der Zielgesellschaft entspricht.

35 36 37 38 39 40 41

Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 964. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1051. Werner, S. 8. Witt, S. 35. Witt, S. 33. Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 149. Schneider / Burgard, DB 2001, 963.

E. Die Problematik einer Abwehrkompetenz gegen Übernahmeangebote

37

E. Die Problematik einer Abwehrkompetenz des Vorstands gegen Übernahmeangebote Eine klare Regelung bezüglich der Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens enthielt Art. 19 ÜK. Aufgrund der mangelnden umfassenden Anerkennung des ÜK und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen dessen Verhaltenspflichten kam es vor dem 1. Januar 2002 jedoch letztlich auf eine Bestimmung der Verhaltensweise des Vorstands nach dem Aktiengesetz an. Da § 33 WpÜG die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft nur während eines Übernahmeverfahrens regelt, sind Präventivmaßnahmen auch seit dem Inkrafttreten des WpÜG weiterhin nach dem Aktienrecht zu beurteilen. Ob der Vorstand aktienrechtlich befugt ist, feindliche Übernahmeangebote abzuwehren, ist ein juristisch komplexes Problem und daher umstritten. Der Grund dafür liegt darin, dass in einer Übernahmesituation verschiedene Interessengruppen tangiert werden, insbesondere die Anlageinteressen der Aktionäre und das Interesse der Arbeitnehmer am Erhalt des Arbeitsplatzes. Zudem stehen diese Interessen untereinander in einem Spannungsverhältnis. Hinzu kommt die Kontroverse darüber, ob und inwiefern bei der Beurteilung von Übernahmeangeboten ein eigenes Interesse der Zielgesellschaft eine Rolle spielt. Die Vielschichtigkeit der Problematik einer Abwehrbefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten kann anhand der folgenden, sich in Übernahmesituationen üblicherweise gegenüberstehenden, Aspekte illustriert werden. Wehrt der Vorstand der Zielgesellschaft ein Übernahmeangebot ohne Mitwirkung der Aktionäre ab, sind die Aktionäre der freien Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme des Angebots beraubt. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Gesellschaft durch eine erfolgreiche Übernahme einen neuen Mehrheitsaktionär erhält, der mit seiner Stimmenmehrheit die Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben und dadurch die Geschäftspolitik maßgeblich beeinflussen kann. Die Geschäftspolitik wird wiederum vom Vorstand bestimmt und er verfolgt die festgelegten unternehmerischen Ziele. Eine erfolgreiche Übernahme hat regelmäßig Einfluss auf die Geschäftspolitik, so dass der Kompetenzbereich des Vorstands berührt wird. Deshalb entsteht ein Konflikt zwischen dem Kompetenzbereich des Vorstands und dem Interesse der Aktionäre an der freien Entscheidung, das Übernahmeangebot anzunehmen. Wie dieser Konflikt zu behandeln ist, hängt von der Angemessenheit des Angebots, den Auswirkungen einer Übernahme auf die wirtschaftliche Entwicklung der Zielgesellschaft und von den Erfolgsaussichten der vom Vorstand der Zielgesellschaft verfolgten Geschäftsstrategie ab. Der Vorstand kann aufgrund seines Informations- und Wissensvorsprungs vor den Aktionären die Angemessenheit des Angebots und die Sinnhaltigkeit des Konzepts des Bieters am besten bewerten. Deshalb kann er am ehesten beurteilen, ob der Bieter die Übernahme zur Schaffung von Synergieeffekten und zum Vorteil

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Teil I: Feindliche Übernahmeangebote und Problematik der Abwehr

beider Gesellschaften anstrebt oder ob er die Zielgesellschaft nach der Übernahme zerschlagen oder mit dem Vermögen der Zielgesellschaft zu deren Nachteil die Übernahme finanzieren will. Dieser Aspekt steht wiederum in einem Spannungsverhältnis mit einem Interessenkonflikt des Vorstands bei der Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots. Da die Bietergesellschaft regelmäßig nach einer Übernahme den Vorstand der Zielgesellschaft selbst stellen oder zumindest personell ergänzen will, muss der Vorstand befürchten, bei einer erfolgreichen Übernahme aus seinem Amt verdrängt zu werden. Deshalb besteht die Gefahr, dass er gegebenenfalls eine Abwehrkompetenz dazu missbraucht, ein Übernahmeangebot zum Erhalt seiner Stellung abzuwehren. An die Regelung der Verhaltensweise des Vorstands ist der Anspruch zu stellen, diese zahlreichen Gesichtspunkte bestmöglich zu berücksichtigen. Wie sich der Vorstand der Zielgesellschaft aktienrechtlich während eines Übernahmeverfahrens zu verhalten hat, wird ausführlich in Teil IV erörtert. Das Resultat stellt eine wichtige Grundlage für die Erörterungen zu § 33 WpÜG dar, zumal die Begründung dieser Vorschrift auf die gesellschaftsrechtliche Verhaltenspflicht des Vorstands Bezug nimmt.42

42 Regierungsentwurf, 14 / 7034 S. 57.

Begründung

Besonderer

Teil

zu

§

33,

BT-Drucksache

Teil II

Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht und die Historie einer Europäischen Übernahmerichtlinie A. Die bis zum Inkrafttreten des WpÜG geltende spezielle privatrechtliche Regelung für Unternehmensübernahmen in Deutschland durch den Übernahmekodex Seit 1995 bestand in Deutschland der Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission als spezielles Regelwerk für Übernahmeangebote. Der Übernahmekodex war eine von der Börsensachverständigenkommission erstellte Empfehlung von Verhaltensnormen für die an freiwilligen öffentlichen Übernahmeangeboten beteiligten Parteien.1 Der 24 Artikel umfassende Übernahmekodex war in seiner ursprünglichen Fassung am 01. 10. 1995 in Kraft getreten. Am 28. 11. 1997 hat die Börsensachverständigenkommission einige Änderungen bekannt gemacht, die zum 01. 01. 1998 in Kraft getreten sind. Der Übernahmekodex sollte gewährleisten, dass öffentliche Angebote alle Angaben enthalten, die für eine sorgfältige und sachgerechte Entscheidung der Wertpapierinhaber und der Organe der Zielgesellschaft notwendig sind.2 Marktmanipulationen sollten verhindert und die Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben gesichert werden.3 Die freiwillige Anerkennung des Übernahmekodex war privatrechtlicher Natur4 und stellte lediglich eine rechtlich nicht verbindliche Selbstbindung dar.5 Es entstand kein privatrechtlicher Vertrag, da weder die Börsensachverständigenkommission noch ihre Geschäftsstelle als Erklärungsempfänger der Anerkennung rechtsoder geschäftsfähig ist.6 Die Anerkennung konnte deshalb keine schuldrechtlichen Pflichten begründen.7 In Art. 21 ÜK wurden potentielle Bieter, Zielgesellschaften

Übernahmekommission, Anmerkungen zum Übernahmekodex, 1996, S. 6. von Rosen / Seifert, S. 10. 3 von Rosen / Seifert, S. 10. 4 Groß, DB 1996, 1909. 5 Groß, DB 1996, 1909, 1910. 6 Groß, DB 1996, 1909, 1910; Weisner, ZRP 2000, 520, 521; a.A. Assmann, AG 1995, 1995, 563, 564. 7 Groß, DB 1996, 1909, 1910. 1 2

40

Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

und Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgefordert, die Regelungen des Kodex anzuerkennen. Die Zahl der Angebote nach dem Übernahmekodex war seit dessen Bestehen stetig gestiegen und hatte sich mit 32 Angeboten 1999 im Vergleich zu 17 Angeboten 1998 fast verdoppelt. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung setzte sich diese Entwicklung in 2000 jedoch deutlich abgeschwächt fort. Diese Zahlen enthalten allerdings nicht nur Übernahmeangebote sondern auch solche Angebote, bei denen es nicht um einen Mehrheits- bzw. Kontrollerwerb ging.

1) Bis Ende Juli Quelle: Übernahmekommission

Übernahmeangebote nach dem Übernahmekodex

Von insgesamt 1016 börsennotierten deutschen Unternehmen hatten bis zum 11. April 2001 755 (=74%), darunter 86 Unternehmen des DAX 100, den Kodex anerkannt.8 Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres waren es 540 von 933 börsennotierten Unternehmen, was einem Anteil von 58% entspricht und 79 Unternehmen des DAX 100.9 Bis Anfang 1998 hatten nur ca. 40% von 690 börsennotierten Gesellschaften den Kodex anerkannt. 25 der Dax-30-Unternehmen und 64 der Dax100-Unternehmen hatten dem Übernahmekodex zugestimmt.10 Der Grund für den stetigen Anstieg der Anerkennungsquote liegt darin, dass die Anerkennung des Übernahmekodex Voraussetzung für die Zulassung zum Neuen Markt war.11 Auch die Deutsche Börse AG machte die Aufnahme der Aktien einer Gesellschaft in den DAX oder MDAX seit Anfang 1998 von der Anerkennung des Übernahmekodex Regierungsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 63. Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 62. 10 Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht I, S. 41. 11 Börsenzeitung vom 28. 10. 97, Nr. 206, S. 4. 8 9

B. Verhaltensweise des Vorstands bei feindlichen Übernahmeangeboten

41

abhängig. Gesellschaften, die eine einmal geleistete Anerkennung widerriefen, wurden aus diesen Indizes wieder herausgenommen. Ohne Konsequenzen blieb die Nichtanerkennung des Kodex für die Unternehmen, deren Aktien bereits vor 1998 in den Indizes enthalten waren.12 Aufgrund der fehlenden Gesetzesqualität und mangelnder Sanktionsmöglichkeiten des Übernahmekodex gab es selbst bei Übernahmeverfahren, deren Beteiligte den ÜK anerkannt hatten, keine Gewährleistung dafür, dass die Regeln eingehalten wurden. Bei Verstößen gegen Vorschriften des Übernahmekodex konnte die Geschäftsstelle der Börsensachverständigenkommission lediglich nach Art. 21 S. 3 ÜK ihre Bemerkungen, Empfehlungen und Entscheidungen zu dem vorliegenden Fall veröffentlichen. Auch die Aktionäre der Zielgesellschaft konnten aus einer Anerkennung des Übernahmekodex der betroffenen Gesellschaft keine einklagbaren Rechte herleiten.13 Mit dem Inkrafttreten des WpÜG waren die Tage des Übernahmekodex gezählt. Er ist durch dieses Gesetz als spezielle Übernahmeregelung in Deutschland abgelöst worden. Diskutiert wurde lediglich die Fortgeltung des ÜK über den 1. Januar 2002 hinaus für Altfälle in Bezug auf Pflichtangebote.14 Der ÜK ist zum 4. März 2002 entgültig außer Kraft gesetzt worden.15 Deshalb wird an dieser Stelle auf eine ausführlichere Darstellung und Erörterung der Vorschriften des Kodex verzichtet.16

B. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten nach dem Aktiengesetz Die in Deutschland neben § 33 WpÜG bestehende gesetzliche Grundlage für das Vorstandsverhalten bei Übernahmeangeboten ist das Aktiengesetz. Es enthält keine besonderen Vorschriften für Unternehmensübernahmen, so dass sich die Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten nach den allgemeinen Vorschriften für das Vorstandshandeln, den §§ 76 f., 93 AktG richtet. Auch nach der momentanen Rechtslage erlangt das Aktiengesetz für die Verhaltensweise des Vorstands im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten Bedeutung. Präventive AbHecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht I, S. 41. Groß, DB 1996, 1909, 1910; Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht I, S. 41; Ausdrücklich einen klagbaren Anspruch auf Information wegen Anerkennung des Übernahmekodex ablehnend: LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 12. 1999 – 10 O 495 / 99 Q – in: AG 2000, 233, 234. 14 Siehe im Einzelnen Zietsch / Holzborn, WM 2001, 1753, 1755. 15 Picot / Mentz / Seydel-Hasselbach, Aktiengesellschaften bei M&A Transaktionen, Teil V. Rn. 3. 16 Der Kodex in seiner Fassung vom 01. 01. 1998 ist abgedruckt in AG 1998, 133 ff.; Aus der Literatur zum Übernahmekodex s. Groß, DB 1996, 1909 ff.; Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435 ff.; von Rosen / Seifert, S. 149 ff.; Weisgerber, ZHR 161 (1997), 421 ff.; zu den Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft siehe Teil IV, A. 12 13

42

Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

wehrmaßnahmen sind immer noch nach dem Aktiengesetz zu beurteilen, da die speziellen Verhaltenspflichten des § 33 WpÜG erst ab der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses eintreten. Für den Zeitraum vor der Veröffentlichung der Entscheidung ist nach wie vor das Aktienrecht maßgeblich. Ob überhaupt und unter welchen Voraussetzungen der Vorstand nach den aktienrechtlichen Vorschriften Abwehrmaßnahmen ergreifen darf, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Die ganz überwiegende Meinung nimmt eine grundsätzliche Neutralitätspflicht des Vorstands in bezug auf die Abwehr eines Übernahmeangebots an.17 Eine Mindermeinung lehnt dagegen eine strenge Neutralitätspflicht des Vorstands ab.18 Die Rechtsprechung hat bisher zu einer generellen Abwehrbefugnis des Vorstand der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen keine Stellung beziehen müssen. Die einzige Stellungnahme eines Gerichts zu einem mit einer feindlichen Übernahme im Zusammenhang stehenden Sachverhalt ist der Beschluss des LG Düsseldorf vom 14. 12. 1999.19 Dort stellte das Gericht lediglich fest, dass den Aktionären der Zielgesellschaft kein Unterlassungsanspruch gegen vom Vorstand ergriffene Vermarktungskampagnen in Form einer so genannten Roadshow zusteht. Welche aktienrechtlichen Verhaltenspflichten für den Vorstand bei Vorliegen eines Übernahmeangebots generell gelten, konnte das Gericht offen lassen.

C. Die Historie einer Europäischen Richtlinie zur Regelung von Unternehmensübernahmen Im Sommer 2001 kam es auf europäischer Ebene zu einem dramatischen Ende einer Europäischen Richtlinie zur Regelung von Übernahmeangeboten, die auf eine über 25-jährige Geschichte zurückblickt. R. Pennington erstellte 1974 im Auftrag der Europäischen Kommission einen Vorschlagsentwurf für eine Richtlinie betreffend Übernahmeangebote, der innerhalb der Kommission aber keine Zustimmung erlangte.20 1989 erfolgte ein erster Vorschlag für eine 13. Europäische Richt17 Adams, AG 1990, 243, 245; Assmann / Bozenhardt, S. 112 ff.; Ebenroth / Daum, DB 1991, 1157, 1158; Hopt, ZGR 1993, 534, 557 ff.; ders. ZHR 161 (1997), 368, 391 f., 411; ders. in FS Lutter 2000, 1361, 1377; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26; Krause, AG 1995, 209, 214; ders. WM 1996, 845, 851; ders. AG 2000, 217; Mertens, AG 1990, 252, 258 f.; Mülbert, IStR 1999, 83; Pötzsch / Möller, WM-Sonderbeilage Nr. 2 zu Heft 31 / 2000, 1, 25 f.; Roos, WM 1996, 2177, 2185; von Rosen / Seifert, S. 341, 348; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 688; Strenger, WM 2000, 952; Wolf, AG 1998, 212, 219. 18 Bungert, ZHR 159 (1995), 261, 267; ders. NJW 1998, 488, 492; Kirchner, AG 1999, 481; ders. BB 2000, 105; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 551; Thümmel, DB 2000, 461, 462, 463; Werner, S. 16. 19 LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 12. 1999 – 10 O 495 / 99 Q, AG 2000, 233 ff. 20 Pötzsch / Möller, 1, 4.

D. Gemeinsamer Standpunkt des Rates zu einer Europäischen Richtlinie

43

linie zur Regelung von Übernahmeangeboten21 von der Europäischen Kommission, dem ein Vorentwurf aus dem Jahre 1987 zugrunde lag. Der Vorschlag wurde 1990 noch einmal überarbeitet.22 Doch es kam wiederum nicht zu einer Einigung, so dass die Beratungen im Juni 1991 ausgesetzt wurden.23 Am 7. Februar 1996 legte die Kommission einen neuen, im Vergleich zum Vorschlag von 1990 deutlich verkürzten Entwurf für eine Richtlinie vor,24 der die Zustimmung des Wirtschafts- und Sozialausschusses fand und auch vom Europäischen Parlament am 26. Juni 199725 mit einigen Änderungsanträgen gebilligt wurde. Unter Berücksichtigung der Änderungsanträge legte die Kommission am 10. November 1997 einen weiteren Vorschlag für eine 13. Richtlinie26 vor, über den in den beiden Folgejahren im Europäischen Rat heftig diskutiert wurde.

D. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates zu einer Europäischen Richtlinie betreffend Übernahmeangebote vom 19. Juni 2000 Am 21. Juni 1999 konnte unter deutscher Ratspräsidentschaft schließlich ein Konsens unter den Mitgliedstaaten erzielt werden. Ein Grund für die Dauer des Einigungsprozesses bis zur Verabschiedung eines Gemeinsamen Standpunktes des Ministerrats am 19. Juni 2000 war die für die Praxis nahezu unbedeutende „Gibraltarfrage“.27 Spanien und Großbritannien stritten darüber, wer die Aufsicht über Übernahmeverfahren zu führen hatten, bei denen die Zielgesellschaft in Gibraltar inkorporiert war. Nach Lösung der Gibraltarfrage28 wurde der Gemeinsame Standpunkt29 (ÜRGS) am 19. Juni 2000 in Luxemburg verabschiedet. Bei dem Entwurf handelte es sich nicht um detaillierte Vorschriften zur Umsetzung in den einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern um eine Rahmenrichtlinie, die den nationalen Gesetzgebern bei der Umsetzung weiteren Spielraum ließ.30 21 22 23 24 25 26 27

ABl. EG Nr. C 64 vom 14. 03. 1989, S. 8; auch abgedruckt in ZIP 1989, 606, 675. Überarbeitete Fassung: ABl. EG Nr. C 240 vom 26. 09. 1990, S. 7. Pötzsch / Möller, 1, 4. ABl. EG Nr. C 162 vom 06. 06. 1996, S. 5. ABl. EG Nr. C 222 vom 21. 07. 1997, S. 20. ABl. EG Nr. C 378 vom 13. 12. 1997, S. 10. FAZ vom 31. 08. 2000, S. 20: „Die EU-Übernahmerichtlinie soll nachgebessert wer-

den“. 28 Im Ergebnis verständigte sich Großbritannien und Spanien bilateral auf eine „Postbox“-Lösung. Danach erfolgt die Zwischenstaatliche Kontaktaufnahme bei Sachverhalten mit Bezug zu Gibraltar über ein Verbindungsbüro im Londoner Außenministerium, das die Vorgänge nach Gibraltar weiterleitet, Pötzsch / Möller, S. 5 Fn. 14. 29 Abgedruckt in Pötzsch / Möller, WM-Sonderbeilage Nr. 2 zu Heft 31 / 2000, 1, 32 ff. 30 Siehe auch den allgemeinen Grundsatz des Art. 3 II b) ÜRGS, wonach die Mitgliedstaaten zur Erreichung der durch die Richtlinie vorgegebenen Ziele für Übernahmeangebote zu-

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Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

I. Die wichtigsten Rahmenvorgaben des Gemeinsamen Standpunktes Sinn und Zweck eines einheitlichen europäischen Übernahmerechts war unter anderem – der Schutz der Aktionäre, die Ziel eines Übernahmeangebots sind,31 – die Notwendig einer Regelung auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft, da nur dies ausreichenden Schutz vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen bieten kann,32 – die Gewährleistung der Einhaltung der Richtlinienvorgaben durch die Kontrolle von Aufsichtsstellen,33 – die Existenz gemeinschaftsweiter klarer und transparenter Regelungen von Unternehmensübernahmen,34 – die Sicherstellung ausreichender Information der Wertpapierinhaber und der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft, 35 – die Regelung von Fristen für Übernahmeangebote,36 – die Verpflichtung des Leitungsorgans der Zielgesellschaft, zu dem Angebot eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu veröffentlichen, die die Auswirkungen auf sämtliche Interessen der Gesellschaft und insbesondere die Beschäftigten berücksichtige,37 sowie – die Unterbindung von Handlungen des Verwaltungsorgans der Zielgesellschaft, durch die ein Angebot vereitelt werden könnte, wobei die Zielgesellschaft in ihrer normalen Geschäftstätigkeit nicht unangemessen behindert werden soll.38

Die Rahmenbedingungen des Gemeinsamen Standpunktes sollten gemäß Art. 1 I für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Verhaltenskodizes und sonstigen Regelungsvorschriften der Mitgliedsstaaten für Übernahmeangebote bezüglich der sätzliche Bedingungen und strengere Bestimmungen als in der Richtlinie enthalten hätten festlegen können. 31 2. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 32. 32 3. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 32. 33 9. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 32. 34 13. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 32, 33. 35 15. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 33. 36 16. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 33. 37 19. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 33. 38 18. Erwägungsgrund, Abdruck des Gemeinsamen Standpunktes in Pötzsch / Möller, S. 33.

D. Gemeinsamer Standpunkt des Rates zu einer Europäischen Richtlinie

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Wertpapiere einer dem Recht eines Mitgliedsstaats unterliegenden Gesellschaft gelten, sofern diese Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt39 in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sind. Sämtliche Erwägungsgründe wurden in den Artikeln des Gemeinsamen Standpunktes im Einzelnen kodifiziert.

1. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines öffentlichen Übernahmeangebots, Art. 9 ÜRGS Die Verhaltensweise des Leitungsorgans der Zielgesellschaft war in Art. 9 ÜRGS geregelt: „Artikel 9 Pflichten des Leitungs- oder des Verwaltungsorgans der Zielgesellschaft (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Vorschriften in Kraft sind, nach denen folgendes gewährleistet ist: a) Spätestens nach Erhalt der in Art. 6 Absatz 1 Satz 1 genannten Informationen, die das Angebot betreffen, und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis des Angebots bekanntgemacht wird oder das Angebot hinfällig wird, hat das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft mit Ausnahme der Suche nach konkurrierenden Angeboten den Abschluss jedweder Handlung zu unterlassen, durch die das Angebot vereitelt werden könnte, es sei denn, die Hauptversammlung hat während der Frist für die Annahme des Angebots zuvor ihre Zustimmung dazu erteilt; dies gilt insbesondere für die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen, durch die der Bieter auf Dauer an der Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gehindert werden könnte. b) Das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft erstellt und veröffentlicht zu dem Angebot eine mit Gründen versehene Stellungnahme, die auch auf die Auswirkungen der Durchführung auf sämtliche Interessen der Gesellschaft, einschließlich der Beschäftigung, eingeht. (2) Die Mitgliedstaaten können dem Leitungs- oder dem Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft gestatten, das Kapital der Gesellschaft während der Annahmefrist zu erhöhen, sofern die Hauptversammlung hierzu nicht früher als 18 Monate vor Beginn der Annahmefrist ihre vorherige Zustimmung erteilt hat und das Bezugsrecht aller Wertpapierinhaber gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Zweiten Richtlinie 77 / 91 / EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, voll gewährleistet wird.“40

39 Geregelter Markt im Sinne von Artikel 1 Nummer 13 der Richtlinie 93 / 22 / EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. EG Nr. L 141 vom 11. 06. 1993, S. 27, geändert durch die Richtlinie 95 / 26EG (ABl. EG Nr. L 168 vom 18. 07. 1995, S. 7). 40 Diese Möglichkeit war entsprechend noch in § 33 III Nr. 3 RefE vorgesehen.

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Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

Art. 9 ÜRGS enthielt also eine sehr strikte Neutralitätspflicht für den Vorstand der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens. Neben der Suche nach konkurrierenden Angeboten und der Vornahme von Maßnahmen, die die Einwilligung der Hauptversammlung haben, sollte es den Mitgliedstaaten lediglich möglich sein, eine Vorschrift zu erlassen, wonach der Vorstand eine Kapitalerhöhung unter Wahrung des Bezugsrechts der Aktionäre durchführen kann, wenn der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung nicht länger als 18 Monate zurück lag. Eine solche Kapitalerhöhung als Abwehrmaßnahme hätte sich allerdings wegen der Verpflichtung, das Bezugsrecht der Aktionäre zu wahren, als stumpfes Schwert erwiesen. Zwar kann durch eine Kapitalerhöhung, die abgesehen von der kürzeren Frist von 18 Monaten41 den Vorschriften über die Ermächtigung zur Schaffung genehmigten Kapitals nach den §§ 202 ff. AktG unterliegt,42 eine Übernahme objektiv verteuert werden, da durch die vermehrte Anzahl von Aktien der Bieter entsprechend auch eine größere Anzahl an Aktien erwerben muss. Sind die Aktionäre verkaufswillig, so wird, wenn der Bieter mit seinem Angebot nicht bereits an seine Liquiditätsgrenze gegangen ist, die Ausgabe neuer Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts eine Übernahme kaum verhindern können. Verkaufswillige Aktionäre würden von diesem Bezugsrecht Gebrauch machen und die damit erworbenen Anteile an den Bieter veräußern. Die Ausübung des Bezugsrechts und die anschließende Weiterveräußerung zum einem höheren Preis als dem Börsenkurs stellt für sie einen finanziellen Anreiz dar, weil sie die jungen Aktien an den Bieter mit Gewinn veräußern bzw. gegen dessen Aktien eintauschen können. Die einzige Abwehrmaßnahme, die nach dem Gemeinsamen Standpunkt vom Vorstand ohne jegliche Beteiligung der Aktionäre hätte ergriffen werden können, ist die Suche nach konkurrierenden Angeboten.43 II. Der Richtlinienentwurf des gemeinsamen Vermittlungsausschusses des Europaparlaments und des Ministerrats vom 6. Juni 200144 1. Der Weg zur Einigung des Vermittlungsausschusses Nachdem der Rat am 19. Juni 2000 seinen Gemeinsamen Standpunkt vorgelegt hatte, kristallisierte sich bald heraus, dass er in dieser Fassung im Parlament keine Zustimmung finden würde.45 Im Mittelpunkt der Meinungsverschiedenheit zwi41 Die Ermächtigungsfrist für die nach dem Aktienrecht vorgesehene Schaffung genehmigten Kapitals beträgt gemäß § 202 II 1 AktG höchstens fünf Jahre. 42 Das bedeutet, dass die Ermächtigung grundsätzlich nach § 202 II 2 AktG einer 3 /4-Mehrheit bedarf und gemäß § 202 III 1 AktG der Umfang der Ermächtigung auf die Hälfte des Grundkapitals im Zeitpunkt der Ermächtigung begrenzt ist. 43 Eine Gesellschaft, die der Zielgesellschaft ein zu dem Übernahmeangebot konkurrierendes Angebot macht, wird als Weißer Ritter bezeichnet. 44 Abgedruckt in Neye, ZIP 2001, 1120, 1123 ff.

D. Gemeinsamer Standpunkt des Rates zu einer Europäischen Richtlinie

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schen Rat und Parlament stand die Neutralitätspflicht gemäß Art. 9 ÜRGS.46 In der Folge ergingen diesbezüglich zahlreiche Änderungsanträge. Der CDU-Abgeordnete und EU-Berichterstatter Klaus-Heiner Lehne forderte bereits Ende August 2000 eine Auflockerung der Neutralitätspflicht, da eine strikte Neutralitätspflicht zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber amerikanischen Gesellschaften führe.47 Er schlug vor, Abwehrmaßnahmen des Vorstands der Zielgesellschaft zuzulassen, wenn sie zugleich vom Aufsichtsrat gebilligt werden. Alternativ regte er an, Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung, die den Vorstand bereits im Vorfeld einer Übernahme zur Abwehr künftiger Übernahmeangebote ermächtigen, in die Vorschrift aufzunehmen.48 Der Änderungsantrag Lehnes wurde in der zweiten Lesung zur Übernahmerichtlinie im Europäischen Parlament in Straßburg am 13. Dezember 2000 angenommen.49 Obwohl das Bundesfinanzministerium noch am 12. März 2001 einen richtlinienkonformen Referentenentwurf für ein deutsches Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz veröffentlichte, änderte Bundeskanzler Gerhard Schröder im Frühjahr 2001 auf Druck von Vorstandsvorsitzenden führender deutscher Unternehmen50 seine Meinung zu den Verhaltenspflichten des Vorstands während eines Übernahmeverfahrens und sprach sich nun gegen die von Art. 9 ÜRGS vorgesehene Neutralitätspflicht aus.51 Neben der Beeinflussung des Bundeskanzlers erwuchs die ablehnende Haltung hinsichtlich der Neutralitätspflicht aus dem Bewusstwerden der Gefahr eines Wettbewerbsnachteils im Vergleich zu anderen EU-Staaten.52 In diesen war es vielfach noch möglich, dass die öffentliche Hand Übernahmen durch den Einsatz so genannter Goldener Aktien,53 die den Staaten ein entscheidendes 45 Das Parlament forderte unter anderem eine noch ausgeprägtere Berücksichtigung der Belange der Arbeitnehmer durch entsprechende Informations- und Berichtspflichten sowie eine Konkretisierung des Begriffs „angemessener Preis“ im Rahmen der Regelung über das Pflichtangebot, siehe Neye, ZIP 2001, 1120, 1121. 46 Neye, ZIP 2001, 1120, 1121. 47 FAZ vom 31. 08. 2000, S. 20: „Die EU-Übernahmerichtlinie soll nachgebessert werden“. 48 FAZ vom 31. 08. 2000, S. 20: „Die EU-Übernahmerichtlinie soll nachgebessert werden“. 49 NvWR vom 14. 12. 2000 (NvWR 12.00), S. 192. 50 Wortführend waren der VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piech, BASF-Finanzvorstand Max Dietrich Kley und der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Hubertus Schmoldt, s. FTD vom 05. 07. 2001, S. 25: „Angst vorm Aktionär“. 51 FTD vom 05. 07. 2001, S. 25: „Angst vorm Aktionär“; FAZ vom 05. 07. 2001, S. 13: „EU-Parlament kippt die Übernahmerichtlinie“; Handelsblatt vom 05. 07. 2001, S. 2: „Kein Ende der „Deutschland AG“. 52 Handelsblatt vom 05. 07. 2001, S. 2: „EU-Kommission droht Schlappe bei der „goldenen Aktie“. 53 Über das Instrument goldener Aktien verfügten u. a. Belgien, Frankreich und Portugal, s. Handelsblatt vom 05. 07. 2001, S. 2: „EU-Kommission droht Schlappe bei der „goldenen Aktie“.

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Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

Veto beim Verkauf privatisierter ehemaliger Staatsbetriebe einräumen,54 oder aufgrund von Mehrstimmrechtsaktien verhindern konnte. In Deutschland besteht diese Möglichkeit nicht. Die deutsche Seite versuchte in der Folge vergeblich, einen europäischen Konsens zur Auflockerung der Neutralitätspflicht herbeizuführen.55 Mittlerweile ist ein Wettbewerbsnachteil aufgrund der Existenz von „Goldenen Aktien“ nicht mehr zu befürchten. Der Europäische Gerichtshof hat mit den Urteilen vom 4. Juni 2002 die „Goldenen Aktien“ der Länder Frankreich56 und Portugal57 wegen eines Verstoßes gegen Art. 56 EG-Vertrag für unzulässig erklärt. Der gemeinsame Vermittlungsausschluss von Europaparlament und Ministerrat einigte sich am 6. Juni 2001 auf einen Richtlinienentwurf, der die deutsche Forderung nach einer Auflockerung der Neutralitätspflicht unberücksichtigt ließ. Der Konsens in der entscheidenden Sitzung des Vermittlungsausschusses wurde mit der denkbar knappen Mehrheit von 8 : 6 Stimmen getroffen. Trotzdem ließ die Bundesregierung erklären, dass ab 2002 ein deutsches Übernahmegesetz bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie58 in Kraft treten werde, das durch die Möglichkeit von Vorratsbeschlüssen eine deutliche Auflockerung der Neutralitätspflicht im Vergleich zum Richtlinienentwurf enthalten werde.59

2. Die wesentlichen Änderungen des Richtlinienentwurfs im Vergleich zum Gemeinsamen Standpunkt Der Richtlinienentwurf ergänzte den Gemeinsamen Standpunkt durch eine Bestimmung zur Regelung der Gegenleistung des Bieters bei Pflichtangeboten, Art. 5, sowie durch eine Verpflichtung des Vorstands der Zielgesellschaft in Art. 3 I b), dass die Stellungnahme zu einem Übernahmeangebot auch auf die Auswirkungen auf die Beschäftigung, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Gesellschaft einzugehen hat.60

54 Handelsblatt vom 05. 07. 2001, S. 2: „EU-Kommission droht Schlappe bei der „goldenen Aktie“. 55 FTD vom 05. 07. 2001, S. 25: „Angst vorm Aktionär“. 56 EuGH, Urteil vom 04. 06. 2002 – C-483 / 99 – im Volltext erhältlich im Internet unter http://curia.eu.int / jurisp / cgi-bin / form.pl?lang=de. 57 EuGH, Urteil vom 04. 06. 2002 – C-367 / 98 – im Volltext erhältlich im Internet unter http://curia.eu.int / jurisp / cgi-bin / form.pl?lang=de. 58 Für die Verhaltenspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft sollte die Umsetzungsfrist fünf Jahre betragen, so dass die Richtlinienvorgabe bei einem Inkrafttreten ab dem 01. 01. 2002 spätestens am 01. 01. 2007 hätte umgesetzt sein müssen, s. Handelsblatt vom 05. 07. 2001, S. 2: „Stichwort: Übernahmerichtlinie“. 59 Handelsblatt vom 05. 07. 2001, S. 2: „Stichwort: Übernahmerichtlinie“. 60 Siehe zu diesen Änderungen im Einzelnen Neye, ZIP 2001, 1120, 1127.

D. Gemeinsamer Standpunkt des Rates zu einer Europäischen Richtlinie

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a) Die Pflichten des Leitungs- und des Verwaltungsorgans der Zielgesellschaft nach dem Richtlinienentwurf – Art. 9 RichtlinienE Im Vergleich zum Gemeinsamen Standpunkt war der Richtlinienentwurf des Vermittlungsausschusses deutlich länger gefasst und mit zahlreichen Ergänzungen versehen. Bezüglich der Neutralitätspflicht unterschied er sich in einigen Einzelheiten von Art. 9 ÜRGS. „Art. 9 RichtlinienE – Pflichten des Leitungs- und des Verwaltungsorgans der Zielgesellschaft (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Vorschriften in Kraft sind, nach denen Folgendes gewährleistet ist: (a) Während der nachstehenden Frist muss das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft die entsprechende vorherige Genehmigung der Hauptversammlung der Aktionäre einholen, bevor es mit Ausnahme der Suche nach konkurrierenden Angeboten jedwede Handlungen vornimmt, durch die das Angebot vereitelt werden könnte; dies gilt insbesondere vor der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen, durch die der Bieter auf Dauer an der Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gehindert werden könnte. Diese Genehmigung ist in allen Fällen erforderlich, in denen das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft die in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 genannten Informationen, die das Angebot betreffen, erhalten hat, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis des Angebots bekannt gemacht wird oder das Angebot hinfällig wird. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass diese Genehmigung zu einem früheren Zeitpunkte erforderlich ist, beispielsweise wenn das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft feststellt, dass die Abgabe des Angebots unmittelbar bevorsteht. (b) Was vor der oben genannten Frist gefasste Entscheidungen betrifft, die noch nicht teilweise oder vollständig umgesetzt wurden, so bedarf es einer Genehmigung oder Bestätigung der Hauptversammlung der Aktionäre, wenn die Entscheidung außerhalb des normalen Geschäftsverlaufs gefasst wurde und ihre Umsetzung dazu führen könnte, dass das Angebot hinfällig wird. (c) Für das oben erwähnte Einholen der vorherigen Genehmigung der Hauptversammlung der Aktionäre können die Mitgliedstaaten Vorschriften vorsehen, wonach die Hauptversammlung kurzfristig einberufen werden kann unter der Voraussetzung, dass sie nicht weniger als zwei Wochen nach ihrer Notifizierung abgehalten wird. (d) Das Leitungs- oder Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft erstellt und veröffentlicht zu dem Angebot eine mit Gründen versehen Stellungnahme, die auch auf die Auswirkungen der Durchführung auf sämtliche Interessen der Gesellschaft, einschließlich der Beschäftigung, und auf die strategische Planung des Bieters für die Zielgesellschaft und deren wahrscheinliche Folgewirkung auf Arbeitsplätze und Standorte, wie in der Angebotsunterlage nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. H dargelegt, eingeht. Das Leitungs- oder das Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft übermittelt diese Stellungnahme gleichzeitig den Arbeitnehmervertretern der Gesellschaft oder – in Ermangelung solcher Vertreter – den Arbeitnehmern selbst. Soweit eine eigene Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter zu den Auswirkungen der Durchführung auf die Beschäftigung rechtzeitig beim Leitungs- oder Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft eingeht, ist diese beizufügen. 4 Hens

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Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

(2) Die Mitgliedstaaten können dem Leitungs- oder dem Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft gestatten, das Kapital der Gesellschaft während der Annahmefrist zu erhöhen, sofern die Hauptversammlung hierzu nicht früher als 18 Monate vor Beginn der Annahmefrist ihre vorherige Zustimmung erteilt hat und das Bezugsrecht aller Wertpapierinhaber gemäß Art. 29 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 77 / 91 / EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitel vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, voll gewährleistet wird.“

b) Die Änderungen von Art. 9 ÜRGS und Art. 9 RichtlinienE Die Neutralitätspflicht gemäß Art. 9 I a, II ÜRGS wurde in Art. 9 I a RichtlinienE inhaltlich übernommen. Zulässig war danach lediglich die Suche nach konkurrierenden Angeboten. Sämtliche Maßnahmen, durch die die Annahme des Angebots verhindert werden könnte, bedurften der Einwilligung der Hauptversammlung. Wie schon nach dem Gemeinsamen Standpunkt gelten die Verhaltenspflichten des Vorstands, sobald ihm die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nach Art. 6 I 1 bekannt geworden ist. Neu eingefügt wurde die Bestimmung des Art. 9 I a S. 3, wonach die Mitgliedstaaten eine Vorschrift erlassen konnten, die den Beginn der Neutralitätspflicht unabhängig von der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots auf den Zeitpunkt vorverlegt, in dem der Vorstand der Zielgesellschaft mit einem Übernahmeangebot rechnen muss. Dies entspricht der Rechtslage nach dem Londoner City Code on Takeovers and Mergers. Nach Rule 21 des City Code beginnt die Neutralitätspflicht, wenn der Vorstand Kenntnis von objektiven Anhaltspunkten hat, dass ein Übernahmeangebot bevorsteht. Neu eingefügt wurde auch Art. 9 I b), wonach Maßnahmen, die außerhalb des normalen Geschäftsverlaufs liegen und vor Beginn der Vorstandspflichten von Abs. 1 a erfasst und teilweise oder vollständig noch umgesetzt wurden, auch der Genehmigung der Hauptversammlung bedürfen, wenn durch ihre Umsetzung das Übernahmeangebot verhindert werden kann. Damit sollte anscheinend unterbunden werden, dass der Vorstand bei Kenntnis eines Übernahmevorhabens noch vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots Maßnahmen ergreift, die das Übernahmeangebot vereiteln können. Ausführlich ergänzt wurde der Inhalt der Stellungnahme des Vorstands der Zielgesellschaft zu dem Übernahmeangebot nach Art. 9 I b ÜRGS in Art. 9 I d RichtlinienE. Nach Art. 9 I d S. 2 RichtlinienE musste der Vorstand der Zielgesellschaft seine Stellungnahme den Arbeitnehmervertretern oder den Arbeitnehmern selbst übermitteln. Wenn die Arbeitnehmervertreter selbst zu dem Übernahmeangebot Stellung nehmen, musste diese Stellungnahme der Veröffentlichung der Stellungnahme des Vorstands nach Art. 9 I d S. 3 beigefügt werden.

E. Neuer Anlauf auf ein Übernahmerecht durch die Winter-Kommission

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Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Aufnahme einer Vorschrift über die Ausgabe neuer Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts mit einer Ermächtigungsfrist von maximal 18 Monaten wurde in Art. 9 II RichtlinienE wörtlich aus dem Gemeinsamen Standpunkt übernommen.

3. Das Scheitern der Richtlinie Nachdem der Richtlinienentwurf im Vermittlungsausschuss beschlossen worden war, wurde mit einem Scheitern der Richtlinie nicht mehr gerechnet.61 Am 4. Juli 2001 stimmte das Europäische Parlament über die Richtlinie ab. Zu ihrem Zustandekommen war die absolute Mehrheit an Stimmen erforderlich, die völlig unerwartet jedoch nicht zustande kam. Bei 22 Enthaltungen scheiterte die Richtlinie mit dem denkbar knappsten Ergebnis bei weiteren 546 abgegebenen Stimmen. Es stimmten 273 Abgeordnete für und 273 Abgeordnete gegen die Richtlinie.

E. Der neue Anlauf im Hinblick auf ein einheitliches europäisches Übernahmerecht durch die Winter-Kommission Nachdem die Richtlinie gescheitert war, setzte die Europäische Kommission eine siebenköpfige internationale Expertengruppe unter der Leitung des Niederländers Jaap Winter ein, um einen neuen Vorschlag für eine Europäische Übernahmerichtlinie auszuarbeiten. Zunächst bestand in Brüssel das Ziel, einen neuen Richtlinienentwurf im Sommer 2002 vorzustellen. Bis dahin zeichnete sich ab, dass die Verwaltung der Zielgesellschaft im Grundsatz wie bereits nach dem Richtlinienentwurf des Vermittlungsausschusses während eines Angebotsverfahrens ohne Zustimmung der Hauptversammlung mit Ausnahme der Suche nach einem konkurrierenden Angebot zur strikten Neutralität verpflichtet sein sollte.62 Nachdem jedoch bekannt wurde, dass das neue europäische Übernahmerecht einerseits Abwehrmechanismen untersagen würde, die in Deutschland durch das WpÜG vorgesehen sind63 und andererseits die u. a. in Frankreich und Schweden gängigen Mehrfachstimmrechte unangetastet lassen sollte, geriet der Richtlini61 So ging Neye, ZIP 2001, 1120 davon aus, „dass die Richtlinie nach der Billigung alsbald mit dem im Vermittlungsausschuss festgelegten Inhalt im Amtsblatt verkündet wird und damit in Kraft treten kann.“ 62 NvWR Jul-02 S. 135. 63 Nach dem Vorschlag der Winter-Kommission sollte die Möglichkeit von Vorratsbeschlüssen, wie sie in § 33 II WpÜG vorgesehen ist, sowie der Einsatz vinkulierter Namensaktien im Rahmen von Übernahmeverfahren untersagt sein, s. Handelsblatt Online vom 26. 06. 02: „Schröder punktet gegen Bolkestein“.

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enentwurf schon vor seiner Veröffentlichung ins Kreuzfeuer.64 Neben der Kritik und der Forderung von Bundeskanzler Gerhard Schröder an den zuständigen EUBinnenmarktkommissar Bolkestein, die Richtlinie nicht vor der deutschen Bundestagswahl im September 2002 vorzustellen, sorgte weiterer Druck seitens des EUKommissionschefs Prodi dafür, dass mit dem Richtlinienentwurf erst im Herbst 2002 zu rechnen ist.65 Bis dahin will der Binnenmarktkommissar mit der WinterKommission noch einmal Rücksprache nehmen.66

F. Die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Regelung des deutschen Übernahmerechts I. Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen des Bundesfinanzministeriums vom 29. 06. 2000 1. Die Hintergründe und Ziele des Diskussionsentwurfs Am 29. Juni 2000 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium fast zeitgleich mit der Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunktes zu einer Europäischen Richtlinie vom 19. Juni 2001 erstmals einen Diskussionsentwurf67 zu einem speziellen deutschen Übernahmegesetz (DiskussionsE), der von einer von der Bundesregierung einberufenen Expertenkommission unter der Zielvorgabe der Modernisierung des Standorts Deutschland und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und der Schaffung neuer Arbeitsplätze entwickelt wurde.68 Weiterhin angestrebt war, alle durch eine Übernahme berührten, zum Teil widerstreitenden Interessen zu einem Ausgleich zu bringen.69 Grund für die Einberufung der Expertenkommission und den Gesetzesentwurf war unter anderem die Empfehlung der Übernahmekommission,70 eine verbindliche gesetzliche Regelung für Übernahmen zu schaffen. Ein weiterer Anlass für die Einberufung der Expertenkommission war die Übernahmeschlacht Vodafone-Mannesmann,71 die sich mangels einer gesetzlichen Spezialregelung in einem nicht sanktionsfähigen Rechtsraum abspielte. 64 FTD Online vom 27. 06. 2002: „Brüssel verschiebt Pläne für Übernahmerichtlinie“; Wirtschaftswoche Online vom 09. 07. 2002: „Übernahmerecht wird nachgebessert“. 65 Handelsblatt Online vom 26. 06. 2002: „Schröder punktet gegen Bolkestein“. 66 Handelsblatt Online vom 26. 06. 2002: „Schröder punktet gegen Bolkestein“. 67 Eine ausführliche Darstellung des DiskussionsE findet sich in Pötzsch / Möller, S. 13 ff. 68 Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 61. 69 Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 62. 70 Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 63; Die Empfehlung der Übernahmekommission ist abgedruckt in Pötzsch / Möller, 1, 37 ff. 71 SZ vom 18. 05. 2000, S. 25: „Das neue Übernahmegesetz – Aktien statt bares“.

F. Die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung

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Insbesondere sollte das Übernahmegesetz – „Leitlinien für ein faires und geordnetes Übernahmeverfahren schaffen, ohne Unternehmensübernahmen zu fördern oder zu verhindern, – Informationen und Transparenz für die betroffenen Aktionäre und Arbeitnehmer bei Unternehmensübernahmen verbessern, – die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen stärken, – sich an international üblichen Standards orientieren und – soweit möglich die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers berücksichtigen.“72

Ferner sollte durch das Übernahmegesetz die rasche Durchführung von Übernahmeverfahren sichergestellt werden, um die Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft nicht zu lange zu behindern.73 Ursprünglich war das Inkrafttreten des Gesetzes bereits zum 01. 01. 2001 geplant,74 da sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Ministerrat schon am 21. Juni 1999 auf eine politische Lösung für eine Richtlinie zur Regelung von Unternehmensübernahmen geeinigt hatten75 und daher der Richtlinienerlass zwischenzeitlich für das Jahre 2000 zu erwarten war. In der Folgezeit kristallisierte sich jedoch heraus, dass es wegen der Gibraltarfrage nicht zu einem Richtlinienerlass bis zum 01. 01. 2001 kommen würde. Nach Klärung der Gibraltarfrage wurde die Richtlinie für das erste Halbjahr 2001 erwartet.76 Als sich herausstellte, dass der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom Parlament nicht gebilligt, sondern mit zahlreichen Änderungsanträgen versehen wurde, war auch dieser Zeitraum nicht mehr einzuhalten. Da das Übernahmegesetz soweit wie möglich die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers berücksichtigen sollte,77 verzögerte sich ebenfalls das Inkrafttreten des deutschen Übernahmegesetzes. Der Diskussionsentwurf regelte ausschließlich Übernahmeangebote, das heißt solche Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die sich auf den Erwerb der Kontrolle der Zielgesellschaft richten. Nach § 2 II DiskussionsE kontrolliert derjenige eine Gesellschaft, der mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft hält. Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 67. Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 68. 74 FAZ vom 11. 03. 2000, S. 13: „Bundesregierung beharrt auf dem Übernahmegesetz“; Handelsblatt vom 24. 07. 2000, S. 3: „Kritik am deutschen Übernahmegesetz wächst“. 75 Neye, AG 2000, 289, 290; FAZ vom 01. 09. 2000, S. 21: „Die EU-Übernahmerichtlinie soll nachgebessert werden“. 76 FAZ vom 17. 05. 2000, S. 20: „Die Union warnt vor übertriebener Eile bei dem Übernahmegesetz“. 77 Diskussionsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 66. 72 73

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2. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten nach § 31 DiskussionsE Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens war in § 31 DiskussionsE geregelt und richtete sich bereits nach den Vorgaben von Art. 9 ÜRGS: „§ 31 DiskussionsE: (1) Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 haben der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. (2) Ein Verstoß gegen die Pflicht nach Absatz 1 liegt vorbehaltlich Absatz 3 insbesondere bei folgenden Maßnahmen vor: 1. die Ausgabe von Aktien, 2. der Erwerb eigener Aktien durch die Zielgesellschaft, 3. der Abschluss von Rechtsgeschäften, die zur Folge hätten, dass der Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft in bedeutender Weise geändert würde. (3) Als Verstoß gegen die Pflicht nach Absatz 1 gelten nicht 1. die Suche nach einem konkurrierenden Übernahmeangebot, 2. Handlungen auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung der Zielgesellschaft, der nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage getroffen wurde, 3. die Ausgabe von Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts der Aktionäre, sofern der zugrunde liegende Beschluss der Hauptversammlung der Zielgesellschaft nicht früher als 18 Monate vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage erfolgt ist, 4. die sorgfältige Führung der laufenden Geschäfte im Interesse der Gesellschaft, 5. der Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft mit der Absicht, diese im Handelsbestand zu halten, sofern die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 vorliegen, 6. die Erfüllung von vertraglichen oder sonstigen Rechtspflichten, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots begründet worden sind.“

Die nur wenige Ausnahmen zulassende Neutralitätspflicht nach § 31 DiskussionsE ist in der Wirtschaft und in der CDU-Opposition auf harsche Kritik gestoßen.78 Die bereits gegen die Neutralitätspflicht des Vorstands nach Art. 9 ÜRGS bestehenden Vorbehalte79 bezogen sich entsprechend auf den nationalen Gesetzesentwurf. Der CDU-Europaabgeordnete Lehne befürwortete eine Auflockerung der Neutralitätspflicht für ein deutsches Gesetz unter dem Hinweis darauf, dass in Brüssel auf europäischer Ebene offen über eine solche Lockerung gesprochen werde.80 78 FAZ vom 17. 05. 2000, S. 20: „Die Union warnt vor übertriebener Eile bei dem Übernahmegesetz“. 79 Siehe dazu FAZ vom 31. 08. 2000, S. 20: „Die EU-Übernahmerichtlinie soll nachgebessert werden“. 80 Handelsblatt vom 24. 07. 2000, S. 3: „Kritik am deutschen Übernahmegesetz wächst“.

F. Die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung

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II. Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zu einem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen Am 12. März 2001 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium einen Referentenentwurf zu einem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (RefE WpÜG). Der Referentenentwurf ist das Ergebnis der Berücksichtigung zahlreicher Anregungen im Rahmen der Erörterung des Diskussionsentwurfs vom 29. Juni 2000.81 Die wesentlichen Ziele des Referentenentwurfs unterscheiden sich nicht von denen des Diskussionsentwurfs. Auch die Begründung zum Allgemeinen Teil des Gesetzes blieb bis auf wenige unbedeutende Änderungen gleich. Wie der Diskussionsentwurf war der Referentenentwurf in Antizipierung der Richtlinie erarbeitet worden, so dass bei einer Umsetzung der Richtlinie schnell ein richtliniekonformes nationales Gesetz hätte in Kraft treten können.

1. Der erweiterte Anwendungsbereich des Referentenentwurfs Der Referentenentwurf unterscheidet sich vom Diskussionsentwurf im Wesentlichen dadurch, dass neben Übernahme- und Pflichtangeboten nun auch solche öffentlichen Angebote zum Erwerb von Wertpapieren geregelt wurden, die sich nicht auf den Erwerb der Kontrollmehrheit von 30% richten.

2. Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten, § 33 RefE WpÜG Die Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft nach § 31 DiskussionsE wurden ohne Änderungen in § 33 RefE WpÜG übernommen. Ergänzt wurde § 33 RefE WpÜG durch Aufnahme eines vierten Absatzes, dessen Inhalt zuvor in § 29 DiskussionsE enthalten war: § 33 IV RefE WpÜG: „Dem Bieter und mit ihm gemeinsam handelnden Personen ist es verboten, Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Angebot ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen.“

81

Referentenentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 65.

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Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

G. Der Regierungsentwurf des Bundesfinanzministeriums zu einem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 11. Juli 2001 Nachdem die Richtlinie am 4. Juli in Straßburg gescheitert war, veröffentlichte die Bundesregierung auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums82 schon eine Woche später einen Regierungsentwurf zu einem Gesetz zur Regelung von Öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen. Der Regierungsentwurf stellte eine Fortentwicklung des Referentenentwurfs dar.83 Wie bereits nach dem Referentenentwurf waren nicht nur Übernahmeund Pflichtangebote, sondern auch sonstige öffentliche Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die nicht auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind, erfasst. Insgesamt entsprach der Regierungsentwurf trotz des Wegfalls der Richtlinie weitestgehend dem Referentenentwurf vom 12. März 2001. Die meisten Vorschriften wurden wörtlich übernommen und auch am Aufbau des Gesetzes änderte sich nichts. Ebenfalls wich die allgemeine Gesetzesbegründung von den Begründungen zum Diskussionsentwurf und zum Referentenentwurf nicht sonderlich ab. Eine signifikante Änderung enthielt allein die Vorschrift des § 33 RegE WpÜG für die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens. Sie entsprach dem Meinungswechsel der Bundesregierung im Frühjahr 2001 und lockerte die Neutralitätspflicht des Vorstands im Vergleich zum noch richtlinienkonformen Referentenentwurf deutlich auf. Die Vorschrift des § 33 RegE WpÜG hatte folgenden Wortlaut: „§ 33 Handlungen des Vorstands und Aufsichtsrats der Zielgesellschaft (1) Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bedürfen Handlungen des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte, der Ermächtigung der Hauptversammlung. Dies gilt nicht für Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte, sowie für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot. (2) Ermächtigt die Hauptversammlung den Vorstand vor dem in Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitraum zur Vornahme von Handlungen, um den Erfolg von Übernahmeangeboten zu verhindern, sind diese Handlungen in der Ermächtigung im Einzelnen zu bestimmen. Die Ermächtigung kann für höchstens 18 Monate erteilt werden. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst; die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Er-

82 83

www.bundesfinanzministerium.de. Regierungsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, S. 65.

G. Der Regierungsentwurf des Bundesfinanzministeriums

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fordernisse bestimmen. Handlungen des Vorstands auf Grund einer Ermächtigung nach Satz 1 bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. (3) Dem Bieter und mit ihm gemeinsam handelnden Personen ist es verboten, Vorstandsoder Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Angebot ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen.“

Die stärkste Auflockerung der Neutralitätspflicht im Vergleich zum Referentenentwurf enthielt § 33 II RegE WpÜG. Möglich waren nun Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung, die den Vorstand im Vorfeld eines konkreten Übernahmeangebots dazu ermächtigten, während eines künftigen Übernahmeverfahrens Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 33 III Nr. 2 RefE WpÜG war eine Vorabermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung zur Abwehr eines Übernahmeangebots nach dem Referentenentwurf noch nicht möglich.84 Inhaltlich knüpfte § 33 RegE WpÜG damit an die Forderung an, Vorratsbeschlüsse zuzulassen und Abwehrmaßnahmen des Vorstands aufgrund einer Vorabermächtigung an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden.85 Erhalten geblieben war die grundsätzliche Neutralitätspflicht des § 33 I 1 RefE WpÜG in § 33 I 1 RegE WpÜG. Nach § 33 I 2 RegE WpÜG ausdrücklich zulässig waren die Suche nach einem Weißen Ritter,86 Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung der Hauptversammlung während des Übernahmeverfahrens87 sowie die Vornahme von Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte.88 Die Ausnahmevorschriften nach § 33 III Nr. 3 RefE WpÜG,89 Nr. 5,90 und Nr. 691 fielen weg.

Weisner, ZRP 2000, 520, 523. So die Forderung von Klaus-Heiner Lehne, siehe FAZ vom 31. 08. 2000, S. 20: „Die EU-Übernahmerichtlinie soll nachgebessert werden“. 86 So auch schon § 33 III Nr. 1 RefE. 87 So auch schon § 33 III Nr. 2 RefE. 88 Diese Ausnahme entspricht dem Sinn und Zweck von § 33 III Nr. 4 RefE, der Maßnahmen zuließ, die der sorgfältigen Führung der laufenden Geschäfte im Interesse der Gesellschaft dienen. 89 Die Ausgabe von Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts der Aktionäre, sofern der zugrunde liegende Beschluss der Hauptversammlung der Zielgesellschaft nicht früher als 18 Monate vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage erfolgt ist. 90 Der Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft mit der Absicht, diese im Handelsbestand zu halten, sofern die Voraussetzungen des § 20 II Nr. 1 und 3 vorliegen. 91 Die Erfüllung von vertraglichen oder sonstigen Rechtspflichten, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots begründet worden sind. 84 85

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Teil II: Das bisherige und neue deutsche Übernahmerecht

H. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20. Dezember 2001 Am 20. Dezember 2001 hat der Bundestag das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen beschlossen.92 Das Gesetz ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Kernstück dieses Artikelgesetzes ist das in Artikel 1 enthaltene Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG). Das WpÜG enthält im Vergleich zum RegE WpÜG nur wenige und überwiegend unwesentliche Änderungen.93 Eine bedeutende Änderung hat jedoch § 33 WpÜG durch einen Beschluss des Finanzausschusses erfahren. Die Handlungsmöglichkeiten des Vorstands der Zielgesellschaft wurden im Vergleich zu § 33 RegE WpÜG noch einmal erweitert. Als Ausnahmen zu dem aus § 33 RegE WpÜG übernommenen grundsätzlichen Neutralitätsgebot gemäß § 33 I 1 WpÜG gelten nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG nun auch Handlungen des Vorstands, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat. Eine weitere Änderung findet sich in § 33 II WpÜG. Dort sind im Rahmen von Vorratsermächtigen die einzelnen Maßnahmen nicht mehr, wie dies noch von § 33 II RegE WpÜG vorgesehen war, im Einzelnen, sondern nur noch der Art nach zu bestimmen. In § 33 I WpÜG ist die Zulässigkeit von Handlungen während eines Übernahmeverfahrens, denen die Hauptversammlung zustimmt, nicht mehr ausdrücklich enthalten. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz ist zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt trat zugleich die Körperschaftssteuerreform in Kraft. Der damit einhergehende Anstieg von Unternehmensübernahmen ist in der ersten Jahreshälfte 2002 aufgrund der schlechten Konjunktur- und Marktlage ausgeblieben. Bei einer Besserung der Wirtschaftslage und einem Anstieg der Indizes wird zugleich auch die Anzahl von Unternehmensübernahmen steigen. Dem Anspruch einer transparenten und verbindlichen Regelung von Übernahmeverfahren wären aus genannten Gründen die unzureichenden und nicht allgemein anerkannten Vorschriften des Übernahmekodex sowie die umstrittene Rechtslage der Verhaltensweise des Vorstands nach dem Aktiengesetz nicht gerecht geworden. Deshalb war das Inkrafttreten eines speziellen deutschen Übernahmegesetzes dringend geboten.

BGBl. 2001, S. 3822 ff. Die einzigen Änderungen beruhen auf Beschlüssen des Finanzausschusses; am 14. 11. 2001 verabschiedete der Bundestag das Gesetz mit den Änderungsbeschlüssen des Finanzausschusses. Der Bundesrat hat in seiner 2. Lesung am 30. 11. 2001 von seinem Einspruchsrecht keinen Gebrauch gemacht, so dass das WpÜG in der durch den Finanzausschuss geänderten Fassung am 20. 12. 2001 vom Bundestag beschlossen wurde. Von den Änderungsbeschlüssen waren lediglich die §§ 11 III Nr. 3, 14 I, 15 III, 18 I, 20 II, IV, 27 I, III, 31 III Nr. 2, V, 33 I, II, 36 Nr. 1, 53, 58 II, 67 III WpÜG betroffen. Neu eingefügt wurde § 69 WpÜG. 92 93

H. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

59

Ein Überblick über ein Übernahmeverfahren nach dem WpÜG sowie die ausführliche Erörterung der Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots erfolgt in Teil VI und Teil VII.94

94

Der Wortlaut des § 33 WpÜG ist zu Beginn von Teil VII abgedruckt.

Teil III

Die Verhaltensweise des Board of Directors der Zielgesellschaft bei Hostile Takeover Bids in den USA A. Die Vorreiterrolle des US-amerikanischen Übernahmerechts In den USA fanden Unternehmensübernahmen im Gegensatz zu Deutschland bereits in den achtziger Jahren in großem Umfang statt. Aufgrund dieser langjährigen Erfahrung verfügen die USA über ein ausgefeiltes Übernahmerecht, das vor allem durch das Richterrecht geprägt ist. Durch die Erfahrung der US-amerikanischen Gerichte im Umgang mit Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen des Leitungsorgans („Board of Directors“) der Target Corporation („Zielgesellschaft“) haben sich Prüfungsmaßstäbe entwickelt, die die in Übernahmesituationen divergierenden Interessen angemessen zum Ausgleich bringen. Eine Untersuchung der Verhaltenspflichten des Board of Directors bei Hostile Tender Offers bzw. Hostile Takeover Bids1 („Feindliche Übernahmeangebote“) bietet sich insbesondere vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs zu einem deutschen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz an, weil die rechtlichen Anforderungen an das Board of Directors im Rahmen des Nachweises, dass die Entscheidung über Befürwortung oder Abwehr eines Übernahmeangebots rechtmäßig war, eine wichtige Orientierungshilfe sein können. Insofern könnten die deutschen Gerichte in Zukunft bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands von dem US-amerikanischen Erfahrungsschatz profitieren.

B. Die Entwicklung von M&A-Transaktionen und Hostile Takeovers in den USA Nach einem Boom von Unternehmensübernahmen in den USA während der achtziger Jahre belief sich die Anzahl der Transaktionen, an denen mindestens eine US-Gesellschaft beteiligt war, während der Neunziger Jahre auf fast 46.000 mit einem Gesamtvolumen von $ 4,7 Billionen.2 Von Anfang bis Ende der Neunziger 1 2

Die Begriffe Tender Offer und Takeover Bid haben die gleiche Bedeutung. Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000), 753.

C. Vorgehensweise der Bietergesellschaft zum Erwerb der Kontrolle

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Jahre ist ein starker Anstieg der Anzahl von Transaktionen zu verzeichnen. 1991 fanden 1.877 Transaktionen mit einem Volumen von insgesamt $ 71,2 Milliarden statt. 1999 waren es 9.192 Transaktionen im Wert von $ 1,4 Billionen.3 Als Ergebnis der steigenden Anzahl von Megadeals4 nahm das durchschnittliche Transaktionsvolumen von $ 98,6 Millionen im Jahre 1991 auf $ 421 Millionen 1999 zu. Während es 1991 13 Transaktionen mit einem Volumen von über $ 1 Milliarde gab, waren es 1999 194.5 Die Anzahl und das Volumen von feindlichen Übernahmen in den USA während dieses Zeitraums ist durch ein Auf und Ab geprägt. Aus dem Jahre 1991 sind lediglich zwei feindliche Übernahmen im Gesamtwert von $ 2,8 Milliarden bekannt. 1995 gab es fast 70 feindliche Übernahmeangebote, was den jährlichen Durchschnitt in den achtziger Jahren klar übersteigt und fast an das Jahr 1988 mit den meisten feindlichen Übernahmeversuchen heranreicht.6 Wegen sehr hoher Börsenbewertungen ist die Zahl von feindlichen Übernahmeangeboten im ersten Quartal 2000 auf zehn gefallen. Vergleichsweise waren es im gleichen Zeitraum 1999 noch 27, wobei trotz der geringeren Anzahl das Volumen im ersten Quartal 2000 mit $ 23 Milliarden das der 27 Angebote aus 1999 mit nur $ 4,8 Milliarden überstieg.7 Insgesamt gesehen ist die Anzahl von feindlichen Übernahmen in den Neunziger Jahren im Vergleich zu den Achtziger Jahren deutlich gesunken.8 Das liegt unter anderem daran, dass die Abwehrstrategien der US-amerikanischen Corporations („Gesellschaften“) perfektioniert wurden.9 Ein weiterer Grund ist in der Etablierung des Shareholder Value-Ansatzes zu sehen, dessen wesentliches Ziel die Minderung von Unterbewertungen am Kapitalmarkt ist,10 so dass Übernahmen wegen hoher Transaktionskosten bei hohen Börsenbewertungen erschwert worden sind.

C. Die Vorgehensweise der Bietergesellschaft zum Erwerb der Kontrolle Wie auch in Deutschland kann die Kontrolle über eine Gesellschaft neben dem Unterbreiten eines Übernahmeangebots durch einen außerbörslichen Paketkauf von einem Großaktionär oder durch den normalen Erwerb über die Börse erlangt werden. Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000) 753. Als Megadeal ist eine Transaktion mit einem Volumen von über 1 Milliarde US-$ zu verstehen. 5 Flom, 54 U. Miami L. Rev. (2000) 753, 757. 6 Coates, 79 Tex. L. Rev. (2000), 271, 277. 7 Dougherty SE82 ALI-ABA (2000) 373, 375. 8 Achleitner, S. 149. 9 Achleitner, S. 149. 10 Achleitner, S. 149. 3 4

62

Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

I. Proxy Contests Nicht unüblich sind auch die als Proxy Fights oder Proxy Contests bezeichneten „Stimmrechtskäufe“. Verschiedene Interessenten werben bei den Aktionären darum, sie zur Bevollmächtigung über die Stimmrechtsausübung zu bewegen,11 was einem politischen Wahlkampf ähnelt.12 Es werden Broschüren an sämtliche stimmberechtigte Aktionäre verschickt und Zeitungsanzeigen veröffentlicht. Teilweise wendet sich der Bieter auch direkt an einen Großaktionär.13 Erlangt ein Shareholder („Aktionär“) durch einen solchen Proxy Contest die Stimmenmehrheit, kann er Einfluss auf die Besetzung des Board of Directors nehmen und so eine Kontrollstellung in der Gesellschaft erlangen. Daher macht ein Proxy Fight als Vorbereitung einer Übernahme nur dann Sinn, wenn die Wahlen der Organe kurz bevorstehen.14 Dann kann sich ein Proxy Fight als eine Alternative zu einem feindlichen Übernahmeangebot anbieten.

II. Der Kontrollerwerb durch Tender Offers Soll die Kontrolle durch ein öffentliches Übernahmeangebot erlangt werden, ist es in den USA im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland15 auch möglich, ein so genanntes Partial Tender Offer („Teilangebot“), das sich nur auf einen Teil der Shares („Aktien“) der Zielgesellschaft bezieht, zu unterbreiten. Eine in Deutschland nicht praktizierte und unbekannte Variante eines öffentlichen Übernahmeangebots ist der sogenannte Two-tiered Front-loaded Tender Offer. Dabei erstreckt der Offeror („Bieter“) sein Angebot zunächst nur auf einen Teil der Aktien der Zielgesellschaft („first tier“) zu einem sehr hohen Angebotspreis. Der Übernahme folgt ein Merger, nach dem die verbleibenden Aktionäre der Zielgesellschaft ihre Anteile nur noch zu einem niedrigeren Preis als in der ersten Phase des Tender Offer (daher der Begriff „front loaded“) verkaufen oder eintauschen können („second tier“).16 Dadurch können die Aktionäre überrumpelt werden, so dass sie aus Furcht davor, die erste rentablere Stufe des Two-tiered Offer nicht wahrnehmen zu können, zur Annahme des Angebots gezwungen werden.17 Die Gerichte des Bundesstaats Delaware halten Two-tiered Tender Offers seit jeher für zulässig.18 Achleitner, S. 197. Merkt, Rn. 658. 13 Merkt, Rn. 658. 14 Achleitner, S. 197. 15 Siehe § 32 WpÜG: „Unzulässigkeit von Teilangeboten“. 16 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 229. 17 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 229. 18 Vgl. nur Alcott v. Hyman, 184 A.2d 90, 94 (Del.Ch.1962), aff ’d, 208 A.2d 501 (Del. 1965). 11 12

D. Das US-amerikanische Gesellschafts- und Übernahmerecht

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D. Überblick über das US-amerikanische Gesellschafts- und Übernahmerecht Auch der rechtliche Entwicklungsschwerpunkt liegt in den achtziger Jahren, als die das US-amerikanische Richterrecht prägenden Entscheidungen19 im wichtigsten Inkorporationsstaat Delaware hinsichtlich der Verhaltensweise des Boards of Directors der Zielgesellschaft in Übernahmesituationen ergangen sind. Die Rahmenbedingungen für öffentliche Übernahmeangebote in den USA richten sich bundeseinheitlich nach dem Securities Exchange Act von 1934 („SEA“), der das Wertpapierrecht kodifiziert. Anders als im deutschen Übernahmerecht sind im US-amerikanischen Recht der Ablauf von Übernahmeangeboten und die Verhaltensweise des Board of Directors nicht in einem einheitlichen Gesetz oder Kodex geregelt. Die Verhaltenspflichten des Board of Directors sowie die Regelung der einzelnen Übernahmehindernisse und Abwehrmaßnahmen sind Gegenstand des einzelstaatlichen Corporation Law und Richterrecht.

I. Die bundeseinheitliche Regelung von Tender Offers – Der Securities Exchange Act und der Williams Act Der Ablauf von Übernahmeangeboten ist im US-amerikanischen Recht bundeseinheitlich im SEA geregelt. Der SEA wurde 1968 vom Kongress durch Gesetz, den sogenannten Williams Act, geändert, in dem die Sections („ss.“) 13 (d) und (e) sowie 14 (d), (e) und (f), betreffend Übernahmeangebote, aufgenommen wurden.20 Ziel des Williams Act war es, den Mangel an Transparenz bei Übernahmeangeboten21 zu beseitigen und die Interessen von Investoren und Aktionären als Adressaten eines Übernahmeangebots zu stärken, indem diese ein ausreichendes Maß an Information und genügend Zeit erhalten, um die Entscheidung über die Annahme des Angebots zu fällen.22 Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von der Securities Exchange Commission („SEC“) als Aufsichtsbehörde überwacht.23

19 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946 (Del. 1985); Moran v. Household International Inc., 500 A.2d 1348 (Del. 1985); Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1985); Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140 (Del. 1989), in den Neunziger Jahren z. B. Paramount Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34 (Del. 1994); Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134 (Del. Ch. 1994). 20 Barboutis, The Company Lawyer (1999) Vol. 20 No.1, 14, 15; Merkt, Rn. 1080; zur Entstehungsgeschichte des Williams Act im Einzelnen siehe Merkt, Rn. 1080 ff. 21 Merkt, Rn. 1080. 22 Barboutis, The Company Lawyer (1999) Vol. 20 No.1, 14, 15. 23 Siehe dazu im Einzelnen ss. 4 ff. SEA.

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

1. Pflichten des Bieters Section („sec.“) 13 (d) (1) SEA statuiert ungeachtet des Vorliegens eines Übernahmeangebots, dass derjenige, der mehr als 5% der Aktien einer Public Corporation („börsennotierte Aktiengesellschaft“) erwirbt, innerhalb von zehn Tagen die SEC, die Gesellschaft, deren Aktien er gekauft hat und die Börsen, an denen die gekauften Aktien notiert sind, informieren muss über: – seine Identität und seinen Sitz; – die Quelle des Kapitals, welches er für den Kauf verwendete; – die Anzahl und den Prozentsatz der Aktien, die er bereits hatte; – seine Gründe und Absichten des Kaufs.

Nach sec. 14 (d) (1) muss ein Übernahmeangebot, das auf mehr als 5% der Anteile der Zielgesellschaft gerichtet ist, der SEC, der Zielgesellschaft sowie allen Börsen, an denen Aktien der Zielgesellschaft notiert sind, angezeigt werden. Diese Informationspflicht umfasst entsprechend sec. 13 (d) auch das Vorhaben des Bieters mit der Zielgesellschaft nach einer erfolgreichen Übernahme.24 Es muss zudem angegeben werden, ob der Kaufpreis in bar oder in eigenen Aktien des Bieters bezahlt wird. Die SEC kann gemäß sec. 14 (d) (1) SEA über die Informationspflicht nach sec. 13 (d) hinaus vom Bieter weitere Informationen anfordern, wenn dies durch ein öffentliches Interesse oder zum Schutz von Investoren geboten ist. Denkbar ist hier beispielsweise die Verpflichtung zur Information über die finanzielle Situation der Bietergesellschaft, über die Art der Gegenleistung oder über die Finanzierung des Angebots. Gemäß sec. 14 (d) (7) muss der Bieter, wenn er während des Übernahmeangebots den Angebotspreis erhöht, diesen Preis allen Aktionären, die von dem Angebot Gebrauch machen wollen, also auch denen, die das Angebot bereits vor der Erhöhung angenommen hatten, zahlen (sog. „Best Price Rule“).

2. Rechte der Aktionäre der Zielgesellschaft Sec. 14 (d) (5) erlaubt jedem Aktionär, der von dem Angebot Gebrauch gemacht hat, während der Annahmefrist ohne Begründung von der Annahme wieder zurückzutreten („Withdrawal Right“). Durch diese Regelung werden Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft erheblich erleichtert. Denkbar ist insbesondere, dass die Zielgesellschaft kurz vor Ablauf der Angebotsfrist ein konkurrierendes Übernahmeangebot eines sogenannten Weißen Ritters präsentiert. Dann können sämtliche Aktionäre, die bereits das ursprüngliche Angebot angenommen hatten, wieder zurücktreten und ihre Aktien an den Weißen Ritter veräußern. 24 Zu denken ist beispielsweise an die Veräußerung wesentlicher Bestandteile, die Entlassung der Boardmitglieder etc.

D. Das US-amerikanische Gesellschafts- und Übernahmerecht

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Wenn sich das Angebot des Bieters nicht auf alle Aktien der Zielgesellschaft bezieht und von den Aktionären dem Bieter eine das Angebot übersteigende Anzahl von Aktien zum Verkauf angeboten wird, werden nach sec. 14 (d) (6) alle verkaufswilligen Aktionäre anteilig prozentual („pro rata“) berücksichtigt. Durch diese Vorschrift soll ein Wettrennen unter den Aktionären verhindert werden. Diejenigen, die erst dann von dem Übernahmeangebot Gebrauch machen, wenn bereits die vom Angebot umfasste Anzahl von Aktien dem Bieter zum Verkauf oder Tausch angeboten worden sind, sollen nicht um ihr Verkaufsrecht gebracht werden.25 Die für die Aktionäre günstigen Regeln („Proration“, „Best Price Rule“, „Withdrawal Rights“) gelten nur während der Angebotsfrist.

3. Die Kriterien für das Vorliegen eines Tender Offer Obwohl der Williams Act zur Regelung von Übernahmeangeboten erlassen wurde, fehlt sowohl dort als auch im sonstigen Bundesrecht eine Bestimmung, wann ein Übernahmeangebot vorliegt. Die SEC hat deshalb verschiedene Kriterien entwickelt, bei deren Vorliegen von einem Übernahmeangebot auszugehen ist. Im Einzelnen spricht für das Vorliegen eines Übernahmeangebots, wenn – sich das Angebot an eine Vielzahl von Aktionären der Zielgesellschaft richtet, – sich das Angebot auf einen wesentlichen Prozentsatz der Anteile der Zielgesellschaft erstreckt, – der gebotene Preis über dem aktuellen Börsenkurs liegt, – die Konditionen des Angebots nicht zur Verhandlung stehen, – die Wirksamkeit des Angebots unter der aufschiebenden Bedingung eines bestimmten Mindestangebots von Aktien steht sowie – die Laufzeit des Angebots begrenzt ist.

Diese Kriterien müssen nicht zwingend kumulativ erfüllt sein. Im Einzelfall nimmt die SEC auch bei Nichtvorliegen eines oder mehrerer Kriterien ein Übernahmeangebot an.26

4. Beginn und Dauer eines Tender Offer Die Angebotsfrist beginnt, wenn der Bieter die Mittel und Möglichkeiten der Aktionäre der Zielgesellschaft, wie sie auf das Angebot eingehen können, ver25 26

Barboutis, The Company Lawyer, Vol. 20 No. 1 (1999), 14, 16. Brown / Connolly 1179 PLI / Corp (2000) 285, 297; Merkt, Rn. 1105.

5 Hens

66

Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

öffentlicht oder den Aktionären diese Informationen anders zugänglich macht.27 Üblicherweise geschieht dies dadurch, dass der Bieter den Aktionären ein Formular übersendet, das die Annahme des Angebots betrifft oder er veröffentlicht eine Anzeige, in der er die Aktionäre entsprechend anweist oder angibt, wie sie weitere Informationen für das Handeln ihrer Aktien bekommen können.28 Den Aktionären soll genügend Zeit bleiben, über die Annahme des Angebots nachzudenken und darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet werden, ein innerhalb der Frist eventuell erscheinendes konkurrierendes Angebot anzunehmen.29 Die Mindestlaufzeit für ein Übernahmeangebot beträgt 20 Werktage ab dem Tag seiner Veröffentlichung.30 Die Frist beginnt mit Einreichen bei der SEC und der Veröffentlichung oder Übersendung sämtlicher Angebotsunterlagen an die Aktionäre der Zielgesellschaft. 31 Die Frist des Übernahmeangebots verlängert sich für zehn weitere Werktage, wenn entweder der Angebotspreis oder die Anzahl der vom Angebot umfassten Aktien innerhalb der Frist modifiziert werden.32 Ändern sich die Angebotsunterlagen in sonstiger Weise, verlängert sich die Frist um fünf Werktage.33

5. Die Pflicht zur Stellungnahme des Board of Directors der Zielgesellschaft Gemäß sec. 14 (e) (2) SEC muss das Board der Zielgesellschaft zu dem Übernahmeangebot innerhalb von zehn Tagen Stellung nehmen.34 Die Stellungnahme beinhaltet die Bewertung der Zielgesellschaft und deren Begründung zum Übernahmeangebot. Wenn keine Bewertung enthalten ist oder es der Zielgesellschaft unmöglich ist, Stellung zu nehmen, müssen auch die Gründe hierfür dargelegt werden. Die Stellungnahme ist den Aktionären zugänglich zu machen.35 Weitere Anforderungen an das Verhalten des Board of Directors der Zielgesellschaft stellt der SEA nicht. Das materielle Recht wie die Regulierung von Fragen der Unternehmensführung und damit auch die Verhaltensweise des Board of Directors bei feindlichen Übernahmeangeboten richtet sich nach dem Corporation Law („Gesellschaftsrecht“). McCarthy / Wong, 1183 PLI / Corp (2000) 689, 706. McCarthy / Wong, 1183 PLI / Corp (2000) 689, 706, 707. 29 Barboutis Company Lawyer Vol. 20 No. 1 (1999) 14, 15. 30 Barboutis Company Lawyer Vol. 20 No. 1 (1999) 14, 15; Brown / Connolly 1179 PLI / Corp (2000) 285, 300. 31 Barboutis, Company Lawyer Vol. 20 No. 1 (1999) 14, 15; Brown / Connolly 1179 PLI / Corp (2000) 285, 300; McCarthy / Wong, 1183 PLI / Corp (2000) 689, 707. 32 Brown / Connolly 1179 PLI / Corp (2000) 285, 300. 33 Brown / Connolly 1179 PLI / Corp (2000) 285, 300. 34 Brown / Connolly, 1179 PLI / Corp (2000), 285, 311; McCarthy / Wong, 1183 PLI / Corp (2000) 689, 705. 35 Brown / Connolly, 1179 PLI / Corp (2000), 285, 311. 27 28

D. Das US-amerikanische Gesellschafts- und Übernahmerecht

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II. Die Einzelstaatenzuständigkeit im Bereich des Corporation Law Das US-amerikanische Gesellschaftsrecht unterliegt der Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten. 36 Ihnen steht damit auch die Regelungsbefugnis für Abwehrmaßnahmen des Board of Directors bei feindlichen Übernahmeangeboten zu.37 In den einzelnen Bundesstaaten ist das Gesellschaftsrecht durch Corporation Statutes geregelt.38 Hinsichtlich des anzuwendenden Rechts gilt in den USA die Gründungstheorie, wonach eine Gesellschaft dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem sie inkorporiert wurde.39 Für das Verhalten des Board der Zielgesellschaft ist damit das Corporation Statute desjenigen Bundesstaates maßgeblich, in dem die Zielgesellschaft inkorporiert ist. Während der Williams Act durch die prozeduralen Regelungen von Übernahmeangeboten den Interessen der Aktionäre Rechnung trägt, berücksichtigen die einzelstaatlichen Statutes auch die Interessen des Managements der Zielgesellschaft. Nach den Corporation Statutes sind umfangreiche Abwehrmöglichkeiten gegen Übernahmeangebote möglich. Ursache dafür ist, dass eine erfolgreiche Übernahme durch eine in einem anderen Einzelstaat inkorporierte Gesellschaft als wirtschaftlich negativ für den Inkorporationsstaat der Zielgesellschaft empfunden wird, da nach der Übernahme die geschäftlichen Aktivitäten der Zielgesellschaft in dem Inkorporationsstaat abnehmen, was etwa durch die Verlagerung von Produktionsstätten oder die Schließung von Fabriken bedingt ist.40

III. Takeover Statutes Zur gesellschaftsrechtlichen Regelung von Übernahmeangeboten haben die Einzelstaaten Takeover Statutes als Teil des Gesellschaftsrechts adaptiert. Die Takeover Statutes enthalten Regelungen, die die Gesellschaften mit Sitz in dem jeweiligen Bundesstaat vor Übernahmeangeboten schützen sollen. Ihnen liegt ein langer Entwicklungsprozess zugrunde. Die ersten Takeover Statutes stammen aus dem Zeitraum zwischen Ende der sechziger Jahre und Anfang der achtziger Jahre.41 Diese so genannten Statutes der ersten Generation42 beschränkten den Erwerb von Anteilen an der Zielgesellschaft und verlangsamten insgesamt den Erwerbsprozess.43 Nachdem ein Takeover Statute der ersten Generation des Staates Illinois 36 37 38 39 40 41 42 43

5*

Butler, 17 Ariz. J. Int’l & Comp. L. (2000), 555, 588. Barboutis, The Company Lawyer (1999) Vol. 20 No.1, 14, 16. Merkt, Rn. 147. Merkt, Rn. 148. Merkt, Rn. 1112. Merkt, Rn. 1113. Zu den Statutes der ersten Generation s. im Einzelnen Merkt, Rn. 1113. Merkt, Rn. 1113.

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

1982 für verfassungswidrig erklärt wurde,44 entwickelten sich die Takeover Statutes der zweiten Generation. Sie beschränken und verlangsamen nicht mehr den Kontrollerwerb, sondern unterbinden die Vorzüge und Rechte, die eigentlich mit einem Kontrollerwerb verbunden sind.45 Der US Supreme Court bestätigte im Jahre 198746 die Zulässigkeit eines Statutes der zweiten Generation. Seitdem gelten diese Takeover Statutes allgemein als zulässig. In der Folge haben sich insbesondere drei Arten von Takeover Statutes etabliert: Fair Price Statutes, Control Share Acquisition Statutes und Freeze-Out Statutes.

1. Fair Price Statutes Fair Price Statutes beziehen sich in erster Linie auf Two-tier Tender Offers. Sie garantieren den Aktionären, die ihre Anteile erst während der zweiten Phase veräußern, den höchsten Preis zu erhalten, den der Bieter während der letzten zwei Jahre für Aktien der Zielgesellschaft bezahlt hat.47 Wenn den Aktionären gleichwohl ein geringerer Preis gezahlt wird, bedarf die Übernahme der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der auf die ausstehenden Aktien entfallenden Stimmen, es sei denn, das Board der Zielgesellschaft stimmt dem Übernahmevorhaben zu, bevor der Bieter eine Mehrheit an der Zielgesellschaft erworben hat.48

2. Control Share Acquisition Statutes Control Share Acquisition Statutes beinhalten für den Fall einer Übernahme Stimmrechtsbeschränkungen oder sogar den Stimmrechtsentzug für die vom Bieter erworbenen Aktien (je nach Bestimmung 20%, 33% oder 50% der Anteile an der Zielgesellschaft) entweder zeitlich unbegrenzt oder für eine bestimmte Dauer,49 es sei denn, die Aktionäre der Zielgesellschaft stimmen der Akquisition zu.50 Wiederum andere Statutes erfordern die Zustimmung der Mehrheit der Aktionäre zu einem Mehrheitserwerb.51 Edgar v. MITE Corp., 457 U.S. 624 (1982). Merkt, Rn. 1114. 46 In CTS Corp. v. Dynamics Corp. of America, 481 U.S. 69 (1987) stuft der Supreme Court ein Control Share Acquisition Statute des Staates Indiana als verfassungsgemäß ein. 47 Barboutis, The Company Lawyer (1999) Vol. 20 No.1, 14, 16; Fair Price Statutes existieren beispielsweise in Maryland, Connecticut, Indiana, Mississippi, Virginia, Washington, Wisconsin. 48 Merkt, Rn. 1115. 49 Barboutis, The Company Lawyer (1999) Vol. 20 No.1, 14, 16; Control Share Statutes haben z. B. Indiana, Ohio, North Carolina. 50 Brown 1158 PLI / Corp (1999) 87, 90. 51 Barboutis, The Company Lawyer (1999) Vol. 20 No.1, 14, 16. 44 45

D. Das US-amerikanische Gesellschafts- und Übernahmerecht

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3. Freeze-out / Business Combination Statute Delaware hat ein so genanntes Freeze-out (zu dt. „verdrängen“) oder Business Combination52 Statute implementiert.53 Ein solches Statute untersagt es dem Bieter, nach einer erfolgreichen Übernahme bestimmte weitere Transaktionen durchzuführen, wie etwa ein Merger von Bieter- und Zielgesellschaft oder die Veräußerung wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens („Asset Sale“).54 Dadurch soll verhindert werden, dass eine Übernahme durch den späteren Liquidationserlös aus der Auflösung der Zielgesellschaft oder mit einem erwarteten „Post-Takeover-Profit“ finanziert wird.55 Dieses Merger- und Liquidationsverbot beträgt beispielsweise in Delaware drei Jahre.56 Die untersagten Transaktionen können während der „Freeze-out Period“ gleichwohl durchgeführt werden, wenn das Board der Zielgesellschaft zustimmt oder bereits dem Mehrheitserwerb zugestimmt hat.57

IV. Das Verhältnis von bundeseinheitlichem und einzelstaatlichem Übernahmerecht Wenn die einzelstaatlichen Takeover Statutes Regelungen enthalten, die mit dem Williams Act kollidieren, sind sie nicht per se wegen eines Verstoßes gegen Bundesrecht unwirksam. Der US Supreme Court hat in einer Grundsatzentscheidung58 1987 festgestellt, dass einzelstaatliche Abweichungen vom Williams Act zulässig sind, wenn sie dessen Sinn und Zweck entsprechen, also insbesondere den Interessen und dem Schutz der Aktionäre dienen. Eine weitere Anforderung an ein wirksames Corporation Statute ist, dass es sich nur an die Corporations richtet, die nach dem Recht des betreffenden Bundesstaats inkorporiert wurden.

V. Die herausragende Rolle von Delaware im Übernahmerecht Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist Delaware der Bundesstaat mit den meisten Inkorporationen der größten US-amerikanischen Gesellschaften. Mittlerweile sind ungefähr die Hälfte der an der New York Stock Exchange („NYSE“) gelisteten So die Terminologie bei Brown 1158 PLI / Corp (1999) 87, 90. Merkt, Rn. 1116; s. 8 Del. C. § 203. 54 Merkt, Rn. 1116. 55 Merkt, Rn. 1116. 56 8 Del. C. § 203(a). 57 Brown 1158 PLI / Corp (2000) 87, 90; Merkt, Rn. 1116, siehe dort auch zu weiteren Einzelheiten. 58 CTS Corp. v. Dynamic Corporation of America 481 U.S. 69 (1987). 52 53

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Gesellschaften und fast 60% der Fortune 50059 Companies in Delaware inkorporiert.60 Die große Bedeutung von Delaware als Inkorporationsstaat hat mehrere Gründe. Ausschlaggebend ist, dass Delaware im Vergleich zu anderen Bundesstaaten ein sehr liberales und managementfreundliches Gesellschaftsrecht mit erheblichen steuerlichen Vorteilen hat.61 Aufgrund der Vielzahl von inkorporierten Gesellschaften finden in Delaware zahlreiche gesellschaftsrechtliche Rechtsstreitigkeiten statt. Dadurch ist dort das Richterrecht am weitesten entwickelt. Die Chancery Courts of Delaware sind spezialisierte Gerichte, die bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten die erste Instanz bilden. Annähernd drei Viertel der dort anhängigen Verfahren betreffen das Gesellschaftsrecht.62 Die Richter sind bekannt für ihre besonders guten gesellschaftsrechtlichen Kenntnisse. Deshalb genießen die Chancery Courts ein sehr hohes Ansehen.63 Dieses Zusammenspiel von prozessualen Erfahrungen und dem speziellen Gerichtssystem wird auch als ein Grund für die Beliebtheit von Delaware als Inkorporationsstaat verstanden.64 Aufgrund der herausragenden Bedeutung für das Übernahmerecht orientieren sich die weiteren Ausführungen am Recht von Delaware, es sei denn, es ist anderweitig benannt. Neben dem im Corporation Statute geregelten Gesellschaftsrecht spielt das Richterrecht in Delaware eine mindestens gleichwertige, wenn nicht bedeutendere Rolle.65 Trotz der Kodifizierung von übernahmerelevantem Gesellschaftsrecht basiert die Mehrheit der Regelungen auf Gerichtsentscheidungen. 66 In anderen Staaten spielt das Richterrecht eine vergleichsweise geringere Rolle.67 Bezeichnenderweise haben zahlreiche Bundesstaaten die Business Judgment Rule in Form eines Gesetzes in ihr Corporation Statute aufgenommen, wohingegen Delaware sie dem Gewohnheitsrecht überlässt.68 Zwar enthält das Corporation Statute von Delaware generelle Voraussetzungen hinsichtlich der Formalitäten bei Versammlungen und der Dokumentation von Beschlüssen. Aber obwohl das „Herzstück des Gesellschaftsrechts“ in den Treuepflichten des Board zu sehen ist, welche eine rechtliche Überprüfung von gesellschaftsrechtlichen Entschei59 Die Fortune 500 Companies sind die von dem US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin „Fortune“ bestimmten 500 größten US-amerikanischen Unternehmen gemessen an der Marktkapitalisierung. 60 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000), 1061, 1062. 61 Bungert, AG 1994, 297. 62 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1078. 63 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1079. 64 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000), 1061, 1064. 65 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1074. 66 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1074. 67 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1074. 68 Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1074.

E. Die Abwehr feindlicher Übernahmeangebote

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dungen möglich machen, enthält das Corporation Statute hierzu keine Regelungen.69

E. Ein Überblick über die Zulässigkeit der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote durch das Board of Directors in Delaware Die Zulässigkeit der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote durch das Board of Directors richtet sich in Delaware in Ermangelung gesetzlicher Regelungen allein nach dem Richterrecht. Entscheidungen und Maßnahmen des Board sind inhaltlich aber nicht per se gerichtlich überprüfbar. Die Gerichte sollen sich nicht in die Geschäftstätigkeit und die wirtschaftlichen Vorgänge eines Unternehmens einmischen.70 Trotz dieses Zugeständnisses an die wirtschaftlichen und unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen des Board müssen die dem Board der Gesellschaft gegenüber obliegenden Fiduciary Duties („Treuepflichten“ im weiteren Sinne)71 – dies sind die Duty of Care (Sorgfaltspflicht) und die Duty of Loyalty (Treuepflicht im engeren Sinne) – gewahrt bleiben. Allgemein muss das Board diesen Pflichten entsprechend im besten Interesse der Gesellschaft und seiner Aktionäre handeln.72 Daher muss das Board, auch bevor es auf ein Übernahmeangebot reagiert, zunächst erwägen, ob das Angebot den Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre entspricht.73 Nach dem Gesellschaftsrecht von Delaware obliegt es dem Board of Directors, die Geschäftspolitik eigenständig innerhalb eines zeitlichen Rahmens zu bestimmen, um die Rentabilität der Gesellschaft zu steigern.74 Die Frage nach einer langoder kurzfristigen Rentabilitätssteigerung ist dabei irrelevant, weil das Board die generelle Verpflichtung zum Handeln im besten Interesse der Gesellschaft hat, ohne dass diesbezüglich ein bestimmter Investmenthorizont besteht.75 Dementsprechend sind die Directors nicht verpflichtet, – und dies gilt selbst für den Fall, dass es den Wünschen der Mehrzahl der Aktionäre widerspricht – eine übereinstimmend und freiwillig gefasste Geschäftsstrategie für kurzfristige Profitinteressen aufzugeben, es sei denn, dass keine vernünftigen Gründe für ein Festhalten an dieser Strategie sprechen.76 Eine Verpflichtung zur kurzfristigen Maximierung des Fisch, 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1061, 1074. Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 370 (Del. 1993). 71 Cotter / Dunn / Heleniak, 1208 PLI / Corp (2000), 129, 161; Taube / Colli / Groisser, 203-JUN N.J. Law (2000), 9. 72 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 258. 73 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 954 (Del. 1985); Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1350 (Del. 1985). 74 8 Del.C. § 141 (a). 75 Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc., 571 A.2d 1140, 1150 (Del. 1989). 76 Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1157 (Del. 1989). 69 70

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Shareholder Value per se besteht insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot.77 Das Board muss daher ein Übernahmeangebot oder einen angestrebten Merger nicht allein deshalb befürworten, weil der Angebotspreis für die Aktien über dem Marktpreis liegt.78 In der Annahme der Kompetenz des Board of Directors, ein Übernahmeangebot abzuwehren, kommt die Berücksichtigung eines wesentlichen Aspekts zum Ausdruck: des Informationsvorsprungs des Board. Regelmäßig dürfte das Board vor und während eines Übernahmeangebots Zugang zu Informationen haben, die den Aktionären verwehrt bleiben, sei es, weil diese Informationen keiner Veröffentlichungspflicht unterliegen, sei es weil eine Veröffentlichung nicht rechtzeitig möglich ist. Außerdem kann kein umfassendes Verständnis der geschäftlichen Vorgänge und eine Beurteilung dieser im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot bei den Aktionären vorausgesetzt werden. Diese Tatsache rechtfertigt die Notwendigkeit der Teilnahme des Board der Zielgesellschaft an den Verhandlungen in einer Übernahmesituation. Weil den Aktionären aufgrund mangelnden Einblicks eine zutreffende Bewertung des Übernahmeangebots unmöglich ist, können sie durch die Abwehrkompetenz des Board gegebenenfalls vor unangemessenen und ausbeuterischen Übernahmeangeboten geschützt werden.79 Eine Board-Entscheidung in Reaktion auf ein feindliches Übernahmeangebot ist dann rechtmäßig, wenn ihr die Beurteilung der Angemessenheit des Angebots und dessen Auswirkungen auf die vom Board langfristig verfolgte Geschäftspolitik zugrunde liegt.80 Hier kann dem Board im Rahmen der Beweislast bei einer gerichtlichen Überprüfung die Beratung von Investmentbanken zugute kommen, wenngleich die Rechtsprechung eine solche Konsultation nicht als zwingende Voraussetzung für eine zulässige Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots erachtet hat.81 Die Gerichte beurteilen die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen nicht nur nach ihrer Qualität, sondern vor allem auch anhand der ihnen zugrunde liegenden Erwägungen. Wenn das Board zu dem Schluss kommt, dass die Zurückweisung des Angebots im besten Interesse der Gesellschaft und seiner Aktionäre ist und in gutem Glauben handelt, ist es zum Ergreifen von Abwehrmaßnahmen befugt.82 Zulässig ist insbesondere die Abwehr ausbeuterischer und unangemessener83 sowie solcher Übernahmeangebote, deren Erfolg mit der langfristigen Geschäfts- und Unternehmenspolitik der Zielgesellschaft kollidieren würde.84 77 78 79 80 81 82 83 84

Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1150 (Del. 1989). Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 116. Block / Hoff / Cochran 51 Miami U. L. Rev. (1997) 623, 635. Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 871. Universal Foods Corp., 708 F. Supp. 984, 1010, 1011, 1013, 1014 (E.D.Wis.). Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 116. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 270, 271. Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 871.

E. Die Abwehr feindlicher Übernahmeangebote

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In Bezug auf die Überprüfbarkeit von Board-Entscheidungen im Allgemeinen haben die Gerichte die Business Judgment Rule85 entwickelt, deren Inhalt eine Kombination der dem Board obliegenden Treuepflichten ist.86 Die Business Judgment Rule ist als Schnittstelle des Schutzes von Entscheidungen des Board of Directors vor gerichtlicher Überprüfung87 und der Wahrung der dem Board obliegenden Treue- und Sorgfaltspflichten zu sehen.88 Wenn es sich aber bei der Board-Entscheidung, die Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist, um eine Abwehrmaßnahme gegen eine vermutete Bedrohung für die Kontrolle der Gesellschaft89 handelt oder um die Genehmigung einer Transaktion, die den Verkauf einer Kontrollmehrheit oder die Zerschlagung der Gesellschaft beinhaltet, 90 bleibt es nicht bei der Anwendung der Business Judgment Rule. Der Delaware Supreme Court hat für diese Fälle in der grundlegenden Unocal-Entscheidung91 erstmals festgestellt, dass die Board-Entscheidung der so genannten Enhanced Scrutiny („erweiterte Prüfung“) unterzogen werden muss. Der Grund für die Anwendung der Enhanced Scrutiny ist der potentielle Interessenkonflikt des Board der Zielgesellschaft bei der Entscheidung über Abwehr oder Befürwortung des Übernahmeangebots.92 Der Interessenkonflikt kann darin bestehen, dass die Board-Mitglieder ein eigenes finanzielles Interesse an der Durchführung oder Nichtdurchführung einer Transaktion haben, welches nicht zugleich der Gesellschaft und den Aktionären zugute kommt. Auch wenn die Directors auf beiden Seiten einer Transaktion teilnehmen, kann ein Interessenkonflikt gegeben sein. Die Vornahme dieser erweiterten Prüfung hat aber nicht zur Folge, dass in Fällen, in denen es um den Verkauf der Kontrollmehrheit oder den Kontrollwechsel aufgrund eines Übernahmeangebots geht, die Business Judgment Rule nicht anwendbar ist. Auch im Takeover-Kontext ist die Business Judgment Rule bei der Überprüfung von Board-Entscheidungen zu beachten.93 Denn die Treuepflichten des Board bestehen explizit auch im Falle eines Kontrollverkaufs oder Kontrollwechsels.94 Allerdings kommt die Business Judgment Rule erst dann zur Anwendung, wenn die Anforderungen der Enhanced Scrutiny erfüllt sind.95 Das ist der

Siehe dazu im Einzelnen unten III. Cotter / Dunn / Heleniak, 1208 PLI / Corp (2000), 129, 161. 87 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986); 8 Del.C. § 141, Notes, References and Annotations, II B. 88 Bungert, AG 1994, 297, 301. 89 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946 (Del. 1985); Paramount Communications, Inc. v. QVC Network, 637 A.2d 34 (Del. 1994). 90 Revlon, Inc. V. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1985); Paramount Communications, Inc. v. QVC Network, 637 A.2d 34 (Del. 1994). 91 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946 (Del. 1985). 92 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 258. 93 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946 (Del. 1985). 94 Paramount Communications, Inc. v. QVC Network, 637 A.2d 34, 43 (Del. 1994). 85 86

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Fall, wenn die Directors nachweisen, dass sie vernünftige Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und ihre Effektivität hatten96 und die ergriffene Abwehrmaßnahme in einem vernünftigen Verhältnis zur Gefahr für die Gesellschaft steht.97 Wenn sich im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von Abwehrmaßnahmen herausstellt, dass bei einer Mehrzahl der Directors ein Interessenkonflikt vorliegt, wenden die Gerichte von Delaware die Entire Fairness-Prüfung an, wonach die Board-Entscheidung bzw. die Maßnahme von umfassender Fairness, insbesondere gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären, geprägt sein muss.98 Die Entire Fairness-Prüfung kommt über den Fall eines Interessenkonflikts hinaus auch dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht vorliegen, also Treuepflichten verletzt worden sind.99 Im Folgenden werden die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen im Einzelnen dargestellt.

F. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen im Einzelnen I. Enhanced Scrutiny – Der Unocal-Test des Delaware Supreme Court Wegen des im Zusammenhang mit einem Kontrollwechsel allgegenwärtigen „Schreckgespenstes“, dass das Board zuvörderst in seinem eigenen Interesse handelt und nicht im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre, sind Board-Entscheidungen einem erweiterten Prüfungsmaßstab, der Enhanced Scrutiny unterzogen, bevor ihnen der Schutz der Business Judgment Rule zugute kommt.100 Entbehrlich ist die Enhanced Scrutiny nur dann, wenn eine Abwehrmaßnahme nicht allein vom Board, sondern mit Zustimmung der Aktionäre ergriffen wurde.101 Nach der Enhanced Scrutiny-Prüfung, die entsprechend der zugrundeliegenden Entscheidung Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946 (1985) des Delaware 95 Ball / Gregory / Sandler / Edwards 1159 PLI / Corp (2000) 901, 913; Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 259. 96 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 954 (Del. 1985). 97 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 98 Ivanhoe Partners v. Newmont Mining Corp. 535 A.2d 1334 (Del. 1987); Paramount Communications, Inc. v. QVC Network 637 A.2d 34, 42 (Del. 1994). 99 Pierce / Aiello, 1158 PLI / Corp (2000), 145, 151; Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701 (Del. 1983); Cede v. Technicolor 643 A.2d 345, 361 (Del. 1993). 100 Grundlegend: Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 954 (Del. 1985); Ball / Gregory / Sandler / Edwards 1159 PLI / Corp (2000) 901, 913. 101 Williams v. Geier, 671 A.2d 1368 (Del. 1996).

F. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen

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Supreme Court auch als Unocal-Test bezeichnet wird, wird sowohl der Entscheidungsprozess des Board als auch die Maßnahme, zu der er geführt hat, überprüft.102 1. Die grundlegende Entscheidung: Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946 (Del. 1985) Der Entscheidung Unocal Corp. v. Mesa Petroleum lag ein Front-loaded Twotier Tender Offer von Mesa für 64 Millionen Aktien von Unocal zugrunde, was einer Beteiligung von 37% entsprach. Bei einer Annahme des Übernahmeangebots hätte Mesa die Kontrollmehrheit von 50% gehalten, da sie bereits mit 13% an Unocal beteiligt war. Der Angebotspreis des First Tier lag bei $ 54 in bar pro Aktie. Die übrigen Aktionäre, die von dem First Tier keinen Gebrauch gemacht hatten oder nicht zum Zuge gekommen waren, sollten durch in hohem Maße niedriger wertige „Junk Bonds“103 im Wert von ebenfalls $ 54 pro Aktie im Second Tier bedient werden.104 Eine Analyse der beauftragten Investmentbank Goldman Sachs durch das Board von Unocal, bestehend aus acht Independent Outside Directors105 und sechs Inside Directors106, 107 kam zu dem Ergebnis, dass der Angebotspreis von $ 54 pro Aktie, verglichen mit dem tatsächlichen Unternehmenswert, deutlich zu niedrig war. Unter ausführlicher Darlegung der Bewertungsmaßstäbe durch die Investmentbanker wurde ein Wert pro Aktie von über $ 60 festgestellt. Um den Kontrollerwerb durch Mesa zu vereiteln, unterbreitete Unocal einen Self Tender Offer zum Erwerb eige102 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361 (Del. 1995; Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000), 799, 817. 103 Junk Bonds existieren in den USA und sind hochspekulative und deswegen mit hoher Verzinsung ausgestattete Wertpapiere. In den achtziger Jahren wurden sie als unentbehrliches Hilfsmittel bei feindlichen Übernahmen bekannt, insbesondere bei LBO. In den neunziger Jahren ist ihre Verbreitung stark gestiegen, während das Risiko abgenommen hat, s. Bartz, Wirtschaftslexikon, S. 254 und Brealey / Myers, Principles of Corporate Finance, S. 396. 104 Aufgrund einer Regelung des United States District Court for the Central District of California on April 26, 1985, veröffentlichte Mesa zur Kenntnisnahme der Shareholders von Unocal, dass die im zweiten Schritt angebotenen Wertpapiere in hohem Maße nachrangig sind und sich von der Kapitalisierung von Unocal bedeutend unterscheiden, s. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d, 946, 949, 950 (Del. 1985). 105 Ein Director wird dann als Outside oder Disinterested Director bezeichnet, wenn er neben diesem Amt weder ein Managing Director noch sonst ein Angestellter der Corporation ist, siehe Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1375 (Del. 1995) u. Grobow v. Perot 539 A.2d 180, 184 (Del. 1988); Unabhängigkeit („independence“) bedeutet, dass die Entscheidung des Directors auf der Förderung des gesellschaftlichen Wohls und nicht auf fremden Erwägungen oder Einflüssen basiert, s. Aronson v. Lewis 473 A.2d 805, 816 (Del. 1984). 106 Inside oder Interested Directors sind zugleich im Management der Corporation tätig, siehe Merkt, Rn. 58. 107 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d, 946, 950 (Del. 1985).

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

ner Aktien im Umfang von 49%. Für eine Aktie bot Unocal Wertpapiere im Wert von $ 72. Mesa wurde von diesem Angebot ausgeschlossen. Nach Abstimmung der Outside Directors mit anderen Beratern und Anwälten stimmten sie der Abwehr durch einen Self Tender Offer einstimmig zu. Der Delaware Supreme Court stellte erstmals ausdrücklich die Befugnis des Board of Directors fest, Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote ergreifen zu dürfen. Dies stützte er auf 8 Del. C. § 141 (a), wonach die Geschäftsführung und die Regelung der Gesellschaftsangelegenheiten vom Board of Directors wahrgenommen werden.108 Des Weiteren kreierte er die Enhanced Scrutiny im Zusammenhang mit der gerichtlichen Überprüfung von Abwehrmaßnahmen, da eine objektive Entscheidung des Board of Directors wegen des bestehenden Interessenkonflikts erschwert sei.109 Die Anforderungen der Enhanced Scrutiny sah der Delaware Supreme Court in dem Verhalten des Board von Unocal als erfüllt an. Die Klage von Mesa gegen das Abwehrverhalten von Unocal blieb erfolglos. Aus der Unocal-Entscheidung ergab sich zunächst nur die Anwendbarkeit der Enhanced Scrutiny auf die Verteidigungsmaßnahme eines Self Tender Offer. In der Folge stellte der Delaware Supreme Court dann ausdrücklich die grundsätzliche Beurteilung von Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote nach der Enhanced Scrutiny fest.110 Bei der gerichtlichen Überprüfung von Abwehrmaßnahmen wurde der Enhanced Scrutiny-Test u. a. auf Stock Repurchase Programs,111 auf Shareholder Rights Plans,112 Self Tender Offers113 und Restructuring Plans114 angewendet. Im Gegensatz zu Board-Entscheidungen und -Maßnahmen, die lediglich anhand der Business Judgment Rule überprüft werden, tragen im Rahmen der Überprüfung von Sachverhalten, die den Verkauf der Kontrollmehrheit oder den unfreiwilligen Kontrollwechsel zum Gegenstand haben, worunter auch die Abwehr eines Übernahmeangebots fällt, die Directors die Beweislast dafür, dass die in der UnocalEntscheidung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind.115 Bei der gerichtlichen Beurteilung von Abwehrmaßnahmen findet also eine Beweislastumkehr statt.

Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d, 946, 953 (Del. 1985). Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d, 946, 955 (Del. 1985). 110 Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1356 (Del. 1985); Unitrin Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361 (Del. 1995). 111 In re Unitrin, Inc. Shareholders Litigation, 651 A.2d 1361 (Del. 1995). 112 In re Unitrin, Inc. Shareholders Litigation, 651 A.2d 1361 (Del. 1995). 113 AC Acquisitions Corp. V. Anderson, Clayton & Co., 519 A.2d 103 (Del. Ch. 1986). 114 Henley Group, Inc. v. Santa Fe Southern Pacific Corp., 13 Del. J. Corp. L. 1152 (Del.Ch.1988). 115 Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000), 799, 817. 108 109

F. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen

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2. Die Voraussetzungen zum Bestehen des Unocal-Tests Um den Unocal-Test zu bestehen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Das Board muss (1) nachweisen, dass vernünftige Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität bestanden und (2) nachweisen, dass die gewählte Abwehrmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Bedrohung stand.116 a) Der Nachweis vernünftiger Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität Das Board kann vernünftige Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität nachweisen, indem es belegt, dass es in gutem Glauben und nach umfassender und vernünftiger Untersuchung der Situation gehandelt hat.117 Diesbezüglich wird die Beweisführung des Board erleichtert, wenn es mehrheitlich aus Outside Directors besteht und deren Handeln den Anforderungen des Unocal-Tests entspricht.118 Im Rahmen der Untersuchung der Übernahmesituation hat das Board seiner Entscheidung über Abwehr oder Befürwortung des Übernahmeangebots – die Angemessenheit und Durchführbarkeit des Angebots, – die Finanzierung des Angebots und deren Konsequenzen, – die Legalität des Angebots, – das Risiko der Nichtvollendung der Transaktion, – die Identität und den Hintergrund des Bieters sowie seine wirtschaftlichen unternehmerischen Erfahrungen und – den Businessplan des Bieters und dessen Auswirkungen auf die finanziellen Interessen der Aktionäre

zugrunde zu legen.119 Zur Rechtfertigung von Abwehrmaßnahmen können sich die Directors auch auf den Rat unabhängiger Berater bei der Beurteilung der zuvor genannten Aspekte stützen, wenn diese hinsichtlich ihrer Kompetenz und Unbefangenheit sorgfältig ausgewählt wurden.120 116 Unocal Corp v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985); Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361 (Del. 1995); Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1356 (Del. 1985). 117 Unocal Corp v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 118 Unocal Corp v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985); Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1375 (Del. 1995). 119 Unocal Corp v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985); Mills Acquisition Co. v. Macmillan, Inc., 559 A.2d 1261, 1282 (FN 29) (Del. 1988).

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Handelt es sich um ein unangemessenes Angebot, liegt eine Gefahr für die Unternehmenspolitik darin, dass die Aktionäre in Unkenntnis darüber, dass das Angebot zu niedrig ist, dieses annehmen und die Einschätzung der langfristigen Wertentwicklung des Board ungeachtet bleibt.121 b) Der Nachweis eines vernünftigen Verhältnisses von der ergriffenen Abwehrmaßnahme zur bestehenden Bedrohung Die umfassende Beurteilung der Auswirkungen einer Übernahme auf die Zielgesellschaft spielt auch im Rahmen des Nachweises, dass Bedrohung und Abwehrmaßnahme in einem vernünftigen Verhältnis stehen, die entscheidende Rolle.122 Die Directors müssen die Ausgestaltung des Übernahmeangebots und die Auswirkungen einer erfolgreichen Übernahme auf die Gesellschaft mit der ergriffenen Abwehrmaßnahme abwägen und diese Abwägung entsprechend darlegen können.123 Dabei sind insbesondere – die Angemessenheit des Angebotspreises, – die Art und Weise, – die Wahl des Zeitpunkts des Angebots, – die Rechtmäßigkeit, die Qualität der zum Tausch angebotenen Wertpapiere sowie – der Einfluss auf andere Interessensgruppen als die Aktionäre, wie Arbeitnehmer, Gläubiger, Kunden und das Gemeinwohl

zu berücksichtigen.124 c) Das Erfordernis einer nicht drakonischen Abwehrmaßnahme Obwohl der Unocal-Test bei Maßnahmen in Reaktion auf ein Übernahmeangebot im Vergleich zur herkömmlichen Business Judgment Rule die Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung eröffnet, gesteht der Delaware Supreme Court dem Board auch im Rahmen der Unocal-Prüfung einen relativ weiten Spielraum zu.125 Die gerügte Abwehrmaßnahme ist dahingehend zu überprüfen, ob sie drakonisch, d. h. entweder ausschließend oder zwingend ist.126 Ausschließend ist eine Abwehrmaß120 Block / Kliegman, 1158 PLI / Corp (2000), 255, 260; beispielhaft hier die Konsultierung von Investmentbankern von Unocal, siehe oben F. I. 1., S. 51. 121 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1385 (Del. 1995). 122 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 123 Unocal Corp. V. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 124 Unocal Corp. V. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 125 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1387, 1388 (Del. 1995). 126 Unitrin, Inc. v. American General Corp, 651 A.2d 1361, 1387, 1388 (Del. 1995).

F. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen

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nahme dann, wenn sie eine Übernahme nicht nur erschwert, sondern gänzlich unmöglich macht. Zwingend ist eine Abwehrmaßnahme, wenn sie den Aktionären eine vom Management ausgehende Alternative aufzwingt.127 Konsequenterweise gilt der Unocal-Test nicht nur bei der gerichtlichen Überprüfung von Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote, sondern analog auch dann, wenn es um die Veräußerung der Kontrollmehrheit im Rahmen einer Transaktion geht. In diesem Fall stellt der Delaware Supreme Court an das Board die Anforderung, den höchst möglichen vernünftigerweise zu erreichenden Preis für den Verkauf zu erzielen.128 Diese Verpflichtung wird als sogenannte „RevlonDuty“ bezeichnet.129

II. Die Business Judgment Rule Wenn die Abwehrmaßnahme beiden Voraussetzungen des Unocal-Tests Stand hält, erhalten die Directors den Schutz der Business Judgment Rule.130 Danach sind Entscheidungen des Board nur dann gerichtlich überprüfbar, wenn sie kein Business Judgment darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Delaware Supreme Court unterbleibt gemäß der Business Judgment Rule eine gerichtliche Überprüfung von Board-Entscheidungen, wenn das Board seine Entscheidung (1) auf der Grundlage ausreichender Informationen, (2) in gutem Glauben und (3) in der Überzeugung, dass die Handlung dem Interesse der Gesellschaft entspricht, getroffen hat.131 Die Business Judgment Rule ist Ausdruck der den Directors obliegenden Treuepflichten. Sie bestehen im Einzelnen aus der Duty of Care (Sorgfaltspflicht) und der Duty of Loyalty (Treuepflicht im engeren Sinne).132 In der ersten VoraussetBlock / Kliegman, 1158 PLI / Corp (2000), 255, 263. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1985). 129 Siehe im Einzelnen unter E. IV. 130 Bungert, AG 1994, 297, 303; Pierce / Aiello 1158 PLI / Corp (2000) 145, 154; Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000) 799, 817. 131 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del. 1985); Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. 506 A.2d 173, 180 (Del. 1986); Ivanhoe Partners v. Newmont Mining Corp., 535 A.2d 1334, 1341 (Del. 1987); Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 360 (Del. 1993); Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361 (Del. 1995). 132 Dougherty, SE 82 ALI-ABA (2000), 373, 377; Teilweise wird der Begriff Fiduciary Duty dem der Duty of Loyalty gleichgesetzt und dem der Duty of Care gegenübergestellt, 127 128

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

zung der Business Judgment Rule kommt besonders die Duty of Care,133 in der zweiten und dritten Voraussetzung die Duty of Loyalty zum Ausdruck. Bei Anwendung der Business Judgment Rule muss der Kläger beweisen, dass die Directors die ihnen obliegende Duty of Care oder die Duty of Loyalty verletzt haben.134 Der Schutz der Business Judgment Rule ist dem Board nur dann versagt, wenn der Kläger ihm eine grob fahrlässige Verletzung der Pflichten nachweisen kann.135 Grobe Fahrlässigkeit liegt generell nur in gravierenden Fällen vor, insbesondere wenn es für die Board-Entscheidung keine vernünftigen Gründe gibt, das Board nicht in gutem Glauben gehandelt hat, ein Insichgeschäft vorliegt, das Board den Erhalt oder die Berücksichtigung von Informationen versäumte, die vor Ergreifen der Maßnahme zugänglich waren136 oder die Interessen der Aktionäre unberücksichtigt geblieben sind oder vorsätzlich missachtet wurden.137 Gelingt dem Kläger der Nachweis einer Pflichtverletzung, wird das Gericht die Entscheidung inhaltlich überprüfen und konstatieren, ob sie fair gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären war, wobei dann die Beweislast, wie im Rahmen des UnocalTests, auf das Board übergeht.138

1. Die Anforderungen der Business Judgment Rule – Duty of Care und Duty of Loyalty In Delaware ist die kodifizierte Grundlage für die Business Judgment Rule 8 Del. Code § 141 (a), wonach die Geschäftsführung einer in Delaware inkorporierten Gesellschaft dem Board of Directors unterliegt.139 Damit zugleich auch die Interessen der Aktionäre und der Gesellschaft gewährleistet werden, obliegen den Directors die Duty of Care und die Duty of Loyalty. Diese Pflichten, nach denen die Directors im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre handeln müssen,140 zählen zu den allgemein anerkannten Grundsätzen des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts. Einerseits wollen die Gerichte die Board-Entscheidung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Sinnhaltigkeit und Zweckmäßigkeit respektieren, andererteilweise aber auch Fiduciary Duties als Oberbegriff von Duty of Loyalty und Duty of Care verstanden, siehe Bungert, AG 1994, 297, 300 in Fn. 31 133 Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 873 (Del. 1985). 134 Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 811, 812 (Del. 1984); Bungert, AG 1994, 297, 303; Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000), 799, 813. 135 Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 874 (Del. 1985); Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 258. 136 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 259. 137 Kahn v. Roberts, 21 Del. J. Corp. L. 674. 138 Pierce / Aiello, 1158 PLI / Corp (2000) 145, 151. 139 „The business and affairs of every Corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a Board of Directors.“ 140 Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 872 (Del. 1985).

F. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen

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seits sollen die den Directors gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären obliegenden Pflichten gewahrt werden. Die Business Judgment Rule soll beiden Aspekten gerecht werden. a) Duty of Care Die Duty of Care beinhaltet in erster Linie die Pflicht des Board, seine Entscheidungen auf der Grundlage ausreichender, d. h. aller zugänglichen und für die Entscheidung relevanten Information zu treffen, um die Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre zu wahren.141 Die Directors müssen ihre Entscheidungen mit der Sorgfalt treffen, die ein umsichtiger und gewissenhafter Dritter angewandt hätte.142 Das Recht von Delaware erlaubt den Directors in Ausübung der Duty of Care, sich auf bestimmte Quellen und Informationen zu stützen. Gemäß 8 Del. C. § 141 (e) genügt ein Director seinen Pflichten, wenn er hinsichtlich der Unterlagen der Gesellschaft und der Informationen, Meinungen oder Stellungnahmen von Officers, Arbeitnehmern, Ausschüssen des Board oder sorgfältig ausgewählten Experten und professionellen Rechts- und Finanz-Beratern,143 die der Gesellschaft übermittelt werden, in gutem Glauben ist. Die Gerichte überwachen die Duty of Care, indem sie die den Directors vorliegenden Informationen und den Prozess der daraus folgenden Entscheidungsfindung untersuchen.144 Diese Untersuchung berücksichtigt im Falle der Veräußerung der Aktien unter anderem den Bewertungsprozess und den Verkaufspreis, ob dabei außenstehende Finanz-Experten konsultiert wurden und die Dauer und Sorgfalt des Entscheidungsfindungsprozesses,145 um im Falle einer Verletzung der Duty of Care bewerten zu können, ob die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit erreicht wurde. Weiterhin stellen die Gerichte fest, ob die Befürwortung einer Transaktion durch eine Mehrheit von unbefangenen Directors hinsichtlich dieser Entscheidung gestützt wird.146

b) Duty of Loyalty Nach der Duty of Loyalty darf das Board nicht betrügerisch und es muss in gutem Glauben und im besten Interesse der Gesellschaft handeln. Insbesondere darf bei den Directors kein Interessenkonflikt, d. h. kein Eigeninteresse vorliegen.147 Balotti / Elson / Laster, 55 Bus. Law. (2000) 661. Balotti / Elson / Laster, 55 Bus. Law. (2000) 661, 662; Taube / Colli / Groisser, 203-JUN N.J. Law (2000), 9. 143 Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000), 799, 814. 144 Balotti / Elson / Laster, 55 Bus. Law. (2000) 661, 662. 145 Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 874 (Del. 1985). 146 Grobow v. Perot, 539 A.2d 180, 190 (Del. 1988). 147 Taube / Colli / Groisser, 203-JUN N.J. Law (2000), 9. 141 142

6 Hens

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Das Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre muss Vorrang vor jedem Interesse der Directors, Officers oder eines Mehrheitsaktionärs genießen.148 (1) Interessenkonflikt – „Conflict of interests“ Ein Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn die Directors entweder auf beiden Seiten einer Transaktion erscheinen, also ein Insichgeschäft („Self-dealing“) vorliegt, wie beispielsweise bei einem MBO,149 oder durch die Transaktion einen finanziellen Vorteil erlangen, der nicht zugleich der Gesellschaft und den Aktionären zugute kommt.150 Die Duty of Loyalty ist bei Vorliegen eines Eigeninteresses verletzt, das eine evidente Untreue nach sich zieht.151 „Irgendein“ Eigeninteresse reicht nicht aus. Eine Verletzung der Duty of Loyalty ist jedenfalls dann gegeben, wenn ein Interessenkonflikt bei der Mehrheit der die Board-Entscheidung tragenden Directors vorliegt.152 Die Business Judgment Rule ist dann zunächst nicht mehr anwendbar. Statt dessen kommt die Entire Fairness-Prüfung zur Anwendung. Schwieriger festzustellen ist eine erhebliche Verletzung der Duty of Loyalty, wenn nur ein Director oder nur eine Minderheit der Directors aus Eigeninteresse gehandelt hat. Sie ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des bzw. der im Eigeninteresse handelnden Directors („Interested Directors“) die gesamte BoardEntscheidung maßgeblich beeinflusst hat.153 Hinsichtlich der Mitwirkung von Interested Directors an Board-Entscheidungen enthält das kodifizierte Gesellschaftsrecht von Delaware einen „sicheren Hafen“154 für die Gültigkeit solcher Board-Entscheidungen. Gemäß 8 Del. Code Ann. § 144 (a) führt das Eigeninteresse eines Directors dann nicht zur Ungültigkeit einer Transaktion oder eines Vertrages, wenn – der Interested Director seinen Interessenkonflikt offen legt oder das Board sich dieser Tatsache auf andere Weise bewusst ist und zugleich eine Mehrheit von unbefangenen Directors die Entscheidung trägt [s. 144 (a) (1)] oder – die Mehrheit der Aktionäre, denen der Interessenkonflikt bekannt ist, die Maßnahme genehmigt [s. 144 (a) (2)] oder – der Vertrag oder die Transaktion zur Zeit der Zustimmung, Genehmigung oder Ratifizierung durch das Board oder die Aktionäre fair gegenüber der Gesellschaft ist [s. 144 (a) (3)].

148 149 150 151 152 153 154

Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993). Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000), 799, 818. Ivanhoe Partners v. Newmont Mining Corporation 535 A.2d 1334 (Del. 1987) . Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 363 (Del. 1993). Weinberger v. UOP, Inc., 347 A.2d 701 (Del. 1983). Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000) 799, 815. Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000) 799, 815 Fn. 2.

F. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen

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Um festzustellen, ob die Entire Fairness-Prüfung wegen der Verletzung der Duty of Loyalty durch einen oder eine Minderheit von Directors („Interested Minority“) zur Anwendung kommt, hat der Chancery Court of Delaware155 folgende Prüfung vorgenommen: Ein finanzielles Interesse eines Directors oder einer Minderheit von Directors ist bedeutend, wenn – der „Interested Director“ oder die „Interested Minority“ das gesamte Board dominiert oder – der „Interested Director“ sein Eigeninteresse nicht offen legt und ein vernünftiges Board-Mitglied das Bestehen dieses Interesses als einen bedeutenden Aspekt hinsichtlich des Entscheidungsprozesses erachtet hätte.

Wenn eine Transaktion von Directors, die ohne Eigeninteresse handeln („Disinterested Directors“), auch wenn ihre Anzahl isoliert betrachtet nicht beschlussfähig wäre, in gutem Glauben oder von den Aktionären beschlossen oder genehmigt wurde, ist ein signifikanter Interessenkonflikt und somit eine Verletzung der Duty of Loyalty nicht anzunehmen. Anderenfalls trägt das Board die Beweislast für den Nachweises umfassender Fairness (Entire Fairness).156 Die Tatsache, dass das Board mehrheitlich aus Outside Independent Directors besteht, erleichtert den Nachweis dafür, dass kein signifikanter Interessenkonflikt bestand.157 (2) Unbefangener Ausschuss – Committee of Independent Directors Wenn bei einer Mehrheit der Directors ein Interessenkonflikt bei einer BoardEntscheidung besteht, kann das Board nach 8 Del. C. § 141 (c) (2) einen Ausschuss mit unbefangenen Directors ohne Eigeninteresse (Committee of Independent or Disinterested Directors) errichten, um die Entscheidung im Namen und anstelle des gesamten Boards zu treffen.158 Je nach der Ermächtigung der Einberufung durch das Board oder bei einer entsprechenden Ermächtigung in den Bylaws können solche Ausschüsse alle Kompetenzen des Board of Directors haben. Ein unabhängiger Ausschuss soll wie ein „Mini-Board“ fungieren und kann eigenmächtig unabhängige Rechts- und Finanz-Berater hinzuziehen.159 Bei Vorliegen eines Übernahmeangebots soll der Ausschuss ermächtigt sein, mit einem Mehrheitsaktionär oder anderen Bietern zu verhandeln und auch die Kompetenz haben, ein Angebot zu negieren.160 Nicht übertragen werden können indessen Belange, die 155 156 157 158

Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134, 1153 (Del. Ch. 1994). Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 113. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 114; Pierce / Aiello 1158 PLI / Corp (2000) 145,

150. 159 160

6*

Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 114. Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 114.

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

ausdrücklich in die Beschlusskompetenz der Aktionäre fallen sowie die Befugnis zur Änderung der Satzung („Articles of Incorporation“ oder „Certificate of Incorporation“). Erfüllt die von dem unabhängigen Ausschuss überlegte Entscheidung und der Entscheidungsprozess die Voraussetzungen der Business Judgment Rule, findet eine Entire Fairness-Prüfung nicht statt.161

III. Das Erfordernis umfassender Fairness bei Durchführung einer Transaktion – Entire Fairness Liegt eine Verletzung der Duty of Care oder der Duty of Loyalty, insbesondere aufgrund eines Interessenkonflikts im Rahmen der Reaktion auf ein Übernahmeangebot, vor,162 stellt der Delaware Supreme Court anhand der Entire FairnessPrüfung fest, ob die Board-Entscheidung gegenüber den Aktionären und der Gesellschaft von umfassender Fairness („Entire Fairness“) geprägt war.163 Die Gerichte von Delaware prüfen, ob eine angegriffene Board-Entscheidung „Entirely Fair“ war, in dem sie untersuchen, ob das Board fair gehandelt („Fair Dealing“) und im Falle eines Verkaufs, insbesondere aufgrund eines Übernahmeangebots, einen fairen Preis („Fair Price“) für den Verkauf der Aktien ausgehandelt hat.164 Grundsätzlich obliegt die Beweislast im Rahmen der Entire FairnessPrüfung dem beklagten Board. Wenn jedoch die Transaktion von einem unabhängigen Ausschuss genehmigt wurde, findet eine Beweislastumkehr auf den Kläger statt.165 Ist ein Mehrheitsaktionär an der Transaktion beteiligt, muss der unabhängige Ausschuss, um die Beweislastumkehr zu bewirken, darlegen, dass der Mehrheitsaktionär die Bedingungen des Angebots nicht einseitig bestimmt hat, sondern der Ausschuss als ebenbürtiger Verhandlungspartner auftrat.166 Im Rahmen der Entire Fairness-Prüfung untersuchen die Gerichte den Handlungsprozess des Boards, dessen Ergebnis und die Qualität der Veröffentlichungen für die Aktionäre.167 In diesem Zusammenhang sprechen folgende Aspekte für eine umfassende Fairness: – die Konsultierung spezialisierter Anwaltssozietäten und Investmentbanken, – die Erfahrung und Kompetenz des Verhandlungsführers der Zielgesellschaft,

Kennedy 1183 PLI / Corp (2000) 101, 114. Pierce / Aiello, 1158 PLI / Corp (2000), 145, 151. 163 Weinberger v. UOP, Inc., 456 A.2d 701 (Del. 1983). 164 Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993). 165 In re Wheelabrator Technologies Inc. Shareholders Litig., 663 A.2d 1194, 1203 (Del. Ch. 1995). 166 Kahn v. Tremont Corp., 694 A.2d 422, 429 (Del. 1997). 167 Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134, 1140 (Del. Ch. 1994). 161 162

F. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen

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– die Höhe des ausgehandelten Angebotspreises bzw. das Nichtbestehen von Anhaltspunkten, dass ein höherer Preis eines dritten Bieters hätte erzielt werden können, – die Veräußerung eigener Aktien des Verhandlungsführers zum selben Preis, der den außenstehenden Aktionären geboten wird.168

Bei der Feststellung, ob die Transaktion durch faires Handeln geprägt ist, werden ferner die zeitliche Planung, die Ausgestaltung, die Struktur sowie die Verhandlung der Transaktion berücksichtigt.169 Bei der Bestimmung, ob bei der Transaktion ein fairer Preis für die Anteile der Zielgesellschaft erzielt wurde, sind sämtliche wirtschaftliche und finanzielle Aspekte zu berücksichtigen: Vermögen, Marktwert, Zukunftsprognosen und weitere Faktoren, die den inneren Wert der Aktien der Zielgesellschaft beeinflussen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Verkauf der Kontrollmehrheit bei mehreren potentiellen Bietergesellschaften besteht die Verpflichtung der Directors, den höchsten Preis zu erzielen, der unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise erreichbar ist.170

IV. Der Revlon-Test bei einem unvermeidbaren Verkauf der Gesellschaft Wenn ein Verkauf der Kontrollmehrheit bzw. eine Übernahme zu befürworten ist, etwa weil dies den unternehmerischen Zielen der Gesellschaft entspricht oder wegen einer schlechten wirtschaftlichen Situation geboten ist, hat das Board besondere Pflichten einzuhalten. Die Directors treten dann in die Rolle eines Auktionators ein und müssen dementsprechend den höchstmöglichen Preis für die Aktionäre aushandeln.171 Der in diesem Zusammenhang grundlegenden Revlon-Entscheidung172 lag ein Übernahmeangebot von Pantry Pride zugrunde, das zunächst vom Revlon-Board abgelehnt wurde. Nachdem Pantry Pride ein erneutes Übernahmeangebot unterbreitete, suchte Revlon nach einem Weißen Ritter. Nach einer weiteren Erhöhung des Angebotspreises von Pantry Pride auf $ 53 pro Aktie trat Revlon in Verhandlungen mit Forstmann Little & Co. Man einigte sich auf einen Preis von $ 56 pro Aktie. Nachdem Pantry Pride und Forstmann Little sich noch einmal gegenseitig überboten, beendete das Board von Revlon den Wettbewerb der 168 Siehe Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134, 1140 (Del. Ch. 1994), aff ’d in Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134, 1156 (Del. 1995). 169 Weinberger v. UOP, Inc., 456 A.2d 701, 711 (Del. 1983). 170 Mills Acquisition Co. v. Macmillan, Inc., 559 A.2d 1261, 1280 (Del. 1988). 171 Revlon, Inc., v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 (Del. 1986): „The Directors’ role changed from defenders of the corporate bastion to auctioneers charged with getting the best price for the stockholders at a sale of the company.“ 172 Revlon, Inc., v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986).

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Bieter, indem es einem Angebotspreis von Forstmann Little in Höhe von $ 57,25 entgültig zustimmte. Sowohl der Delaware Chancery Court als auch der Delaware Supreme Court173 beurteilten das Verhalten des Revlon-Boards als Pflichtverletzung. Ab dem Zeitpunkt, in dem Revlon nach einem Weißen Ritter suchte und in Verhandlungen mit Forstmann Little & Co. trat, sah der Delaware Supreme Court den Verkauf der Kontrollmehrheit als unvermeidbar an. In diesem Moment wandelt sich die Pflicht des Board, die Gesellschaft als unabhängige juristische Person zu erhalten in die Pflicht, den Gesellschaftswert für die Aktionäre zu maximieren, indem der höchstmögliche Preis für die Aktien erzielt wird. Die Rolle des Board wechselt vom Verteidiger zum Auktionator.174 Die von den Gerichten festgestellte Pflicht des Board besteht darin, ein „Level Playing Field“ zu ermöglichen, in dem sämtliche Bieter gleich behandelt werden, so dass die Aktionäre den höchst möglichen Preis für ihre Anteile erhalten.175 Aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Bieterwettbewerbs durch die entgültige Zustimmung des Revlon-Boards wurde die Möglichkeit der Aktionäre vereitelt, einen noch höheren Preis durch einen Fortgang des Bieterwettbewerbs für ihre Anteile zu erhalten. Im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung obliegt dem Board der Zielgesellschaft die Beweislast, dass der Preis für die Aktien der höchste ist, der vernünftigerweise unter den gegebenen Umständen zu erzielen war.176 Das bedeutet allerdings nicht, dass das Board bei Vorliegen mehrerer Angebote in jedem Falle auf das höchste Angebot eingehen muss, da es neben dem Angebotspreis sämtliche Aspekte des Angebots zu berücksichtigen hat. Dies gilt vor allem bei Angeboten, die auf einen Aktientausch gerichtet sind, also Aspekte zu berücksichtigen sind, die nicht von einem Barpreis abhängen.177 Das Board sollte unter anderem folgende Faktoren berücksichtigen: – die Angemessenheit und Durchführbarkeit des Angebots, – die Finanzierung des Angebots und dessen Konsequenzen, – die Identität und den Hintergrund des Bieters sowie seine wirtschaftlichen unternehmerischen Erfahrungen, Revlon, Inc., v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986). Revlon, Inc., v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986): „When it became apparent that breakup of company was inevitable as result of Takeover Bids and the Board of Directors recognized that the company was for sale, Board’s Duties changed from the preservation of the company as a corporate entity to the maximization of the company’s value at a sale for the stockholders’ benefits; Directors’ role changed from defenders of the corporate bastion to auctioneers charged with getting the best price for the stockholders at a sale of the company.“ 175 Block / Kliegman, 1158 PLI / Corp (2000), 255, 264. 176 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. 506 A.2d 173 (1986); Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993). 177 Paramount Communications, Inc., v. QVC Network, Inc., 637 A.2d 34, 44 (Del. 1994). 173 174

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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– den Businessplan des Bieters und dessen Auswirkungen auf die finanziellen Interessen der Aktionäre.178

Die zu berücksichtigenden Aspekte entsprechen also zum Teil denen, die auch bei der Enhanced Scrutiny beachtlich sind. Unklarheit besteht nach der Revlon-Entscheidung darüber, in welchem Falle die vom Delaware Supreme Court festgestellte Revlon-Duty eintritt bzw. ein Verkauf der Kontrollmehrheit unvermeidbar ist. In der Entscheidung Paramount Communications v. Time179 nannte der Delaware Supreme Court, vorbehaltlich anderer Fallsituationen, zwei Sachverhalte, die die Revlon-Duty auslösen: (1) Wenn die Gesellschaft einen Wettbewerb zwischen Bietern initiiert, um einen Verkauf oder einen Reorganisationsprozess herbeizuführen, der eindeutig mit der Auflösung der Gesellschaft verbunden ist. (2) Wenn die Zielgesellschaft ihre langfristige Geschäftsstrategie verlässt und eine Transaktion anstrebt, die die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hätte.180

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen In den USA hat sich während der achtziger und neunziger Jahre ein breites Spektrum an Abwehrmaßnahmen zum Schutz vor unerwünschten Übernahmen herausgebildet, wobei zwischen präventiven („Shark Repellents“) und solchen Maßnahmen, die nach Vorliegen eines Übernahmeangebots ergriffen werden („Post Offer Strategies“), zu unterscheiden ist. Wie auch in Deutschland sind Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmeangebote in den USA Gegenstand einer ausgeprägten Kontroverse. Während die Lehre die Befugnis zur Abwehr von Übernahmeangeboten eher ablehnt, werden Abwehrstrategien von den Praktikern befürwortet.181 Die US-amerikanische Rechtsprechung billigt dem Board of Directors umfangreiche Abwehrmaßnahmen zu. Die Ablehnung gegenüber Abwehrmaßnahmen basiert auf der Annahme, die Abwehr eines Übernahmeangebots verringere den Unternehmenswert.182 Auf der anderen Seite werden Abwehrstrategien als zeitgewinnender Faktor hinsichtlich der Beurteilung des Übernahmeangebots und der Entscheidung zur richtigen Reaktion auf das Angebot angesehen.183 Gesellschaften, die sorgfältig präventive 178 Diese Aspekte nannte der Delaware Supreme Court in Mills Acquisition Co. v. Macmillan, Inc., 559 A.2d 1261, 1282 (FN 29) (Del. 1988). 179 Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc., 571 A.2d 1140 (Del. 1989). 180 Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc., 571 A.2d 1140, 1150 (Del. 1989). 181 Coates 54 U. Miami L. Rev. (2000) 783. 182 Coates 54 U. Miami L. Rev. (2000) 783.

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Abwehrstrategien entwickelt haben, verbessern einerseits ihre Möglichkeiten zur Verhinderung unangemessener Übernahmeangebote und sichern andererseits im Falle des Eingehens auf das Angebot einen hohen Preis für den Verkauf.184 Die als „Poison Pills“ bezeichneten „Shareholder Rights Plans“ und ähnliche Abwehrstrategien verleihen der Zielgesellschaft eine größere Verhandlungsmacht.185 Daher gibt es auch Anhaltspunkte, dass es den im Aktienwert verkörperten Unternehmenswert gerade nicht beeinträchtigt, wenn das Management Abwehrmaßnahmen ergreift. Untersuchungen zufolge sind die Angebotspreise generell höher, wenn die Zielgesellschaft Abwehrstrategien, insbesondere Shareholder Rights Plans, implementiert hat, als wenn dies nicht der Fall wäre.186 Studien haben ergeben, dass die negativen Auswirkungen von implementierten Abwehrstrategien auf den Börsenkurs unter 1% liegen und daher statistisch unbedeutend sind.187 In den USA können Abwehrmaßnahmen durch Regelungen in den Articles of Incorporation oder in den Bylaws statuiert werden. Die Bylaws sind den Articles of Incorporation nachrangig und können auch vom Board selbst geändert werden.188 Änderungen der Articles of Incorporation sind hingegen nur durch Beschluss der Aktionäre möglich.189

I. Präventivmaßnahmen – Shark repellents 1. Shareholder Rights Plans – „Poison Pills“ Die effektivste und daher verbreitetste Abwehrmaßnahme gegen Übernahmeangebote sind Shareholder Rights Plans, die sogenannten „Poison Pills“.190 Sie bedürfen nicht der Zustimmung der Aktionäre, können also vom Board eigenmächtig ergriffen werden.191 Die meisten großen und insgesamt über 2.300 US-amerikanische Gesellschaften haben Poison Pills implementiert.192 Poison Pills beeinträchti183 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. 184 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. 185 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. 186 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. 187 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. 188 Merkt, Rn. 269, 271. 189 Merkt, Rn. 1205; 8 Del. C. § 242 (c) (1). 190 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 867. 191 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986); Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. 192 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 867.

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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gen weder Verhandlungen im Rahmen von Transaktionen noch schließen sie Übernahmen aus.193 Ihr Sinn und Zweck ist es, ausbeuterische und unangemessene Übernahmeangebote sowie die Durchkreuzung der langfristigen Geschäftsstrategie durch eine Übernahme zu verhindern.194 Shareholder Rights Plans dienen dazu, die Übernahme der Zielgesellschaft durch ein feindliches Übernahmeangebot für einen potentiellen Bieter unattraktiver zu machen. Da das Board der Zielgesellschaft die Poison Pill Plans nicht nur implementieren, sondern allein das Board diese wieder zurücknehmen kann, wird ein Bieter vor einem Übernahmeangebot zunächst mit dem Board der Zielgesellschaft verhandeln und versuchen zu bewirken, dass das Board der Zielgesellschaft die Poison Pill zurücknimmt,195 bevor er ein Übernahmeangebot unterbreitet und damit die Wirkung der Poison Pills auslöst.196 Dadurch erhöht sich die Verhandlungsmacht des Board der Zielgesellschaft erheblich. Shareholder Rights Plans werden daher auch als Ausgleich der Verhandlungsmacht von Bieter und Zielgesellschaft verstanden.197 Durch diese Machtstellung werden den Aktionären im Falle der Durchführung der Transaktion sehr hohe Summen für ihre Aktien gezahlt.198 Nach einer unveröffentlichten Studie der Investmentbank J. P. Morgan von 1995 ergaben sich bei insgesamt 245 Übernahmen zwischen 1988 bis 1995 mit einem Volumen von über $ 500 Millionen hinsichtlich des Angebotspreises deutliche Unterschiede zwischen Gesellschaften mit implementierten Poison Pills und solchen ohne Poison Pills. Für Aktien einer Gesellschaft ohne Poison Pills wurde bei Vollzug der Übernahme ein Preis, der durchschnittlich 35,5% über dem Börsenkurs von fünf Tagen vor Beginn des Übernahmeangebots lag, gezahlt. Der letzte Angebotspreis für Aktien einer Gesellschaft, die einen Shareholder Rights Plan implementiert hatte, lag im Schnitt bei 51,4% über dem Börsenkurs.199 Ein Update dieser Untersuchung von Übernahmen zwischen 1993 und 1997 kam zu vergleichbaren Ergebnissen.200 Um vor Übernahmeangeboten möglichst gut gewappnet zu sein, werden Poison Pills typischerweise ohne Vorliegen eines konkreten Übernahmeangebots implementiert.201

Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 867. Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 867. 195 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 276. 196 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 230. 197 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 867. 198 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 276; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 867. 199 Coates 54 U. Miami L. Rev. (2000) 783, 794. 200 Coates 54 U. Miami L. Rev. (2000) 783, 795. 201 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. 193 194

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Die herkömmlichen Poison Pills sind zu unterscheiden in sogenannte „Flip-in Plans“ und „Flip-over Plans“.202 Die aktuellsten Entwicklungen sind die sogenannten „Dead Hand“ und die „No Hand“ Poison Pills.203 Allen Formen der Poison Pills ist gemeinsam, dass sie den Aktionären der Zielgesellschaft das Recht einräumen, nach einem Übernahmeangebot neu ausgegebene204 Aktien der Zielgesellschaft205 oder nach einem der Übernahme folgenden Merger, Aktien der aus dem Merger hervorgegangenen Gesellschaft sehr günstig zu erwerben.206 Diese Bezugsrechte werden an die Aktionäre in der Regel in Form einer Dividendenausschüttung ausgegeben.207 Das Bezugsrecht kann ausgeübt werden, sobald ein Erwerber einen bestimmten Prozentsatz, meist 15% – 20%,208 der Aktien der Zielgesellschaft erwirbt.209 Das Bezugsrecht gilt nicht für den Erwerber dieser Mehrheit,210 da die Poison Pill ansonsten ihre Wirkung verlieren würde. Die darin bestehende nicht unbedenkliche Ungleichbehandlung211 wurde vom Delaware Supreme Court212 als zulässig erachtet. Die Bezugsrechte können zu einem unter dem aktuellen Börsenkurs liegenden Preis ausgeübt werden.213 Dieser Preis ist entweder im Voraus festgelegt oder wird nach einer bestimmten Formel bei Ausübung der Rechte berechnet.214 Wird die Poison Pill vom Board der Zielgesellschaft nicht zurückgenommen und machen die Aktionäre der Zielgesellschaft von ihrem Bezugsrecht Gebrauch, kann die Bietergesellschaft die Übernahme, wenn überhaupt, nur mit einer erheblichen Verwässerung durchführen.215 Weiterhin ist allen Shareholder Rights Plans gemeinsam, dass sie ohne die Zustimmung oder Genehmigung der Aktionäre allein vom Board implementiert werden können.216 Die Ermächtigung dazu ergibt sich im Gesellschaftsrecht von Delaware aus 8 Del. C. §§ 141, 157.217 Auch können sämtliche Poison Pills sowohl 202 203 204 205 206 207 208

Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 275. Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 224. Braendel 25 Del. J. Corp. L. (2000) 651, 655. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 275. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. Brown 1158 PLI / Corp (1999) 87, 93. Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 868; Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223,

230. Bungert AG 1994, 297, 299; Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 230. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 275. 211 Merkt, Rn. 1132. 212 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum 493 A.2d 946 (Del. 1985). 213 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 275. 214 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 275. 215 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 229, 230. 216 Braendel 25 Del. J. Corp. L. (2000) 651, 655; Brown 1158 PLI / Corp (1999) 87, 93; Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 230. 217 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986). 209 210

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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bereits als präventive Abwehrmaßnahme als auch erst bei einer konkreten Bedrohung durch ein Übernahmeangebot aufgenommen werden.218 Für den Bieter sind Poison Pills der Zielgesellschaft nahezu unüberwindbar.219

a) Die Zulässigkeit von Poison Pills Nach der Rechtsprechung von Delaware sind Poison Pills ein zulässiges Mittel, unerwünschte Übernahmeangebote abzuwehren.220 In der Entscheidung Moran v. Household International hat der Delaware Supreme Court weiterhin ausdrücklich festgestellt, dass auch die rein präventive Implementierung von Poison Pills zulässig ist, wenn das Board in möglichen zukünftigen unangemessenen oder ausbeuterischen Übernahmeversuchen eine Gefahr sieht.221 Seitdem gelten Poison Pills in ihrer klassischen Form generell als zulässig.222 Entweder sind sie im entsprechenden einzelstaatlichen Recht ausdrücklich erwähnt oder werden von den Gerichten gebilligt.223 Deshalb richten sich fast alle Klagen gegen Abwehrmaßnahmen des Board nicht gegen die Zulässigkeit von Poison Pills, sondern dagegen, dass im Rahmen von Verhandlungen zwischen Bieter und Board der Zielgesellschaft dieses die Poison Pill wieder hätte rückgängig machen müssen.224 Ob das Board der Zielgesellschaft verpflichtet gewesen wäre, einen Shareholder Rights Plan zurück zu nehmen, wird von den Gerichten in Delaware anhand des Unocal-Tests überprüft.225

b) Das Recht zur Aufrechterhaltung eines Shareholder Rights Plans bei einem feindlichen Übernahmeangebot Die Rechtsprechung von Delaware und Gerichten anderer Bundesstaaten, die das Gesellschaftsrecht von Delaware anwenden,226 halten regelmäßig die Nichtrücknahme von Poison Pills durch das Board der Zielgesellschaft bei Two-tier OfXueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 230. Braendel 25 Del. J. Corp. L. (2000) 651, 656. 220 Siehe nur Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346 (Del. 1986). 221 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 277. 222 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 277; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 869. 223 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 868. 224 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 278; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 868. 225 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 278. 226 Bei der Überprüfung von Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote wenden die meisten Gerichte das vom Delaware Supreme Court in der Unocal-Entscheidung entwickelte Enhanced Scrutiny an, siehe Block / Hoff / Cochran, 51 U. Miami L. Rev. (1997) 623, 625. 218 219

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fers,227 unangemessenen 100%-Cash Offers228 oder dann für zulässig, wenn Verhandlungen über den bestmöglichen Preis im Falle einer Transaktion erzwungen werden sollen.229 Darüber hinaus gibt es weitere Fallkonstellationen, in denen das Board der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots nicht verpflichtet ist, einen Shareholder Rights Plan zurückzunehmen. (1) Die wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur Annahme des Übernahmeangebots Das Board der Zielgesellschaft kann die Rücknahme eines Shareholder Rights Plan versagen, wenn es den Aktionären eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur Annahme des Übernahmeangebots präsentieren kann.230 Das Alternativkonzept darf für die Aktionäre nicht nur einen kurzfristigen finanziellen Anreiz, etwa durch eine Dividendenzahlung, Aktienrückkäufe oder die Verteilung anderer Vermögensvorteile beinhalten, sondern muss im Zeichen langfristiger Rentabilität der Gesellschaft stehen.231 In der Entscheidung Gelco Corp. v. Coniston Partners232 in Minnesota, in der die Enhanced Scrutiny hinsichtlich der Beurteilung der Verpflichtung der Rücknahme einer Poison Pill angewendet wurde, erklärte das Gericht die Nichtrücknahme für zulässig. Angesichts eines Übernahmeangebots von Coniston Partners für $ 26 je Aktie der Gelco Corporation hat das Board der Gelco Corp. den Aktionären einen Restrukturierungsplan angeboten, durch den die Aktionäre ein Bar- und Wertpapierpaket im Wert von $ 24 pro Aktie erhielten. Das Gericht erachtete die Nichtrücknahme des Shareholder Rights Plan als eine vernünftige Antwort auf das Übernahmeangebot. Das Board konnte seine Entscheidung auf den Rat seiner Investmentbanker stützen, die das Übernahmeangebot als unangemessen beurteilten. Außerdem konnte das Board den Ruf des Bieters als einen an dem weiteren Fortschreiten des operativen Geschäfts der Zielgesellschaft uninteressierten „Räuber“ darlegen.233 In der Entscheidung Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co. des Delaware Chancery Court234 hingegen verpflichteten die Richter das Board der Zielgesellschaft Pillsbury, den Shareholder Rights Plan zurückzunehmen, da der den AktioDesert Partners, L. P. v. USG Corp., 686 F. Supp. 1289 (N:D. III. 1988). BNS In. V. Koppers Co., 683 F. Supp. 458, 474 – 75 (D. Del. 1988); Moore Corp. v. Wallace Computer Services, Inc., 907 F. Supp. 1545 (D. Del. 1995). 229 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 868. 230 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 278; beispielsweise zu nennen ist hier eine Rekapitalisierung oder Restrukturierung der Corporation. 231 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 278. 232 Gelco Corp. v. Coniston Partners., 652 F. Supp. 829 (D. Minn. 1986). 233 Gelco Corp. v. Coniston Partners., 652 F. Supp. 829, 849, 850 (D. Minn. 1986). 234 Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co., 558 A.2d 1049 (Del. Ch. 1988). 227 228

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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nären offerierte Restrukturierungsplan eine unangemessene Alternative hinsichtlich des Zeitraums, nach dem die Aktionäre mit einem finanziellen Gewinn rechnen konnten, darstellte. Der Restrukturierungsplan gewährleistete keinen wirtschaftlichen Gewinn vor Ablauf einer vier- bis fünfjährigen Frist. Außerdem beurteilten die Finanzberater von Pillsbury das Übernahmeangebot von Grand Metropolitan nicht als unangemessen.235 Der Delaware Chancery Court begründete seine Auffassung damit, dass die Gewinne, die der Restrukturierungsplan für die Aktionäre enthielt, wirtschaftlichen und wettbewerbsabhängigen Bedingungen unterlägen, die dem Einfluss und der Kontrolle des Board von Pillsbury entzogen seien. Deshalb sei der Angebotspreis in Höhe von $ 63 pro Aktie, der als nicht unangemessen befunden wurde, dem Wert von $ 68, das den Wert pro Aktie nach dem Restrukturierungsplan darstellte, vorzugswürdig. Der Plan der Zielgesellschaft enthalte zu viele Unvorhersehbarkeiten.236 (2) Weißer Ritter – White Knight Das zweite Szenario, in dem das Board der Zielgesellschaft von der Rücknahme des Shareholder Rights Plan absehen kann, ist die alternative Veräußerung der Kontrollmehrheit aufgrund des Angebots eines White Knight („Weißer Ritter“).237 Die Suche nach einem Weißen Ritter ist allerdings nicht als grundsätzliche Abwehr einer Übernahme zu verstehen. In einem solchen Fall ist der Verkauf der Kontrollmehrheit für den Fall, dass die Aktionäre auf eines der Übernahmeangebote eingehen, unvermeidbar. Lediglich die Bietergesellschaft ist eine andere. Findet sich ein Weißer Ritter und nehmen die Aktionäre dessen Angebot an, ist lediglich der Kontrollerwerb der ursprünglichen Bietergesellschaft verhindert worden. Insofern kann die Suche nach einem konkurrierenden Angebot nicht als Abwehrmaßnahme gegen den Kontrollerwerb durch einen Dritten bezeichnet werden. Wenn ein konkurrierendes Angebot eines Weißen Ritters vorliegt, obliegen dem Board die sogenannten Revlon-Duties.238 Voraussetzung für das Recht, den Shareholder Rights Plan in Bezug auf das ursprüngliche Übernahmeangebot aufrecht zu erhalten ist, dass das Board mit dem Ziel handelt, durch die Verhandlungen mit dem Weißen Ritter den für die Aktionäre bestmöglichen Preis zu erzielen.239 Mit einer solchen Konstellation hatte sich die Rechtsprechung im Fall CRTF Corp. v. Federated Department Stores240 auseinander zusetzen. Das Board der Zielgesellschaft Federated nahm bezüglich eines weiteren Übernahmeangebots von Macy’s als Weißem Ritter den Shareholder Rights Plan zurück, während es 235 236 237 238 239 240

Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co., 558 A.2d 1049, 1057 (Del. Ch. 1988). Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co., 558 A.2d 1049, 1057 (Del. Ch. 1988). Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 279. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 279. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 279. CRTF Corp. v. Federated Deüart,emt Stpres. Omc-. 68 F. Supp. 422 (S.D.N.Y. 1988).

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

ihn als Abwehrmaßnahme gegen das Übernahmeangebot von CRTF aufrecht hielt. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit des Handelns des Boards, da es das Recht habe, ein ausbeuterisches Übernahmeangebot zu bekämpfen, wenn es der Überzeugung ist, dass das Angebot nicht im Interesse der Aktionäre ist.241 Grundlage für diese Auffassung war die Überzeugung, dass das Board von Federated ausschließlich mit der Absicht gehandelt hatte, den Angebotspreis in die Höhe zu treiben,242 um ihren Aktionären einen möglichst hohen Gewinn zu verschaffen. (3) „Just-Say-No“-Defense Es gibt auch Fallsituationen, in denen das Board der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines feindlichen Übernahmeangebots Shareholder Rights Plans aufrecht erhalten kann, ohne den Aktionären eine wirtschaftliche Alternative zu präsentieren.243 Ein solcher Fall wird als sogenannte „Just-Say-No“-Defense bezeichnet.244 In der Entscheidung Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc.245 befand der Delaware Supreme Court eine „Just-Say-No“-Defense für zulässig. Das Gericht urteilte, dass die Verweigerung der Rücknahme des Shareholder Rights Plan den Unocal-Test bestand, obwohl bereits 73% der Aktionäre der Zielgesellschaft Wallace ihre Aktien als Antwort auf das Übernahmeangebot angeboten hatten und zugleich das Board von Wallace ihnen keine wirtschaftliche Alternative präsentiert hatte. Nach Auffassung des Gerichts konnte das Board von Wallace begründet darlegen, dass das Übernahmeangebot unangemessen war und eine Bedrohung für eine wirkungsvolle und erfolgreiche Geschäftspolitik darstellte. Die Richter stellten fest, dass ein unangemessenes aber nicht zwingendes Übernahmeangebot nach dem Unocal-Test nicht nur dann eine Bedrohung darstellt, wenn die Zielgesellschaft mehr Zeit benötigt um eine geeignete Alternative zu dem Übernahmeangebot zu entwickeln sondern auch, wenn die Aktionäre ihre Anteile ohne fundiertes Verständnis für den wirtschaftlichen Wert der Geschäftsstrategie der Zielgesellschaft anbieten.246 Das unangemessene Übernahmeangebot von Moore war eine aus rechtlicher Sicht erkennbare Bedrohung, da die Aktionäre von Wallace ihre Anteile offensichtlich ohne Würdigung der vom Board bezeugten Tatsache, dass nach beträchtlichen Investitionsmaßnahmen der Beginn 241 CRTF Corp. v. Federated Deüart,emt Stpres. Omc-. 68 F. Supp. 422, 440 (S.D.N.Y. 1988). 242 CRTF Corp. v. Federated Deüart,emt Stpres. Omc-. 68 F. Supp. 422, 441 (S.D.N.Y. 1988). 243 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 280. 244 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 280. 245 Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc., 907 F. Supp. 1545 (D. Del. 1995). 246 Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc., 907 F. Supp. 1545, 1560 (D. Del. 1995).

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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der Auszahlung von Gewinnen aus der Geschäftsstrategie begonnen hatte, veräußert hatten.247 Außerdem hatte das Board von Wallace die Angemessenheit des Übernahmeangebots sorgfältig überprüft. Dazu war das Board mehrmals zusammen getroffen, um das Angebot zu diskutieren, es engagierte Investmentbanker zur Beurteilung der finanziellen Aspekte und überdachte die Vereinbarkeit des Angebots mit der langfristigen Geschäftspolitik. Die Richter begründeten ihre Auffassung mit der Glaubwürdigkeit des langfristigen Erfolgs der Geschäftsstrategie von Wallace, die den Angebotspreis von Moore niedrig erscheinen ließ.248 Das Board von Wallace konnte glaubhaft machen, dass sich der Aktienkurs in einem Aufwärtstrend befand und zukünftig finanzielle Gewinne zu erwarten waren.249 Außerdem stützte das Board die Entscheidung, den Shareholder Rights Plan nicht zurückzunehmen, darauf, dass dies in einem vernünftigen Verhältnis zur bestehenden Bedrohung stand, weil die Aufrechterhaltung der Poison Pill weder ausschließend noch zwingend war, da sie die Realisierung eines Aktienverkaufs gegen eine Kontrollprämie nicht absolut ausschloss und den Aktionären nicht das Recht nahm, das Board durch die Wahl neuer Directors im Rahmen eines Proxy Contest zu ersetzen. Zwar kann der Übernehmer bei einem erfolgreichen Proxy Contest das Auslösen eines Shareholder Rights Plan umgehen. Jedoch erweist sich diese Variante zur Erlangung der Kontrolle zugleich als ungewiss und langwierig, da die Directors noch abberufen werden müssen. Viele Gesellschaften haben für den Versuch eines Proxy Contests Vorkehrungen getroffen, indem Regelungen geschaffen wurden, wonach die Directors nur aus bestimmten Gründen abberufen werden können. Außerdem kann ein sogenanntes gestaffeltes Board („Staggered Board“) als wirksame Maßnahme gegen Proxy Contests implementiert werden.250 Die Entscheidung Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc. unterstreicht die Notwendigkeit und Sinnhaltigkeit, dass das Board der Zielgesellschaft die Frage der Rücknahme oder Nichtrücknahme eines Shareholder Rights Plan an seiner langfristigen Geschäftsstrategie und deren Erfolg misst.251 Wenn die Zielgesellschaft das Gericht von der hohen Wahrscheinlichkeit eines langfristigen wirtschaftlichen Erfolges aufgrund der festgelegten Geschäftsstrategie verglichen mit dem konkreten Übernahmeangebot überzeugen kann, werden die Gerichte in der Regel annehmen, dass die langfristige Geschäftsstrategie im besten Interesse der Aktionäre ist, und zwar ungeachtet einer positiven Reaktion der Aktionäre auf 247 Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc., 907 F. Supp. 1545, 1560 (D. Del. 1995). 248 Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc., 907 F. Supp. 1545, 1559 (D. Del. 1995). 249 Moore Corp. Limited v. Wallace Computer Services, Inc., 907 F. Supp. 1545, 1559 (D. Del. 1995). 250 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 282; Zum Begriff „Staggered Board“ siehe unten C. I. 2. 251 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 282.

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

das Übernahmeangebot und ungeachtet des Fehlens einer vom Board der Zielgesellschaft präsentierten konkreten wirtschaftlichen Alternative.252

c) Flip Over Plans Ihr eigentliches Gift enthalten die Poison Pills durch die sogenannten „Flip Over“- und „Flip In“-Bestimmungen.253 Flip Over Plans geben den Aktionären der Zielgesellschaft das Recht, Anteile der nach einer Übernahme aus einem Merger neu hervorgegangenen Gesellschaft254 zu einem vorher bestimmten sehr günstigen Preis, oft zur Hälfte des Börsenkurses,255 zu erwerben.256 Die Bezugsrechte gelten für neu ausgegebene Stamm- oder Vorzugsaktien der Zielgesellschaft. 257 Der Anspruch der Aktionäre auf Bezug des Anteils besteht zunächst nur gegenüber der Zielgesellschaft und geht mit dem Merger auf die neuentstandene Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin der Zielgesellschaft über.258 Nach dem vollzogenen Merger ist der Bieter verpflichtet, die Rechte der Aktionäre der Zielgesellschaft zu befriedigen.259 Die beabsichtigte und unvermeidbare Wirkung der Flip Over Plans ist die Verwässerung des Eigenkapitals des Bieters in verheerendem Ausmaß,260 weil die Aktionäre der Zielgesellschaft aufgrund der günstigen Konditionen einen hohen Anteil an der neuen Gesellschaft erhalten. Wie bei sämtlichen Shareholder Rights Plans besteht auch hier eine Ausschlussregelung für den Bieter als Mehrheitserwerber, der von seinen Bezugsrechten keinen Gebrauch machen kann.261 Die grundlegende Entscheidung des Delaware Supreme Court für die Zulässigkeit von Poison Pills – Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346 (Del. 1986) – bezog sich auf einen solchen Flip Over Plan. Dieser wurde dem Unocal-Test unterzogen. Der Supreme Court stellte fest, dass das Board von Household vernünftige Gründe für die Annahme hatte, dass der Flip Over Plan die Gesellschaft vor ausbeuterischen Two-tier Offers, die eine Bedrohung für die Fortsetzung der Unternehmenspolitik und –effektivität darstellen, schütze. Auch stehe die Abwehrmaßnahme in Relation zur bestehenden Gefahr bei einem sogenannten „Boot-strap“oder „Bust-up“-Takeover,262 da die Anzahl von Übernahmen dieser Art zugenommen hatte.263 252 253 254 255 256 257

Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 282. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (2000) 255, 275. Merkt, Rn. 1132. Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 231. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 275. Braendel 25 Del. J. Corp. L. (2000) 651, 655; Letsou 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1101,

1110. 258 259 260 261

Merkt, Rn. 1132. Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 231. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 275. Merkt, Rn. 1132.

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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d) Flip In Plans Da Flip Over Plans ins Leere laufen, wenn die Bietergesellschaft nach einer Übernahme keinen Merger von Bieter- und Zielgesellschaft anstrebt, etablierten sich in der Folge die Flip In Plans. Sie berechtigen die Aktionäre der Zielgesellschaft, Bezugsrechte auf Aktien der Zielgesellschaft zu einem sehr günstigen Preis auszuüben, oftmals zu 50% des aktuellen Börsenkurses, wenn ein Bieter eine bestimmte Prozentzahl, die meistens 10%, 15% oder 20% beträgt, von Anteilen der Zielgesellschaft erworben hat.264 Wie auch im Rahmen der Flip Over Plans gelten die Bezugsrechte für neu ausgegebene Stamm- oder Vorzugsaktien der Zielgesellschaft265 und können nicht vom Bieter ausgeübt werden.266 Die Ausübung der Bezugsrechte bewirkt eine erhebliche Verwässerung des Aktienanteils des Bieters.267

e) Dead Hand Pills Die neueste Entwicklung der Shareholder Rights Plans sind die sogenannten „Dead Hand“ und als deren Variante die „No Hand“ Poison Pills.268 Das „Dead Hand“-Merkmal bedeutet, dass die Poison Pill vom Board nur in der Besetzung, von der die Poison Pill implementiert wurde („Incumbent Directors“),269 oder von Amtsnachfolgern mit Zustimmung der ursprünglichen Directors („Continuing Directors“),270 zurückgenommen werden kann.271 In der klassischen Ausgestaltung der Dead Hand Pill gilt dies ohne zeitliche Begrenzung.272 Dead Hand Pills können von einem durch das ursprüngliche Board nicht mehr legitimierten Board also nicht zurückgenommen werden. Die übrigen Merkmale der Dead Hand Pills unterscheiden sich nicht von den typischen Poison Pills.273

262 Von einem Boot-strap- oder Bust-up-Takeover spricht man, wenn der Takeover durch den Verkauf des zu erwerbenden Unternehmens finanziert werden soll, siehe Merkt, Rn. 73 Fn. 110. 263 Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1348, 1349 (Del. 1986). 264 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 275; Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 231. 265 Braendel 25 Del. J. Corp. L. (2000) 651, 655; Letsou 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1101, 1110. 266 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 275; Letsou 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1101, 1110. 267 Letsou 68 U. Cin. L. Rev. (2000) 1101, 1110. 268 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 233. 269 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 233. 270 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 875. 271 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 225, 233. 272 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 233. 273 Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 234.

7 Hens

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

Dead Hand Poison Pills sollen den aggressiver werdenden Übernahmestrategien gerecht werden. Insbesondere sollen sie verhindern, dass ein Bieter durch den Gewinn eines Proxy Contest die amtierenden Directors ersetzt und anschließend einen Shareholder Rights Plan durch eine Board-Entscheidung zurücknimmt, so dass der Bieter dann ein Übernahmeangebot ohne Auslösung der Poison Pill durchführen kann.274 Dead Hand Pills werden im Kampf gegen diese Strategie seit Anfang der Neunziger Jahre verwendet.275 Sie sind vor allem dann sinnvoll, wenn die Zielgesellschaft nicht über ein gestaffeltes Board („Staggered Board“) verfügt. Dann hat ein Übernahmeinteressent die Möglichkeit, das Board der Zielgesellschaft durch Beschluss mit einer Mehrheit von 50% in einer ordentlichen oder außerordentlichen Aktionärsversammlung zu ersetzen.276 Bis Anfang 2000 waren Dead Hand und No Hand Pills insgesamt nur sechs Mal Gegenstand gerichtlicher Überprüfung in den USA.277 Im Gegensatz zu der generellen Anerkennung herkömmlicher Poison Pills nach der einzelstaatlichen Rechtsprechung ergibt sich hier ein gemischtes Bild hinsichtlich ihrer Zulässigkeit. (1) Die uneinheitliche Rechtsprechung zu Dead Hand Pills (a) Die Unzulässigkeit einer Dead Hand Pill in Bank of New York v. Irving Bank Corp., 528 N.Y.S. 2d 482 (N.Y. Sup. Ct. 1988) Erstmals war der Einsatz einer Dead Hand Pill als Abwehrinstrument gegen ein feindliches Übernahmeangebot Gegenstand eines Rechtsstreits im Fall der Bank of New York v. Irving Bank im Staat New York im Jahre 1988.278 Die Poison Pill der Zielgesellschaft Irving Bank war so ausgestaltet, dass sie nur von den Continuing Directors oder von Directors, die mit einer qualifizierten 2 / 3-Mehrheit von den Aktionären gewählt wurden, zurückgenommen werden konnte.279 Nach Auffassung der Richter stellte diese Dead Hand Pill eine rechtswidrige Diskriminierung dar. Die Gründe für diese Entscheidung ergingen aus einem Vergleich der Kompetenzen eines Continuing Board bzw. eines mit einer qualifizierten Mehrheit gewählten Board mit einem durch eine einfache Mehrheit gewählten Board, wie es das New York Business Corporation Law grundsätzlich vorsieht.280 Die Richter führten aus, dass jede Begrenzung der Kompetenzen eines nach dem Corporation

274 275 276 277 278 279 280

Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 224, 225. Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 224, 225. Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 874. Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 243. Bank of New York v. Irving Bank Corp., 528 N.Y.S. 2d 482 (N.Y. Sup. Ct. 1988). Bank of New York v. Irving Bank Corp., 528 N.Y.S. 2d 482, 483 (N.Y. Sup. Ct. 1988). Bank of New York v. Irving Bank Corp., 528 N.Y.S. 2d 482, 485 (N.Y. Sup. Ct. 1988).

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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Law281 wirksam gewählten Board durch das Certificate of Incorporation legitimiert sein muss. Da das Certificate of Incorporation der Irving Bank eine solche Abweichung nicht enthielt, stellte das Gericht die Unwirksamkeit der Dead Hand Pill fest. (b) Die Zulässigkeit einer Dead Hand Pill in InvaCare v. Healthdyne Technologies, Inc., 968 F. Supp. 1578 (N.C. Ga. 1997) Unter Anwendung des Rechts des Bundesstaates Georgia hielt im Jahre 1997 eine Dead Hand Pill, nach der der Shareholder Rights Plan nur von den bereits vor Implementierung der Poison Pill amtierenden oder von diesen empfohlenen Nachfolgern zurückgenommen werden konnte, der gerichtlichen Überprüfung stand.282 Im Gegensatz zu der neun Jahre zuvor ergangenen Entscheidung in New York hielten die Richter die Dead Hand Pill nach dem Corporation Law von Georgia für zulässig.283 Nach ihrer Auffassung enthält der Georgia Business Corporation Code hinsichtlich der Kompetenzen des Board eine erhebliche Bandbreite, so dass eine speziellere Regelung zu den im Corporation Code enthaltenen Bestimmungen284 nicht zwingend im Certificate of Incorporation enthalten sein müsse. (2) Die Rechtsprechung von Delaware – Carmody v. Toll Brothers285 In Delaware war eine Dead Hand Pill 1998 Gegenstand gerichtlicher Überprüfung im Fall Carmody v. Toll Brothers.286 Der Delaware Court of Chancery gab der Klage von Carmody auf Feststellung der Unwirksamkeit der Dead Hand Pill von Toll Brothers statt.287 Die Dead Hand Pill von Toll Brothers beinhaltete neben den herkömmlichen Flip In- und Flip Over-Regelungen die Bestimmung, dass sie nur von den Continuing Directors zurückgenommen werden kann.288 Die Richter hielten die Dead Hand Pill aus mehreren Gründen für unzulässig: – Die Dead Hand Pill in dieser Form verstoße gegen 8 Del. C. § 141(a)289 und (d),290 da sie unterschiedliche Ränge von Directors schaffe, nämlich solche, die 281 Gemäß § 614 des New York Business Corporation Law werden Directors, soweit im Certificate of Incorporation nicht anders geregelt, durch eine einfache Mehrheit der stimmberechtigten Shareholders gewählt. 282 InvaCare Corp v. Healthdyne Technologies, Inc., 968 F. Supp. 1578 (N.C. Ga. 1997). 283 InvaCare Corp v. Healthdyne Technologies, Inc., 968 F. Supp. 1578, 1580, 1581 (N.C. Ga. 1997). 284 Siehe Georgia Business Corporation Code ss. 14 – 2-624(a), (c). 285 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180 (Del. Ch. 1998). 286 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180 (Del. Ch. 1998). 287 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180, 1182 (Del. Ch. 1998). 288 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180, 1183, 1184 (Del. Ch. 1998).

7*

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

den Shareholder Rights Plan zurücknehmen können und solche, deren Kompetenz diese Befugnis nicht umfasst. Diese Kollision mit der im General Corporation Law of Delaware statuierten generellen Geschäftsführungskompetenz des Board verletze 8 Del. C. § 141(d), da das Certificate of Incorporation von Toll Brothers keine abweichende Regelung legitimierte.291 – Des weiteren gehe aus 8 Del. C. § 141(d) hervor, dass das Recht, die Kompetenzen des Board einzuschränken und zu modifizieren, allein den Aktionären und nicht den Directors selbst obliegt. Insofern verstoße die Bestimmung, dass die Poison Pill nur von den Continuing Directors zurückgenommen werden kann, gegen das im Delaware Code statuierte Recht der Aktionäre, Directors mit den entsprechenden Kompetenzen zu wählen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Satzung keine andere Regelung enthält.292 – Schließlich verstoße die Dead Hand Pill gegen die in 8 Del. C. § 141(a) enthaltene umfassende Geschäftsführungskompetenz293 des Board of Directors.294 Der Verstoß liege darin, dass ein zukünftiges neu gewähltes Board hinsichtlich der Rücknahme der Poison Pill von der Zustimmung der Continuing Directors abhängig sei und bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen in seinen Befugnissen eingeschränkt ist.295 289 8 Del. C. § 141(a): „The business and affairs of every Corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a Board of Directors, except as may be otherwise provided in this chapter or in its Certificate of Incorporation. If any such provision is made in the Certificate of Incorporation, the powers and Duties conferred or imposed upon the Board of Directors by this chapter shall be exercised or performed to such extent and by such person or persons as shall be provided in the Certificate of Incorporation.“ 290 8 Del. C. § 141 (d) „The Directors of any Corporation organized under this chapter may, by the Certificate of Incorporation or by an initial bylaw, or by a bylaw adopted by a vote of the stockholders, be divided into 1, 2 or 3 classes; the term of office of those of the first class to expire at the annual meeting next ensuing; of the second class 1 year thereafter; of the third class 2 years thereafter; and at each annual election held after such classification and election, Directors shall be chosen for a full term, as the Case may be, to succeed those whose terms expire. The Certificate of Incorporation may confer upon holders of any class or series of stock the right to elect 1 or more Directors who shall serve for such term, and have such voting powers as shall be stated in the Certificate of Incorporation. The terms of office and voting powers of the Directors elected in the manner so provided in the Certificate of Incorporation may be greater than or less than those of any other Director or class of Directors. If the Certificate of Incorporation provides that Directors elected by the holders of a class or series of stock shall have more or less than 1 vote per Director on any matter, every reference in this chapter to a majority or other proportion of Directors shall refer to a majority or other proportion of the votes of such Directors.“ 291 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180, 1190 – 1192 (Del. Ch. 1998). 292 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180, 1191 (Del. Ch. 1998). 293 „The business and affairs of every Corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a Board of Directors, except as may be otherwise provided in this chapter or in its Certificate of Incorporation.“ 294 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180, 1191 (Del. Ch. 1998). 295 Carmody v. Toll Brothers, 723 A.2d 1180, 1191 (Del. Ch. 1998).

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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In der Begründung haben die Entscheidungen von Delaware und New York einen gemeinsamen Ansatz. Beide fordern, dass eine Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis bei neu gewählten Directors durch die Satzung legitimiert sein muss. Hier wird eine Tendenz sichtbar, dass die Gerichte dem Board of Directors keine willkürlichen, allein die eigene Machtposition begünstigenden, Abwehrmaßnahmen in Form von Dead Hand Poison Pills zubilligen.

f) No Hand Pills Nach der „No Hand“ Pill, einer Variante der Dead Hand Poison Pill, kann der Shareholders Rights Plan für einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise sechs Monate, weder vom implementierenden Board, noch von Continuing Directors oder von einem aus einem Proxy Contest resultierenden Board aus Mitgliedern des Bieters zurückgenommen werden.296 Zwar setzen No Hand Pills einerseits noch strengere Maßstäbe als die klassischen Dead Hand Pills, da sie überhaupt nicht zurückgenommen werden können. In anderer Hinsicht sind sie als abgeschwächte Dead Hand Pill zu verstehen, da sie nur für einen begrenzten Zeitraum gelten. Eine No Hand Poison Pill war Gegenstand der Quickturn-Entscheidung des Delaware Supreme Court297 aus dem Jahre 1998. Die Bietergesellschaft Mentor Graphics Corporation unterbreitete den Aktionären der Zielgesellschaft Quickturn Design Systems ein Übernahmeangebot und strengte gleichzeitig einen Proxy Contest an, um das Board von Quickturn zu ersetzen.298 Daraufhin ergriff das Board von Quickturn zwei Abwehrmaßnahmen. Neben einer Änderung der Bylaws ersetzte es die ohnehin bereits bestehende Dead Hand Pill durch eine No Hand Pill. Danach konnte ein neu gewähltes Board die Poison Pill für einen Zeitraum von sechs Monaten, beginnend mit Amtsantritt, nicht zurücknehmen. Diese Sperre galt insbesondere für den Fall, dass das Ziel oder die Wirkung der Rücknahme die Erleichterung einer Transaktion mit einer „Interested Person“ ist. Eine „Interested Person“ ist derjenige, der die Neubesetzung des Board mit seiner Abstimmung deckt, also in diesem konkreten Falle Mentor. Der Delaware Chancery Court erklärte in dem dieser Entscheidung des Supreme Court vorausgegangenen erstinstanzlichen Rechtsstreit299 die No Hand Pill für unwirksam, da sie unverhältnismäßig hinsichtlich der bestehenden Bedrohung war, weil sie eine ungerechtfertigte zusätzliche Verzögerung bewirke.300 Dem schloss sich der Supreme Court an. Er bestätigte eine fundamentale Verletzung des Delaware Corporation Law. Eine Einschränkung der dem Board nach 8 Del. C. § 141(a) 296 297 298 299 300

Xueqing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 225. Quickturn Design Sys., Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281 (Del. 1998). Quickturn Design Sys., Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1285 – 87 (Del. 1998). Mentor Graphics v. Quickturn Design Sys., 728 A.2d 25 (Del. Ch. 1998). Mentor Graphics v. Quickturn Design Sys., 728 A.2d 25, 36 (Del. Ch. 1998).

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

umfassend zustehenden Geschäftsführungskompetenz sei nur bei gleichzeitiger Rechtfertigung dieser Einschränkung durch eine entsprechende Satzungsbestimmung möglich.301 Schließlich lag nach Ansicht der Richter in dem Rücknahmeverbot eine Verletzung der Treuepflichten des Board. Dieses müsse bei einem Kampf um die Kontrolle der Zielgesellschaft für oder gegen die Durchführung der Transaktion entscheiden können.302 Es dürfe nicht sein, dass ein neu gewähltes Board aufgrund einer No Hand Pill gezwungen werde, seine gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären bestehenden Pflichten zu verletzen.303

g) Ergebnis der Zulässigkeit von Dead Hand und No Hand Poison Pills Unzulässig sind daher alle No Hand Poison Pills, unabhängig davon für welchen Zeitraum sie gelten. Demnach wäre auch eine No Hand Pill unwirksam, die die Rücknahme auch nur für einen Tag unmöglich machen würde.304 Aus den Entscheidungen der Gerichte von Delaware ist die Unwirksamkeit sämtlicher Dead Hand Pills, ungeachtet ihrer konkreten Ausformung als reine Dead Hand Pill oder als No Hand Pill zu schließen.305 Denn alle Dead Hand Pills haben gemeinsam, dass sie ein neu gewähltes Board gegenüber dem Board, das die Dead Hand Pill implementiert hat, diskriminieren und es in seinen Kompetenzen und Pflichten gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären beschneiden.

h) Back End Plans Back End oder auch Put Plans genannte Maßnahmen geben den Aktionären der Zielgesellschaft eine Option zum Verkauf ihrer Anteile an die Zielgesellschaft zu einem vorher bestimmten oder nach einer Formel zu berechnenden Preis.306 Beispielsweise kann in den Put Plans festgelegt werden, dass die Zielgesellschaft für den Rückkauf den höchsten Preis zahlen muss, den der Bieter für seine Beteiligung zu zahlen bereit war.307 Voraussetzung für das Inkrafttreten dieser Verkaufsrechte ist auch hier ein bestimmter Mehrheitserwerb.308 Die Verkaufsoption verhindert für die Aktionäre den Nachteil der zweiten Stufe eines Two-tier Tender Offers.309

301 302 303 304 305 306 307 308 309

Quickturn Design Sys., Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1291 (Del. 1998). Quickturn Design Sys., Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1292 (Del. 1998). Quickturn Design Sys., Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1292 (Del. 1998). Xuequing 44 St. Louis U. L. J. (2000) 223, 254. Lipin, Wall St. J., Jan. 4, 1999, at A 18. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 276. Merkt, Rn. 1138. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 276. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 276.

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

103

2. Die gestaffelte Board-Mitgliedschaft – Staggered Board Eine weitere präventive Abwehrmaßnahme gegen feindliche Übernahmeangebote ist die Staffelung der Board-Mitgliedschaft („Staggered Board“). Bei einem Staggered Board wird jährlich nur eine Minderheit der Directors neu gewählt,310 so dass es mehrere Jahre dauert, bis sämtliche derzeit amtierende Directors ersetzt sind. Hinter dieser Strategie steht der Gedanke, dass ein Bieter nach einem Mehrheitserwerb nicht unmittelbar die Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben kann, da die amtierenden Directors für eine bestimmte Zeit ihr Amt fortführen müssen.311 Durch ein Staggered Board beugt eine Gesellschaft auch zugleich einem Proxy Contest vor, der strategisch einem Übernahmeangebot vorausgehen kann, etwa um eine Poison Pill zurückzunehmen, der aber auch mit einem Übernahmeangebot einhergehen kann.312 Die Möglichkeit, die Amtszeiten der Directors in einem Staggered Board zu staffeln, ist im Corporation Law von Delaware ausdrücklich in 8 Del. C. § 141(d) erläutert und daher zulässig. Des weiteren enthält das Corporation Law von Delaware in 8 Del. C. § 141(k), dass die Directors eines Staggered Board nicht schon durch Stimmenmehrheit der Aktionäre, sondern nur in begründeten Fällen abberufen werden können. In der Praxis ist die Strategie eines Staggered Board allerdings nicht besonders wirkungsvoll, da sich die Board-Mitglieder nach einer Übernahme oft durch umfangreiche Abfindungen freiwillig zum Rücktritt bewegen lassen.313

3. Ausschluss kumulativer Stimmrechte – Cumulative voting Rights Das Gesellschaftsrecht der meisten Einzelstaaten lässt so genannte kumulative Stimmrechte („Cumulative Voting Rights“) zu. Sie dienen Minderheitsaktionären dazu, einen von ihnen favorisierten Director wählen zu können, obwohl sie nicht die eigentlich erforderliche Mehrheit an Stimmen haben. Kumulative Stimmrechte erfordern eine Statuierung in der Satzung oder in den Bylaws.314 Bestehen diese Stimmrechte, fällt es einem Bieter leichter, eigene Directors in das Board zu wählen, obwohl er keine Stimmenmehrheit hat. Umgekehrt erschwert das Nichtbestehen kumulativer Stimmrechte das Vorhaben eines Übernahmeinteressenten, Sitze Merkt, Rn. 1128. Block / Hoff / Cochran 51 Miami L. Rev. (1997) 623, 635; Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 271. 312 Block / Hoff / Cochran 51 Miami L. Rev. (1997) 623, 635; Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 271. 313 Merkt, Rn. 1128. 314 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 272. 310 311

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

im Board zu erlangen.315 Daher dient ihr zulässiger Ausschluss der Abwehr von Übernahmen. 4. Die Verpflichtung der Aktionäre, eine beabsichtigte Beschlussfassung über die Wahl von Directors im Rahmen einer Aktionärsversammlung vorzeitig mitzuteilen In die Bylaws kann ein Erfordernis aufgenommen werden, das die Aktionäre verpflichtet, im Rahmen einer Aktionärsversammlung beabsichtigte Beschlussfassungen, etwa die Wahl von Directors, vorzeitig mitzuteilen.316 Die Gerichte gewähren dem Board der Zielgesellschaft bei der Aufnahme einer solchen Verpflichtung weites Ermessen.317 Die Directors müssen lediglich sicherstellen, dass die Abstimmung innerhalb einer begrenzten und relativ kurzen Frist stattfindet318 und den Aktionären das grundsätzliche Abstimmungsrecht erhalten bleibt.319 Nicht unterlaufen werden darf allerdings das Beschlussrecht der Aktionäre bei ordentlichen Versammlungen seinem Inhalt nach, nachdem von den Aktionären bereits ein bestimmtes Beschlussvorhaben dem Board mitgeteilt wurde. Der Entscheidung Blasius Industries v. Atlas Corp.320 lag der Sachverhalt zugrunde, dass Blasius als Mehrheitsaktionär in einer Aktionärsversammlung das bisher siebenköpfige Board um acht weitere von sich vorgeschlagene Directors erweitern wollte, um im Board die Mehrheit zu besitzen und in der Folge einen Rekapitalisierungsplan durchzusetzen, wonach unter anderem den Aktionären umfangreiche Dividenden ausgezahlt werden sollten. In Reaktion darauf änderte das amtierende Board von Atlas die Bylaws und nahm zwei weitere Directors in das Board auf, um somit die Kontrollübernahme im Board durch Blasius zu verhindern. Obwohl der Chancery Court annahm, dass das Board von Atlas in gutem Glauben und nach seiner Auffassung zur Verhinderung eines Schadens für die Gesellschaft gehandelt hatte, verneinte das Gericht die aufgeworfene Frage, ob das Board bestimmte Ziele dadurch verfolgen darf, indem es den Aktionären das Recht abschneidet, neue Directors zu wählen.321 Der Entscheidung lag der besondere Sachverhalt zugrunde, dass die Satzung eine Höchstzahl von 15 Directors vorsah322 und damit die Erweiterung des Board durch Neuwahl von acht weiteren

Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 272. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 272. 317 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 272. 318 Georgia-Pacific Corp. v. Great Northern Nekoosa Corp., 727 F. Supp. 31, 34 (D. Me. 1989). 319 Blasius Indus. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651 (Del. Ch. 1988). 320 Blasius Indus. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651 (Del. Ch. 1988). 321 Blasius Indus. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 658 (Del. Ch. 1988). 322 Siehe Blasius Indus. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 658 (Del. Ch. 1988). 315 316

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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Directors auf diese Anzahl legitimierte. Die Aufnahme zwei weiterer Directors durch das Board von Blasius zur Abwehr eines Kontrollwechsels im Board stellte einen Verstoß gegen das Rechtsverhältnis zwischen Directors und Aktionären dar.323 Zwar führten die Richter aus, dass die Unterbindung der Effektivität von Aktionärsbeschlüssen nicht per se unwirksam ist, doch lagen diesem Fall keine Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise Zulässigkeit zugrunde. Insbesondere hatte das Board von Atlas Zeit, die Aktionäre von ihrer Auffassung, dass die von Blasius angestrebte Rekapitalisierung nicht im Interesse der Gesellschaft lag, zu informieren.324 Grundsätzlich zulässig sind hingegen Bylaw-Regelungen, nach denen die Möglichkeit der Aktionäre, außerordentliche Versammlungen einzuberufen, inhaltlich eingeschränkt werden.325 In Delaware können außerordentliche Aktionärsversammlungen nur von Personen einberufen werden, die durch Satzungs- oder Bylaw-Regelungen dazu autorisiert sind.326 Dementsprechend enthalten die Charters und Bylaws vieler in Delaware inkorporierter Gesellschaften keine Autorisierungsvorschriften.327 Außerdem können Satzungsbeschränkungen außerordentliche Aktionärsversammlungen für die Wahl von Directors untersagen sowie das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für die Einberufung einer außerordentlichen Aktionärsversammlungen erheben.328

5. Fair Price Provisions Fair Price Provisions sind Regelungen, die den Bieter dazu verpflichten, den Aktionären der Zielgesellschaft den höchsten Preis zu zahlen, den er je für Aktien im Rahmen eines Two-tier Offers der Zielgesellschaft gezahlt hat.329 Dementsprechend sollen Fair Price Provisions verhindern, dass die Aktionäre durch ein niedrigeres Angebot im „Second Tier“ eines Two-tier Tender Offer dazu gedrängt werden, sofort ihre Aktien anzubieten.330 Diese Regelung greift dann nicht ein, wenn eine qualifizierte Mehrheit des Board oder der Aktionäre der Zielgesellschaft die Akquisition oder gegebenenfalls den Merger befürwortet.331

323 324 325 326 327 328 329 330 331

Blasius Indus. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 652 (Del. Ch. 1988). Blasius Indus. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 663 (Del. Ch. 1988). Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 273. Brown 1158 PLI / Corp (1999) 87, 91. Brown 1158 PLI / Corp (1999) 87, 91. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 273. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274.

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

6. Qualifizierte Stimmerfordernisse – Supermajority Provisions Qualifizierte Stimmerfordernisse („Supermajority Provisions“) sind Regelungen, wonach für eine Akquisition, einen Merger oder die Änderung von Abwehrmaßnahmen in der Satzung oder in den Bylaws die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit erforderlich ist.332 Begleitet werden solche Regelungen meistens von dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit, um sie selbst wieder zu ändern.333 Ein Variante des qualifizierten Stimmerfordernisses ist, dass eine Mehrheit der Minderheit der Aktionäre einem Merger zustimmen muss. Will beispielsweise ein Mehrheitsgesellschafter, der über 50% der Anteile hält, einen Merger beschließen, braucht er die Zustimmung der Mehrheit der verbleibenden Minderheitsgesellschafter.334

7. Erweiterte Stimmrechte – Super-Voting Stock Plans Eine weitere präventive Abwehrmaßnahme ist die Ausgabe von erweiterten Stimmrechten („Super Voting Rights“), durch die alle gegenwärtigen Aktionäre anstatt lediglich einer Stimme nun mehrere335 haben.336 Wenn die Aktien vor Ablauf einer bestimmten Zeit337 veräußert werden, fallen diesen automatisch wieder nur eine Stimme zu.338 Super-Voting Plans erfordern die Zustimmung der Aktionäre, da sie in die Articles of Incorporation aufgenommen werden müssen.339

8. Goldene Fallschirme – Golden Parachutes Goldene Fallschirme („Golden Parachutes“) sind vertragliche Regelungen in den Anstellungsverträgen des Spitzenmanagements, aufgrund derer im Falle des Verlusts ihrer Stellung durch eine erfolgreiche Übernahme horrende Abfindungen und Zusatzleistungen gezahlt werden.340 Der Begriff „Golden Parachutes“ illustriert, dass bei Amtsende nach einem Kontrollwechsel das Spitzenmanagement keinen finanziellen Absturz erleidet, sondern „weich landet“.341 Golden ParaBlock / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. 334 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 274. 335 Siehe z. B. Williams v. Geier, 671 A.2d 1368 (Del. 1996), wo nach dem Super Voting Stock Plan zehn Stimmen auf jede Aktie fielen. 336 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 289. 337 In Williams v. Geier, 671 A.2d 1368 (Del. 1996) betrug dieser Zeitraum drei Jahre. 338 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 289. 339 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 289. 340 Serota SE92 ALI-ABA (2000) 145, 148; Merkt, Rn. 1142. 341 Serota SE92 ALI-ABA (2000) 145, 148. 332 333

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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chutes-Regelungen entwickelten sich durch die stark anwachsende Anzahl feindlicher Übernahmen in den achtziger Jahren, welche die Befürchtung des Managements hervorriefen, dass Gehälter und Lohnnebenleistungen bei der Ersetzung der Directors nach einer feindlichen Übernahme nicht gezahlt würden.342 Golden Parachutes können beispielsweise das garantierte Fortlaufen der Anstellungsverträge des Spitzenmanagements für den Fall einer Übernahme vorsehen.343 Klauseln, die nicht nur dem Spitzenmanagement, sondern auch einer großen Zahl der Arbeitnehmer hohe Abfindungen garantieren, werden als Blecherne Fallschirme („Tin Parachutes“) bezeichnet.344 Golden Parachutes und Tin Parachutes zwingen den Bieter nach einer Übernahme zu finanziellen Aufwendungen, wenn er das Management ersetzen und Arbeitsplätze abschaffen will. Da dies in der Folge einer Übernahme oft geplant ist, können Golden und Tin Parachutes auf einen Bieter abschreckende Wirkung haben.

9. E.S.O.P. (Employee Stock Ownership Plan) Eine Gesellschaft kann sich vor feindlichen Übernahmen auch durch Employee Stock Ownership Plans („ESOPs“) schützen. Es werden Stammaktien einem ESOP zugewiesen. Die Teilnehmer an einem ESOP sind in erster Linie die Angestellten. ESOPs unterliegen dem „Employee Retirement Income Security Act of 1974“ („ERISA“) und dienen insofern als Abwehrmechanismus, als mit den vom ESOP umfassten Aktien regelmäßig im Interesse des Managements gehandelt oder mit ihnen im Interesse des Management gestimmt wird.345 Nach dem ERISA ernennt das Board für den ESOP einen Treuhänder, der verpflichtet ist, im Interesse der Teilnehmer des ESOP zu handeln.346 Da vermutet wird, dass eine Übernahme negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben wird, werden die Stimmrechte aus einem ESOP meist gegen feindliche Übernahmeangebote eingesetzt.347

342 Serota SE92 ALI-ABA (2000) 145, 147; Zu den Einzelheiten und zur Ausgestaltung von Golden Parachutes s. Serota SE92 ALI-ABA (2000) 145. 343 Merkt, Rn. 1142. 344 Merkt, Rn. 1143. 345 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 292. 346 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 292. 347 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 293; Zu weiteren Einzelheiten siehe Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 290 – 299.

108

Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

II. Post-Offer-Strategies – Abwehrmaßnahmen nach Vorliegen eines konkreten Übernahmeangebots 1. White Knight – Weißer Ritter Von einem White Knight spricht man, wenn bei einem Übernahmeangebot eine dritte, meist dem Board der Zielgesellschaft freundlich gesinnte Gesellschaft, der Zielgesellschaft ein zu dem ursprünglichen Übernahmeangebot konkurrierendes, also besseres Angebot unterbreitet.348 In dieser Situation geht es bei der Abwehr des ursprünglichen Angebots nicht darum, die rechtliche Unabhängigkeit zu bewahren, sondern bei einem Verkauf den höchstmöglichen Preis im Interesse der Aktionäre zu erlangen.349 Dementsprechend finden die Revlon-Duties Anwendung.350 Die Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots durch den Verkauf der Kontrollmehrheit an einen Weißen Ritter ist zulässig, da daraus für die Aktionäre ein höherer Angebotspreis resultiert. Wie bereits gezeigt,351 kann das Board bezüglich des ursprünglichen Übernahmeangebots eine Poison Pill aufrechterhalten, die sie im Rahmen der gewollten Transaktion mit dem Weißen Ritter zurücknimmt.352

2. White Squire – Weißer Junker Ein Weißer Junker („White Squire“) ist eine der Zielgesellschaft freundlich gesinnte Gesellschaft, bei der eine bestimmte Prozentzahl von stimmberechtigten Anteilen platziert wird.353 Seit der Entscheidung Shamrock Holdings, Inc., v. Polaroid Corp.354 ist die Abwehrmaßnahme durch Platzierung von Aktien bei einem Weißen Junker generell als zulässig anzusehen, wenn sie vernünftig hinsichtlich der drohenden Gefahr für den Shareholder Value durch ein feindliches Übernahmeangebot ist.355 In Kalifornien bestätigte ein Gericht die Wirksamkeit der unmittelbaren Platzierung neu geschaffener Stammaktien bei einem Weißen Junker.356 In Reaktion auf 348 Block / Hoff / Cochran 51 U. Miami L. Rev. (1997) 623, 640; Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 303; Rifkind 78 B. U. L. Rev. (1998) 105, 111; Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 889. 349 Block / Hoff / Cochran 51 U. Miami L. Rev. (1997) 623, 640. 350 Block / Hoff / Cochran 51 U. Miami L. Rev. (1997) 623, 640; Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 279. 351 Siehe oben unter G. I. 1. b) (2). 352 CRTF Corp. v. Federated Deüart,emt Stpres. Omc-. 68 F. Supp. 422 (S.D.N.Y. 1988). 353 Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 889. 354 Holdings, Inc., v. Polaroid Corp., 559 A.2d 278 (Del. Ch. 1989). 355 Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 291. 356 Carter Hawley Hale Stores, Inc., v. The Limited, Inc., 587 F. Supp. 246 (C.D. Cal. 1984).

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

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ein Übernahmeangebot der Bietergesellschaft The Limited, das sich auf über die Hälfte der außenstehenden Aktien bezog, platzierte die Zielgesellschaft Carter Hawley Hale Stores Aktien, die 22% der Stimmrechte ausmachten, bei General Cinema als Weißem Junker. Zusätzlich verpflichtete sich General Cinema, ihre Stimmrechte auf Empfehlung von Carter Hawley Hale Stores auszuüben. Dadurch wurden die bei General Cinema platzierten Aktien dem Erwerb des Bieters entzogen und zusätzlich wurde die Stimmrechtsausübung dieser Aktien nach dem Willen von Carter Hawley Hale Stores gesichert. Die Richter erklärten diese Abwehrstrategie als wirksam, da das Board von Carter die Unangemessenheit des Übernahmeangebots nachwies und demnach durch dessen Abwehr im besten Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre handelte.

3. Defensive Acquisitions – Anti Trust Defence Die Zielgesellschaft kann zur Abwehr eines Übernahmeangebots eine Gesellschaft akquirieren, die mit der Bietergesellschaft in unmittelbarem Wettbewerb steht. Dies kann für den Fall einer erfolgreichen Übernahme zu kartellrechtlichen Problemen für die Bietergesellschaft führen. Eine solche Maßnahme ist in der Praxis allerdings kaum geeignet, eine Übernahme zu verhindern. Denn die hinzuerworbene Gesellschaft kann nach der Übernahme wieder verkauft oder zerschlagen und die kartellrechtlichen Probleme insofern wieder aufgelöst werden. 4. Der Rückerwerb eigener Aktien – Share Repurchase / Self Tender Offer Die Zielgesellschaft kann eigene Aktien zurückerwerben, um ein Übernahmeangebot abzuwehren. Dadurch werden dem Bieter verkaufswillige Aktionäre der Zielgesellschaft entzogen und er kann kein Aktienpaket in relevantem Umfange erwerben. Für einen Rückerwerb durch die Zielgesellschaft ist allerdings die Zustimmung der Aktionäre der Zielgesellschaft mit einfacher Mehrheit erforderlich.357 Behält die Zielgesellschaft die erworbenen Aktien in eigenem Besitz, kann sie den Kontrollerwerb der Bietergesellschaft nicht erschweren, weil Anteile im Besitz der Gesellschaft wie im deutschen Recht358 kein Stimmrecht haben.359 Deshalb bietet es sich an, die erworbenen Aktien an eine befreundete Gesellschaft weiter zu veräußern, die ihrerseits von dem Übernahmeangebot keinen Gebrauch machen und im Sinne des Board der Zielgesellschaft handeln wird. Neben dem Kauf über die Börse und dem Erwerb eines Aktienpakets von einem Großaktionär kann 357 358 359

Merkt, Rn. 1158. Siehe § 71 b AktG. 8 Del. C. § 160 (c).

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Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

die Zielgesellschaft auch selbst ein Übernahmeangebot zum Erwerb eigener Aktien („Self Tender Offer“) unterbreiten. Aktienrückkäufe verringern das verfügbare Kapital der Gesellschaft, können unter Umständen zu einer Verschuldung führen und nehmen dem Bieter damit möglicherweise den Anreiz für eine Übernahme. Die Verringerung des Vermögens der Zielgesellschaft dient insbesondere der Abwehr fremdfinanzierter Übernahmen (LBO), da es der Bietergesellschaft nach der Übernahme nicht möglich ist, diese mit dem Kapital der Zielgesellschaft zu refinanzieren.360 5. Greenmail Beim Greenmailing bietet ein Aktionär einer Gesellschaft dieser seine Anteile zu einem überhöhten Preis zum Rückkauf an. Indem er droht, ein Übernahmeangebot zu unterbreiten, wenn die Zielgesellschaft auf sein Angebot nicht eingeht, kann er sie in eine Zwangssituation versetzen. Der Begriff Greenmail kommt von dem Wort „Blackmail“ (Erpressung) und dem grünen Farbton der US-amerikanischen Dollarnoten.361 Wenn der „Greenmailer“ tatsächlich ein Übernahmeangebot in Betracht zieht, kann die Zielgesellschaft durch den Rückkauf dieser Aktien das bevorstehende Angebot abwehren. Die Zulässigkeit von Greenmailing ist umstritten.362 Da ein Rückkauf eigener Aktien zu einem überhöhten Preis negative finanzielle Auswirkungen für die Zielgesellschaft hat, haben einige Gesellschaften in ihre Satzung Anti-Greenmail-Regelungen aufgenommen, die den Rückkauf zur Abwehr eines angeblichen Übernahmevorhabens nur mit Zustimmung der Aktionäre zulassen.363 Ob das Board der Zielgesellschaft auf ein Greenmailing eingeht, gleicht einem Pokerspiel, weil nicht feststeht, ob der Greenmailer in dem Falle, dass die Zielgesellschaft nicht auf das Angebot eingeht, tatsächlich ein Übernahmeangebot unterbreitet. Wenn die Zielgesellschaft auf das Greenmailing eingeht, geschieht dies oft nur unter der Bedingung des Abschlusses eines Standstill Agreements („Stillhalteabkommen“), das garantiert, dass in der Folge nicht trotzdem ein Übernahmeangebot folgt. Ein Stillhalteabkommen ist eine Vereinbarung zwischen zwei Gesellschaften, in denen sich eine oder beide Parteien dazu verpflichten, für einen bestimmten Zeitraum von einer Übernahme abzusehen.364 Stillhalteabkommen werden regelmäßig über einen Zeitraum zwischen 3 und 10 Jahren abgeschlossen.365 360 361 362 363 364 365

Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000), 799, 891. Merkt, Rn. 1153. Siehe dazu Merkt, Rn. 1129, Fn. 440. Merkt, Rn. 1129. Merkt, Rn. 1153. Wagner, Standstill Agreements, S. 19.

G. Einzelne Abwehrmaßnahmen

111

6. Corporate Restructuring – Spin Offs und Split Offs Zur Abwehr feindlicher Übernahmeangebote eignen sich Restrukturierungsmaßnahmen in Form von Spin Offs oder Split Offs. Bei Spin Offs gründet die Gesellschaft eine Tochtergesellschaft, der sie wichtige Vermögensteile („Crown Jewels“) überträgt. Die für die Einlage empfangenen Aktien schüttet die Zielgesellschaft in Form einer Dividende an die Aktionäre aus.366 Auch beim Split Off werden Crown Jewels auf eine neu gegründete Tochter übertragen. Hier werden die aus der Einlage resultierenden Aktien an der neugegründeten Gesellschaft jedoch an nur einen Teil der Aktionäre der Zielgesellschaft ausgegeben und dies nur im Tausch gegen Aktien der Zielgesellschaft.367 Bei einem Split Off wird durch die Übertragung des Vermögens dem Bieter möglicherweise ein wichtiger Anreiz für die Übernahme genommen und zugleich kann die Zielgesellschaft im Tausch gegen Aktien der neu gegründeten Gesellschaft eigene Aktien zurückerwerben.

7. Die Unterbreitung eines Gegenangebots – Pac-Man-Defense Das Board der Zielgesellschaft kann ein Übernahmeangebot auch dadurch abwehren, indem es den Aktionären der Bietergesellschaft seinerseits ein Übernahmeangebot unterbreitet. Dann besteht ein Wettbewerb zwischen beiden Gesellschaften über den Erfolg ihrer Angebote. Diese sogenannte Pac-Man-Defense wurde nach dem Videospiel Pac-Man benannt, bei dem es darum geht, den Gegner zu fressen oder selbst gefressen zu werden.368 Die Zielgesellschaft kann das Übernahmeangebot mit der Pac-Man-Defense abwehren, wenn sie ihr Angebot an die ursprüngliche Bietergesellschaft schneller als diese durchführen kann.369 Die Praktikabilität der Pac-Man-Defense erscheint gering, denn die sorgfältige Vorbereitung der Angebotsunterlagen nimmt einen erheblichen Zeitrahmen in Anspruch, so dass es der Zielgesellschaft schwer fallen dürfte, mit dieser Strategie auf ein Übernahmeangebot zu reagieren. Eine weitere Grenze findet diese Abwehrmaßnahme in der Finanzkraft der Zielgesellschaft.370 Deshalb verwundert es nicht, dass in den USA – soweit ersichtlich – bisher nur ein Sachverhalt bekannt ist, bei dem es um eine Pac-Man-Defense ging.371

366 367 368 369 370 371

Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 299, 300. Merkt, Rn. 957. Merkt, Rn. 1159. Merkt, Rn. 1159. Michalski, AG 1997, 152, 161. Siehe Martin-Marietta Corp. V. Bendix Corp., 650 F.2d 558 (6th Cir. 1982).

112

Teil III: Verhaltensweise des Board of Directors in den USA

H. Zusammenfassung Nach dem Recht von Delaware trifft das Board of Directors der Zielgesellschaft die Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots. Die Entscheidung ist dadurch geprägt, ob das Übernahmeangebot den Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre entspricht. Die maßgeblichen Kriterien, nach denen die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen von den Gerichten beurteilt wird, sind die Angemessenheit des Angebotspreises und die Vereinbarkeit der Auswirkungen einer Übernahme mit der vom Board der Zielgesellschaft verfolgten Geschäftsstrategie. Wenn der Angebotspreis wegen einer Unterbewertung der Aktien der Zielgesellschaft an den Kapitalmärkten nicht dem tatsächlichen Wert entspricht, ist das Board zum Ergreifen von Abwehrmaßnahmen befugt. Auch die Abwehr von Übernahmeangeboten, deren Erfolg der Geschäftspolitik der Zielgesellschaft zuwiderliefe, ist zulässig, es sei denn, es sprechen keine vernünftigen Gründe für die Abwehr. Abwehrmaßnahmen können selbst dann zulässig sein, wenn die Aktionäre das Angebot mehrheitlich annehmen wollen. Dies verdeutlicht, dass ein kurzfristiges Profitinteresse der Aktionäre keine Berücksichtigung findet. Die Entscheidung über Befürwortung oder Ablehnung eines Übernahmeangebots richtet sich vielmehr nach den langfristigen Erfolgsaussichten für die Gesellschaft und damit mittelbar auch für die Aktionäre. Dem Umstand, dass Entscheidungen über die Abwehr von Übernahmeangeboten überwiegend anhand wirtschaftlicher Erwägungen getroffen werden, begegnen die Gerichte mit umfangreichen und ausgeprägten Prüfungsmaßstäben. Insbesondere die gleichzeitige Berücksichtigung der unternehmerischen Leitungsentscheidungen und die Beachtung der dem Board den Aktionären und der Gesellschaft gegenüber obliegenden Treuepflichten ist überzeugend. Dadurch, dass die Entscheidung des Board auf zahlreichen, fest bestimmten Erwägungsgründen beruhen muss, wird sie transparent und ist deshalb einer rechtlichen Überprüfung zugänglich, obwohl die Entscheidungsgründe wirtschaftlicher Natur sind. Sehr hilfreich ist hierbei, dass die Beweislast für den Nachweis der Beachtung der einzelnen Prüfungskriterien nach dem Unocal-Test dem Board obliegt. Sinnvoll ist, dass der Nachweis einer rechtmäßigen Abwehrmaßnahme durch die Einholung eines sachverständigen Rates von Investmentbanken erleichtert werden kann. Einleuchtend ist auch, dass die Directors zur Rechtfertigung von Abwehrmaßnahmen nicht nur das Bestehen vernünftiger Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität darlegen, sondern auch nachweisen müssen, dass die ergriffenen Abwehrmaßnahmen zur bestandenen Bedrohung verhältnismäßig waren. Gelingt es den Directors im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, die von ihnen geforderten Nachweise zu erbringen, kommt die Business Judgment Rule zur Anwendung. Anhand dieser wird die Einhaltung der dem Board obliegenden Treuepflichten überprüft. Die Beweislast einer Pflichtverletzung trägt nun aber

H. Zusammenfassung

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nicht mehr das Board, sondern der Kläger. Überprüft wird im Rahmen der Einhaltung der Duty of Loyalty insbesondere, ob bei einem oder mehreren Directors ein Interessenkonflikt vorlag, das heißt ob aus einem finanziellen Eigeninteresse gehandelt wurde. Auch hier haben die Gerichte ausgefeilte Kriterien entwickelt, nach denen beurteilt wird, ob ein Interessenkonflikt besteht. Wenn dem Board ein erheblicher Interessenkonflikt nachgewiesen werden kann, muss es beweisen, dass es gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären umfassend fair gehandelt hat. Die Mittel, die dem Board of Directors zur Abwehr eines Übernahmeangebots zur verfügen stehen, sind äußerst umfangreich. Durch die wirkungsvollste Abwehrmaßnahme in Form der als Poison Pills bezeichneten Shareholder Rights Plans wird der Bieter quasi dazu gezwungen, vor einer Übernahme mit dem Board der Zielgesellschaft in Verhandlungen zu treten. Diese Machtposition, die das US-amerikanische Übernahmerecht dem Board der Zielgesellschaft dadurch einräumt, erscheint auf den ersten Blick aktionärsfeindlich, weil daraus durch ein Scheitern der Verhandlungen wegen unterschiedlicher Vorstellungen über den Angebotspreis das Nichtzustandekommen der Übernahme folgen könnte. Tatsächlich trägt dieser Verhandlungszwang jedoch dazu bei, dass ein höherer Angebotspreis zugunsten der verkaufswilligen Aktionäre erzielt werden kann. Diese Folgewirkung der Poison Pills vermag zumindest teilweise die insgesamt zu gravierend erscheinende Tragweite dieser Abwehrmaßnahme zu rechtfertigen.

8 Hens

Teil IV

Die Zulässigkeit der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote durch den Vorstand der Zielgesellschaft in Deutschland nach Art. 19 ÜK und nach dem Aktiengesetz A. Die Verhaltensweise des Vorstands nach dem Übernahmekodex In Deutschland waren auch vor dem Inkrafttreten des WpÜG die speziellen Regelungen von Übernahmeverfahren und der Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht nicht getrennt, sondern zusammengefasst im Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission enthalten. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass die Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bis auf eine einzige Ausnahme1 in Deutschland nie Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung war. Der Übernahmekodex enthielt in den Art. 2, 3, 18, 19 ÜK spezielle Verhaltenspflichten für den Vorstand der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten. Nach Art. 2 ÜK hatten Bieter- und Zielgesellschaft alle Inhaber von Wertpapieren, die Ziel des öffentlichen Angebots sind, mit den gleichen Informationen zu versorgen, die zur Beurteilung des Angebots von Bedeutung sind. Die Informationen mussten den Sachverhalt korrekt und angemessen wiedergeben. „Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft hinreichende Informationen zu geben, um eine sachgerechte und rechtzeitige Entscheidung über die Vor- und Nachteile des Übernahmeangebots treffen zu können. Die Informationen müssen korrekt und verständlich sein. Der Sachverhalt soll mit der notwendigen Ausführlichkeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wesentlichkeit dargestellt werden. Insbesondere die Informationen hinsichtlich des zukünftigen Mehrheitsaktionärs stellen ein wichtiges Element des präventiven Minderheitenschutzes dar, da insofern die künftige Minderheitsposition mit ihren Auswirkungen schon ex ante transparent wird.“2

1 LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 12. 1999 – 10 O 495 / 99 Q – in: AG 2000, 233, siehe im Einzelnen dazu Teil V., A. II. 2. a) (1). 2 Übernahmekommission, S. 12.

A. Die Verhaltensweise des Vorstands nach dem Übernahmekodex

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Die Pflichten des Art. 2 ÜK wurden in Art. 18 ÜK konkretisiert. Die Zielgesellschaft hatte unverzüglich, spätestens jedoch zwei Wochen nach Veröffentlichung des Angebots, eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot zu veröffentlichen. Die Übernahmekommission hatte zu Art. 18 ÜK angemerkt, dass Werturteile des Vorstands der Zielgesellschaft, wie beispielsweise eine Empfehlung an die Aktionäre, durchaus mit der Vorschrift vereinbar seien, wenn sie auf einer fundierten Tatsachenbasis beruhen und dies den Interessen der Aktionäre entspricht.3 Insofern konnte die Stellungnahme dem Vorstand dazu dienen, die Aktionäre in seinem Interesse dahingehend zu beeinflussen, das Übernahmeangebot nicht anzunehmen. Die zentrale Vorschrift für die Verhaltensweise des Vorstands während eines Übernahmeangebots in Bezug auf Abwehrmaßnahmen war Art. 19 ÜK: „Art. 19 ÜK Das Verwaltungs- oder Leitungsorgan der Zielgesellschaft einschließlich der Verwaltungsoder Leitungsorgane der mit der Zielgesellschaft verbundenen Unternehmen darf nach Bekanntgabe eines öffentlichen Angebots bis zur Offenlegung des Ergebnisses des Angebots keine Maßnahmen ergreifen, die dem Interesse der Wertpapierinhaber, von dem Angebot Gebrauch zu machen, zuwiderlaufen. Hierzu können u. a. zählen: Beschlüsse über  die Ausgabe neuer Wertpapiere,  die Änderung des Aktiv- oder Passivbestandes der Zielgesellschaft in erheblichem Umfang sowie  den Abschluss von Verträgen, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes liegen. Dies gilt nicht bei laufenden Kapitalmaßnahmen und bei der Erfüllung von Verträgen, die vor der Bekanntgabe eines öffentlichen Angebots von der Zielgesellschaft geschlossen wurden, oder einer ausdrücklichen Genehmigung der Hauptversammlung für diese Maßnahmen im Falle eines öffentlichen Angebots.“4

Dieser Regelung lag das Prinzip zugrunde, dass die Interessen der Wertpapierinhaber, von dem Angebot Gebrauch zu machen, Vorrang haben.5 Die Verwaltung der Zielgesellschaft hatte gegenüber den Wertpapierinhabern eine Neutralitätspflicht. Weisner ist der Ansicht, dass nach Art. 19 ÜK auch Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung zulässig waren, die den Vorstand im Vorfeld eines Übernahmeangebots zu Abwehrmaßnahmen gegen zukünftige Übernahmeangebote ermächtigen.6 Dieser Auffassung widerspricht der Wortlaut des Art. 19 ÜK. Die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen erforderte die ausdrückliche7 Genehmigung der Übernahmekommission, S. 28. Dieser Katalog des Art. 19 ÜK ist nicht abschließend, siehe Übernahmekommission, S. 29. 5 Übernahmekommission, S. 28. 6 Weisner, ZRP 2000, 520, 523. 7 Hervorh. d. Verf. 3 4

8*

116

Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

Hauptversammlung im Falle eines Übernahmeangebots.8 Gemeint war damit, dass bei Vorliegen eines Übernahmeangebots die konkreten vom Vorstand zu ergreifenden Abwehrmaßnahmen im Einzelnen von der Hauptversammlung genehmigt werden müssen. Ein Vorratsbeschluss konnte eine Abwehrbefugnis des Vorstands nicht begründen.

B. Die Bedeutung des Aktienrechts für das Vorstandsverhalten Bis zum Inkrafttreten des WpÜG kam dem Aktienrecht für die Beurteilung der Zulässigkeit der Abwehr feindlicher Übernahmeangebote grundlegende Bedeutung zu. Der Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission enthielt zwar in Art. 19 ÜK eine spezielle Regelung für das Vorstandsverhalten, jedoch hatten mit Stand vom 11. April 2001 nur 74% aller börsennotierten inländischen Unternehmen den Kodex anerkannt.9 Außerdem waren Verstöße gegen Art. 19 ÜK wegen des privatrechtlichen und freiwilligen Charakters des Kodex nicht justitiabel. Das Aktienrecht stellte daher bis zum 1. Januar 2002 die einzige allgemeinverbindliche Regelung dar. Obwohl § 33 WpÜG die Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft speziell regelt, spielt das Aktienrecht bei der Beurteilung der Verhaltensweise des Vorstands auch seit Inkrafttreten des WpÜG noch eine wichtige Rolle. Da § 33 WpÜG erst ab der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots10 gilt, richtet sich die Zulässigkeit vorbeugender Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote vor dieser Veröffentlichung nach dem Aktiengesetz. Im Vorfeld der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots können ohne Bezug auf ein bestimmtes Übernahmevorhaben allgemeine Hindernisse gegen Übernahmeangebote geschaffen werden. Hierunter fallen beispielsweise die Erschwerung der Abberufung des Vorstands und Stimmrechtsbindungen. Denkbar ist auch, dass der Vorstand schon vor der Veröffentlichung Maßnahmen gegen ein konkretes Übernahmevorhaben ergreift oder einleitet, wenn er bereits Kenntnis von dem Übernahmevorhaben eines bestimmten Bieters hat. Eine solch frühe Kenntnis kann dann vorliegen, wenn Verhandlungen zwischen den Vorständen von Bieter- und Zielgesellschaft über einen einvernehmlichen Zusammenschluss gescheitert sind. Diese Situation ergab sich beispielsweise im Falle Vodafone-Mannesmann. Nachdem Vodafone-Chef Chris Gent an den Vorstand von 8 9

Hervorh. d. Verf. Zu den Zahlen, der den ÜK anerkennenden Unternehmen im Einzelnen Teil II, A., S. 15,

16. 10

Siehe § 34 i.V.m. § 10 RegE WpÜG.

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

117

Mannesmann mit dem Vorhaben eines Zusammenschlusses beider Unternehmen herangetreten war, wusste der Vorstand der Mannesmann AG nach dem Scheitern der Verhandlungen, dass sich der Vodafone-Vorstand von dem Zusammenschlussvorhaben nicht abbringen lassen wollte und ein feindliches Übernahmeangebot bevorstand. Das Übernahmevorhaben wurde im Übrigen durch zahlreiche Presseberichte bereits im Oktober 1999 offenbart.11 Die tatsächliche Angebotsfrist begann erst am 23. Dezember 1999. Im Übernahmefall Krupp-Thyssen hatte der Vorstand der Thyssen AG bereits vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebots Abwehrmaßnahmen in Gang gesetzt.12 Ein solch frühes Vorgehen gegen Übernahmeangebote wird auch durch die zeitigere Einsetzung der Vorstandspflichten mit der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots nach § 33 WpÜG nicht ausgeschlossen, sondern lediglich zeitlich eingeschränkt.

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten nach dem Aktiengesetz Das Aktiengesetz enthält keine spezielle Regelung für Übernahmeangebote. Deshalb ist die Frage, ob der Vorstand der Zielgesellschaft zur Abwehr von Übernahmeangeboten befugt ist, anhand einer Auslegung der Vorschriften über die Geschäftsführungsbefugnis, den §§ 76 f., 93 AktG, zu beantworten. Des Weiteren dürfen dem Ergreifen von Abwehrmaßnahmen keine sonstigen aktienrechtlichen Grundsätze entgegen stehen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Vorstand der Zielgesellschaft aktienrechtlich befugt ist, Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote zu ergreifen, ist in der juristischen Diskussion ungeklärt. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass die einzelnen Maßnahmen zur Abwehr eines Übernahmeangebots, die dem Vorstand im Falle einer grundsätzlichen Abwehrbefugnis zur Verfügung stehen, sich unmittelbar aus dem Aktiengesetz ergeben. Jedoch wird zurecht kritisiert,13 dass oft einzelne Verteidigungsmöglichkeiten diskutiert werden, ohne dass die Grundsatzfrage beantwortet wird, ob der Vorstand der Zielgesellschaft überhaupt gegen ein Übernahmeangebot tätig werden darf.14

11 Siehe nur Spiegel Online vom 15. 11. 1999: „Vom Jäger zum Gejagten“; Zum erstenmal berichtete die Londoner Times am 22. Oktober 1999 über ein Übernahmevorhaben von Vodafone, s. Spiegel Online vom 23. 12. 1999: „Der Kampf um Mannesmann“. 12 von Rosen / Seifert, S. 176. 13 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 101; Ebenroth / Daum, DB 1991, 1157. 14 Nur auf die einzelnen Verteidigungsmaßnahmen eingehend beispielsweise Ebenroth / Rapp, DWiR 1991, 2 ff.; Marquardt, WiB 1994, 537 ff.; Klein, NJW 1997, 2085 ff.; Salje, JA 1990, 321 ff.

118

Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

I. Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten? – Das Meinungsspektrum in der gesellschaftsrechtlichen Literatur Im Mittelpunkt der Diskussion, ob der Vorstand Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote ergreifen darf, steht die Neutralitätspflicht. Sie untersagt dem Vorstand, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises, das heißt auf Hinzutreten oder Nichthinzutreten eines neuen Aktionärs, Einfluss zu nehmen. Da bei Unternehmensübernahmen der Kontrollerwerb des Bieters über eine Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises erreicht wird, folgt aus der Neutralitätspflicht, dass alle auf die Verhinderung einer Übernahme gerichteten Maßnahmen unzulässig sind.15

1. Die Neutralitätspflicht des Vorstands Ganz überwiegend wird in der Literatur die Befugnis des Vorstands zu Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot im Grundsatz abgelehnt.16 Dem liegt die verbreitete Annahme zugrunde, der Vorstand habe weder das Recht noch die Pflicht, den Aktionärskreis zu beeinflussen.17 Zur Begründung der Neutralitätspflicht werden unterschiedliche Ansätze vertreten: – Es gehöre in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung und nicht des Vorstands, Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot zu ergreifen.18 Das Neutralitätsgebot folgt hiernach aus der Zuständigkeitsverteilung der Organe einer Aktiengesellschaft.

Immenga AG 1992, 79, 81; Mülbert, IStR 1999, 83, 88. Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 113; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Beckmann, DB 1995, 2407, 2408; Berger, Die Bank 2000, 558, 562; von Falkenhausen in FS Stiefel, 1987, 163; Hommelhoff, Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, S. 63; Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1376; ders. ZHR 161 (1997), 368, 391, 392, 411; ders., ZGR 1993, 534, 543, 546, 548; Horn, ZIP 2000, 473, 482; Immenga, AG 1992, 79, 81; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26; Krause, AG 2000, 217; ders. WM 1996, 845, 851; ders. AG 1996, 209, 214; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 357, 358; MünchHB GesR – Wiesner, § 19 Rn. 21; Mülbert, IStR 1999, 83, 87, 88; von Rosen / Seifert, 341, 348; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 688; Schander / Posten, ZIP 1997, 1534, 1536; Strenger, WM 2000, 952; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 159; Weisner, ZRP 2000, 520, 525; Wolf, AG 1998, 212, 219; Weisser, Feindliche Übernahmeangebote und Verhaltenspflichten der Leitungsorgane, 1993, 203. 17 Abeltshauser, S. 230, 231; Ebenroth / Daum, DB 1991, 1105, 1158, 1159; Kiem, ZIP 2000, 1509, 1510; KölnKomm-Mertens, § 76 Nr. 26; Merkt, ZHR 2001, 224, 232, 234; Mülbert, IStR 1999, 83, 87; MünchHB GesR – Wiesner, § 19 Rn. 21; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 688; Schanz, NZG 2000, 337, 340. 18 Mülbert, IStR 1999, 83, 88. 15 16

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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– Der Vorstand überschreite seine Kompetenz, wenn er auf den Aktionärskreis Einfluss nimmt,19 da sich das Übernahmeangebot lediglich an die Aktionäre als Eigentümer des Unternehmens richte und sie allein über seine Annahme oder Ablehnung zu entscheiden hätten.20 Im Interesse aller Aktionäre müsse der Vorstand lediglich für die Gewährleistung eines korrekten Übernahmeverfahrens sorgen.21 – Aufgrund der Interessenskollision, in der sich der Vorstand befinde, weil eine Übernahme den Verlust der eigenen Position bedeuten könnte, sei jegliches Vorstandshandeln, abgesehen von einer Stellungnahme, untersagt.22 – Die einseitige Verhinderung des Hinzutretens einzelner Aktionäre widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz nach § 53 a AktG.23

2. Ausnahmen von der Neutralitätspflicht Unter den Vertretern einer Neutralitätspflicht gibt es Befürworter einer strikten Neutralitätspflicht und einer ausnahmsweisen Befugnis des Vorstands zur Abwehr eines Übernahmeangebots. Die strikte Neutralitätspflicht verlange, dass der Vorstand unter keinen Umständen Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen dürfe.24 Eine ausnahmsweise Abwehrbefugnis soll dem Vorstand zustehen, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass die Bietergesellschaft die Zielgesellschaft durch Maßnahmen zu schädigen plant, die nicht in den Bereich der den Aktionären zustehenden (Um-)Strukturierungs- und Desinvestitionsentscheidungen fallen.25 Dies sei anzunehmen, wenn die Bietergesellschaft ihrer Person nach geeignet ist, die Marktstellung des Unternehmens zu gefährden.26 Ein solcher Fall liege vor, wenn die Bietergesellschaft eine Mafia-Organisation ist oder einem politisch exponierten Staat angehört und die Beteiligung an der Zielgesellschaft erhebliche wirtschaftliche Gegenreaktionen ihrer Kunden auslösen und ihre Marktchancen wesentlich beeinträchtigen könne.27

Immenga, AG 1992, 79, 81; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 688. Schander, BB 1997, 1801, 1804. 21 MünchHB GesR – Wiesner, § 19, Rn. 21. 22 Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, S. 146; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. 23 Ebenroth / Daum, DB 1991, 1157, 1158. 24 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 113; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 690; Weisser, S. 203. 25 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. 26 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. 27 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. 19 20

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

Eine weitere Ausnahme vom Neutralitätsgebot müsse gelten, wenn der Erwerber einen kreditfinanzierten Unternehmens- oder Beteiligungserwerb anstrebt und den Kredit praktisch nur unter verbotener Inanspruchnahme des Vermögens der Zielgesellschaft finanzieren kann.28 Allein die Befürchtung, dass stille Reserven der Zielgesellschaft angegriffen werden könnten, rechtfertige aber noch kein Einschreiten gegen ein Übernahmeangebot.29 Eine Abwehrbefugnis bestehe ferner dann, wenn nach der Übernahme mit Gesetzesverstößen oder mit einer dauerhaft rechtswidrigen Tätigkeit des Unternehmens zu rechnen sei.30 Der Gesetzesverstoß müsse ernsthaft drohen, nicht unerheblich sein und mit der Übernahme selbst zusammenhängen.31 3. Die Befugnis des Vorstands zur Einflussnahme auf den Aktionärskreis – Das Recht zu Abwehrmaßnahmen Eine andere Meinung in der Literatur lehnt eine Neutralitätspflicht des Vorstands ab. Ihm sei es keineswegs untersagt, auf den Aktionärskreis Einfluss zu nehmen.32 Im Gegenteil, diese falle sogar in seinen Kompetenzbereich. 33 Es sei Aufgabe des Vorstands, sich in Absprache mit dem Aufsichtsrat permanent um eine für die Gesellschaft optimale Aktionärsstruktur zu bemühen und diese gegebenenfalls aufrecht zu erhalten.34 Insbesondere langfristige Unternehmenskonzeptionen ließen sich nur mit einer bestimmten Aktionärsstruktur verwirklichen.35 Daraus könne sich nicht nur das Recht, sondern vielmehr die Pflicht des Vorstands der Zielgesellschaft zur Abwehr eines Übernahmeangebots ergeben.36 Der Vorstand sei insbesondere dann zur Abwehr eines Übernahmeangebots verpflichtet, wenn eine Übernahme die Rentabilität37 oder Existenz der Gesellschaft in Frage stelle.38 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. 30 Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1393. 31 Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1393; ders., ZGR 1993, 534, 554. 32 Bungert, NJW 1998, 488, 492; Kirchner, AG 1999, 481; Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1434; Maier-Reimer, ZHR 2001, 258, 259; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 545, 549; Müller in FS Semler 1993, 195, 211; Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 967; Thümmel, DB 2000, 461, 463; Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 154; Werner, S. 16; Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 851; Schmidt, GesR, § 28 II 1 a), S. 814 und Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 564 sprechen zwar von einer Neutralitätspflicht des Vorstands, verstehen diese aber nicht im Sinne der h.M., sondern stimmen inhaltlich mit der Mindermeinung überein. 33 Müller in FS Semler 1993, 195, 211; Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 967. 34 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 543. 35 Müller in FS Semler 1993, 195, 211. 36 Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 967; Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 154. 37 Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 564. 38 Schmidt, GesR, § 28 II 1 a), S. 814. 28 29

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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Aus der Ablehnung einer Neutralitätspflicht folgt jedoch nicht, dass der Vorstand willkürlich jedes Übernahmeangebot abwehren darf. Er ist auch hier zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung nach den §§ 76 f., 93 AktG verpflichtet. Dies erfordert, dass er die Entscheidung über Abwehr oder Befürwortung eines Übernahmeangebots nach dessen umfassender Prüfung und einer ordnungsgemäßen Abwägung der innerhalb seines Leitungsermessens zu berücksichtigenden Interessengruppen zu treffen hat. Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands schließt Ermessensentscheidungen über Unternehmensstruktur und Unternehmenspolitik ein und umfasst daher auch Anstrengungen zur Abwehr einer aktuellen oder potentiellen Übernahme.39 Das Vorstandsermessen im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis wird vielmehr durch die Pflicht zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses sowie satzungsmäßiger und gesetzlicher Vorschriften begrenzt.40 II. Die Untersuchung der verschiedenen Ansätze zur Begründung einer Neutralitätspflicht Zur Beurteilung, ob aktienrechtlich eine Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines öffentlichen Übernahmeangebots besteht oder ob eine Neutralitätspflicht abzulehnen und der Vorstand unter Umständen zur Abwehr eines Übernahmeangebots befugt ist, sind die verschiedenen Ansätze einer ausführlichen Untersuchung zu unterziehen.

1. Die Neutralitätspflicht als Resultat einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung – „Holzmüller“ Wird die Neutralitätspflicht des Vorstands damit begründet, dass die Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots von der Hauptversammlung getroffen werden müsse und damit der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands entzogen sei,41 so wird die Neutralitätspflicht nicht als Organpflicht des Vorstands, sondern als Zuständigkeitszuweisung an die Hauptversammlung verstanden. Richtig ist, dass Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fallen, der Leitungs- und Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands entzogen sind.42 Nach § 119 I AktG beschließt die Hauptversammlung in den durch Satzung und Gesetz bestimmten Fällen. Mangels satzungsmäßiger und aktiengesetzlicher Regelungen zur Abwehr eines Übernahmeangebots kommt nur eine unSchwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 563. Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 563. 41 Mülbert, IStR 1999, 83, 88. 42 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 101; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 6, 16; MünchHB GesR-Wiesner, § 19 Rn. 17. 39 40

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

geschriebene Hauptversammlungszuständigkeit in Betracht. Deshalb stützt Mülbert die Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots auf die vom BGH in der Holzmüller-Entscheidung43 aufgestellten Grundsätze.44

a) Das Holzmüller-Urteil des BGH Im Holzmüller-Urteil stellte der BGH fest, dass „bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre . . . der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sein kann, gemäß § 119 II AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen.“45 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt gliederte eine Gesellschaft einen Betrieb, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens darstellte, auf eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft aus. Die Ausgliederung des Betriebs bedeutete die Verlagerung von 80% der Aktiva der Mutterauf die Tochtergesellschaft und kam somit in die Nähe einer Übertragung des gesamten Vermögens. Den schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Aktionäre sah der BGH darin, dass durch die Verlagerung des wesentlichen Betriebsvermögens auf eine Tochtergesellschaft, die sich zu 100% in Händen der Obergesellschaft befindet, dieses Vermögen dem Einfluss der Anteilseigner der Obergesellschaft entzogen wird, da alle Gesellschafterrechte im Tochterunternehmen bei 100%iger Beteiligung der Obergesellschaft durch deren Vorstand wahrgenommen werden. Die Aktionäre verlieren damit die Möglichkeit, im Rahmen der gemäß § 119 AktG der Hauptversammlung vorbehaltenen Befugnisse den Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko seines Verlusts und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen.46 Wegen dieses schweren Eingriffs sei der Vorstand zur Herbeiführung eines Zustimmungsbeschlusses durch die Einberufung der Hauptversammlung verpflichtet gewesen.47

b) Die Hauptversammlungskompetenz bezüglich der Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots Der BGH führte in der Holzmüller-Entscheidung weiter aus, dass sich die Pflicht des Vorstands, der Hauptversammlung eine Entscheidung vorzulegen, dann ergeben kann, wenn Vorschriften, die einen Hauptversammlungsbeschluss erfor43 44 45 46 47

BGH, Urteil vom 25.02 1982 – II ZR 174 / 80 in: BGHZ 83, 122 ff. Mülbert, IStR 1999, 83, 88. BGH, Urteil vom 25.02 1982 – II ZR 174 / 80 in: BGHZ 83, 122, erster Leitsatz. BGH, Urteil vom 25.02 1982 – II ZR 174 / 80 in: BGHZ 83, 122, 136. BGH, Urteil vom 25.02 1982 – II ZR 174 / 80 in: BGHZ 83, 122, 132.

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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dern, nicht ganz erfüllt sind, der Sachverhalt aber ähnlich gelagert ist.48 Darauf scheint Mülbert seine Ansicht zu stützen, dass der Vorstand bei Vorliegen eines Übernahmeangebots zur Einberufung der Hauptversammlung verpflichtet sei, um über die Abwehr des Übernahmeangebots zu entscheiden.49 Er begründet seine Auffassung damit, dass eine erfolgreiche Übernahme eine Abhängigkeit nach § 17 AktG und im Falle des § 18 AktG einen faktischen Konzern schaffe, was eine gesetzliche Änderung des Verbandszwecks zur Folge habe.50 Da bei der normtypischen Aktiengesellschaft der Verbandszweck in der unbeeinflussten Verfolgung des Unternehmensgegenstandes für Rechnung der Aktionäre besteht, liege die Änderung des Verbandeszwecks bei einer abhängigkeitsbegründenden Übernahme darin, dass die herrschende Gesellschaft nach § 311 AktG vorbehaltlich eines angemessenen Ausgleichs die beherrschte Gesellschaft durch ihren Einfluss auch zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen veranlassen kann.51 Die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung ergebe sich daraus, dass über die Änderung des Verbandszwecks nach der Konzeption des Aktiengesetzes allein die Aktionäre zu entscheiden haben.52 Der Annahme einer gesetzlichen Änderung des Verbandszwecks für den Fall des § 311 AktG ist zu widersprechen. Zwar kann bei einer isolierten Betrachtung in dem Wechsel von Selbst- in Fremdbestimmung durch den Übergang einer selbständigen Gesellschaft in ein nicht gewolltes Beherrschungsverhältnis eine Änderung des Verbandszwecks angenommen werden.53 Einem nicht vertraglich vereinbarten Beherrschungsverhältnis tragen die §§ 311 ff. AktG aber gerade Rechnung, indem sie gewährleisten, dass der Verbandszweck nach Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht unterlaufen wird.54 Zwar kann die Obergesellschaft die abhängige Gesellschaft auch zu für sie nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen veranlassen. Der Nachteilsausgleich und die Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 311, 317 AktG stellen die Gesellschaft aber wieder so, als hätte die Beeinflussung durch die Obergesellschaft nicht statt gefunden. Deshalb liegt eine faktische gesetzliche Änderung des Verbandszwecks nicht vor.55 Somit besteht auch keine Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung.

BGH, Urteil vom 25.02 1982 – II ZR 174 / 80 in: BGHZ 83, 122, 131. Mülbert, IStR 1999, 83, 88; a.A. Krause, AG 2000, 217, 221, Kiem, ZIP 2000, 1509, 1513, 1514. 50 Der Verbandszweck ist die verbindliche Leitidee des Zusammenschlusses bzw. die mehrheitsfeste Geschäftsgrundlage der Gesellschaft in der Verfolgung des Unternehmensgegenstandes durch freie, unabhängige Tätigkeit für Rechnung der Aktionäre besteht, s. Schmidt, GesR, § 24 III 4 b), S. 704). 51 Mülbert, IStR 1999, 83, 88. 52 Mülbert, IStR 1999, 83, 88. 53 Krause, AG 2000, 217, 221. 54 Krause, AG 2000, 217, 221. 55 Krause, AG 2000, 217, 221. 48 49

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

Darüber hinaus passen die Holzmüller-Grundsätze von ihrer Zielrichtung her nicht auf die Situation der Zielgesellschaft eines Übernahmeangebots. Anerkannt ist die Anwendung der Holzmüller-Doktrin auf bestimmte Fälle der Konzerneingangskontrolle.56 Bei der Konzerneingangskontrolle geht es darum, den Kontrollwechsel in der Aktiengesellschaft durch eine qualifizierte Hauptversammlungsmehrheit genehmigen zu lassen.57 Die Abwehr eines Übernahmeangebots geht indes in die Gegenrichtung. Die Einbindung in einen Konzern des Bieters wird gerade verhindert. Die Ausweitung der Holzmüller-Grundsätze auf diesen Fall lässt sich aus dem Urteil des BGH nicht rechtfertigen.58 Damit scheidet eine Hauptversammlungszuständigkeit zur Entscheidung über Abwehrmaßnahmen nach den Holzmüller-Grundsätzen aus. 2. Herleitung der Neutralitätspflicht aus den Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nach § 76 AktG Nach anderer Ansicht ist die Befugnis zur Einflussnahme auf den Aktionärskreis und damit auch die Abwehr von Übernahmeangeboten der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands nach den §§ 76 f., 93 AktG entzogen.59 Der Vorstand habe weder das Recht noch die Pflicht, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises Einfluss zu nehmen.60 Hier wird die Neutralitätspflicht nicht wie von Mülbert als Zuständigkeitsregel sondern als echte Organpflicht verstanden. Ob der Vorstand den Aktionärskreis tatsächlich nicht beeinflussen darf und daher das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen seiner Geschäftsführungskompetenz entzogen ist, bedarf der näheren Untersuchung. a) Abwehrmaßnahmen als Gegenstand der Geschäftsführung Nach den §§ 76 f., 93 AktG hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung ordnungsgemäß, d. h. unter Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu führen. Der Vorstand bestimmt eigenverantwortlich die Unternehmenspolitik.61 Diese umfasst grundlegende Entscheidungen über ZielSiehe dazu Kiem, ZIP 2000, 1509, 1513. Kiem, ZIP 2000, 1509, 1514. 58 I.E. auch ablehnend Ebenroth / Daum, DB 1991, 1105, 1109. 59 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 113; Immenga, AG 1992, 79, 81; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 688. 60 Abeltshauser, S. 230, 231; Ebenroth / Daum, DB 1991, 1105, 1158, 1159; Kiem, ZIP 2000, 1509, 1510; KölnKomm-Mertens, § 76 Nr. 26; Merkt, ZHR 2001, 224, 232, 234; Mülbert, IStR 1999, 83, 87; MünchHB GesR – Wiesner, § 19 Rn. 21; Rümker in FS Heinsius, 1991, 683, 688; Schanz, NZG 2000, 337, 340. 61 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 11, S. 89; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, § 1 Rn. 16, S. 13. 56 57

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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konzeption, Organisation, Führungsgrundsätze und die mittel- und langfristige Geschäftspolitik,62 und er ergreift die entsprechenden geschäftlichen Initiativen. Mit der Festlegung der Unternehmensplanung werden alle Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und zur Durchführung koordinierter Maßnahmen angehalten.63 Die Geschäftsführung bestimmt neben dieser Unternehmensplanung weiterhin die strategische Ausrichtung, Restrukturierungen, Zusammenschlussvorhaben, Desinvestitionen und Übernahmen.64 Der Vorstand hat eine nachhaltig erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens herbeizuführen.65 Da sich bestimmte, insbesondere langfristige Unternehmenskonzeptionen nur mit einer bestimmten Aktionärsstruktur66 verwirklichen lassen,67 muss sich der Vorstand zur Verwirklichung der unternehmerischen Ziele um eine entsprechende Aktionärsstruktur bemühen. Er ist verpflichtet, sich um die Platzierung neuer Aktien und strategische Überkreuzbeteiligungen zu kümmern.68 Dazu kann er beispielsweise Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts zur Beteiligung anderer Unternehmen oder zur Investition in andere Unternehmen gegen Sacheinlagen in Form von Aktien der anderen Gesellschaft vornehmen, Wandel- und Optionsanleihen ausgeben, unter den Voraussetzungen des § 71 AktG eigene Aktien erwerben oder die Zustimmung bei der Übertragung vinkulierter Namensaktien erteilen oder versagen. Diese Maßnahmen gehören bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft zum Tagesgeschäft und nehmen zweifelsfrei Einfluss auf die Aktionärsstruktur. Die Annahme einer Neutralitätspflicht in dem Sinne, der Vorstand dürfe den Aktionärskreis nicht beeinflussen, verbietet sich allein aus diesem Grunde.69 Nähme man sie hingegen mit dieser Begründung nur für die Situation der Abwehr eines Übernahmeangebots an, so ist diese Ansicht konzeptionell unschlüssig und inkonsequent und mithin abzulehnen.70 Weiterhin beeinflusst die Kontrolle eines neuen Mehrheitsaktionärs typischerweise die vom Vorstand festgelegte Geschäftspolitik der Zielgesellschaft. 71 Regelmäßig unterscheiden sich die Unternehmenskonzepte des Vorstands der Bietergesellschaft für den Fall einer geglückten Übernahme von denen der Zielgesellschaft.72 Der Bieter kann seine Konzepte dann durchsetzen, wenn er entweder durch Abberufung oder, wie in der Praxis üblich, durch Abfindung des bisherigen 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Henze, BB 2001, 53, 57; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 4. Semler, § 1 Rn. 16, S. 13. von Rosen / Seifert, S. 344; Schander / Posten, ZIP 1997, 1534, 1535. Semler, § 1 Rn. 9, S. 9, 10. Z. B. breit gestreute Publikumsgesellschaft ohne beherrschenden Gesellschafter. Müller in FS Semler, 1993, 195, 211. Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259. Grunewald, AG 2001, 288, 290; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 259. I.E. so auch Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 852. Martens in FS Beusch 1993, 529, 544. Müller in FS Semler, 1993, 195, 207.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

Vorstands oder Entsendung eigenen Personals selbst den Vorstand der Zielgesellschaft bildet. Bei einer fremdfinanzierten Übernahme ergibt sich eine Änderung der Geschäftspolitik bereits daraus, dass zur Refinanzierung der Übernahme Reserven mobilisiert werden oder bestimmte Unternehmensteile bzw. Geschäftsbereiche abgestoßen oder zerschlagen werden.73 Auch ohne eine Machtübernahme im Vorstand der Zielgesellschaft kann der Bieter als Mehrheitsaktionär sein Stimmrecht gebündelt einsetzen und angestrebte Maßnahmen blockieren, die der Verwirklichung der unternehmerischen Ziele dienen und der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Dadurch kann er in erheblichem Umfang Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen. Da die Bestimmung und daher auch die Aufrechterhaltung oder die Abkehr von der bisherigen Geschäftspolitik der Entscheidung des Vorstands unterliegt, fällt zugleich die Entscheidung über die Abwehr oder Befürwortung einer Übernahme in seinen Kompetenzbereich. Dies entspricht der Konzeption der §§ 76 f., 93 AktG, nach deren Sinn und Zweck der Vorstand zur Einflussnahme auf den Aktionärskreis befugt ist. Die Annahme einer Neutralitätspflicht als Organpflicht des Vorstand ist daher verfehlt.74

3. Herleitung der Neutralitätspflicht aus § 53a AktG Teilweise wird das Neutralitätsgebot auf den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und die Treuepflicht aus § 53 a AktG gestützt.75 Richtig ist, dass das Ermessen innerhalb der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands durch das Gesellschaftsinteresse sowie die Einhaltung satzungsmäßiger und gesetzlicher Vorschriften begrenzt wird. Selbstverständlich muss der Vorstand daher auch § 53 a AktG beachten.76 Merkt nimmt ein Neutralitätsgebot an, wenn ein Übernahmeangebot zu Meinungsverschiedenheiten zwischen derzeitigen Aktionären der Zielgesellschaft führt.77 Ansonsten sei § 53 a AktG entsprechend anzuwenden.78 Noch unklarer äußert sich Hopt, der eine Neutralitätspflicht aus § 53 a AktG vertritt, wenn es um Beteiligungsfragen zwischen Aktionären der Zielgesellschaft geht.79 Schanz wiederum stellt die pauschale Behauptung auf, in § 53 a AktG sei eine Neutralitätspflicht festgeschrieben.80 Nachvollziehbar ist, dass der GleichbehandlungsgrundMüller in FS Semler, 1993, 195, 197. So auch Martens in FS Beusch 1993, 529, 545. 75 Hopt, ZGR 1993, 534, 545, 546; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234; Michalski, AG 1997, 152, 159; Schanz, NZG 2000, 337, 340. 76 Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 563. 77 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234. 78 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234. 79 Hopt, ZGR 1993, 534, 545, 546. 73 74

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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satz des § 53 a AktG neutrales Handeln bzw. die Unterlassung von Handlungen erfordern kann. Begründet wird indessen nicht, inwiefern sich ein Zusammenhang dieser Neutralitätspflicht mit Übernahmeangeboten ergibt. Ungeklärt lassen sämtliche Vertreter dieser Ansicht, worin im Falle der Abwehr eines Übernahmeangebots überhaupt eine Ungleichbehandlung im Sinne des § 53 a AktG liegen soll. Eine Neutralitätspflicht bei Meinungsverschiedenheiten oder Beteiligungsfragen könnte darauf gestützt werden, dass eine Ungleichbehandlung bei der Abwehr eines Übernahmeangebots darin liegt, dass einerseits die verkaufsunwilligen Aktionäre an ihrer Entscheidung nicht gehindert werden und andererseits die verkaufswilligen Aktionäre von dem Angebot im Falle einer erfolgreichen Übernahmeabwehr keinen Gebrauch machen können. Denkbar ist auch die Begründung, dass jeder Aktionär die Möglichkeit haben muss, weitere Aktien der Gesellschaft zu erwerben, sei es in geringem Umfang oder durch Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots. Ergreift der Vorstand Abwehrmaßnahmen, könnte die Ungleichbehandlung darin liegen, dass der Bietergesellschaft als Mehrheitsaktionärin die Erwerbsmöglichkeit genommen wird. Diese Begründung der Neutralitätspflicht ist schon vom Ansatz her unzureichend, weil sie ins Leere läuft, wenn der Bieter kein Aktionär der Zielgesellschaft ist.81 Die Neutralitätspflicht besteht nach dieser Ansicht nur dann, wenn der Bieter Aktionär der Zielgesellschaft ist. Beide Begründungsversuche einer Neutralitätspflicht lassen sich gleich aus mehreren Gründen nicht auf § 53 a AktG stützen. Erstens ist die Aktiengesellschaft nach § 53 a AktG verpflichtet, die Aktionäre unter gleichen Bedingungen gleich zu behandeln. Will ein Teil der Aktionäre das Angebot annehmen und ein anderer Teil seine Anteile halten, muss auf die freie Willensentscheidung der Aktionäre abgestellt werden um eine Ungleichbehandlung ausmachen zu können. Den Willen der Aktionäre als Maßstab für die Ungleichbehandlung heranzuziehen, erscheint äußerst konstruiert. Tatsächlich werden indes die Aktionäre, die Adressaten des Angebots im Falle einer erfolgreichen Abwehr sind, nicht ungleich behandelt, sondern allen Aktionären wird die Möglichkeit der Annahme des Angebots genommen. Selbst wenn man in einem Abwehrverhalten des Vorstands eine Ungleichbehandlung der Aktionäre sähe, läge darin nicht per se ein Verstoß gegen § 53 a AktG. Diese Vorschrift ist nur dann verletzt, wenn die Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist.82 Eine Rechtfertigung liegt vor, wenn die Ungleichbehandlung unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen zur Wahrung eines Interesses der Gesellschaft geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.83 Bei der Abwehr eines Übernahmeangebots sind diese Anforderungen erfüllt, wenn der Vorstand berechtigte Anhaltspunkte dafür hat, dass eine erSchanz, NZG 2000, 337, 340; ähnlich Michalski, AG 1997, 152, 159. Einsichtig Hopt, ZGR 1993, 534, 546. 82 BGH, Urteil vom 09. 11. 1992 – II ZR 230 / 91 – in BGHZ 120, 141, 150 f.; Hüffer, § 53 a Rn. 8; Schmidt, § 28 I 2, S. 807. 83 Hüffer, § 53 a Rn. 10. 80 81

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

folgreiche Übernahmeabwehr zu einem höheren Gesellschaftsnutzen führen wird als eine Akquisition.84 Teilweise wird versucht, eine Neutralitätspflicht mit der von § 53 a AktG umfassten Treuepflicht zu begründen. Der Vorstand verstoße gegen die Treuepflicht, wenn er seine Position zielgerichtet durch die Inanspruchnahme von Gesellschaftsmitteln stärkt.85 Zutreffend ist, dass in dem Missbrauch von Gesellschaftsmitteln zum Erhalt der eigenen Position ein Pflichtverstoß zu sehen ist. Dies ist allerdings vielmehr die Folge der Stellung des Vorstands als Fremdinteressenwahrer.86 Die in § 53 a AktG enthaltene Treuepflicht kann eine Neutralitätspflicht des Vorstands hinsichtlich der Abwehr von Übernahmeangeboten indes nicht begründen. Die in § 53 a AktG enthaltenen Treuepflichten obliegen den Aktionären. Dabei geht es einerseits um die Treuepflicht des Aktionärs gegenüber der AG und andererseits um die Treuepflicht der Aktionäre untereinander.87 Eine Treuepflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären ist aus § 53 a AktG dagegen nicht herzuleiten.88 Im Ergebnis zeigt sich, dass § 53 a AktG zur Begründung einer Neutralitätspflicht des Vorstands bei Übernahmeangeboten nicht geeignet ist. Die Abwehr einer Übernahme stellt keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 53 a AktG dar. Selbst eine angenommene Ungleichbehandlung durch die Abwehr eines Übernahmeangebots wäre bei einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung des Vorstands sachlich gerechtfertigt und verstieße daher nicht gegen § 53 a AktG.

4. Die Begründung der Neutralitätspflicht mit der Funktionsnotwendigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle Nach einer weiteren Ansicht wird die Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten mit der Funktionsnotwendigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle begründet.89 Unter dem Markt für Unternehmenskontrolle ist der Markt zu verstehen, an dem Mehrheitsbeteiligungen durch massenhaften, öffentlichen Aufkauf von Beteiligungstiteln gebildet werden, mit dem Ziel der Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik der Zielgesellschaft. 90 Der Markt für Unternehmenskontrolle ist Teil Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 564. Michalski, AG 1997, 152, 159; Schanz, NZG 2000, 337, 340. 86 Im Einzelnen dazu unten C. II. 5. 87 Hüffer, § 53 a AktG, Rn. 15; Geßler / Hefermehl-Bungeroth, vor § 53 a, Rn. 18. 88 Dies behauptet aber Michalski, AG 1997, 152, 159. 89 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 18; Hopt, ZGR 1993, 534, 543 ff.; Krause, AG 2000, 217, 218, allerdings eine grundsätzliche Kompetenz des Vorstands zur Einflussnahme auf den Aktionärskreis bejahend. 90 Kallfass, WuW 42 (1992), 597, 598; vereinzelt wird das Bestehen eines solchen „Marktes“ bezweifelt, s. Schneider / Burgard, DB 2001, 963; Schneider, AG 2002, 125. 84 85

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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des sekundären Kapitalmarkts.91 Er verbessert die Allokation der in den Unternehmen gebundenen Ressourcen, fördert den Strukturwandel der Volkswirtschaft und führt über die durch Kontrollerwerb bedrohte Verwaltung der Unternehmen zu mehr Erfolgsstreben und damit zu Wettbewerb auf den Gütermärkten.92 Den Kontrollrechten, die den Anteilen einer Aktiengesellschaft anhaften, kommt ein von den Vermögensrechten der Aktien zu unterscheidender Wert zu. Dieser Wert bestimmt sich nach dem eingeschätzten Spielraum für weitere Vermögenswertsteigerungen der Zielgesellschaft. 93 Wenn mittels Ausübung der Kontrolle durch einen Dritten eine Verbesserung der Managementkontrolle oder eine Auswechslung des Managements und in dessen Folge eine Erhöhung des Vermögenswertes erzielt werden kann, steigt der Wert der Kontrollrechte.94 Je besser ein Unternehmen geführt wird und je vollständiger mögliche Erhöhungen des Vermögenswertes realisiert werden, desto geringer ist dieser Wert.95 Deshalb ist eine potentielle Nachfrage nach Kontrollrechten immer dann zu erwarten, wenn in einer Aktiengesellschaft Spielräume für eine bessere Nutzung der unternehmensgebundenen Ressourcen bestehen.96 Ökonomisch und rechtlich sei es daher verfehlt, dem Vorstand zu erlauben, eigensüchtig oder eigenmächtig in diesen Markt einzugreifen und einen andernfalls stattfindenden Kontrollwechsel zu verhindern.97 Aus dieser Annahme ergibt sich zugleich die Unzulässigkeit der Abwehr von Übernahmeangeboten. Diese Begründung der Neutralitätspflicht mit der ökonomischen Funktionsnotwendigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle ist nicht haltbar. Die Aussage, eine Nachfrage nach Kontrollrechten sei immer dann zu erwarten, wenn in einer Aktiengesellschaft Spielräume für eine bessere Nutzung der unternehmensgebundenen Ressourcen bestehen,98 setzt in Bezug auf Übernahmeangebote voraus, dass allein der Bieter zu der Beurteilung in der Lage ist, dass ungenutzte Ressourcen bestehen und unter seiner Kontrolle und seinem Management ausgeschöpft werden können. Außerdem wird zu Unrecht davon ausgegangen, dass ungenutzte Ressourcen der alleinige Grund für Unternehmensübernahmen sind. Unberücksichtigt bleibt, dass Übernahmen auch dadurch motiviert sein können, einen Konkurrenten durch Zerschlagung vom Markt zu drängen und die Übernahme auf Kosten der Zielgesellschaft zu refinanzieren. In diesem Falle verhindert die Abwehr eines Übernahmeangebots den Missbrauch bzw. die Verschwendung bestehender und genutzter Ressourcen. Richtig ist indessen, dass die Funktionsfähigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle nicht durch die quantitative Zugänglichkeit von Kon91 92 93 94 95 96 97 98

Flassak, Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 148; Hopt, ZGR 1993, 534, 544. Hopt, ZGR 1993, 534, 544. Flassak, S. 149. Flassak, S. 149. Flassak, S. 149. Flassak, S. 149. Hopt, ZGR 1993, 534, 544, 545. Flassak, S. 149.

9 Hens

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

trollressourcen, sondern durch deren effiziente und optimale Nutzung gewährleistet wird.99 Unternehmensübernahmen, die nicht zu einer verbesserten Nutzung der Ressource Unternehmenskontrolle führen, sind ökonomisch verfehlt.100 Wenn das Übernahmeangebot etwa wegen einer börslichen Unterbewertung unangemessen ist, wird der Vorstand bereits aus diesem Grund zu Recht Abwehrmaßnahmen ergreifen wollen. Dies entspricht seiner Verpflichtung gegenüber dem – noch näher zu erläuternden – Gesellschaftsinteresse und auch dem Interesse der Aktionäre,101 ihre Anteile zu einem dem tatsächlichen Unternehmenswert entsprechenden Preis verkaufen zu können. Diesem Interesse tragen insbesondere unternehmenswertsteigernde Abwehrmaßnahmen Rechnung. Der Bieter kann durch die Abwehrmaßnahme zur Unterbreitung eines angemessenen Angebotspreises gezwungen werden. Ein Neutralitätsgebot könnte daher von jedem Bieter bei einer Unterbewertung der Gesellschaft gefahrlos ausgenutzt werden, wodurch die Kapitaleigner um eine Verbesserung des Verkaufswertes der Aktien gebracht würden.102 Da die Kosten einer feindlichen Übernahme wegen fehlender Verhandlungsgespräche mit dem Vorstand der Zielgesellschaft geringer wären als nach einem ausgehandelten Angebotspreis und der Bieter überdies die Angebotsbedingungen einseitig bestimmen könnte, würden feindliche Übernahmeangebote privilegiert, wenn der Vorstand der Zielgesellschaft unter keinen Umständen Abwehrmaßnahmen ergreifen darf. Bietergesellschaften würden vermehrt den direkten Erwerb der Aktien von den Aktionären der Zielgesellschaft bevorzugen ohne mit dem Vorstand der Zielgesellschaft über einen einverständlichen Zusammenschluss und den Inhalt eines gemeinsamen Konzepts in Verhandlungen zu treten, da sie keinen Widerstand zu fürchten hätten. Diese Privilegierung feindlicher Übernahmeangebote würde zu einer Verzerrung des Marktes für Unternehmenskontrolle führen.103 Daher ist es verfehlt, die Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft mit der Funktionsnotwendigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle zu begründen. 5. Herleitung der Neutralitätspflicht aus der Funktion des Vorstands als Wahrer fremder Interessen Schließlich wird die Neutralitätspflicht mit der Stellung des Vorstands als Wahrer fremder Interessen begründet.104 Nach einer Übernahme versucht der Bieter Wiese / Demisch, DB 2001, 849. Wiese / Demisch, DB 2001, 849. 101 Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 850. 102 Kirchner, AG 1999, 481, 489; Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 850. 103 Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 850. 104 Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, S. 142; Hopt ZGR 1993, 534, 546, 547; Großkomm-Hopt, § 93 Rn. 123. 99

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C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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regelmäßig, den Vorstand der Zielgesellschaft mit eigenem Personal zu ergänzen oder gar zu ersetzen. Deshalb muss der Vorstand der Zielgesellschaft befürchten, bei einer erfolgreichen Übernahme aus seinem Amt gedrängt zu werden.105 Daher besteht die Gefahr, dass der Vorstand eine Übernahme aus dem Eigeninteresse an seinem Amt abwehrt. Wegen der Verpflichtung des Vorstands, im Rahmen seiner Geschäftsführung ausschließlich fremde Interessen zu berücksichtigen, darf ein Eigeninteresse bei der Ausübung des Leitungsermessens keine Rolle spielen.106 Löst der Vorstand den Widerstreit verschiedener Interessen final zu seinen Gunsten, handelt er pflichtwidrig.107 Einigkeit besteht daher darüber, dass der Vorstand keine Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen darf, um sein Amt zu erhalten.108 Um dies zu gewährleisten bietet sich die Lösung an, dem Vorstand die Befugnis zur Abwehr von Übernahmeangeboten zu versagen. a) Der Lösungsansatz von Hopt Bemerkenswert ist der Ansatz von Hopt, der die Neutralitätspflicht in ein abstraktes und ein konkretes Neutralitätsgebot aufspaltet. Ein konkretes Neutralitätsgebot erlege dem Vorstand kein grundsätzliches Handlungsverbot auf, sondern es sei die Uneigennützigkeit des Vorstandshandelns im konkreten Einzelfall zu untersuchen.109 Der Vorstand habe die Uneigennützigkeit seines Handelns nachzuweisen.110 Dieser Ansatz weist Ähnlichkeit mit der qualifizierten Business Judgement Rule des US-amerikanischen Rechts auf.111 Bei Vorliegen eines Übernahmeangebots befürwortet Hopt jedoch ein abstraktes Neutralitätsgebot.112 Danach ist dem Vorstand eine Einflussnahme auf den Aktionärskreis per se untersagt, so dass der Gefahr der Verfolgung eigener Interessen bereits ex ante entgegengewirkt wird.113 Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass die Gefahr der Abwehr eines Übernahmeangebots aus einem Eigeninteresse des Vorstands am Erhalt seiner Stellung eliminiert wird. Auf der anderen Seite birgt 105 Dies ist entweder durch die Abberufung des Aufsichtsrats möglich oder durch die Zahlung einer Abfindung, was für den Bieter praktikabler und daher üblich ist. 106 Hopt, ZGR 1993, 534, 538. 107 Thümmel, Persönliche Haftung von Aufsichtsrat und Managern, Rn. 152; Allerdings bleibt unerwähnt, dass der Vorstand nur dann pflichtwidrig handelt, wenn ein Eigeninteresse zur Vornahme dieser Handlung geführt hat und (Hervorh. d. Verf.) der Vorstand die Entscheidung bei einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung nicht hätte treffen dürfen, s. dazu auch sogleich. 108 von Aubel, Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten, S. 157; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 542, 543; Müller in FS Semler, 1993, 195, 211. 109 Hopt ZGR 1993, 534, 547. 110 Hopt ZGR 1993, 534, 547. 111 Siehe dazu Teil III, F. II. 1. b). 112 Hopt ZGR 1993, 534, 547. 113 Hopt ZGR 1993, 534, 547.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

die Annahme einer abstrakten Neutralitätspflicht eine gravierende Schwäche in sich. Da dem Vorstand die Hände gebunden sind, bleibt das Gesellschaftsinteresse114 unberücksichtigt, wenn die Abwehr einer Übernahme diesem Interesse entsprechend geboten ist. Zu denken ist hierbei an ein ausbeuterisches Übernahmeangebot, das allein dem Zweck dient, die Zielgesellschaft nach der Übernahme zu zerschlagen und einen Konkurrenten am Markt zu vernichten oder die Übernahme zu Lasten der Zielgesellschaft mit deren Mitteln zu finanzieren (LBO). Aufgrund des Informationsvorsprungs des Vorstands115 gegenüber den Aktionären ist aber gerade er derjenige, der die Absichten des Bieters nach einer Übernahme und vorhandene Potentiale für die Realisierung von Synergieeffekten durch eine Übernahme am ehesten einschätzen kann. Bei Annahme einer Neutralitätspflicht ist die Zielgesellschaft ausbeuterischen Übernahmeangeboten, die sich in wirtschaftlicher Hinsicht gesellschaftsschädigend auswirken, hilflos ausgeliefert, da der Vorstand als das Organ mit dem größten Hintergrundwissen und der besten Einschätzungsmöglichkeit hinsichtlich der wirtschaftlichen Sinnhaltigkeit einer Übernahme für die Zielgesellschaft nichts gegen das Übernahmeangebot unternehmen kann. Bei unangemessenen Übernahmeangeboten dürfte es im Übrigen auch im Interesse der verkaufswilligen Aktionäre liegen, wenn der Vorstand unternehmenswertsteigernde Abwehrmaßnahmen ergreift, die eine Nachbesserung des Angebots nach sich ziehen. Dann erzielen die Aktionäre bei einer Veräußerung einen höheren Angebotspreis. b) Stellungnahme Ein Neutralitätsgebot aufgrund der Stellung des Vorstands als Wahrer fremder Interessen ist nur dann zu rechtfertigen, wenn es unter Berücksichtigung der Nichtbeachtung der Angemessenheit des Angebotspreises und der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Übernahme auf die Zielgesellschaft verhältnismäßig, also bei einem Vergleich der sich gegenüber stehenden Aspekte vorzugswürdig ist. Um dies zu bestimmen ist es hilfreich, die Fallsituationen herauszustellen, auf deren Verhinderung ein mit der Stellung des Vorstands als Wahrer fremder Interessen begründetes abstraktes Neutralitätsgebot abzielt. Verhindert werden sollen pflichtwidrige Maßnahmen, die der Vorstand aufgrund116 der Berücksichtigung eigener Interessen ergreift. Eine pflichtwidrige Abwehr eines Übernahmeangebots durch den Vorstand besteht nur im Falle einer Kausalität zwischen der Berücksichtigung eigener Interessen und den Abwehrmaßnahmen. Es müssen also tatsächlich eigene Interessen in die Vorstandsentscheidung einfließen. Bei Annahme eines Neutralitätsgebots wegen des bestehenden Interessenkonflikts wird dem Vorstand damit per se unterstellt, dass er dieses Interesse unzulässigerweise in seine Entscheidung über 114 115 116

Siehe zum Gesellschaftsinteresse im Einzelnen unten D. II. Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 852. Hervorh. d. Verf.

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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die Abwehr eines Übernahmeangebots einfließen lässt. Zudem muss der Einfluss des Eigeninteresses für die Entscheidung ursächlich sein. Das bedeutet, dass der Vorstand ohne den Einfluss eigener Interessen eine andere Entscheidung getroffen hätte. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Abwehr einer Übernahme auch dann noch eine ordnungsgemäße Geschäftsführungsmaßnahme darstellt, wenn sie ohne Berücksichtigung von Eigeninteressen gleichwohl geboten gewesen wäre. Zu bedenken ist auch, dass die Gefahr für den Vorstand, aus seinem Amt gedrängt zu werden, in erster Linie bei einer feindlichen Übernahme besteht, da aus Sicht des Bieters eine Zusammenarbeit mit einem Vorstand, der die Übernahme ablehnt, wenig erfolgversprechend ist. Handelt es sich dagegen um eine freundliche Übernahme, der Verhandlungen zwischen den Vorständen vorausgehen, sind die Aussichten des Vorstands der Zielgesellschaft, sein Amt zu behalten deutlich besser. Freundliche Übernahmen werden üblicherweise konzeptionell mit dem Vorstand der Zielgesellschaft abgestimmt, um seinen Anliegen Rechnung zu tragen.117 Ein Übernahmeangebot wird erst durch die ablehnende Haltung des Vorstands der Zielgesellschaft feindlich. Es ist eine zu weitgehende und unhaltbare Unterstellung, den Grund für die Ablehnung des Vorstands allein in der Sorge um seine Position zu sehen. Wenn dies tatsächlich zuträfe, würde sich der Vorstand in seiner Stellungnahme zu einem Übernahmeangebot stets gegen eine Übernahme aussprechen.118 Hierzu folgt eine Analyse von Stellungnahmen der Vorstände der Zielgesellschaften von Übernahmeangeboten, die gemäß der Bestimmungen des Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission erfolgten. (1) Stellungnahmen der Vorstände der Zielgesellschaften bei Übernahmeangeboten nach dem Übernahmekodex Anhand der Dokumentationen der Börsensachverständigenkommission zu Angeboten, die den Regelungen des Übernahmekodex unterlagen, sind hier die Stellungnahmen Untersuchungsgegenstand, denen ein Übernahmeangebot zum Erwerb der Kontrollmehrheit zugrunde liegt. Nicht berücksichtigt sind Angebote, die auf einen Stimmrechtsanteil von weniger als 30% bezogen waren, Angebote, in deren Vorfeld der Bieter bereits einen Stimmrechtsanteil von über 30% hielt, sowie sämtliche Pflichtangebote.119 – Freiwilliges öffentliches Kaufangebot der Assa Abloy Deutschland GmbH an die Aktionäre der eff-eff Fritz Fuss GmbH & Co KGaA mit Beabsichtigung einer größeren Betei-

Achleitner, S. 195. So aber Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 248, der behauptet, dass die Stellungnahme des Vorstands der Zielgesellschaft „in vielen, wenn nicht in den allermeisten Fällen . . .negativ ausfallen und damit unausweichlich die Tendenz haben wird, die Übernahme zu verhindern“. 119 Folgende Kauf- und Tauschangebote werden aus den von Juli 1995 bis November 2000 veröffentlichten Dokumentationen der Börsensachverständigenkommission, die auf der Internetsite www.kodex.de zugänglich sind, herausgegriffen. 117 118

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

ligung; zur Höhe der Beteiligung vor dem Angebot bestehen keine Angaben; durch das Angebot wurden 1.227.137 Inhaber-Stammaktien o.N. (= rd. 64,73% der im Besitz außenstehender Aktionäre befindlichen Inhaber-Stammaktien) erworben; dies entspricht auch der Beteiligung nach dem Angebot; der Vorstand der eff-eff Fritz Fuss GmbH & Co KGaA hält in seiner Stellungnahme den Angebotspreis für angemessen und empfiehlt den Aktionären die Annahme des Angebots. – Übernahmeangebot der Armstrong World Industries, Inc. an die Aktionäre der DLW AG mit der Beabsichtigung eines Mehrheitserwerbs; vor dem Angebot hatte die Bieterin keine Beteiligung an der Zielgesellschaft; durch das öffentliche Übernahmeangebot hat die Armstrong World Industries, Inc. 69,69% des außenstehenden Kapitals erworben; in seiner Stellungnahme empfiehlt der Vorstand der DLW AG den Aktionären die Annahme des Angebots mit der Begründung eines wesentlich verbesserten internationalen Marktzugangs durch einen Mehrheitserwerb. – Übernahmeangebot der Tableros de Fibras S.A. (TAFISA) an die Aktionäre der GLUNZ AG mit Beabsichtigung eines Mehrheitserwerbs; vor dem Angebot hatte die Bieterin keine Beteiligung an der Zielgesellschaft; durch das öffentliche Übernahmeangebot hat die TAFISA 77,8% der Stammaktien (= 77,8% des außenstehenden Stammkapitals) und 81% der Vorzugsaktien (= 81% des außenstehenden Vorzugsaktienkapitals) erworben; nach dem Angebot war die TAFISA an der Zielgesellschaft mit insgesamt 84,5% des Grundkapitals beteiligt; der Vorstand der GLUNZ AG empfiehlt den Aktionären die Annahme des Angebots unter anderem vor dem Hintergrund der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. – Übernahme der Daimler Benz AG durch die Daimler Chrysler AG durch Übernahmeangebot vom September 1998; durch das Tauschangebot hat die Daimler Chrysler AG 98% der Aktien der Daimler Benz AG erhalten; zuvor war bereits zwischen den beiden Unternehmen ein Zusammenschluss beschlossen worden; dem entsprechend empfiehlt der Vorstand der Daimler Benz AG den Aktionären die Annahme des Angebots. – Übernahmeangebot der Deutsche Gamma GmbH an die Aktionäre der Verseidag AG vom Dezember 1998 mit der Beabsichtigung des Erwerbs aller Stammaktien; vor dem Angebot war die Bietergesellschaft an der Zielgesellschaft nicht beteiligt; durch das öffentliche Übernahmeangebot hat die Deutsche Gamma GmbH 62,41% des außenstehenden Kapitals an der Verseidag AG erworben; der Vorstand der Verseidag AG begrüßte in seiner Stellungnahme das Übernahmeangebot der Deutsche Gamma GmbH aufgrund des über dem durchschnittlichen Börsenkurs liegenden Angebots. – Aufforderung der Vereins- und Westbank AG an die Aktionäre der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel- Bank vom August 1997 zur Abgabe eines Tauschangebots ihrer Aktien gegen Aktien der Allianz AG mit der Beabsichtigung des Erwerbs von mindestens 40% der Stammaktien an der Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank und spätere Verschmelzung dieser Bank mit der Vereins- und Westbank AG; durch das der Aufforderung folgende Angebot wurden 95,45% von den 47,14% angebotenen Stammaktien übernommen; der Vorstand der Hypo-Bank empfiehlt den Aktionären, Tauschangebote aufgrund der Aufforderung einzureichen; der Vorstand unterstützt eine geplante Verschmelzung mit dem Hinweis auf die weltweiten Perspektiven und Potentiale der Aktien der Allianz AG. – Öffentliche Aufforderung der Sommer S.A. an die Aktionäre der Tarkett AG zur Abgabe eines Angebots zum Verkauf ihrer Aktien vom Oktober 1997; durch einen Erwerb von Großaktionären hat die Bietergesellschaft 60% des Kapitals der Zielgesellschaft erworben, durch die öffentliche Aufforderung zu einem Verkaufsangebot erwarb sie hingegen nur

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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eine Aktie; in seiner Stellungnahme empfiehlt der Vorstand der Tarkett AG den Minderheitsaktionären, ihre Aktien aufgrund eines vor dem Hintergrund der Entwicklung des Börsenkurses nach der Veröffentlichung eines Zusammenschlussvorhabens der beiden Unternehmen zu niedrigen Angebots zu halten; dies hinderte allerdings die Bietergesellschaft nicht, neuer Hauptaktionär der Zielgesellschaft zu werden, da sich die Großaktionäre zum Verkauf ihrer Aktien verpflichtet haben. – Freiwilliges öffentliches Kaufangebot der Waterford Wedgwood GmbH an die Aktionäre der Rosenthal AG vom Dezember 1997 mit Beabsichtigung der Erhöhung der Beteiligung; vor dem Angebot war die Bietergesellschaft zu 32,87% an der Rosenthal AG beteiligt; durch das Angebot erwarb die Waterford Wedgwood GmbH 32,55% (= 48,48% des außenstehenden Kapitals) an der Rosenthal AG; nach Ansicht des Vorstands der Rosenthal AG ist das Angebot günstig und wahrt zudem die Interessen der Gesellschaft, ihrer Mitarbeiter und Kunden; daher begrüßte der Vorstand das Angebot und empfiehlt den Aktionären die Annahme. – Aufforderung der Commerzbank AG an die Aktionäre der Linotype-Hell AG vom Juli 1996 zur Abgabe eines Angebotes zum Verkauf ihrer Aktien an die Commerzbank AG mit der Beabsichtigung des Erwerbs von 75% des Grundkapitals und 1 Aktie der LinotypeHell AG zur späteren Verschmelzung mit der Heidelberger Druckmaschinen AG; vor dem Angebot war die Bietergesellschaft nicht an der Zielgesellschaft beteiligt; durch die öffentliche Aufforderung erwarb die Commerzbank AG 29,20% des Grundkapitals an der Linotype-Hell AG; Zusätzlich erwarb sie ein Aktienpaket von 50% + 1 Aktie von der Siemens AG und der Frega Vermögensverwaltungs GmbH, so dass sie nach dem Angebot eine Beteiligung von 79,20% des Grundkapitals besaß; der Vorstand empfiehlt in seiner Stellungnahme den Aktionären die Abgabe eines Verkaufsangebots mit der Begründung von Synergieeffekten im Falle eines Zusammenschlusses. – Öffentliches Kaufangebot der Gold-Zack AG an die Aktionäre der Value Management & Rese AG vom 29. Oktober 1999; vor dem Übernahmeangebot hielt die Bietergesellschaft eine Beteiligung von 20% an der Value Management & Reese AG; durch das Übernahmeangebot erwarb sie eine Beteiligung von 24,5%. Der Vorstand der Value Management & Research AG empfiehlt den Aktionären ihrer Gesellschaft die Annahme dieses Tauschangebotes. Das Tauschangebot sei für die Aktionäre der VMR AG attraktiv, weil eine Bündelung der Aktivitäten sowie Verstärkung der finanziellen Ressourcen hierdurch erreicht werde. – Freiwillige öffentliche Aufforderung der SPARTA Beteiligungen AG vom 24. Januar 2000 an die Aktionäre der Deutsche Balaton AG zur Abgabe eines Tauschangebots mit der Absicht der Zusammenführung wesentlicher Geschäftsaktivitäten der beiden Gesellschaften und der Ausschöpfung eines Synergiepotentials; vor dem Angebot war die Bietergesellschaft an der Zielgesellschaft mit 1,2% beteiligt; durch das Angebot erwarb sie 42,13% und hielt damit nach dem Angebot 43,33%. Die Stellungnahme des Vorstands der Balaton AG viel auffallend neutral aus: Weder befürwortete er die Annahme des Angebots noch empfahl er den Aktionären die Nichtannahme. Der Vorstand führt dort aus, dass die von der SPARTA AG angestrebte Beteiligungshöhe die Kontrollemehrheit begründe und daher ein Pflichtangebot nach dem Übernahmekodex nach sich ziehe. Dieses Pflichtangebot könnte zu in der Höhe abweichenden Bewertungen für die Aktionäre der Deutsche Balaton AG führen. Auch orientiere sich das Angebot der SPARTA Beteiligungen AG an den Börsenkursen beider Gesellschaften. Da der Vorstand über die Bietergesellschaft jedoch überwiegend nur öffentlich zugängliche Informationen zur Verfügung habe, so dass sich mög-

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

liche Bewertungsunterschiede nur schwer ermitteln ließen und das angebotene Umtauschverhältnis nicht abschließend beurteilt werden könne, empfiehlt der Vorstand der Balaton AG den Aktionären, die freiwillige öffentliche Aufforderung der Bietergesellschaft selbst zu prüfen. – Freiwilliges Übernahmeangebot der SEAT Pagine Gialle S.p.A. an die Aktionäre der Telegate AG 7. Juni 2000; die Beteiligung von SEAT an Telegate betrug vor dem Übernahmeangebot 2,2% und nach dem Übernahmeangebot 13,5%. Der Vorstand der Telegate AG begrüßte in seiner Stellungnahme den Eintritt von SEAT Pagine Gialle als neuem indirekten Großaktionär von Telegate. Er empfiehlt den Aktionären, für die unter Berücksichtigung ihrer individuellen Anlagepräferenzen und ihrer steuerlichen Situation eine Anlage in SEAT-Aktien attraktiv erscheint, die Annahme des Angebots. – Aufforderung der Hermès International SCA vom 22. November 2000 an alle Aktionäre der Leica Camera AG ihre auf den Inhaber lautenden Stückaktien der Leica Camera AG der Hermès International SCA anzubieten in der Absicht, 30% des Grundkapitals von Leica zu erwerben. Im Zeitpunkt des Übernahmeangebots hielt Hermès noch keine Aktien an der Leica Camera AG. Der Vorstand der Leica Camera AG schrieb in seiner Stellungnahme vom 22. November 2000, dass er in der Höhe des Übernahmeangebots eine faire Bewertung der Leica Camera -Aktien sehe und erwarte, dass die Begründung einer Partnerschaft mit Hermès die langfristige Unternehmensstrategie von Leica unterstützen werden würde. Der Vorstand begrüßte daher das Angebot und empfahl den Aktionären von Leica, ihre Aktien Hermès anzubieten.

(2) Ergebnis Diese Übersicht zeigt, dass die Aussage, der Vorstand lehne das Übernahmeangebot in seiner Stellungnahme regelmäßig ab, nicht nur falsch ist, sondern das Gegenteil zutrifft. Bei 11 von 13 Übernahmeangeboten sprach sich der Vorstand für eine Übernahme aus, indem er den Aktionären die Annahme des Angebots empfahl. Einmal überließ er ausdrücklich die Beurteilung des Angebots den Aktionären und lediglich in einem Fall empfahl er den Aktionären, ihre Aktien zu halten. Wenngleich eine gewisse Gefahr der Verfolgung eigener Interessen bei Ablehnung der Neutralitätspflicht nicht ganz auszuschließen ist, wiegt das Interesse der Zielgesellschaft daran, nicht Opfer eines unangemessenen und ausbeuterischen Übernahmeangebots zu werden schwerer. Deshalb kann die Stellung des Vorstands als Wahrer fremder Interessen eine Neutralitätspflicht nicht begründen.

III. Ergebnis und Stellungnahme Die ausführliche Untersuchung der verschiedenen Ansätze zur Begründung einer Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten ergibt, dass eine solche Pflicht entgegen der herrschenden Meinung aktienrechtlich nicht hergeleitet werden kann. Weder ist dem Vorstand die Geschäftsführungskom-

C. Die Befugnis des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten

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petenz wegen einer Hauptversammlungszuständigkeit zur Entscheidung über Abwehrmaßnahmen entzogen noch obliegt ihm die Organpflicht, den Aktionärskreis beeinflussende Maßnahmen zu unterlassen. Die Verfechter der herrschenden Ansicht, der Vorstand sei zu einer Einflussnahme auf den Aktionärskreis nicht befugt, lassen außer Acht, dass der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführung oft über das Hinzutreten oder Nichthinzutreten eines Aktionärs entscheidet. Eine Neutralitätspflicht bei Übernahmeangeboten kann weder mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53 a AktG noch mit der Funktionsnotwendigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle begründet werden. Auch aus dem Interessenkonflikt des Vorstands bei feindlichen Übernahmeangeboten resultiert eine Neutralitätspflicht nicht. Neuerdings mehren sich Stimmen im Schrifttum, die eine Neutralitätspflicht des Vorstands damit begründen, dass den Aktionären die freie Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme eines Übernahmeangebots nicht genommen werden dürfe.120 Bemerkenswert ist, dass sich die Rechtfertigung der Neutralitätspflicht auf dieses Argument beschränkt.121 Dem scheint die Erkenntnis zugrunde zu liegen, dass die zuvor ausführlich untersuchten Begründungsansätze für eine Neutralitätspflicht verfehlt sind. Dieser Ansicht ist zuzugeben, dass es so scheint, als beziehe sich ein Übernahmeangebot ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Bieter und den Aktionären der Zielgesellschaft und betreffe den Vorstand nicht. Unberücksichtigt bleibt allerdings der Umstand, dass eine Übernahme wegen der aus ihr erwachsenden Kontrollstellung des Bieters maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik und die unternehmerischen Ziele der Zielgesellschaft hat. Die Festlegung, Aufrechterhaltung und Abänderung der Geschäftspolitik sowie die Verfolgung der unternehmerischen Ziele ist Aufgabe des Vorstands.122 Deshalb tangiert die Frage, ob die Gesellschaft einen neuen kontrollierenden Aktionär erhält, eindeutig auch den Kompetenzbereich des Vorstands. Hierdurch entsteht ein Konflikt zwischen der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands und der freien Entscheidungsmöglichkeit der Aktionäre über Annahme oder Nichtannahme des Übernahmeangebots. Wenn gefordert wird, dass es allein den Aktionären vorbehalten sein soll, über den Erfolg eines Übernahmeangebots zu entscheiden, erscheint es zweifelhaft, ob die langfristige betriebswirtschaftliche Sinnhaltigkeit123 als das allein maßgebliche Kriterium für die Beurteilung von Unternehmensübernahmen124 überhaupt noch Geltung hat. Der Vorstand als Leitungsorgan hat gegenüber den Aktionären einen 120 Geibel / Süßmann-Schwennicke, § 33 Rn. 14; Grunewald, AG 2001, 288, 291; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 249; so auch schon Schander, BB 1997, 1801, 1804. 121 So eindeutig jedenfalls Grunewald, AG 2001, 288, 291. 122 Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1434. 123 Die wirtschaftliche Sinnhaltigkeit einer Übernahme steht im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsinteresse, das für den Vorstand insbesondere in einer Übernahmesituation zur Handlungsmaxime erwächst, s. dazu ausführlich unten D. 124 Kallmeyer, AG 2000, 553.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

erheblichen Informations- und Wissensvorsprung. Er ist am ehesten in der Lage, die wirtschaftliche Sinnhaltigkeit einer Übernahme für die Zielgesellschaft zu beurteilen. Da der Vorstand der Entscheidungsträger für die Übernahme einer anderen Gesellschaft ist, entspricht es durchaus der Kompetenzverteilung, dass er über den Erfolg der von ihm geleiteten Gesellschaft entscheidet. Es sei bereits hier darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung nicht der Willkür des Vorstands ausgeliefert ist, sondern das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Geschäftsführungsmaßnahme sein muss.125 Andernfalls macht sich der Vorstand haftbar. Der Vorstand darf nicht nur bei einer mangelnden wirtschaftlichen Sinnhaltigkeit einer Übernahme, sondern er muss auch dann zum Ergreifen von Abwehrmaßnahmen befugt sein, wenn der Angebotspreis des Bieters, etwa wegen einer börslichen Unterbewertung der Zielgesellschaft, unangemessen ist. Kann der Vorstand der Zielgesellschaft Abwehrmaßnahmen ergreifen, muss der Bieter bei einer fehlenden wirtschaftlichen Sinnhaltigkeit einer Übernahme für die Zielgesellschaft und bei einem zu niedrigen Angebotspreis mit Abwehrmaßnahmen des Vorstands der Zielgesellschaft rechnen und wird damit quasi zu Verhandlungen mit dem Vorstand der Zielgesellschaft im Vorfeld eines Übernahmeangebots gedrängt. Eine Abwehrbefugnis verleiht dem Vorstand der Zielgesellschaft dadurch eine Verhandlungsmacht bei der Bestimmung des Angebotspreises.126 Zur Bestimmung der Angemessenheit des Angebotspreises sollte es dem Vorstand nicht nur gestattet sein, sondern es wäre wünschenswert, wenn er die Beurteilung des Unternehmenswertes durch eine Investmentbank, wie es in den USA geschieht,127 anforderte. Untersuchungen in den USA zufolge ist der Angebotspreis deutlich höher, wenn die Zielgesellschaft Poison Pills implementiert hat, wodurch der Bieter zu Verhandlungen mit dem Board der Zielgesellschaft gezwungen wird.128 Übertragt man diese Erkenntnis auf die Situation in Deutschland, ist davon auszugehen, dass der Angebotspreis bei einer Abwehrbefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft höher ist, als wenn ihm eine Neutralitätspflicht obläge. Dadurch ist bezüglich der Gefahr von unangemessenen Übernahmenageboten den Verfechtern der Neutralitätspflicht die Argumentationsgrundlage entzogen. Denn wegen der Erzielung eines höheren Angebotspreises liegt die Abwehrbefugnis des Vorstands gerade im Interesse der verkaufswilligen Aktionäre. Außerdem kann das Konzept des Bieters für den Erfolg einer Übernahme vom Vorstand der Zielgesellschaft beeinflusst werden, so dass die Interessen der Zielgesellschaft angemessene Berücksichtigung finden. Auch wenn der Vorstand der Zielgesellschaft das Angebot tatsächlich ab125 Zur Leitungsentscheidung des Vorstands bei Vorliegen eines Übernahmeangebots s. ausführlich unten D. 126 In den USA ist dieser Aspekt der Sinn und Zweck von Poison Pills, s. Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. 127 Siehe Block / Kliegman, 1158 PLI / Corp (2000), 255, 260 und Universal Foods Corp., 708 F. Supp. 984, 1010, 1011, 1013, 1014 (E.D.Wis.). 128 Vlahakis, 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865.

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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wehrt, kann dies zur Folge haben, dass der Bieter das Angebot nachbessern muss und die Aktionäre auch hier ihre Anteile zu einem höheren als dem ursprünglichen Angebotspreis veräußern können. Ferner spricht gegen die Neutralitätspflicht, dass der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführung zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses verpflichtet ist. Dass dieses Interesse gerade in Übernahmesituationen entscheidende Bedeutung erlangt, zeigen die folgenden Ausführungen.129 Sämtliche Ansätze zur Begründung einer Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmeangeboten können nicht überzeugen. Der Vorstand ist aktienrechtlich zum Ergreifen von Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote befugt. Daran hat sich auch durch das Inkrafttreten des WpÜG nichts geändert, da § 33 WpÜG keine aktienrechtliche Sondervorschrift außerhalb des Aktiengesetzes darstellt. Die übernahmerechtlichen Regelungen sind vielmehr dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen. Insofern wird der Handlungsrahmen des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens von § 33 WpÜG als lex specialis überlagert.130

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten Die Ablehnung einer Neutralitätspflicht hat keineswegs eine generelle Abwehrbefugnis des Vorstands zur Folge. Sämtliche Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen des Vorstands sind aktienrechtlich nur dann zulässig, wenn sie das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Geschäftsführungsmaßnahme sind. Auch die Aufrechterhaltung präventiver Übernahmehindernisse, die sich nicht auf ein bestimmtes Übernahmevorhaben beziehen, ist nur dann rechtmäßig, wenn sie das Ergebnis einer ordnungsgemäßen, ermessensfehlerfreien Geschäftsführung sind.

I. Die vom Vorstand innerhalb seines Leitungsermessens zu berücksichtigenden Interessen Der Vorstand entscheidet über die Bereiche der Geschäftsführung nach eigenem Ermessen, innerhalb dessen ihm ein weiter Spielraum zusteht.131 Ordnungs129 Da die Behandlung eines eigenen Gesellschaftsinteresses in der Literatur umstritten ist und dessen Inhalt von Rechtsprechung offen gelassen wird, ist eine ausführliche Erörterung einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung unter besonderer Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses erforderlich. 130 Ausführlicher zum Verhältnis von § 33 WpÜG zum Aktienrecht siehe unten Teil VII A., II. 131 BGH, Urteil vom 07. 03. 1994 – II ZR 52 / 53 – in: BGHZ 125, 239, 246; MünchHB GesR-Wiesner, § 19 Rn. 16; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 11, S. 89.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

gemäß übt er sein Ermessen dann aus, wenn er die in der Gesellschaft begründeten Interessen sachgerecht wahrnimmt.132 Träger der verschiedenen zu berücksichtigen Interessen sind jedenfalls die Aktionäre und die Arbeitnehmer der Gesellschaft.133 Teilweise wird darüber hinaus ein Interesse der Öffentlichkeit134 sowie ein Interesse der Gläubiger135 angenommen. Inwiefern daneben ein Interesse des Unternehmens bzw. der Gesellschaft selbst besteht, wird uneinheitlich beurteilt. Dieses Gesellschaftsinteresse erlangt bei der Vorstandsentscheidung über die Befürwortung oder die Abwehr eines Übernahmeangebots entscheidende Bedeutung, weil es unter bestimmten Umständen die Abwehr eines Übernahmeangebots rechtfertigen kann.136 Seine Grenzen findet das Vorstandsermessen jedenfalls in der Pflicht, die Gesetze, die Satzungsbestimmungen der Gesellschaft sowie die rechtmäßigen Entscheidungen der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats zu beachten.137 Im Folgenden werden die verschiedenen vom Vorstand zu berücksichtigenden Interessen dargestellt. Anschließend werden die Kriterien für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung im Falle einer Übernahmesituation erarbeitet.

1. Das Aktionärsinteresse Der Vorstand hat innerhalb seines Leitungsermessens das Aktionärsinteresse zu berücksichtigen.138 Da die Publikumsaktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft in der Regel von den ihnen aktienrechtlich zustehenden Kontrollrechten139 keinen Gebrauch machen und damit eine rein passive Rolle einnehmen, verfolgen sie im Allgemeinen ausschließlich finanzielle Ziele.140 Die Aktionäre haben unterschiedliche Vorstellungen über die zeitliche Struktur eines für sie optimalen Konsumstromes. Ebenso differieren Risikopräferenzen und Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Einkommensstromes.141 Daher kann nicht von einem einheitlichem Aktionärsinteresse ausgegangen werden. Die BeVgl. statt aller Hüffer, § 76 Rn. 12. Kropff, Begründung zum AktG, S. 97; Hüffer, § 76 Rn. 12; Schmidt-Leithoff, S. 1. 134 So auch Kropff, Begründung zum AktG, S. 97; Hüffer, § 76 Rn. 12; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 11, S. 90. 135 Schmidt-Leithoff, S. 1. 136 Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1377; im Einzelnen dazu unten A. I. 2. a) (5). 137 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 10. 138 Vgl. statt aller Hüffer, § 76 Rn. 12. 139 Damit sind das Auskunftsrecht nach §§ 131, 293 g III AktG und das Anfechtungsrecht gemäß § 245 Nr. 1 – 3 AktG gemeint, siehe Henze BB 1996, 489, 492. 140 Flassak, S. 52; Wenn Aktionäre überhaupt über rein finanzielle Interessen hinausgehende Interessen für ihre Mitgliedschaft verfolgen, dürften diese in einer zu vernachlässigenden Minderheit sein. 141 Flassak, S. 52. 132 133

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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stimmung eines einheitlichen Aktionärsinteresses ist nur bei einem Alleinaktionär oder einer gepoolten Gesellschaftergruppe möglich.142

a) Die verschiedenen Anlegerinteressen Eine Gruppe von Aktionären ist regelmäßig an kurzfristigen Spekulationsgewinnen interessiert. Diese Anleger tauschen ihre Aktien von Zeit zu Zeit aus und spekulieren je nach der Konjunktur und den wirtschaftlichen Erwartungen auf mittelfristige Kursschwankungen.143 Andere Anleger verstehen ihre Aktien als langfristige Kapitalanlage mit stetig steigender Rendite.144 Wieder andere Aktionäre sind in erster Linie an einer möglichst hohen Dividendenzahlung interessiert.145 Aus dem divergierenden Anlageverständnis resultiert ein Interessenkonflikt unter den Aktionären hinsichtlich der optimalen Investitions- und Finanzierungsentscheidungen des Vorstands.146 Da die Annahme eines Übernahmeangebots nicht zwingend sämtlichen Interessengruppen entspricht, kann das Aktionärsinteresse bei Vorliegen eines Übernahmeangebots nicht in einem grundsätzlichen Veräußerungswillen gesehen werden.147 Es gibt auch keine gesellschafts- oder kapitalmarktrechtlichen Anhaltspunkte dafür, bei widerstreitenden Interessen in einer Übernahmesituation den Interessen der verkaufwilligen Aktionäre gegenüber den anderen Aktionärsinteressen Vorrang einzuräumen.148 Zudem steht der Vorstand einer Publikumsaktiengesellschaft vor dem unlösbaren Problem, dass die Konsumund Risikopräferenzen der Aktionäre in der Regel gar nicht bekannt sind.149 Deshalb ist es im Rahmen der Ermessensentscheidung für den Vorstand unmöglich, ein einheitliches Aktionärsinteresse zu berücksichtigen.150

b) Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Aktionärsinteressen – Der Shareholder Value Damit es dem Vorstand trotz des Konflikts der unterschiedlichen Aktionärsinteressen möglich ist, die Interessen der Aktionäre im Rahmen seiner LeitungsentMüller in FS Semler, 1993, 195, 208. Kostolany, Kostolanys Börsenseminar, S. 43; mit mittelfristig ist ein Zeitraum zwischen ein bis drei Jahren gemeint. 144 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 26; Wolf, AG 1998, 212, 216. 145 Schilling, BB 1997, 373, 379. 146 Flassak, S. 52. 147 Wolf, AG 1998, 212, 216. 148 Wolf, AG 1998, 212, 216. 149 Flassak, S. 52. 150 So auch Koch, S. 33; im Einzelnen zu den betriebswirtschaftlichen Theorien zu einer harmonisierten aktionärsorientierten Unternehmenspolitik siehe Flassak, S. 53 ff. 142 143

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

scheidungen zu berücksichtigen, müssen die differierenden Anlageinteressen der Aktionäre auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Allseitig ist das Aktionärsinteresse darauf gerichtet, durch Einsatz des eingelegten Vermögens Erträge zu erzielen, die das eingesetzte Vermögen in seiner Substanz erhalten und vermehren.151 Die Schnittstelle der unterschiedlichen Anlagealternativen am Kapitalmarkt ist nichts anderes als der mit dem Shareholder Value verbundene Profitmaximierungsansatz.152 Unter dem Begriff Shareholder Value ist der Marktwert des Eigenkapitals zu verstehen.153 Nach diesem Ansatz ist der Unternehmenserfolg nicht verlässlich mit dem Gewinn pro Aktie verbunden, sondern wird an dem ökonomischen Wert gemessen, der für den Aktionär als Eigenkapitalgeber geschaffen wird.154 Nach der Idee seines Namensgebers soll mit dem Shareholder Value-Ansatz nicht ein kurzfristiges, einseitig aktionärsorientiertes Gewinndenken verfolgt werden, sondern eine langfristige Gewinn- und Wertsteigerung des Unternehmens.155 Der Shareholder Value-Ansatz basiert auf der Entkoppelung zwischen der kapitelmarktbezogenen Bewertung von Aktien und den individuellen Zeitpräferenzen einzelner Investoren156 und stellt damit den gemeinsamen Nenner der verschiedenen Anlageinteressen dar. Für die Berücksichtigung des Aktionärsinteresses bedeutet dies, dass der Vorstand die wirtschaftlichen Auswirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaft zu beurteilen und die Entscheidung anhand der gewinnträchtigsten Alternative zu treffen hat, da der Börsenkurs auch mit Bekanntmachungen über Gewinne und den Geschäftsverlauf des Unternehmens zusammenhängt.157

2. Die Interessen der Arbeitnehmer Neben dem Aktionärsinteresse hat der Vorstand das Interesse der Arbeitnehmer der Gesellschaft zu berücksichtigen.158 Es ist auf die Erhaltung des Arbeitsplatzes und steigende Löhne gerichtet.159 Da nach der Übernahme von einer durch die Bietergesellschaft bestimmten Unternehmenspolitik oft zu befürchten ist, dass RaUnternehmensrechtskommission, S. 136. Müller in FS Semler, 1993, 195, 197, 207 fasst das Aktionärsinteresse als Shareholder Value zusammen. 153 Mülbert, ZGR 1997, 129, 132; Schilling, BB 1997, 373. 154 Schilling, BB 1997, 373. 155 Rappaport, Creating Shareholder Value, S. 12, 167; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 94, spricht von einer Deckung des Shareholder Value-Ansatzes mit der langfristigen Gewinnmaximierung. 156 Mülbert, ZGR 1997, 129, 159. 157 Wöhe, S. 705. 158 Vgl. statt aller Hüffer, § 76 Rn. 12. 159 Bruns, Der Eingriff in die Mehrheitsverhältnisse einer Aktiengesellschaft durch die Verwaltung, S. 28, 37; Junge FS v. Caemmerer, 547, 550; Koch, S. 35. 151 152

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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tionalisierungen und Stilllegungen bestimmter Betriebsbereiche durchgeführt werden, welche die Änderung oder sogar den ersatzlosen Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge haben können, lehnen die Arbeitnehmer eine Übernahme regelmäßig ab. Neben diesen Ängsten wenden sich die Arbeitnehmer auch oft gegen Übernahmen wegen der damit einhergehenden Änderung der Unternehmenskultur.

3. Das Interesse der Allgemeinheit Teilweise wird über das Aktionärs- und das Arbeitnehmerinteresse hinaus ein Interesse der Allgemeinheit angenommen.160 Von diesem Interesse umfasst sind der Aufbau und Erhalt von Arbeitsplätzen in der jeweiligen Region, die Versorgung mit gewünschten und erforderlichen Produkten und Dienstleistungen, die Unterstützung karitativer Einrichtungen sowie eine möglichst geringe Umweltbelastung.161

4. Die Interessen der Gläubiger der Zielgesellschaft Vereinzelt wird vertreten, der Vorstand habe im Rahmen seines Leitungsermessens auch das Interesse der Gläubiger der Zielgesellschaft162 zu berücksichtigen.163 Dieses Interesse ist auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft gerichtet.164 Daher sind sie an der zukünftigen Rentabilität und damit am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft interessiert.165

5. Das Vorstandsinteresse Neben den zuvor genannten Interessen ist von einem Interesse des Vorstands am Erhalt seiner Organstellung auszugehen.166 Dieses Interesse tritt besonders bei Übernahmeangeboten zu Tage, weil der Vorstand der Zielgesellschaft nach einer Übernahme befürchten muss, seinen Posten für Personal der Bietergesellschaft räumen zu müssen.167 Da der Vorstand im Rahmen von GeschäftsführungsmaßnahHüffer, § 76 Rn. 12. Koch, S. 40, 41. 162 Zu den Gläubigern zählen Banken, Lieferanten, Warenabnehmer und Versicherungsunternehmen, s. Unternehmensrechtskommission, S. 137. 163 Koch, S. 43; Schmidt-Leithoff, S. 153. 164 Koch, S. 43. 165 Koch, S. 43. 166 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 16; s. zum Eigeninteresse des Vorstands im Einzelnen oben C. II. 5. 167 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 16. 160 161

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

men aber nur fremde Interessen zu berücksichtigen hat, darf ein Eigeninteresse des Vorstands bei der Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots keine Rolle spielen.

II. Das Gesellschaftsinteresse Umstritten ist, ob über die zuvor genannten Interessen hinaus auch ein eigenes Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse besteht. Ein solches Interesse kann für die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten entscheidend sein, weil es möglicherweise die Abwehr einer Übernahme rechtfertigen kann.168 Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass trotz der Signifikanz für die Beurteilung der Abwehrbefugnis des Vorstands das Gesellschaftsinteresse in der umfangreichen Literatur zur Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten nur spärliche Beachtung findet.169 Eine ausführliche Erörterung über Bestehen und Inhalt eines eigenen Gesellschaftsinteresses in aktienrechtlicher Hinsicht ist über die genannten Gründe hinaus auch deshalb geboten, weil das Gesellschaftsinteresse auch im WpÜG entscheidende Bedeutung erlangt. § 3 III WpÜG enthält den allgemeinen Grundsatz, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft handeln müssen. Dieser Grundsatz spielt bei der Auslegung der Verhaltenspflichten des Vorstands nach § 33 WpÜG eine entscheidende Rolle. Insbesondere darf der Vorstand von einer bestehenden Vorratsermächtigung – auf die noch näher einzugehen ist – nach § 33 II i.V.m. § 3 III WpÜG nur dann Gebrauch machen, wenn dies nach dem Gesellschaftsinteresse geboten ist.170 Gleiches gilt für Abwehrmaßnahmen des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG.171 Weder in § 3 III WpÜG selbst noch in der Begründung zum Regierungsentwurf findet sich, was unter dem Gesellschaftsinteresse zu verstehen ist. Zur Klärung der aktien- und übernahmerechtlichen Vorstandspflichten in Übernahmesituationen ist jedoch die Stellung und eine inhaltliche Bestimmung des Gesellschaftsinteresses notwendig.

Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1377. Bezeichnend Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1377 einerseits mit dem Hinweis, dass die Beachtung des Gesellschaftsinteresses eine Abwehrbefugnis des Vorstands begründen könnte, andererseits die Entscheidung über das Bestehen und den Umfang eines Gesellschaftsinteresses ignorierend; Auch Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 142 ff., setzt sich im Rahmen seiner sonst schlüssigen Ausführungen mit dem Problem, ob ein Gesellschaftsinteresse tatsächlich besteht, nicht ausreichend auseinander. 170 Im Einzelnen dazu Teil VII, B. IV. 171 Im Einzelnen dazu Teil VII, B. III. 168 169

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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1. Die Terminologie in der Literatur und Rechtsprechung – Unternehmens- oder Gesellschaftsinteresse? In Literatur und Rechtsprechung ist immer wieder von einem Gesellschafts-172 oder Unternehmensinteresse,173 von den Belangen oder dem Wohl174 des Unternehmens oder der Gesellschaft die Rede. Die verschiedenen Termini sind unklar und verwirrend, da eine Differenzierung meist nicht stattfindet.175 Hinfällig wäre eine Unterscheidung dann, wenn die Begriffe Gesellschaft und Unternehmen gleichbedeutend wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Zu unterscheiden ist die Gesellschaft als juristische Person auf der einen und das von dieser Rechtspersönlichkeit getragene und betriebene Unternehmen auf der anderen Seite.176 Trotzdem wird oft, ohne den Begriff Unternehmen inhaltlich zu füllen und zur juristischen Person abzugrenzen, von einem Unternehmensinteresse gesprochen.177 Im Gegensatz zu der unternehmenstragenden Gesellschaft ist dem Unternehmen an sich keine Subjektsqualität beizumessen.178 Für die Aktiengesellschaft folgt sie dagegen bereits aus ihrer Eigenschaft als juristischer Person mit eigener Rechtspersönlichkeit, § 1 I AktG. Die Gesellschaft ist Zuordnungssubjekt eigener Rechte und Pflichten.179 Eine Subjektsqualität des Unternehmens lässt sich indessen nicht herleiten. Deshalb ist auch ein Eigeninteresse des Unternehmens nicht bestimmbar und in einer für eine rechtliche Begriffsverwendung erforderlichen Weise nicht 172 BGH, Urteil vom 05. 06. 1975 – II ZR 156 / 73 – in BGHZ 64, 325, 328; BGH, Urteil vom 07. 03. 1994 – II ZR 52 / 93 – in BGHZ 125, 239, 244; BGH, Urteil vom 21. 04. 1997 – II ZR 175 / 95 – in: WM 1997, 970, 972, 973; BGH, Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93, WM 1997, 1704, 1705, 1706; BVerfG, Beschluss vom 20. 09. 1999 – 1 BvR 168 / 93 in: DB 1999, 2203, 2204; Bosse, ZIP 2001, 104, 105; Bungert, NJW 1998, 488, 492; KölnKommMertens, § 76 Rn. 25; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 530. 173 BGH, Urteil vom 05. 06. 1975 – II ZR 156 / 73 – in BGHZ 64, 325, 331; BGH, Urteil vom 25. 02. 1982 – II ZR 123 / 81 – in BGHZ 83, 106,121; BGH, Urteil vom 25. 02. 1982 – II ZR 102 / 81 – in BGHZ 83, 144, 149; BGH, Urteil vom 25. 02. 1982 – II ZR 145 / 80 – in: BGHZ 83, 151, 153; BVerfG („Mitbestimmungsurteil“), Urteil vom 01. 03. 1979 – 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78 und 1 BvL 21 / 78 – in: BVerfGE 50, 290 , 374; Junge in FS von Caemmerer, 1978, 547, 549, 551Körner, DB 2001, 367, 369; Mülbert, ZGR 1997, 129, 147 ff.; Müller in FS Semler, 1993, 195, 197 f.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 11; Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 967; Thümmel, DB 2000, 461, 463; Wiese / Demisch, DB 2001, 849, 850. 174 BGH, Urteil vom 21. 04. 1997 – II ZR 175 / 95, WM 1997, 970 ff.; im vierten Leitsatz spricht der BGH vom Unternehmenswohl; s. auch im weiteren Urteil S. 973, 974. 175 So aber Mülbert, ZGR 1997, 129, 141; Schmidt-Leithoff, S. 152, 154; Teubner, ZHR 1985, 470, 472; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 625 ff.; Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, S 126 bezeichnet das Unternehmensinteresse als eine Fortentwicklung, zugleich aber als ein aliud des Gesellschaftsinteresses; vgl. im Einzelnen dort S. 126 ff. 176 Schmidt-Leithoff, S. 152. 177 Nur beispielhaft zu nennen sind Junge in FS von Caemmerer, 1978, 547, 549, 551; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 11; Thümmel, DB 2000, 461, 463. 178 Schmidt-Leithoff, S. 152. 179 Hüffer, § 1 Rn. 4.

10 Hens

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

eingrenzbar.180 Der Begriff des Unternehmensinteresses ist, sofern er nicht fälschlicherweise als gleichbedeutend mit dem Interesse der Gesellschaft als Unternehmensträger verwendet wird, unbrauchbar. Die ausführliche Analyse des Unternehmensbegriffs in den verschiedenen Gesetzen und in betriebwirtschaftlicher Hinsicht, seine Abgrenzung zu dem Begriff der Gesellschaft sowie die Verwendung in der Literatur führte zu weit und ist im Übrigen, wie sich in der folgenden Untersuchung zeigen wird, zur Bestimmung einer das Vorstandshandeln prägenden Richtlinie nicht notwendig.181 Wenn in der juristischen Literatur von dem Unternehmensinteresse gesprochen wird, ist tatsächlich meist das Gesellschaftsinteresse gemeint. Beispielsweise spricht Mertens einerseits vom Unternehmsinteresse,182 wobei sich an anderer Stelle herausstellt, dass das Interesse des Unternehmensträgers gemeint ist.183 Thümmel184 zufolge hat der Vorstand im Rahmen seiner Pflicht nach § 76 I AktG in aller erster Linie die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen. Er verweist zur Begründung eines Unternehmensinteresses auf das Bundesverfassungsgericht,185 das seinerseits von einem eigenen Gesellschaftsinteresse ausgeht.186 Hier wie auch an anderen Stellen wird deutlich, dass die Begriffe Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse, auch und gerade im Zusammenhang mit der Diskussion über die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten, austauschbar verwendet werden. Mit dem Unternehmensinteresse ist tatsächlich nichts anderes als das Gesellschaftsinteresse gemeint. Die Ausführungen zu einem Unternehmensinteresse sind daher inhaltlich auf den Begriff eines Gesellschaftsinteresses übertragbar. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung spricht in zahlreichen Urteilen vom Unternehmenswohl,187 vom Gesellschaftsinteresse188 und vom Interesse des Unternehmens.189 Eine von Schmidt-Leithoff190 vorgenommene Analyse der BeSchmidt-Leithoff, S. 152.; kritisch auch Wiedemann, S. 626. Zu einer ausführlichen Darstellung und Analyse der Kontroverse über ein Unternehmensinteresse und dessen Herleitung in Abgrenzung zum Interesse der Gesellschaft als Unternehmensträger s. Schmidt-Leithoff, 45 – 154. 182 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 23, 24. 183 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 25: hier ist die Rede von einem Konflikt zwischen dem Interesse der juristischen Person an der nachhaltigen Förderung der dem Unternehmensgegenstand entsprechenden unternehmerischen Aktivitäten einerseits und den Vermögensbelangen der Aktionäre andererseits. 184 Thümmel, DB 2000, 461, 462. 185 BVerfG, Beschluss vom 20. 09. 1999 – 1 BvR 168 / 93 in DB 1999, 2203, 2204. 186 Thümmel, DB 2000, 461, 462. 187 BGH, Urteil vom 21. 04. 1997 – II ZR 175 / 95, in WM 1997, 970, 973, 974. 188 BGH, Urteil vom 05. 06. 1975 – II ZR 156 / 73 – in BGHZ 64, 325, 331; BGH, Urteil vom 21. 04. 1997 – II ZR 175 / 95, in WM 1997, 970, 972; BVerfG, Beschluss vom 20. 09. 1999 – 1 BvR 168 / 93, DB 1999, 2203, 2204. 189 BGH, Urteil vom 05. 06. 1975 – II ZR 156 / 73 – in BGHZ 64, 325, 331. 190 Schmidt-Leithoff, S. 57 – 62. 180 181

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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griffsverwendung im Mitbestimmungsurteil des BVerfG191 und im Bayer-Urteil des BGH192 ergibt, dass die Begriffe Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse synonym verwendet werden. Zurecht weist er darauf hin, dass, sähe man in den unterschiedlichen Begriffen einen inhaltlichen Unterschied, man sich mit einer Inkonsequenz der Rechtsprechung auseinandersetzen müsste. Denn der BGH sprach bereits im 15. Band der amtlichen Entscheidungssammlung193 von Belangen des Unternehmens, später wiederum vom Gesellschaftsinteresse,194 ohne je ein Wort der Begründung für diese Unterscheidung zu verlieren. Hätte der BGH diese komplexe Abgrenzung tatsächlich vornehmen wollen, ist davon auszugehen, dass er aufgrund der in der Literatur bestehenden Unklarheiten dazu Stellung bezogen hätte.195 Die Ausführungen des BGH drücken vielmehr eine Zurückhaltung gegenüber dieser Kontroverse aus.196 Es bleibt daher festzuhalten, dass die Rechtsprechung von einem Gesellschaftsinteresse ausgeht, und, wenngleich die unterschiedlichen Termini nicht begrüßenswert sind, es nicht zu einem Interesse des Unternehmens im betriebswirtschaftlichen Sinne abgrenzt. Aufgrund der uneinheitlichen, jedoch austauschbaren Begriffe in Literatur und Rechtsprechung, wird hier im Folgenden entsprechend der im zitierten Text verwendeten Terminologie sowohl der Begriff Unternehmensinteresse als auch der – einzig richtige – Begriff Gesellschaftsinteresse verwendet. Gemeint ist immer das Interesse des Unternehmensträgers.

2. Das Gesellschaftsinteresse im Aktiengesetz und im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Das Gesellschaftsinteresse kommt in mehreren Vorschriften des Aktiengesetzes zum Ausdruck. So ist nach § 121 I AktG die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft neben den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen dann einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Der die Einberufung begründende Beschluss muss für die Wahrung der Gesellschaftsinteressen erforderlich sein.197 Nach § 131 III Nr. 1 AktG darf der Vorstand die von einem Aktionär geforderte Auskunft verweigern, wenn ihre Erteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufü191 BVerfG, Urteil vom 01. 03. 1979 – 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78 und 1 BvL 21 / 78 – in: BVerfGE 50, 290. 192 BGH, Urteil vom 05. 06. 1975 – II ZR 156 / 73 – in: BGHZ 64, 325 ff. 193 BGH, Urteil vom 20. 10. 1954 – II ZR 280 / 53 – in BGHZ 15, 71, 78. 194 BGH, Urteil vom 29. 01. 1962 – II ZR 1 / 61 – in BGHZ 36, 296, 306. 195 Schmidt-Leithoff, S. 57. 196 Schmidt-Leithoff, S. 57. 197 Hüffer, § 121 Rn. 5.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

gen. Ein Nachteil ist bereits in jeder einigermaßen gewichtigen Beeinträchtigung des Gesellschaftsinteresses zu sehen.198 Auch das WpÜG setzt das Gesellschaftsinteresse voraus. Nach § 3 III WpÜG haben Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln.

3. Der Inhalt eines eigenen Gesellschaftsinteresses Die für die Beurteilung einer Abwehrbefugnis des Vorstands relevante Kontroverse betrifft die Frage, ob das Gesellschaftsinteresse von den übrigen Interessen abgrenzbar oder lediglich als Oberbegriff für die Aktionärs-, Arbeitnehmer- und Gemeinwohlinteressen zu verstehen ist. Wenn das Gesellschaftsinteresse eigenständig neben den übrigen Interessen besteht, kann es unter Umständen im Rahmen des Leitungsermessens zur Handlungsmaxime für den Vorstand erwachsen und bei Vorliegen eines Übernahmeangebots für die Befugnis zu dessen Abwehr ausschlaggebend sein.

a) Die Eigenständigkeit des Gesellschaftsinteresses (1) Literatur In der Literatur wird teilweise das Bestehen eines eigenen Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresses ausdrücklich abgelehnt199 oder im Rahmen der Aufzählung der vom Vorstand zu berücksichtigenden Interessen ausgespart und damit konkludent verneint.200 Ganz überwiegend wird ein von den verschiedenen Interessengruppen abzugrenzendes Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresse angenommen.201 Dies wird jeHüffer, § 131 Rn. 24. Adams, AG 1990, 243, 247; Kirchner, WM 2000, 1821, 1824. 200 von Werder, ZGR 1998, 69, 74; Semler, Rn. 51 lehnt ein selbständiges Unternehmensinteresse ab. Mit Verweis auf Schmidt-Leithoff, S. 152 scheint er damit auf die Differenzierung zwischen Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse einzugehen. Da er jedoch an gleicher Stelle als einzig zu beachtende Interessen die der Anteilseigner, Arbeitnehmer und Führungsorgane nennt und nicht auf ein Interesse der Gesellschaft als Unternehmensträger eingeht, gibt er zu erkennen, dass er tatsächlich die von Schmidt-Leithoff vorgenommene Differenzierung nicht nachvollzieht und damit ein eigenes Gesellschaftsinteresse ablehnt. 201 Hüffer, § 76 Rn. 13; Henze, BB 1996, 489, 494; ders., Aktienrecht – Höchstrichterliche Rechtsprechung, Rn. 278; Junge FS v. Caemmerer, 1978, 547, 551, 554; Jürgenmeyer, S. 56, 126 ff.; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 24, 25; Körner, DB 2001, 367, 369; Krause NZG 2000, 905, 910; Land / Hasselbach, DB 2000, 1747, 1752; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 532, 551, 552; Müller in FS Semler, 1993, 195, 209; MünchHB GesR-Wiesner, § 19 Rn. 20; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 11, S. 89; Rümker FS Heinsius 1991, 683, 688; Schanz, NZG 2000, 337, 343; Schmidt-Leithoff, S. 56; Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 198 199

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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doch selten ausdrücklich klargestellt202 sondern ergibt sich erst aus dem Zusammenhang. Als Beispiel hierfür seien die Ausführungen von Martens203 genannt. Er ist der Auffassung, der Vorstand dürfe keine Hauptversammlungsbeschlüsse initiieren, die nicht mit den Gesellschafts- oder Unternehmensinteressen überein stimmen.204 Später konkretisiert er seine Aussage indem er ausführt, dass auch die Interessen einzelner Aktionäre bei der Hauptversammlungsinitiative des Vorstands keine Berücksichtigung finden dürften, sofern sie nicht mit dem Gesellschaftsinteresse übereinstimmen.205 Erst hierdurch wird deutlich, dass das Gesellschaftsinteresse nicht als Zusammenfassung sämtlicher Einzelinteressen zu verstehen ist. Insgesamt zeigt sich eine auffällige Zurückhaltung in der Diskussion über das Gesellschaftsinteresse. Häufig wird es ohne Erläuterung einfach vorausgesetzt oder teilweise als problematisch erachtet. Bezeichnend für eine gewisse Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsinteresse sind die Widersprüche bei Hopt. Zunächst erkennt er, dass die Abwehrbefugnis des Vorstands gegen Übernahmeangebote mit einem Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt werden könnte, die Begründung eines solchen von dem der derzeitigen und zukünftigen Aktionäre zu unterscheidenden Interesses aber problematisch sei.206 Wenig später führt er aus, dass eine umfassende Stellungnahme des Vorstands zu einem Übernahmeangebot im Interesse der Zielgesellschaft und207 ihrer Aktionäre liege.208 Damit setzt Hopt das Gesellschaftsinteresse, dessen Begründung er zuvor noch als problematisch erachtet hat, plötzlich wie selbstverständlich als gegenüber dem Aktionärsinteresse eigenständig voraus. Es bleibt damit festzuhalten, dass das Gesellschaftsinteresse nicht mit den anderen Interessen, insbesondere dem Aktionärsinteresse, gleichzusetzen ist. (2) Rechtsprechung Die Rechtsprechung nimmt ebenfalls eine Eigenständigkeit des Gesellschaftsinteresses an. Das Bundesverfassungsgericht hat noch in einem neueren Beschluss209 ausgeführt, dass es dem Vorstand der Aktiengesellschaft als Leitungs(1991), 561, 563; Werner, S. 16; Witte, BB 2000, 2161, 2163, 2164; Kessler, AG 1995, 61, 64 spricht anstelle von einem Unternehmensinteresse von antizipierten Zielen des Unternehmens. 202 So aber beispielsweise KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 16 f.; Thümmel, DB 2000, 461, 462. 203 Martens in FS Beusch, 1993, 529. 204 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 532. 205 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 532. 206 Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1377. 207 Hervorh. d. Verf. 208 Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1380. 209 BVerfG, Beschluss vom 20. 09. 1999 – 1 BvR 168 / 93, DB 1999, 2203.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

organ vorbehalten sei, die Belange aller Gesellschafter, aber auch das Interesse der Gesellschaft selbst, das nicht notwendig mit den Aktionärsinteressen identisch sein muss, zu wahren.210 Das Gericht verweist dabei auf eine Entscheidung vom 1. März 1979,211 in der es bereits feststellte, dass dem Vorstand bei der eigenverantwortlichen Nutzung des von den Anteilseignern zur Verfügung gestellten Kapitals die Wahrung von Interessen aufgegeben sei, die nicht notwendig diejenigen der Anteilseigner sein müssen.212 Auch der BGH versteht das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse als ein aliud gegenüber den Aktionärs- und Arbeitnehmerinteressen.213 (3) Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Dass auch mit dem in § 3 III WpÜG214 erwähnten Gesellschaftsinteresse nicht die Zusammenfassung von Aktionärs-, Arbeitnehmer und sonst zu berücksichtigenden Interessen gemeint ist, verdeutlicht die Begründung zum RegE WpÜG.215 Die Pflicht des Vorstands der Zielgesellschaft, im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln, bedeutet, dass die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und216 die Interessen der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen sind.

b) Der Inhalt des Gesellschaftsinteresses – Das Gesellschaftsinteresse als Interesse am wirtschaftlichen Erfolg und als Bestandsinteresse Obwohl ein eigenes Gesellschaftsinteresse in der Rechtsprechung und im überwiegenden Teil der Literatur angenommen und auch im Aktiengesetz sowie in § 3 III WpÜG vorausgesetzt wird, fehlt es oft an einer inhaltlichen Bestimmung.217

BVerfG, Beschluss vom 20. 09. 1999 – 1 BvR 168 / 93, DB 1999, 2203, 2204. BVerfG, Urteil vom 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77, 533 / 77, 419 / 78 und 1 BvL 21 / 78, DB 1979, 593. 212 BVerfG, Urteil vom 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77, 533 / 77, 419 / 78 und 1 BvL 21 / 78, DB 1979, 593, 597. 213 BGH, Urteil vom 05. 06. 1975 – II ZR 156 / 73 – in BGHZ 64, 325, 331: Der Senat unterscheidet das Gesellschaftsinteresse ausdrücklich zu den im Aufsichtsrat repräsentierten Interessen. 214 „Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln.“ 215 BT-Drucksache 14 / 7034 S. 35. 216 Hervorh. d. Verf. 217 Die Rechtsprechung geht an keiner Stelle auf den Inhalt des Gesellschaftsinteresses ein. 210 211

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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(1) Das Gesellschaftsinteresse an dauerhafter Rentabilität Teilweise wird das Gesellschaftsinteresse im Schrifttum als Interesse am Fortbestand und der dauerhaften Rentabilität der Gesellschaft verstanden.218 Rentabilität setzt voraus, dass ein Periodenerfolg in Form eines Bilanzgewinns erzielt wird.219 Das Interesse an dauerhafter Rentabilität kann danach auch als Interesse an einer Gewinnerzielung oder umfassend als Interesse am wirtschaftlichen Erfolg bezeichnet werden. Dieses Interesse ergibt sich bei einer erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Aktiengesellschaft automatisch aus dem Gesellschaftszweck, welchem der in der Satzung festgelegte Gegenstand des Unternehmens als Mittel zu dienen hat.220 Aktienrechtlich ergibt sich das Interesse an dauerhafter Rentabilität aus § 90 I Nr. 2 AktG. Danach hat der Vorstand dem Aufsichtsrat über die Rentabilität der Gesellschaft zu berichten. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist die Überwachung der Geschäftsführung. Dies indiziert die Verpflichtung des Vorstands, für die Rentabilität zu sorgen.221 Die übrigen Interessen gehen bei abstrakter und langfristiger Betrachtung in dem Interesse an dauerhafter Rentabilität bzw. wirtschaftlichem Erfolg auf. Eine unrentable Aktiengesellschaft ist nicht in der Lage ihre Kapitalgeber, sei es durch eine Dividendenausschüttung oder die Steigerung des Börsenkurses,222 zufrieden zu stellen. Sie kann weder Arbeitsplätze erhalten noch die Löhne erhöhen und mangels finanzieller Mittel nicht gemeinnützigen Zwecken dienen. Auch für die Gläubiger besteht die Gefahr, dass ihre Forderungen gegenüber der Gesellschaft nicht erfüllt werden. Folglich kann man das Gesellschaftsinteresse an dauerhafter Rentabilität auch als das gemeinsame Interesse der verschiedenen Interessengruppen des Unternehmens bezeichnen.223 Insofern stehen die verschiedenen zu berücksichtigen Interessen bei langfristiger Betrachtung in praktischer Konkordanz.224

218 Hüffer, § 76 Rn. 13; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 10, 17; von Rosen / Seifert, S. 344; Schilling, BB 1997, 373, 379; Witte, BB 2000, 2161, 2163; Wiedemann, S. 627 f., spricht von der erwerbswirtschaftlichen Orientierung der Unternehmung. 219 Schilling, BB 1997, 373, 375. 220 Bruns, Der Eingriff in die Mehrheitsverhältnisse einer Aktiengesellschaft durch die Verwaltung, S. 36, 37; Jürgenmeyer, S. 128, 129; Schilling, BB 1997, 373, 375; Semler, § 3 Rn. 38, S. 26. 221 Semler, Rn. 34, S. 24. 222 Der Börsenkurs hängt u. a. mit den Bekanntmachungen über Gewinne und den Geschäftsverlauf des Unternehmens zusammen, s. Wöhe, s. 705. 223 Schilling, BB 1997, 373, 379. 224 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 19.

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

(2) Das Interesse am Fortbestand der Gesellschaft Aus dem Interesse am wirtschaftlichen Erfolg ergibt sich automatisch ein Bestandsinteresse. Der Bestand der Gesellschaft ist naturgemäß Voraussetzung für die dauerhafte Rentabilität und damit zugleich für die Verfolgung sämtlicher mit der Gesellschaft zusammenhängender Interessengruppen. Hopt lehnt ein Bestandsinteresse mit dem Hinweis ab, der Bestand der Gesellschaft stehe allein in der Hand der Anteilseigner. Es unterfalle ihrem Kompetenzbereich, die Gesellschaft und das in ihr gebundene Kapital aufzulösen.225 Tatsächlich besteht die Möglichkeit der Liquidation der Gesellschaft durch die Aktionäre nach § 262 I Nr. 2 AktG. Unrichtig ist aber, deshalb ein grundsätzliches Bestandsinteresse abzulehnen. Bei einem Gesellschaftsinteresse am Bestand und der dauerhaften Rentabilität geht es darum, einer unfreiwillige Liquidation der Aktiengesellschaft gemäß § 262 I Nr. 3, 4 und 6 AktG entgegenzuwirken. Dadurch wird die Auflösungskompetenz nach § 262 I Nr. 2 AktG in keiner Weise berührt oder gar unterlaufen. Solange die Aktionäre von diesem Recht keinen Gebrauch machen, bringen sie automatisch zum Ausdruck, dass sie am Bestand der Gesellschaft interessiert sind. Seine Argumentation entkräftet Hopt genau mit diesem Gedanken an anderer Stelle226 im Rahmen seiner Ausführungen zur Befugnis zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 I Nr. 1 AktG. Diesen hält er jedenfalls dann für unzulässig, wenn die Auflösung oder Zerschlagung der Zielgesellschaft nach der Übernahme durch einen Auflösungsbeschluss betrieben werden soll. Etwas anderes gelte für eine Existenzgefahr des Unternehmens durch eine schlechte Marktstellung.227 Damit stellt er eben die notwendige Differenzierung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Auflösung oder Zerschlagung der Zielgesellschaft heraus. c) Ergebnis Das Gesellschaftsinteresse ist inhaltlich auf den Bestand und die dauerhafte Rentabilität gerichtet. Bei langfristiger Betrachtung stellt es den gemeinsamen Nenner der verschiedenen Einzelinteressen dar. Deshalb besteht abstrakt weder die Notwendigkeit noch eine Berechtigung, das Gesellschaftsinteresse als inhaltlich unterschiedlich gegenüber den Einzelinteressen zu verstehen. Im konkreten Einzelfall können sich jedoch die verschiedenen Interessen im Gegensatz zu dem gleich bleibenden Inhalt des Gesellschaftsinteresses ändern und damit von ihrem Inhalt bei langfristiger Betrachtung abkehren. Dann zeigt sich, dass das Gesellschaftsinteresse tatsächlich nicht mit den soeben genannten Interessen gleichzusetzen228 ist und Eigenständigkeit229 erlangt. Dies kann am Beispiel 225 226 227 228

Hopt ZGR 1993, 534, 538. Hopt, ZGR 1993, 535, 563. Hopt, ZGR 1993, 535, 563. Schmidt-Leithoff, S. 152, 154.

D. Die Leitungsentscheidung des Vorstands der Zielgesellschaft

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eines unangemessenen und ausbeuterischen Übernahmeangebots, dessen Erfolg für die Zielgesellschaft negative wirtschaftliche Auswirkungen erwarten lässt und bei dem damit eine Abwehr des Übernahmeangebots im Interesse der Zielgesellschaft läge, veranschaulicht werden. Das Interesse veräußerungswilliger Aktionäre orientiert sich dann nicht mehr am langfristigen wirtschaftlichen Erfolg sondern es besteht in der Realisierung des Veräußerungsgewinns. Das Gesellschaftsinteresse an dauerhafter Rentabilität steht dem Erfolg des Übernahmeangebots indes entgegen. Es entsteht ungeachtet der weiteren Interessengruppen ein Interessenkonflikt zwischen den veräußerungswilligen Aktionären und dem Gesellschaftsinteresse. Hierdurch zeigt sich die Eigenständigkeit des Gesellschaftsinteresses an dauerhafter Rentabilität. 4. Das Gesellschaftsinteresse als Schranke des Leitungsermessens Bei der Ermessenausübung des Vorstands im Rahmen der Geschäftsführung bildet das Gesellschaftsinteresse eine Ermessensschranke.230 Das bedeutet, dass der Vorstand im Rahmen seines Leitungsermessens zunächst die Aktionärs-, Arbeitnehmer und Gemeinwohlinteressen zu berücksichtigen und diese untereinander abzuwägen hat. Das Interesse der Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft genießt Vorrang vor den Arbeitnehmer- und Gemeinwohlinteressen.231 Für eine bevorzugte Berücksichtigung des Aktionärsinteresses spricht vor allem, dass sich der Aktionärsschutz nur aus dem Aktiengesetz ergibt, wohingegen sich für die Arbeitnehmer umfangreiche Schutzrechte, wie beispielsweise der Kündigungsschutz, aus den speziellen Arbeitsgesetzen ergeben. Das Abwägungsergebnis darf nicht dem Gesellschaftsinteresse entgegen stehen. Die Leitungsentscheidungen müssen den dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft fördern.232 Dem Vorstand kann demnach eine fehlerhafte Ermessensausübung vorgeworfen werden, wenn er das Interesse am wirtschaftlichen Erfolg in unvertretbarer Weise gegenüber anderen Zielen zurücktreten lässt.233

III. Die Ermessensausübung des Vorstands bei Vorliegen eines Übernahmeangebots Bei Vorliegen eines öffentlichen Übernahmeangebots ist dem Vorstand eine vernünftige Ermessensausübung unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen nicht So ausdrücklich Teubner ZHR 148 (1985), 470, 472. Hüffer, § 76 Rn. 13; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 10, 17; Witte, BB 2000, 2161, 2163. 231 Kirchner WM 2000, 1821, 1822; für eine gleichberechtigte Interessenwahrnehmung Hüffer, § 76 Rn. 12; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 19. 232 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 17. 233 KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 17. 229 230

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

möglich, weil die verschiedenen Anlegerinteressen nicht bestimmbar und daher nicht hinreichend bekannt sind.234 Anstelle der Aktionärsinteressen muss der Vorstand im Rahmen seines Leitungsermessens den gemeinsamen Nenner der unterschiedlichen Anlegerinteressen, den Shareholder Value, berücksichtigen. Die Entscheidung über die Abwehr oder Befürwortung eines Übernahmenangebots erfordert jedoch in der Regel eine solche Ermessenausübung des Vorstand aufgrund der ermessensbeschränkenden Bedeutung des Gesellschaftsinteresses nicht. Entweder eine Übernahme entspricht dem Gesellschaftsinteresse, weil sie den unternehmerischen Zielen der Zielgesellschaft entspricht und den wirtschaftlichen Erfolg fördern würde, oder das Gesellschaftsinteresse steht ihr entgegen. Es bleibt daher kaum Spielraum, eine Entscheidung unter Abwägung der übrigen Interessen im konkreten Einzelfall zu treffen. Insofern ist das Vorstandsermessen bei Vorliegen eines Übernahmeangebots in der Regel auf Null reduziert. Das Gesellschaftsinteresse erwächst damit zur Entscheidungs- und Handlungsmaxime für den Vorstand. Liegt die Abwehr eines Übernahmeangebots im Gesellschaftsinteresse, ist der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.

E. Ergebnis Dem Vorstand der Zielgesellschaft obliegt bei Vorliegen von öffentlichen Übernahmeangeboten keine Neutralitätspflicht. Ob und welche Abwehrmaßnahmen er gegen den Erfolg eines Übernahmeangebots ergreift, richtet sich nach den §§ 76 f., 93 AktG. Der Vorstand hat bei seiner Entscheidung gemäß § 93 I AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Ist streitig, ob das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Leitungsentscheidung ist, obliegt hierfür dem Vorstand die Beweislast, § 93 II 2 AktG. Dies entspricht der Beweislastregelung nach der US-amerikanischen Rechtsprechung. Dort hat das Board of Directors gemäß dem Unocal-Test im Rahmen eines Rechtsstreits über die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot zunächst nachzuweisen, dass vernünftige Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität bestehen und dass die gewählte Abwehrmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Bedrohung steht.235 Nach dem deutschen Aktienrecht hat der Vorstand nachzuweisen, dass das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen im Gesellschaftsinteresse geboten ist. Hier zeigt sich, dass zwischen dem US-amerikanischen und deutschen Gesellschaftsrecht in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen deutliche Parallelen bestehen.

234 235

Siehe oben unter A. I. 2. a). Vgl. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985).

E. Ergebnis

155

Um zu bestimmen, ob die Abwehr eines Übernahmeangebots dem Gesellschaftsinteresse entspricht, muss der Vorstand sorgfältig die Angemessenheit des Angebots sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen einer erfolgreichen Übernahme auf die Zielgesellschaft beurteilen.236 Die Abwehr eines Übernahmeangebots kann insbesondere dann geboten sein, wenn die Zielgesellschaft nach einer Übernahme zerschlagen werden soll, etwa um sie als einen Konkurrenten der Bietergesellschaft vom Markt zu verdrängen, wenn die Liquidität der Zielgesellschaft der Sanierung der Bietergesellschaft dienen soll oder das Vermögen der Zielgesellschaft dazu missbraucht werden soll, eine in hohem Maße fremdfinanzierte Übernahme zu refinanzieren (LBO). Der Vorstand kann aber auch dann Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen, wenn die Übernahme wegen den nicht mit der strategischen Ausrichtung der Zielgesellschaft übereinstimmenden Absichten des Bieters keine Synergieeffekte bewirken oder sich sonst wirtschaftlich negativ auf die Zielgesellschaft auswirken würde. Wie im US-amerikanischen Recht anerkannt,237 sollte dies auch nach dem deutschen Aktienrecht selbst dann gelten, wenn die Abwehr des Übernahmeangebots den Wünschen der Mehrzahl der Aktionäre widerspricht. Zu berücksichtigen ist nicht ein kurzfristiges Profitinteresse veräußerungswilliger Aktionäre, sondern das Interesse an langfristigem wirtschaftlichen Erfolg und der Shareholder Value. Da mit einer Übernahme regelmäßig eine Änderung der Geschäftsstrategie einher geht, ist der Vorstand nicht verpflichtet, das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen zu unterlassen und damit eine erfolgreich etablierte Geschäftsstrategie aufzugeben, es sei denn, dass keine vernünftigen Gründe für die Aufrechterhaltung der Geschäftsstrategie sprechen.238 In den soeben genannten Fällen kann der Vorstand sämtliche ihm aktienrechtlich zur Verfügung stehende Abwehrmaßnahmen ergreifen, um das Übernahmeangebot abzuwehren. Wenn eine Übernahme hingegen Synergieeffekte vermuten lässt oder das strategische Konzept des Bieters im Übrigen den unternehmerischen Zielen der Zielgesellschaft entspricht, muss der Vorstand der Zielgesellschaft den Erfolg einer Übernahme fördern. Er darf dann keine Abwehrmaßnahmen ergreifen und muss den Aktionären in seiner Stellungnahme unter Angabe der Gründe zur Annahme des Angebots raten. Eine Übernahme ist ferner dann im Interesse der Zielgesellschaft zu befürworten, wenn sie der Sanierung der Zielgesellschaft dienen kann. Auch 236 Welche Aspekte der Vorstand bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hat, ob er Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreift, wird ausführlich im Rahmen der Frage erörtert, wann der Vorstand nach § 33 II RegE WpÜG von einer Vorratsermächtigung Gebrauch machen muss; dies deckt sich mit der Abwehrbefugnis nach dem Aktienrecht, weil der Vorstand der Zielgesellschaft dann von der Vorratsermächtigung Gebrauch mach muss, wenn dies im Interesse der Zielgesellschaft geboten ist. Siehe zu den Kriterien, die der Vorstand seiner Entscheidung über die Abwehr oder Befürwortung eines Übernahmeangebots zugrunde zu legen hat im Einzelnen Teil VII, D. II. 3. 237 Vgl. Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1157 (Del. 1989). 238 So auch die US-amerikanische Rechtsprechung in Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1157 (Del. 1989).

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Teil IV: Abwehr feindlicher Übernahmeangebote in Deutschland

wenn eine Änderung der Geschäftspolitik erforderlich ist, etwa weil sich die bisherige vom Vorstand bestimmte strategische Ausrichtung als erfolglos erwiesen hat, kann der Vorstand das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen nicht rechtfertigen. Ist dem Vorstand keine eindeutige Entscheidung darüber möglich, ob die Abwehr im Interesse der Zielgesellschaft liegt oder nicht, etwa weil sich positive und negative Aspekte gegenüber stehen, ist er nicht zur Abwehr eines Übernahmeangebots berechtigt. Dann ist dem Interesse der Aktionäre an der freien Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme des Angebots Vorrang einzuräumen. In diesem Fall beschränkt sich die Pflicht des Vorstands darauf, Bedenken gegen die Übernahme sowie die Aspekte, die für die Annahme des Angebots sprechen, in seiner Stellungnahme darzulegen. Ist der Angebotspreis des Bieters zu niedrig, dient zugleich aber sein Konzept der Verwirklichung der unternehmerischen Ziele der Zielgesellschaft, reichen zur Verfolgung des Interesses der Zielgesellschaft und ihrer Aktionäre unter Umständen bereits Maßnahmenankündigungen, die tatsächlich nicht durchgeführt werden, wenn sie den Bieter zu einer Erhöhung des Angebots und zu Zugeständnissen239 in Bezug auf die spätere Integrationsphase nötigen.240 Wenn solche Ankündigungen nicht ausreichen, muss der Vorstand die Maßnahmen durchführen, um den Bieter zu einer Erhöhung des Angebots zu zwingen. Weil der Vorstand bei unangemessenen Übernahmeangeboten nur für einen angemessenen Angebotspreis zu sorgen hat, ist er bei der Wahl der Abwehrmaßnahmen nicht frei. Er hat sein Handeln auf das Ergreifen unternehmenswertsteigernder Maßnahmen zu beschränken. Dies resultiert aus einem in diesem Falle bestehenden Ermessensspielraum, innerhalb dessen der Vorstand in erster Linie das Aktionärsinteresse zu berücksichtigen hat. Da das Aktionärsinteresse für den Fall der Annahme eines Übernahmeangebots auf den höchst möglichen Veräußerungserlös gerichtet ist, muss der Vorstand sein Handeln danach ausrichten. Nimmt er Maßnahmen vor, die nicht unternehmenswertsteigernd und daher nicht geeignet sind, ein erhöhtes Angebot nach sich zu ziehen, handelt er pflichtwidrig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Übernahmenangebot zugleich dem Gesellschaftsinteresse entgegensteht und aus diesem Grund abzuwehren ist. Insgesamt sind strenge Maßstäbe für eine Abwehrbefugnis des Vorstands zu fordern. Er muss stichhaltige Gründe dafür haben, dass die Abwehr im Interesse der Zielgesellschaft geboten ist. Reine Vermutungen und Spekulationen reichen nicht aus. Insbesondere wegen der Gefahr, dass der Vorstand seine Leitungsmacht dazu missbrauchen könnte, sein Amt aufrecht zu erhalten, muss er die Abwehr eines Übernahmeangebots umfassend und nachvollziehbar begründen. Das Einhalten dieser Maßstäbe sollte darüber hinaus einer Kontrolle zugänglich sein, vergleichbar der Überprüfung durch die Gerichte Delawares.241 In Frage kommen etwa Übernahmegarantien für Mitarbeiter oder die Geschäftsleitung. Achleitner, S. 214. 241 Siehe zu den Anforderungen an die Vorstandsentscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots Teil VII, D. II. 3. 239 240

E. Ergebnis

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Insgesamt ist das Ergebnis, dass der Vorstand seine Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots nach dem Gesellschaftsinteresse auszurichten hat, zufriedenstellend. Das Gesellschaftsinteresse entspricht, jedenfalls bei langfristiger Betrachtung, den übrigen in der Aktiengesellschaft zusammentreffenden Interessen. Insbesondere deckt sich das Konzept einer langfristigen Gewinnmaximierung mit dem Shareholder Value-Ansatz242 als gemeinsamer Nenner der verschiedenen Anlegerinteressen. Dieses Resultat opfert die Entscheidungsfreiheit der veräußerungswilligen Aktionäre im Falle einer erfolgreichen Abwehr durch den Vorstand. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Angebotspreis an sich angemessen ist, das Vorhaben des Bieters nach einer Übernahme jedoch gegen eine Übernahme spricht und diese daher vom Vorstand abgewehrt wird. Die Konzeption des Aktiengesetzes sieht indessen diese Vorgehensweise des Vorstands vor. Den Vorstand mit einer Neutralitätspflicht zu belegen, kann allein aus einem speziellen Übernahmerecht folgen. Die Annahme, eine am Gesellschaftsinteresse ausgerichtete Abwehrbefugnis des Vorstands widerspreche dem Interesse verkaufswilliger Aktionäre an einem kurzfristigen möglichst hohen Veräußerungserlös, ist gleichwohl verfehlt. Besteht eine Abwehrbefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft, wird der Bieter mit dem Vorstand der Zielgesellschaft vor der Abgabe eines Übernahmeangebots in Verhandlungen treten, um auf eine einvernehmliche Übernahme hinzuwirken und damit Abwehrmaßnahmen des Vorstands der Zielgesellschaft zu vermeiden. Dadurch steigt die Verhandlungsmacht des Vorstands der Zielgesellschaft, woraus ein bedeutend höherer Angebotspreis resultieren dürfte. Dies entspricht auch und gerade dem Interesse veräußerungswilliger Aktionäre. Kommt es wegen der Abwehrkompetenz bei einer ablehnenden Haltung des Vorstands zu einem feindlichen Übernahmeszenario, entspricht auch dies dem Interesse der veräußerungswilligen Aktionäre. Werden insbesondere unternehmenswertsteigernde Abwehrmaßnahmen ergriffen, muss der Bieter sein Angebot nachbessern. Die Erwartung eines höheren Angebots hat in der Regel an den Kapitalmärkten zugleich eine Kurssteigerung zur Folge. Sehr deutlich veranschaulicht dies beispielhaft die Kurssteigerung der Mannesmann-Aktie während der Übernahmeschlacht zwischen Vodafone und Mannesmann. Selbst wenn es gelingt, das Übernahmeangebot abzuwehren, bleibt den Aktionären der Zielgesellschaft die Möglichkeit, ihre Aktien zu einem hohen Preis über die Börse zu veräußern. Wegen der zunehmenden Anzahl von Share-Deals liegt darin sogar ein entscheidender Vorteil für die Aktionäre der Zielgesellschaft. Sie sind nicht der Gefahr einer negativen Entwicklung der zum Tausch angebotenen Aktien der Bietergesellschaft nach der Übernahme ausgesetzt, sondern erhalten bei dem Verkauf über die Börse einen Barerlös.

242

Wöhe, S. 94.

Teil V

Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht A. Abwehrmaßnahmen Der Erfolg eines Übernahmeangebots kann mit verschiedenen Mitteln verhindert oder zumindest erschwert werden. Es können präventiv bereits im Vorfeld eines Übernahmeangebots Hindernisse für eine Übernahme geschaffen oder während der Angebotsfrist nachträgliche Abwehrmaßnahmen (Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen) ergriffen werden. Weiterhin ist zu differenzieren zwischen Maßnahmen, die unmittelbar durch den Vorstand durchgeführt werden und solchen, die durch den Vorstand lediglich eingeleitet und von der Hauptversammlung beschlossen werden. Abwehrmaßnahmen, die der Mitwirkung der Aktionäre bedürfen, stehen keine aktienrechtlichen Bedenken entgegen. Handelt es sich um reine Vorstandsmaßnahmen, richtet sich ihre grundsätzliche Zulässigkeit nach dem Gesellschaftsinteresse und bei unangemessenen Übernahmeangeboten, denen das Gesellschaftsinteresse nicht entgegensteht, nach dem Aktionärsinteresse.

I. Präventivmaßnahmen Die Schnittstelle zwischen präventiven und nachträglichen Abwehrmaßnahmen befindet sich in dem Zeitpunkt des Eintritts der speziellen Vorstandspflichten während des Übernahmeverfahrens. Da die Neutralitätspflicht des Vorstands nach Art. 19 S. 1 ÜK ab Bekanntgabe des Angebots begann, war bis zum Inkrafttreten des WpÜG zur Unterscheidung zwischen vorbeugenden und konkreten Abwehrmaßnahmen darauf abzustellen, ob die Maßnahme vor oder nach dieser Bekanntgabe durchgeführt wurde. Nach § 33 I 1 WpÜG hingegen beginnen die spezialgesetzlichen Verhaltenspflichten des Vorstands nicht erst mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage, sondern bereits im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots. Präventivmaßnahmen sind seit Inkrafttreten des WpÜG demnach solche Maßnahmen, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots ergriffen werden. Vorbeugende Abwehrmaßnahmen können Barrieren für den Erfolg zukünftiger Übernahmeangebote schaf-

A. Abwehrmaßnahmen

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fen. Sie können aber auch gegen ein konkretes Übernahmevorhaben gerichtet sein, wenn der Vorstand der Zielgesellschaft von einem Übernahmevorhaben Kenntnis erlangt hat, bevor die Entscheidung zur Abgabe des Angebots veröffentlicht wurde. Aktienrechtlich besteht bei der Beurteilung der Zulässigkeit kein Unterschied zwischen präventiven und nachträglichen Abwehrmaßnahmen. In beiden Fällen müssen sie im Gesellschaftsinteresse liegen. Seit Inkrafttreten des WpÜG sind nur noch Präventivmaßnahmen aktienrechtlich zu beurteilen, da nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots die spezielle Vorschrift des § 33 WpÜG eingreift.

1. Die Steigerung des Börsenkurses Wenn der Vorstand durch eine erfolgreiche Geschäftspolitik den Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft steigern kann, erhöht sich dadurch der Angebotspreis für ein Übernahmeangebot. Dies erfordert eine hohe Liquidität der Bietergesellschaft, so dass sich der Kreis der potentiellen Bietergesellschaften verkleinert. Damit kann eine derartige Geschäftspolitik zu einer erfolgreichen Abwehr von Übernahmeangeboten führen, ohne eine Abwehrmaßnahme im eigentlichen Sinne zu sein, da die Abwehr aus keiner dafür initiierten Maßnahme, sondern mittelbar aus einer Wertsteigerung resultiert.

2. Erschwerung der Abberufung des Vorstands Nach einer Übernahme ist der Bieter regelmäßig am Austausch der Leitungsorgane der Zielgesellschaft durch eigenes Personal interessiert, um seine strategischen Ziele zu verwirklichen. Deshalb können Übernahmen unattraktiver gemacht werden, indem der Austausch von Aufsichtsrat und Vorstand durch entsprechende Mehrheitserfordernisse in der Satzung erschwert wird. Da der Vorstand nach § 84 I AktG vom Aufsichtsrat bestellt und gemäß § 84 III AktG abberufen werden kann, muss der Übernehmer, will er eigene Leute neben oder anstelle des bisherigen Vorstands einsetzen, den entscheidenden Einfluss im Aufsichtsrat erlangen. Die Mitglieder werden gemäß § 101 I AktG von der Hauptversammlung gewählt, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden1 oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz oder dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 zu wählen sind.2 Sie können gemäß § 103 I AktG auch bereits vor dem Ablauf ihrer Amtszeit von der Hauptversammlung abberufen werden, wenn sie ohne Bindung 1 2

Siehe dazu Hüffer, § 101 Rn. 8 ff. § 96 AktG und im Einzelnen Hüffer, § 96 Rn. 5 ff.

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Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind. Dadurch besteht die Möglichkeit für den Mehrheitsaktionär, wenn er die für die Abberufung nach § 103 I 2 AktG geforderte 3/4-Mehrheit in der Hauptversammlung erlangt hat, durch die Bestellung eigenen Personals eine Machtposition im Aufsichtsrat zu erlangen und dann unter den Voraussetzungen des § 84 III AktG den Vorstands abzuberufen. Wenn die Bietergesellschaft entscheidenden Einfluss im Aufsichtsrat erlangen kann, können Vorstandsmitglieder vor dem Ende ihrer Amtszeit gemäß § 84 III 1 AktG dann abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Einen wichtigen Grund stellt nach § 84 III 2 AktG auch der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung dar, der mit der einfachen Mehrheit beschlossen werden kann.3 Zwar darf der Vertrauensentzug nicht aus unsachlichen Gründen erfolgen, gleichwohl ist eine zusätzliche Begründung nicht erforderlich.4 Es ist kein begründeter persönlicher Vorwurf gegen die Vorstandsmitglieder erforderlich.5 Hat der Bieter eine Machtposition im Aufsichtsrat erlangt, kann er die Vorstandsmitglieder nach § 84 III AktG abberufen. Damit hat er die schwerste Hürde genommen, um nach der Abberufung den Vorstand mit eigenem Personal zu besetzen. Wenn der Bieter zugleich die erforderliche Mehrheit in der Hauptversammlung besitzt, kann er dem Vorstand das Vertrauen entziehen und somit einen Abberufungsgrund gemäß § 84 III 2 AktG schaffen. Um dies zu erschweren, besteht für die Zielgesellschaft im Vorfeld die Möglichkeit, nach § 103 I 3 AktG die erforderliche Mehrheit für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern vor dem Ende ihrer Amtszeit auf bis zu 100% zu erhöhen. Dadurch wird dem Bieter mittelbar auch die Besetzung des Vorstands erschwert und ein Anreiz für eine Übernahme genommen. Selbst wenn der Bieter nicht den Weg über die Hauptversammlung wählt, sondern mit seiner Stimmenmehrheit im Aufsichtsrat den Vorstand nach den in § 84 III 2 AktG zuerst genannten Gründen abberuft, wird es auch unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines solchen Grundes de facto zu einem Abtreten des Vorstands kommen. Nach § 84 III 4 AktG ist der Widerruf solange wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig ist. Beruft der Aufsichtsrat den Vorstand also ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes ab, muss der Vorstand die Unwirksamkeit gerichtlich feststellen lassen. Es wäre realitätsfern, anzunehmen, dass der abberufene Vorstand nach einem langwierigen, möglicherweise mehrinstanzlichen Verfahren wieder seine Position wahrnehmen würde. Dies verdeutlicht die Macht, die der Aufsichtsrat auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes in Bezug auf die Abberufung des Vorstands hat. In der Praxis vollzieht sich der Einzug des Personals der Bietergesellschaft in den Vorstand der Zielgesellschaft oft auf eine andere Art und Weise. Häufig drängt der Bieter Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft durch Zahlung einer hohen Ab3 4 5

Hüffer, § 84, Rn. 30. Hüffer, § 84, Rn. 29. Hüffer, § 84, Rn. 29.

A. Abwehrmaßnahmen

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findung aus ihrem Amt, indem sie selbst zurücktreten. Ein solches einvernehmliches Ausscheiden ist ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig und bedarf auf Seiten der AG der Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats.6 Teilweise sind die Leitungsorgane der Zielgesellschaft auch freiwillig bereit, ihren Stuhl nach einer erfolgreichen Übernahme zu räumen.7 Von Abfindungszahlungen nach einer erfolgreichen Übernahme zu unterscheiden ist das Verbot des Bieters gemäß § 33 III WpÜG, den Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen. Hiermit sollen Manipulationen hinsichtlich des Erfolgs eines Übernahmeangebots verhindert werden. Das Verbot gilt damit nach Abschluss des Übernahmeverfahrens nicht mehr. 3. Einschränkungen des Kündigungsrechts Nicht selten kommt es vor, dass nach einer Übernahme in Folge von Strukturierungsmaßnahmen, die zum Konzept des Bieters gehören, Arbeitsplätze im Wege einer Rationalisierung wegfallen. Vor diesem Hintergrund können Abkommen zwischen Gesellschaft und Arbeitnehmern, die das Kündigungsrecht des Arbeitgebers für bestimmte Fälle ausschließen, den Plänen des Bieters nach der Übernahme im Weg stehen. In Betracht kommen insbesondere Vereinbarungen, die eine ordentliche Kündigung der Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit ausschließen.8 Da hierdurch der Kündigungsschutz nach dem KSchG oder der geltende tarifliche Kündigungsschutz9 nicht verschlechtert wird, begegnen solche Vereinbarungen keinen arbeitsrechtlichen Bedenken.10 Insbesondere liegt hierbei auch keine verfassungswidrige Einschränkung der Unternehmerfreiheit vor, wenn außerordentliche Kündigungen weiterhin möglich sind.11 Denkbar sind individuelle Abreden zwischen Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern, wodurch etwa das ordentliche Kündigungsrecht insgesamt oder betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen oder auf personen- und verhaltensbedingte Gründe beschränken werden. Möglich sind auch Vereinbarungen, die den Arbeitgeber für den Fall einer sozial gerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung zur Zahlung einer Abfindung verpflichteten.12 Trotz des Umstandes, dass die ArHüffer, § 84, Rn. 37. Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 967. 8 Stahlhacke / Preis / Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 201. 9 Einschränkungen des Kündigungsrechts sind auch tarifvertraglich möglich, siehe dazu Löwisch DB 1998, 877 ff. 10 Becker / Hillebrecht-Etzel, § 1 KSchG Rn. 34. 11 Löwisch, Vorb. § 1 KSchG Rn. 92. 12 Becker / Hillebrecht-Etzel, § 1 KSchG Rn. 34. 6 7

11 Hens

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beitnehmer, zugunsten derer eine ordentliche Kündigung ganz oder teilweise ausgeschlossen ist, nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, wird darin kein unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter gesehen, wenn nicht die Umgehung der Grundsätze der Sozialauswahl bezweckt ist.13 Neben einzelvertraglichen Regelungen sind auch Dienst- oder Betriebsvereinbarungen zulässig, die für die gesamte oder Teile der Belegschaft betriebsbedingte Kündigungen für einen bestimmten Zeitraum ausschließen.14 Aufgrund der kollektiven Wirkung solcher Dienst- oder Betriebsvereinbarungen dürften diese am ehesten geeignet sein, dem Bieter einen Anreiz für eine Übernahme zu nehmen. Zweifelhaft erscheint jedoch die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen als präventive Abwehrmaßnahme im Lichte der §§ 76 f., 93 AktG. Denn nicht nur dem Bieter wird es nach einer Übernahme unmöglich, betriebsbedingte Kündigungen vorzunehmen. Auch vor einer Übernahme sind solche Kündigungen dann generell nicht möglich. Das bedeutet, dass sich die Gesellschaft in eine wirtschaftlich gefährliche und unflexible Position begibt. Sollte sich aufgrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation oder aufgrund von Strukturierungsmaßnahmen das Erfordernis betriebsbedingter Kündigungen ergeben, ist dies aufgrund des eingeschränkten Kündigungsrechts nicht möglich. Vor diesem Hintergrund dürfte der Vorstand regelmäßig gegen seine Pflichten gemäß §§ 76 f., 93 AktG verstoßen, wenn er den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bzw. betriebsbedingter Kündigungen mit dem alleinigen Zweck herbeiführt, als Übernahmekandidat weniger attraktiv zu erscheinen. 4. Die Vinkulierung von Namensaktien – § 68 II AktG Als präventive Abwehrmaßnahme kann die Vinkulierung von Namensaktien gemäß den §§ 68 II, 180 II AktG dienen. Vinkulierte Namensaktien können nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden. Die Zustimmung erteilt der Vorstand, § 68 II 2 AktG. Eine Übertragung ohne Zustimmung der Gesellschaft ist schwebend unwirksam. Bei Genehmigung wird sie wirksam, bei Versagung der Genehmigung endgültig unwirksam.15 Die Vinkulierungsklausel kann in der Gründungssatzung enthalten sein oder nachträglich eingefügt werden, wobei dann gemäß § 180 II AktG die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich ist. Da die Zustimmung aller Aktionäre während eines Übernahmeangebots nicht erfolgen wird, kommt die Vinkulierung nur als präventive Abwehrmaßnahme in Betracht.16 Wenn die Satzung eine Vinkulierungsklausel enthält, kann der Vorstand ein Übernahmeangebot abwehren indem er die Zustimmung zur Übertragung der Aktien als Annahme des Übernahmeangebots verweigert. 13 14 15 16

Kiel / Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, Rn. 322. Becker / Hillebrecht-Etzel, § 1 KSchG Rn. 35. Vgl. statt aller Hüffer, § 68 Rn. 16 m. w. N. Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 568.

A. Abwehrmaßnahmen

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Die Satzung kann, muss aber nicht die Gründe enthalten, bei deren Vorliegen eine Veräußerungsverweigerung seitens der Gesellschaft erfolgen kann, § 68 II 4 AktG. Anerkannte Verweigerungsgründe sind unter anderem der Schutz vor Überfremdung und die Aufrechterhaltung der bisherigen Beteiligungsverhältnisse.17 Enthält die Satzung bestimmte Verweigerungsgründe, sind diese abschließend. Als Grund für eine Abwehrmaßnahme gegen ein Übernahmeangebot wäre beispielsweise denkbar, dass die Veräußerung verweigert werden kann, wenn ein Erwerber einen bestimmten Schwellenwert an Stimmrechten überscheitet.18 Sind in der Satzung keine Verweigerungsgründe enthalten, entscheidet der Vorstand nach seinem pflichtgemäßen Ermessen unter Abwägung des Gesellschaftsinteresses mit dem Interesse der übertragungswilligen Aktionäre wobei er den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53 a AktG zu beachten hat.19 Da ein einheitliches Aktionärsinteresse in Übernahmesituationen nicht feststellbar ist, erwächst das Gesellschaftsinteresse zum entscheidenden Maßstab. Widerspricht eine Übernahme dem Gesellschaftsinteresse, kann der Vorstand seine Zustimmung zur Übertragung verweigern.20 Unschlüssig ist die Argumentation von Marquardt,21 der die Zustimmungsverweigerung des Vorstands bei Vorliegen eines Übernahmeangebots stets als unzulässig ansieht. Eine Zustimmungsverweigerung könne nur zum Wohle der Gesellschaft erfolgen. Da aber Unternehmensübernahmen nicht per se gesellschaftsschädlich sind, handele der Vorstand rechtsmissbräuchlich, wenn er die Zustimmung nur zur Abwehr eines Übernahmeangebots verweigere.22 Richtig ist zwar, dass Unternehmensübernahmen nicht per se gesellschaftsschädlich sind. Umgekehrt sind sie für die Zielgesellschaft aber auch nicht per se wirtschaftlich sinnvoll und damit der Gesellschaft dienlich. Deshalb ist es verfehlt, von der generellen Unzulässigkeit der Zustimmungsverweigerung bei Vorliegen eines Übernahmeangebots auszugehen. Ob der Vorstand die Zustimmung für die Veräußerung vinkulierter Namensaktien erteilt, richtet sich vielmehr nach dem Gesellschaftsinteresse. Insofern unterliegt die Vorstandsentscheidung hierüber den gleichen Voraussetzungen wie die Entscheidung darüber, ob der Vorstand überhaupt Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen kann. 5. Vertragliche Verfügungsbeschränkungen Der Vorstand kann einen der gesetzlichen Regelung des § 68 II AktG ähnelnden präventiven Übernahmeschutz schaffen, indem er in Vertretung der Gesellschaft 17 Für die Zustimmungsverweigerung bei einer Familiengesellschaft, s. BGH, Urteil vom 01. 12. 1986 – II ZR 287 / 85 – in: NJW 1987, 1019 f.; Lutter / Grunewald, AG 1989, 109. 18 Schneider / Burgard, DB 2001, 963, 967. 19 Schwegmann / Pfaffenberger, DBW 51 (1991), 561, 569. 20 Schanz, NZG 2000, 337, 341. 21 Marquardt, WiB 1994, 537 ff. 22 Marquardt, WiB 1994, 537, 538.

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strategische Allianzen mit den Aktionären durch vertragliche Verfügungsbeschränkungen bildet, wonach es den Aktionären untersagt ist, über ihre Anteile ohne Zustimmung des Vorstands zu verfügen. Solche Vereinbarungen haben im Gegensatz zur gesetzlich geregelten Vinkulierung von Namensaktien nur schuldrechtliche Wirkung. Wegen § 137 BGB kann der dinglich wirksame Erwerb der Aktien durch einen Dritten nicht ausgeschlossen werden. Das Verpflichtungsgeschäft über die Verfügungsbeschränkung bleibt indessen nach § 137 S. 2 BGB wirksam. Trotz der nur schuldrechtlichen Wirksamkeit spielen Verfügungsbeschränkungen eine nicht unbedeutende Rolle, da die Verträge regelmäßig mit Vertragsstrafen bewährt sind.23 Ein Vertragsverstoß zieht damit negative Folgen für den vertragswidrig veräußernden Aktionär nach sich. Verfügungsbeschränkungen, die von den Aktionären untereinander geschlossen werden, stehen nach allgemeiner Ansicht keine rechtlichen Bedenken entgegen.24 Die Zulässigkeit solcher Verträge zwischen der Gesellschaft und den Aktionären wird teilweise mit dem Argument verneint, dass § 68 II AktG eine abschließende Regelung darstelle und durch schuldrechtliche Übertragungsbeschränkungen unzulässigerweise umgangen werde.25 Dem ist entgegenzuhalten, dass zwischen der Vinkulierung im Sinne des § 68 II AktG und schuldrechtlichen Übertragungsbeschränkungen der entscheidende Unterschied in der dinglichen Wirkung liegt. § 68 II AktG stellt eine gesetzliche Ausnahme zu § 137 BGB dar,26 weil eine Übertragung ohne Zustimmung der Gesellschaft unwirksam27 ist. Die rein schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung ändert hingegen nichts an der gesetzlichen Vorgabe des § 137 BGB. Eine dinglich wirksame Übertragung ist bei einer vertraglichen Regelung nach § 137 S. 2 BGB immer möglich. Im Übrigen binden sich die Aktionäre bei vertraglichen Verfügungsbeschränkungen nach ihrem freien Willen. Daher geht die herrschende Meinung zurecht von der Zulässigkeit vertraglicher Übertragungsbeschränkungen aus.28 Insbesondere bei Großaktionären sind Übertragungsbeschränkungen in Kombination mit einer Vertragsstrafe bei Zuwiderhandlung sinnvoll. Solche Vereinbarungen mit Publikumsaktionären börsennotierter Aktiengesellschaften zu treffen, dürfte dagegen wohl kaum praktikabel sein.29 Die Gefahr einer Übernahme kann aber auch durch Vertragsstrafen nicht gänzlich gebannt werden, da der Bieter die Zahlung der Vertragsstrafen in seinem AnImmenga, AG 1992, 79, 80. Immenga, AG 1992, 79, 80; KölnKomm-Lutter, § 68 Rn. 27; Lutter / Schneider, ZGR 1975, 182, 187. 25 Immenga, AG 1992, 79, 82; Otto, AG 1991, 369, 374. 26 Barthelmeß / Braun, AG 2000, 172, 174. 27 H. M.; vgl. statt aller Hüffer, § 68 Rn. 16. 28 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 120; Marquardt, WiB 1994, 537, 538; Schanz, NZG 2000, 337, 341; umfassend zur bestehenden Kontroverse mit überzeugenden Argumenten insbesondere Barthelmeß / Braun, AG 2000, 172, 177. 29 Schanz, NZG 2000, 337, 341. 23 24

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gebotspreis möglicherweise berücksichtigt30 und damit die Aktionäre gleichwohl zu einer Veräußerung der Aktien bewegen kann. Als Übernahmeprophylaxe bietet es sich daher für den Vorstand der Zielgesellschaft insbesondere an, Aktien bei einer befreundeten Gesellschaft zu platzieren und durch vertragliche Verfügungsbeschränkungen sicher zu stellen, dass diese Aktien nicht an einen Bieter im Falle eines Übernahmeangebots veräußert werden. Ist eine vertragliche Verfügungsbeschränkung so ausgestaltet, dass die Verfügung an die Zustimmung des Vorstands geknüpft ist, kann für die Zustimmungsverweigerung bei Vorliegen eines Übernahmeangebots nichts anderes gelten als im Rahmen des § 68 II AktG. Der Vorstand darf seine Zustimmung also nur dann verweigern, wenn die Abwehr einer Übernahme im Gesellschaftsinteresse liegt. Andernfalls muss er seine Zustimmung erteilen.

6. Stimmrechtsbindungen Der Vorstand kann versuchen, die Aktionäre untereinander zum Abschluss von Stimmrechtsbindungsverträgen zu bewegen. In Bezug auf ein Übernahmeangebot kann ein solcher Vertrag insofern als präventive Abwehrmaßnahme dienen, als im Rahmen einer eventuellen Hauptversammlung zum Beschluss über Abwehrmaßnahmen gegen eine Übernahme die Verpflichtung besteht, für die Abwehr der Übernahme zu stimmen. Nichtig sind nach § 136 II AktG Stimmbindungsverträge zwischen Aktionären und der Gesellschaft, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat oder einem abhängigen Unternehmen. Im Gegenschluss ergibt sich daraus die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen der Aktionäre untereinander.31 Ein Verstoß gegen einen Stimmbindungsvertrag hat nicht die Unwirksamkeit der Stimmenabgabe zur Folge.32 Deshalb sind Stimmbindungsverträge nur dann als taugliches Abwehrmittel im Falle eines Abwehrbeschlusses anzusehen, wenn der Verstoß gegen die Stimmrechtsbindung mit einer Vertragsstrafe belegt ist. Der Bieter könnte die stimmgebundenen Aktionäre aber gleichwohl zu einer die Abwehr ablehnenden Stimmabgabe bewegen, wenn er die zu zahlende Vertragsstrafe übernimmt. Problematisch ist, ob die Übernahme der Vertragsstrafe nach § 405 III Nr. 6 AktG zulässig ist. Nach § 405 III Nr. 6 AktG handelt ordnungswidrig, wer besondere Vorteile dafür annimmt, dass er bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimmt. Die besseren Argumente sprechen dafür, die Übernahme der Vertragsstrafe durch den Bieter als besonderen Vorteil anzusehen. Einerseits entsteht zwar dem Aktionär insgesamt kein finanzieller Vorteil, da er die Erstattung der Vertragsstrafe zur Begleichung der selben wieder verwenden muss. Andererseits hat er sich freiwillig vertraglich gebunden und 30 31 32

Schanz, NZG 2000, 337, 341. Geßler / Hefermehl-Eckhardt, § 136 Rn. 51; KölnKomm-Zöllner, § 136 Rn. 84. RG, Urteil vom 19. 06. 1923 – II 53 / 23 – in: RGZ 107, 67, 70.

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damit der Vertragsstrafe zugestimmt. Dass er für den Fall der Zuwiderhandlung insgesamt keinen finanziellen Nachteil erleidet, stellt unter Berücksichtigung der Vertragsstrafe gerade den Vorteil dar. Deshalb handelt der Aktionär, der bei Übernahme der Vertragsstrafe durch den Bieter gegen den Stimmbindungsvertrag verstößt, ordnungswidrig i. S. d. § 405 III Nr. 6 AktG. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn der Bieter einem ohne Vertragsstrafe stimmrechtsgebundenen Aktionär eine Prämie für seine vertragswidrige Stimmabgabe gibt.

7. Höchststimmrechte und Mehrstimmrechtsaktien Höchststimmrechte sind durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich („KonTraG“) für börsennotierte Gesellschaften abgeschafft worden. Sie sind nunmehr nur noch bei nicht börsennotierten Gesellschaften zulässig, § 136 I 2 AktG. Daher erübrigen sich hier sämtliche Erörterungen zur Einführung von Höchststimmrechten. Mittlerweile sind auch Höchststimmrechte, die bei börsennotierten Gesellschaften vor dem Inkrafttreten des KonTraG bestanden, gemäß § 5 VII EGAktG unwirksam geworden. Mehrstimmrechtsaktien aufgrund einer Satzungsbestimmung, wonach eine Aktie ihrem Inhaber mehr Stimmen gibt als ihrer auf das Grundkapital bezogenen Beteiligungsquote entspricht, können auf einen Bieter abschreckende Wirkung entfalten, wenn sie sich in der Hand der Gesellschaft wohlgesonnener Dritter befinden und damit die Erlangung der Kontrolle durch den Bieter stark erschweren. Seit der Einführung des KonTraG hat sich auch der Einsatz von Mehrstimmrechtsaktien erledigt. Nach § 12 II 2 AktG a.F. waren Mehrstimmrechtsaktien mit ministerieller Genehmigung zulässig. Die Genehmigung war zu erteilen, wenn dies durch überwiegende gesamtwirtschaftliche Belange geboten war.33 § 12 II 2 AktG ist durch Art. 1 Nr. 3 KonTraG aufgehoben worden, um die Übereinstimmung von Kapitaleinsatz und Stimmrechtseinfluss herzustellen.34 Nach § 12 II AktG n.F. sind Mehrstimmrechte nun unzulässig. Vor dem Inkrafttreten des KonTraG durch Genehmigung erteilte Mehrstimmrechtsaktien erlöschen nach § 5 I 1 HS. 1 EGAktG am 1. Juni 2003. 8. Die Ermächtigung des Vorstands zur Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts Besonders wirkungsvoll lassen sich Übernahmen durch Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts abwehren. Durch die Kapitalerhöhung erhöht sich die Anzahl der Aktien, so dass für die vom Bieter angestrebte Kontrollmehrheit der Erwerb einer höheren Anzahl von Aktien erforderlich ist. Damit verteuert sich 33 34

Hüffer, § 12 Rn. 9. Vgl. Hüffer, § 12 Rn. 8.

A. Abwehrmaßnahmen

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eine Übernahme. Wird gemäß den §§ 203 II 2 i.V.m. 186 IV AktG das Bezugsrecht der jungen Aktien ausgeschlossen, können sie zudem gezielt platziert und damit dem Erwerb durch die Bietergesellschaft entzogen werden, wenn der Erwerber die Aktien nicht an den Bieter veräußert. In diesem Falle verringert sich die Möglichkeit des Bieters, die Kontrollmehrheit an der Zielgesellschaft zu erreichen. Wenn die Ermächtigung zur Schaffung genehmigten Kapitals nicht bereits in der Satzung enthalten ist, kann der Vorstand eine solche Ermächtigung in die Tagesordnung der Hauptversammlung aufnehmen und damit versuchen, einen Ermächtigungsbeschluss herbeizuführen. Ist er zur Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts befugt, kann er im Falle einer konkreten Übernahmesituation schnell durch die Ausgabe neuer Aktien reagieren und ist nicht mehr auf die Zustimmung der Hauptversammlung angewiesen. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Ausschlusses des Bezugsrechts ist es trotz der mittlerweile geringen Anforderungen durch die Rechtsprechung des BGH im Siemens / Nold-Urteil35 ratsam, die Abwehr eines Übernahmeangebots in den Ermächtigungskatalog der Satzung für den Bezugsrechtsausschluss aufzunehmen.36

9. Die Vorratsermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung zur Abwehr von Übernahmeangeboten Aktienrechtlich begegnen Vorratsermächtigungen des Vorstands zur Abwehr von Übernahmeangeboten durch einen Beschluss der Hauptversammlung dann keinen Bedenken, wenn es darum geht, unangemessene oder für die Zielgesellschaft sonst wirtschaftlich nachteilige Übernahmen zu vereiteln. Nach der hier vertretenen Auffassung37 ist eine Vorratsermächtigung zur Begründung einer Abwehrbefugnis des Vorstands allerdings gar nicht erforderlich, da der Vorstand ohnehin zur Abwehr eines Übernahmeangebots befugt ist, wenn dies zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses geboten ist. Ein Vorratsbeschluss würde diese Befugnis nicht ausweiten, da der Vorstand auch von einem Vorratsbeschluss nur dann Gebrauch machen darf, wenn die Abwehr im Gesellschaftsinteresse liegt. Die aktienrechtliche Beurteilung von Vorratsermächtigungen spielt seit dem Inkrafttreten des WpÜG keine Rolle mehr, da Vorratsermächtigungen in § 33 II WpÜG speziell geregelt sind.

35 BGH (Siemens / Nold), Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704, 1705. 36 Siehe ausführlich zu den Anforderungen der Schaffung genehmigten Kapitals als Abwehrmaßnahme unter Berücksichtigung des Siemens / Nold-Urteils für den Ausschluss des Bezugsrechts unten A. II. 6. 37 Siehe Teil VII, D. II. 2.

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II. Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen während eines Übernahmeverfahrens 1. Das Ausnutzen der Informationspflicht Der Vorstand ist nach Veröffentlichung eines Übernahmeangebots den Aktionären sowohl gesellschaftsrechtlich 38 als auch übernahmerechtlich39 zur Information in Form einer begründeten Stellungnahme zu dem Übernahmeangebot verpflichtet.40 Gesellschaftsrechtlich folgt dies aus der Obliegenheit des Vorstands zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre.41 Die Stellungnahme muss alle Gründe beinhalten, die für und gegen eine Übernahme sprechen.42 Ferner muss sie die Beurteilung der Angemessenheit der gebotenen Gegenleistung, was eine Aussage über den Wert und das Wertpotential der Aktien der Zielgesellschaft impliziert, sowie eine Prognose über die künftige Geschäfts- und Ertragsentwicklung enthalten.43 Der Vorstand muss auch auf eventuelle rechtliche Bedenken44 bei einer erfolgreichen Übernahme hinweisen, es sei denn diese Bekanntmachung würde gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 93 I 2 AktG verstoßen.45 Die Stellungnahme soll den Ausgleich zu einer einseitigen Information durch die Bietergesellschaft bilden46 und damit eine objektive Meinungsbildung der Aktionäre ermöglichen. Hierbei steht es dem Vorstand frei, auch seine Bedenken gegen die drohende Übernahme zu artikulieren47 und gegebenenfalls den Aktionären von der Annahme des Angebots abzuraten. Da die Stellungnahme der Meinungsbildung der Aktionäre dient, darf sie ausschließlich objektive Informationen und keine unbegründeten Werturteile enthalten. Werturteile sind nur dann zulässig, wenn sie als solche gekennzeichnet und auf zutreffender wie ausreichender Tatsachengrundlage abgegeben werden.48 Der 38 Beckmann, DB 1995, 2407, 2408; Ebenroth / Daum, DB 1991, 1157, 1159; Grunewald, WM 1989, 1233, 1237; Hopt, ZGR 1993, 534, 556; ders. ZHR 161 (1997), 368, 411; ders. in FS Lutter 2000, 1361, 1380; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26; Krause AG 2000, 217, 220; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 549, 552; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262; Schander / Posten, ZIP 1997, 1534,1535. 39 § 27 RegE WpÜG; Art. 18 ÜK. 40 Die folgenden Ausführungen gelten nur für die aktienrechtliche Pflicht zur Stellungnahme sowie für die Pflicht nach Art. 18 ÜK. 41 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 104; Hopt, ZGR 1993, 534, 556; ders. in FS Lutter 2000, 1361, 1380; KölnKomm-Mertens, § 76 Rn. 26. 42 Martens in FS Beusch 1993, 529, 552; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 159. 43 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262. 44 In Betracht kommen etwa kartellrechtliche Probleme. 45 Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1381. 46 KölnKomm-Mertens § 76 Rn. 26. 47 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 549. 48 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 105; Hopt FS Lutter 2000, 1361, 1381.

A. Abwehrmaßnahmen

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Vorstand macht sich haftbar, wenn er trotz entgegenstehender Tatsachen die Stellungnahme dazu ausnutzt, um die Aktionäre zu beeinflussen,49 da die Pflicht zur Stellungnahme aus der Pflicht zur Wahrung der Aktionärs- und Gesellschaftsinteressen folgt. Zu begrüßen ist der Hinweis von Hopt, dass eine ordnungsgemäße Begründung der Stellungnahme, die sich auf die gesamten Umstände des Angebots einschließlich Bieter und Zielgesellschaft und der Auswirkungen auf die Zielgesellschaft, ihre Aktionäre und ihre Beschäftigten erstrecken muss, das Einholen von sachverständigem Rat, etwa eines Wirtschaftsprüfers oder einer Investmentbank, z. B. zu Bewertungsfragen, notwendig machen kann.50 Dadurch kommt man einer objektiven, auf Tatsachen beruhenden und unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der Übernahme erstellten Stellungnahme einen großen Schritt näher. Aufgrund der Gefahr, eigene Interessen zu verfolgen, ist zu fordern, dass Vorstandsmitglieder in der Stellungnahme offen legen, wie sie selbst mit eigenen Aktien auf das Übernahmeangebot reagieren. Damit würde ein widersprüchliches Verhalten der Vorstandsmitglieder, einerseits den Aktionären von der Annahme des Angebots abzuraten und andererseits selbst das Angebot anzunehmen, unterbunden. Aktienrechtlich wird diese Pflicht zurecht bestritten,51 da sie aus dem Aktiengesetz nicht herzuleiten ist. Deshalb ist eine solche Offenlegungspflicht, wie sie in § 27 I Nr. 4 WpÜG52 vorgesehen ist, nachdrücklich zu befürworten. Bisher ist der Vorstand der Verpflichtung einer begründeten Stellungnahme im Rahmen der Übernahmen nach dem Übernahmekodex nicht ausreichend nachgekommen. Bei sämtlichen Stellungnahmen findet sich lediglich der unbegründete Hinweis auf die Angemessenheit des Angebots und die daraus resultierende Empfehlung der Annahme oder Nichtannahme.

2. Anzeige- und Werbekampagnen und die Einflussnahmen auf die Aktionäre zu einer so genannten „Pool- und Frontenbildung“ durch Roadshows Der Vorstand der Zielgesellschaft kann versuchen, die Aktionäre durch Roadshows und öffentliche Anzeigen- und Werbekampagnen von einer Annahme des Übernahmeangebots abzuhalten.

49 Dies gilt sowohl für eine zu günstige als auch für eine zu ungünstige Prognose, siehe Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262, 263. 50 Hopt in FS Lutter 2000, 1361, 1381. 51 Hopt in FS Lutter 2000, 1361, 1381, 1382; ders. ZGR 1993, 534, 557; Großkomm-Hopt, § 93 Rn. 130; A.A. wohl Berger, ZIP 1991, 1644, 1658. 52 Eine entsprechende Regelung findet sich im englischen City Code in Rule 25.3 a) VI.

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Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

a) Die Zulässigkeit von Roadshows Roadshows sind gezielte Treffen mit institutionellen Anlegern, bei denen der Vorstand für sein Konzept wirbt und versucht, die Teilnehmer von seiner Geschäftsstrategie zu überzeugen. Bei Roadshows im Zusammenhang mit feindlichen Übernahmeangeboten bezweckt der Vorstand, die institutionellen Anleger davon zu überzeugen, dass sie mit der Ablehnung des Angebots die bessere Wahl für ihr Investment treffen. Während der Übernahmeschlacht zwischen Vodafone und Mannesmann veranstaltete der Vorstand der Mannesmann AG eine Roadshow, um die Großaktionäre der Mannesmann AG in sämtlichen Ländern über die Zukunftspläne und Gewinnchancen des Unternehmens zu informieren. Das Ziel war, die Aktionäre von einem Eintauschen ihrer Anteile gegen Vodafone-Aktien abzuhalten. (1) Die Mannesmann-Entscheidung des LG Düsseldorf Das LG Düsseldorf53 hatte in einem Beschluss vom 14. Dezember 1999 über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von Privatanlegern der Mannesmann AG während des Übernahmekampfes zwischen Vodafone und Mannesmann über die Zulässigkeit einer Pool- und Frontenbildung durch die Roadshow des Mannesmann-Vorstands zu entscheiden. Die Antragsteller wandten sich mit einem Unterlassungsbegehren gegen diese Vorgehensweise mit der Begründung, dass dies eine selektive Information bewirke und zu einer verbotenen Ungleichbehandlung der Aktionäre führe. Das Landgericht lehnte den Antrag mit der Erklärung ab, dass die Entscheidungsbefugnisse der Aktionäre aus ihrer Mitgliedschaft nicht beeinträchtigt würden, sondern allenfalls die Entscheidungsbildung über die Mitgliedschaft.54 Dieser Beschluss ist in der Literatur zurecht auf Zustimmung gestoßen.55 Die freie Entscheidung der Aktionäre über Annahme oder Nichtannahme des Übernahmeangebots wird nicht beeinträchtigt. Es findet auch keine einseitige Information statt, da die Aktionäre bei Roadshows die Möglichkeit haben, kritische Rückfragen zu stellen. Es stellt auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53 a AktG dar, dass Roadshows nicht für private Kleinaktionäre abgehalten werden.56 Denn bei der Ungleichbehandlung von institutionellen und privaten Anlegern besteht keine Ungleichbehandlung unter gleichen Voraussetzungen.57 Institutionelle 53 54 55 56 57

LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 12. 1999 – 10 O 495 / 99 Q – in: AG 2000, 233. LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 12. 1999 – 10 O 495 / 99 Q – in: AG 2000, 233, 234. Insbesondere Krause, AG 2000, 217, 220. Krause, AG 2000, 217, 220. Krause, AG 2000, 217, 220.

A. Abwehrmaßnahmen

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Anleger und private Kleinaktionäre verfolgen unterschiedliche Interessen. Unzulässig wäre nur eine inhaltlich abweichende Information im Rahmen von Roadshows zu der allen Aktionären zugänglichen Stellungnahme des Vorstands.58 Zulässig ist auch eine Einflussnahme auf die Aktionäre, durch die der Vorstand die Aktionäre zum Abschluss schuldrechtlicher Vereinbarungen bewegt, ihre Anteile nicht zu veräußern.59 Damit kann der Vorstand der Gefahr begegnen, dass Aktionäre das Übernahmeangebot vorsorglich nur deshalb annehmen, um nicht als alleiniger Minderheitsaktionär nach einer Übernahme zu verbleiben.60 Ob die Aktionäre vertragliche Bindungen dieser Art eingehen, unterliegt allein ihrem freien Willen. Insgesamt begegnen Roadshows daher aktienrechtlich keinen Bedenken.61

b) Die Zulässigkeit von Werbekampagnen Da sich Roadshows für private Kleinanleger nicht eignen, ist es aus Sicht des Vorstands vielmehr zweckmäßig, sie durch öffentliche Werbekampagnen von der Nichtannahme des Übernahmeangebots zu überzeugen. Nach allgemeiner Ansicht im Schrifttum sind solche Werbemaßnahmen grundsätzlich zulässig.62 Denn wie bei der Einflussnahme durch Roadshows bleibt bei Werbekampagnen die Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme bei den Aktionären.63 (1) Das Erfordernis informationshaltiger Werbung am Beispiel der Anzeigenkampagne Vodafone-Mannesmann Zweifelhaft ist die Zulässigkeit von Werbeanzeigen dann, wenn sie jeden sachlichen Informationsgehalts entbehren. In einer solchen Art und Weise gestalteten sich die Anzeigen von Vodafone und Mannesmann während der Übernahmeschlacht. Die Mannesmann AG inserierte in überregionalen deutschen Tageszeitungen bis zu jeweils vier ganzseitige Anzeigen, in denen sie für den Alleingang in der Telekommunikation warb.64 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 263 . Barthelmeß / Braun, AG 2000, 172, 175; Krause, AG 2000, 217, 220; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 263; Solche Vereinbarungen sind auch schon im Vorfeld einer Übernahme durch vertragliche Verfügungsbeschränkungen denkbar, siehe oben unter D I. 5. 60 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 263. 61 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 263; a.A. ohne nähere Begründung Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 248. 62 Becker, ZHR 165 (2001), 280, 284; Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1382 f.; Horn, ZIP 2000, 473, 482; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 264; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 549; a.A. Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1440. 63 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 264. 64 Zur Anzeigenschlacht siehe Spiegel Online vom 17. 01. 2000: „Baby, Baby, balla-balla“. 58 59

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Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

Auf einer der Mannesmann-Anzeigen war ein Baby zu sehen, das den Betrachter mit großen Augen ansah und an dessen Handgelenk verschiedene Bänder hingen, die mit Neuerwerbungen der Mannesmann AG (z. B. Omnitel und Orange) beschriftet waren. Unter den Bildern des Babys stand „Es hat sich viel vorgenommen“. Im weiteren Verlauf der Werbekampagne war in den Anzeigen unter dem Babyfoto zu lesen, es „wachse schneller und kräftiger von ganz allein“. Vodafone reagierte auf die Anzeigen von Mannesmann ebenfalls mit einem Babyfoto und konterte mit Sprüchen wie „Jedermann weiß: Wer groß werden will, braucht eine gute Mutter“. Dies erwiderte Mannesmann mit dem Slogan „Eine feindliche Mutter wäre das Allerschlimmste“. In einer weiteren Anzeige der Mannesmann AG war ein Verkehrsschild zu sehen, auf dem stand: „Achtung! Mit Vodafone wird Ihr Aktiendepot zur Baustelle.“ Die Geschäftsstelle der Übernahmekommission reagierte auf diese unsachlichen Anzeigenkampagnen und wies in den Bemerkungen an die Aktionäre der Mannesmann AG zum Übernahmeangebot von Vodafone sowohl die Bieter- als auch die Zielgesellschaft darauf hin, in den Anzeigen unzulässige irreführende Aussagen sowie provokative oder unsachliche Darstellungen zu unterlassen.65 Der Auffassung der Geschäftsstelle ist zuzustimmen. Bei Übernahmeangeboten ist es die Pflicht der Vorstände von Bieter- und Zielgesellschaft, die Aktionäre sachlich und objektiv zu informieren. Das Maß an sachlichen Informationen, die die Aktionäre durch die Stellungnahme des Vorstands erlangt haben, würde verwässert, wenn die Aktionäre durch unsachliche und irreführende Werbeanzeigen mit originellem Design und einsilbigen Werbeslogans überzeugt werden sollen. Betrachtet man die Werbeschlacht im Falle Vodafone-Mannesmann überspitzt, müssten die Aktionäre, die davon überzeugt sind, dass ein Kind von der eigenen Mutter aufgezogen wird, ihre Aktien behalten und die Aktionäre, die in Erziehungsfragen liberaler eingestellt sind, ihre Aktien verkauft haben. Als Zulässigkeitsvoraussetzung für Werbeanzeigen ist ein ausreichender Informationsgehalt zu fordern. Dabei müssen für Bieter- und Zielgesellschaft die gleichen Anforderungen gelten. Wenn der Bieter eine Anzeigenkampagne startet, muss es der Zielgesellschaft erlaubt sein, in adäquater Weise darauf zu reagieren.66 Zwar wird man es Bieter- und Zielgesellschaft nicht verwehren können, Werbeagenturen einzuschalten und optische Mittel zu verwenden. Zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit jeder Anzeige muss jedoch ein ausreichender Informationsgehalt sein. Gerade bei großen Werbeanzeigen ist es möglich, die von der Anzeige getroffene Pauschalaussage mit Gründen zu versehen. Dies war bei der Werbeschlacht von Vodafone und Mannesmann nicht mehr der Fall. Um trotzdem unsachliche und irreführende Anzeigen zu unterbinden, muss es sowohl der Bieter- als auch der Zielgesellschaft untersagt sein, solche Anzeigen zu veröffentlichen. Ansonsten 65 Bemerkungen der Übernahmekommission an die Aktionäre der Mannesmann AG zum Übernahmeangebot von Vodafone vom 01. 02. 2000. 66 Horn, ZIP 2000, 473, 482.

A. Abwehrmaßnahmen

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könnten irreführende Werbekampagnen mit dem Argument der Herstellung einer Waffengleichheit leicht gerechtfertigt werden. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen ist, dass sich ihr finanzieller Aufwand in einem akzeptablen Rahmen hält.67 Der Vorstand handelt pflichtwidrig, wenn die Kosten der Agenturen unter Berücksichtigung des Gesellschaftsvermögens erheblich sind und sich schädigend auswirken.

3. Verkauf und Zukauf von Aktiva Bei Kenntnis eines bevorstehenden Übernahmevorhabens oder auch während eines Übernahmeverfahrens kann der Vorstand der Zielgesellschaft dem Bieter einen wichtigen Anreiz für die Übernahme nehmen, wenn er weiß, worauf es der Bieter abgesehen hat und dieses Zielobjekt (sog. „Crown Jewel“) veräußert. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Veräußerung von Aktiva, die für die Zielgesellschaft selbst eine wichtige Rolle spielen, wie jede Geschäftsführungsmaßnahme dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung entsprechen muss. Es ist kaum denkbar, dass das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung des Vorstands unter Berücksichtigung sämtlicher Interessen in der Veräußerung von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen, die für die Wirtschaftlichkeit der Zielgesellschaft wichtig sind, liegen kann. Deshalb dürften Verteidigungshandlungen in Form der Veräußerung von Crown Jewels in der Regel unzulässig sein. Außerdem sind hier die Holzmüller-Grundsätze des BGH68 zu beachten, bei deren Vorliegen eine Veräußerung oder Ausgliederung eines wichtigen Geschäftsbereiches oder Vermögensteils der Gesellschaft der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Aus dieser Entscheidung folgt, dass Abwehrmaßnahmen, die eine solche Umschichtung der Aktiva der Gesellschaft beinhalten, nicht in die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands fallen, sondern von der Hauptversammlung zu beschließen sind. Daraus ergibt sich die Unzulässigkeit der Veräußerung von Crown Jewels, wenn sie den Hauptteil der Aktiva darstellen und die Hauptversammlung zuvor nicht zugestimmt hat.69 Eine Übernahme kann auch durch die Akquisition eines Konkurrenzunternehmens der Bietergesellschaft erschwert werden, wenn hierdurch wettbewerbs- oder kartellrechtliche Probleme für den Fall einer Übernahme entstünden. Eine solche Akquisition fand im Vorfeld des Übernahmeangebots von Vodafone an Mannesmann statt. Nach dem bekannt werden des Übernahmevorhabens von Vodafone erwarb die Mannesmann AG den drittgrößten britischen Mobilfunksender Orange. 67 Picot, Handbuch Mergers & Acquisitions, S. 171; ähnlich auch Hirte / von Bülow, § 33 Rn. 63. 68 BGH, Urteil vom 25.02 1982 – II ZR 174 / 80 in: BGHZ 83, 122. 69 Michalski, AG 1997, 152, 159; Schanz, NZG 2000, 337, 347; Thümmel, DB 2000, 461, 464.

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Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

Dadurch wurde nicht nur der Angebotspreis für ein konkretes Übernahmeangebot von Vodafone in die Höhe getrieben, sondern es wurden auch wettbewerbsrechtliche Probleme für den Fall einer Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone geschaffen. Der Kauf von Orange wurde nach dem Bekanntwerden des Übernahmevorhabens von Mannesmann innerhalb von acht Tagen durchgezogen. Jedoch hielt dieser Kauf Vodafone nicht von seinem Übernahmevorhaben ab. Vodafone äußerte die Absicht, im Falle einer erfolgreichen Übernahme die Handy-Firma Orange abzuspalten, um die kartellrechtlichen Verstöße aufzulösen.70 Nachdem die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone beschlossen war, wurde dann auch zugleich von der Europäischen Kommission mitgeteilt, dass der erst kurz zuvor erworbene Mobilfunkanbieter Orange aus wettbewerbsrechtlichen Gründen wieder verkauft werden muss.71 Kurz darauf erfolgte der Verkauf von Orange an France Telekom. Dieses Beispiel zeigt, dass der Zukauf einer Gesellschaft, um für eine Bietergesellschaft im Falle einer erfolgreichen Übernahme wettbewerbsrechtliche Probleme zu schaffen, als Abwehrmaßnahme dann nicht geeignet ist, wenn die Bietergesellschaft bereit ist, auch ein größeres Übernahmevolumen zu finanzieren und die Entflechtung wenig Aufwand, z. B. wegen noch nicht angelaufener Verflechtung, bedeutet.

4. Der Erwerb eigener Aktien Eine Übernahme kann durch den Erwerb eigener Aktien erschwert werden, da diese Aktien dem Zugriff des Bieters entzogen sind. Allerdings ist der Erwerb eigener Aktien nur in den engen Grenzen des § 71 I AktG möglich. Für die Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots kommen allein Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8 in Betracht. Dass eine Übernahme allein durch den Erwerb eigener Aktien abgewehrt werden kann, ist aber unwahrscheinlich,72 da die Anzahl der zu erwerbenden Aktien nach § 71 II 1 AktG in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8 10%73 des Grundkapitals nicht überschreiten darf. Daher kommt der Erwerb eigener Aktien am ehesten als ein Bestandteil einer Abwehr neben anderen Maßnahmen in Betracht.

Spiegel Online vom 29. 11. 1999 – Interview mit Chris Gent. Spiegel Online vom 04. 02. 2000 – „Vodafone – Mannesmann / Aktionäre drängten Mannesmann zur Einigung“. 72 Den Erwerb eigener Aktien als alleiniges Abwehrmittel auch anzweifelnd: Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1429. 73 Vorher bereits erworbene Aktien werden dabei hinzugerechnet, siehe Hüffer, § 71 Rn. 21; Hauschka / Roth, AG 1988, 181, 187. 70 71

A. Abwehrmaßnahmen

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a) Abwendung eines schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens der Gesellschaft, § 71 I Nr. 1 AktG Nach § 71 I Nr. 1 AktG kann die Gesellschaft eigene Aktien erwerben, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden abzuwenden. Gemeint ist ein Schaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB. Eine Existenzgefährdung ist nicht erforderlich.74 Die Anforderungen an das unmittelbare Bevorstehen sind nicht hoch. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn in überschaubarer Zukunft ein konkreter Schaden zu erwarten ist. Ein zeitlicher Höchstrahmen besteht nicht.75 Wie jede Abwehrmaßnahme ist auch der Erwerb eigener Aktien nur dann gerechtfertigt, wenn dies zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses geboten ist. Daher hat der BFH zurecht festgestellt, dass in der Gefahr der Überfremdung der Aktiengesellschaft allein noch kein Schaden im Sinne des § 71 I Nr. 1 AktG zu sehen ist.76 Das Vorliegen eines Übernahmeangebots allein rechtfertigt daher noch nicht den Rückerwerb eigener Aktien. Eine andere Ansicht nimmt für den Fall drohender Überfremdung einen drohenden Schaden i. S. d. § 71 I Nr. 1 AktG an.77 Dies überzeugt nicht, denn im Rahmen seiner Geschäftsführung hat sich der Vorstand um einen optimalen Aktionärskreis zu bemühen.78 Dies kann durchaus bedeuten, dass er sich um das Hinzutreten eines neuen Aktionärs zu bemühen und entsprechend eine Übernahme zu fördern hat. Im Übrigen ist es unglücklich, bei börsennotierten Aktiengesellschaften von Überfremdung zu sprechen.79 Diese Terminologie passt eher auf nicht börsennotierte Familiengesellschaften, deren Anteilsbesitz sich in der Hand weniger Großaktionäre befindet. Die Anforderung, dass ein schwerer Schaden für die Zielgesellschaft unmittelbar bevorsteht, geht über die grundsätzliche Voraussetzung, dass die Abwehr des Übernahmeangebots im Gesellschaftsinteresse liegen muss, hinaus. Daher reichen Anhaltspunkte, nach denen eine Übernahme mit dem langfristigen wirtschaftlichen Konzept der Zielgesellschaft nicht übereinstimmt für den Erwerb eigener Aktien nicht aus. Wenn darüber hinaus die Existenz der Gesellschaft als Marktteilnehmer als gefährdet anzusehen ist, ist ein Schaden i. S. d. § 71 Nr. 1 AktG anzunehmen.80 Das muss auch gelten, wenn die Zielgesellschaft nach der Übernahme zerschlagen81 oder zugunsten der Bietergesellschaft wirtschaftlich geschädigt werden soll.82 Letztere Bedingung dürfte in der Regel bei einem Leveraged Buyout vorliegen. Hüffer, § 71 Rn. 7. Hüffer, § 71 Rn. 7. 76 BFH, Urteil vom 16. 02. 1977 – I R 163 / 75 – in: DB 1977, 1170. 77 Kuhn, NJW 1973, 833, 834; bezüglich einer beabsichtigten Zerschlagung a.A. Hopt, ZGR 1993, 535, 563, 564. 78 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 543. 79 Insofern kritisierend auch Michalski, AG 1997, 152, 155. 80 Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1429. 81 Harrer, DStR 1992, 1326, 1329. 74 75

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Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

Zulässig ist der Erwerb eigener Aktien auch bei einem unangemessenen Übernahmeangebot aufgrund einer Unterbewertung der Zielgesellschaft. Durch den Erwerb eigener Aktien wird die Nachfrage am Markt erhöht, dies hat eine Kurssteigerung und damit die Hinfälligkeit des Angebotspreises zur Folge. Das gilt jedoch nicht, wenn der Angebotspreis angemessen ist und das Übernahmeangebot sonst dem Gesellschaftsinteresse nicht widerspricht. Dann muss man nach einer Abwägung zwischen der Erzielung eines nachgebesserten, höheren Angebotspreises und der Gefahr, dass der Erwerb eigener Aktien die Übernahme verhindert,83 den Erwerb eigener Aktien unterlassen.84 Der Erwerb eigener Aktien kann sich durchaus auch kontraproduktiv auf die Abwehr einer Übernahme auswirken. Denn der Gesellschaft stehen aus eigenen Aktien gemäß § 71 b AktG keine Stimmrechte zu. Deshalb verringert sich durch den Erwerb die Stimmanzahl, die der Bieter zur Kontrolle der Gesellschaft benötigt. Damit verliert der Erwerb eigener Aktien nach § 71 I Nr. 1 AktG zur Abwehr einer Übernahme deutlich an Relevanz.

b) Ermächtigung der Hauptversammlung Eine Erleichterung des Erwerbs eigener Aktien ist mit § 71 I Nr. 8 AktG durch das KonTraG eingeführt worden.85 Danach kann die Gesellschaft eigene Aktien aufgrund einer höchstens 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung erwerben. Die Hauptversammlung bestimmt den niedrigsten und den höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der 10% des Grundkapitals nicht übersteigen darf. Des Weiteren kann die Hauptversammlung bestimmte Erwerbszwecke vorsehen. Dann darf der Vorstand eigene Aktien nicht aus anderen Gründen erwerben.86 Unter Vorbehalt von § 71 I Nr. 8 S. 2 AktG ist der Erwerb eigener Aktien zu jedem Zweck zulässig.87 Die Gesellschaft kann nach § 71 I Nr. 8 AktG auch ermächtigt werden, eigene Aktien zur Abwehr eines Übernahmeangebots zu erwerben. Besteht eine generelle Ermächtigung ohne nähere Zweckbestimmung, kann der Vorstand ebenfalls davon zur Abwehr einer Übernahme Gebrauch machen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Abwehr in jedem Falle dem Gesellschaftsinteresse entsprechen muss, ansonsten macht sich der Vorstand nach § 93 II 1 AktG haftungspflichtig. Auch hier stellt sich das Problem, dass der Gesellschaft aus eigenen Aktien kein Stimmrecht zusteht. Die Hauptversammlung kann den Vorstand allerdings nach § 71 I Nr. 8 S. 5

Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1429; zweifelnd Michalski, AG 1997, 152, 155. Wenn beispielsweise der Bieter nicht in der finanziellen Lage oder gewillt ist, das Angebot nachzubessern. 84 A.A. Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 268. 85 Siehe Art. 1 Nr. 5 a) cc) KonTraG. 86 Hüffer, § 71 Rn. 19 f. 87 Zu in Betracht kommenden Zwecken siehe beispielhaft Hüffer, § 71 Rn. 19 g. 82 83

A. Abwehrmaßnahmen

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AktG zur Wiederveräußerung der Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts88 ermächtigen. Dann kann der Vorstand die erworbenen Aktien beispielsweise bei einem befreundeten Unternehmen platzieren und sie damit dem Erwerb des Bieters ohne Stimmrechtsverlust entziehen.

5. Die reguläre Kapitalerhöhung Eine Übernahme kann durch eine Kapitalerhöhung nach den §§ 182 ff. AktG verteuert und damit möglicherweise verhindert werden. Für eine Kapitalerhöhung ist die Zustimmung der Hauptversammlung mit einer 3/4-Mehrheit erforderlich, § 182 I AktG. Zur Herbeiführung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses kann der Vorstand bei Vorliegen eines Übernahmeangebots von seinem Recht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung nach § 121 II AktG Gebrauch machen. Aktienrechtlich dürfte diese Abwehrmaßnahme allerdings wegen der einmonatigen Einberufungsfrist von Hauptversammlungen gemäß § 123 I AktG kaum praktikabel sein. Eine reguläre Kapitalerhöhung ist nur dann denkbar, wenn die Angebotsfrist so lang ist, dass die Hauptversammlung nach fristgemäßer Einberufung stattfinden und die Ausgabe der neuen Aktien noch vor Ende der Angebotsfrist erfolgen kann. Selbst wenn eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden kann, ist sie zur Abwehr eines Übernahmeangebots nur dann geeignet, wenn zugleich das Bezugsrecht der Aktionäre nach § 186 III, IV AktG ausgeschlossen wird. Dann tritt neben den Verteuerungseffekt der Kapitalerhöhung die Möglichkeit des Vorstands, die neuen Aktien wahlweise bei befreundeten Dritten zu platzieren und so dem Zugriff des Bieters zu entziehen. Je nach Umfang der Kapitalerhöhung ist es dem Bieter dann unmöglich, die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen. Die Chancen der Durchführbarkeit dieser Abwehrmaßnahme erhöhen sich, wenn der Vorstand bei Kenntnis eines Übernahmevorhabens schon vor Beginn des Übernahmevorhabens die Hauptversammlung einberuft, so dass ihr Stattfinden während der Angebotsfrist gewährleistet ist.

6. Die Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts Die wirkungsvollste Abwehrmaßnahme ist eine Kapitalerhöhung in Form genehmigten Kapitals durch den Vorstand unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre gemäß den §§ 202 ff. AktG. Hierbei ist der Vorstand nicht mehr auf einen Hauptversammlungsbeschluss mit einer 3/4-Mehrheit und die Beachtung der einmonatigen Einberufungsfrist angewiesen, so dass er flexibel und 88 Zum Ausschluss des Bezugsrecht im Rahmen von § 71 I Nr. 8 S. 5 AktG gelten die gleichen Voraussetzungen wie beim Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals, siehe dazu A. II. 6.

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Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

schnell durch eigenen Kapitalerhöhungsbeschluss auf ein Übernahmeangebot reagieren kann. Die Ermächtigung zur Schaffung genehmigten Kapitals kann entweder nach § 202 I AktG bereits in der Gründungssatzung enthalten sein oder in Form einer Satzungsänderung durch einen Hauptversammlungsbeschluss geschaffen werden, der gemäß § 202 II 2 AktG mindestens einer 3/4-Mehrheit bedarf. Nach § 202 III 1 AktG darf der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen. Die Ermächtigung kann bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren erteilt werden, § 202 II 1 AktG. Das genehmigte Kapital kann gemäß § 202 AktG gegen Bareinlagen oder gemäß § 205 AktG gegen Sacheinlagen geschaffen werden. Oft werden junge Aktien gegen Sacheinlagen ausgegeben, indem Beteiligungen an anderen Unternehmen erworben werden. Dies lässt trotz der Beschränkung des § 202 III 1 AktG einen umfangreichen Erwerb und umfangreiche Beteiligungen an anderen Unternehmen zu, wenn der Börsenkurs der eigenen Aktien hoch ist. Viele neu gegründete Aktiengesellschaften bestehen aus Inhaberstückaktien, deren Nennbetrag in Euro meist der Anzahl der Stückaktien entspricht, so dass eine Aktie den Nominalwert von A 1 hat. Bei der Ausgabe der Aktie ist hinsichtlich der Berechnung der Höhe des geschaffenen Kapitals eben dieser Nominalbetrag maßgeblich, wohingegen bei der Anzahl der auszugebenden Aktien als Gegenleistung für die Einlage der Börsenwert ausschlaggebend ist.

a) Der Bezugsrechtsausschluss Entscheidend für die Wirkungskraft des genehmigten Kapitals ist der gleichzeitige Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre. Dann können die neuen Aktien wahlweise bei einem befreundeten Unternehmen platziert und damit dem Erwerb des Bieters entzogen werden. Kann der Vorstand das Bezugsrecht nicht ausschließen, wäre die wahlweise Platzierung der Aktien nur möglich, wenn die Aktionäre von ihrem Bezugsrecht keinen Gebrauch machen. Bei Vorliegen eines Übernahmeangebots ist davon auszugehen, dass insbesondere verkaufswillige Aktionäre von dem Bezugsrecht Gebrauch machen würden um in den Genuss des über dem Börsenkurs liegenden Angebotspreises zu kommen. Durch eine solche Weiterveräußerung würde eine Übernahme für die Bietergesellschaft zwar verteuert, der Erwerb der Kontrollmehrheit würde hingegen erleichtert.89 Dies unterstreicht die Notwendigkeit des Bezugsrechtsausschlusses, wenn die Schaffung genehmigten Kapitals als Abwehrmaßnahme eingesetzt werden soll. Der Bezugsrechtsausschluss ist lediglich dann entbehrlich, wenn der Bieter mit einem Angebot an seine äußerste finanzielle Grenze stieße und allein der Verteuerungseffekt der Kapitalerhöhung ausreichte, um das Übernahmeangebot abzuwehren. 89

Wolf, AG 1998, 212, 213.

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Nach § 203 I i.V.m. § 186 III, IV AktG kann die Hauptversammlung respektive die Gründungssatzung das Bezugsrecht der Aktionäre in der Ermächtigung bereits verbindlich ausschließen. Die Ermächtigung kann aber auch gemäß den §§ 203 II, 204 I 2 HS. 2 i.V.m. 186 III, IV AktG den Ausschluss des Bezugsrechts der Entscheidung des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats überlassen. (1) Die Berichtspflicht nach § 203 I 1 i.V.m. § 186 IV 2 AktG Im Rahmen einer Ermächtigung zur Schaffung genehmigten Kapitals, die bereits den Ausschluss des Bezugsrechts umfasst, muss der Vorstand der Hauptversammlung nach den §§ 203 I 1 i.V.m. 186 IV 2 AktG einen schriftlichen Bericht über die Gründe des Bezugsrechtsausschlusses vorlegen. Eine Mindermeinung90 lehnt das Erfordernis dieser Berichtspflicht ab, da § 186 IV 2 AktG erst durch das 2. EG-Koordinierungsgesetz von 1978 eingefügt wurde und daher von der Verweisung des § 203 II 3 AktG ursprünglich nicht umfasst war. Dem kann nicht gefolgt werden.91 Denn der Gesetzgeber hätte die Verweisung in § 203 II 2 AktG modifiziert, hätte er § 186 IV 2 AktG von ihr ausnehmen wollen. Der Inhalt des Vorstandsberichts entspricht den inhaltlichen Anforderungen, die an die Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses zu stellen sind, wenn die Ermächtigung noch eine eigene Vorstandsentscheidung für den Bezugsrechtsausschluss vorsieht.92 (2) Die Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses Der Bezugsrechtsausschluss ist rechtmäßig, wenn er zum Zeitpunkt der Beschlussfassung unter Berücksichtigung der Folgen, die für die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre eintreten, durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist.93 Die Prüfung dieser sachlichen Wirksamkeitsvoraussetzung umfasst eine Abwägung der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen sowie die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck.94 Gleiches gilt, wenn die Hauptversammlung den Vorstand nach § 203 II i.V.m. § 186 III, IV AktG zum Ausschluss des Bezugsrechts durch eigene Entscheidung unter Zustimmung des Aufsichtsrats ermächtigt. Dann hat der Vorstand diese Abwägung nach unternehmerischem Ermessen vorzunehmen.

Kindler, ZGR 1998, 35, 63 (m. w. N. in Fn. 181); ders. ZHR 158 (1994), 339, 363 f. Hüffer, § 203 Rn. 25. 92 Hüffer, § 203 Rn. 11. 93 BGH, Urteil vom 07. 03. 1994 – II ZR 52 / 93 – in: BGHZ 125, 239, 241; BGH (Siemens / Nold), Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704, 1705. 94 BGH, Urteil vom 07. 03. 1994 – II ZR 52 / 93 – in: BGHZ 125, 239, 241; BGH (Siemens / Nold), Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704, 1705. 90 91

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Zur Beurteilung der Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses kommt es darauf an, ob die Abwehr eines Übernahmeangebots einen sachlichen Grund darstellen kann, der den Ausschluss des Bezugsrechts rechtfertigt. Dass dies der Fall ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsinteresse als Maßstab dafür, ob ein sachlicher Grund vorliegt. Das Gesellschaftsinteresse kann nämlich gerade darauf gerichtet sein, dass eine bestimmte Person nicht Aktionär wird bzw. keine Kontrollmehrheit erlangt, wodurch die vom Vorstand verfolgte Strategie und das operative Geschäft beeinflusst werden kann. Daraus folgt zugleich, dass auch die Abwehr eines Übernahmeangebots einen sachlichen Grund zur Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses darstellen kann.95 Zu erörtern bleibt, in welchem Zeitpunkt die Aspekte, aus denen sich der sachliche Grund ergibt, konkret bestimmt sein und der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss zugrunde liegen müssen. (a) Die Anforderungen an die Ermächtigung nach der älteren BGH-Rechtsprechung Nach der älteren Rechtsprechung war ein Ermächtigungsbeschluss durch die Hauptversammlung zur Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss im Beschlusszeitpunkt bereits so konkret feststehen und offengelegt werden, dass die Hauptversammlung sie endgültig beurteilen kann.96 Nach diesen Anforderungen wäre die Abwehr eines Übernahmeangebots durch die Schaffung genehmigten Kapitals nicht möglich, weil im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses die Beurteilung eines zukünftigen Übernahmeangebots nicht möglich ist. (b) Die Rechtsprechungsänderung durch die Siemens / Nold-Entscheidung des BGH Von den strengen Voraussetzungen für den Ermächtigungsbeschluss zur Schaffung genehmigten Kapitals hat der BGH in der Siemens / Nold-Entscheidung97 vom 23. Juni 1997 ausdrücklich Abstand genommen. Dieser Entscheidung liegt die Klage eines Aktionärs der beklagten Gesellschaft gegen einen Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zugrunde, der den Vorstand ermächtigte, genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts zu schaffen, um in geeigneten Einzelfällen Beteiligungen gegen Überlassung von Stammaktien der AG erwerben zu können.98 Dieser Beschluss genügt den inhaltlichen Anforderungen des Er95 96 97 98

So jetzt auch Krause, BB 2002, 1053, 1056. BGH, Beschluss vom 30. 01. 1995 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1995, 390, 391. BGH, Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704. BGH, Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704.

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mächtigungsbeschlusses nach der älteren Rechtsprechung nicht, da die im Beschluss genannten Erwerbsmöglichkeiten lediglich in Aussicht genommen waren, ohne dass sie bereits konkret feststanden. Damit konnten sie nicht offengelegt werden und erlaubten der Hauptversammlung eine endgültige Abwägung der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen sowie der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck nicht. Der Zweite Zivilsenat des BGH wies die Klage mit der Begründung ab, dass die bisherigen Anforderungen zu streng und nicht praktikabel seien.99 Sie nähmen den Gesellschaften die notwendige Flexibilität, um auf den nationalen oder internationalen Märkten bestehen zu können indem sie erfolgreich auf vorteilhafte Angebote oder sich ansonsten bietende Gelegenheiten reagieren und Möglichkeiten zur Unternehmenserweiterung im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre ausnutzen zu können.100 Der Senat hat die Voraussetzungen für den Ermächtigungsbeschluss neu festgelegt: „Die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, muss allgemein umschrieben und in dieser Form der Hauptversammlung bekannt gegeben werden. Sie muss ferner im Interesse der Gesellschaft liegen. Hat die Hauptversammlung das Bezugsrecht selbst ausgeschlossen und waren ihr bestimmte Einzelumstände des geplanten Vorhabens bekannt, hat sie die Frage, ob der Bezugsrechtsausschluss im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt ist, anhand der ihr bekannt gemachten Tatsachen geprüft und bejaht. Sind ihr außer dem abstrakt umschriebenen Vorhaben bei der Beschlussfassung keine weiteren Tatsachen bekannt gewesen, hat sie diese Prüfung an den abstrakt umschriebenen Umständen ausgerichtet. In beiden Fällen ist es Pflicht des Vorstandes, im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen, ob der allein ihm bekannte vollständige Sachverhalt die Durchführung des Hauptversammlungsbeschlusses, der den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre umfasst, im Gesellschaftsinteresse rechtfertigt. Ist das der Fall, kann der Vorstand dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung folgend von dem genehmigten Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre Gebrauch machen. Andernfalls hat er die Durchführung des geplanten Vorhabens zu unterlassen. In gleicher Weise ist zu entscheiden, wenn die Hauptversammlung den Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechtes ermächtigt hat. In diesem Falle hat der Vorstand in eigener Verantwortung zu prüfen, ob aus unternehmerischer Sicht der Ausschluss des Bezugsrechtes der Aktionäre im Interesse der Gesellschaft liegt. Ist diese Frage aufgrund sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung der gesamten Umstände zu bejahen, kann der Vorstand in Erfüllung seiner Geschäftsführungspflichten von der Ermächtigung Gebrauch machen.“101

Dass der BGH für die Zulässigkeit der Ermächtigung nach §§ 203 I i.V.m. 186 III, IV AktG bzw. der Ermächtigung zur ordnungsgemäßen Vorstandsentscheidung zum Bezugsrechtsausschluss nach den §§ 203 II i.V.m. 186 III, IV AktG von je her auf das Gesellschaftsinteresse als maßgebliches Kriterium abstellt, ist im Lichte des Einsatzes genehmigten Kapitals zur Abwehr von Übernahmeangeboten zu beBGH, Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704, 1705. BGH, Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704, 1705. 101 BGH, Urteil vom 23. 06. 1997 – II ZR 132 / 93 – in: WM 1997, 1704, 1705. 99

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grüßen. Denn nach der hier vertretenen Ansicht ist der Vorstand ohnehin zur Abwehr eines Übernahmeangebots dann berechtigt und auch verpflichtet, wenn dies nach dem Gesellschaftsinteresse geboten ist. Allerdings wäre nach der älteren Rechtsprechung die Abwehr eines Übernahmeangebots durch die Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts mangels der erforderlichen Konkretisierung im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses nicht möglich gewesen, wenn ein konkretes Übernahmevorhaben im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses nicht im Raum gestanden hätte.102 Durch die neuere Rechtsprechung steht aktienrechtlich der Weg für die Abwehr eines Übernahmeangebots durch Schaffung genehmigten Kapitals offen. Der Vorstand hat dann zu entscheiden, ob die Abwehr des Übernahmevorhabens im Interesse der Gesellschaft liegt oder ob eine Übernahme etwa wegen zu erwartender Synergieeffekte und Entwicklungspotentiale zu befürworten ist.103

7. Wandel- und Optionsschuldverschreibungen Auch die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen kann der Abwehr eines Übernahmeangebots dienen. Wandelschuldverschreibungen bzw. Wandelanleihen 104 räumen dem Gläubiger ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien ein und geben ihm das Recht, seinen durch die Anleihe begründeten Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrages gegen eine bestimmte Anzahl von Aktien einzutauschen, § 221 I 1. HS AktG. Optionsanleihen sind Wandelschuldverschreibungen, bei denen der Gläubiger zusätzlich die Option erhält, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem festgelegten Entgelt eine bestimmte Zahl von Aktien zu erwerben.105 Die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen kann die Abwehr eines Übernahmeangebots bewirken, wenn die Anleihen an befreundete Dritte ausgegeben werden, die bei Vorliegen eines Übernahmeangebots von ihrem Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch machen und die erworbenen Aktien nicht an den Bieter veräußern. Gemäß § 221 I 1, 2 AktG dürfen Wandel- und Optionsschuldverschreibungen grundsätzlich nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses mit einer 3/4-Mehrheit ausgegeben werden. Wie beim genehmigten Kapital ist auch die Ermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nach § 221 II AktG für einen Zeitraum von fünf Jahren möglich. Entsprechend den Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsausschluss bei genehmigtem Kapital ist dieser auch bei der 102 Michalski, AG 1997, 152, 161; Schanz, NZG 2000, 337, 343; Wolf, AG 1998, 212, 214; a.A. Hauschka / Roth, AG 1988, 181, 191. 103 Schanz, NZG 2000, 337, 343. 104 Zur uneinheitlichen Terminologie siehe Hüffer, § 221 Rn. 3 ff. 105 Hüffer, § 221 Rn. 6.

A. Abwehrmaßnahmen

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Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen gemäß §§ 221 IV 2 i.V.m. 186 III, 186 IV AktG möglich. Die Ermächtigung der Hauptversammlung kann analog § 203 II 1 AktG auch beinhalten, dass der Vorstand über den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zu entscheiden hat.106 Die materiellen Voraussetzungen für den Ermächtigungsbeschluss richten sich nach der Rechtsprechung des BGH nach jenen für das genehmigte Kapital.107 Zur Sicherstellung der Erfüllbarkeit der ausgegebenen Anleihen muss die AG genügend Aktien bereithalten.108 Das kann durch bedingtes Kapital, § 192 AktG, durch genehmigtes Kapital, §§ 202 ff. AktG, oder durch eine reguläre Kapitalerhöhung unter Einschaltung eines Treuhänders geschehen.109

8. Die Suche nach einem Weißen Ritter Bei Vorliegen eines Übernahmeangebots kann der Vorstand der Zielgesellschaft nach konkurrierenden Übernahmeangeboten suchen, die einen besseren Angebotspreis beinhalten. Die Suche nach einem Weißen Ritter ist – soweit ersichtlich – nach bisher unwidersprochener Ansicht zulässig,110 da ein konkurrierendes und besseres Übernahmeangebot im Interesse der veräußerungswilligen Aktionäre liegt.111 Nach der hier vertretenen Ansicht begegnet die Suche nach einem Weißen Ritter erheblichen Bedenken. Zwar ist es richtig, dass der Angebotspreis für die Beurteilung eines Übernahmeangebots eine wichtige Rolle spielt und der Vorstand dies in seiner Beurteilung des Übernahmeangebots entsprechend zu berücksichtigen hat. Wenn man nun die Suche nach einem konkurrierenden Angebot stets für zulässig hält, entscheidet ausschließlich der Angebotspreis über den Erfolg des Angebots. Andere Aspekte wie die Auswirkungen der Übernahme auf die Zielgesellschaft finden keine Berücksichtigung mehr. Dies entspricht nicht der aktienrechtlichen Verpflichtung des Vorstands, die Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots am Gesellschaftsinteresse auszurichten. Auch wenn der Angebotspreis angemessen ist, hat der Vorstand seine Entscheidung über die Abwehr oder Befürwortung des Angebots anhand einer Abwägung sämtlicher für die Gesellschaft und ihre Aktionäre relevanter Aspekte zu treffen.

Hüffer, § 221 Rn. 39. Schanz, NZG 2000, 337, 343. 108 Hüffer, § 221 Rn. 59. 109 Hüffer, § 221 Rn. 59. 110 Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 143; Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1383; ders. ZGR 1993, 534, 557; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 264; Mülbert, IStR 1999, 83, 89. 111 Grunewald, AG 2001, 288, 289; Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1383. 106 107

184

Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot kann dann geboten sein, wenn die Zielgesellschaft wegen finanzieller Probleme auf eine Übernahme durch eine liquide Gesellschaft angewiesen ist und deshalb eine Übernahme vom Vorstand ohnehin zu befürworten ist. Hier kann der Vorstand im Interesse der Aktionäre nach einem weiteren Bieter zu Erzielung eines besseren Angebotspreises Ausschau halten. Andererseits würde der Vorstand pflichtwidrig handeln, wenn er bei einem für die Zielgesellschaft sinnhaltigen Konzept eines Bieters nach einem weiteren Angebot sucht, nur weil der Angebotspreis in die Höhe getrieben werden soll. Ist der Preis eines im Übrigen wirtschaftlich sinnvollen Konzepts und zu erwartenden Synergieeffekten zu niedrig, so hat der Vorstand eine Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen vorzunehmen und seine Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte zu treffen. Deshalb ist es entgegen der ganz herrschenden Ansicht verfehlt, die Suche nach einem Weißen Ritter ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles stets als zulässig zu erachten.

9. Die Pac-Man-Verteidigung – Das Gegenangebot Wie in den USA ist auch in Deutschland die Pac-Man-Verteidigung grundsätzlich möglich.112 Beachtlich ist nach deutschem Recht die Ausübungssperre des § 328 AktG, die bei sich gegenüberstehenden Übernahmeangeboten zweier deutscher Gesellschaften durch wechselseitige Beteiligungen entstehen kann. Eine wechselseitige Beteiligung zweier Unternehmen liegt nach § 19 I 1 AktG vor, wenn jede Gesellschaft mehr als 25% der Anteile der anderen Gesellschaft hält. Gemäß § 328 I AktG kann eine Aktiengesellschaft bei einer wechselseitigen Beteiligung, sobald ihr die wechselseitige Beteiligung bekannt ist oder ihr das andere Unternehmen eine Mitteilung nach § 20 III AktG oder § 21 I AktG darüber gemacht hat, dass es mehr als 25% der Anteile der Gesellschaft hält, Rechte aus den Anteilen, die ihr an dem anderen Unternehmen gehören, nur in Höhe von maximal 25% aller Anteile des anderen Unternehmens ausüben. Dies gilt gemäß § 328 II AktG nicht, wenn das Unternehmen seinerseits dem anderen Unternehmen eine Mitteilung nach § 20 III AktG oder nach § 21 I AktG gemacht hatte, bevor es von dem anderen Unternehmen eine solche Mitteilung erhalten hat und bevor ihm das Bestehen der wechselseitigen Beteiligung bekannt geworden ist. Die Zielgesellschaft kann demnach dann die Ausübung der Kontrolle der Bietergesellschaft verhindern, wenn sie eine mehr als 25%ige Beteiligung an der Bietergesellschaft durch ihr Übernahmeangebot erwirbt, dadurch eine wechselseitige Beteiligung entstanden ist und sie der Bietergesellschaft eine Mitteilung über ihre Beteiligung macht, ohne dass die Zielgesellschaft zuvor Kenntnis von der wechselseitigen Beteiligung hatte und ohne dass die Bietergesellschaft ihrerseits eine Mitteilung nach § 20 III AktG oder § 21 I AktG gemacht hat.

112

Hauschka / Roth, AG 1988, 181, 194; Michalski, AG 1997, 152, 161.

B. Die Zulässigkeit der US-amerikanischen Abwehrmaßnahmen

185

Aufgrund der Vorbereitungszeit für ein Übernahmeangebot dürfte die Pac-ManVerteidigung als Reaktion auf ein Übernahmeangebot kaum praktikabel sein, da sich die Frist des Erstangebots nicht verlängert.113 Auch die Finanzierbarkeit eines Gegenangebots in der gebotenen Kürze der Zeit ist zu bezweifeln.114 Außerdem muss im Einzelfall beurteilt werden, ob ein Gegenangebot die Folge einer ordnungsgemäßen Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands sein kann. Selbst wenn das Übernahmeangebot abzuwehren ist, muss der Vorstand das aus unternehmerischer Sicht sinnvollste und wirtschaftlichste Abwehrmittel wählen. Dies dürfte bei einem Gegenangebot oft fraglich sein.

B. Die Zulässigkeit der US-amerikanischen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht I. Shark Repellents – Präventivmaßnahmen 1. Shareholder Rights Plans / Poison Pills Die beliebteste und wirkungsvollste Abwehrstrategie in den USA, die als Poison Pills bezeichneten Shareholder Rights Plans, nach denen die Aktionäre ein Bezugsrecht auf Aktien der Zielgesellschaft oder auf Aktien einer aus einem Merger zwischen Bieter- und Zielgesellschaft hervorgegangenen Gesellschaft zu einem Discountpreis erlangen und der Bieter von diesem Bezugsrecht ausgeschlossen wird, ähnelt der Schaffung genehmigten Kapitals durch den Vorstand unter Ausschluss des Bezugsrechts, da auch dort bei Vorliegen eines Übernahmeangebots neue Aktien ausgegeben werden können. Allerdings ist es bei der Schaffung genehmigten Kapitals grundsätzlich nicht möglich, nur einen Aktionär von dem Bezugsrecht auszuschließen. Entweder wird das Bezugsrecht bei einer entsprechenden Ermächtigung insgesamt ausgeschlossen werden und die Aktien zu bestimmten Zwecken an einen Dritten ausgegeben oder jeder Aktionär hat die Möglichkeit, von seinem Bezugsrecht Gebrauch zu machen. Wenn nur eine Person vom Bezugsrecht ausgeschlossen wird, stellt dies prinzipiell einen Verstoß gegen § 53 a AktG dar mit der Folge der Unzulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses.115 Nach der hier vertretenen Auffassung könnte der Ausschluss des Bezugsrechts eines einzelnen Aktionärs allerdings nach § 53 a AktG sachlich gerechtfertigt sein, wenn der Kontrollerwerb des neuen Mehrheitsaktionärs dem Gesellschaftsinteresse der Zielgesellschaft zuwiderliefe und deshalb die Ungleichbehandlung im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt wäre.116 113 114 115 116

Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 145. Assmann / Basaldua / Bozenhardt / Peltzer, S. 145. Hüffer, § 186 Rn. 39; KölnKomm-Lutter, § 186 Rn. 85. A.A. ohne nähere Begründung Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 221, 222.

186

Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

Ein Verstoß gegen § 53 a AktG liegt aber jedenfalls dann vor, wenn ohne Bezugnahme auf ein konkretes Übernahmevorhaben eine Regelung besteht, nach der jeder Aktionär ab einer bestimmten Beteiligungsquote vom Bezugsrecht ausgeschlossen wird, da eine sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung im Interesse der Gesellschaft am Einzelfall zu untersuchen ist. Deshalb sind Poison Pills nach deutschem Aktienrecht unzulässig.117 Auch unzulässig ist das allen Poison Pills gemeinsame Merkmal der Ausgabe neuer Aktien zu einem Vorzugspreis, um das Kapital der Zielgesellschaft zu verwässern. Nach überwiegender Ansicht ist der Vorstand, wenn der Ausgabebetrag im Voraus nicht festgelegt ist, aktienrechtlich zu einer Überpari-Emission verpflichtet, wenn dies möglich ist.118 Der Vorstand ist aufgrund des Interesses der Aktionäre und der Gesellschaft an hohen Eigenmitteln verpflichtet, die jungen Aktien zu den höchsten erreichbaren Kursen ausgeben.119 Deshalb verstieße die Ausgabe neuer Aktien zu einem Vorzugspreis gegen den Grundsatz der besten Kapitalbeschaffung.120 Da schon die Grundform aller Shareholder Rights Plans unzulässig ist, verstoßen sowohl Flip-in, Flip-over- als auch Dead-hand- und No-hand-Bestimmungen gegen das Aktiengesetz. Nicht praktikabel sind auch Back-end-Bestimmungen, bei denen die Aktionäre der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots ihre Aktien zu einem attraktiven Preis an die Zielgesellschaft veräußern können. Ein solches Vorgehen wäre bei Vorliegen eines Falles des § 71 AktG nach dessen Abs. 2 S. 1 nur in einer Höhe zulässig, die 10% des Grundkapitals nicht übersteigt.

2. Goldene Fallschirme – Golden Parachutes Die Implementierung von Regelungen zur Zahlung extrem hoher Abfindungen an den Vorstand im Falle einer Übernahme ist aktienrechtlich nicht möglich. Überhöhten Abfindungen steht der Sinn und Zweck des § 87 AktG entgegen, der die AG, ihre Aktionäre und Gläubiger vor übermäßigen Bezügen schützen soll.121 Bei der Festsetzung der Bezüge hat der Aufsichtsrat darauf zu achten, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstands und zur Lage der Gesellschaft stehen. Golden Parachutes sind mit diesen Erfordernissen nicht vereinbar. Ein angemessenes Verhältnis von Abfindungszahlungen ist nach § 113 I 3 AktG auch für die Aufsichtsratsmitglieder zu beachten. Zulässig sind nach deutschem Recht hingegen Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und den Arbeitnehmern, entweder einzelvertraglich oder durch Betriebsver117 118 119 120 121

Picot, Handbuch Mergers & Acquisitions, S. 185. Hüffer, § 182 Rn. 25 m. w. N. KölnKomm-Lutter, § 182 Rn. 26, S. 114. Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 224. Geibel / Süßmann-Schwennicke, § 33, Rn. 34; Hüffer, § 87 Rn. 1.

B. Die Zulässigkeit der US-amerikanischen Abwehrmaßnahmen

187

einbarung, durch die das ordentliche Kündigungsrecht des Arbeitgebers für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen oder eingeschränkt wird.122

3. Die Staffelung der Amtszeiten von Vorstandsund Aufsichtsratsmitgliedern Die Staffelung der Amtszeiten der Vorstandsmitglieder – entsprechend eines Staggered Board – macht im Lichte des Aktienrechts keinen Sinn, da die Vorstandsmitglieder nicht von der Hauptversammlung, sondern vom Aufsichtsrat abberufen werden können. Außerdem besteht unabhängig von der Amtszeit die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund. Einen wichtigen Grund können zwar die Aktionäre herbeiführen, indem sie dem Vorstand in der Hauptversammlung durch Beschluss123 das Vertrauen entziehen. An der Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Abberufung ändert dies jedoch nichts. Auch die Staffelung der Amtszeiten der Aufsichtsratsmitglieder würde keinen rechten Sinn machen, da sie nach § 103 I AktG von der Hauptversammlung mit einer 3/4-Mehrheit abberufen werden können. Wenn der Bieter nach einer Übernahme über eine solche Mehrheit verfügen sollte, kann er folglich selbst die Machtstellung im Aufsichtsrat übernehmen und dadurch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 84 III AktG auch über die Zusammensetzung des Vorstands bestimmen. 4. Die Beurteilung weiterer Präventivmaßnahmen Fair-Price-Bestimmungen haben im deutschen Recht keine Bedeutung, da es die in den USA verbreitete Übernahmestrategie des Two-tier Front-loaded Tender Offer in Deutschland nicht gibt. Erweiterte Stimmrechte („Super Voting Stock Plans“) sind durch den Wegfall von Mehrstimmrechtsaktien mit Einführung des KonTraG mittlerweile nach § 12 II AktG n.F. unzulässig.124 Qualifizierte Stimmerfordernisse („Supermajority Provisions“) können indessen auch in Deutschland als Abwehrstrategie gegen Übernahmeangebote dienen. Dies würde es einem Bieter nach einer Übernahme erschweren, bestimmte Hauptversammlungsbeschlüsse herbeizuführen und kann daher in Bezug auf eine Übernahme abschreckende Wirkung entfalten. Es können grundsätzlich die Stimmerfordernisse für eine Satzungsänderung von der in § 179 II 1 AktG gesetzlich vorgesehenen 3/4-Mehrheit bis zur Einstimmigkeit angehoben werden. Bei Publikumsgesell122 123 124

Siehe dazu oben A. I. 3. Hüffer, § 87 Rn. 30; KölnKomm-Mertens, § 87 Rn. 106. Siehe oben A. I. 7.

188

Teil V: Die einzelnen Abwehrmaßnahmen nach deutschem Recht

schaften ist ein 100%iges Mehrheitserfordernis allerdings unzulässig, da dies die faktische Unmöglichkeit von Satzungsänderungen zur Folge hätte.125 Inwieweit das Mehrheitserfordernis von 3/4 des bei der Beschlussfassung anwesenden Grundkapitals bei Publikumsgesellschaften angehoben werden darf, ist am Einzelfall unter Berücksichtigung der Aktionärsstruktur zu bestimmen. Gilt das erhöhte Mehrheitserfordernis für alle Satzungsänderungen, so ist das festgesetzte Mehrheitserfordernis auch für seine Änderung notwendig.126 Ist eine höhere Mehrheit nur für einzelne Beschlussgegenstände vorgesehen, gilt sie im Zweifel auch nur für die Herabsetzung oder Beseitigung des Mehrheitserfordernisses selbst.127 Es bleibt festzuhalten, dass es bei Publikumsgesellschaften jedenfalls nicht möglich ist, das Mehrheitserfordernis des § 179 II 1 AktG so zu erhöhen, dass Satzungsänderungen faktisch unmöglich würden, womit die Abwehreffizienz dieser Maßnahme begrenzt ist. Entsprechendes gilt für die Erhöhung des Zustimmungserfordernisses für einen Verschmelzungsbeschluss nach § 65 UmwG.

II. Post Offer Strategies – Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen Nachträgliche Abwehrmaßnahmen in den USA unterscheiden sich nicht sonderlich von Ad-hoc-Maßnahmen nach deutschem Recht. Die meisten der in der amerikanischen Praxis üblichen nachträglichen Abwehrmaßnahmen – die Such nach einem Weißer Ritter, die Platzierung von Aktien bei einem Weißen Junker, die Schaffung kartellrechtlicher Probleme durch den Zukauf eines Konkurrenzunternehmens des Bieters, „Pac Man“ – sind bereits erörtert worden. Die Abwehr einer Übernahme durch den Rückkauf eigener Aktien von einem „Greenmailer“ ist nach deutschem Recht unzulässig. Erstens ist der Rückerwerb nur unter den strengen Voraussetzungen des § 71 AktG möglich. Zweitens verstieße ein Rückerwerb zu einem überhöhten Preis gegen § 57 I 2 AktG.128 Auch ein Self Tender Offer der Zielgesellschaft scheidet wegen der maximalen Rückerwerbsmöglichkeit in Höhe von 10% nach § 71 II AktG aktienrechtlich aus. Corporate Restructuring in Form von Split Offs oder Spin Offs sind möglich, wenn sie das Ergebnis ordnungsgemäßer Geschäftsführung des Vorstands sind und nicht die Übertragung des wesentlichen Vermögens der Zielgesellschaft zum Gegenstand haben. Wird der wesentliche Teil des Vermögens übertragen, muss nach den Holzmüller-Grundsätzen die Hauptversammlung ihre Zustimmung erteilen.

125 126 127 128

Geßler / Hefermehl-Geßler / Bungeroth, § 179 Rn. 89; Hüffer, § 179 Rn. 20. Hüffer, § 179 Rn. 20. Hüffer, § 179 Rn. 20. Hüffer, § 57 Rn. 20.

Teil VI

Das Übernahmeverfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz A. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz I. Struktur und Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes Das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen enthält zwölf Artikel. Der Kern ist das in Artikel 1 enthaltene Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG). Die Art. 2 – 11 enthalten Änderungen von Gesetzen und Verordnungen, die durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz tangiert werden.1 Erwähnenswert ist die Änderung des AktG durch Art. 7. Danach sind die §§ 327 a – 327 f. in das Aktiengesetz aufgenommen worden, die erstmals das schon lange geforderte sogenannte Squeeze-out (wörtlich: herausdrängen) ermöglichen. Nach § 327 a AktG kann ein Aktionär, der mindestens 95% der Stimmrechte an einer AG hält, durch Hauptversammlungsbeschluss die Übertragung der restlichen Aktien auf sich selbst gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung verlangen. Nach Art. 12 tritt das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz am 1. Januar 2002 in Kraft.

II. Aufbau und Anwendungsbereich des WpÜG Das WpÜG ist in 9 Abschnitte unterteilt und enthält insgesamt 68 Paragraphen: – Abschnitt 1 (§§ 1 – 3): Allgemeine Vorschriften – Abschnitt 2 (§§ 4 – 9): Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht2 1 Art. 2: Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes; Art. 3: Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften; Art. 4: Änderung des Auslandinvestment-Gesetzes; Art. 5: Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen; Art. 6: Änderung des Verkaufsprospektgesetzes; Art. 7: Änderung des Aktiengesetzes; Art. 8: Änderung des Gerichtskostengesetzes; Art. 9: Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte; Art. 10: Änderung der Verkaufsprospekt-Verordnung; Artikel 11: Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang; Art. 12: Inkrafttreten.

190

Teil VI: Das Übernahmeverfahren nach dem WpÜG

– Abschnitt 3 (§§ 10 – 28): Angebote zum Erwerb von Wertpapieren – Abschnitt 4 (§§ 29 – 34): Übernahmeangebote – Abschnitt 5 (§§ 35 – 39): Pflichtangebote – Abschnitt 6 (§§ 40 – 47): Verfahren – Abschnitt 7 (§§ 48 – 58): Rechtsmittel – Abschnitt 8 (§§ 59 – 65): Sanktionen – Abschnitt 9 (§§ 66 – 68): Gerichtliche Zuständigkeit

Das WpÜG ist so strukturiert, dass für Angebote nach dem jeweiligen Abschnitt zugleich die Vorschriften der vorigen Abschnitte gelten. Für Übernahmeangebote nach Abschnitt 4 gelten nach § 34 WpÜG3 die Vorschriften des Abschnitts 3, soweit sich aus den Vorschriften des Abschnitts 4 nichts anderes ergibt. Für Pflichtangebote nach Abschnitt 5 gelten nach § 39 die Vorschriften der Abschnitte 3 und 4 sinngemäß mit Ausnahme der §§ 10 I 1, 14 I 1, 16 II, 18 I, 19, 25, 26 und 34.

1. Anwendungsbereich Das WpÜG ist nach § 1 anzuwenden auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Damit werden Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote geregelt, deren Ziel Gesellschaften mit Sitz in Deutschland sind, § 2 III.4 Voraussetzung ist die Zulassung dieser Aktien an einer inländischen Börse zum amtlichen Handel oder zum geregelten Markt oder zum Handel an einem organisierten Markt in einem anderen Staat im Europäischen Wirtschaftsraum.5 Wertpapiere im Sinne des WpÜG sind, auch wenn für sie keine Urkunden ausgestellt sind, Aktien, mit diesen vergleichbare Wertpapiere und Zertifikate, die Aktien vertreten, § 2 II Nr. 1,6 und andere 2 Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WpÜG nahm noch das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (BAW) die Aufgaben und Befugnisse nach dem WpÜG wahr. Am 01. 05. 2002 wurde das BAW mit Inkrafttreten des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes vom 22. 04. 2002 (BGBl. 2002, 1320) mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusammengelegt. Die Bezeichnungen des WpÜG wurden durch die erste Verordnung zur Anpassung von Bezeichnungen nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 29. 04. 2002 (BGBl. 2002, 1495) entsprechend geändert. 3 Die in diesem Teil im Folgenden ohne Gesetzesangabe genannten §§ sind solche des WpÜG. 4 Siehe auch Regierungsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 28. 5 Regierungsentwurf, Begründung Allgemeiner Teil, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 28. 6 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 2 II, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 34: „Der Begriff der Aktie umfasst sowohl Stamm- als auch Vorzugsaktien. Aktien sind

A. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

191

Wertpapiere, die den Erwerb von Aktien, mit diesen vergleichbaren Wertpapieren oder Zertifikaten, die Aktien vertreten, zum Gegenstand haben,7 § 2 II Nr. 2.8

2. Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote Angebote zum Erwerb von Wertpapieren sind nach § 2 I freiwillige oder auf Grund einer Verpflichtung nach dem WpÜG erfolgende öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft. Öffentliche Übernahmeangebote sind gemäß § 2 I i.V.m. § 29 Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind. Kontrolle ist das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, § 29 II. Übernahmeangebote müssen sich auf alle Aktien der Zielgesellschaft beziehen. Teilangebote sind nach § 32 unzulässig. Wenn ein Aktionär die Kontrolle über eine Gesellschaft erlangt hat, ist er nach § 35 I 1 zunächst verpflichtet, dies unter Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils unverzüglich zu veröffentlichen. Innerhalb von vier Wochen nach dieser Veröffentlichung muss der Bieter ein Pflichtangebot abgeben, das sich gemäß § 39 i.V.m. § 32 auf sämtliche Aktien der Zielgesellschaft erstrecken muss. Auf welche Weise der Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat ist unerheblich.9 Wird die Kontrolle über die Zielgesellschaft durch ein freiwilliges Übernahmeangebot erlangt, besteht nach § 35 III die Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots nicht mehr. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass sich Übernahmeangebote bereits nach § 32 auf alle Aktien der Zielgesellschaft beziehen müssen und daher eine Schutzbedürftigkeit der Aktionäre aufgrund der Gefahr, nicht in vollem Umfang ihres Anteilsbesitzes von dem Angebot Gebrauch machen zu können, nicht mehr gegeben ist. Demnach umfasst der Regelungsbereich von Abschnitt 5 nur Pflichtangebote nach einem Kontrollerwerb, der nicht durch ein öffentliches Übernahmeangebot zustande gekommen ist.

III. Ablauf eines Übernahmeverfahrens nach dem WpÜG Der Ablauf eines Übernahmeverfahrens und der Inhalt eines Übernahmeangebots richten sich neben den Sondervorschriften für Übernahmeangebote in Absolche Wertpapiere vergleichbar, die ein Mitgliedschaftsrecht verkörpern. Hierzu zählen etwa Zwischenscheine, die in vorläufiger Weise die Mitgliedschaft des Aktionärs verbriefen. Aktien vertretende Zertifikate sind beispielsweise Zertifikate, die die Handelbarkeit von Namensaktien ermöglichen sollen (z. B. Depositary Receipts)“. 7 Unter Nr. 2 fallen insbesondere Optionsanleihen und Wandelschuldverschreibungen, aber auch Optionsscheine, sofern letztere zum Bezug von Aktien berechtigen, Regierungsbegründung, Besonderer Teil zu § 2 II, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 34. 8 Zu den weiteren Begriffsbestimmungen siehe § 2 WpÜG. 9 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 35, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 59.

192

Teil VI: Das Übernahmeverfahren nach dem WpÜG

schnitt 4 nach den für Angebote zum Erwerb von Wertpapieren allgemein geltenden Vorschriften der §§ 10 – 28 in Abschnitt 3.

1. Das Übernahmeangebot a) Die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots und der Angebotsunterlage Wenn sich der Bieter zur Abgabe eines Übernahmeangebots entschlossen hat, muss er diese Entscheidung gemäß § 34 i.V.m. § 10 I 1 unverzüglich veröffentlichen. Die Veröffentlichung muss nur beinhalten, dass ein Übernahmeangebot beabsichtigt ist und es müssen die betroffenen Wertpapiere benannt werden.10 Nach der Veröffentlichung der Entscheidung hat der Bieter gemäß § 34 i.V.m. § 11 I 1 eine Angebotsunterlage zu erstellen und zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung dieser Angebotsunterlage stellt das eigentliche Übernahmeangebot dar.11 Mit dieser Veröffentlichung beginnt zugleich die Annahmefrist, § 16 I 2. Nach § 11 I 2 muss die Angebotsunterlage die Angaben enthalten, die notwendig sind, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. Der Inhalt des Angebots sowie ergänzende Angaben sind in § 34 i.V.m. § 11 II geregelt. Für die Meinungsbildung der Aktionäre der Zielgesellschaft sind insbesondere die Angaben nach – Abs. 2 (a) Nr. 3: Art und Höhe der für die Wertpapiere der Zielgesellschaft gebotenen Gegenleistung und – Abs. 2 (b) Nr. 2: Angaben über die Absichten des Bieters hinsichtlich der künftigen Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft

von Interesse. Nach § 34 i.V.m. § 14 I hat der Bieter innerhalb von vier Wochen12 nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) die Angebotsunterlage zu 10 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 10 WpÜG, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 39; zu den Einzelheiten siehe § 10 WpÜG und die Begründung, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 39 ff. 11 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 11 WpÜG, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 41. 12 Nach § 17 I DiskussionsE waren es nur zwei Wochen; die Verlängerung dieses Zeitraums wird darin begründet sein, dass eine Angebotsunterlage wie beispielsweise im Falle Vodafone / Mannesmann kaum innerhalb von zwei Wochen erstellt werden kann; würden zur Einhaltung dieser Frist vor der unverzüglichen Bekanntgabe der Entscheidung zur Abgabe des Angebots Vorarbeiten geleistet, könnte wiederum das Gebot der Unverzüglichkeit nicht eingehalten werden (s. Riehmer / Schröder, NZG 2000, 820, 821); zurecht hat der Gesetzgeber im Regierungsentwurf wie auch schon im Referentenentwurf die Frist auf vier Wochen verlängert.

A. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

193

übermitteln und nachdem die BAFin die Veröffentlichung gestattet hat oder wenn seit dem Eingang der Angebotsunterlage zehn Werktage verstrichen sind, ohne dass die BAFin das Angebot untersagt hat, unverzüglich zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt gemäß § 34 i.V.m. § 14 III Nr. 1 durch Bekanntgabe im Internet oder gemäß § 34 i.V.m. § 14 III Nr. 2 durch Abdruck in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder durch Bereithalten zur kostenlosen Ausgabe bei einer geeigneten Stelle im Inland. Nach der Veröffentlichung hat der Bieter nach § 34 i.V.m. § 14 IV die Angebotsunterlage unverzüglich dem Vorstand der Zielgesellschaft zu übermitteln, der sie wiederum unverzüglich an den zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar den Arbeitnehmern zu übermitteln hat. Für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angebotsunterlage tragen diejenigen die Verantwortung, von denen der Erlass des Angebots ausgeht und diejenigen, die für den Erlass des Angebots die Verantwortung übernommen haben. Sie haften nach § 34 i.V.m. § 12 I denjenigen, die das Angebot angenommen haben als Gesamtschuldner für den Ersatz eines aus der Annahme des Angebots entstandenen Schadens. Nach § 34 i.V.m. § 18 I dürfen Übernahmeangebote nicht unter Bedingungen stehen, deren Eintritt der Bieter oder mit ihm zusammen handelnde Personen herbeiführen können. Des weiteren dürfen Übernahmeangebote nach § 34 i.V.m. § 18 II nicht unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder des Rücktritts abgeben werden.

b) Die Angebotsunterlage Die vom Bieter zu veröffentlichende Angebotsunterlage muss die Angaben enthalten, die notwendig sind, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können, § 11 I 2. Inhaltlich müssen nach § 11 II 2 folgende Angaben im Angebot enthalten sein: (1) Name oder Firma und Anschrift oder Sitz sowie, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die Rechtsform des Bieters, (2) Firma, Sitz und Rechtsform der Zielgesellschaft, (3) die Wertpapiere, die Gegenstand des Angebots sind, (4) Art und Höhe der für die Wertpapiere der Zielgesellschaft gebotenen Gegenleistung, (5) die Bedingungen, von denen die Wirksamkeit des Angebots abhängt, (6) der Beginn und das Ende der Annahmefrist. 13 Hens

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Teil VI: Das Übernahmeverfahren nach dem WpÜG

Ergänzend muss das Angebot insbesondere (1) Angaben zu den notwendigen Maßnahmen, die sicherstellen, dass dem Bieter die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zu Verfügung stehen, und zu den erwarteten Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bieters, (2) Angaben über die Absichten des Bieters im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft, insbesondere den Sitz und den Standort wesentlicher Unternehmensteile, die Verwendung ihres Vermögens, ihre künftigen Verpflichtungen, die Arbeitnehmer und deren Vertretungen, die Mitglieder ihrer Geschäftsführungsorgane und wesentliche Änderungen der Beschäftigungsbedingungen einschließlich der insoweit vorgesehenen Maßnahmen, (3) Angaben über Geldleistungen oder jeden anderen geldwerten Vorteil, der einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtrats der Zielgesellschaft gewährt wird, (4) die Bestätigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 unter Angabe von Firma, Sitz und Rechtsform des Wertpapierdienstleistungsunternehmens enthalten. c) Veröffentlichungspflichten des Bieters während des Übernahmeverfahrens Nachdem der Bieter den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft das Übernahmeangebot durch Veröffentlichung unterbreitet hat, ist er nach § 34 i.V.m. § 23 – Nr. 1 nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage wöchentlich sowie in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täglich, – Nr. 2 unverzüglich nach Ablauf der Annahmefrist und – Nr. 3 unverzüglich nach Ablauf der weiteren Annahmefrist

verpflichtet, die Anzahl sämtlicher ihm, den mit ihm gemeinsam handelnden Personen und deren Tochterunternehmen zustehenden Wertpapiere der Zielgesellschaft einschließlich der Höhe der jeweiligen Anteile und der ihm zustehenden und nach § 30 zuzurechnenden Stimmrechtsanteile sowie die sich aus den ihm zugegangenen Annahmeerklärungen ergebende Anzahl der Wertpapiere, die Gegenstand des Angebots sind, einschließlich der Höhe der Wertpapier- und Stimmrechtsanteile zu veröffentlichen und der BAFin mitzuteilen.

A. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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2. Die begründete Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft Nach § 34 i.V.m. § 27 I, III haben der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage und eventuellen Änderungen durch den Bieter eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot nach § 14 III 1 zu veröffentlichen. In § 27 RegE WpÜG war die Mitwirkung des Aufsichtsrats an der Stellungnahme noch nicht vorgesehen. Durch die Einbeziehung des Aufsichtsrats soll die Gesamtverantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat für die Zielgesellschaft betont werden. Außerdem liegt dieser Änderung der Gedanke zugrunde, dass die Informationsbasis für die Beteiligten eines Übernahmeangebots verbessert werden kann.13 Die Stellungnahme kann von Vorstand und Aufsichtsrat in einem gemeinsamen Dokument erstellt werden. Es können auch getrennte Stellungnahmen erfolgen.14 Die Pflicht zur Stellungnahme ist Ausdruck der Gewährleistung ausreichender Transparenz eines Übernahmeverfahrens, da zu den Informationen der Aktionäre der Zielgesellschaft, um das Angebot beurteilen zu können, auch die Beurteilung des Angebots durch den Vorstand gehört.15 Der Vorstand kommt durch die Stellungnahme seiner aktienrechtlichen Verpflichtung der sachgerechten Wahrnehmung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen nach, deren Träger neben den Aktionären die Arbeitnehmer und das Gemeinwohl und deren gegebenenfalls divergierende Interessen im Wege praktischer Konkordanz auszugleichen sind.16 Die Stellungnahme des Vorstands muss gemäß § 27 I 2 eingehen auf (1) die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung, (2) die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft, (3) die vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele, (4) die Absicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen. Nach § 27 II hat der Vorstand, wenn der zuständige Betriebsrat, oder sofern eine Vertretung der Arbeitnehmer nicht besteht, unmittelbar die Arbeitnehmer der Ziel13 Einzelbegründung zu § 27 der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses vom 14. 11. 2001, BT-Drucksache 14 / 7477 S. 73. 14 Einzelbegründung zu § 27 der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses vom 14. 11. 2001, BT-Drucksache 14 / 7477 S. 73. 15 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 27, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 52. 16 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 27, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 52.

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Teil VI: Das Übernahmeverfahren nach dem WpÜG

gesellschaft dem Vorstand eine Stellungnahme zu dem Angebot übermitteln, diese seiner Stellungnahme beizufügen. 3. Die Annahmefrist Die Annahmefrist des Angebots darf, wenn der Bieter während der Annahmefrist nicht gemäß § 34 i.V.m. § 21 die Gegenleistung des Angebots erhöht oder ändert17 oder nach § 34 i.V.m. § 2218 nicht ein konkurrierendes Angebot abgeben wird, nach § 34 i.V.m. § 16 I nicht weniger als vier Wochen und nicht mehr als zehn Wochen betragen. Aktionäre, die das Übernahmeangebot nicht angenommen haben, können von diesem gemäß § 34 i.V.m. § 16 II 1 i.V.m. § 23 I Nr. 2 noch innerhalb einer Frist von zwei Wochen, nachdem der Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist die Höhe seiner Anteile veröffentlicht hat, Gebrauch machen. Besonders relevant für feindliche Übernahmeangebote ist die Vorschrift § 34 i.V.m. § 16 III: Wird anlässlich des Übernahmeangebots nach dessen Veröffentlichung eine Hauptversammlung einberufen, beträgt die Annahmefrist unbeschadet von § 21 V und § 22 II zehn Wochen ab der Veröffentlichung. Die Hauptversammlung kann gemäß § 22 IV bis spätestens zwei Wochen vor dem Tag der Versammlung einberufen werden. Die Monatsfrist des § 123 I AktG ist hier nicht zwingend. Dadurch soll dem Vorstand bei feindlichen Übernahmeangeboten die Möglichkeit gegeben werden, Abwehrmaßnahmen durch einen Hauptversammlungsbeschluss legitimieren zu lassen.19

IV. Werbung, § 28 WpÜG Nach § 34 i.V.m. § 28 I kann die BAFin im Rahmen eines Übernahmeverfahrens bestimmte Arten der Werbung untersagen, um Missständen bei der Werbung im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten zu begegnen. Die BAFin kann nicht nur einzelne Werbemaßnahmen, sondern auch generell bestimmte Werbemaßnahmen oder Werbemethoden untersagen.20 Diese Vorschrift ist als Reaktion auf die internationalen Erfahrungen, dass bei Übernahmeangeboten häufig Werbemaßnahmen in großem Umfang ergriffen werden, zu sehen.21 17 Nach § 34 i.V.m. § 21 V verlängert sich die Annahmefrist um zwei Wochen, wenn die Änderung des Angebots innerhalb der letzten zwei Wochen der Angebotsfrist erfolgt. 18 Nach § 34 i.V.m. 22 II verlängert sich die Annahmefrist dann bis zum Ablauf der Frist für das konkurrierende Angebot. 19 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 16, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 46. 20 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 28, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 52. 21 Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 28, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 52.

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V. Die Aufsicht zur Kontrolle eines ordnungsgemäßen Übernahmeverfahrens durch die BAFin Die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des WpÜG obliegt nach § 4 I der BAFin. Ihre Zuständigkeit, Aufgaben und Befugnisse sind im zweiten Abschnitt des WpÜG geregelt. § 4 I 3 enthält eine Ermächtigungsgrundlage für Anordnungen, die geeignet und erforderlich sind, Missstände, die die ordnungsmäßige Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können, zu beseitigen oder zu verhindern. Bei Ausführung der Aufsicht stehen der BAFin nach § 40 umfangreiche Ermittlungsbefugnisse zu. Gemäß § 47 kann die BAFin Verfügungen, die nach dem WpÜG ergehen, mit Zwangsmitteln nach den Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes durchsetzen. Widerspruch und Beschwerde gegen die Androhung und Festsetzung der Zwangsmittel haben keine aufschiebende Wirkung, § 47 S. 3. Das Zwangsgeld kann bis zu A 500.000 betragen. Bei der BAFin wird ein aus 15 Mitgliedern bestehender Beirat gebildet, der bei der Aufsicht beratend mitwirkt, § 5. Daneben wird nach § 6 ein Widerspruchsausschuss gebildet, der über Widersprüche gegen Verfügungen der BAFin entscheidet. Die BAFin kann vom Vorstand der Zielgesellschaft nach § 40 II Auskünfte und Unterlagen verlangen, die es unter anderem zur Überprüfung der Pflichten nach § 27 (Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft) und § 33 (Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft) benötigt.

VI. Rechtsmittel Gegen Verfügungen, § 49 I, und die Unterlassung beantragter Verfügungen der BAFin, § 49 III, ist die Beschwerde zulässig. Zuvor muss jedoch ein Widerspruchsverfahren nach § 41 durchlaufen sein, in dem die Recht- und Zweckmäßigkeit der Verfügung nachgeprüft wird. Der Widerspruch gegen Maßnahmen der BAFin nach § 4 I 3,22 § 15 I, II,23 § 28 I24 oder § 40 I – V25 hat gegen die meisten Verfügungen der BAFin gemäß § 43 I keine aufschiebende Wirkung. Nach § 49 II steht die Beschwerde den am Widerspruchsverfahren vor der BAFin Beteiligten zu. Im Gegensatz zum Widerspruchsverfahren hat die Beschwerde gemäß § 50 aufschiebende Wirkung. Zuständig für Beschwerdeverfahren ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die BAFin ihren Sitz hat, § 49 IV. 22 Anordnungen gegen Missstände, die die ordnungsmäßige Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können. 23 Untersagung des Angebots. 24 Untersagung von Werbung. 25 Umfassende Ermittlungsbefugnisse bei der Überwachung von Angebotsverfahren: Verlangen von Auskünften und Unterlagen.

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Teil VI: Das Übernahmeverfahren nach dem WpÜG

Das WpÜG sieht aufgrund des Verfassungsgebots des effektiven Rechtsschutzes die Einleitung des Rechtsbehelfsverfahrens bereits während der Angebotsfrist vor. Das Widerspruchsverfahren wird dadurch konzentriert, dass die BAFin als Widerspruchsbehörde gemäß § 41 II seine Entscheidung über den Widerspruch innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Widerspruchs trifft. Weiterhin sieht das WpÜG durch einen einzügigen Rechtsweg eine Beschleunigung des Rechtswegs vor. Nach § 49 IV entscheidet über die Beschwerde ausschließlich das für den Sitz der BAFin in Frankfurt am Main zuständige Oberlandesgericht.

VII. Sanktionen Um die Einhaltung der Vorschriften zur Regelung von Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangeboten besser gewährleisten zu können, enthalten die Vorschriften des achten Abschnitts Sanktionen für den Fall, dass gegen Verfahrensvorschriften und Verhaltenspflichten des WpÜG verstoßen wird. Pflichtverstöße nach § 61 stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die je nach Verstoß nach § 61 III mit einer Geldbuße von bis zu A 1.000.000 geahndet werden können. Der Vorstand der Zielgesellschaft handelt nach § 61 I Nr. 1 b) ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder leichtfertig gegen seine Pflicht nach § 27 III 1 verstößt, seine Stellungnahme zu dem Übernahmeangebot unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Diese Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 61 III 2. Fall mit einer Geldbuße von bis zu A 500.000 belegt werden. Übersendet der Vorstand der Zielgesellschaft vorsätzlich oder leichtfertig der Bundesanstalt nicht unverzüglich nach § 27 III 3 WpÜG einen Beleg über die Veröffentlichung seiner Stellungnahme, § 61 I Nr. 5, kann dieser Verstoß gemäß § 61 III 3. Fall mit einer Geldbuße von bis zu A 250.000 geahndet werden. Wenn der Vorstand der Zielgesellschaft entgegen § 33 I oder § 33 II eine dort genannte Handlung nicht unterlässt, § 61 I Nr. 8, kann die BAFin nach § 61 III 1.HS eine Geldbuße von bis zu A 1.000.000 aussprechen.

VIII. Würdigung Die Regelung von Unternehmensübernahmen durch gesetzliche Vorschriften in Deutschland war überfällig. Daher ist das Inkrafttreten des WpÜG zum 1. Januar 2002 sehr zu begrüßen. Auch inhaltlich erscheint das WpÜG überwiegend gelungen. Dies gilt jedoch leider nicht für § 33 WpÜG. Als entscheidender Fortschritt durch das WpÜG ist hervorzuheben, dass es im Vergleich zum Übernahmekodex nun endlich gesetzliche und allgemeinverbindliche Regelungen für Unternehmensübernahmen gibt. Als Gewinn sind dabei vor allem die Sanktionsmöglichkeiten, insbesondere in Form der Bußgeldvorschriften,

A. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

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zu sehen, die die BAFin bei Verstößen gegen die Vorschriften des WpÜG durch die Beteiligten an einem Übernahmeverfahren aussprechen kann. Sinnvoll ist die gesetzgeberische Entscheidung, nicht nur Übernahme- sondern auch solche Wertpapiererwerbsangebote, die nicht auf die Kontrollmehrheit gerichtet sind, zu regeln. Richtigerweise müssen alle öffentlichen Angebote zum Erwerb von Wertpapieren transparent sein und den Adressaten ein ausreichendes Maß an Information bieten. Das Absenken der Kontrollschwelle von 50%, wie es noch der Übernahmekodex vorsah, auf 30% nach § 29 II WpÜG trägt den geringen Hauptversammlungspräsenzen Rechnung und ist daher zeitgemäß. Eine weitere Neuerung gegenüber dem Übernahmekodex enthält § 32 WpÜG, der Teilübernahmeangebote, d. h. Wertpapiererwerbsangebote, bei deren Erfolg der Bieter zwischen 30% und 100% der Anteile an der Zielgesellschaft halten würde, untersagt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass schon nach den Vorschriften des Übernahmekodex der Bieter nach einem erfolgreichen (Teil-) Übernahmeangebot sämtlichen Aktionären der Zielgesellschaft, die das Angebot wegen seiner anteilsmäßigen Begrenzung nicht annehmen konnten, ein Kaufangebot zu den Konditionen des ursprünglichen Übernahmeangebots machen musste. Vor diesem Hintergrund ist § 29 II WpÜG insbesondere aus Anlegerschutzgesichtspunkten zweckmäßig. Denn im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bieters nach den §§ 11 II 3 Nr. 1, 13 WpÜG, die Finanzierung des Angebots sicherzustellen und zu veröffentlichen, erhalten die Aktionäre der Zielgesellschaft ein hohes Maß an Sicherheit, dass die Gegenleistung des Bieters im Falle der Annahme des Angebots erbracht werden kann. Kritikwürdig am WpÜG ist, dass dessen Vorschriften – jedenfalls nach Ansicht der BAFin – kein subjektiv öffentliches Recht vermitteln, so dass durch Pflichtverstöße von Bieter- oder Zielgesellschaft betroffene Aktionäre keine Möglichkeit haben, ein entsprechendes Einschreiten der BAFin zu erzwingen.26 Zwar ist diese Ansicht der BAFin wenig überzeugend, da der Schutz des einzelnen Anlegers auch ein Schutzzweck des WpÜG ist. Jedoch ist die Auffassung der BAFin als Aufsichtsbehörde sehr gewichtig. Es ist daher zu fordern, dass der Gesetzgeber nachträglich klarstellt, dass jedenfalls einige Vorschriften des WpÜG nicht nur dem Schutz der Kapitalmärkte dienen, sondern zugleich zugunsten von betroffenen Aktionären ein subjektiv öffentliches Recht enthalten. Bedenklich ist die weitere Auffassung der BAFin, sie könne mangels entsprechender ausdrücklicher Vorschriften im WpÜG unterlassene Pflichtangebote nicht durchsetzen.27 Hier ist es Aufgabe des Gesetzgebers, durch eine Nachbesserung des WpÜG die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung von Pflichtangeboten zu schaffen. 26 FAZ vom 03. 08. 2002, S. 10: „Der Fall Mobilcom offenbart Lücken im Übernahmegesetz“. 27 FAZ vom 03. 08. 2002, S. 10: „Der Fall Mobilcom offenbart Lücken im Übernahmegesetz“.

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Teil VI: Das Übernahmeverfahren nach dem WpÜG

Insgesamt trägt das WpÜG jedoch durch seine im Vergleich zum Übernahmekodex deutlich differenzierteren Vorschriften den Bedürfnissen des Kapitalmarkts an Transparenz sowie den Interessen der beteiligten Gesellschaften und der Aktionäre der Zielgesellschaft Rechnung. Einen Meilenstein im Bereich des Übernahmerechts stellt die Vorschrift des § 33 WpÜG hinsichtlich der Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens dar. Auch diesbezüglich enthält das WpÜG nun eine differenziertere Regelung. Vor dem Hintergrund der äußerst umfangreichen und kontroversen Diskussion zu einer überwiegend befürworteten Neutralitätspflicht des Vorstands nach dem Aktienrecht hat der Gesetzgeber mit der Fassung des § 33 WpÜG für den Zeitraum der Angebotsphase eine Entscheidung getroffen, die zum Teil auf äußerst scharfe Kritik28 gestoßen und im Zusammenhang mit der herrschenden Ansicht im aktienrechtlichen Schrifttum durchaus als revolutionär anzusehen ist. Es folgt nun in Teil VII eine ausführliche Diskussion des § 33 WpÜG.

28 Siehe nur Binz / Sorg, BB 2002, Heft 3, Seite I („Die erste Seite“), die im Zusammenhang mit der Auflockerung der Neutralitätspflicht in § 33 WpÜG von einer Anstiftung durch den Gesetzgeber zur Untreue des Vorstands sprechen; Kritisch auch Berding, WM 2002, 1149, 1157.

Teil VII

Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz A. § 33 WpÜG § 33 WpÜG enthält folgenden Wortlaut: „§ 33 Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft (1) Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 darf der Vorstand der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Dies gilt nicht für Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte, für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot sowie für Handlungen, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat. (2) Ermächtigt die Hauptversammlung den Vorstand vor dem in Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitraum zur Vornahme von Handlungen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, um den Erfolg von Übernahmeangeboten zu verhindern, sind diese Handlungen in der Ermächtigung der Art nach zu bestimmen. Die Ermächtigung kann für höchstens 18 Monate erteilt werden. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst; die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Handlungen des Vorstands auf Grund einer Ermächtigung nach Satz 1 bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. (3) Dem Bieter und mit ihm gemeinsam handelnden Personen ist es verboten, Vorstandsoder Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Angebot ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen.“

Während die meisten Vorschriften des RegE WpÜG ohne nennenswerte Änderungen in das WpÜG übernommen worden sind, enthält nun § 33 I 2 WpÜG eine gravierende Erweiterung des Handlungsspielraums des Vorstands der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens. In § 33 I 2 WpÜG wurde als weitere Ausnahme zur grundsätzlichen Neutralitätspflicht nach § 33 I 1 WpÜG die Zulässigkeit von Maßnahmen aufgenommen, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat. Diese weitere Ausnahme, die erst zum Ende des Gesetzgebungs-

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

verfahrens durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 14. November 2001 eingebracht wurde, war sehr überraschend. Denn die Neutralitätspflicht wurde bereits in § 33 II RegE WpÜG im Vergleich zu § 33 RefE WpÜG durch die Möglichkeit der Hauptversammlung, Vorratsbeschlüsse zu erlassen, die den Vorstand im Vorfeld eines konkreten Übernahmeangebots dazu ermächtigen, während eines künftigen Übernahmeverfahrens Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, erheblich eingeschränkt.1 Da bereits diese Ausnahme zu § 33 I 1 der bisher herrschenden Meinung im Schrifttum entgegenstand und auch in der Öffentlichkeit auf starke Kritik gestoßen war, konnte mit einer weiteren Auflockerung kaum gerechnet werden. Die grundsätzliche Neutralitätspflicht, die auch schon in § 31 I 1 DiskussionsE und § 33 I 1 RefE WpÜG enthalten war, wurde von § 33 I 1 RegE in § 33 I 1 WpÜG übernommen. Nach § 33 I 2 WpÜG ausdrücklich zulässig sind die Vornahme von Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte,2 die Suche nach einem Weißen Ritter3 sowie Maßnahmen, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat. Darüber hinaus sind auch Abwehrmaßnahmen zulässig, denen die Hauptversammlung während des Übernahmeverfahrens zustimmt. Diese Möglichkeit war noch in § 33 I 1 RegE WpÜG, § 33 III Nr. 2 RefE WpÜG und § 31 DiskussionsE ausdrücklich enthalten. Zwar enthält § 33 I WpÜG diese Ausnahme nicht mehr wörtlich. Jedoch ist die Zustimmung der Hauptversammlung zu Abwehrmaßnahmen nunmehr als ungeschriebenes Merkmal in § 33 I WpÜG hineinzulesen. Dies ergibt sich aus den Vorentwürfen bzw. der Entstehungsgeschichte zu § 33 WpÜG und dem Umstand, dass sich die Aktionäre durch einen Hauptversammlungsbeschluss ausdrücklich mit der Abwehr des Übernahmeangebots einverstanden erklären.4 Im Rahmen der folgenden Erörterungen zu § 33 WpÜG wird, sofern es sich nicht um die Änderungen im Vergleich zu § 33 RegE WpÜG handelt, die Begründung zum Regierungsentwurf5 herangezogen. Aus der äußerst kurzen und daher wenig ergiebigen Einzelbegründung zu der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses6 ist zu schließen, dass sich die Begründung zu § 33 RegE WpÜG weitestgehend auch auf § 33 WpÜG erstreckt. 1 Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 33 III Nr. 2 RefE WpÜG war eine Vorabermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung zur Abwehr eines Übernahmeangebots nach dem Referentenentwurf noch nicht möglich, siehe Weisner, ZRP 2000, 520, 523. 2 Diese Ausnahme entspricht dem Sinn und Zweck von § 33 III Nr. 4 RefE, der Maßnahmen zuließ, die der sorgfältigen Führung der laufenden Geschäfte im Interesse der Gesellschaft dienen. 3 So auch schon § 33 III Nr. 1 RefE. 4 Bei einer Zustimmung der Hauptversammlung während des Übernahmeverfahrens gelten nach einstimmiger Auffassung Abwehrmaßnahmen auch unter den Vertretern einer strengen Neutralitätspflicht aktienrechtlich als zulässig. 5 Regierungsentwurf, Begründung, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 27 ff.

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I. Der Grundsatz: Die Neutralitätspflicht gemäß § 33 I 1 WpÜG Nach § 33 I 1 WpÜG darf der Vorstand ab der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses grundsätzlich keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte. Es kommt nicht auf die tatsächliche Vereitelung, sondern auf die Geeignetheit der Handlung im Zeitpunkt ihrer Vornahme an.7 Argumentativ stützte die Regierungsbegründung die grundsätzliche Neutralitätspflicht gemäß § 33 I 1 WpÜG auf die im Schrifttum herrschende Ansicht, nach der ein Neutralitätsgebot gesellschaftsrechtlich aus der Stellung des Vorstands als Wahrer fremder Interessen, womit die Interessen der Gesellschaft gemeint sind, abzuleiten sei.8 Zwar ist die grundsätzliche Neutralitätspflicht des § 33 I 1 RegE WpÜG in § 33 I 1 WpÜG übernommen worden. Ob die soeben zitierte Begründung jedoch auch für § 33 I 1 WpÜG Geltung beanspruchen kann, bedarf einer näheren Erörterung. Denn der Finanzausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung die Aufnahme der Ausnahmevorschrift des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG, wonach Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats zulässig sind, als Empfehlung bezeichnet, dass dem Vorstand nun Abwehrmaßnahmen innerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz möglich sein sollen, sofern der Aufsichtsrat zustimmt.9 Das bedeutet, dass der Finanzausschuss entweder entgegen der herrschenden Meinung – und insbesondere der Begründung zum Regierungsentwurf – eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht ablehnt oder § 33 I 2, 3. Fall WpÜG als Ausnahme zu einem aktienrechtlichen Neutralitätsgebot sieht. Da der Finanzausschuss weder insgesamt noch speziell in Bezug auf § 33 ausdrücklich von der Regierungsbegründung Abstand genommen hat, ist § 33 I 2, 3. Fall WpÜG wohl als eine Ausnahme zu einem aktienrechtlichen Neutralitätsgebot zu verstehen. Ein solches Verständnis legt auch die Begründung nahe, dass diese Ausnahme in § 33 I 2 WpÜG aufgenommen wurde, um vor dem Hintergrund, dass sich Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten der EU und in den USA leichter gegen Übernahmen wehren können als deutsche Unternehmen, ein gleiches „level playing field„ zu schaffen.10 Die Begründung zum Regierungsentwurf betont, dass sich § 33 WpÜG ausschließlich auf nachträgliche Abwehrmaßnahmen bezieht und daher präventiven Maßnahmen nicht entgegen steht.11 Vorbeugende Abwehrmaßnahmen sind somit wie bisher auch weiterhin nach dem Aktienrecht zu beurteilen.12 6

Einzelbegründung der Beschlussempfehlung zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7477 S. 74,

75. 7 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57; siehe auch schon Begründung RefE WpÜG Besonderer Teil zu § 33 I, S. 142. 8 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57. 9 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucksache 14 / 7477 S. 67. 10 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucksache 14 / 7477 S. 67. 11 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58.

204

Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

II. Das Verhältnis von § 33 WpÜG zum Aktienrecht Fraglich ist, wie das Verhältnis von § 33 WpÜG zu den aktienrechtlichen Verhaltenspflichten des Vorstands während eines Übernahmeverfahrens zu beurteilen ist. Die übernahmerechtlichen Verhaltenspflichten berühren das Aktienrecht dem Grunde nach nicht. § 33 WpÜG ist insbesondere nicht als aktienrechtliche Sondervorschrift außerhalb des Aktiengesetzes, sondern als kapitalmarktrechtliches 13 lex specialis zu den Verhaltenspflichten des Vorstands nach dem Aktienrecht zu verstehen.14 Die Verhaltenspflichten des Vorstands nach den §§ 76 f., 93 AktG während eines Übernahmeverfahrens werden von der speziellen Regelung des § 33 WpÜG überlagert. Das bedeutet, dass sich die Verhaltensweise des Vorstands bis zur Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots aktienrechtlich nach den §§ 76 f., 93 AktG und nach diesem Zeitpunkt nach § 33 WpÜG richtet. Dem Verständnis von § 33 WpÜG als aktienrechtliche Sondervorschrift steht insbesondere entgegen, dass es sich bei den übernahmerechtlichen Vorschriften des WpÜG nicht um Aktien-, sondern um Kapitalmarktrecht handelt. Während eines Übernahmeverfahrens werden aktienrechtliche Vorschriften, sofern das WpÜG speziellere Regelungen enthält, suspendiert. § 33 WpÜG lässt des Weiteren die aktienrechtlichen Vorschriften, die die formelle und materielle Durchführung von Geschäftsführungsmaßnahmen sowie den vom Vorstand innerhalb der Geschäftsführung zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab gemäß den §§ 76 f., 93 AktG betreffen, unberührt.15

III. Der Handlungsbegriff des § 33 I 1 WpÜG Maßgeblich dafür, ob eine Handlung des Vorstands im Sinne des § 33 I 1 WpÜG vorliegt, ist, ob sie eine Mitwirkung der Aktionäre erfordert oder unmittelbar vom Vorstand vorgenommen werden kann. Für ein solches Verständnis einer unzulässigen Vorstandshandlung sprechen die Beispiele, die in der Regierungsbegründung als Verstoß gegen § 33 I 1 WpÜG genannt werden. Unzulässig sind danach insbesondere die Ausgabe eines nicht unerheblichen Anteils von Aktien,16 der Erwerb eigener Aktien in größerem Umfang,17 der Verkauf wesentlicher, für den Bieter besonders bedeutsamer Bestandteile des Gesellschaftsvermögens („Crown Jewels“) durch die Zielgesellschaft sowie die Schaffung kartellrechtlicher Probleme, etwa durch den Erwerb eines Unternehmens, mit dem der Bieter in direktem Wett12 Zu einer differenzierten Erörterung von präventiven Abwehrmaßnahmen ausführlich unten C. I. 13 Fleischer, NZG 2002, 545. 14 A.A. Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 46. 15 Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33, Rn. 47. 16 Entsprechend § 33 II Nr. 1 RefE. 17 Entsprechend § 33 II Nr. 2 RefE.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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bewerb steht.18, 19 Sämtliche der genannten Handlungen werden allein vom Vorstand ohne die Mitwirkung der Aktionäre vorgenommen. Wenn der Vorstand lediglich den Willen der Aktionäre beeinflusst oder Maßnahmen einleitet, die der Zustimmung der Aktionäre bedürfen, liegt keine Handlung im Sinne des § 33 I 1 WpÜG vor, da es in diesen Fällen den Aktionären unbenommen bleibt, das Übernahmeangebot anzunehmen oder ihre Zustimmung zu einer Maßnahme zu versagen.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht gemäß § 33 I 2, II WpÜG I. Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot, § 33 I 2, 2. Fall WpÜG Der Vorstand der Zielgesellschaft kann gemäß § 33 I 2, 2. Fall WpÜG nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots nach einem konkurrierenden Angebot suchen. Mit der Suche nach einem Weißen Ritter bringt der Vorstand zum Ausdruck, dass er grundsätzlich eine Übernahme nicht ablehnt. § 33 I 2 WpÜG knüpft die Befugnis des Vorstands zur Suche nach einem Weißen Ritter an keine weiteren Voraussetzungen. Die Suche dient ausschließlich dem Interesse der Aktionäre, ihre Anteile zu einem möglichst hohen Preis veräußern zu können. Zu beachten ist jedoch, dass der Vorstand nach § 3 III WpÜG verpflichtet ist, im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln. Das Interesse der Zielgesellschaft kann sich mit dem Interesse der Aktionäre decken, ist jedoch keineswegs mit dem Aktionärsinteresse gleichzusetzen. 20 Das bedeutet, dass er nur dann nach einem Weißen Ritter suchen darf, wenn dies dem wirtschaftlichen Interesse der Zielgesellschaft entspricht. Fördert das wirtschaftliche Konzept des Bieters die unternehmerischen Ziele der Zielgesellschaft, handelt der Vorstand pflichtwidrig, wenn er nach einem Weißen Ritter sucht, nur um einen besseren Angebotspreis zu erzielen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Übernahme durch den Weißen Ritter ebenso positive oder positivere Auswirkungen auf die Zielgesellschaft hätte, etwa aufgrund größerer Synergieeffekte, ähnlicherer Unternehmenskulturen oder ähnlichen Geschäftszielen.

18 Die Veräußerung von Crown Jewels und die Schaffung kartellrechtlicher Probleme wären unter das Verbot nach § 33 II Nr. 3 RefE WpÜG gefallen, Rechtsgeschäfte abzuschließen, die den Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft in bedeutender Weise verändern. 19 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57, 58. 20 Siehe dazu im Einzelnen Teil IV, D II. 3.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

II. Handlungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, § 33 I 2, 1. Fall WpÜG Nach § 33 I 2, 1. Fall WpÜG darf der Vorstand während des Übernahmeverfahrens solche Handlungen vornehmen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass der Vorstand auch während der Angebotsfrist den in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessengruppen, namentlich den Aktionären, den Arbeitnehmern und dem Gemeinwohl, verpflichtet ist.21 Zur Erfüllung dieser Pflicht können möglicherweise auch solche Maßnahmen geboten sein, die geeignet sind, das Übernahmeangebot zu vereiteln und daher isoliert betrachtet gegen § 33 I 1 WpÜG verstoßen würden. Einen solchen Konflikt soll § 33 I 2, 1. Fall WpÜG vermeiden.22 Diese Regelung erlaubt es dem Vorstand, bereits eingeschlagene Geschäftsstrategien weiter zu verfolgen.23 Der Vorstand darf also während eines Übernahmeverfahrens auch Maßnahmen ergreifen, die das Übernahmeangebot vereiteln könnten, wenn er sie auch ohne Übernahmeangebot vorgenommen hätte. Entscheidend ist, dass die Maßnahmen in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot stehen.

1. Den Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft in erheblichem Maße verändernde Maßnahmen § 33 I 2, 1. Fall WpÜG war schon in § 33 I 2 RegE WpÜG vorgesehen, stellt jedoch eine deutliche Auflockerung der Ausnahmevorschrift des § 33 III Nr. 4 RefE WpÜG dar. Dort war es dem Vorstand erlaubt, Maßnahmen vorzunehmen, die der sorgfältigen Führung der laufenden Geschäfte, d. h. der Fortführung des üblichen Geschäftsbetriebs, im Interesse der Gesellschaft dienen. § 33 III Nr. 4 RefE WpÜG sollte gewährleisten, dass die Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft während des Übernahmeverfahrens nicht völlig zum Stillstand kommt. Außergewöhnliche Maßnahmen waren von § 33 III Nr. 4 RefE WpÜG aber nicht mehr umfasst. Dies ergibt sich aus § 33 II Nr. 3 RefE WpÜG, wonach der Abschluss von Rechtsgeschäften, die eine signifikante Änderung des Aktiv- oder Passivbestands der Zielgesellschaft zur Folge hätten, unzulässig sein sollte. Aufgrund des Wegfalls von § 33 II Nr. 3 RefE WpÜG sind nach § 33 I 2, 1. Fall WpÜG nun auch außergewöhnliche Maßnahmen, insbesondere Geschäfte, die den 21 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 22 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 23 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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Aktiv- oder Passivbestand in bedeutender Weise ändern, zulässig, wenn ein kausaler Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot nicht besteht. Zulässig ist daher durchaus auch die Veräußerung wichtiger Aktiva24 oder der Kauf eines anderen Unternehmens. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch die Übernahme verhindert werden könnte. 2. Die Ausgabe neuer Aktien In § 33 RegE WpÜG und in § 33 WpÜG wurde weder das Verbot nach § 33 II Nr. 1 RefE WpÜG, während des Übernahmeverfahrens neue Aktien auszugeben, noch gemäß § 33 III Nr. 3 RefE WpÜG die Zulässigkeit der Ausgabe neuer Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts bei bestehender Ermächtigung durch die Hauptversammlung, die nicht länger als 18 Monate vom Zeitpunkte der Veröffentlichung der Angebotsunterlage zurückliegen durfte, übernommen. Vom Verbot der Ausgabe neuer Aktien gemäß § 33 II Nr. 1 RefE WpÜG war insbesondere die Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts sowie die Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss oder Wahrung des Bezugsrechts aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses, der mehr als 18 Monate gerechnet vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage zurückliegt, erfasst. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 33 III Nr. 3 RefE WpÜG.25 Auch nach der Begründung zum Regierungsentwurf verstößt der Vorstand durch die Ausgabe eines nicht unerheblichen Teils neuer Aktien grundsätzlich gegen das Neutralitätsgebot nach § 33 I 1 WpÜG.26 Mit dem Wegfall des umfassenden Verbots der Ausgabe neuer Aktien gemäß § 33 II Nr. 3 RefE WpÜG und der Aufnahme der Ausnahmevorschrift des § 33 I 2, 1. Fall RegE WpÜG und deren Übernahme in § 33 I 2, 1. Fall WpÜG eröffnet sich für den Vorstand nun die Möglichkeit, während des Übernahmeverfahrens neue Aktien, bei einer entsprechenden Satzungsklausel gemäß § 203 II AktG auch unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts, auszugeben, wenn er als ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auch bei Nichtvorliegen eines Übernahmeangebots so gehandelt hätte. Dies muss entsprechend für die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen nach § 221 AktG gelten.

3. Der Erwerb eigener Aktien Unzulässig war nach § 33 II Nr. 2 RefE WpÜG der Erwerb eigener Aktien während des Übernahmeverfahrens, es sei denn, die erworbenen Aktien sollten im Hierbei können jedoch gegebenenfalls die Holzmüller-Grundsätze zu beachten sein. Michalski, NZG 2000, 905, 911. 26 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57. 24 25

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Handelsbestand gehalten werden, § 33 III Nr. 5 RefE WpÜG. Zwar ist diese Vorschrift nicht ausdrücklich in § 33 RegE WpÜG und § 33 WpÜG übernommen worden, doch verstößt der Erwerb eigener Aktien in größerem Umfang auch gegen § 33 I 1 WpÜG,27 da hierdurch der Erfolg des Übernahmeangebots vereitelt werden könnte. Entsprechend den Ausführungen zur Ausgabe neuer Aktien ist ein Rückerwerb eigener Aktien in den Grenzen des § 71 AktG nach § 33 I 2, 1. Fall WpÜG nun möglich, wenn der Rückerwerb auch bei Nichtvorliegen eines Übernahmeangebots stattgefunden hätte.

4. Die Beweislast für das Vorliegen von Maßnahmen nach § 33 I 2, 1. Fall WpÜG Im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung dürfte es zum Teil schwer nachzuweisen sein, ob der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters hat walten lassen und die Maßnahme auch bei Nichtvorliegen eines Übernahmeangebotes vorgenommen hätte oder ob er gegen § 33 I 1 WpÜG verstoßen hat. In der Begründung zu § 33 RegE WpÜG wird darauf hingewiesen, dass bei dessen Auslegung die aktienrechtlichen Vorschriften zu beachten sind, die auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abstellen.28 Dadurch erlangt hinsichtlich der Beweislast § 93 AktG besondere Bedeutung. Nach § 93 I 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Ist dies streitig, trifft den Vorstand nach § 93 II 2 AktG die Beweislast. Im Rahmen einer Klage gegen Vorstandsmitglieder wegen eines Verstoßes gegen § 33 I WpÜG während eines Übernahmeverfahrens müssen also die Vorstandsmitglieder nachweisen, dass sie die Maßnahme auch bei Nichtvorliegen eines Übernahmeangebots ergriffen hätten. Bei Rechtsgeschäften, die Verpflichtungen des Vorstands begründen, deren Erfüllung isoliert betrachtet einen Verstoß gegen § 33 WpÜG darstellen könnte, wie dies etwa bei einer Verpflichtung zur Ausgabe neuer Aktien, dem Erwerb eigener Aktien, einem Vertrag über den Verkauf von wichtigen Aktiva oder dem Erwerb eines in unmittelbarem Wettbewerb mit dem Bieter stehenden Unternehmens der Fall wäre, kann sich der Vorstand zu seiner Entlastung auf Dokumente berufen, die erkennen lassen, dass die Handlung unabhängig vom Vorliegen eines Übernahmeangebots vorgenommen werden soll und es sich daher um eine Maßnahme im Sinne des § 33 I 2 1. Fall WpÜG handelt. Der Nachweis, dass die angestrebte Trans27 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57. 28 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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aktion in keiner kausalen Beziehung zu dem Übernahmeangebot steht, wird insbesondere dann erleichtert, wenn sich die Transaktion bereits in einem fortgeschrittenen Planungs- und Verhandlungsstadium befindet. Ein Anhaltspunkt dafür kann der sogenannte „Letter of Intent„ sein. Diese aus dem angelsächsischen Recht entlehnte Absichtserklärung bezeugt den Willen der Parteien, eine bestimmte Transaktion durchzuführen. Der Letter of Intent wird üblicherweise erst nach intensiven Vorverhandlungen unterzeichnet und kann zumindest als wirtschaftliche Einigung der Parteien angesehen werden. Durch ihn erwachsen zwar noch keine vertraglichen Rechtspflichten.29 Der Letter of Intent dokumentiert jedoch das ernsthafte Interesse der Parteien an einem Vertragsschluss, was insbesondere die regelmäßig enthaltenen sogenannten „Break-up-fees“ verdeutlichen, wonach die Partei, welche die Verhandlungen abbricht oder in deren Sphäre das Scheitern der Transaktion liegt, deren bisherige Kosten zu tragen hat. Aber auch wenn das Stadium des Letter of Intent noch nicht erreicht ist, kann der Vorstand unter Vorlage von Urkunden und Schriftverkehr gegebenenfalls ein bereits stark fortgeschrittenes Verhandlungsstadium belegen und damit nachweisen, sich im Rahmen der Tätigkeit eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gemäß § 33 I 2 1. Fall WpÜG gehalten zu haben. Ab welchem Verhandlungsstadium der Nachweis erbracht werden kann, muss im Einzelfall entschieden werden.

III. Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 33 I 2, 3. Fall WpÜG Nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG sind nun auch Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote zulässig, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat. Der Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats bedarf lediglich der einfachen Mehrheit. Dies stellt die schlagkräftigste Ausnahme zum Grundsatz nach § 33 I 1 WpÜG dar, da die Zustimmung des Aufsichtsrats im Vergleich zu einer Hauptversammlungsermächtigung oder dem Nachweis, dass der Vorstand die jeweilige Maßnahme auch bei Nichtvorliegen eines Übernahmeangebotes vorgenommen hätte, verhältnismäßig leicht zu erlangen sein dürfte. Davon ist insbesondere vor dem Hintergrund auszugehen, dass der Aufsichtsrat gerade bei börsennotierten Gesellschaften oft zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Denn es ist zu erwarten, dass Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter sich aus Angst vor dem Wegfall von Arbeitsplätzen grundsätzlich gegen eine Übernahme aussprechen.30 Tritt der

29 Verbindlich sind allein die in ihm regelmäßig enthaltene Schiedsgerichtsabrede und die Vertraulichkeitserklärung. 30 Bei mitbestimmten Gesellschaften besteht der Aufsichtsrat je zur Hälfte aus Arbeitnehmervertreter und Aktionärsvertretern, s. § 7 I Nr. 1 – 3 MitbestG; bei Gesellschaften, für die das MontanMitbestG gilt aus je vier Arbeitnehmer- und Aktionärsvertreter und einem weiteren Mitglied, s. § 4 I MontanMitbestG; bei Gesellschaften, die weder dem MontanMitbestG noch dem MitbestG unterfallen (zu den Vorauss. s. § 1 MitbestG) und mehr als 500 Arbeit-

14 Hens

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Fall ein, dass sämtliche Arbeitnehmervertreter gegen eine Übernahme stimmen, bedarf es nur noch der Stimme eines Aktionärsvertreters, um den Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats herbeizuführen. Aus dem Wortlaut des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG „zugestimmt hat“ folgt, dass die Zustimmung des Aufsichtsrats vor der Durchführung der Maßnahme eingeholt werden muss. Eine Genehmigung von Abwehrmaßnahmen ist nicht möglich. In dem Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats müssen die einzelnen Abwehrmaßnahmen konkret bestimmt sein. Eine pauschale Zustimmung zu „geeigneten Abwehrmaßnahmen“ reicht nicht aus.31

1. Beschlussmaßstäbe für die Aufsichtsratsmitglieder a) Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats? Klärungsbedürftig ist, nach welchen Maßstäben die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen eines Zustimmungsbeschlusses nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG abstimmen müssen. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob der Aufsichtsrat einem Neutralitätsgebot unterliegt. Die Antwort liegt auf der Hand. Würde für den Aufsichtsrat ein teilweise angenommenes aktienrechtliches Neutralitätsgebot32 gelten oder übernahmerechtlich sich § 33 I 1 WpÜG auch auf den Zustimmungsbeschluss nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG erstrecken, ergäbe diese Vorschrift keinen Sinn. Der Aufsichtsrat wäre gezwungen, seine Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen des Vorstands zu versagen, da hierdurch Einfluss auf den Aktionärskreis genommen würde bzw. der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte.33 Aktienrechtlich hat der Aufsichtsrat grundsätzlich darüber zu wachen, dass der Vorstand seiner Pflicht nachkommt, für den Bestand des Unternehmens und für dauerhafte Rentabilität zu sorgen.34 Das bedeutet, dass der Aufsichtrat seiner Überprüfung eines Vorstandsbeschlusses die gleichen Aspekte im Sinne eines Gesellschaftsinteresses zugrunde zu legen hat wie der Vorstand selbst. Dies gilt, zumindest aktienrechtlich, bei einer Entscheidung über die Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots insbesondere deshalb, weil es sich nicht nur um eine Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, sondern vielmehr um eine Mitwirkung an der Geschäftsführung handelt.35 nehmer beschäftigen (s. § 76 IV BetrVG), besteht der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern und im Übrigen aus Aktionärsvertretern, § 76 I BetrVG. 31 Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 8. 32 So Mülbert, IStR 1999, 83, 89; nach der hier vertretenen Auffassung unterliegen weder Vorstand und Aufsichtsrat einem aktienrechtlichen Neutralitätsgebot. 33 Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 128; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 11. 34 Hüffer, § 111 Rn. 6. 35 Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 11.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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Wenn nun eine Entscheidung unter einer sorgfältigen und ordnungsgemäßen Interessenabwägung, wobei prinzipiell selbstverständlich auch das Aktionärs- und Arbeitnehmerinteresse zu berücksichtigen ist, getroffen wird, müssen diese Interessen gegebenenfalls hinter anderen Interessen zurückstehen. Bei Entscheidungen über die Abwehr von Übernahmeangeboten ist an dieser Stelle jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass das Aktionärsinteresse nicht hinreichend bestimmbar ist und daher das Gesellschaftsinteresse zum entscheidenden Maßstab erwächst.36 Im Ergebnis hat also auch der Aufsichtsrat ungeachtet seiner mitbestimmungsrechtlichen Zusammensetzung bei seiner Beschlussfassung das Gesellschaftsinteresse zugrunde zu legen.37

b) Kritische Würdigung des Zustimmungserfordernisses des Aufsichtsrats Vor dem Hintergrund dieses Maßstabes ist die Vorschrift des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG verfehlt. Bei einem mitbestimmten Aufsichtsrat ist kaum zu erwarten, dass dieser das Gesellschaftsinteresses als Maßstab für einen Zustimmungsbeschluss zur Abwehr eines Übernahmeangebots zugrunde legt. Sowohl die Aktionärs- als auch die Arbeitnehmervertreter repräsentieren Interessengruppen der Gesellschaft, deren Interesse in einer Übernahmesituation sehr einseitig sein und dem Gesellschaftsinteresse als Entscheidungsmaxime diametral entgegenstehen kann. Für den Fall einer erfolgreichen Abwehr befürchten die Aktionäre regelmäßig den Verlust ihrer Veräußerungsmöglichkeit zum Angebotspreis; die Arbeitnehmer bangen bei einer erfolgreichen Übernahme um ihre Arbeitsplätze. Insofern erscheint eine wirkungsvolle Überwachung der Geschäftsführung im Interesse der Gesellschaft durch § 33 I 2, 3. Fall WpÜG illusorisch. Der Ausnahmetatbestand des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG verzerrt insofern die Gewichtung der zu berücksichtigenden Interessen, da allein die Berücksichtigung der Aktionärs- und Arbeitnehmerinteressen gewährleistet wird. Bei paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten erscheint dies umso fragwürdiger, da die Arbeitnehmerinteressen eine gleichstarke Berücksichtigung finden wie die Aktionärsinteressen. Dies entspricht weder der nach dem Aktienrecht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen der Geschäftsführung noch dem Schutz der Kapitalmärkte als Ziel des WpÜG.

36 37

14*

Siehe dazu im Einzelnen oben Teil IV D. I. 1., II. 4., III., E. Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 128; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 11.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

2. Einschränkung des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG durch das Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung? a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 33 I 2, 3. Fall WpÜG In der jüngsten Literatur zu § 33 WpÜG wird die Verfassungsmäßigkeit des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG angezweifelt.38 Insbesondere bei Gesellschaften mit einem paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat wird die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Art. 14 GG diskutiert.39 Denn in diesem Fall kann der Aufsichtsrat, sollten die Arbeitnehmer geschlossen den vom Vorstand beschlossenen Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebots zustimmen, mit nur einer weiteren Stimme der Aktionärsvertreter die Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen herbeiführen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken basieren darauf, dass das BVerfG im Mitbestimmungsurteil das Anteilseigentum an Aktiengesellschaften in seinem mitgliedschaftlichen und vermögensrechtlichen Element als gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum bezeichnet hat.40 Ein Verstoß gegen Art. 14 GG wird nun darauf gestützt, dass der einzelne Aktionär bei einer erfolgreichen Abwehr eines Übernahmeangebots der Möglichkeit beraubt wird, sein gesellschaftsrechtliches Eigentum an einen bestimmten Bieter zu veräußern. Abgestellt wird also auf eine Einschränkung der freien Veräußerbarkeit der Aktien. Deshalb soll im Wege einer verfassungskonformen Auslegung das Aktionärsinteresse bei der Entscheidung des Vorstands, ob und welche Abwehrmaßnahmen er dem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorlegt, besondere Berücksichtigung finden.41 Dies soll insbesondere den dem Vorstand vom BGH in der ARAG-Entscheidung42 zugebilligten weiten Ermessensspielraum im Rahmen der Geschäftsführung, ausgerichtet am Unternehmensinteresse, im Falle einer Übernahmesituation einschränken.43

b) Stellungnahme Die zuvor genannte verfassungskonforme Auslegung ist nicht notwendig, da entgegen den Zweifeln der genannten Literaturstimmen § 33 I 2, 3. Fall WpÜG keinen Verstoß gegen Art. 14 GG darstellt. Dies gilt zunächst unproblematisch für das in der Aktie verkörperte mitgliedschaftliche Element. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass das Mitgliedschaftsrecht in einen korporativen Rahmen einge38 Ekkenga / Hofschroer, DStR 2002, 724, 734; Steinmeyer / Häger, § 33 Rn. 23; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 8; Zschocke, DB 2002, 79, 82 f. 39 Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 8. 40 BVerfG, Urteil vom 01. 03. 1979 – 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78 und 1 BvL 21 / 78 – in: BVerfGE 50, 290 , 374. 41 Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 126. 42 BGH, Urteil vom 21. 04. 1997 – II ZR 175 / 95 – in: BGHZ 135, 244. 43 Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 9, 10.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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bunden ist, in dem sämtliche in einer Aktiengesellschaft zusammentreffende Interessen zu berücksichtigen und bei Entscheidungen untereinander abzuwägen sind.44 Daher kann es durchaus vorkommen und ist von jedem Aktionär hinzunehmen, dass eine Entscheidung unter Abwägung aller zu berücksichtigenden Interessen auch dem Aktionärsinteresse zuwiderlaufen kann. Bei Übernahmeangeboten kommt als entgegenstehendes und dem Aktionärsinteresse vorgehendes Interesse das Gesellschaftsinteresse in Betracht. Bei genauer Betrachtung ist auch hinsichtlich der freien Veräußerbarkeit des Eigentums der Aktionäre ein Verstoß gegen Art. 14 GG zu verneinen. Zwar ist grundsätzlich die unbeschränkte Verfügbarkeit über Eigentum von Art. 14 GG geschützt. Jedoch können dem im Rahmen einer Aktiengesellschaft auch hier andere, in der verbandsrechtlichen Gemeinschaft zusammenfallende Interessen nach einer ordnungsgemäßen Abwägung entgegenstehen. Das entscheidende Argument gegen einen Verstoß gegen Art. 14 GG ist jedoch ein anderes. Bedenken wären dann berechtigt, wenn es dem Aktionär darauf ankäme, sein Eigentum an eine bestimmte Person zu veräußern und ihm genau diese Möglichkeit genommen wäre. Dem veräußerungswilligen Aktionär kommt es aber im Falle einer Übernahme tatsächlich nicht auf die Person des Bieters als Erwerber seiner Aktien an. Entscheidend für den Aktionär der Zielgesellschaft ist vielmehr der für seine Aktien zu erzielende Preis. Entsprechend seines Anlageinteresses will der Aktionär seine Anteile vor dem Hintergrund seines Investitionshorizonts mit einer möglichst hohen Rendite veräußern. Den Aktionären der Zielgesellschaft käme es also dann auf die Person des Bieters an, wenn dieser immer den höchstmöglichen Preis für die Aktien zahlen würde. Erstaunlicherweise wird dies immer wieder angenommen. Dass die Realität hingegen anders aussieht, hat beispielhaft die Übernahme der Kamps AG durch die italienische Gesellschaft Barilla im April 2002 veranschaulicht. Am Montag, den 15. April 2002 hat Barilla den Aktionären der Kamps AG ein Übernahmeangebot zu einem Preis von A 12 pro Aktie unterbreitet. Dieses Angebot lag 11,3% über dem Schlusskurs der Kamps-Aktien vom 12. April.45 Nachdem der Vorstandsvorsitzende der Kamps AG seine ablehnende Haltung zu dem Übernahmeangebot geäußert hatte, kletterte der Börsenkurs der Kamps-Aktien am 16. April zeitweise auf A 12,87. Dies zog eine Nachbesserung des Angebots von Barilla auf A 12,50 nach sich.46 Ein noch viel extremerer Anstieg des Börsenkurses der Aktien der Zielgesellschaft war nach bekannt werden der ablehnenden Haltung des Mannesmann-Vorstandes im Rahmen der Übernahmeschlacht Vodafone-Mannesmann zu beobachten. Die Begründung, die Aktionäre der Zielgesellschaft wollten ihre Aktien an den Bieter veräußern, weil dieser ein Angebot über dem Börsenkurs unterbreite, trifft nicht zu. Richtig ist allein, dass der Bieter naturgemäß ein Übernahmeangebot un44 45 46

Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 39. Handelsblatt Online vom 17. 04. 2002: „Keine Übernahmeschlacht um Kamps“. Handelsblatt Online vom 23. 04. 2002: „Kamps macht Weg für Übernahme frei“.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

terbreitet, das über dem aktuellen Börsenkurs liegt, um überhaupt einen Anreiz für die Adressaten zu schaffen. Tatsächlich ist es jedoch auch so, dass, insbesondere bei einer ablehnenden Haltung des Vorstands der Zielgesellschaft, der Kurs der Zielgesellschaft in Erwartung einer Abwehrschlacht und in dessen Folge einer Nachbesserung des Angebots regelmäßig steigt. In diesem Stadium können die Adressaten des Übernahmeangebots ihre Aktien jederzeit frei über die Börse veräußern und erhalten sogar einen höheren Preis als den des (ursprünglichen) Übernahmeangebots. Man wird wohl kaum behaupten können, dass es den Aktionären der Zielgesellschaft immer noch darauf ankommt, an den Bieter zu veräußern, wenn das Übernahmeangebot im Vergleich zum Börsenkurs nicht mehr attraktiv ist. Halten die Adressaten des Übernahmeangebots ihre Aktien noch länger, weil sie einen weiteren Anstieg des Börsenkurses erwarten und dieser gleichzeitig zu einer erfolgreichen Abwehr des Übernahmeangebots ausbleibt, so unterfällt dies dem allgemeinen Spekulationsrisiko und kann keinesfalls einen Verstoß gegen Art. 14 GG darstellen. Wenn gefordert wird, dass zur Rechtfertigung der Vorlage von Entscheidungen über Abwehrmaßnahmen des Vorstands an den Aufsichtsrat ein „qualifiziertes“47 oder „dringendes“48 Unternehmensinteresse erforderlich ist, ist dem im Ergebnis zuzustimmen. Die Begründung, dass hierdurch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG ein verstärkt zu berücksichtigendes Aktionärsinteresse überwunden werden muss, überzeugt indessen nicht. Denn das Aktionärsinteresse ist in einer Übernahmesituation überhaupt nicht bestimmbar.49 Vielmehr ergibt sich das Erfordernis eines eindeutig überwiegenden Gesellschaftsinteresses aus den allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 76 f., 93 AktG in Verbindung mit § 3 III WpÜG. Dass es dem Vorstand untersagt ist, bei bloßen Anhaltspunkten dafür, dass eine Übernahme dem Gesellschaftsinteresse entgegen stehen könnte, dem Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen zur Entscheidung vorzulegen, ergibt sich aus der Bedeutung und der Tragweite einer Übernahmesituation für sämtliche in der Gesellschaft zusammentreffende Interessensgruppen und der Funktionsfähigkeit des Marktes für Unternehmenskontrolle. Wenn es dem Vorstand nicht gelingt, Abwehrmaßnahmen anhand fundierter und nachvollziehbarer Argumente zu rechtfertigen, handelt er pflichtwidrig, wenn er trotzdem die Zustimmung des Aufsichtsrats durch eine Vorlage herbeiführen will.50 Insofern ist – jedenfalls im Ergebnis – in Fällen, in denen nicht eindeutige Argumente für eine Abwehr sprechen, der Vorstand sich aber trotzdem für Abwehrmaßnahmen ausspricht, vor deren Einleitung die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen.51 Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 126. Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 10. 49 Siehe dazu ausführlich oben Teil IV, D. I. 1. 50 Siehe zu diesem Ergebnis auch bereits im Rahmen der aktienrechtlichen Verhaltenspflichten des Vorstands in einer Übernahmesituation oben Teil IV, E. 51 So Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 10. 47 48

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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IV. Die Vorratsermächtigungen gemäß § 33 II WpÜG Nach § 33 II 1 WpÜG kann die Hauptversammlung den Vorstand auch schon vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots zur Vornahme von Abwehrmaßnahmen gegen zukünftige Übernahmeangebote ermächtigen. Entsprechend einer Vorabermächtigung der Hauptversammlung ist auch die Aufnahme von Ermächtigungsklauseln in die Gründungssatzung denkbar. Dies eignet sich insbesondere für Start-Up-Unternehmen, deren Anteile vor dem angestrebten Börsengang und dem damit verbundenen Wechsel zu Publikumsgesellschaften noch von den Gründern, die oft zugleich den Vorstand der Gesellschaft bilden, gehalten werden und die sich für die Zukunft die Abwehr eines Übernahmeangebots vorbehalten wollen. Da sich die Interessenlage signifikant ändert, wenn der Anteilsbesitz nach einem Börsengang zu einem großen Teil in Streubesitz übergeht, ist zu empfehlen, dass eine Satzungsbestimmung, die den Vorstand zur Abwehr einer Übernahme befähigt, noch einmal bestätigt werden muss. 1. Die Anforderungen an die Vorratsermächtigung im Einzelnen Da die Aktionäre bei einer Vorratsermächtigung die Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme eines zukünftigen Übernahmeangebots gegebenenfalls aus der Hand geben,52 sind Vorratsermächtigungen auf einen Zeitraum von 18 Monaten beschränkt und müssen mindestens mit einer 3/4-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals beschlossen werden, § 33 II 1, 2 WpÜG. Die Satzung kann darüber hinaus eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse vorsehen.53 Nach § 33 II 1 RegE WpÜG mussten die Abwehrmaßnahmen im Rahmen eines Vorratsbeschlusses noch im Einzelnen bestimmt sein.54 Von diesem strengen Erfordernis wurde durch den ausdrücklichen Wortlaut des § 33 II 1 WpÜG Abstand genommen. Nun müssen die Abwehrmaßnahmen im Rahmen eines Vorratsbeschlusses nur noch der Art nach bestimmt werden. Danach reichen Formulierungen wie „Durchführung einer Kapitalerhöhung“ und „Veräußerung von Beteiligungen“ aus.55 Im Übrigen gelten für Vorratsbeschlüsse die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften.56 52 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 53 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 54 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 55 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Einzelbegründung zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7477 S. 75.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

a) Das Interesse des Vorstands an einer ununterbrochenen Ermächtigung Der maximal 18 Monate geltende Vorratsbeschluss kann entweder im Rahmen einer außerordentlichen oder der alljährlichen ordentlichen Hauptversammlung gefasst werden. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft dürfte regelmäßig an einer übergangslosen Ermächtigung zur Abwehr unangemessener und ausbeuterischer Übernahmeangebote interessiert sein. Wenn die Satzung aufgrund eines Vorratsbeschlusses eine entsprechende Ermächtigung enthält, kann der Vorstand kurz vor Ablauf der Frist eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen und eine erneute 18-monatige Ermächtigung als Beschlussgegenstand unter Aufzählung der zu ergreifenden Abwehrmaßnahmen vorlegen, so dass er ununterbrochen zur Abwehr von Übernahmeangeboten ermächtigt ist. Denkbar ist auch, dass der Vorstand im Rahmen der alljährlich stattfindenden ordentlichen Hauptversammlung eine erneute Vorratsermächtigung als Beschlussgegenstand vorlegt. Da die ordentliche Hauptversammlung gemäß § 175 I 2 AktG stets innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahres stattfinden muss, kann er dann allerdings nicht die 18-monatige Frist ausschöpfen. Dies ist dann nicht nachteilig, wenn die Aktionäre den Vorstand wiederholt zur Abwehr eines Übernahmeangebots ermächtigen. Eine Addition der 18-monatigen Frist zu der noch laufenden Frist kommt demgegenüber unter teleologischen Gesichtspunkten nicht in Betracht, da es auf eine regelmäßige Überprüfung der Ermächtigung ankommt, die wenigstens alle 18 Monate zu erfolgen hat. b) Die Auswirkungen der Versagung einer erneuten Vorratsermächtigung auf die noch nicht abgelaufene Frist einer bestehenden Ermächtigung Wenn vor dem Fristablauf im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung eine erneute Vorratsermächtigung in Ermangelung einer erforderlichen Mehrheit nicht beschlossen wird, tritt das Problem auf, ob die bisherige Ermächtigung bis zu ihrem Fristablauf dennoch wirksam ist oder ob die Versagung einer erneuten Ermächtigung zugleich das vorzeitige Ende der noch bestehenden Ermächtigung zur Folge hat. Hier ist zu beachten, dass im Beschlusszeitpunkt der Wille der Aktionäre mit der erforderlichen 3/4-Mehrheit nicht mehr vorhanden ist. Insofern wird man ihren Willen eher dahingehend auslegen müssen, dass sie den Vorstand auch für die weitere Frist der noch bestehenden Ermächtigung zur Abwehr von Übernahmeangeboten nicht mehr autorisieren wollen. Um eine Rechtsunsicherheit zu vermeiden, ist zu empfehlen, die Beschlussvorlage so differenziert auszugestalten, dass sie die Auswirkungen auf eine noch nicht abgelaufene Ermächtigungsfrist regelt. Hierzu ist in der Beschlussvorlage eine Bestimmung erforderlich, wonach die be56 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

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stehende Ermächtigung bis zu ihrem Fristablauf auch dann gültig bleibt, wenn ein erneuter Vorratsbeschluss nicht zustande kommt.

2. Die inhaltlichen Anforderungen an die Abwehr eines Übernahmeangebots auf der Grundlage eines Vorratsbeschlusses Die Vorratsermächtigung des Vorstands zur Abwehr eines Übernahmeangebots kann nach § 33 II 3, 2. HS WpÜG neben einem höheren Zustimmungserfordernis als 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals an weitere Voraussetzungen geknüpft sein. Denkbar sind hier auch inhaltliche Anforderungen.

a) Die Höhe eines bestimmten Angebotspreises als entscheidendes Kriterium für die Abwehrbefugnis des Vorstands Der Vorratsbeschluss kann die Abwehrbefugnis des Vorstands von der Höhe des Angebotspreises abhängig machen. Liegt ein Angebotspreis unter der festgelegten Höhe, kann der Vorstand Abwehrmaßnahmen ergreifen. Andernfalls darf er nichts unternehmen, was das Angebot vereiteln könnte, sofern das Gesellschaftsinteresse der Übernahme nicht entgegensteht. Eine solche Regelung macht insbesondere dann Sinn, wenn der Börsenkurs unter dem tatsächlichen Unternehmenswert liegt und der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft ein Barangebot unterbreitet. Weniger tauglich ist diese Bedingung, wenn der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft als Gegenleistung eigene Aktien zum Tausch anbietet. Dann muss bei der Entscheidung über die Abwehr des Übernahmeangebots der tatsächliche Wert sowie die zu erwartende Entwicklung dieser Aktien berücksichtigt werden. b) Abwehrmaßnahmen des Vorstands aufgrund einer Vorratsermächtigung unter Beachtung des Gesellschaftsinteresses, § 3 III WpÜG Auch wenn der Vorratsbeschluss über die Bestimmung der einzelnen Abwehrmaßnahmen hinaus ausdrücklich keine weiteren Voraussetzungen für eine Abwehrbefugnis des Vorstands enthält, ist dieser bei Vorliegen eines Übernahmeangebots nicht per se befugt, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Der Vorstand hat immer die allgemeinen Grundsätze des WpÜG zu beachten. Bezüglich des Ausnutzens einer Vorratsermächtigung kommt § 3 III WpÜG entscheidende Bedeutung zu. Die Vorschrift lässt erkennen, dass auch während eines Angebotsverfahrens Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft weiterhin im

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Interesse des Unternehmens handeln müssen. Die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichten dieser Organe werden durch das WpÜG nicht berührt. Dabei sind die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und die Interessen der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen.57 Dementsprechend kann der Vorstand auch bei Vorliegen einer Vorratsermächtigung nur dann Abwehrmaßnahmen ergreifen, wenn das Interesse der Zielgesellschaft 58 nicht entgegen steht. Das bedeutet, dass er vor dem Gebrauch einer Abwehrermächtigung beurteilen muss, ob sich eine Übernahme positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg der Zielgesellschaft auswirken würde. Wenn dies der Fall ist, hat der Vorstand trotz bestehender Vorratsermächtigung alle Handlungen zu unterlassen, die den Erfolg des Übernahmeangebots vereiteln könnten. Er unterliegt dann nicht nur der grundsätzlichen Neutralitätspflicht nach § 33 I 1 WpÜG, sondern ist darüber hinaus verpflichtet, den Erfolg des Übernahmeangebots zu fördern. Steht das Gesellschaftsinteresse der Übernahme entgegen, muss der Vorstand auf Basis der Ermächtigung Abwehrmaßnahmen ergreifen.

3. Die Zustimmung des Aufsichtsrats, § 33 II 4 WpÜG Nach § 33 II 4 WpÜG bedürfen Handlungen des Vorstands auf Grund einer Vorratsermächtigung der Zustimmung des Aufsichtsrats. In Ermangelung abweichender Bestimmungen in der Satzung ist die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.59 Das Zustimmungserfordernis ist nur bei einer Einwilligung des Aufsichtsrats erfüllt. Eine nachträgliche Genehmigung der Maßnahme reicht wie nach § 111 IV 2 AktG60 nicht aus.61 Ein Teil der Literatur hält ausnahmsweise eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat nach § 111 IV 2 AktG für ausreichend, wenn ein eilbedürftiges Geschäft vorliegt.62 Vom Wortlaut des § 111 IV 2 AktG her ist diese Auffassung vertretbar, da dort von einer Zustimmung63 die Rede ist. Diese Ausnahme ist allerdings im Rahmen der Zustimmung des Aufsichtsrats zur Ergreifung von Abwehrmaßnahmen nicht zuzulassen. Eine Genehmigung wäre nicht mehr mit der Begründung des Regierungsentwurfs vereinbar, der gerade für die spezialgesetzliche Regelung des § 33 II 4 WpÜG eine Einwilligung fordert. Da Abwehrmaßnahmen während der Übernahmefrist immer eilbedürftig sind, könnte nicht mehr von einer Ausnahme gesprochen werden. Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 3, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 35. Zu Inhalt und Herleitung des Gesellschaftsinteresses s. im Einzelnen Teil IV, D. II. 59 Hüffer, § 108 Rn. 6. 60 Hüffer, § 111 Rn. 19. 61 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 62 Geßler / Hefermehl-Geßler, Rn. 71; a.A. Götz, ZGR 1990, 633, 643 f. 63 Die Zustimmung ist der Überbegriff für Einwilligung und Genehmigung, s. §§ 183, 184. 57 58

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

219

Nach der Regierungsbegründung wird durch die Zustimmung des Aufsichtsrats eine Kontrolle des Vorstandshandelns in der konkreten Übernahmesituation ermöglicht, die erforderlich ist, weil der dem Vorstandshandeln zu Grunde liegende Hauptversammlungsbeschluss nicht in Kenntnis des konkreten Angebots erfolgte.64 Entsprechend dem Zustimmungserfordernis gemäß § 33 I 2, 3. Fall WpÜG ist die Vorschrift des § 33 II 4 WpÜG wenig gelungen. Der Beschluss eines möglicherweise paritätisch besetzten Aufsichtsrats über die Abwehr eines Übernahmeangebots ist je zur Hälfte von Aktionärs- und Arbeitnehmerinteressen geprägt, was zu einer Verzerrung der eigentlich zu berücksichtigen Interessen und insbesondere zu einer Missachtung des Gesellschaftsinteresses führen kann.65

4. Abwehrmaßnahmen im Rahmen der Vorratsermächtigung Als Gegenstand der Vorratsermächtigung kommen die Abwehrmaßnahmen in Betracht, die vom Vorstand nicht ohne Hauptversammlungsbeschluss ergriffen werden können und nicht schon von den Ausnahmen des § 33 I 2, 1. und 2. Fall WpÜG erfasst sind. Dazu zählen insbesondere die Ausgabe neuer Aktien durch Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts, die Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen und der Erwerb eigener Aktien. Der Vorstand kann auch zu einer Gegenofferte („Pac Man“) ermächtigt werden. Des Weiteren kann die Ermächtigung vorsehen, dass der Vorstand bei Vorliegen eines Übernahmeangebots seine Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien verweigern kann. Denkbar ist auch, dass der Vorstand zum Verkauf von Crown Jewels ermächtigt wird, um dem Bieter einen Anreiz für die Übernahme zu nehmen. Dies dürfte jedoch kaum praxisrelevant sein. Wenn der zu veräußernde Vermögensgegenstand oder Geschäftsbereich für die unternehmerischen Ziele der Zielgesellschaft wichtig ist, würde die Zielgesellschaft bei einer Veräußerung selbst geschädigt. Eher vorstellbar ist, dass der Vorstand noch während des Übernahmeverfahrens einen Konkurrenten des Bieters erwerben kann, um für den Erfolg einer Übernahme kartellrechtliche Probleme zu schaffen. Wie aber der Erwerb von Orange durch Mannesmann66 gezeigt hat, wird diese Maßnahme eine Übernahme tatsächlich kaum unterbinden können. Der Bieter wird nach der Übernahme das zuvor hinzu erworbene Unternehmen wieder verkaufen, wie dies im Falle Vodafone durch den Verkauf von Orange an France Telekom auch geschehen ist.

64 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 65 Zur ausführlichen Kritik an dem Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats im Rahmen von § 33 I 2, 3. Fall WpÜG oben B. III. 1. b). 66 Siehe Teil V, A. II. 3.

220

Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

V. Die Beurteilungskriterien für die rechtmäßige Abwehr eines Übernahmeangebots nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG und § 33 II WpÜG Der Vorstand muss sowohl bei einem Gebrauch von einer Vorratsermächtigung gemäß § 33 II WpÜG als auch bei der Entscheidung, ob er dem Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot gemäß § 33 I 2, 3. Fall WpÜG zur Zustimmung vorlegt, nach § 3 III WpÜG das Gesellschaftsinteresse beachten. Ergreift der Vorstand Abwehrmaßnahmen, trifft ihn gemäß § 93 II 2 AktG die Beweislast dafür, dass er im Gesellschaftsinteresse gehandelt hat. Er muss im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit seines Handelns nachweisen, von ihm die beim Entscheidungsfindungsprozess zu berücksichtigenden Aspekte beachtet zu haben. Anhaltspunkte für die vom Vorstand seiner Entscheidung zugrunde zu legenden Aspekte ergeben sich lediglich aus der Vorschrift des § 27 I RegE WpÜG zur Stellungnahme des Vorstands. Darin muss er auf die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung (§ 27 I Nr. 1 WpÜG), die Folgen einer erfolgreichen Übernahme für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft (§ 27 I Nr. 2 WpÜG), die vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele (§ 27 I Nr. 3 WpÜG) und die Absicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen (§ 27 I Nr. 4 WpÜG) eingehen. Es ist zu fordern, dass der Vorstand die Aspekte nach § 27 I Nr. 1 – Nr. 3 WpÜG bei der Entscheidung, ob er ein Übernahmeangebot abwehrt, entsprechend berücksichtigt. Es erscheint jedoch nicht ausreichend, den Prozess der Entscheidungsfindung auf diese Gesichtspunkte zu beschränken.

1. Die Heranziehung der Kriterien der US-amerikanischen Rechtsprechung Zur Bestimmung weiterer Kriterien, die der Vorstand bei der Frage, ob er dem Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen zur Entscheidung vorlegt oder von einer Vorratsermächtigung Gebrauch macht, einbeziehen sollte, bietet es sich an, die Beurteilungsmaßstäbe der US-amerikanischen Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen des Board of Directors heranzuziehen. Die Entscheidung des Vorstands wird fundierter, transparenter und damit leichter nachprüfbar, je mehr Aspekte in die Vorstandsentscheidung einbezogen werden. Die Bemühung der USamerikanischen Prüfungskriterien ist insbesondere deshalb sinnvoll, weil nach USamerikanischem Recht wie auch nach § 33 I 2, 3. Fall, II WpÜG die Vorlage von Abwehrmaßnahmen an den Aufsichtsrat zur Zustimmung und das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen aufgrund einer Vorratsermächtigung dann zulässig ist, wenn dies nach dem Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt ist. Daher ist zu empfehlen, dass auch der Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft bei seiner Entscheidung

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

221

über die Ausnutzung einer Vorratsermächtigung die von den Gerichten in Delaware erhobenen Anforderungen an eine rechtmäßige Abwehr eines Übernahmeangebots erfüllt. Neben den aus § 27 WpÜG entnommenen Aspekten sollte der Vorstand seiner Entscheidung – die Finanzierung des Angebots und dessen Konsequenzen, – die Legalität des Angebots, – das Risiko der Nichtvollendung der Transaktion, – die Identität und den Hintergrund des Bieters sowie seine wirtschaftlichen unternehmerischen Erfahrungen, – die Angemessenheit des Angebots und – die Auswirkungen einer erfolgreichen Übernahme auf die von ihm verfolgte Geschäftsstrategie67

zugrunde legen.68 Neben Gesichtspunkten, die § 27 I WpÜG überhaupt nicht erfasst, sind die Angaben nach § 27 I WpÜG in den Erfordernissen der US-amerikanischen Rechtsprechung zum Teil nur mittelbar enthalten. Der Unterschied besteht darin, dass das Board of Directors nach der Rechtslage in Delaware über die Einbeziehung objektiver Kriterien hinaus, wie dies bei einer entsprechenden Heranziehung von § 27 I Nr. 1 – Nr. 3 WpÜG der Fall wäre, zu einer sorgfältigen Prüfung und Bewertung der verschiedenen Angaben verpflichtet ist. Während entsprechend § 27 I Nr. 1 WpÜG der Vorstand seiner Entscheidung rein objektiv die Art und Höhe der Gegenleistung zugrunde zu legen hat, fordern die Gerichte in Delaware ausdrücklich eine Bewertung, ob dies im Vergleich zum tatsächlichen Wert der Aktien der Zielgesellschaft angemessen ist. Zwar muss der Vorstand in Anlehnung an § 27 I Nr. 2 WpÜG auch die Folgen einer Übernahme auf die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer etc. berücksichtigen. Dass damit jedoch auch und insbesondere die Auswirkungen auf eine erfolgreiche Geschäftsstrategie und damit den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg sowie den Shareholder Value gemeint ist, wird nicht ausreichend deutlich. Da die langjährigen US-amerikanischen Erfahrungen zeigen, dass Abwehrmaßnahmen meist aufgrund unangemessener Angebotspreise oder negativer Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie ergriffen werden, folgt nun eine nähere Erörterung dieser beiden Aspekte. Das Erfordernis einer bestimmten Art und Weise der Prüfung dieser Punkte während eines Übernahmeverfahrens auch nach deutschem Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 871. So nach der US-amerikanischen Rechtsprechung der Delaware Supreme Court in: Unocal Corp v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985); Mills Acquisition Co. v. Macmillan, Inc., 559 A.2d 1261, 1282 (FN 29) (Del. 1988). 67 68

222

Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Recht würde die Vorstandsentscheidung über Abwehrmaßnahmen transparenter und damit gerichtlich leichter überprüfbar machen.

2. Die Unangemessenheit des Angebotspreises Überträgt man diese Voraussetzungen auf § 33 I 2, 3. Fall WpÜG und § 33 II WpÜG, muss der Vorstand dem Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen zur Zustimmung vorlegen oder von einer Vorratsermächtigung Gebrauch machen, wenn der Angebotspreis unangemessen ist.69 Dabei hat der Vorstand die Angebotsmodalitäten, insbesondere die Angebotshöhe und die Art und Weise der Gegenleistung zu berücksichtigen. Bei einem Tauschangebot muss die Qualität der Aktien der Bietergesellschaft beurteilt werden. Obwohl der Angebotspreis stets über dem aktuellen Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft liegt, ist das Angebot unangemessen, wenn die Aktien der Zielgesellschaft am Markt unterbewertet sind und ihr tatsächlicher Wert den Angebotspreis als zu niedrig erscheinen lässt. Zur Feststellung, in welchem Verhältnis der Angebotspreis zum tatsächlichen Unternehmenswert steht, könnte die Einholung professionellen Rats von Investmentbanken eine erhebliche Beweiserleichterung darstellen.70

3. Die Aufrechterhaltung einer erfolgreichen Geschäftsstrategie Ein weiterer Aspekt, der mit in die Unternehmensbewertung einfließt, aber auch isoliert betrachtet für die Abwehr einer Übernahme sprechen kann, ist die vom Vorstand der Zielgesellschaft verfolgte Geschäftsstrategie. Eine erfolgreiche Geschäftsstrategie der Zielgesellschaft kann deshalb für die Abwehr eines Übernahmeangebots sprechen, da mit einer Übernahme regelmäßig die Änderung der Geschäftspolitik einhergeht.71 Bei Vorliegen eines Übernahmeangebots hat der Vorstand zu beurteilen, wie sich das Konzept der Bietergesellschaft auf die eigene Geschäftsstrategie auswirkt. Selbst bei einem angemessenen Angebotspreis kann die Aufrechterhaltung der Geschäftsstrategie das Ausnutzen der Vorratsermächtigung erfordern. Der Vorstand darf nicht per se verpflichtet sein, seine Geschäftsstrategie durch den Erfolg des Übernahmeangebots für kurzfristige Profitinteressen der Aktionäre aufzugeben, es sei denn, dass keine vernünftigen Gründe für das Festhalten an dieser Strategie 69 Für das US-amerikanische Recht siehe Block / Kliegman 1158 PLI / Corp (1999) 255, 270, 271. 70 Die Konsultierung von Investmentbanken spielt im Rahmen der gerichtlichen Zulässigkeitsprüfung in den USA eine wichtige Rolle, s. Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134, 1140 (Del. Ch. 1994), aff ’d in Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134, 1156 (Del. 1995). 71 Martens in FS Beusch, 1993, 529, 551.

B. Die Ausnahmen von der Neutralitätspflicht

223

sprechen.72 Ob ein vernünftiger Grund vorliegt, richtet sich nach dem bisherigen Erfolg der Geschäftsstrategie und nach dem zu erwartenden, aus der weiteren Umsetzung des Businessplans resultierenden wirtschaftlichen Erfolg im Vergleich zu den sich aus einer Übernahme ergebenden Synergien. Wenn der Vorstand Abwehrmaßnahmen aufgrund einer Vorratsermächtigung ergreift oder dem Aufsichtsrat nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG zur Zustimmung vorlegt, um an seiner Geschäftsstrategie festzuhalten, muss seine Planung einem Plausibilitätserfordernis genügen um die Rechtmäßigkeit seines Handelns nachzuweisen. Hierbei ist durch hohe Anforderungen der Gefahr entgegenzuwirken, dass der Vorstand das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen zum Erhalt seines Amtes missbraucht. Für die Plausibilität seiner Planung spricht einerseits die erfolgreiche Umsetzung der Geschäftsstrategie in der Vergangenheit, andererseits der hohe Wahrscheinlichkeitsgrad seiner auf die Zukunft gerichteten Prämissen.73 Enthält das Konzept des Bieters Anhaltspunkte dafür, dass die Weiterverfolgung dieser Strategie nach einer Übernahme nicht möglich ist und durch nichts Besseres ersetzt wird, kann darin ein Grund für die Abwehr der Übernahme liegen. Die Wichtigkeit der Übereinstimmung des Konzepts des Bieters mit den unternehmerischen Zielen der Zielgesellschaft zeigt sich dadurch, dass die fehlende strategische Logik einer von drei Gründen ist, weshalb eine große Anzahl von Unternehmenszusammenschlüssen scheitert.74 Auf die Fortführung seiner Geschäftsstrategie kann sich der Vorstand nicht berufen, wenn diese bisher nicht erfolgreich war oder seine Planung dem Plausibilitätserfordernis nicht genügt. Unzureichend ist es, wenn er lediglich vorgibt, andere Ziele als der Bieter zu verfolgen, ohne sein Vorhaben auf eine fundierte Grundlage zu stützen. Insbesondere muss er den Nachweis erbringen, dass seine Geschäftsstrategie nicht nur eine Reaktion auf das Übernahmevorhaben ist, will er sich im Rahmen der Rechtfertigung von Abwehrmaßnahmen darauf berufen, dass die Zielvorstellungen von Bieter- und Zielgesellschaft nicht zu vereinbaren sind. Auch hier kann die Konsultierung einer Investmentbank eine erhebliche Beweiserleichterung darstellen.75 72 So für das US-amerikanische Recht der Delaware Supreme Court in Paramount Communications, Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1157 (Del. 1989). 73 Z. B. Entwicklung regionaler oder produktbezogener Märkte, Konjunkturentwicklungen, der Bedarf an Arbeitnehmern an bestimmten Standorten etc. 74 Interview mit Peter Strüven, Partner der Unternehmensberatungsgesellschaft „Boston Consulting Group“ in der Welt am Sonntag vom 22. Juli 2001, S. 46: „Es gibt drei Gründe, weshalb Unternehmenszusammenschlüsse nicht funktionieren. Erstens, dass die strategische Logik nicht passt . . . Zweitens: Dass die erwarteten Synergien des Zusammenschlusses schon im Kaufpreis stecken. Das führt im besten Fall zu einem Nullsummenspiel. Drittens: Die Integration selbst. Wenn es bei der Zusammenführung der Kulturen scheitert. Wenn einer der drei Punkte nicht erfüllt ist, geht es mit dem Aktienkurs in den Keller.“ 75 In der US-amerikanischen Rechtsprechung eine solche Beweiserleichterung für die Unangemessenheit des Übernahmeangebots und den negativen Einfluss auf die Geschäftsstrategie annehmend: Universal Foods Corp., 708 F. Supp. 984, 1010, 1011, 1013, 1014 (E.D.Wis.).

224

Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

4. Der Nachweis für die Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG und § 33 II WpÜG Der Vorstand muss im Einzelnen klarstellen, welche Umstände er wie beurteilt und welche Prioritäten er bei seiner Entscheidung, ob er Abwehrmaßnahmen gegen das Übernahmeangebot ergreift, gesetzt hat. Wenn die Entscheidung zur Abwehr des Übernahmeangebots das plausible Ergebnis eines sorgfältigen und umfassenden Abwägungsvorgangs ist, der den Inhalt des Übernahmeangebots und die Höhe des Angebotspreises mit den Auswirkungen einer erfolgreichen Übernahme auf die Zielgesellschaft 76 berücksichtigt, hat der Vorstand mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 93 I AktG gehandelt.

C. Die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abwehrmaßnahmen nach § 33 I WpÜG I. Präventivmaßnahmen Die Verhaltenspflichten des Vorstands nach § 33 WpÜG entstehen mit der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots. Präventivmaßnahmen sind daher Handlungen des Vorstands, die vor diesem Zeitpunkt ergriffen werden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen solchen Präventivmaßnahmen, die zur abstrakten Erschwerung einer Übernahme ergriffen werden, ohne dass der Vorstand von einem bestimmten Übernahmevorhaben Kenntnis hat und solchen Maßnahmen, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung nach § 10 WpÜG, aber in Kenntnis eines konkreten Übernahmevorhabens77 ergriffen oder eingeleitet werden.

1. Strukturelle Präventivmaßnahmen § 33 I 1 WpÜG steht strukturellen, eine Übernahme erschwerenden Präventivmaßnahmen, die der Vorstand einer Aktiengesellschaft im Vorfeld und ohne Kenntnis eines konkreten bevorstehenden Übernahmeangebots ergreift, nicht entgegen. Dies ergibt sich neben dem eindeutigen Wortlaut des § 33 I 1 WpÜG „nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots“ auch aus der Be76 So die US-amerikanische Rechtsprechung in: Unocal Corp. V. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 77 Dies ist denkbar, wenn zwischen den Vorständen von Bieter- und Zielgesellschaft gescheiterte Verhandlungen über einen einvernehmlichen Zusammenschluss vorangegangen sind und der Vorstand der Bietergesellschaft seine Absicht zu einem feindlichen Übernahmeangebot offenbart hat, wie dies etwa bei Vodafone-Mannesmann der Fall war.

C. Die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abwehrmaßnahmen

225

gründung des Regierungsentwurfs. Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verhaltenspflichten des Vorstands erst ab der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots beginnen und § 33 WpÜG damit vorbeugenden Maßnahmen des Vorstands nicht entgegen steht.78 Die Zulässigkeit solcher Maßnahmen ist demzufolge ausschließlich nach dem Aktienrecht zu beurteilen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist es dem Vorstand aktienrechtlich grundsätzlich erlaubt, strukturelle Präventivmaßnahmen zu ergreifen. Da die aus dem US-amerikanischen Recht, insbesondere in Form der Poison Pills bekannten schwerwiegenden Präventivmaßnahmen nach deutschem Recht unzulässig sind, kommt in Deutschland überwiegend nur die Einleitung bzw. die Schaffung von Voraussetzungen für Abwehrmaßnahmen in Betracht, von denen im konkreten Falle eines Übernahmeangebots Gebrauch gemacht werden kann.79 Zu denken ist insbesondere an Vinkulierungsklauseln, vertragliche Verfügungsbeschränkungen, Stimmrechtsbindungen und die Ermächtigung zur Schaffung genehmigten Kapitals.80 Ob der Vorstand im Falle eines konkreten Übernahmeverfahrens von den präventiv geschaffenen Möglichkeiten Gebrauch machen darf, unterliegt einer sorgfältigen und ordnungsgemäßen Ermessensausübung unter Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses.

2. Die Erfüllung von vertraglichen oder sonstigen Rechtspflichten während eines Übernahmeverfahrens als Abwehrmaßnahme gegen ein Übernahmeangebot Der Referentenentwurf enthielt in § 33 II Nr. 6 RefE WpÜG die Ausnahme zur Neutralitätspflicht des Vorstands, dass auch nach der Veröffentlichung der Entscheidung zu einem Übernahmeangebot die Erfüllung vertraglicher oder sonstiger Rechtspflichten, die vor der Veröffentlichung begründet wurden, zulässig sind. Damit suspendierte § 33 III Nr. 6 RefE WpÜG nicht die aus bestehenden Rechtsverhältnissen resultierenden Pflichten der Zielgesellschaft. 81 Hiervon war auch die Erfüllung solcher bereits bestehender schuldrechtlicher und gesetzlicher Verpflichtungen umfasst, die den Aktiv- oder Passivbestand erheblich verändern oder sonst außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbereichs liegen.82 Diese Ausnahmevorschrift wurde in § 33 RegE WpÜG und auch in § 33 WpÜG nicht mehr übernommen. Für die meisten Fälle bedarf es dieser Vorschrift nicht mehr, weil der Vorstand der Zielgesellschaft nun während des Übernahmeverfahrens sämtliche HandRegierungsentwurf, Begründung Besonderer Tei zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. Als einzige „vollendete“ Präventivmaßnahme kommt die Erschwerung der Abberufung von Vorstandsmitgliedern in Betracht, s. dazu oben Teil V., I. 2., sowie schuldrechtliche Kündigungsbeschränkungen, siehe dazu oben Teil V., I. 3. 80 Siehe dazu im Einzelnen oben Teil V., I. 81 Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil, S. 145. 82 So auch Krause, NZG 2000, 905, 911, 912; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 274. 78 79

15 Hens

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

lungen vornehmen kann, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte, § 33 I 2, 1. Fall WpÜG.

a) Die Problematik eines Vertragsschlusses zur Abwehr eines Übernahmeangebots vor der Veröffentlichung der Entscheidung nach § 33 I 1 WpÜG Zu beurteilen bleiben die Fälle, in denen eine vertragliche oder sonstige Rechtspflicht vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots begründet wird, durch die der Erfolg eines Übernahmeangebots verhindert werden könnte und deren Erfüllung der Abwehr des bevorstehenden Übernahmeangebots dienen soll83. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn der Vorstand der Zielgesellschaft infolge gescheiterter Verhandlungen mit dem Vorstand der Bietergesellschaft Kenntnis von einem kurz bevorstehenden feindlichen Übernahmeangebot hat. Die Beurteilung der Zulässigkeit einer dann eingegangenen Verpflichtung gegenüber Dritten zur Vornahme von Maßnahmen, die das bevorstehende Übernahmeangebot abwehren sollen – zu denken ist insbesondere an einen Zeichnungsvertrag zur Ausgabe neuer Aktien – erweist sich als problematisch. Einerseits wirft ein solches Vorgehen den Gedanken an eine Umgehung der Neutralitätspflicht des § 33 I 1 WpÜG auf. Andererseits weist die Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich darauf hin, dass die Verhaltenspflichten des Vorstands erst ab der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots beginnen, und § 33 WpÜG damit vorbeugenden Maßnahmen des Vorstands nicht entgegensteht.84 In der Regierungsbegründung findet sich insbesondere kein Hinweis darauf, dass die Verhaltenspflichten des § 33 WpÜG, entsprechend der Regelung in England durch Rule 21 des Londoner City Code on Takeovers and Mergers,85 bereits ab Kenntnis von einem Übernahmevorhaben gelten. Es ist zu untersuchen, ob sich § 33 WpÜG trotz seines Wortlautes in bestimmten Fällen schon auf den Zeitraum ab Kenntnis eines Übernahmevorhabens erstrecken und somit Präventivmaßnahmen, die sich bereits gegen ein konkretes Übernahmevorhaben richten, entgegenstehen kann. Praxisrelevant ist dies vor allem für die Zulässigkeit von Verträgen, die zur Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden Übernahmeangebots noch vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots geschlossen werden.

Hervorh. d. Verf. Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Tei zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 85 Nach Rule 21 des City Code beginnt die Neutralitätspflicht des Leitungsorgans der Zielgesellschaft, sobald es Kenntnis ernst zu nehmender Anhaltspunkte von der Absicht eines Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots hat 83 84

C. Die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abwehrmaßnahmen

227

b) Die Wirksamkeit eines Vertrages vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots, dessen Erfüllung das Übernahmeangebot vereiteln soll Fraglich ist, ob § 33 I 1 WpÜG die Wirksamkeit von Zeichnungsverträgen zur Ausgabe neuer Aktien mit einem Dritten berührt, die in Kenntnis eines bevorstehenden Übernahmeangebots geschlossen werden, aber aufgrund des Wortlautes „nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots“ von § 33 I 1 WpÜG direkt noch nicht erfasst sind. Nicht nur die Unzulässigkeit sondern sogar die Nichtigkeit solcher Verträge kann dann gegeben sein, wenn durch das Geschäft Verhaltenspflichten des § 33 I 1 WpÜG umgangen werden und diese Vorschrift ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt.86 Ab der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses darf der Vorstand der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte, § 33 I 1 WpÜG. Wenn hierin ein Verbot im Sinne des § 134 BGB zu sehen wäre, verstieße zugleich ein Vertrag über die Ausgabe neuer Aktien gegen § 33 I 1 WpÜG, da ein bestimmtes, gesetzlich verbotenes Verhalten nicht durch eine Pflicht zu eben diesem Verhalten begründet werden kann.87 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ein gesetzliches Verbot nicht durch rechtliche Konstruktionen umgangen werden darf. Ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB liegt vor, wenn die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, das seiner allgemeinen Natur nach in unserer Rechtsordnung möglich ist, mit Rücksicht auf seinen Inhalt, auf einen von der Rechtsordnung missbilligten Erfolg oder auf die besonderen Umstände, unter denen es vorgenommen wird, gerade für bestimmte Fälle untersagt wird.88 Typisch für den Wortlaut von Verbotsgesetzen sind Formulierungen wie „darf nicht“, „kann nicht“, „soll nicht“.89 Aufgrund des Wortlautes „. . . darf der Vorstand der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen . . .“ stellt § 33 I 1 WpÜG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar. Als Folge dessen ergibt sich die Nichtigkeit von Zeichnungsverträgen, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots mit der Absicht geschlossen werden, das bevorstehende Übernahmeangebot zu verhindern. Wenn jedoch die Satzung den Vorstand generell zur Schaffung genehmigten Kapitals ohne ausdrückliche Zweckbegrenzung ermächtigt, ist zu beachten, dass grundsätzlich die Ausgabe von Aktien nach erfolgter Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister trotz Nichtigkeit des zugrunde liegenden 86 Auf eine solche Umgehungsproblematik wurde in der bisherigen Literatur zu § 33 WpÜG kaum eingegangen; lediglich die Möglichkeit einer solchen Problematik skizzierend Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 4. 87 Medicus, AT des BGB, Rn. 647. 88 Wolf, AT des BGB, § 40, Rn. 6, S. 734. 89 Erman-Palm, § 134, Rn. 9.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Zeichnungsvertrages gleichwohl wirksam ist. Nach der Eintragung können die Vertragsparteien aus der Nichtigkeit des Zeichnungsvertrages keine Rechte herleiten.90 Das bedeutet, dass der Zeichner mit der Eintragung Aktionär mit allen Rechten und Pflichten wird.91 Die Nichtigkeitsfolge der aufgrund genehmigten Kapitals ausgegebenen Aktien ergibt sich nur dann, wenn der Vorstand überhaupt nicht zur Schaffung genehmigten Kapitals ermächtigt ist oder die Satzung abschließende Fallgruppen vorsieht, für die genehmigtes Kapital geschaffen werden kann und die Abwehr einer Übernahme nicht umfasst ist. Dann fehlt es an einer Ermächtigung der Hauptversammlung. Aktien, die ohne eine solche Ermächtigung ausgegeben werden, sind nichtig und verbriefen keine Mitgliedsrechte.92 Ist der Vorstand nach der Satzung jedoch ohne abschließend aufgezählte Fallgruppen zur Schaffung genehmigten Kapitals ermächtigt, stünde ein gemäß § 33 I 1 WpÜG i.V.m. § 134 BGB nichtiger Zeichnungsvertrag dem Erwerb des Zeichners nach Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister nicht entgegen, da der Vorstand nicht ohne Ermächtigung handeln würde. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Vorstand gegen seine Sorgfaltspflichten gemäß § 93 AktG verstößt, wenn er Abwehrmaßnahmen gegen ein lediglich bevorstehendes Übernahmeangebot ergreift. Denn er wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht die einzelnen Angebotsmodalitäten kennen, die er seiner Entscheidung über die Abwehr zwingend zugrunde zu legen hat. Außerdem ist er der Gefahr ausgesetzt, dass das tatsächliche Übernahmeangebot gar nicht erfolgen wird. Der Wirksamkeit der Kapitalerhöhung steht dies aber nicht entgegen, entsprechend ermächtigt ist.

c) Die analoge Anwendung des § 202 AktG Dieses Ergebnis erscheint im Lichte des § 33 I WpÜG unbefriedigend. Daher ist zu untersuchen, ob § 33 I 1 WpÜG Vorwirkung entfalten kann und im Wege einer analogen Anwendung des § 202 AktG die Ausgabe von Aktien unter einem Verstoß gegen die Anforderungen des § 33 WpÜG unwirksam ist. Nach § 202 AktG bedarf der Vorstand zur Schaffung genehmigten Kapitals der Zustimmung der Hauptversammlung bzw. einer entsprechenden Satzungsklausel. Eine ohne diese Ermächtigung vorgenommene Kapitalerhöhung ist unwirksam. Auch die Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister bewirkt dann keine Heilung, so dass Mitgliedschaftsrechte nicht entstehen.93 Im Zusammenhang mit der Abwehr von Übernahmeangeboten ist die Ausgabe neuer Aktien während eines Übernahmeverfahrens gemäß § 33 I 2, 3. Fall WpÜG nur zulässig, wenn der Aufsichtsrat zuge90 91 92 93

Hüffer, § 185 Rn. 28. Hüffer, § 185 Rn. 28. Hüffer, § 202 Rn. 19; MünchHB GesR-Krieger, § 58, Rn. 55. Hüffer, § 202 Rn. 19.

C. Die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abwehrmaßnahmen

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stimmt hat. Zwar sollen bereits nach § 202 III 2 AktG neue Aktien nur ausgegeben werden, wenn der Aufsichtsrat zustimmt. Dieses Zustimmungserfordernis ist jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kapitalerhöhung.94 Im Gegensatz zu der Soll-Vorschrift des § 202 III 2 AktG ist die Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG zwingend und insoweit als Wirksamkeitsvoraussetzung zu verstehen. Übernahmerechtlich ist das Zustimmungserfordernis mit einer Satzungsermächtigung gemäß § 202 I AktG vergleichbar. Wenn die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats nun aber die Wirksamkeit der ausgegebenen Aktien unberührt ließe, entstünde eine planwidrige Regelungslücke. Insofern stellt das übernahmerechtliche Zustimmungserfordernis nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG in analoger Anwendung des § 202 I AktG ein Wirksamkeitserfordernis für die Schaffung genehmigten Kapitals zur Abwehr eines Übernahmeangebots dar. Das bedeutet, dass für die Wirksamkeit der Ausgabe neuer Aktien durch genehmigtes Kapital aufgrund eines Zeichnungsvertrags, der vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots mit einem Dritten geschlossen wurde, und dessen Erfüllung durch die Ausgabe der neuen Aktien in den Zeitraum nach der Veröffentlichung fällt, die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist. Dadurch wird eine Umgehung des § 33 WpÜG durch die Verpflichtung zur Ausgabe neuer Aktien in Kenntnis eines Übernahmevorhabens und zu dessen Verhinderung unterbunden. Das gleiche muss gelten, wenn die Ausgabe der Aktien noch vor der Veröffentlichung der Entscheidung erfolgen kann. Nach dem Sinn und Zweck des § 33 WpÜG entfaltet diese Vorschrift in den vorgenannten Fällen also eine Vorwirkung auf den Zeitpunkt ab Kenntnis eines Übernahmevorhabens, auch wenn der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots noch nicht veröffentlicht hat. Neben der Unwirksamkeit der auszugebenden Aktien ist weitere Folge, dass der Vorstand der Zielgesellschaft in der hier diskutierten Fallkonstellation durch den Abschluss des Zeichnungsvertrages wegen des Verstoßes gegen § 33 I 1 WpÜG pflichtwidrig handelt. Er könnte daher von der BAFin gemäß § 60 I Nr. 8, III WpÜG zur Zahlung einer Geldbuße von bis zu A 1.000.000 verpflichtet werden. Bei einer Zustimmung des Aufsichtsrats kommt eine Haftung gemäß § 93 AktG bzw. §§ 116 i.V.m. 93 AktG in Betracht, da das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen ohne Kenntnis der konkreten Angebotsmodalitäten die Pflichtwidrigkeit des Entscheidungsfindungsprozesses indiziert.

II. Unzulässige nachträgliche Abwehrmaßnahmen nach der Begründung des Regierungsentwurfs 1. Die Ausgabe neuer Aktien und der Erwerb eigener Aktien Wenn der Vorstand durch eine Satzungsklausel zur Schaffung genehmigten Kapitals gemäß den §§ 202 ff. AktG ermächtigt ist, kann er ohne Zustimmung der 94

Hüffer, § 202 Rn. 22.

230

Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Aktionäre neue Aktien ausgeben. Erfolgt die Ausgabe neuer Aktien während des Übernahmeverfahrens, wird eine Übernahme verteuert, da der Bieter das Übernahmeangebot auf alle Aktien der Zielgesellschaft erstrecken muss.95 Da hierdurch eine Übernahme verhindert werden kann, ist die Ausgabe neuer Aktien untersagt,96 es sei denn, es liegen die Voraussetzungen von § 33 I 2, 1. Fall oder 3. Fall WpÜG vor. Entsprechendes gilt für die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen und für den Erwerb eigner Aktien.

2. Die Veräußerung von Crown Jewels und die Schaffung kartellrechtlicher Probleme Unzulässig ist die Veräußerung wesentlicher, für den Bieter besonders bedeutsamer Bestandteile des Gesellschaftsvermögens („Crown Jewels“).97 Darunter kann insbesondere die Veräußerung bestimmter Geschäftsbereiche fallen, die für das Konzept des Bieters nach einer erfolgreichen Übernahme eine wichtige Rolle spielen. Der Vorstand der Zielgesellschaft verstößt des Weiteren gegen seine Pflicht aus § 33 I 1 WpÜG, wenn er während des Übernahmeverfahrens Gesellschaften akquiriert, die mit der Bietergesellschaft in direktem Wettbewerb stehen und damit für den Fall, dass das Übernahmeangebot Erfolg hat, kartellrechtliche Probleme schafft.98

III. Der Börsengang von Tochtergesellschaften Seit Inkrafttreten des WpÜG können Übernahmen auch durch einen Börsengang von Tochtergesellschaften der Zielgesellschaft verteuert und damit möglicherweise abgewehrt werden, weil der Bieter nach § 35 WpÜG zugleich den Aktionären sämtlicher Tochtergesellschaften ein Übernahmeangebot machen muss.

95 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57. 96 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57. 97 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 57; so bereits Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, S. 143, 144. 98 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58.

C. Die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abwehrmaßnahmen

231

IV. Pac-Man Weder in § 33 WpÜG selbst noch in der Begründung liest man etwas über die Abgabe eines Gegenangebots zur Abwehr eines Übernahmeangebots. Bei dieser aus den USA stammenden Abwehrmaßnahme stehen sich die Übernahmeangebote von Bieter- und Zielgesellschaft gegenüber. Gelingt es der Zielgesellschaft des ersten Übernahmeangebots, ihre Offerte durchzusetzen, übernimmt sie die Bietergesellschaft und wehrt damit zugleich das Übernahmeangebot ab. Im Gegensatz zur Begründung des Regierungsentwurfs ging die Begründung des Referentenentwurfs99 und des Diskussionsentwurfs100 auf die Zulässigkeit der Pac-Man-Strategie ein. Da der Vorstand wie schon nach § 31 I 1 DiskussionsE, § 33 I 1 RefE WpÜG, § 33 I 1 RegE WpÜG auch nach § 33 I 1 WpÜG einem grundsätzlichen Neutralitätsgebot unterworfen ist, ist die Zulässigkeit der PacMan-Verteidigung genauso zu beurteilen wie nach der Begründung zu § 33 RefE WpÜG. Danach sollte die Unterbreitung eines Gegenangebots jedenfalls dann unzulässig sein, wenn dadurch eine wechselseitige Beteiligung im Sinne des § 19 I AktG erreicht und eine Ausübungssperre für den 25% übersteigenden Anteilsbesitz nach § 328 AktG auf Seiten des Bieters herbeigeführt werden könnte.101 Die Unzulässigkeit der Pac-Man-Abwehr ergab sich damit für den Fall, dass an der Übernahme ausschließlich deutsche Gesellschaften beteiligt sind und der Bieter nicht bereits über 25% oder mehr der Anteile der Zielgesellschaft verfügt. Dann kann die Zielgesellschaft ihrerseits durch den Erwerb von 25% der Anteile des Bieters eine Ausübungssperre für den 25% übersteigenden Anteilsbesitz auf Seiten des Bieters herbeiführen.102 Infolge dessen dürften Gegenangebote grundsätzlich unzulässig sein, da Übernahmeangebote aufgrund der Unzulässigkeit von Teilangeboten nach § 32 WpÜG auf alle Anteile der Zielgesellschaft zu erstrecken sind, so dass die Möglichkeit der wechselseitigen Beteiligung nach § 19 I AktG in der Regel besteht. Dennoch ist es am Einzelfall zu prüfen, ob die Möglichkeit einer wechselseitigen Beteiligung tatsächlich gegeben ist und ein Gegenangebot zulässig oder unzulässig ist.103 Ungeachtet dessen erscheint es zweifelhaft, ob ein Gegenangebot als Abwehrmaßnahme bei Vorliegen eines Übernahmeangebots überhaupt in Betracht kommen kann.104 Ohne Vorbereitung105 kann es während des Übernahmeverfahrens Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, S. 144. Diskussionsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 31, S. 138. 101 Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, S. 144; so auch schon Diskussionsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 31, S. 138. 102 Pötzsch / Möller, S. 27. 103 Land / Hasselbach, DB 2000, 1747, 1753. 104 Zurecht zweifelnd Hopt in FS Lutter 2000, 1361, 1389, 1390. 105 Zur Vorbereitung eines Übernahmeangebots, u. a. am Beispiel Vodafone / Mannesmann s. Riehmer / Schröder, NZG 2000, 820. 99

100

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

nur noch in aller Schnelle und ohne die erforderliche Sorgfalt erstellt werden, wodurch der Vorstand per se gegen seine Pflichten aus § 93 AktG verstoßen dürfte. Die Zulässigkeit eines Gegenangebots kann sich aber dann ergeben, wenn die Zielgesellschaft bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots der Bietergesellschaft die Absicht hatte, ihrerseits die Bietergesellschaft zu übernehmen und die Bietergesellschaft mit der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Übernahmeangebots der Zielgesellschaft zuvorgekommen ist. Dann ist das Gegenangebot nach § 33 I 2, 1. Fall WpÜG zulässig. V. Anzeige- und Werbekampagnen und die Einflussnahmen auf die Aktionäre zu einer „Pool- und Frontenbildung“ durch Roadshows 1. Die Zulässigkeit von Roadshows Der Versuch des Vorstands der Zielgesellschaft, Großaktionäre durch Roadshows von der Annahme des Angebots abzuhalten, könnte bei einem extensiven Verständnis des § 33 I 1 WpÜG gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, da eine erfolgreiche Beeinflussung der Anleger dazu führt, dass diese das Übernahmeangebot nicht annehmen und damit die Übernahme vereitelt werden kann. Jedoch liegt hier keine Handlung im Sinne des § 33 I 1 WpÜG vor. Unter den Handlungsbegriff des § 33 I 1 WpÜG fallen nur solche Maßnahmen, die ohne weitere Mitwirkungshandlungen der Aktionäre geeignet sind, das Übernahmeangebot zu vereiteln.106 Die freie Entscheidung der Aktionäre über Annahme oder Nichtannahme des Übernahmeangebots wird nicht beeinträchtigt. Die Veranstaltung von Roadshows begegnet daher keinen übernahmerechtlichen Bedenken.107 Aus den genannten Gründen verstößt der Vorstand auch nicht gegen § 33 I 1 WpÜG, wenn er die Aktionäre zu vertraglichen Veräußerungsverboten bewegen kann.

2. Die Zulässigkeit von Werbekampagnen Werbemaßnahmen verstoßen grundsätzlich nicht gegen § 33 I 1 WpÜG. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 28 I WpÜG, wonach die BAFin bestimmte Arten der Werbung untersagen kann, um Missständen bei der Werbung im Zusammenhang mit Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren zu begegnen. Weil auch bei Werbemaßnahmen die Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme bei Siehe oben A. II. Einen Verstoß gegen § 33 I 1 WpÜG durch Roadshows und sonstige Werbemaßnahmen annehmend: Haarmann / Riehmer / Schüppen-Röh, § 33 Rn. 123. 106 107

D. Handlungen des Vorstands nach Veröffentlichung des Angebots

233

den Aktionären bleibt,108 hält auch die herrschende Meinung im Schrifttum Werbeanzeigen aktienrechtlich für zulässig.109 Die BAFin kann nach § 28 WpÜG bestimmte Werbemaßnahmen untersagen, ohne dass bereits Missstände eingetreten sind; auch vorbeugende Maßnahmen sind zulässig. Die Untersagungen können sowohl Inhalt als auch Umfang der Werbung und die zu ihrer Übermittlung eingesetzten Medien zum Gegenstand haben.110 Es können nicht nur einzelne Werbemaßnahmen, sonder auch generell bestimmte Werbemaßnahmen oder Werbemethoden untersagt werden.111 Seit Inkrafttreten des WpÜG ist anzunehmen, dass unsachliche Werbung wie im Falle von Vodafone-Mannesmann in den Fokus des BAFin gerät und vermutlich untersagt werden wird.112

D. Handlungen des Vorstands aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage Abwehrmaßnahmen des Vorstands nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots sind über die in § 33 I 2, II WpÜG vorgesehenen Ausnahmen hinaus dann zulässig, wenn die Hauptversammlung zustimmt.113 Die Zulässigkeit solcher Maßnahmen ist deshalb gerechtfertigt, weil sie auf einer Entscheidung der Aktionäre basieren, die einer Beschränkung ihrer Entscheidungsmöglichkeiten im Falle eines Übernahmeangebots zu Gunsten eines erweiterten Handlungsspielraums des Managements zugestimmt haben.114 Nach der Begründung des Referentenentwurfs sind Abwehrmaßnahmen aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses115 auch deshalb als Ausnahme von der Neutralitätspflicht zuläsMaier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 264. Becker, ZHR 165 (2001), 280, 284; Hopt in FS Lutter, 2000, 1361, 1382 f.; Horn, ZIP 2000, 473, 482; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 264; Martens in FS Beusch, 1993, 529, 549; A.A. Kort in FS Lutter, 2000, 1421, 1440. 110 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 28, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 52. 111 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 28, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 52. 112 Zu Umfang und Kosten von Werbemaßnahmen siehe auch oben Teil V. A. II. 2. b). 113 Obwohl diese Ausnahme im Vergleich zu § 33 I 1 RegE WpÜG nun in § 33 I WpÜG nicht mehr enthalten ist, sind Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung der Hauptversammlung während des Angebotsverfahrens nach allgemeiner Ansicht auch jetzt noch zulässig, siehe Picot / Mentz / Seydel-Hasselbach, Rn. 58; Krause, NJW 2002, 705, 713; Hirte / von Bülow, § 33 Rn. 88 f.; Geibel / Süßmann-Schwennicke, § 33 Rn. 57. 114 Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58. 115 Dort vorgesehen in § 33 III Nr. 2 RefE. 108 109

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

sig, weil die für die Verhaltenspflichten maßgeblichen Gesichtspunkte – Pflicht zur Fremdinteressenwahrung, Gefahr der Kollision mit eigenen Interessen des Vorstands oder Aufsichtsrats und Sicherstellung der Entscheidungsfreiheit der Aktionäre – gewahrt werden.116 Die Ermächtigung von Vorstand oder Aufsichtsrat muss bei Vornahme der Handlung vorliegen, eine nachträgliche Zustimmung ist nicht ausreichend.117 Bei der Ermächtigung handelt es sich daher um eine Einwilligung im Sinne des § 183 S. 1 BGB. Anderenfalls ergäbe sich ex ante betrachtet ein unvertretbares Risiko, dass die bereits ergriffenen Maßnahmen nicht genehmigt werden. Möglich ist hingegen die Genehmigung von bloßen Vorbereitungshandlungen, die an sich noch nicht zur Abwehr des Angebots geeignet sind.118 Da die Aktionäre als Eigentümer selbst entscheiden, ist der Vorstand bei der Vorlage von Beschlussgegenständen grundsätzlich keinen inhaltlichen Schranken unterworfen. Es können sämtliche Maßnahmen beschlossen werden, solange sie aktienrechtlich zulässig sind.119 Demnach stehen die in der Beschlussvorlage enthaltenen Abwehrmaßnahmen unter der Prämisse, dem Gesellschaftsinteresse zu entsprechen.120 Der Vorstand verstößt gegen seine aus § 3 III WpÜG folgende Verpflichtung, die Gesellschaft interessengerecht zu leiten, wenn er der Hauptversammlung einen nur auf die Abwehr des Angebots gerichteten Beschluss vorlegt, obwohl er nach einer sorgfältigen Analyse des Angebots zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass eine erfolgreiche Übernahme dem Gesellschaftsinteresse entspricht. Gleichwohl sind die Aktionäre dann frei, ein unternehmerisch und wirtschaftlich überzeugendes Konzept des Bieters zu verwerfen, wenn dies einem durch eine Minderheit der Aktionäre nach § 122 II AktG vorgebrachten Beschluss121 oder einer ihnen die Wahl lassenden, rein informatorischen Beschlussvorlage des Vorstands folgt.

I. Die verkürzte Einberufungsfrist für Hauptversammlungen während eines Übernahmeverfahrens Bisher sind Abwehrmaßnahmen aufgrund eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung während des Übernahmeverfahrens, das sich nach dem Übernahmekodex richtet, nach Art. 19 S. 3, 2. HS ÜK zulässig. Jedoch ist diese Regelung aufgrund der kurzen Angebotsfrist – nach Art. 11 ÜK muss die Angebotsfrist mindestens 28 Tage betragen und darf 60 Tage nicht überschreiten – einerseits und 116 117 118 119 120 121

Referentenentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, S. 144. Kiem, ZIP 2000, 1509, 1516. Kiem, ZIP 2000, 1509, 1516. Kiem, ZIP 2000, 1509, 1515. Kiem, ZIP 2000, 1509, 1516. Dies auch ohne Bezug auf § 122 II AktG annehmend Kiem, ZIP 2000, 1509, 1516.

D. Handlungen des Vorstands nach Veröffentlichung des Angebots

235

der nach dem Aktiengesetz langen Einberufungsfrist122 andererseits praktisch kaum durchführbar und daher zu Recht auf starke Kritik in der Literatur gestoßen.123 Wenn die Angebotsfrist nur die Mindestlaufzeit umfasst, ist die Einberufung einer Hauptversammlung selbst rein rechnerisch nicht möglich. Aber auch bei einer Angebotsfrist von 60 Tagen wird es praktisch nur möglich sein, die Hauptversammlung kurz vor Ablauf dieser Frist durchzuführen. Unter Berücksichtigung des organisatorischen Vorlaufs bei Publikumsgesellschaften wird die Einberufungsfrist regelmäßig sechs Wochen betragen.124 Für die Umsetzung von dann gegebenenfalls gefassten Beschlüssen – wie beispielsweise die Ausgabe neuer Aktien in Folge einer Kapitalerhöhung – dürfte bis zum Ablauf der Angebotsfrist kaum Zeit bleiben. Diesem Dilemma trägt das WpÜG durch eine kürzere Einberufungsfrist sowie durch die automatische Verlängerung der Angebotsfrist im Falle der Einberufung einer Hauptversammlung Rechnung. Grundsätzlich beträgt die Annahmefrist eines Übernahmeangebots gemäß § 34 i.V.m. § 16 I WpÜG zwischen vier und zehn Wochen ab Veröffentlichung der Angebotsunterlage. Wird im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage eine Hauptversammlung einberufen, beträgt die Annahmefrist nach § 16 III 1 WpÜG automatisch zehn Wochen125 und die Mindesteinberufungsfrist verringert sich gemäß § 16 IV 1 WpÜG in Abweichung zu § 123 I AktG auf zwei Wochen. Wird die Einmonatsfrist des § 123 I AktG unterschritten, verkürzen sich gemäß § 16 IV 2 WpÜG die Anmelde- und Hinderlegungsfristen sowie die Frist nach § 125 I 1 AktG auf vier Tage. Wenn der Vorstand nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage eine Hauptversammlung zum Beschluss von Abwehrmaßnahmen einberuft, ist allerdings zu berücksichtigen, dass er zunächst das Angebot zu bewerten und eine sorgfältige Entscheidung über dessen Ablehnung oder Befürwortung zu treffen hat. Wie lange dieser Entscheidungsprozess dauert, kann abstrakt nicht beantwortet werden, sondern hängt von den Modalitäten des Angebots und der Situation der Zielgesellschaft ab. Idealerweise werden externe Rechts- und Finanzberater wie Investmentbanken beauftragt, die das Angebot auf seine wirtschaftliche Erfolgsaussicht für die Zielgesellschaft überprüfen.

122 Geht man von der einmonatigen Einberufungszeit für die Hauptversammlung nach § 123 I AktG aus, kann die Hauptversammlung in der Praxis aufgrund der erforderlichen Organisation – es muss die Tagesordnung erstellt werden und es muss eine gewisse Vorlaufzeit hinsichtlich der Veröffentlichung im Bundesanzeiger berücksichtigt werden; weiterhin sind eventuelle Sonn- und Feiertage bei der Fristberechnung zu berücksichtigen – kaum vor dem Ablauf von sechs Wochen durchgeführt werden. 123 Kiem, ZIP 2000, 1509, 1511. 124 Kiem, ZIP 2000, 1509, 1511. 125 Im Diskussionsentwurf betrug diese Frist nach dessen § 19 II noch zwei Monate. Offensichtlich gelangte man zu der Erkenntnis, dass auch dieser Zeitraum noch zu knapp bemessen war.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Auch bezüglich der vorgesehenen Fristen entspricht das Gesetz dem Ziel eines beschleunigten, auf zügige Information und Entscheidungsfindung der Aktionäre gerichteten Verfahrens. Ohne die Konsultation externer Berater wird man dem Vorstand einen Zeitraum von einer Woche zur Bewertung des Angebots zubilligen müssen. Entschließt er sich dann zur Einberufung einer Hauptversammlung mit einer Einberufungsfrist von zwei Wochen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände mit einer Hauptversammlung frühestens nach dreieinhalb bis vier Wochen zu rechnen. Dann verbleiben gegebenenfalls noch sechs Wochen, um bewilligte Abwehrmaßnahmen umzusetzen. Hinsichtlich der Stimmberechtigung, der Mehrheitserfordernisse, der Berichtspflichten der Verwaltung und der Inhaltskontrolle für einen Legitimationsbeschluss der Hauptversammlung gelten die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften. Das bedeutet, dass auch der Bieter, wenn er bereits vor dem Übernahmeangebot Aktionär war, sein Stimmrecht ausüben darf. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Bieter an einem Beschluss mitwirkt, der sein eigenes Angebot betrifft.126 Die einzig denkbaren stimmrechtsausschließenden oder stimmrechtsbeschränkenden Vorschriften des Aktiengesetzes127 sowie des Wertpapierhandelsgesetzes 128 sind bei den hier in Rede stehenden Hauptversammlungsbeschlüssen nicht einschlägig. Bei einer Kapitalerhöhung im Rahmen eines Abwehrbeschlusses der Hauptversammlung ist der Vorstand im Grunde auch an die vom Aktiengesetz vorgeschriebenen Berichtspflichten, wie etwa nach § 186 IV 2 AktG beim Ausschluss des Bezugsrechts, gebunden. Dies gilt auch für den Fall des Bezugsrechtsausschlusses bei genehmigtem Kapital gemäß den §§ 202, 203 II 2 i.V.m. 186 IV 2 AktG.129 Richtigerweise dürfen aber die Berichtspflichten keinen besonders strengen zeitlichen Anforderungen unterliegen. Zu berücksichtigen ist, dass der Vorstand, nachdem er zu dem Entschluss gelangt ist, das Übernahmeangebot abzuwehren, die Hauptversammlung möglichst schnell einberufen will, um somit noch eine reelle Chance zur Durchführung der dort möglicherweise beschlossenen Abwehrmaßnahmen zu haben. Wäre er verpflichtet, bei einem solchen beschleunigten Einberufungsverfahren sorgfältig seinen umfangreichen Berichtspflichten nachzukommen, würde sich der Zeitpunkt der Hauptversammlung automatisch weiter nach hinten verlagern. Dies widerspricht dem Gedanken eines beschleunigten Einberufungsverfahrens nach § 16 III WpÜG.130

Kiem, ZIP 2000, 1509, 1512. § 136 AktG und die Stimmrechtsbeschränkung nach Treu und Glauben nach § 53 a AktG; § 20 VII AktG. 128 § 21 IV WpHG. 129 Kiem, ZIP 2000, 1509, 1514. 130 Kiem, ZIP 2000, 1509, 1515. 126 127

D. Handlungen des Vorstands nach Veröffentlichung des Angebots

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II. Das Mehrheitserfordernis von Genehmigungsbeschlüssen der Hauptversammlung während des Übernahmeverfahrens Nach § 33 II 3 WpÜG sind Hauptversammlungsbeschlüsse, die den Vorstand bereits vor einem konkreten Übernahmeverfahren zur Abwehr eines Übernahmeangebots ermächtigen, nur wirksam, wenn sie mit einer 3/4-Mehrheit geschlossen wurden. Zum Mehrheitserfordernis von Ermächtigungsbeschlüssen während des Übernahmeverfahrens schweigt § 33 WpÜG. Aus der Begründung zum Erfordernis der 3/4-Mehrheit von Vorratsbeschlüssen ergibt sich jedoch, dass eine Anwendung dieses Mehrheitserfordernisses auf Hauptversammlungsbeschlüsse während des Übernahmeverfahrens nicht in Betracht kommt. Vorratsbeschlüsse müssen mit einer 3/4-Mehrheit beschlossen werden, weil den Aktionären unter Umständen die Entscheidungsfreiheit über Annahme oder Ablehnung bei einem künftigen Übernahmeangebot entzogen wird, ohne dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung Bieter oder Inhalt des Angebots bekannt sind und solche Beschlüsse daher sehr weitgehende Folgen für die Aktionäre haben können.131 Diese Umstände sind bei Hauptversammlungsbeschlüssen während eines Übernahmeverfahrens nicht gegeben. Das Mehrheitserfordernis von Zustimmungsbeschlüssen während des Übernahmeverfahrens ergibt sich somit aus den allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften. Danach kommt es für den konkreten Beschluss darauf an, welches Mehrheitserfordernis bei der gegenständlichen Maßnahme nach dem Aktiengesetz erforderlich ist. Bei einer Kapitalerhöhung oder einer Satzungsänderung ist beispielsweise eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, es sei denn, die Satzung weicht von dieser Mehrheit nach unten132 oder nach oben ab. Soll für die Kapitalerhöhung das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, ist eine qualifizierte Mehrheit gemäß § 186 III 2 AktG zwingend. Je höher das Mehrheitserfordernis der zu billigenden Abwehrmaßnahme ist, desto schwieriger wird sie durchzusetzen sein, wenn der Bieter bereits einen erheblichen Stimmrechtsanteil an der Zielgesellschaft besitzt. Insbesondere vor dem Hintergrund der geringen Teilnahme an Hauptversammlungen wird ein Bieteraktionär Beschlüsse, die einer qualifizierten Mehrheit bedürfen, oft schon mit einer 10%igen Beteiligung an der Zielgesellschaft blockieren können. Bei einem einfachen Mehrheitserfordernis ist eine Blockade des zu fassenden Beschlusses vergleichsweise unwahrscheinlich. Daher ist für die Genehmigung von Abwehrmaßnahmen durch Hauptversammlungsbeschluss eine Satzungsbestimmung dienlich, die für Kapitalerhöhungen und Satzungsänderungen in Ab131

Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034

S. 58. 132 Das Erfordernis einer einfachen Mehrheit darf allerdings nicht unterschritten werden, zu Satzungsänderung s. Hüffer § 179 Rn. 19, zu Kapitalerhöhung s. Hüffer § 182 Rn. 8.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

weichung zum gesetzlichen Grundsatz der qualifizierten Mehrheit nur eine einfache Mehrheit erfordert. Soll ein Übernahmeangebot abgewehrt werden, wird der Vorstand möglicherweise nicht nur eine einzelne Maßnahme, sondern ein Paket von Maßnahmen zur Abstimmung vorschlagen, um der Übernahme umfassend entgegen zu wirken.133 Wenn diesbezüglich nur ein einziger Zustimmungsbeschluss stattfindet, gilt hierfür das höchste Mehrheitserfordernis der in dem Paket einzeln enthaltenen Maßnahmen. III. Die Bestimmtheit der Beschlussvorlage Im Rahmen von Vorratsbeschlüssen sind Blankettermächtigungen, die die einzelnen zu ergreifenden Maßnahmen nicht der Art nach bestimmen, nach § 33 II 1 WpÜG unzulässig. Wie auch hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses enthält § 33 I WpÜG für Hauptversammlungsbeschlüsse während des Übernahmeverfahrens keine ausdrückliche Regelung. Der Wortlaut des § 33 I 1 RegE WpÜG („bedürfen Handlungen des Vorstands“ . . . „der Ermächtigung der Hauptversammlung“) sprach indes klar für die Konkretisierung der einzelnen Maßnahmen in der Beschlussvorlage auch bei nachträglichen Ermächtigungsbeschlüssen. Diese Entstehungsgeschichte spricht für eine spezielle Bestimmung der Maßnahme. Im Übrigen besteht auch kein Bedürfnis für eine abstrakte Ermächtigung. Daher sind Abwehrmaßnahmen des Vorstands nur dann ausreichend legitimiert, wenn sie in der Beschlussvorlage konkret beschrieben sind.134

E. Stellungnahme Die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots ist gemäß § 33 WpÜG wie auch schon nach § 33 RegE WpÜG durch die Ausnahme des Abs. 1 S. 2, 1. Fall und die Möglichkeit einer Vorratsermächtigung nach Abs. 2 im Vergleich zu § 31 DiskussionsE, § 33 RefE WpÜG und zu der bisherigen speziellen Regelung des Art. 19 ÜK von einem deutlich weiteren Handlungsspielraum geprägt. Auch im Vergleich zur aktienrechtlich überwiegend angenommenen Neutralitätspflicht sind die Verhaltenspflichten nach § 33 WpÜG deutlich weniger streng. Besonders tiefgreifend ist die Aufnahme von § 33 I 2, 3. Fall WpÜG, wonach Abwehrmaßnahmen des Vorstands nur noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Diese nochmalige Auflockerung der grundsätzlichen Neutralitätspflicht nach § 33 I 2 WpÜG im Vergleich zu § 33 I 2 RegE WpÜG ist sehr zu begrüßen. Kiem, ZIP 2000, 1509, 1512. So auch Kiem, ZIP 2000, 1509, 1516; Für Art. 19 S. 3 ÜK bereits Assmann, AG 1995, 563, 569. 133 134

E. Stellungnahme

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Wenn das Gesellschaftsinteresse einem Übernahmeangebot entgegen steht, kann der Vorstand schnell reagieren und es gegebenenfalls unter leichteren Voraussetzungen abwehren. Ist der Angebotspreis zu niedrig, führt die Verhandlungsmacht des Vorstands und die Ankündigung sowie die eventuelle Durchführung unternehmenswertsteigernder Abwehrmaßnahmen zu einem höheren Angebotspreis und liegt damit im Interesse der Aktionäre. Die bereits im Zusammenhang mit Vorratsermächtigungen erhobene Kritik von Fondsmanagern, eine Abwehrbefugnis liefe dem Interesse der Aktionäre zuwider,135 trifft daher nicht zu. Zu befürworten ist auch die Ausnahme von der Neutralitätspflicht in § 33 I 2, 1. Fall WpÜG. Die Zulässigkeit der Vornahme von Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte, gewährleistet, dass die Geschäftsführung des Vorstands durch ein Übernahmeangebot nicht beeinträchtigt wird. Sinnvoll ist diese Regelung insbesondere deshalb, weil Maßnahmen wie etwa die Ausgabe neuer Aktien durch genehmigtes Kapital, die isoliert betrachtet geeignet sind, ein Übernahmeangebot abzuwehren, zu den regelmäßigen Finanzierungsinstrumenten moderner gelisteter Unternehmen zählen. In Zeiten des Wachstums ist es keine Seltenheit, dass eine börsennotierte Aktiengesellschaft zeitgleich mehrere Unternehmenskäufe durchführt und den Kaufpreis mit neuen Aktien bezahlt. Diese Geschäftstätigkeit wird von § 33 WpÜG nicht beeinträchtigt. Durch die Aufnahme von § 33 I 2, 3. Fall WpÜG wurde ein in bestimmten Übernahmesituationen auftretender Widerspruch zwischen § 33 WpÜG und § 3 III WpÜG aufgelöst. Ein Konflikt dieser Vorschriften konnte nach § 33 I RegE WpÜG, der die Möglichkeit von Abwehrmaßnahmen allein mit der Zustimmung des Aufsichtsrats noch nicht vorsah, dann entstehen, wenn eine Vorratsermächtigung nicht existiert und die Abwehr eines Übernahmeangebots nach dem Gesellschaftsinteresse geboten ist. Dann hätte der Vorstand seine Verpflichtung gemäß § 3 III WpÜG, im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln, nicht erfüllen können. Zwar hätte er eine Hauptversammlung zum Beschluss von Abwehrmaßnahmen einberufen können. Aber selbst mit den verkürzten Einberufungsfristen nach dem WpÜG ist diese Vorgehensweise im Vergleich zu einer direkten Reaktion des Vorstands deutlich weniger effektiv. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Zustimmung der Hauptversammlung äußerst vage erscheint.136 Der Vorstand hätte also bei Ausbleiben der Zustimmung der Hauptversammlung tatenlos zusehen müssen, wie ein Übernahmeangebot, das eindeutig dem Gesellschaftsinteresse entgegen135 Handelsblatt Online vom 3. August 2001, „Regierung reagiert gelassen auf Kritik an Übernahmegesetz“; Handelsblatt Online vom 1. August 2001, „Fonds gegen Schröders Übernahmegesetz“; Wirtschaftswoche Online, www.wiwo.de, vom 1. August 2001, „Übernahmegesetz: Finanzwelt reagiert skeptisch“. 136 Selbst wenn die Hauptversammlung zustimmt, müssen die beschlossenen Maßnahmen noch umgesetzt werden. Wird beispielsweise eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts beschlossen, dürfte die Durchführung in Form der Eintragung im Handelsregister und der Ausgabe der neuen Aktien noch vor dem Ende der Angebotsfrist fraglich sein.

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

steht oder dessen Angebotspreis deutlich zu niedrig ist, Erfolg hat. Nun ist es ihm, jedenfalls mit der im Vergleich zu einem Hauptversammlungsbeschluss deutlich leichter zu erlangenden Zustimmung des Aufsichtsrats, möglich, direkt auf ein Übernahmeangebot zu reagieren. Der weite Handlungsspielraum des Vorstands trägt, ohne dass hierauf – unverständlicherweise – je in der deutschen Literatur eingegangen worden ist, auch dem Interesse der Aktionäre an einer möglichst hohen Gegenleistung Rechnung. Je mehr Abwehrmöglichkeiten der Vorstand der Zielgesellschaft hat, desto eher wird die einseitige Bestimmung des Angebotspreises durch den Bieter verhindert, weil dieser bei einem zu niedrigen Angebotspreis mit Abwehrmaßnahmen rechnen muss. Deshalb wird der Bieter quasi dazu genötigt, vor einer Übernahme mit dem Vorstand der Zielgesellschaft zu verhandeln. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass durch eine größere Machtstellung des Leitungsorgans der Zielgesellschaft deutlich höhere Angebotspreise erzielt werden können.137 Obwohl die umfangreiche Auflockerung der Neutralitätspflicht nach § 33 I 1 WpÜG durch § 33 I 2, II WpÜG sehr zu begrüßen ist, können die übernahmerechtlichen Verhaltensregeln des § 33 WpÜG insgesamt nicht als gelungen bezeichnet werden. Der Handlungsspielraum des Vorstands der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten geht nicht weit genug. Wünschenswert wäre eine umfassende Abwehrkompetenz des Vorstands ohne das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats oder der vorherigen Ermächtigung der Hauptversammlung. Wenn die Möglichkeit einer Vorratsermächtigung nach § 33 II WpÜG damit gerechtfertigt wird, dass sich die Aktionäre im Vorfeld willentlich der Veräußerungsmöglichkeit ihrer Anteile an den Bieter begäben, muss dem entgegengehalten werden, dass die Ermächtigung zur Abwehr eines zukünftigen, im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses unbestimmten Übernahmeangebotes keinen rechten Sinn macht. Allein entscheidend für die Entscheidung über die Abwehr ist das Gesellschaftsinteresse, das vom Vorstand als dem Organ mit der höchsten Entscheidungskompetenz im Einzelfall geprüft und bewertet werden muss. Aufgrund der weit verbreiteten Meinung, der Vorstand sei unabhängig von der Sinnhaltigkeit einer Übernahme und ungeachtet des Aktionärsinteresses per se gegen eine Übernahme, weil er sein Amt erhalten will, dürfte es jedoch in der Praxis selten vorkommen, dass die Hauptversammlung den Vorstand nach Maßgabe des § 33 II WpÜG im Voraus zur Abwehr eines zukünftigen Übernahmeangebots ermächtigt. Zwar wird die Abwehr eines Übernahmeangebots durch die Vorschrift des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG deutlich erleichtert, jedoch stellt das Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats kein sinnvolles Korrelat zur Entscheidungskompetenz des Vorstands dar.138 Dies gilt insbesondere für paritätisch mitbestimmte Aufsichtsräte, da das Vlahakis 1212 PLI / Corp (2000) 799, 865. Dies gilt gleichermaßen für das Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats im Rahmen von Vorratsermächtigungen, siehe § 33 II 4 WpÜG. 137 138

E. Stellungnahme

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vom Vorstand seiner Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots zugrunde zu legende Gesellschaftsinteresse durch die Hintertür wieder unterlaufen werden kann. Beschließt der Vorstand, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, muss ein Aufsichtsrat, der insbesondere bei großen börsennotierten Gesellschaften zur Hälfte aus Aktionärs- und Arbeitnehmervertretern bestehen dürfte, noch einmal darüber abstimmen. Es kann aufgrund dieser Besetzung nicht davon ausgegangen werden, dass der Aufsichtsrat in der Lage ist, das Gesellschaftsinteresse objektiv zu berücksichtigen. Vielmehr dürfte aufgrund der Stellung der Aufsichtsratsmitglieder als Interessenvertreter ein erheblicher Druck von außen bestehen. Es besteht daher die Gefahr der Befangenheit, so dass ein pflichtgemäßes Abstimmungsverhalten – auch der Aufsichtsrat hat nach § 3 III WpÜG im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln – nicht hinreichend gewährleistet ist. Es muss mit einer erheblichen Einflussnahme der Gewerkschaften auf die Arbeitnehmervertreter gerechnet werden. Bei einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat ergibt sich damit eine Privilegierung der Gewerkschaften, was dem Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses des Aufsichtsrats, nämlich der Gewährleistung der Aktionärsinteressen139 nicht mehr gerecht wird. Ein positiver Aspekt der Abstimmung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats ist jedoch darin zu erkennen, dass die Arbeitnehmer aus Furcht vor der Rationalisierung von Arbeitsplätzen grundsätzlich gegen eine Übernahme sind und daher ein entsprechendes Abstimmungsverhalten wahrscheinlich ist. Für den Fall, dass die Arbeitnehmervertreter einstimmig die vom Vorstand vorgelegten Abwehrmaßnahmen billigen, bedarf es nur noch der Stimme eines Aktionärsvertreters, um einen Zustimmungsbeschluss herbeizuführen. Dann kann der Vorstand die von ihm unter Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses beschlossenen Abwehrmaßnahmen durchführen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein derart starker Einfluss der Arbeitnehmer und mittelbar der Gewerkschaften bei der Entscheidung über die Abwehr von Übernahmeangeboten sowohl übernahme- als auch aktienrechtlich verfehlt ist. Aus vorgenannten Gründen ist eine umfassende Abwehrkompetenz des Vorstands im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre zu fordern. Der Gefahr, dass der Vorstand der Zielgesellschaft aus dem Eigeninteresse handelt, sein Amt zu erhalten, kann durch die Heranziehung der nach der Rechtslage in Delaware erforderlichen Kriterien, die der Vorstandsentscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots zugrunde liegen müssen, begegnet werden. Dadurch wird die 139 Dass durch die Zustimmung des Aufsichtsrats die Aktionärsinteressen gewährleistet werden sollen, ergibt sich für das Zustimmungserfordernis im Rahmen von Abwehrmaßnahmen aufgrund einer Vorratsermächtigung nach § 33 II 4 WpÜG aus der Begründung des Regierungsentwurfs; danach soll die Zustimmung des Aufsichtsrats das notwendige Korrelat für den Umstand bilden, dass der dem Vorstandshandeln zu Grunde liegende Hauptversammlungsbeschluss nicht in Kenntnis des konkreten Angebots erfolgte, siehe Regierungsentwurf, Begründung Besonderer Teil zu § 33, BT-Drucksache 14 / 7034 S. 58, 59. Aus der Argumentation, dass die Zustimmung des Aufsichtsrats ein Korrelat für die Unkenntnis der Hauptversammlung darstellen soll, folgt, dass der Sinn und Zweck dieser Voraussetzung die Wahrung der Aktionärsinteressen und nicht die der Arbeitnehmer ist.

16 Hens

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Teil VII: Verhaltensweise des Vorstands bei Übernahmeangeboten

Entscheidung des Vorstands transparenter und zugleich gerichtlich überprüfbar. Kann der Vorstand das in diesem Rahmen zu fordernde Plausibilitätserfordernis nicht erfüllen, liegt eine Pflichtverletzung vor, die die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge hat. Das bedeutet, dass beispielsweise eine durch Eigeninteresse des Vorstands geprägte Entscheidung, die kausal zum Ergreifen von Abwehrmaßnahmen führt, automatisch dem Plausibilitätserfordernis nicht genügen kann und daher gerichtlich überprüfbar ist. Wenn also von den deutschen Gerichten die zwingende Berücksichtigung bestimmter Kriterien bei der Vorstandsentscheidung gefordert werden wird, hat der Vorstand bei Vorliegen eines Eigeninteresses die Feststellung der Pflichtwidrigkeit seiner Entscheidung zu befürchten. Dies minimiert wiederum die Gefahr, dass sich der Vorstand von einem Interesse am Erhalt seiner Stellung zu Lasten des Gesellschaftsinteresses leiten lassen wird. Äußerst kritikwürdig ist die Aufrechterhaltung der Möglichkeit einer Vorratsermächtigung nach § 33 II RegE WpÜG in § 33 II WpÜG neben der gleichzeitigen Aufnahme des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG. Da auch Maßnahmen aufgrund einer Vorratsermächtigung gemäß § 33 II 4 WpÜG die Zustimmung des Aufsichtsrat erfordern, der Vorstand unter der gleichen Voraussetzung, jedoch ohne auf eine Vorratsermächtigung angewiesen zu sein, nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG Abwehrmaßnahmen ergreifen kann, sucht man vergeblich nach einem Sinn des § 33 II WpÜG. Aus Sicht des Vorstands besteht überhaupt kein Bedürfnis mehr, einen Vorratsbeschluss herbeizuführen. Deshalb ist davon auszugehen, dass Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausschließlich nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG ergriffen werden. Die Vorschrift des § 33 II WpÜG ist schlichtweg überflüssig. In dieser unschlüssigen Gesetzeskonstruktion kommt die kurzfristige Aufnahme des § 33 I 2, 3. Fall WpÜG zum Ausdruck. Unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des § 33 II RegE WpÜG wirkt die weitere Ausweitung des Handlungsspielraums nach § 33 I 2, 3. Fall WpÜG – man muss dies so deutlich sagen – ein wenig wie Augenwischerei. Durch die Beibehaltung des Erfordernisses einer Vorratsermächtigung erscheint § 33 WpÜG insgesamt restriktiver, als wenn man § 33 II WpÜG konsequenterweise ganz gestrichen hätte. Es drängt sich der Gedanke auf, dass der Finanzausschuss auf eine Streichung des § 33 II WpÜG verzichtet hat, um den Parlamentsbeschluss zum Zustandekommen des Gesetzes zu sichern. Anders ist diese paradoxe Gesetzeskonstruktion nicht zu erklären, will man dem Finanzausschuss nicht die Kompetenz zur Erarbeitung sinnvoller Gesetze absprechen. Missverständlich ist die Ausnahme nach § 33 I 2, 2. Fall WpÜG, wonach der Vorstand nach einem Weißen Ritter suchen darf, weil der Eindruck entstehen könnte, dass der Vorstand dazu ohne Einschränkungen befugt ist. Ein solches Verständnis dieser Ausnahmeregelung liegt deshalb nahe, weil sowohl die ganz h.M. in der Literatur als auch Art. 19 ÜK von der uneingeschränkten Zulässigkeit der Suche nach konkurrierenden Angeboten ausgeht. Wegen § 3 III WpÜG ist die Suche nach einem konkurrierenden Angebot jedoch nur dann zulässig, wenn dies nach dem Gesellschaftsinteresse geboten ist. Wenn eine erfolgreiche Übernahme im Gesellschaftsinteresse liegt, ist dem Vorstand die Suche nach einem konkurrierenden

E. Stellungnahme

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Übernahmeangebot untersagt, auch wenn im Interesse der veräußerungswilligen Aktionäre ein höherer Angebotspreis erzielt werden könnte. Der Vorstand ist nicht verpflichtet, das Gesellschaftsinteresse dem kurzfristigen Profitinteresse der Aktionäre unterzuordnen. Zulässig ist die Suche nach einem Weißen Ritter, wenn dessen Konzept ebenso positive oder positivere Auswirkungen auf die Zielgesellschaft erwarten lässt. Abzuwarten bleibt, welche Prüfungsmaßstäbe die Gerichte bei zukünftigen Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen zugrunde legen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf § 93 AktG in der Regierungsbegründung. Wegen der latenten Gefahr, dass Vorstände durch den Beschluss von Abwehrmaßnahmen aufgrund § 33 I 2, 3. Fall WpÜG und, bei Vorliegen einer Vorratsermächtigung aufgrund § 33 II WpÜG, ihre Stellung sichern wollen, muss nach § 93 II 1 AktG richtigerweise dem Vorstand die Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Abwehrmaßnahmen obliegen. Im Rahmen der rechtlichen Überprüfung ist zu empfehlen, dass sich die Gerichte an den US-amerikanischen Prüfungsmaßstäben orientieren. Trotz der Andersartigkeit der Rechtssysteme in den USA und Delaware bietet das US-amerikanische Übernehmerecht viele brauchbare Anhaltspunkte für die Entwicklung der gerichtlichen Überprüfung des Vorstandshandelns in Deutschland.

16*

Teil VIII

Ergebnis der Arbeit Diese Arbeit zeigt, dass die von der überwiegenden Ansicht im deutschen Schrifttum angenommene aktienrechtliche Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Vorliegen von Übernahmeangeboten tatsächlich nicht besteht. Wenngleich die Gründe für die Annahme einer Neutralitätspflicht, insbesondere die Aufrechterhaltung der freien Entscheidungsmöglichkeit der Aktionäre über die Annahme oder Nichtannahme des Übernahmeangebots sowie die Gefahr, dass der Vorstand Abwehrmaßnahmen zur Erhaltung der eigenen Position ergreift, verständlich sind, lässt sich die Neutralitätspflicht aus den aktienrechtlichen Vorschriften nicht herleiten. Die h.M. lässt die Vorteile, die eine Abwehrbefugnis des Vorstands für die Zielgesellschaft und ihre Aktionäre mit sich bringt, wie die Erzielung eines höheren Angebotspreises durch Verhandlungen1 oder unternehmenswertsteigernde Abwehrmaßnahmen, außer Acht. Da erfolgreiche Übernahmen regelmäßig eine Änderung der Geschäftspolitik zur Folge haben, ist der Kompetenzbereich des Vorstands zur Bestimmung und Aufrechterhaltung oder Änderung der Geschäftspolitik tangiert. Unberücksichtigt lässt die h.M. auch die aus den §§ 76 f. AktG resultierende Verpflichtung des Vorstands, die Geschäftsführung am Gesellschaftsinteresse als Grenze seines Ermessens auszurichten. Der vergleichende Blick auf die Abwehrbefugnis des Board of Directors einer US-amerikanischen Corporation mit der Befugnis des Vorstands nach dem Aktiengesetz zur Abwehr von Übernahmeangeboten zeigt, dass die Antwort auf die Grundsatzfrage, ob das Leitungsorgan der Zielgesellschaft überhaupt, und wenn ja unter welchen Umständen Maßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen darf, in beiden Rechtsordnungen ähnlich ausfällt. Auch nach der Rechtslage in den USA muss die Abwehr eines Übernahmeangebots im Interesse der Gesellschaft liegen. Eine wichtige Unterscheidung, die die US-amerikanischen Gerichte bei der Zulässigkeitsbeurteilung machen, welche innerhalb der deutschen Diskussion bisher unverständlicherweise nicht einbezogen worden ist, ist die zwischen Übernahmeangeboten, die sich negativ auf die wirtschaftliche und unternehmerische Entwicklung der Zielgesellschaft auswirken und solchen Übernahmeangeboten, deren Angebotspreis dem tatsächlichen Unternehmenswert der Zielgesellschaft nicht ent1 Einer Studie zufolge können Zielgesellschaften, die Poison Pills implementiert haben, durch den Verhandlungszwang der Bietergesellschaft mit dem Board of Directors der Zielgesellschaft einen deutlich höheren Angebotspreis erzielen, Teil III, F. II. 1. b) (1).

Teil VIII: Ergebnis der Arbeit

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spricht und die daher zu niedrig sind. Treten diese beiden Aspekte bei einem Übernahmeangebot gleichzeitig auf, muss der Vorstand umfassend Abwehrmaßnahmen gegen das Übernahmeangebot im Interesse der Zielgesellschaft ergreifen. Abwehrmaßnahmen sind aber auch dann geboten, wenn das Übernahmeangebot zwar den unternehmerischen Zielen der Zielgesellschaft entspricht, der Angebotspreis aber zu niedrig ist. Dann ist die Abwehrkompetenz des Vorstands im Interesse der Aktionäre an einem möglichst hohen Veräußerungserlös für ihre Anteile auf unternehmenswertsteigernde Abwehrmaßnahmen, die nicht auf die tatsächliche Abwehr des Angebots sondern nur auf dessen Nachbesserung gerichtet sind, begrenzt. Eine solche qualitative Ausrichtung der Abwehrmaßnahmen an den Gründen, warum überhaupt Maßnahmen zu ergreifen sind, ist auch und insbesondere für die Verhaltensweise des Vorstands nach § 33 WpÜG zu fordern. Ein Vergleich der US-amerikanischen Abwehrinstrumente, insbesondere der Poison Pills, mit den Abwehrmöglichkeiten des Aktiengesetzes offenbart indessen gravierende Unterschiede. Viele der in den USA zulässigen Abwehrmaßnahmen sind nach deutschem Aktienrecht unzulässig. Hier besteht kein Bedürfnis, diese extrem umfangreichen Abwehrmöglichkeiten für das deutsche Übernahmerecht zu fordern. Die deutsche Bundesregierung hat mit dem WpÜG gezeigt, dass die Verhaltensweise des Vorstands der Zielgesellschaft bei Vorliegen eines Übernahmeangebots im Vergleich zu den Vorentwürfen, zu Art. 19 ÜK und der im Schrifttum überwiegend angenommenen aktienrechtlichen Neutralitätspflicht aufzulockern ist. Dass der Vorstand bereits dann unter Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ergreifen darf, wenn gemäß § 33 I 2, 3. Fall WpÜG der Aufsichtsrat zugestimmt hat, ist eine im Vergleich zum aktienrechtlichen Meinungsspektrum revolutionäre Erweiterung des Handlungsspielraums und sehr zu begrüßen. Dennoch verzerrt diese Vorschrift die bei der Entscheidung über die Abwehr eines Übernahmeangebots zu berücksichtigenden Interessen und ist daher verfehlt. Insbesondere bei paritätisch besetzten Aufsichtsräten entscheiden letztlich die Aktionärs- und Arbeitnehmerinteressen, ob die vom Vorstand beschlossenen Abwehrmaßnahmen durchgeführt werden. Eine am Gesellschaftsinteresse ausgerichtete Abstimmung erscheint aufgrund der einseitig ausgeprägten Interessenlage der Aufsichtsratmitglieder in einer Übernahmesituation wenig wahrscheinlich. Kritisch ist insbesondere die Machtstellung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu bewerten. Weder aktien- noch kapitalmarktrechtlich ist es sachgerecht, den Arbeitnehmerinteressen einen dermaßen großen Einfluss einzuräumen. Hinzu kommt die starke Gefahr der Befangenheit der Arbeitnehmervertreter, die durch einen öffentlichen Druck seitens der Gewerkschaften entstehen kann. Aber auch ein maßgeblicher Einfluss der Aktionärsinteressen als Kontrollmaßstab für die Vorstandsentscheidung ist abzulehnen. Denn es erscheint naheliegend, dass sich die Aktionäre bzw. deren Vertreter im Aufsichtsrat per se gegen die Abwehr eines Übernahmeangebots aussprechen, weil die Befürchtung verkaufswilliger Aktionäre besteht, bei Vorliegen eines Übernahmeangebots we-

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Teil VIII: Ergebnis der Arbeit

gen einer Abwehr des Übernahmeangebots keinen kurzfristigen Profit erzielen zu können. Dieses kurzfristige Profitinteresse ist bei der Beurteilung einer Abwehrbefugnis des Vorstands, wenn überhaupt, nachrangig zu berücksichtigen. Entscheidend für die Wahrung des Aktionärsinteresses im Rahmen der Geschäftsführung des Vorstands insgesamt und daher auch bei der Entscheidung über die Befürwortung oder Ablehnung eines Übernahmeangebots ist der Shareholder Value. Die Verfolgung des Shareholder Value-Ansatzes korrespondiert mit der langfristigen betriebswirtschaftlichen Sinnhaltigkeit als grundlegender Beurteilungsmaßstab für Unternehmensübernahmen. Vor diesem Hintergrund zeigt eine Studie von KPMG Transaction Services,2 dass eine Abwehrbefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft geboten ist. Die Studie untersuchte zwischen 1997 und 1999 die Auswirkungen von großen Unternehmenstransaktionen auf den Shareholder Value bei 118 Unternehmen. Nur 30% der an einer Fusion oder Übernahme beteiligten Unternehmen konnten den Shareholder Value steigern, in 39% der Fälle waren keine Auswirkungen zu vermerken und 31% wirkten sich negativ auf den Shareholder Value aus. Diese Zahlen sind aus wirtschaftlicher Sicht eindeutig verbesserungsbedürftig. Wenn die Aktionäre der Zielgesellschaft aufgrund einer Neutralitätspflicht des Vorstands die Möglichkeit der freien Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme des Übernahmeangebots haben, besteht die Gefahr, dass sie von einer Gruppe mit einem Interesse an kurzfristigen Gewinnen dominiert werden und aufgrund eines Informationsrückstandes im Vergleich zum Vorstand und mangelnder Beurteilungsfähigkeit einem Übernahmeangebot durch dessen Annahme zum Erfolg verhelfen, obwohl dies nicht dem Shareholder Value-Ansatz und dem Gesellschaftsinteresse entspricht. Dadurch verdeutlicht sich die Notwendigkeit einer Abwehrbefugnis des Vorstands unter Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses und des Shareholder Value-Ansatzes. Auch dem Anspruch eines möglichst gut funktionierenden Marktes für Unternehmenskontrolle entspricht die verhältnismäßig geringe Anzahl der den Shareholder Value steigernden Fusionen und Übernahmen nicht. Die Auflockerung der Neutralitätspflicht nach § 33 I 2, 3. Fall, II WpÜG ist deshalb unzureichend. Die Vorschrift des § 33 II WpÜG macht neben § 33 I 2, 3. Fall WpÜG keinen Sinn. Warum sollte der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Umstand auf sich nehmen, einen Vorratsbeschluss der Hauptversammlung herbeizuführen, wenn er auch ohne einen solchen mit dem Erfordernis der Aufsichtsratszustimmung, das nach § 33 II 4 WpÜG auch bei dem Gebrauch von einer Vorratsermächtigung bestünde, Abwehrmaßnahmen ergreifen kann? Einen eigenen Sinn ergäbe § 33 II WpÜG dann, wenn auf das Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats verzichtet würde. Dann hätte eine Vorratsermächtigung neben § 33 I 2, 3. Fall WpÜG eine Existenzberechtigung, da der Vorstand bei Vorliegen eines Vorratsbeschlusses nicht mehr von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig wäre.

2 Handelsblatt Online vom 12. Oktober 2001, „Übernahmen steigern nicht immer den Shareholder Value“.

Teil VIII: Ergebnis der Arbeit

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Wünschenswert ist ein deutsches Übernahmerecht, das dem Vorstand die Möglichkeit gibt, Übernahmeangebote, denen das Gesellschaftsinteresse entgegen steht, abzuwehren. Wenn ein Übernahmeangebot dem Gesellschaftsinteresse nicht widerspricht, der Angebotspreis aber unangemessen ist, muss die Abwehrbefugnis im Interesse der veräußerungswilligen Aktionäre auf das Ergreifen unternehmenswertsteigernder Abwehrmaßnahmen, die eine Nachbesserung des Angebotspreises bewirken, beschränkt sein. Selbst wenn in diesem Fall die unbeabsichtigte Folge der tatsächlichen Abwehr des Übernahmeangebots eintritt, können die veräußerungswilligen Aktionäre ihre Anteile zu einem erhöhten Kurs, der regelmäßig dem ablehnenden Verhalten der Zielgesellschaft zu einem Übernahmeangebot folgt, über die Börse veräußern. Damit die Entscheidung des Vorstands über die Abwehr oder Befürwortung einer Übernahme ein möglichst geringes Fehlerrisiko birgt und für eine gerichtliche Überprüfung transparent wird, sind an den Entscheidungsprozess hohe Anforderungen zu stellen. Ist lediglich die Gegenleistung des Bieters zu niedrig, ist der Handlungsspielraum im Interesse der verkaufswilligen Aktionäre auf das Ergreifen unternehmenswertsteigernder Abwehrmaßnahmen, um den Angebotspreis auf die Höhe des tatsächlichen Wertes der Aktien zu treiben, beschränkt. Das Ergreifen weitergehender Abwehrmaßnahmen ist nur dann rechtmäßig, wenn das Gesellschaftsinteresse eindeutig einer Übernahme entgegensteht und der Vorstand der Zielgesellschaft dies plausibel nachweisen kann. Hier bietet sich die Möglichkeit, die US-amerikanischen Prüfungsmaßstäbe für eine rechtmäßige Abwehr eines Übernahmeangebots heranzuziehen. Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie sich das Übernahmerecht auf europäischer Ebene entwickeln wird. Der deutsche Gesetzgeber hat das Spektrum der verschiedenen Vorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bezüglich der Verhaltensweise des Leitungsorgans der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten durch § 33 WpÜG mit einer mutigen Regelung angereichert. Aus den bisherigen Zwischenergebnissen der Winter-Kommission zur Erarbeitung eines neuen Richtlinienentwurfs geht hervor, dass das Leitungsorgan der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens zur strikten Neutralität verpflichtet sein soll. Auch Vorratsbeschlüsse, etwa über die Ausgabe neuer Aktien in Form genehmigten Kapitals, sind nicht vorgesehen. Von der restriktiven Regelung des Gemeinsamen Standpunktes aus dem Jahr 2001 ist insofern keine Abkehr zu erkennen. Ob Deutschland sich auf europäischer Ebene durchsetzen und den zu erwartenden Richtlinienentwurf im Vorfeld oder durch nachträgliche Verhandlungen in Richtung einer dem § 33 WpÜG entsprechenden Regelung wird beeinflussen können, ist äußerst zweifelhaft. Neben die dem deutschen Übernahmerecht zuwiderlaufenden Vorgaben der Winter-Kommission tritt hinzu, dass der Schuldvorwurf, Deutschland habe durch seine ablehnende Haltung das Scheitern der Übernahmerichtlinie im Sommer 2001 zu verantworten, den Druck, einer gemeinsamen europäischen Übernahmerichtlinie nun zustimmen zu müssen, erhöhen kann. Es dürfte schwer fallen, sich wiederholt erfolgreich gegen einen mühsam ausgearbei-

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Teil VIII: Ergebnis der Arbeit

teten Richtlinienvorschlag zu stellen. Ferner ist bezüglich der weitreichenden Handlungsmöglichkeiten nach § 33 I 2, 3. Fall und II WpÜG insofern die Rechtfertigungsgrundlage auf europäischer Ebene weggefallen, als bisher auf ein Ungleichgewicht unter den EU-Staaten aufgrund der in manchen Ländern bestehenden Goldenen Aktien hingewiesen wurde. Diese Übernahmehindernisse sind bekanntlich vom EuGH für unzulässig erklärt worden. Zwar bestehen in einigen Mitgliedstaaten immer noch in Deutschland unzulässige Abwehrinstrumente. Die Argumentationsgrundlage, eine gemeinsame europäische Regelung abzulehnen, wird jedoch zusehends dünner. Das WpÜG würde allerdings auch durch eine entgegenstehende Richtlinie in den nächsten Jahren nicht zwingend tangiert. Für die Umsetzung der Übernahmerichtlinie ist eine Frist bis zum 1. Januar 2005 vorgesehen. Die Umsetzung des die Verhaltenspflicht des Leitungsorgans der Zielgesellschaft regelnden Art. 9 können die Mitgliedstaaten weitere drei Jahre aufschieben. Das WpÜG kann damit selbst bei Zustandekommen einer Europäischen Richtlinie bis 2008 in Kraft bleiben, wenn nicht zuvor der deutsche Gesetzgeber freiwillig tätig wird.

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Stichwortverzeichnis Abberufung des Vorstands 159 Abfindung des Vorstands 161 Abwehrkompetenz des Vorstands – Maßstäbe 156 – nach dem Aktiengesetz 117, 155 – Rechtliche Problematik 37 Abwehrmaßnahmen – Aktienrecht 158 – als Gegenstand der Geschäftsführung 124 – aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses 233 – Beurteilungskriterien für die Rechtmäßigkeit 220 – Nachweis für die Rechtmäßigkeit 224 – nicht drakonische 78 – US-amerikanisches Recht 87, 89, 91, 93, 95, 97, 99, 101, 103, 105, 107, 109, 111 Ad-hoc-Abwehrmaßnahmen – Aktienrecht 168 – US-amerikanisches Recht 108 – WpÜG 229 Aktienrecht, Bedeutung für das Vorstandsverhalten 116 Aktionärsinteresse 140 – Shareholder Value als gemeinsamer Nenner 141 Angebotspreis, Unangemessenheit 222 Anti Trust Defence 109 ARAG-Urteil des BGH 212 Arbeitnehmerinteresse 142 Articles of Incorporation 88 Asset Sale 69 Asset Stripping 32 Aufsichtsrat – paritätisch mitbestimmter 211 – Überwachungsaufgabe 210 Ausgabe neuer Aktien, WpÜG 207 BAFin 192, 197 Beschlussvorlage, Bestimmtheit 238 Best Price Rule 64 17*

Beweisführung des Board of Directors 77 Beweislast – Business Judgment Rule 80 – des Vorstands für die Rechtmäßigkeit von Abwehrmaßnahmen 154, 208 Beweislastumkehr 76 Bezugsrechtsausschluss – Berichtspflicht 179 – Rechtfertigung 179 – Siemens / Nold-Entscheidung 180 Blankettermächtigungen 238 Board of Directors – Befugnisse und Aufgaben 71 – Eigeninteresse 82 – Überblick über die Abwehr feindlicher Übernahmeangebote 71 – Überprüfbarkeit von Entscheidungen 73 Boot-strap-Takeover 96 Break-up-fees 209 Business Judgment Rule 73, 79 Bust-up-Takeover 96 Bylaws 88 Chancery Courts of Delaware 70 Commitee of Indepandent Directors 83 Corporate Restructuring 111 Corporation Statutes 67 Crown Jewel 173 Cumulative Voting Rights 103 Delaware 69 – Bedeutung für das US-amerikanische Übernahmerecht 69 Delaware Supreme Court – Moore Corp. Limited v. Wallace Comuter Services, Inc. 94 – Moran v. Household 91, 96 – Quickturn Design Sys., Inc. v. Shapiro 101 – Unocal Corp. v. Mesa Petroleum 75

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Stichwortverzeichnis

Disinterested Directors 83 Diskussionsentwurf für ein deutsches Übernahmegesetz 52, 54 Duty of Care 81 Duty of Loyalty 81 E.S.O.P. (Employee Stock Ownership Plan) 107 Einberufungsfrist für Hauptversammlungen, Verkürzung der Frist nach WpÜG 234 Enhanced Scrutiny 73, 74 – Voraussetzungen 77 Entire Fairness 74, 84 Ermessensspielraum 212 Erweiterte Stimmrechte siehe Super-Voting Stock Plans 106 Erwerb eigener Aktien 174 – WpÜG 207 Fair Dealing 84 Fair Price 84 Fair Price Provisions 105 Feindliche Übernahmeangebote 31 Feindliche Übernahmen – Anzahl und Volumen in den USA 61 – Entwicklung 32 – Transaktionsvolumen 34 Feindliches Übernahmeangebot, USA 60, 62 Fiduciary Duties siehe Treuepflichten 71 Freeze-out Period 69 Gegenangebot siehe Pac-Man-Verteidigung 184 Genehmigtes Kapital – Bezugsrechtsausschluss 166, 177, 178 – Ermächtigung des Vorstands 166 Geschäftsstrategie, Aufrechterhaltung 222 Gesellschaftsinteresse 144, 211 – als Schranke des Leitungsermessens 153 – Bedeutung für den Bezugsrechtsausschluss 181 – Eigenständigkeit 148 – im WpÜG 150 – Inhalt 148, 150 – Terminologie in der deutschen Literatur 146 – Vorratsbeschluss 217

– WpÜG 205 Gesetzgebung, kompetenz, Gesellschaftsrecht in den USA 67 Gibraltarfrage 43 Gläubigerinteresse 143 Golden Parachutes 106, 186 Goldene Fallschirme siehe Golden Parachutes 106 Greenmail 110 Handlungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, WpÜG 206 Hauptversammlung – Durchschnittspräsenz 32 – Mehrheitserfordernis von Genehmigungsbeschlüssen 237 Höchststimmrechte 166 Holzmüller-Urteil des BGH 122 Hostile Takeover Bid siehe Feindliches Übernahmeangebot USA 60 Hostile Tender Offers siehe Feindliches Übernahmeangebot USA 60 Informationspflicht des Vorstands 168 Informationspflicht einer US-amerikanischen Bietergesellschaft 64 Interessenabwägung 211 Interessenkonflikt des Board of Directors 73, 82 Interested Directors 82 Just-Say-No-Defense 94 Kapitalerhöhung 177 Konkurrierende Angebote siehe Weißer Ritter 184 Kontrolle 31 – Einfluss auf die Geschäftspolitik 125 Kumulative Stimmrechte, Ausschluss siehe Cumulative Voting Rights 103 Kündigungsrecht, Einschränkungen 161 Kündigungsschutz 161 Letter of Intent 209 Level Playing Field 203 Leveraged Buyout 23, 36, 175

Stichwortverzeichnis Management Buyout 23, 36 Mannesmann-Entscheidung 42 Mannesmann-Entscheidung des LG Düsseldorf 170 Markt für Unternehmenskontrolle 128 Maßnahmen, die den Aktiv- oder Passivbestand erheblich verändern 206 Mehrstimmrechtsaktien 166 Mitbestimmungsurteil des BVerfG 212 Neutralitätspflicht 42, 118, 154 – ablehnende Ansicht 120 – abstrakte 131 – als Grenze der Geschäftsführungskompetenz 124 – als Resultat einer Holzmüller-Kompetenz 121 – Aufsichtsrat 210 – Ausnahmen 119 – Begründung mit § 53 a AktG 126 – Begründung mit dem Markt für Unternehmenskontrolle 128 – eigene Stellungnahme 132 – konkrete 131 – Stellungnahme 136 – Umgehung 226 – Untersuchung der Begründungsansätze 121 – Vorstand als Wahrer fremder Interessen 130 – WpÜG 203 Optionsschuldverschreibungen 182 Pac-Man-Verteidigung – Aktienrecht 184 – US-amerikanisches Recht 111 Partial Tender Offer 62 Pflichtangebot 191 Plausibilitätserfordernis 223, 242 Poison Pills 88 – Back End Plans 102 – Dead Hand Pills 97 – Flip In Plans 97 – Flip Over Plans 96 – No Hand Pills 101 – Zulässigkeit 91 – Zulässigkeit nach Aktienrecht 185

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Pool-und Frontenbildung 169 Präventivmaßnahmen – Aktienrecht 158 – US-amerikanisches Recht 88 – WpÜG 224 Pro-rata-Regelung 65 Proxy Contest 62, 95 Proxy Fight siehe Proxy Contest 62 Qualifizierte Stimmerfordernisse siehe Supermajority Provisions 106 Rechtsmittel, WpÜG 197 Referentenentwurf zum WpÜG 55 – Vorstandspflichten 55 Regierungsentwurf zum WpÜG 56 – Vorstandspflichten 56 Revlon-Duty 79 Revlon-Entscheidung 85 Revlon-Test 85 Richterrecht, Bedeutung in den USA 70 Richtlinie betreffend Übernahmeangebote 42, 46, 43, 51, 45, 49, 51 Roadshows 170 Rückerwerb eigener Aktien, US-amerikanisches Recht 109 Sanktionen, WpÜG 198 Securities Exchange Act 63 Securities Exchange Commission 63 Self-dealing 82 Shareholder Rights Plans siehe Poison Pills 88 Shareholder Value 142 Shark Repellents siehe Präventivmaßnahmen US-amerikanisches Recht 88 Spin Off 111 Split Off 111 Staggered Board 103 Stellungnahme des Board of Directors der Zielgesellschaft 66 Stellungnahme des Vorstands – Aktienrecht 168 – bei Übernahmeangeboten nach dem Übernahmekodex 133 Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats 195 Stimmrechtsbindungen 165

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Stichwortverzeichnis

Super-Voting Stock Plans 106 Supermajority Provisions 106 Takeover Statutes 67 – Control Share Acquisition Statutes 68 – Fair Price Statutes 68 – Freeze-Out Statutes 69 Teilangebote, Unzulässigkeit 32, 191 Tin Parachutes 107 Treuepflichten 71 Two-tiered Front-loaded Tender Offer 62 Übernahme Barilla Kamps 213 Übernahmeangebot 31 – Angemessenheit 72 – Annahmefrist 192, 196 – Bedingungsfeindlichkeit 193 – Beginn und Dauer in den USA 65 – Gründe und Absichten des Bieters 34 – Inhalt 192, 193 – Kriterien für dessen Vorliegen in den USA 65 – WpÜG 192 Übernahmeangebote, Gründe für die Abwehr 36 Übernahmekodex 39 – Anerkennung 40 – Rechtsnatur 39 – Statistik 40 – Vorstandspflichten 114, 115 Unocal-Test siehe Enhanced Scrutiny 75 Unternehmensinteresse – Abgrenzung zum Gesellschaftsinteresse 145 – qualifiziertes 214 Unternehmensübernahmen, Anzahl und Transaktionsvolumen Weltweit 33 US-amerikanisches Übernahmerecht, Überlick 63 Verbandszweck der Aktiengesellschaft 123 Verfassungsmäßigkeit, § 33 I 2, 3. Fall WpÜG 212 Veröffentlichungspflichten des Bieters 194

Vertragliche Verfügungsbeschränkungen 163 Vertragsstrafen 164 Vinkulierung von Namensaktien 162 Vodafone / Mannesmann 33 – Kosten der Übernahmeschlacht 33 Vorratsermächtigung 215 – Abwehrmaßnahmen 219 – Aktienrecht 167 – Anforderungen 215 Vorstand – Berücksichtigung verschiedener Interessen 139 – Ermessensausübung i.R.d. Leitungsentscheidung bei Übernahmeangeboten 153 – Informations- und Wissensvorsprung 37 – Interesse an einer ununterbrochenen Vorratsermächtigung 216 – Leitungsentscheidung bei Übernahmeangeboten 139 Vorstandsinteresse 143 Vorstandspflichten – aktienrechtlich 41 – WpÜG 201 Wandelschuldverschreibungen 182 Weißer Junker 108 Weißer Ritter 64 – Aktienrecht 183 – US-amerikanisches Recht 93, 108 – WpÜG 205 Werbekampagnen 171 Werbung, WpÜG 196 White Knight siehe Weißer Ritter 93 White Squire siehe Weißer Junker 108 Williams Act 63 Withdrawal Right 64 WpÜG 58 – Anwendungsbereich 190 – Überblick 189 – Verhältnis zum Aktienrecht 204 Zielgesellschaft, Zerschlagung 35 Zustimmung des Aufsichtsrats 209, 210, 218