Verfassungsbeschwerde gegen ein gleichheitswidriges Urteil: Spezifisches Verfassungsrecht und Gestaltungsraum des Gesetzgebers 9783110698220, 9783110698145

This book examines the concept of "specific constitutional law" as a standard for assessing the admissibility

149 106 1MB

German Pages 214 [216] Year 2020

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
A. Einleitung
B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung
C. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
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Verfassungsbeschwerde gegen ein gleichheitswidriges Urteil: Spezifisches Verfassungsrecht und Gestaltungsraum des Gesetzgebers
 9783110698220, 9783110698145

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Peter Sebastian Schneider Verfassungsbeschwerde gegen ein gleichheitswidriges Urteil

Peter Sebastian Schneider

Verfassungsbeschwerde gegen ein gleichheitswidriges Urteil Spezifisches Verfassungsrecht und Gestaltungsraum des Gesetzgebers

Dr. iur. Peter Sebastian Schneider, Dissertation Universität Heidelberg 2019

ISBN 978-3-11-069814-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-069822-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-069828-2 Library of Congress Control Number: 2020937631 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Meiner Frau Katharina und unseren Kindern

Vorwort Diese Arbeit wurde im September 2019 als Dissertation an der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg vorgelegt. Sie versucht die Entwicklung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis September 2019 zu berücksichtigen. Besonderer Dank gilt dem Betreuer dieser Arbeit, meinem Doktorvater Herrn Professor Paul Kirchhof, der den Anstoß zum Thema der Arbeit gab und dessen wertvolle Hinweise und Anmerkungen diese stets gefördert und inhaltlich sehr bereichert haben. Herzlicher Dank gilt ebenso meiner Frau, die mich während des Dissertationsvorhabens unermüdlich unterstützt und mir insbesondere die zeitlichen Freiräume geschaffen hat, um diese Arbeit fertigzustellen. Ich möchte außerdem meinen Eltern für ihre stetige Unterstützung nicht nur während der Promotion, sondern des gesamten Studiums danken. Dank gilt schließlich auch Herrn Sebastian Balciunas, der mich unermüdlich dabei unterstützt hat, die in dieser Arbeit verwendeten Quellen zu beschaffen. Heidelberg, im März 2020

https://doi.org/10.1515/9783110698220-001

Inhalt A. Einleitung

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5 B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung I. Rechtsetzen heißt Unterscheiden 5 . Normstruktur des Gesetzes 5 6 . Auswirkungen der Konditionalstruktur . Unterscheidung als Ausdruck eines elementaren 7 Gerechtigkeitsgedankens . Unterscheidung als Grundprinzip aller Rechtsbereiche 10 II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber 12 13 . Vorrang der Verfassung als Kompetenzquelle a. Verfassungsgerichtliche Kontrolle und Konstitutionalisierung 13 der Rechtsordnung b. Keine Beschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungskompetenz 15 18 . Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes . Struktureller Freiraum als Ausdruck der 20 Gestaltungskompetenz III. Gleichheit „vor dem Gesetz“ 23 . Rechtsanwendungs- und Rechtsetzungsgleichheit 23 28 . Rechtsetzen heißt Verallgemeinern . Gleich und Ungleich 32 38 . Gleichheit und Gerechtigkeit a. Willkür als Gegenbegriff zur Gerechtigkeit 40 b. Anspruch des Rechts, gerecht – und nicht willkürlich – zu sein 41 c. Objektives Verständnis des Willkürbegriffs durch das Bundesverfassungsgericht 46 48 d. Der sachliche und der sonstwie einleuchtende Grund 49 . Gleichmaß und Verhältnismäßigkeit a. Verhältnismäßige Gleichheit 52 b. Freiheitsrechtliches Übermaß und verhältnismäßiges 55 Gleichmaß . Sachbereich und stufenlos sich verdichtende Prüfungsintensität 60 a. Von der Stufenformel zur stufenlosen Verdichtung 64

X

Inhalt

b. Regelungsbereich der Norm 71 (aa) Statusgleichheit 71 75 (bb) Sach- und Realitätsgerechtigkeit 77 (cc) Folgerichtigkeit c. Strengere Bindung 85 86 (aa) Betroffenheit in Freiheitsrechten 89 (bb) Verfügbarkeit (cc) Persönlichkeitsprägende Kriterien 101 104 (dd) Ausmaß der Ungleichbehandlung d. Aktuelle Rechtsprechung 107 (aa) Zulassung von Spielhallen 107 (bb) Verlustabzug nach schädlichem 110 Beteiligungserwerb (cc) Einheitsbemessung bei der Grundsteuer 114 117 (dd) Gewerbesteuer (ee) Rundfunkbeitrag 120 122 (ff) Studienzulassung (gg) Prozesskostenhilfe 123 (hh) Massenentlassungsschutz 124 126 e. Intensität der Ungleichbehandlung 126 (aa) Betroffenheit in Freiheitsrechten 130 (bb) Verfügbarkeit (cc) Personenbezogenheit 130 (dd) Abweichung von den Eigenheiten des Sach- und 130 Regelungsbereichs (ee) Zusammenfassung 131 IV. Anwendung des Gesetzesrechts 132 134 . Gleichheit im jeweiligen Kompetenzbereich . Vollziehende Gewalt und Gleichmaß 135 136 a. Gleichheit und Anwendungsgebot b. Regierungsverantwortung durch Remonstrationspflicht 138 c. Gestaltungsräume der Verwaltung 140 141 d. Selbstkontrolle und gerichtliche Überprüfung . Gleichheit und Fachgerichte 142 143 a. Gewähr richterlicher Unabhängigkeit 145 b. Erwartung von Rechtsanwendungsgleichheit (aa) Gesetzesbindung 147 (bb) Begründungspflicht 148 (cc) Hierarchischer Aufbau der Gerichtsbarkeit 148 (dd) Allgemeiner Justizgewährleistungsanspruch 149

Inhalt

V.

(ee) Strukturierung durch Leitsatzentscheidungen 152 c. Ausnahme: Willkürliche Rechtsanwendung 153 Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche 155 Gleichheitskontrolle . Rechtsanwendungsfehler und spezifisches Verfassungsrecht 160 164 a. Heck’sche Formel b. Verallgemeinerung anhand der Kompetenzordnung 166 172 . Spezifisches Verfassungsrecht und Gleichheitsverstoß . Insbesondere: Strukturelle Besonderheiten im Bereich der Folgerichtigkeit 178

C. Zusammenfassung Literaturverzeichnis

180 184

XI

A. Einleitung Die vorliegende Untersuchung widmet sich der Frage, wann eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch ein Gericht als Verstoß gegen Grundrechte, insbesondere gegen den allgemeinen Gleichheitssatz durch das Bundesverfassungsgericht kontrolliert werden muss. Durch die Urteilsverfassungsbeschwerde korrigiert das Bundesverfassungsgericht eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Fachgerichte¹ grundsätzlich nur, wenn dadurch „spezifisches Verfassungsrecht“ verletzt ist.² Dazu muss ein Grundrechtsverstoß vorliegen, der gerade auf der fehlerhaften Rechtsanwendung beruht.³ Die Abgrenzung ist angesichts der in die gesamte Rechtsordnung ausstrahlenden Wirkung der Grundrechte schwierig.⁴ Jeder einfachrechtliche Rechtsbruch kann auch als Grundrechtsverletzung subjektiviert werden.⁵ Wendet ein Gericht eine einfachgesetzliche Norm fehlerhaft an, wird das

 Zu den terminologischen Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen dem Bundesverfassungsgericht einerseits und der übrigen Gerichtsbarkeit andererseits vgl. Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (57 f.). Der Begriff der Fachgerichte wird hier zur Abgrenzung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und den übrigen Gerichten verwendet.  Vgl. so bereits BVerfGE 1, 418 (420) – Ahndungsgesetz; st. Rspr seit BVerfGE 18, 85 (92 f.) – Spezifisches Verfassungsrecht; vgl. BVerfGE 42, 143 (147 f.) – Deutschland-Magazin; BVerfGE 52, 42 (54) – Rechtsanwaltsausschluss; BVerfGE 57, 250 (272) – V-Mann; BVerfGE 60, 175 (214) – Startbahn West („Spezifisches Bundesverfassungsrecht“); BVerfGE 65, 196 (211) – Altersruhegeld; BVerfGE 72, 105 (117) – Lebenslange Freiheitsstrafe; BVerfGE 87, 48 (63) – Unbegründete Asylanträge; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 282 behauptet, der erste Senat sei BVerfGE 62, 230 (242) – Boykottaufruf, von dem Begriff stillschweigend abgerückt; in BVerfG, Beschl. v. 05.11. 2008 – 1 BvR 1822/08, Rn. 2, zitiert nach juris, verwendet die dritte Kammer des ersten Senats ihn aber ausdrücklich; ebenso die erste Kammer des ersten Senats, BVerfG, Beschl. v. 30.01. 2019 1 BvQ 1/19, Rn. 4, zit. nach juris; für den zweiten Senat vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.05. 2012 – 2 BvR 1352/10, Rn. 7, zit. nach juris; BVerfG, Beschl. v. 19.11. 2015 – 2 BvR 2088/15, NVwZ-RR 2016, 201 (202 Rn. 21); ebenso BVerfG, Beschl. v. 20.12. 2018 – 2 BvR 2377/16, NJW 2019, 584 (585 Rn. 39).  BVerfGE 18, 85 (93) – Spezifisches Verfassungsrecht.  Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 119; zur sog. „Konstitutionalisierung der Rechtsordnung“ vgl. ders, in: Depenheuer (Hrsg.), FS Isensee, 2007, S. 613 ff.; Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 (9 ff.); Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Staat, Verfassung, Demokratie, 1. Aufl. 1991, S. 163 (188 f.); Hager, JuS 2006, 769 ff.; Hillgruber, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 200 Rn. 67; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 49 ff.; zum Begriff: G. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 267 Rn. 7; kritisch Forsthoff, in: Barion (Hrsg.), Epirrhosis, 2. Aufl. 2002, S. 185 ff.; C. Schmitt, in: Säkularisation und Utopie, 1967, S. 37 (60 ff.); zur Entwicklung vgl. Schuppert/Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000, S. 9 ff.  BVerfGE 52, 203 (206 f.) – Fristgebundener Schriftsatz, exemplarisch etwa für eine Subjektivierung des Rechtsstaatsprinzips durch Art. 2 Abs. 1 GG; unter konsequenter Anwendung der https://doi.org/10.1515/9783110698220-002

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A. Einleitung

Gesetz gegenüber dem vom Urteil Betroffenen ungleich angewendet. Jeder Rechtsverstoß ist daher grundsätzlich auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.⁶ Das spezifische Verfassungsrecht bei der Urteilsverfassungsbeschwerde unterscheidet eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG von der bloß fehlerhaften Rechtsanwendung. Der Begriff des spezifischen Verfassungsrechts begegnet jedoch erheblicher Kritik:⁷ Er könne den Prüfungsumfang nicht hinreichend steuern.⁸ Es handele sich um eine „Leerformel“.⁹ Es fehle zudem nach wie vor an trennscharfen Parametern für eine Abgrenzung.¹⁰ Wenn das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde auch die Wahrung der vorgeschriebenen Gleichheit in der Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) überprüft, scheint es berufen, nach erfolglosem Beschreiten des Instanzenzugs letztverantwortlich über die richtige Anwendung und Grundsätze aus dem Elfes-Urteil, BVerfGE 6, 32 (36 ff.), müsste jede fehlerhafte Rechtsanwendung auch einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG darstellen, Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 153; Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 (10 f.); Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (60 f.); Roth, AöR 121 (1996), 544 (547); Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 (1310); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl., 2013, Art. 2 I Rn. 42 f.; Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, 1990, S. 16; Kube, JuS 2003, 111 (116 f.); für einen Gleichheitsverstoß P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 289; Rennert, NJW 1991, 12 ff.; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (105 f.); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 62; Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 48; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 397.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 289; Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (60 f.); Rennert, NJW 1991, 12 ff.; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (105 f.); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 62; Kloepfer,Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 48; Dürig, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 397; Jestaedt, DVBl 2001, 1309 (1310).  Überblick und Nachweise bei Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 310 ff.; vgl. auch Steinwedel, „Spezifisches Verfassungsrecht“ und „einfaches Recht“, 1976, S. 43 ff.; Denninger, in: AK-GG, Bd. 1, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 1 Abs. 2 Rn. 33; Stern, in: BK-GG, Bd. 3, 186. EL 2017, Art. 93 Rn. 700 ff.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und Eingriffsintensität, 1989, S. 87– 92 und S. 96; der Begriff sei „missglückt“, Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 151; so auch Korioth, das. Rn. 282, vgl. auch Bender, Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung gerichtlicher Entscheidungen, 1989, S. 20 ff.; Kenntner, NJW 2005, 785 (786 ff.); ausf. ders. DÖV 2005, 269.  Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 329.  Die Abgrenzung „laufe leer“, Papier, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, 1976, S. 432 (450); Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017, Rn. 580; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 55; Roellecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 68 Rn. 13.  Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 119.

A. Einleitung

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Auslegung einfachen Rechts zu entscheiden.¹¹ Es geriete in die Rolle eines „Superrevisionsgerichts“¹². Eine solche, viel zu umfangreiche Kontrollbefugnis und Kontrollverpflichtung durch das Bundesverfassungsgericht scheitert bereits an einer praktischen Notwendigkeit. Eine derartige Kontrollaufgabe würde das Bundesverfassungsgericht zur Bearbeitung einer nicht zu bewältigenden Flut von Verfahren zwingen. Im Jahr 2017 gingen 5.784 Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein.¹³ Von diesen wurden jedoch bereits 5.268 nicht zur Entscheidung angenommen.¹⁴ Das entspricht einer Quote von 91 %. Insgesamt waren von 5.376 entschiedenen Verfassungsbeschwerden lediglich 1,86 % erfolgreich.¹⁵ Eine ausufernde Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts droht aber vor allem, das Gleichgewicht der Gewaltenteilung zu verschieben.¹⁶ Das Problem betrifft dabei einerseits das Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit, andererseits das Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber.¹⁷ Der Begriff des spezifischen Verfassungsrechts muss sich deshalb als Maßstab für die Kompetenzaufteilung des Grundgesetzes sowie den materiellen Gehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes eignen. Seine Begründung muss eine Stütze einerseits in der Funktionenordnung des Grundgesetzes finden, die den

 Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 285.  BVerfGE 7, 198 (207) – Lüth; siehe auch BVerfGE 107, 395 (413) – Rechtschutz gegen den Richter I; Scherzberg, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 13 Rn. 120; Hensel, Der Staat 50 (2011), 581 (582); siehe auch Detterbeck, AöR 136 (2011), 222 (224 ff.); Steinwedel, „Spezifisches Verfassungsrecht“ und „einfaches Recht“, 1976, S. 64 ff.; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 283 ff.; Herzog, in: Mauer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, FS Dürig, 1990, S. 431 (434 f.).  Jahresstatistik des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt abgerufen am 11.5. 2018 um 14:21 Uhr unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresstatistiken/2017/gb2017/AIV-1.pdf  Jahresstatistik des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt abgerufen am 11.5. 2018 um 14:21 Uhr unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresstatistiken/2017/gb2017/AIV-1.pdf  Jahresstatistik des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt abgerufen am 11.5. 2018 um 14:30 Uhr unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresstatistiken/2017/gb2017/AIV-2.pdf  Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, 1990, S. 61 f.; Knies, in: Burmeister (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit, 1997, S. 1155 (1169 ff.); Bethge, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 22.  Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 (10 ff.); Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 152; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 328.

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A. Einleitung

Fachgerichten einen eigenständigen Kompetenzbereich zuweist,¹⁸ andererseits auf der materiellen Bedeutung der betroffenen Grundrechte ruhen.¹⁹ Im Ergebnis folgt die Abgrenzung der Aufgaben- und Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes, die eine Grenzlinie zwischen Gesetzeskontrolle und Verfassungskontrolle zieht.²⁰ Die vorliegende Arbeit wird deshalb zunächst die Grundsätze der Gleichheitsbindung für den Gesetzgeber darstellen. Sie geht von der These aus: Rechtsetzen heißt Unterscheiden. Nicht jede Ungleichbehandlung durch das Gesetz kann daher gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Im Anschluss daran ist zu zeigen, dass sich der Unterscheidungsauftrag an den Gesetzgeber richtet und dass die Verfassung ihm hierfür einen eigenständigen Gestaltungsraum einräumt, der grundsätzlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Ausgehend von dieser Funktion des Gesetzgebers als gestaltendem Erstinterpreten ist der Prüfungsmaßstab zu bestimmen, mit dem das Bundesverfassungsgericht einen Gleichheitsverstoß durch den Gesetzgeber beurteilt. Dabei sind insbesondere die Fallgruppen zu betrachten, in denen sich der Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes verschärft. Es wird zudem der Versuch unternommen, die Verschärfung der verfassungsgerichtlichen Gleichheitsprüfung in einem einheitlichen Kriterium zu bestimmen. Daraufhin ist die Gleichheitsbindung der ausführenden und rechtsprechenden Staatsgewalt zu untersuchen und in ihren jeweiligen Unterschieden im Kompetenzgefüge zu bestimmen. Schließlich ist auf das Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber zurückzukommen. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Zuständigkeitsabgrenzung soll untersucht werden, wann eine Gleichheitsverletzung als Verletzung von „spezifischem Verfassungsrecht“ qualifiziert werden kann.

 BVerfGE 7, 198 (207) – Lüth; BVerfGE 18, 85 (92) – Spezifisches Verfassungsrecht; BVerfGE 53, 30 (53) – Mülheim-Kärlich; Voßkuhle, NJW 1995, 1377 (1378).  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 150 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 440; Robbers, NJW 1998, 935 (936).

B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung I. Rechtsetzen heißt Unterscheiden Der Rechtsstaat „handelt stets durch das Recht und legitimiert sich im Recht“.²¹ Die Rechtsetzung ist daher elementares Grundprinzip des Rechtsstaates. Rechtsregeln entstehen als verbindliche Verhaltensaufforderungen. Sie verlangen, „dass diejenigen, an die sie sich richten, sich ihnen gemäß verhalten“.²² Die Rechtsregel beansprucht generell zu gelten, regelt also nicht lediglich einen bestimmten Fall.²³ Sprachlich wird diese Regel im Rechtssatz erfasst.²⁴ Die Verfassung konstituiert, dass die wichtigste und vorherrschende Form des Rechtssatzes das Gesetz ist.²⁵

1. Normstruktur des Gesetzes Jedes Gesetz legt einen Tatbestand fest und ordnet für den Fall, dass dieser erfüllt ist, eine Rechtsfolge an.²⁶ Der Tatbestand bestimmt allgemein, wann die vorgesehene Rechtsfolge eintreten soll. Er enthält keine Aussage mit Wahrheitsanspruch, sondern ordnet einem bestimmten – verallgemeinerten – Sachverhalt

 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 2.  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 71.  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 71.  Kelsen, Reine Rechtslehre, Nachdr. 2. Aufl. 2000, S. 73 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 71; allgemein wird Recht durch Sprache geschaffen, Hilf, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 262 Rn. 3 mit Verweis auf Pfeiffer/Strouhal/ Wodak, Recht auf Sprache, 1987, S. 33: „Justitia mag blind sein, stumm ist sie jedoch nicht“.  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 100 Rn. 19 ff.; zum Vorbehalt des Gesetzes: BVerfGE 47, 46 (78 f.) – Sexualkundeunterricht; BVerfGE 95, 267 (307 f.) – Altschulden; zum Vorrang des Gesetzes BVerfGE 8, 155 (169 f.) – Lastenausgleich; zum Verständnis der Verfassung als „lex legum“ oder „norma normata“ Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 9 ff.; zu den Rechtsfolgen des Verfassungsverstoßes Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 1 ff.  Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 2; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 89; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, 1999, S. 64; Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 249, der zu Recht darauf hinweist, dass Tatbestand und Rechtsfolge auch in Teile aufgelöst und so aufeinander bezogen sein können, wie etwa Legaldefinitionen. https://doi.org/10.1515/9783110698220-003

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

eine bestimmte Rechtsfolge zu.²⁷ Er gibt nicht naturwissenschaftliche oder tatsächliche Gegebenheiten wieder, sondern formuliert eine rechtliche Bedingung.²⁸ Tatbestand und Rechtsfolge bilden dadurch eine konditionale „Wenn-DannStruktur“. Wenn der Tatbestand erfüllt ist, soll die beschriebene Rechtsfolge eintreten. Der Tatbestand stellt die Regel dar, welche den Eintritt der Rechtsfolge bestimmt. Solche Regeln, die ihre Anwendungsbedingungen spezifizieren, bezeichnet man auch als „Programme“.²⁹ Ein Programm in diesem Sinn liegt vor, „wenn bei näherer Kenntnis der Situation mit Hilfe der Regel bestimmte Handlungen oder bestimmte Wirkungen von Handlungen erwartbar werden“.³⁰ Tatbestand und Rechtsfolge stellen daher ein „Konditionalprogramm“ dar.³¹ In diesem Sinne soll „mit dem Begriff des Programms […] gesagt sein, dass Systemprobleme durch Angabe einengender Bedingungen ihre Lösung (‹constraints›) definieren und auf Grund dieser Definition dann durch Entscheidung lösbar sind“³². Das Gesetz löst als Konditionalprogramm also die Anfragen an die Rechtsordnung, indem es allgemeine Bedingungen und Lösungen für diese Anfragen formuliert. Das Recht bedarf dazu der sprachlichen Form des Satzes³³, typisiert das Individuelle in der Form des Tatbestandes,³⁴ erzeugt im Rechtssatz eine Regel, die Geltung für die Zukunft beansprucht³⁵ und festlegt, wie bestimmte Fälle gelöst werden sollen.

2. Auswirkungen der Konditionalstruktur Der Tatbestand des Gesetzes fasst im Einzelnen ungleiche Lebenssachverhalte anhand der verallgemeinerten Tatbestandsmerkmale in Gruppen zusammen, behandelt sie trotz ihrer tatsächlichen Verschiedenheit also gleich. Andere

 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 72 f.  Engisch, in: Würtenberger/Otto (Hrsg.), Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 38 ff. und S. 46 ff.  Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 1, 1972, S. 88.  Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 1, 1972, S. 88.  Engisch, in: Würtenberger/Otto (Hrsg.), Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 79 f.; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, 1999, S. 87 f.; Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 2, 1972, S. 228; Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, Neudr. 1964, S. 49.  Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 2, 1972, S. 227 m. w. N. zu diesem zwischen Systemtheorie und Entscheidungstheorie vermittelnden Begriffsverständnisses.  Kelsen, Reine Rechtslehre, Nachdr. 2. Aufl. 2000, S. 73 ff.  BVerfGE 82, 159 (185 f.) – Absatzfonds; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 71; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 30.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 30; ders., in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 79 (79, 81).

I. Rechtsetzen heißt Unterscheiden

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Sachverhalte als diese schließt er von der vorgesehenen Rechtsfolge aus.³⁶ Der Rechtsetzer legt daher im Tatbestand fest, wer von der Norm betroffen ist und wer nicht.³⁷ Das Gesetz behandelt die von ihm erfassten Sachverhalte damit im Vergleich zu den erfassten anders, also ungleich. Rechtsetzen heißt daher unterscheiden.³⁸ Das Unterscheiden beruht darauf, dass der im Gesetz formulierte Tatbestand notwendige Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolge ist. Das Konditionalprogramm des Rechtssatzes bestimmt eine Regel, die nur auf bestimmte Fälle anwendbar ist, nämlich solche auf Fälle, die die festgelegten Bedingungen erfüllen. Rechtsnormen grenzen die nicht von der Norm Betroffenen von der festgelegten Rechtsfolge aus.³⁹

3. Unterscheidung als Ausdruck eines elementaren Gerechtigkeitsgedankens Ohne diese Ungleichheit und Ungleichbehandlung zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen wäre das Recht selbst nicht denkbar. „Eine Rechtsnorm mit dem Inhalt: ‚Alles ist gleich und alle müssen gleich behandelt werden‘ (wäre) gleichbedeutend mit der Abschaffung der Rechtsordnung“⁴⁰. Die im Tatbestand angelegte Unterscheidung spiegelt vielmehr die Unterschiedlichkeiten der Menschen, der Sach- und Regelungsbereiche des jeweiligen Gesetzes wider. Ohne die hierdurch gewährte Ungleichheit gäbe es auch keine Gerechtigkeit.⁴¹ Der Gedanke, Verschiedenes unterschiedlich, nach seiner jeweiligen Eigenart zu behandeln, hat eine lange philosophische Tradition und ist ein elementarer Bestandteil dessen, was als „gerecht“ empfunden wird. Bereits in der Antike herrschte die Überzeugung vor, Gerechtigkeit bedeute, jeder solle „das

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 89; Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 14 f.  Für die Bildung von Vergleichsgruppen zwischen Normbetroffenen und Nichtbetroffenen: BVerfGE 93, 386 (397) – Auslandszuschlag; vgl. auch BVerfGE 71, 39 (58 f.) – Besoldung (Ortszuschlag); BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsschutz für Arbeiter; BVerfGE 88, 87 (97) – Transsexuelle II; BVerfGE 90, 46 (56) – Kündigung während der Probezeit.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 5 und Rn. 89; ders., in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 3; Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 2; Stein, in: AK-GG, Bd. 1, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 3 Rn. 38.  Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 15; BVerfGE 12, 354 (367) – Volkswagenprivatisierung: „Einzelne Gruppen fördern heißt bereits, andere ungleich zu behandeln“; vgl. dazu auch unter dem Begriff „Paradoxon der Gleichheit“ Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Aufl. 2018, Rn. 354.  Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 15.  Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 14.

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Seine“ bekommen. Platon gibt in seinem Werk Politeia einen Dialog des Sokrates wieder, in welchem dieser über das Wesen der Gerechtigkeit diskutiert. Platon schildert, Sokrates habe dabei der Definition des Philosophen Simonides von Keos zugestimmt. Dieser habe festgestellt, dass „einem jeden das Schuldige zu leisten gerecht ist“⁴². Auch Aristoteles stellte fest: „Es ist Gerechtigkeit die Tugend, durch welche alle das Ihrige haben“.⁴³ In der Nikomachischen Ethik schreibt er: „Daher kommen die Streitigkeiten und Prozesse, dass entweder Gleiche Ungleiches oder Ungleiche Gleiches haben und zugeteilt erhalten“.⁴⁴ Später griff vor allem Cicero dieses Gerechtigkeitsverständnis auf. In seinem Werk „De legibus“ (Über die Gesetze“) beschrieb er: „Wie gesagt, den größten Gelehrten gefiel es, vom Gesetz auszugehen, vielleicht zu Recht, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Gesetz, wie sie es definieren, die höchste Vernunft ist, die in der menschlichen Natur liegt und alles befiehlt, was getan werden muss, und das Gegenteil verbietet. Dieselbe Vernunft ist das Gesetz, wenn sie im Geist des Menschen ihren festen Platz hat. (19) Deshalb meinen sie auch, dass die Klugheit das Gesetz sei, dessen Wirkung darin bestehe, das rechte Handeln zu befehlen und das Unrechttun zu verbieten, und sie glauben auch, dass die Bezeichnung dieses Begriffes im Griechischen (No´mos) von „jedem das Seine zuteilen“ (ne´mein) herzuleiten sei, während ich meine, dass sie im Lateinischen (lex) von „auswählen“ (legere) kommt. Denn wie jene die Vorstellung von „Gerechtigkeit“ so verbinden wir die Vorstellung von „Auswahl“ mit dem Begriff des Gesetzes, und dennoch ist beides der eigentliche Inhalt eines Gesetzes.“ ⁴⁵ Cicero erkennt als Ursprung des Rechts die Notwendigkeit, auszuwählen und jedem das Seine zukommen zu lassen. Er spricht diesem Grundsatz die Eigenschaft einer moralischen Tugend zu.⁴⁶ Diese Überzeugung fand auch Eingang in den corpus iuris civilis. Dort heißt es nach Ulpian: „Iuris præcepta sunt haec: honeste vivere, neminem laedere, suum cuique tribuere (Die Gebote des Rechts sind diese: Ehrenhaft leben, niemanden

 Plato, in: Eigler (Hrsg.), Werke in acht Bänden, Bd. 4 Der Staat, 1971, I, 331 und 332, S. 4 f.  Aristoteles, in: Flashar/Rapp (Hrsg.), Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung, Bd 4, 2002, Rhetorik, 1. Buch, 1366b, S. 46.  Aristoteles, in der Übersetzung von Gigon, in: Nickel (Hrsg.), Die nikomachische Ethik, 2. Aufl. 2014, 5. Buch, 6. Kap., 1131a (S. 197 ff.).  Cicero, in: Nickel (Hrsg.), De legibus, 3. Aufl. 2014, I (18) und (19), S. 22 ff.; vgl. aber auch etwa ders., in: Nickel (Hrsg.), De Officiis, 2013, S. 20 und 21: „Aber alles, was moralisch ist, entsteht aus einer dieser vier spezifisch menschlichen Möglichkeiten: Denn entweder hat es zu tun [..]. mit dem Einsatz für die menschliche Gemeinschaft, der Bereitschaft, jedem Einzelnen das zuzuteilen, was ihm zukommt, und der zuverlässigen Erfüllung von Vereinbarungen“.  Cicero, in: Nickel (Hrsg.), De officiis, 2013, I (13), S. 20 und 21.

I. Rechtsetzen heißt Unterscheiden

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verletzen, jedem das Seine gewähren)“⁴⁷. In den „Institutiones“ des Corpus Iuris Civilis von Kaiser Iustinian heißt es außerdem: „Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi (Die Gerechtigkeit ist der beständige und dauerhafte Wille, jedem sein Recht zukommen zu lassen)“⁴⁸. Grundsatz der Gerechtigkeit, eines gerechten Rechts, ist also die Verpflichtung, „jedem das Seine“ zu gewährleisten, nicht hingegen jedem das Gleiche.⁴⁹ Diese Überlegung spiegelt sich auch im Gewährleistungsumfang des allgemeinen Gleichheitssatzes wider. Die historische Interpretation zeigt, dass mit der Gewährleistung „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ nicht beabsichtigt war, tatsächliche Ungleichheiten zu übergehen oder aufzuheben. Vielmehr lautete der Vorschlag für die Formulierung von Art. 3 Abs. 1 GG in der Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 16.11.1948: „Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich. Der Gesetzgeber muss Gleiches gleich, Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln.“⁵⁰ Zwar übernahm das Grundgesetz stattdessen die bewährte Formulierung des Art. 109 WRV.⁵¹ Der von Art. 3 Abs. 1 GG umgesetzte Gedanke der Rechtsgleichheit bezieht sich aber immer nur auf die jeweiligen Lebensbereiche, innerhalb derer der Gesetzgeber Differenzierungen nach sachlichen Gesichtspunkten vornehmen darf.⁵² Auch das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung, nicht nur sei wesentlich Gleiches gleich, sondern darüber hinaus sei auch „wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich“ zu behandeln.⁵³

 Ulpian, in: Behrends (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, 1995, Digesten I. 1.10, , S. 91 ff.; dazu Willoweit, Recht und Willkür, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (151); vgl. dazu auch Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 14.  Institutiones I, 1, 1, Text und Übersetzung abgedr. in: Behrends (Hrsg.), Corpus iuris civilis, 2. Aufl. 1997, S. 1 f.  Kischel, AöR 124 (1999), 174 (180).  Redaktionsausschusses vom 16.11.1948, Jö R N. F. 1 (1951), S. 68.  Vgl. hierzu P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 8 ff.; Rüfner, in: Festschrift für Kriele, 1997, S. 271 (273 f.).  V. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Lieferung 1950, Art. 3 Rn. 2 und 3.  St. Rspr. seit BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; vgl. aktuell etwa BVerfGE 145, 106 (141 Rn. 98) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; eine solche Dimension des Gleichheitssatzes wird in der Literatur indes teilweise abgelehnt, da der Gleichheitssatz lediglich eine egalitäre Zielrichtung verfolge, Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1,186. EL 2017, Art. 3 Rn. 6, 9; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, § 120 S. 1479 ff., S. 1788 f.; vgl. auch Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 25; zudem drohe eine Verkürzung des gesetzgeberischen Spielraums zur notwendigen Abstrahierung, Rüfner, das. Rn. 5 f.; das Recht sich zu unterscheiden, sicherten vielmehr die Freiheitsrechte ab Walter, in: Wolfrum (Hrsg.), Gleichheit und Nichtdiskriminierung, 2003, S: 253 (268 ff.); ablehnend dazu aber Huster, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar

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4. Unterscheidung als Grundprinzip aller Rechtsbereiche Eine grundsätzliche Notwendigkeit zur Unterscheidung ist jedoch bereits in der Begrenzungsfunktion des Tatbestandes angelegt. Diese Unterscheidung ist Grundprinzip aller Rechtsbereiche. Das Strafgesetz verurteilt nur den Täter, den Unschuldigen spricht es frei.⁵⁴ § 303 Abs. 1 StGB lautet: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Die angeordnete Rechtsfolge – Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe – soll nur dann eintreten, wenn der Tatbestand – jemand beschädigt rechtswidrig eine fremde Sache – erfüllt ist.⁵⁵ Eine Strafbarkeit setzt zwingend voraus, dass der Täter den Tatbestand der Strafnorm erfüllt hat.⁵⁶ Das Gesetz unterscheidet: Wer eine fremde Sache beschädigt, wird bestraft. Wer dagegen eine Sache beschädigt, die in seinem Alleineigentum steht, wird nicht bestraft.⁵⁷ Weil § 303 StGB fremdes Eigentum schützt, differenziert der Gesetzgeber zwischen Tätern, die fremde Sachen beschädigen, und Tätern, die eigene Sachen beschädigen. Erst wenn alle Merkmale des Tatbestands im Einzelfall vorliegen, impliziert dies den Eintritt der Rechtsfolge.⁵⁸ Das Strafrecht unterscheidet weiterhin nach dem Grundsatz von Schuld und Schuldangemessenheit von Strafe.⁵⁹ Das Strafgesetz eröffnet sodann

GG, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 70; das Recht auf Ungleichheit lasse sich durch entsprechende Formulierung der Bezugsgruppen erreichen: Kempny/Reimer, Die Gleichheitssätze, 2012, S. 68 ff.; Kingreen/Poscher, Grundrechte, 34. Aufl. 2018, Rn. 525 f.; Martini, Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit, 1997, S. 219; sowie Rüfner, das. Rn. 10; vgl. demgegenüber etwa BVerfGE 13, 46 (53) – Auswirkungen eines Parteiverbots.  BVerfGE 9, 167 (169) – Wirtschaftsstrafgesetz, BVerfGE 20, 323 (331) – ’nulla poena sine culpa’; BVerfGE 45, 187 (228) – Lebenslange Freiheitsstrafe; BVerfGE 90, 145 (173) – Cannabis; BVerfGE 120, 224 (241) – Geschwisterbeischlaf; BGH, Beschl. v. 18.03.1952 – GSSt 2/51, BGHSt 2, 196 (200).  Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, 1999, S. 87 f.  Beling, Die Lehre vom Verbrechen, Neudr. 1964, S. 110, Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, 1999, S. 64.  Im Alleineigentum des Täters stehend bedeutet, dass die Sache nicht fremd ist, einhellige Ansicht, vgl. Wieck-Noodt, in: MüKo StGB. Bd. 5, 3. Aufl. 2019, § 303 Rn. 15 f. mit Verweis auf Schmitz, in: MüKo StGB Bd. 3, 3. Aufl. 2017, § 242 Rn. 31 ff.; Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 303 Rn. 6; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 303 Rn. 4 mit Verweis auf § 242 Rn. 5 ff.; Zacyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 303 Rn. 4; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 303 Rn. 2 mit Verweis auf § 242 Rn. 4.  Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, 1999, S. 64.  Aus der jüngeren Rechtsprechung siehe BVerfGE 133, 168 (198) – Verständigungsgesetz; vgl. auch BVerfGE 45, 187 (228) – Lebenslange Freiheitsstrafe, mit Verweis auf BVerfGE 6, 389 (439) –

I. Rechtsetzen heißt Unterscheiden

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einen Strafrahmen, der wiederum unterscheidet, wie schwer die Schuld des Täters im Einzelfall wiegt.⁶⁰ Diese weitere gesetzliche Unterscheidung ermöglicht dem Richter, eine verhältnismäßige und damit schuldangemessene Bestrafung zu finden.⁶¹ Die gleiche Unterscheidung enthält das Bürgerliche Recht. § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet den Käufer zur Zahlung des Kaufpreises,⁶² den Beschenkten nicht.⁶³ Ein Anspruch kann grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn seine Voraussetzungen vorliegen. Dazu muss der Tatbestand der Norm erfüllt sein. Das Gesetz bildet Gruppen danach, ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. Wer Eigentümer ist, kann die Herausgabe der Sache verlangen (§ 985 BGB). Wer lediglich Besitzer ist, kann den Anspruch nicht geltend machen.⁶⁴ Das bürgerliche Recht erleichtert grundsätzlich anhand möglichst scharf umrissener Begriffe die Subsumtion und stellt dazu allgemeine, abstrakte Merkmale auf.⁶⁵ § 97 BGB lautet: „Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen.“ Diese Definition unterscheidet somit etwa deutlich zwischen Zubehör und Bestandteilen (§ 93 BGB).⁶⁶ Die prägnanten Begriffe gewähren Rechtssicherheit, da sie eine trennscharfe Abgrenzung ermöglichen.⁶⁷ Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Begriffe eine besonders strikte gesetzliche Unterscheidung enthalten. Die Differenzierungsmerkmale folgen wie gesehen aus dem jeweiligen Sachund Regelungsbereich.⁶⁸ Die Zulassung zum Beruf des Rechtsanwalts setzt eine Homosexuelle; BVerfGE 9, 167 (169) – Wirtschaftsstrafgesetz; BVerfGE 20, 323 (331) – ’nulla poena sine culpa’; BVerfGE 25, 269 (285 f.) – Verfolgungsverjährung; dazu: Mösel, NStZ 1984, 492 ff..  Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, 8. Aufl. 2014, § 62 II A Rn. 9; Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, 1999, S. 65.  BVerfGE 133, 168 (199) – Verständigungsgesetz.  Westermann, in: MüKo BGB, Bd. 3, 7. Aufl. 2016, Vorbem. § 433 Rn. 8.  Koch, in: MüKo BGB, 7. Aufl. 2016, § 516 Rn. 24.  Schulte-Nöltke, in: Schulze (Hrsg.), NK BGB, 9. Aufl. 2017, § 985 Rn. 1; Baldus, in: MüKo BGB, Bd. 7, 7. Aufl. 2017, § 985 Rn. 3; Fritzsche, in: BeckOK BGB, 49. Edition 2019, § 985 Rn. 5.  Leipold, BGB I, Einführung und Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 2017, § 3 Rn. 14.  Stieper, in: Staudinger, BGB, Bd. 1, Neubearb. 2017, Buch 1, Allgemeiner Teil, § 97 Rn. 2 und 5; so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 07.04.1981, 14 U 80/80, NJW 1980, 653 (654).  Leipold, BGB I, Einführung und Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 2017, § 3 Rn. 15.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 93, 319 (348 f.) – Wasserpfennig; BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 126, 400 (416) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; BVerfGE 129, 49 (69) – MedizinerBAföG; BVerfGE 132, 179 (188 Rn. 30) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft; BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 121) – Erbschaftsteuer.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

juristische Qualifikation voraus. § 4 BRAO lautet: „Zur Rechtsanwaltschaft kann nur zugelassen werden, wer 1. die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat, […]“. Die Befähigung zum Richteramt erwirbt nach § 5 Abs. 1 HS 1 DRiG, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt. Das Gesetz unterscheidet: Nur, wer ein rechtswissenschaftliches Studium mit der ersten Staatsprüfung abschließt, erwirbt die Befähigung zum Richteramt; wer etwa lediglich eine „Lizenziatenprüfung“ ablegt, erwirbt die Befähigung nicht.⁶⁹ Der Gesetzgeber unterscheidet anhand der Eignung für die Berufstätigkeit, nicht nach den Interessen der jeweiligen Bewerber.⁷⁰

II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber Die im Recht angelegte Unterscheidung kann und muss der Gesetzgeber treffen, weil er gestaltender Erstinterpret der von der Verfassung geprägten Rechtsordnung ist.⁷¹ Die tatsächlichen Unterschiede sachgerecht⁷² zu berücksichtigen, die notwendigen Unterscheidungen und Verallgemeinerungen vorzunehmen, ist daher Aufgabe des Gesetzgebers. Die Stellung des Gesetzgebers als gestaltender Erstinterpret der Rechtsordnung folgt aus drei Grundprinzipien: Dem Grundsatz vom Vorrang der Verfassung, dem Grundsatz vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes sowie aus dem von der Verfassung offen gelassenen Freiraum, der bei Anfragen an das Recht ausgestaltet und gefüllt werden muss und – nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes – nur vom Gesetzgeber ausgefüllt werden kann. Dementsprechend gewährleistet Art. 3 Abs. 1 GG: Alle Menschen sind „vor dem Gesetz“, dem Unterscheidungssinstrument des Staates, gleich.

 BVerwG, Beschl. v. 11.10.1996 – 6 B 3296, BeckRS 1996, 31224909; Staats, DRiG Kommentar, 2012, § 5 Rn. 4.  P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 196.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 1, 10, 106, 127; Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (47); vgl. auch Borowski, HStR XII, 3. Auf. 2014, § 274 Rn. 32.  BVerfGE 87, 1 (36) – Trümmerfrauen; BVerfGE 94, 241 (260) – Kindererziehungszeiten; BVerfGE 103, 242 (258) – Pflegeversicherung III; BVerfGE 108, 52 (68) – Kindesunterhalt.

II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber

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1. Vorrang der Verfassung als Kompetenzquelle Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht, die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. In der gemeinsam mit Art. 1 Abs. 3 GG formulierten Verfassungsbindung kommt der Grundsatz vom Vorrang der Verfassung zum Ausdruck.⁷³ Dieser bewirkt, dass sich die Verfassung in ihrer Geltungskraft über die (einfach‐)gesetzliche Rechtsordnung erhebt⁷⁴ und damit die Derogation oder jedenfalls Invalidation verfassungswidrigen Rechts ermöglicht.⁷⁵ Er enthält Regeln für Zuständigkeit und Verfahren der Gesetzgebung⁷⁶ und bestimmt dadurch, dass das Rechtsleben durch den Gesetzgeber gestaltet werden soll, regelt aber gleichzeitig die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht.⁷⁷

a. Verfassungsgerichtliche Kontrolle und Konstitutionalisierung der Rechtsordnung Wenn der Gesetzgeber seinen Auftrag erfüllt, muss er berücksichtigen, dass die Verfassung in alle Rechts- und Lebensbereiche ausstrahlt.⁷⁸ Diese Ausstrahlungswirkung wird auch unter dem Stichwort der Konstitutionalisierung der

 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 100 Rn. 34 ff.; Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (486); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 20 (VI. Die Verfassungsgrundsätze des Art. 20 Abs. 3) Rn. 19 und Rn. 37; der Vorrang der Verfassung folge jedenfalls mittelbar aus Art. 20 Abs. 3 GG: Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 253; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 82; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 13, weist darauf hin, dass der Vorrang nicht normlogischer, sondern positivrechtlicher Natur ist; dies bestätigt auch eine historische Betrachtung, da unter der Weimarer Reichsverfassung das Verfassungsgesetz, wie übrige Gesetze der Disposition des Gesetzgebers unterlag, vgl. Laband, Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. I., 2. Aufl. 1888, S. 546 L; dazu Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 50 m. w. N.  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 48.  Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 12; Böckenförde, NJW 1999, 9 (12); Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 100 ff. und 114 ff.  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 102 Rn. 2 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 48.  Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (487); Kelsen, VVDStRL 5 (1929), 30 (30 f. und 53).  BVerfGE 7, 198 (205 ff.) – Lüth; BVerfGE 25, 256 (263) – Blinkfüer; BVerfGE 33, 1 (12) – Strafgefangene; BVerfG, Beschl. v. 11.04. 2018 – 1 BvR 3080/09, NVwZ 2018, 813 (814, Rn. 32) – Stadionverbot; Ossenbühl, in: Stödter/Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, 1977, S. 129 (138); Roellecke, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, 1976, S. 22 (35 f.).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Rechtsordnung beschrieben.⁷⁹ Würde das Grundgesetz angesichts der materiellen Konstitutionalisierung bereits jede gesetzgeberische Entscheidung vorbestimmen, jede Anfrage an das Recht vorab verbindlich entschieden haben, bliebe für eine eigene Entscheidung des Gesetzgebers kein Raum.⁸⁰ Dieser wäre dazu berufen, die bereits festgelegte verfassungsrechtliche Entscheidung umzusetzen, könnte jedoch keine eigene Wertentscheidung einfließen lassen.⁸¹ Dann wäre er nicht Erstinterpret des Gleichbehandlungs- und Unterscheidungsauftrages, sondern die Verfassung würde diesen Auftrag selbst erfüllen.⁸² Gesetzgebung wäre Verfassungsinterpretation, nicht Ausdruck parlamentarischer Willensbildung und eines politischen Entscheidungsprozesses.⁸³ Im Sinne einer Konstitutionalisierung der Rechtsordnung hatte das Bundesverfassungsgericht zunächst entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur eine Institutsgarantie enthält, sondern darüber hinaus „eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts“⁸⁴. Der im Grundgesetz geschützte Grundrechtskatalog garantiere nicht nur Abwehrrechte, sondern bringe auch ein System von Werten und objektiven Normen zum Ausdruck.⁸⁵ Insbesondere die Grundrechte enthalten eine „objektivrechtliche Funktion als wertentscheidende Grundsatznorm“⁸⁶, stellen

 Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 (9 ff.); Bethge, in: Depenheuer (Hrsg.), FS Isensee, 2007, S. 613 ff.; Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Staat, Verfassung, Demokratie, 1. Aufl. 1991, S. 163 (188 f.); Hager, JuS 2006, 769 ff.; Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 200 Rn. 67; Ruffert,Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 49 ff.; zum Begriff: G. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 267 Rn. 7; kritisch Forsthoff, in: Barion (Hrsg.), Epirrhosis, 2. Aufl. 2002, S. 185 ff.; C. Schmitt, in: Säkularisation und Utopie, S. 37 (60 ff.); zur Entwicklung vgl. Schuppert/Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000, S. 9 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 101.  Dies befürchtend Forsthoff, in: Barion (Hrsg.), Epirrhosis, 2. Aufl. 2002, S. 185 f.  Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl. 1981, S. 402; ders., Der Staat 29 (1990), 1 (25); Hennis, Verfassung und Verfassungswirklichkeit, 1968, S. 20 ff.; Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 2. Aufl. 1971, S. 143 f.; ders, in: Barion (Hrsg.), Epirrhosis, 2. Aufl. 2002, S. 185 f.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 61.  Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Staat, Verfassung, Demokratie, 1. Aufl. 1991, S. 163 (190, 196 f.), Alexy,VVDStRL 61 (2002), 8 (12 f.); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 48.  BVerfGE 6, 55 (72) – Steuersplitting  BVerfGE 6, 55 (72) – Steuersplitting; BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth; vgl. auch Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 1 Abs. 3 Rn. 17 mit Verweis auf Klein, in: v. Mangoldt (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, Vorbem. Art. 1 B 4, S. 93.  BVerfGE 77, 170 (214) – Lagerung chemischer Waffen.

II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber

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„Prinzipien“⁸⁷ der gesamten Rechtsordnung dar,⁸⁸ die alle drei Staatsgewalten, also auch den Gesetzgeber, binden.⁸⁹ Das jeweilige Staatsorgan muss eine Güterabwägung vornehmen, wenn die Werte oder Prinzipien betroffener Träger kollidieren; eine fehlerhafte Abwägung kann einen Verfassungsverstoß begründen.⁹⁰ Versteht man die Grundrechte und grundgesetzlichen Wertentscheidungen als Prinzipien, fordern sie stets die bestmögliche, optimale Umsetzung, enthalten anders als Regeln ein Optimierungsgebot.⁹¹ Will der Gesetzgeber eine Materie regeln, gäbe es demnach nur eine einzige „optimale“ und damit richtige Lösung, welche die betroffenen Prinzipien bestmöglich zur Geltung bringt.⁹² Daraus könnte gefolgert werden, dass die Verfassung im Sinne einer Grundordnung nicht nur jede wesentliche, sondern überhaupt jede gesetzgeberische Entscheidung vorbestimmt.⁹³

b. Keine Beschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungskompetenz Dieses Ergebnis entspricht indes nicht der Kompetenzaufteilung des Grundgesetzes. Die materielle Konstitutionalisierung verdeutlicht vielmehr, dass das Grundgesetz keine wertneutrale Ordnung ist, sondern – insbesondere in den Grundrechten – wertende Grundsatzentscheidungen getroffen hat, die auch der Gesetzgeber bei seiner eigenständigen Entscheidung berücksichtigen muss.⁹⁴ Die

 BVerfGE 81, 242 (254) – Handelsvertreter.  So bereits Smend, VVDStRL 4 (1928), 44 (47), dort „Grundprinzipien“; Grundrechte auch als „Wert- oder Güter-, ein Kultursystem bezeichnend: ders, Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 3. Aufl. 1994, S. 264.  BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth.  BVerfGE 7, 198 (201, 212) – Lüth.  Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 71 ff.; krit. Lerche, in: Burmeister (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit, 1997, S. 197 ff.  Jedoch nicht, wenn man „Optimierungsgebot“ als Gebot zum Verzicht auf vermeidbare Grundrechtsbeschränkungen versteht, wie Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 19 beschreibt.  C. Schmitt, in: Säkularisation und Utopie, 1967, S. 37 (60 ff.); vgl. auch Lerche, in: Macke (Hrsg.) Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit auf Landesebene, 1998, S. 216 ff.; diese Entwicklung der Konstitutionalisierung wird verstärkt durch im Grundgesetz enthaltene Staatszielbestimmungen, Klein, DVBl 1991, 729 (735 und 736 f.); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 59.  BVerfGE 81, 242 (255) – Handelsvertreter.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Grundrechte und in ihnen zum Ausdruck kommenden Prinzipien durchdringen alle vom Rechtsstaat berührten Lebensbereiche.⁹⁵ Die Verfassung macht allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen im Verfassungstext zu positivem Recht.⁹⁶ So „gehört die Gleichheit vor dem Gesetz so sehr zu den Grundbestandteilen unserer verfassungsmäßigen Ordnung, dass auf den überpositiven Rechtsgrundsatz zurückgegriffen werden müsste, wenn der Gleichheitssatz nicht in Art. 3 GG geschriebenes Verfassungsrecht geworden wäre“⁹⁷. Die angemessene Gleichheit, allgemein die verfassungsgemäße Gestaltung der Rechtsordnung, kann nur durch ein verfassungsgemäßes Gesetz hergestellt werden; andernfalls wäre es nichtig oder zumindest vernichtbar.⁹⁸ Damit erzeugt die Normenhierarchie eine Einheit der Rechtsordnung⁹⁹ und bringt zum Ausdruck, dass die Verfassung einen Rahmen für die übrige Gesetzgebung bildet.¹⁰⁰ Der Begriff des „Rahmens“ darf allerdings nicht in einem zu plastischen Sinn verstanden werden, weil die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen nicht nur die äußeren „Rahmen“-Bedingungen bilden, sondern auch in den Inhalt „ausstrahlen“. Auch dort anerkennt das Grundgesetz aber, dass „das Leben seinen

 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 29 f., 56, 361; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 54; E. W. Böckenförde, in: Achterberg (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel, S. 317 (319 f.).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 1, 72; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 9; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 74 ff.; Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (500); Depenheuer, in: Ziemske (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, FS Kriele, 1997, S. 485 (488); Böckenförde, NJW 1999, 9 (10).  BVerfGE 1, 208 (233) – 7,5 %-Sperrklausel; auch das Rechtsstaatsprinzip wehrt Willkür ab, selbst wenn es die Regelung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gäbe, Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 239; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 46 und 49.  Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 1 ff.; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 93 mit ausführlichen Nachweisen zum Nichtigkeitsurteil; Borowski, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 34 weist darauf hin, dass der Gesetzgebungsakt beansprucht, den Anforderungen der Verfassung zu genügen.  Der Stufenaufbau der Normenhierarchie münden in die Einheit der Rechtsordnung, Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Nachdr. 1966, S. 249; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 54; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 18; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, Nachdr. 1987 d. Ausgabe v. 1935, S. 11 f. und 18 ff.  E. W. Böckenförde, in: Achterberg (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel, S. 317 (322 f.); Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002, S. 408 ff.; Starck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 19; Isensee, ebd., § 268 Rn. 55; ders., Vom Stil der Verfassung, 1999, S. 454; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 34 f., 72 ff.

II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber

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eigenen Gesetzen folgt“, sie also nicht selbst das gesamte staatliche und gesellschaftliche Leben reguliert.¹⁰¹ Deshalb bedarf die Verfassung zwingend eines gestaltenden Gesetzgebers, der „durch Einzelgesetze die Verfassung interpretiert“.¹⁰² Grundrechte sind objektivrechtliche Grundpfeiler, bedürfen aber einer einfachgesetzlichen Konkretisierung, Ausfüllung und Ausgestaltung, ersetzen diese nicht.¹⁰³ Deshalb kann und muss die Verfassung die Kompetenz zur Verfassungsinterpretation dem Gesetzgeber als gestaltendem Erstinterpreten zuweisen, dem Bundesverfassungsgericht als überprüfenden Letztinterpreten vorbehalten.¹⁰⁴ Nicht nur chronologisch steht die Interpretation durch den Gesetzgeber an erster Stelle. Auch inhaltlich gestaltet die unterverfassungsrechtliche Rechtsordnung der Gesetzgeber.¹⁰⁵ Diese funktionale Zuordnung ist damit auch nicht abhängig vom Umfang der materiellen Regelungsdichte, denn sie ergibt sich funktional aus der Normenhierarchie. Die Verfassung schreibt vor, wie Recht zu erzeugen ist, gibt dazu inhaltliche Ziele und Grenzen vor,¹⁰⁶ bedarf aber dennoch stets eines Gestaltungs- und Umsetzungsaktes.¹⁰⁷ Darüber hinaus gebietet das Demokratiegebot gem. Art. 20 Abs. 1 GG, dass die parlamentarisch legitimierte Entscheidung das wichtigste Gestaltungselement der Rechtsordnung darstellt.¹⁰⁸ Nur das Parlament besitzt aber die unmittelbare demokratische Legitimation. Das so erzeugte einfache Recht dient dann dazu, das (ausstrahlende) Verfassungsrecht zu konkretisieren,¹⁰⁹ sodass

 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 55.  Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, 1906, S. 9; dazu Borowski, in: HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 31 mit Verweis auf Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1961), 53 (68 f.): „Jedes Gesetz stellt im Grunde eine Interpretation der Verfassung dar, sei es, dass es sich fü r mit der Verfassung im Einklang hä lt, sei es, dass es sich als von der Verfassung gefordert versteht“; so auch im Diskussionsbeitrag Scheuner, in: VVDStRL 20 (1961), S. 125.  Rupp, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, 1976, S. 364 (365); Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beharren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (55 f.).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 1; Borowski, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 35; Rupp, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, 1976, S. 364 (365).  Borowski, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 35 f.  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 48.  Wenn überhaupt, trifft das Grundgesetz „nur in wenigen Sachbereichen abschließende Regelungen, die nicht einer Ergänzung durch einfaches Recht zugänglich und bedürftig wären“, Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 64.  Borowski, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 36; dies gilt auch im Hinblick auf die Frage der Gerechtigkeit, Hesse, AöR 109 (1984), 174 (193).  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 58.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Verfassungsrecht und einfaches Recht in einer Wechselbeziehung stehen.¹¹⁰ Das Verfassungsrecht ist nicht autark, sondern abhängig vom einfachen Recht.¹¹¹ So verstanden dienen die ausstrahlenden Prinzipien und Werte des Grundgesetzes dazu, dem Gesetzgeber einen Maßstab für die Art und Weise seines Handelns aufzuzeigen. Sie begrenzen aber nicht seine Kompetenz als gestaltender Erstinterpret der Rechtsordnung, sondern setzten diese voraus. Die materielle Konstitutionalisierung begrenzt nicht die Funktion des Gesetzgebers, sondern vertraut gerade auf diese, um die übrigen Verfassungsorgane zu entlasten.¹¹² Die Regelungen des Grundgesetzes sind „unvollständig nach Plan“¹¹³. Die Ausstrahlungswirkung der Verfassung dient damit der Disziplinierung des politischen Prozesses, gewinnt die Akzeptanz auch einer Minorität im politischen Machtkampf durch Absicherung materieller Schranken- und Schutznormen. Die Rechtsetzung beschreitet einen Mittelweg zwischen Verfassungsinterpretation und parlamentarischer Gestaltung.¹¹⁴

1. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, Art. 20 Abs. 3 GG und der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes,¹¹⁵ fordern, dass Exekutive und Judikative sich gesetzmäßig verhalten.¹¹⁶ Zur Ausgestaltung der von der Verfassung vorgezeichneten Rechtsordnung bedarf es daher eines gestaltenden Rechtsetzungsaktes in Form der Gesetzgebung. Darüber hinaus

 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 69 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 58.  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 65.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 93.  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 66.  Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 61.  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 20 (VI. Die Verfassungsgrundsätze des Art. 20 Abs. 3) Rn. 72; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 1 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., 1984, S. 803 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 316 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 104 ff.; Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 22 ff.; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002, S. 495 f.  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 20 (VI. Die Verfassungsgrundsätze des Art. 20 Abs. 3) Rn. 73.

II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber

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besagt der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, dass jede Freiheitsbeschränkung einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage bedarf.¹¹⁷ In den Freiheitsrechten und grundgesetzlichen Leitprinzipien sind einzelne Differenzierungen jedoch nur grob vorgezeichnet.¹¹⁸ Das Grundgesetz schützt die freie Wahl von Beruf, Arbeit und Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG), der Gesetzgeber regelt jedoch nach seinem Ermessen durch Gesetz die Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), entwirft so gesetzliche Berufsbilder,¹¹⁹ fordert beispielsweise – zulässigerweise – den Nachweis der fachlichen Qualifikation für die Aufnahme eines Berufes.¹²⁰ Art. 5 Abs. 3 GG gewährt die unbedingte Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre. Der Gesetzgeber organisiert die Wissenschaftsverwaltung – beispielsweise im Hochschulrahmengesetz, vgl. §§ 22 ff. HRG –, muss dabei aber den Rahmen berücksichtigen, den ihm verfassungsrechtlich geschützte Interessen vorgeben.¹²¹ Das Grundgesetz gewährleistet Eigentum und Erbrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG), der Gesetzgeber bestimmt Inhalt und Schranken der Eigentumsordnung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), legt generell abstrakte Rechte und Pflichten fest, die auch zum Entzug einzelner Eigentumspositionen führen können,¹²² berücksichtigt dabei die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG),¹²³ und entwirft gesetzliche Eigentumsbilder.¹²⁴  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 20 (VI. Die Verfassungsgrundsätze des Art. 20 Abs. 3) Rn. 75; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 60.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 104.  BVerfGE 7, 377 (397 ff.) – Apotheken-Urteil; BVerfGE 13, 97 (106) – Handwerksordnung; BVerfGE 17, 232 (241 f.) – Apotheken-Mehrbetrieb; BVerfGE 21, 173 (183) – Nebentätigkeit eines Steuerberaters; BVerfGE 22, 275 (276) – Steuerberater; BVerfGE 25, 236 (247) – Dentist; BVerfGE 31, 275 (284, 289 f.) – Bearbeiter-Urheberrechte; BVerfGE 32, 1 (22 ff.) – Apothekenanwärter; BVerfGE 36, 281 (293) – Patentanmeldungen; BVerfGE 41, 378 (396) – Rechtsbeistand; BVerfGE 43, 242 (288 f.) – Universitätsgesetz Hamburg; BVerfGE 44, 1 (21 f.) – Nichteheliches-Erbrecht; BVerfGE 50, 265 (274 f.) – Vertretungsbefugnis von Apothekenassistenten; BVerfGE 54, 301 (314 ff.) – Buchführungsprivileg; BVerfGE 55, 185 (201 ff.) – Befreiung von der Steuerberaterprüfung; BVerfGE 59, 1 (29 ff.) – Studienplatzvergabe; BVerfGE 59, 302 (315) – Buchführungsprivileg für steuerberatende Berufe; BVerfGE 71, 137 (144) – Fischereipachtverträge; BVerfGE 75, 246 (265 f.) – Abschaffung des Rechtsbeistandes; BVerfGE 78, 179 (193) – Heilpraktiker Gesetz; BVerfGE 80, 1 (24) – Antwort-WahlVerfahren; BVerfGE 98, 265 (309 f.) – Bayerisches Schwangerenhilfegesetz; BVerfGE 106, 62 (116) – Altenpflegegesetz; vgl. zu den Berufsbildern außerdem Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 12 Rn. 280 ff.; kritisch Hesse, AöR 95 (1970), 449 (459 ff.); Rupp, AöR 92, 212 (221 f.); ders., NJW 65, 993 ff.  BVerfGE 7, 377 (406 f.) – Apotheken-Urteil; vgl. beispielsweise oben § 4 BRAO, § 5 DRiG.  BVerfGE 35, 79 (6. Leitsatz) – Hochschulurteil.  BVerfGE 110, 1 (24 f.) – Erweiterter Verfall.  BVerfGE 50, 290 – Mitbestimmungsgesetz; BVerfGE 100, 226 – Denkmalschutz; BVerfGE 115, 97 – Halbteilungsgrundsatz; vgl. Axer, in: BeckOK GG, 37. Edition 2017, Art. 14 Rn. 72.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Daraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand unterschiedlich enge verfassungsrechtliche Vorgaben für den angemessenen Grad der Verallgemeinerung und damit auch die erforderlichen Unterscheidungen. Die jeweilige Entscheidung liegt im Ermessen des Gesetzgebers. Aus diesem Grund können sich „Grenzen für den Gesetzgeber […] nur dort ergeben, wo sie ihm auf Grund des – richtig ausgelegten – Grundrechts gezogen werden müssen. Die praktische Schwierigkeit liegt darin, das grundsätzlich freie wirtschaftspolitische, sozialpolitische und berufspolitische Ermessen, das dem Gesetzgeber gewahrt bleiben muss, mit dem Freiheitsschutz, auf den der einzelne Bürger gerade auch dem Gesetzgeber gegenüber einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat, zu vereinen“¹²⁵. Deshalb haben Gesetzgeber und Regierung die Verfassung zu deuten, auszuprägen und zur Entfaltung zu bringen.¹²⁶

2. Struktureller Freiraum als Ausdruck der Gestaltungskompetenz Für diese Kompetenzaufteilung zeichnet die Verfassung einen Rahmen vor, innerhalb dessen das Recht den Menschen ermöglichen soll, sich in gleicher Freiheit zu entfalten.¹²⁷ Was nämlich der Kontrolle durch das Verfassungsgericht entzogen ist, obliegt der eigenen Verantwortung – des Grundrechtsberechtigten wie des Gesetzgebers.¹²⁸ Individuelle Freiheit und demokratische Gesetzgebungsbefugnis sind die Gestaltungs- und Erneuerungsformen des Verfassungsstaates.¹²⁹ Deshalb entspricht der Weite des Gestaltungsraumes die Dichte bei der

 BVerfGE 1, 264 (277 f.) – Bezirksschornsteinfeger; BVerfGE 24, 367 (392 ff.) – Hamburgisches Deichordnungsgesetz; BVerfGE 31, 229 (239) – Schulbuchprivileg; BVerfGE 51, 193 (217 f.) – Schloßberg; BVerfGE 53, 257 (289 f.) – Versorgungsausgleich; BVerfGE 58, 300 (334 ff.) – Nassauskiesung; BVerfGE 70, 191 (199) – Fischereibezirke; BVerfGE 79, 174 (191) – Straßenverkehrslärm; BVerfGE 83, 201 ff. – Bundesberggesetz; BVerfGE 95, 64 (82) – Mietpreisbindung; BVerfGE 95, 267 (300) – Altschulden; BVerfGE 112, 1 (42) – Bodenreform III.  BVerfGE 7, 377 (400) – Apotheken-Urteil.  P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 1.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 240; zum Rahmenbegriff vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Auf. 2014, § 268 Rn. 54 f.  Vgl. dazu Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 55: „Die Freiräume werden vom Grundgesetz nicht positiv garantiert, sondern negativ ausgespart“. In einem normlogischen Sinn ausgedrückt: Was die Verfassung weder verbietet noch gebietet, stellt sie frei, Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 183 ff, insbes. 185.  Zu den Grenzen der verfassungsstaatlichen Freiheit und streitbaren Demokratie vgl. Dreier, JZ 1994, 741 ff. (insbes. 750 f.).

II. Unterscheidungsauftrag für den Gesetzgeber

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verfassungsgerichtlichen Prüfung.¹³⁰ Die Freiräume umfassen die von der Verfassung nicht oder unvollständig geregelten Materien und halten der politischen Gestaltung Räume für den kreativen Gesetzgeber offen.¹³¹ Das Grundgesetz trifft die qualitativen Grundsatzentscheidungen der Rechtsordnung,¹³² lässt innerhalb der so gezogenen Grenzen Raum für gesetzgeberische Gestaltung. Das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 1 GG fordert, dass bei tatsächlich bedingter oder rechtlicher Unsicherheit dem Gesetzgeber ein solcher Einschätzungsspielraum eingeräumt wird.¹³³ Der „Gestaltungsraum“ des Gesetzgebers entsteht also, indem die Verfassung dem Gesetzgeber die eigenständige Verantwortung überträgt, die von ihr offen gelassenen Freiräume auszugestalten.¹³⁴ Da der Grundsatz vom Vorrang der Verfassung jedoch auch eine Kontrolle durch das Verfassungsgericht fordert, muss das Bundesverfassungsgericht als Kompromiss im Fall von solchen Gestaltungsräumen eine verfassungsgerichtliche Prüfung mit einem abgestuften Prüfungsmaßstab vornehmen.¹³⁵ Es ist zentrale Aufgabe der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, „Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsverantwortung des Gesetzgebers“¹³⁶ zu wahren.¹³⁷ In Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung zur Erhebung der Einwohnerzahlen hat das Bundesverfassungsgericht diese abgestufte Prüfungsdichte für den Gestaltungsraum in Hinblick auf die Anforderungen der jeweiligen Regelungsmaterie jüngst hervorgehoben:

 BVerfGE 89, 15 (23) – Steuerfreiheit von Zuschlägen für regelmäßige Nachtarbeit; BVerfGE 91, 346 (363) – Abfindung des Miterben; BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung; Britz, NJW 2014, 346 (350 f.); Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 152.  Borowski, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 36 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 55.  Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 (14).  Borowski, in: HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 37 und Rn. 39; Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, 1998, S. 208 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 120; zur Dogmatik der Spielräume und insbesondere einer Entscheidung zwischen empirischen und epistemischen Einschätzungsspielräumen vgl. ders.,VVDStRL 61 (2002), 8 (15 ff.); selbst wenn man die Grundrechte als Optimierungsgebote versteht, verbleiben Abwägungsspielräume auf der Ebene gleichrangiger Abwägungsstufen für den Gesetzgeber durch tatsächliche oder epistemische Unsicherheit, die einen Gestaltungsraum begründen, ebd. S. 19 ff. und 29 ff.  BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 123, 1 (23) – Spielgerätesteuer; Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 (15 f.), der außerdem aufzeigt, dass auch nach der Idee der „einzig richtigen Antwort“ ein Spielraum für den Gesetzgeber bestehen kann, da einzig richtige Antwort je nach Anfrage an die Verfassung auch das Bestehen eines Spielraums sein kann, ebd. S. 21.  Vgl. etwa BVerfGE 50, 290 (333) – Mitbestimmung.  BVerfGE 77, 84 (104) – Arbeitnehmerüberlassung.  Detterbeck, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 14.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

„Bei der Beurteilung des gewählten Mittels sowie der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Risiken oder Gefahren steht dem Gesetzgeber, abhängig von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, seinen Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter, ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der vom Bundesverfassungsgericht nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (vgl. BVerfGE 77, 170 ; 88, 203 ; 90, 145 ). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle kann dabei von einer bloßen Evidenzkontrolle über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen (vgl. BVerfGE 50, 290 , m.w.N.; 123, 186 ). Je höher sich die Komplexität einer Materie dabei ausnimmt, desto größer ist der Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 122, 1 ).“¹³⁸

Das Bundesverfassungsgericht verwendet verschiedene Begriffe, um diesen von der Verfassung offen gelassenen Gestaltungsraum zu beschreiben. So hat es etwa festgehalten, dass die Verfassung dem einfachen Recht grundsätzlich einen weiten „Spielraum“ lässt.¹³⁹ Der Gesetzgeber hat eine Gestaltungsbefugnis für die Ausgestaltung der grundrechtlichen Gewährleistungen.¹⁴⁰ Ihm steht ein „Einschätzungs-, Wertungs-, und Gestaltungsspielraum“ zu. Der „Umfang dieses Spielraums hängt von Faktoren verschiedener Art ab, im besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich – zumal über künftige Entwicklungen wie die Auswirkungen einer Norm – ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter“¹⁴¹. Durch die Einräumung eines verfassungsrechtlichen Raumes wird also ausgedrückt, dass der Gesetzgeber Erstinterpret ist und dass es zuvorderst Aufgabe des Gesetzgebers ist, die notwendigen Anfragen an die Verfassung in Form von Gesetzesrecht zu beantworten. In Hinblick auf die vom allgemeinen Gleichheitssatz geforderte Gestaltungsgleichheit, also die Verallgemeinerungen, vor allem aber auch die zwingend notwendigen Unterscheidungen, bezeichnet das Bundesverfassungsgericht diesen Freiraum als „Gestaltungsraum“¹⁴².

 BVerfG, Urt. v. 19.09. 2018 – 2 BvF 1/15, Rn. 173 – Zensus 2011, zitiert nach juris.  BVerfGE 89, 214 (234) – Bürgschaftsverträge.  BVerfGE 64, 72 (85) – Prüfingenieure.  BVerfGE 88, 203 (262) – Schwangerschaftsabbruch II; so auch BVerfG, Urt. v. 19.09. 2018 – 2 BvF 1/15, Rn. 173 – Zensus 2011, zitiert nach juris.  BVerfGE 81, 242 (255) – Handelsvertreter.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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III. Gleichheit „vor dem Gesetz“ Der von der Verfassung formulierte Unterscheidungsauftrag richtet sich also an den Gesetzgeber. Ob dieser innerhalb des ihm eröffneten Gestaltungsraumes den angemessenen Grad der Unterscheidung und Verallgemeinerung gewahrt hat, ist an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Dabei gewährleistet Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichheit aller Menschen nicht generell abstrakt, sondern vor dem rechtsstaatlichen Unterscheidungsinstrument,¹⁴³ „vor dem Gesetz“. Daraus ergeben sich Besonderheiten für den Prüfungsmaßstab des Gesetzgebers, die sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widerspiegeln. Diese Besonderheiten sollen im Nachfolgenden auf allgemeine Grundsätze für die Gleichheitsbindung des Gesetzgebers und die daraus folgenden Vorgaben für seinen Gestaltungsraum untersucht werden.

1. Rechtsanwendungs- und Rechtsetzungsgleichheit Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG – die Gleichheit „vor dem Gesetz“ – verbietet ein Gesetz, das Ungleichheit bewirkt – in seinem Inhalt oder einem durch Auslegung verfälschten Inhalt. Doch vielfach wird der Wortlaut so verstanden, dass das Gesetz gegenüber jedermann gleich anzuwenden ist, der Rechtsanwender keine Unterscheidung in Ansehung der betroffenen Person¹⁴⁴ vornehmen darf. Das Gesetz soll so befolgt werden, wie es geschrieben ist.¹⁴⁵ Der Wortlaut verbürgt damit ausdrücklich nur eine Rechtsanwendungsgleichheit. Dessen ungeachtet folgt bereits aus der historischen Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes, dass dieser nicht nur den Rechtsanwender verpflichtet, sondern auch eine Rechtsetzungsgleichheit verbürgt. Die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 GG geht zurück auf Art. 109 Abs. 1 WRV: „Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich“¹⁴⁶ Art. 109 Abs. 1 WRV sollte mit Hilfe dieses Wortlautes zunächst auch nur Rechtsanwendungsgleichheit und Abschaffung von Adelsvorrechten

 Das Gesetz als „demokratisches Handlungsinstrument“ bezeichnend P. Kirchhof, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 79 (90); zum Begriff des „Unterscheidungsinstrumentes“, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 92 und 100.  So bereits Jahrreiß, in: Anschütz, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 16. Lieferung 1930, § 103 D δ (S. 637) für Art. 109 Abs. 1 WRV.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 1.  Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Deutsches RGBl 152 (1919), S. 1383 (1404).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

gewährleisten.¹⁴⁷ Eine umfassende Gewährleistung auch von Rechtsetzungsgleichheit war im historischen Kontext nicht üblich.¹⁴⁸ Die Idee der verfassungsrechtlichen Gleichheitsgewähr vertraute ursprünglich vielmehr darauf, dass Gesetze selbst Ausdruck des „allgemeinen Willens“ waren. Als die ersten konstitutionellen Bestrebungen die allgemeine Gleichheitsidee aufgriffen – hier sei allen voran die europäische Rechtsentwicklung am Beispiel der französischen Revolution genannt¹⁴⁹ – lautete vor diesem Hintergrund Art. 4 der Verfassung des französischen Volkes vom 24. Juni 1793: „Das Gesetz ist der freie und feierliche Ausdruck des allgemeinen Willens; es ist für alle das gleiche, sei es, dass es schützt, sei es, dass es bestraft; es kann nur das befehlen, was gerecht und der Gesellschaft nützlich ist; es kann nur das verbieten, was ihr schädlich ist.“¹⁵⁰

In diesem Zusammenhang wurden die Gesetze selbst als Ausdruck des „volonté générale“ verstanden. Dieses Verständnis, den allgemeinen Willen als Rechtsquelle der Gesetze zu betrachten, beruhte auf Rousseau. ¹⁵¹ Das aus dem Ge Anschütz, WRV, 14. Aufl. 1933. Art. 109 Rn. 1 (S. 522 ff.); diese ursprüngliche Intention bejahend Stier-Somlo, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, 1929, S. 158 ff., nach teleologischer Auslegung aber bereits für eine Bindung auch des Gesetzgebers, S. 177 ff., zusammenfassend S. 200.  Jahrreiß, in: Anschütz (Hrsg.), Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 16. Lieferung 1930, § 103 D δ (S. 637), tatsächlich herrschte eine „weitgehende Ungleichheit“ der Deutschen unter Art. 109 Abs. 1 WRV, das. S. 633, vgl. für das Verwaltungsrecht W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, S. 165 f.  Vgl. etwa für die Gleichheitsgewährleistung im Rahmen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 37, die zwar deklarierte „that all men are created equal“, eine allgemeine Gleichheitsgewähr jedoch erst im 14. Amendment 1868 aufnahm; die Naturrechtslehre der Neuzeit formulierte die Idee der Gleichheit jedoch bereits zu einem Ideal und später Postulat, Hobbes, Leviathan (1651), in: Klenner (Hrsg.), Teil 1, Kap. 13, S. 102 ff.; Locke, Two treaties of Government, 1698, Buch II Kap. 2, §§ 4 ff. S. 167 ff.; die Aufklärung formulierte die Gleichheitsvorstellung zu einer Forderung nach staatsbürgerlicher und rechtlicher Gleichheit, Montesquieu, De l’esprit de lois (1748), in: Forsthoff (Hrsg.), Vom Geeist der Gesetze, Bd. 1, 2. Aufl. 1992, Buch 5 Kap. 4, S. 64 f. und Buch 8, Kap. 3, S. 159 f.; Kant, Über den Gemeinspruch (1793), in: Weischedel (Hrsg.), Werke, Bd. VI, 1964, S. 125 (146 ff.).  La loi est l’expression libre et solennelle de la volonté générale; elle est la même pour tous, soit qu’elle protège, soit qu’elle punisse; elle ne peut ordonner que ce qui est juste et utile à la société; elle ne peut défendre que ce qui lui est nuisible“, abgedr. in: Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, 2. Aufl. 1964, S. 372; die Formulierung geht zurück auf Telleyrand und findet sich bereits in Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, vgl. Samwer, Die französische Erklärung der Menschenrechte von 1789/91, 1970, S. 185 ff.  Rousseau, Du contrat social ou principes du droit politique, 1762, übersetzt in: Sozialphilosophische und Politische Schriften, 1981, S. 267 ff.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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meinwillen entstandene Gesetz ist selbst ideal,¹⁵² sichert damit die erforderliche Gleichheit bereits deshalb, weil es Ausdruck des allgemeinen Willens ist. Gleichheit in der Rechtsetzung ergibt sich damit bereits daraus, dass das Gesetz den allgemeinen Willen verkörpert.¹⁵³ Einer gesonderten Gleichheitsgarantie bedürfe daher nur die Rechtsanwendung.¹⁵⁴ Rechtsetzungsgleichheit war in Einzelfällen speziell normiert und bezog sich vor allem auf die Abschaffung von Standesunterschieden:¹⁵⁵ „Da die Nationalversammlung die Französische Verfassung auf den Grundsätzen aufbauen will, die sie eben anerkannt und erklärt hat, schafft sie unwiderruflich die Einrichtungen ab, welche die Freiheit und die Gleichheit der Rechte verletzen. Es gibt keinen Adel mehr, keinen Hochadel, keine erblichen Unterschiede, keine Standesunterschiede, keine Lehnsherrschaft, keine Patrimonialgerichtsbarkeiten, keine Titel, Benennungen und Vorrechte, die davon herrührten, keinen Ritterorden, keine Körperschaften oder Auszeichnungen, die Adelsproben erforderten oder die auf Unterschieden der Geburt beruhten, und keine andere Überlegenheit als die der öffentlichen Beamten in Ausübung ihres Dienstes. Kein öffentliches Amt kann mehr gekauft oder ererbt werden. Für keinen Teil der Nation, für kein Individuum gibt es mehr irgendein Privileg oder eine Ausnahme vom gemeinsamen Recht aller Franzosen.“ ¹⁵⁶

Die allgemeine Gleichheit galt damit vielmehr der Abschaffung der Standesunterschiede; hierdurch sollten die Gesetze also vor allem für alle im Staate mit gleichem Inhalt gelten. Im Sinne dieses historisch bedeutsamen Ziels, der Umsetzung des aufklärerischen Postulats, lautete auch Art. 137 Abs. 1 Satz 1 der Frankfurter Reichsverfassung (FRV): „Vor dem Gesetz gilt kein Unterschied der

 Im Sinne eines Ausdrucks der allgemeinen Vernunft und Gerechtigkeit, Kant, Metaphysik der Sitten, in: Vorländer (Hrsg.), Neudr. 1954, § 46 (S. 136).  Rousseau, Du contrat social ou principes du droit politique, 1762, übersetzt in: ders. Sozialphilosophische und Politische Schriften, 1981, S. 298 f.  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2010, Art. 3 Rn. 1; Hoffmann, in: Starck (Hrsg.), Die Allgemeinheit des Gesetzes, 1987, S. 9 (28); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 6; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 91.  Vgl. daneben etwa ALR, Zweyther Theil, Siebter Titel, § 2: „Wer zum Bauernstande gehört, darf ohne Erlaubnis des Staates weder selbst ein bürgerliches Gewerbe betreiben, noch seine Kinder dazu widmen“, abgedr. in Hattenhauer/Bernert (Hrsg.), Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, 3. Aufl. 1996, S. 439.  Präambel des Dekrets der Nationalversammlung, Erklärung der Menschen und Bürgerrechte vom 3. September 1791, abgedr. in Gosewinkel/Masen (Hrsg.), Die Verfassungen in Europa, 2006, S. 165.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Stände“. Abs. 3 lautete: „Die Deutschen sind vor dem Gesetz gleich.“¹⁵⁷ Diese Formulierung ist vor allem systematisch einzuordnen. Zunächst wird eine spezielle Regelung für die der Rechtsetzung getroffen: Der Gesetzgeber darf keine Standesunterschiede mehr normieren. Danach wird allgemein vorgegeben, dass die Deutschen vor diesen so erlassenen standesrechtlich neutralen Gesetzen gleichbehandelt werden sollten. Diese systematische Stellung betont die Spezialität der Rechtsetzungsgleichheit – in Ansehung der Stände – und legt gleichzeitig nahe, dass die allgemeine Gleichheit sich nur auf die Rechtsanwendung beziehen soll. Im Umkehrschluss drückt dies aus, dass andere Unterscheidungen als die Privilegierung des Adels durch das Gesetz durchaus möglich bleiben.¹⁵⁸ Eine allgemeine Rechtsetzungsgleichheit beabsichtigte diese Formulierung daher zumindest ursprünglich nicht, angesichts der speziellen Rechtsetzungsgleichheit in Abs. 1 (und weiterer spezieller Rechtsetzungsgleichheiten).¹⁵⁹ Art. 137 FRV bezweckte damit in erster Linie nur die Abschaffung von Adelsvorrechten.¹⁶⁰ Sinn und Zweck von Art. 137 Abs. 3 FRV war es zumindest ursprünglich, lediglich die Rechtsanwendungsgleichheit zu garantieren.¹⁶¹ Als die Verfassungen der deutschen Teilstaaten die Gleichheitsidee aufgriffen, gingen deshalb auch sie – letztlich nach dem französischen Vorbild – von Gewähr einer Rechtsanwendungsgleichheit aus.¹⁶²

 Art. 137 der Verfassung vom 28. März 1849, Frankfurter RGBl 1849, S. 101, abgedr. in Neumann/Brozinski (Hrsg.), Die Frankfurter Reichsverfassung, 1992, S. 101; so auch später Art. 4 Abs. 1 der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat, in: Gesetzsammlung für die KöniglichPreußischen Staaten/1850, S. 17; gemäß dem „Gesetz betreffend die Rechte der mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und Grafen vom 10. Juni 1854“ stand diese Bestimmung einer Wiederherstellung verletzter Rechte und Befugnisse Deutscher Reichsfürsten und Grafen jedoch nicht entgegen, Gesetzsammlung für die Königlich-Preußischen Staaten/1854, S. 363.  Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, S. 324 f.  Vgl. dazu Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, S. 287.  Etwa die noch in Art. 14 der Deutschen Bundesakte abgesicherten Adelsprivilegien, Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, S. 287.  Briegleb, Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt a. M., in: Wigard (Hrsg.), Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Bd. 2, 1848, S. 1290 (1304 f., insbes. S. 1305); diese Interpretation folgt vor allem aus einer systematischen Auslegung, da alle in der Verfassungsdebatte angesprochenen Differenzierungsverbote in der FRV ausdrücklich niedergeschrieben wurden, Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, S. 325; a. A. Aldag, Die Gleichheit vor dem Gesetze in der Reichsverfassung, 1925, S. 12; es kam bereits unter der Formulierung in Art. 4 der Preußischen Verfassung von 1850 hierüber zum Streit, in dem auch auf die Formulierung von Art. 137 FRV Bezug genommen wurde, vgl. dazu Anschütz, Die VerfassungsUrkunde für den Preußischen Staat, 1912, S. 108 ff.  Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 6 m. w. N. Fn. 30.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Art. 137 Abs. 3 FRV diente schließlich als Vorlage für Art. 109 WRV. Auch hier war wiederum streitig, ob auf Grundlage dieser Formulierung eine reine Rechtsanwendungs- oder auch eine Rechtsetzungsgleichheit gewährleistet werden sollte.¹⁶³ Die Erfahrung des ersten Weltkrieges stieß eine tiefergehende Diskussion über Recht und Gerechtigkeit jenseits des positiven Gesetzes unter Geltung von Art. 109 WRV an, sodass eine über die Rechtsanwendungsgleichheit hinausgehende Rechtsetzungsgleichheit gefordert wurde. So leitete Kaufmann seinen Vortrag bei der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer 1926 mit folgenden Worten ein: „Die Erlebnisse, die unser Volk, und wir mit ihm, im Kriege, im Zusammenbruche, in der Revolution und unter dem Versailler Vertrag inner- und ä ußerpolitisch gehabt hat, haben uns gewaltig aufgerü ttelt und zu einer großen Selbstbesinnung geführt. Diese Erlebnisse haben uns den Zwang auferlegt, unsere Gedanken über Recht und Staat einer neuen Prü fung zu unterwerfen. Der Positivismus wä chst seiner Natur nach auf dem Boden stabiler oder fü r stabil gehaltener Verhä ltnisse und der damit gegebenen Stimmung der Saturiertheit. Durch Krieg, Revolution, Zusammenbruch und Friedensvertrag haben wir aufgehö rt ein saturiertes Volk zu sein; und damit dü rfte es zusammenhä ngen, dass auch die mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz gestellten Probleme fü r uns wieder Probleme geworden sind.“ ¹⁶⁴

Weil nur allgemeine und gleiche Gesetze gerecht sein können, solle die Rechtsanwendungsgleichheit auch als Rechtsetzungsgleichheit ausgelegt werden.¹⁶⁵ Von der Formulierung des Art. 109 Abs. 1 WRV ausgehend klang deshalb die Idee einer Rechtsetzungsgleichheit an, die vom Gleichheitssatz ausging.¹⁶⁶ In der Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus konnte sich diese Auffassung jedoch nicht durchsetzen. Die Idee einer allgemeinen Gleichheit, einer Verpflichtung auch des Gesetzgebers, diese Gleichheit umzusetzen, wich zugunsten der „Artgleichheit“: „Es bedarf keiner Ausführung, dass das nationalsozialistische Rechtsdenken zu dieser Haltung [Lehre der Bindung des auch Gesetzgebers auch an die Gleichheit] in grundsätzlichem Gegensatze steht. Nicht eine abstrakte Gleichheit aller Menschen, nicht eine Leugnung aller qualitativen Unterschiede zwischen ihnen macht für uns das Wesen der Gleichheit aus. Im Gegenteil, die Anschauungen über gleich und ungleich ruhen heute auf der Besinnung auf die Grundtatsache der blutmä ßigen Verschiedenheit der Vö lker, die die vö lkische Art-

 Anschütz, WRV, 14. Aufl. 1933, Art. 109 Rn. Rn. 1 (S. 522 ff.).  E. Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), Nachdr. 1994, 2 (3).  E. Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), Nachdr. 1994, 2 (4).  E. Kaufmann,VVDStRL 3 (1927), Nachdr. 1994, 2 (4 f.); vgl. auch Aldag, Die Gleichheit vor dem Gesetze in der Reichsverfassung, 1929, S. 4 ff.; a. A. jedoch etwa Nawiasky, VVDStRL 3 (1927), Nachdr. 1994, 25 ff.; Anschütz, WRV, Art. 109 Rn. 1 (S. 522 ff.); Mainzer, Gleichheit vor dem Gesetz, Gerechtigkeit und Recht, 1929, S. 27 ff.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

gleichheit zur entscheidenden Substanz der Gleichheit und zugleich zum Ansatz der Differenzierung vom Artfremden werden lä ßt.“¹⁶⁷

Der Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee musste dann die schreckliche Erfahrung staatlichen und auch gesetzlichen Unrechts zur Zeit des Nationalsozialismus verarbeiten. Deshalb war zunächst ausdrücklich vorgesehen, dass der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 14 Abs. 2 HChE auch den Gesetzgeber binden soll: „Der Grundsatz der Gleichheit bindet auch den Gesetzgeber“. Schließlich wurde diese Formulierung angesichts der bereits in Art. 1 Abs. 3 GG formulierten umfassenden Verfassungsbindung auch des Gesetzgebers als überflüssig erkannt.¹⁶⁸ Durch die Verweisung auf das Regelungsinstrument des Gesetzes verpflichtet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG daher nicht nur den Rechtsanwender, sondern auch den Gesetzgeber. Die Gleichheit „vor dem Gesetz“ beruht auf der Erkenntnis, dass sie nur durch Normen erreichbar ist, die selbst Gleichheit gewährleisten.¹⁶⁹ Sie ist folglich auch als eine Rechtsetzungsgleichheit, eine Gleichheit „durch das Gesetz“ zu verstehen.¹⁷⁰

2. Rechtsetzen heißt Verallgemeinern Der allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet also sowohl Rechtsetzungs- als auch Rechtsanwendungsgleichheit. Tatsächlich sind jedoch alle Menschen verschieden.¹⁷¹ Sie sind berufstätig oder erwerbslos, arm oder reich, qualifiziert oder unqualifiziert. Das Gesetz reagiert auf die Unterschiede der Menschen mit Unterscheidungen:¹⁷² Wer kein eigenes Einkommen erzielen kann, erhält Sozialhilfe;¹⁷³ wer ein hohes Einkommen erzielt, zahlt den Spitzensteuersatz.¹⁷⁴ Wen ein medizinisches Studium für die Tätigkeit Arzt qualifiziert, der erhält die Appro-

 Scheuner, in: ZgS 99 (1939), 245 (247 f.).  Vgl. Der Parlamentarische Rat, in: Wernicke/Schick/Stelzl/Risse (Hrsg.), Bd. 5, Teilband 1, Ausschuss für Grundsatzfragen, 1993, S. 142; dazu Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 7; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 95  Klopfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 29.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 74 und 95.  P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 1.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 89.  Vgl. §§ 27 Abs. 1 und 2 SGB XII.  Vgl. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 EStG.

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bation;¹⁷⁵ wem in Ermangelung einer Qualifikation der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt ist, dem ermöglicht das Gesetz Förderung von Weiterbildung.¹⁷⁶ Gleichzeitig kann das Gesetz nicht jeden Unterscheid aufnehmen und widerspiegeln. „Da die Sachverhalte in der Lebenswirklichkeit sich nie völlig gleichen, müssen gewisse Verschiedenheiten stets vernachlässigt werden.“¹⁷⁷ Die Zulassung zum Richteramt setzt das Bestehen der ersten und zweiten juristischen Staatsprüfung voraus.¹⁷⁸ Ein junger Richter mit einer besseren Examensnote erhält jedoch keine höhere Besoldung als ein gleichaltriger Kollege mit einem schlechteren Examensergebnis.¹⁷⁹ Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaften sind tatsächlich verschiedene Formen der Partnerschaft. Der Gesetzgeber darf aber bestimmen, dass Einkommen und Vermögen in beiden Fällen zur Berechnung der Bedürftigkeit berücksichtigt werden.¹⁸⁰ Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern.¹⁸¹ Der Gesetzgeber kann nämlich nicht stets Ungleiches auch ungleich behandeln.¹⁸² „Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber […] nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf.“¹⁸³ Der Gesetzgeber muss die Unterschiede der zu ordnenden Lebensbereiche berücksichtigen¹⁸⁴ und sachgerecht differenzieren.¹⁸⁵ Er ist auch gezwungen, tatsächliche

 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BÄO und § 1 ÄApprO, Schelling, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 BOÄ Rn. 2.  In den Grenzen des Ermessens der Arbeitsagentur, § 81 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III, Hassel, in: Brand (Hrsg.), SGB III, 8. Aufl. 2018, § 81 Rn. 7;  BVerfGE 21, 12 (26) – Allphasenumsatzsteuer.  S.o. § 5 Abs. 1 HS 1 DRiG.  § 37 BBesG i. V. m. Anlage IV zum BBesG.  BVerfGE 9, 20 (32) – Arbeitslosenhilfe.  BVerfGE 82, 126 (151) – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 96, 1 (6) – Weihnachtsfreibetrag; BVerfGE 99, 280 (290) – Aufwandsentschädigung Ost; BVerfGE 105, 73 (127) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 116, 164 (182) – Tarifbegrenzung gewerbliche Einkünfte; BVerfGE 122, 210 (233) – Pendlerpauschale; G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S. 196 f.; H. Schneider, in: Schneider/Götz (Hrsg.), FS Weber, 1974, S. 15 (22 ff.); Hoffmann, in: Starck (Hrsg.), Die Allgemeinheit des Gesetzes, 1987, S. 9 (9 f.); Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd.V, 3. Aufl. 2007, § 100 Rn. 11; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 237.  BVerfGE 1, 264 (275) – Bezirksschornsteinfeger.  BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften; BVerfGE 1, 264 (275 f.) – Bezirksschornsteinfeger; BVerfGE 67, 70 (85 f.) – Grunderwerbsteuer.  BVerfGE 1, 264 (275 f.) – Bezirksschornsteinfeger; BVerfGE 48, 346 (357) – Witwenrentenurteil (60 % Rente); BVerfGE 86, 81 (87) – Regelung des Einigungsvertrages; BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften; BVerfGE 103, 310 (319) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 106, 225 (240) – Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen I.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Unterschiede denkbarer zukünftiger Einzelfälle zu ignorieren, sie der gleichen Rechtsfolge zuzuführen und im allgemeinen Gesetz zusammenzufassen.¹⁸⁶ Eine gesetzliche Regelung sieht über tatsächliche Ungleichheiten im Einzelfall hinweg und erfasst sie im Typus des Tatbestandes.¹⁸⁷ „Der Gesetzgeber bildet […] seine Tatbestände nach sozialtypischen Befunden, erfasst dabei das Individuelle im Typus, verallgemeinert das Konkrete, vergröbert Unterschiedlichkeiten.“¹⁸⁸ Rechtsetzen heißt daher nicht nur Unterscheiden, sondern auch Verallgemeinern.¹⁸⁹ Die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Rechtsanwendungsgleichheit ist also nur möglich, indem einzelne Ungleichheiten der Menschen und der konkreten Lebenssituationen abstrahiert werden,¹⁹⁰ der Rechtsetzer sodann unterscheidet, wen die festgelegte Rechtsfolge in welchen Fällen betreffen soll und wen nicht. Der allgemeine Gleichheitssatz verbürgt deshalb Gleichbehandlung nach Maßgabe der gesetzgeberischen Entscheidung.¹⁹¹ Diese Gleichheit wird durch Gesetzgebung und Gesetzesanwendung hergestellt. Der Gleichheitssatz „wirkt durch den Verbindlichkeitsanspruch und den Text der Gesetze – des Verfassungsgesetzes

 BVerfGE 87, 1 (36) – Trümmerfrauen; BVerfGE 94, 241 (260) – Kindererziehungszeiten; BVerfGE 103, 242 (258) – Pflegeversicherung III; BVerfGE 108, 52 (68) – Kindesunterhalt.  Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft (1929), in: Kaufmann (Hrsg.), Gesamtausgabe, Bd. I, Rechtsphilosophie, 1987, S. 221 (224); P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 2; G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S.464 f.; Art. 19 Abs. 1 GG fordert, dass „das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten“ muss, „soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“, vgl. zur besonderen Bedeutung G. Kirchhof, das. S. 196 ff.  BVerfGE 3, 58 (135) – Beamtenverhältnisse; BVerfGE 9, 20 (32) – Arbeitslosenhilfe; BVerfGE 13, 331 (341) – Personenbezogene Kapitalgesellschaften; BVerfGE 17, 1 (23) – Waisenrente I; BVerfGE 21, 12 (26) – Allphasenumsatzsteuer; „Jede gesetzliche Regelung muss generalisieren“, BVerfGE 11, 245 (254) – Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz; G. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 267 Rn. 12; ders., Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2008, S. 368 ff.; Rüfner, in: Ziemske (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, FS Kriele, 1997, S. 271 (272); Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 13; Jochum, Grundfragen des Steuerrechts, 2012, S. 68.  BVerfGE 82, 159 (185 f.) – Absatzfonds.  G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, 196 f.; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 237; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd.V, 3. Aufl. 2007, § 100 Rn. 11; Hoffmann, in Starck (Hrsg.), Die Allgemeinheit des Gesetzes, 1987, 9 f.; Rüfner, in: Ziemske (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, FS Kriele, 1997, S. 271; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 8 (20).  G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S.464 f., so bereits Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft (1929), in: Kaufmann (Hrsg.), Gesamtausgabe, Bd. I, Rechtsphilosophie, 1987, S. 221 (224); vgl. auch P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 2;  Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 25.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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und der auf der Grundlage der Verfassung zustande gekommenen Gesetze“¹⁹². Das Grundgesetz garantiert daher keine absolute, sondern eine relative Gleichheit,¹⁹³ nämlich die Gleichheit vor dem Gesetz, dem staatlichen Unterscheidungsinstrument.¹⁹⁴ Diese Gleichheit muss der Gesetzgeber gestalten, er muss die notwendigen Unterscheidungen und Verallgemeinerungen vornehmen: „Der Gleichheitssatz regelt Vorgaben für den Inhalt jedes Gesetzes und seiner Anwendung, fordert insbesondere die Beachtung des geschriebenen Gesetzes unabhängig von der betroffenen Person. Er beauftragt den Gesetzgeber und den Gesetzesanwender, für Menschen in ähnlichen Lebenslagen eine gemeinsame Rechtsfolge vorzusehen, für Menschen in verschiedenen Lebenslagen verschiedene Rechtsfolgen vorzusehen, für Menschen in vergleichbaren Lebenslagen eine verantwortliche Entscheidung über gemeinsame oder verschiedene Rechtsfolgen zu treffen […] Der Gleichheitssatz verlangt die Entscheidung, welche Ähnlichkeit eine gemeinsame Rechtsfolge rechtfertigt, welche Verschiedenheit eine gemeinsame Rechtsfolge verbietet, welche Vergleichbarkeit dem Gesetzgeber erlaubt, gemeinsame oder verschiedene Rechtsfolgen zu begründen.“¹⁹⁵

Verallgemeinert der Gesetzgeber einen Regelungsgegenstand indes so, dass der Tatbestand auch wesentlich unterschiedliche Sachverhalte erfasst, ist diese gesetzliche Gleichbehandlung sachwidrig, weil sie gegen den Grundsatz verstößt, Ungleiches entsprechend seiner Eigenart verschieden zu behandeln.¹⁹⁶ Auch in dieser sachwidrigen Gleichbehandlung kann jedoch sprachlich wiederum eine Ungleichbehandlung erkannt werden, weil sich das Verallgemeinerungserfordernis als Kehrseite des Unterscheidungsauftrages für den Gesetzgeber darstellt. Verallgemeinert der Gesetzgeber zu grob, erfasst er auch Tatbestände, welche eher solchen ähneln, die – sachgerecht – nicht von der gesetzlichen Regelung betroffen sind. Gegenüber diesen behandelt er die Betroffenen wiederum ungleich. Insofern kann eine sachwidrige Gleichbehandlung ebenfalls als Form der Ungleichbehandlung bezeichnet werden.

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 72.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 100; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2018, Art. 3 Rn. 39 f.  Die Allgemeinheit des Gesetzes selbst sichert bereits Gleichheit, G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S. 69 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 73.  Vgl. BVerfGE 3, 58 (135) – Beamtenverhältnisse.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

3. Gleich und Ungleich Der Begriff der „Gleichheit“ selbst beschreibt das Verhältnis verschiedener Gegenstände zueinander. Gleichheit setzt daher Verschiedenheit voraus.¹⁹⁷ Dadurch unterscheidet sich der Begriff der „Gleichheit“ von dem der Identität.¹⁹⁸ Der Begriff „gleich“ vermittelt eine Vorstellung von einer Gemeinsamkeit für zwei in Individualität und Konkretheit verschiedene Sachverhalte.¹⁹⁹ Auch die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Rechtsgleichheit orientiert sich nicht an einer Identität, sondern einer wesentlichen Vergleichbarkeit der rechtserheblichen Eigenschaften der jeweiligen Lebenssituationen.²⁰⁰ Wie das Bundesverfassungsgericht hervorhebt, geht es dabei auch nicht um eine umfassende Gleichheit, sondern stets nur um eine Vergleichbarkeit der jeweils rechtserheblichen Merkmale, die der Gesetzgeber als Anknüpfungspunkt seiner tatbestandlichen Differenzierung gewählt hat: Deshalb hebt das Bundesverfassungsgericht hervor: „Die Anwendung dieses Grundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen“²⁰¹. „Gleich“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG fordert wägende, gewichtende, ergründende Gleichheit.²⁰² Im Ausgangspunkt verlangt der allgemeine Gleichheitssatz daher keine vollständige Übereinstimmung des Vergleichsgegenstandes, sondern die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Unterschieden, zwischen gerechtfertigten und nicht gerechtfertigten Differenzierungen.²⁰³

 Hier wird daher mit der „Gleichheit“ die proportionale, nicht die arithmetische Gleichheit beschrieben, zur Unterscheidung vgl. bereits Aristoteles, in der Übersetzung von Gigon, in: Nickel (Hrsg.), Die nikomachische Ethik, 2. Aufl. 2014, 5. Buch, 7. Kap. Buch V, Kap. 7 1131b (S. 199): „Denn das Proportionale ist die Mitte, und das Gerechte ist das Proportionale“. Proportionale Gleichheit fordert Verschiedenheit: Windelband, Über Gleichheit und Identität, 1910, S. 8; Göldel, Die Lehre von der Identität in der deutschen Logik-Wissenschaft seit Lotze, 1935, S. 397 ff.; Menne, Ratio 4 (1962), 44 ff.; Dann, Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980, S. 997 f.; P. Kirchhof, in: Maunz/ Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 7; vgl. auch Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 233; Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 16.  Windelband, Über Gleichheit und Identität, 1910, S. 15; Hesse, in: Badura (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS Lerche, 1993, S. 121.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 13.  BVerfGE 6, 273 (280) – Gesamtdeutsche Volkspartei; BVerfGE 81, 108 (117) – Steuerermäßigung bei Nebeneinkünften; Hesse, in: Badura (Hrsg.),Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS Lerche, 1993, S. 121; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 15; Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 1.  BVerfGE 87, 1 (35) – Trümmerfrauen.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 13.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Der allgemeine Gleichheitssatz betrachtet den jeweiligen Regelungsgegenstand und gebietet, dass der Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich, wesentlich Ungleiches ungleich behandelt.²⁰⁴ Negativ ausgedrückt verbietet der Gleichheitssatz, dass wesentlich gleiches ungleich, nicht dagegen, dass wesentlich ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird.²⁰⁵ Im Umkehrschluss kann Art. 3 Abs. 1 GG auch verletzt sein, wenn Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleichbehandelt wird.²⁰⁶ Der allgemeine Gleichheitssatz „bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, ‚Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden‘ zu behandeln“²⁰⁷. Kurz gesagt ist der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG „gehalten, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln. Dabei verletzt der Gesetzgeber den allgemeinen Gleichheitssatz nur dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt“²⁰⁸. Nach diesem Maßstab lässt sich erst dann beurteilen, ob die jeweilige gesetzliche Regelung ein angemessenes Gleichmaß eingehalten hat, wenn die Eigenheiten des jeweiligen Sach- und Regelungsbereichs beurteilt werden.²⁰⁹ In-

 St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; BVerfGE 13, 46 (53) – Auswirkung eines Parteiverbots; BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften; BVerfGE 116, 164 (180) – Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte; BVerfGE 122, 210 (230) – Pendlerpauschale; BVerfGE 126, 268 (277) – Häusliches Arbeitszimmer; BVerfGE 129, 49 (68) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 133, 377 (407) – Ehegattensplittung; BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 121) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 145, 20 (86 Rn. 171) – Spielhallen; BVerfGE 145, 106 (141 Rn. 98) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; BVerfGE 145, 249 (297, Rn. 96) – Anrechnung auf Ruhegehalt; BVerfGE 145, 304 (329 Rn. 81) – Ostbesoldung Besoldungsangleichung; BVerfG, Urt. V. 14.12. 2017 – 2 BvR 1872/17 – Rechtliches Gehör bei Abschiebung, Rn. 32, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/ 14, Rn. 94 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 103 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1728/12, Rn. 74 – Transferzahlungen Bundesagentur, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 64 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zitiert nach juris.  BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat;  BVerfGE 13, 46 (53) – Auswirkung eines Parteiverbots.  BVerfGE 3, 58 (135) – Beamtenverhältnisse.  BVerfGE 51, 1 (23) – Rentenversicherung im Ausland, mit Verweis auf BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordnetenentschädigung; ähnlich BVerfGE 52, 277 (280 f.) – Jugendliche bei Tanzveranstaltung.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 78, 249 (287) – Fehlbelegungsabgabe; BVerfGE 84, 239 (271) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 93, 121 (135) – Einheitswerte II; BVerfGE 96, 1 (6) – Weihnachtsfreibetrag; BVerfGE 99, 280 (289) – Aufwandsentschädigung-Ost; BVerfGE 105, 17 (46 ff.) – Sozialpfandbriefe;

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

sofern mangelt es dem allgemeinen Gleichheitssatz jedoch weder an Aussagekraft, noch ist diese Abgrenzungsformel inhaltsleer.²¹⁰ Abstrakt vermag der Maßstab zwar keine Aussage über das angemessene Gleichmaß zu treffen, da er hierfür keine Vergleichskriterien nennt. In der Tat können Vergleichskriterien nicht generell im Voraus bestimmt werden. Die Ursache hierfür liegt jedoch nicht im Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes, sondern in der Methode des Vergleichens. Denn Differenzierungskriterien können nur anhand des jeweiligen Lebensbereichs gewonnen werden, der durch Gesetz geregelt werden soll:²¹¹ Regelt der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Zugang zum Studium, ergeben sich taugliche Unterscheidungskriterien aus dem Erfordernis der jeweiligen Studieneignung.²¹² Besteuert der Gesetzgeber Grundeigentum, muss die Berechnung nach dem (realitätsgerecht ermittelten) Grundstückswert unterscheiden.²¹³ Verbietet der Gesetzgeber sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverhältnissen mit dem Ziel, die unbefristete Beschäftigung zu fördern, so ergeben sich Differenzierungskriterien aus dem Zweck der Maßnahme, sodass der Gesetzgeber etwa zwischen Arbeitsverträgen mit neuen Arbeitnehmern und bereits zuvor befristet Beschäftigten differenzieren darf.²¹⁴ Für derartige gesetzliche Regelungen hat der Gesetzgeber allgemein einen weiten Gestaltungsraum.²¹⁵ Die gesetzliche Regelung muss die Unterschei-

BVerfGE 120, 1 (30) – Abfärberegelung; P. Kirchhof, in: Arndt (Hrsg.), Völkerrecht und deutsches Recht, FS Rudolf, 2001, S. 277 (278 ff.); ders., in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 313.  Dies kritisierend etwa W. Böckenförde, Der Allgemeine Gleichheitssatz und die Aufgabe des Richters, 1957, S. 48 ff.; Maaß, NVwZ 1988, 14 (20); Podlech, Gehalt und Funktion des allgemeinen Gleichheitssatzes, 1971, 77 ff., 84; Pietzcker, in Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. V, 2013, § 125 Rn. 20; F. Schoch, DVBl. 1988, 863 (875); zum Begriff der „Leerformel“ K. Hesse, AöR 109 (1984), 174 (188); vgl. auch Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot oder als Gebot der Chancengleichheit, 1969, S. 33 ff.; Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 2. Aufl. 1971, S. 136.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 84, 239 (268 f.) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 90, 226 (239) – Kirchensteuer-Hebesatz; BVerfGE 93, 319 (349) – Wasserpfennig; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 107, 218 (244) – Beamtenbesoldung Ost I; BVerfGE 107, 257 (270) – Beamtenbesoldung Ost II; BVerfGE 112, 164 (174) – Familienbesteuerung; BVerfGE 112, 268 (297) – Kinderbetreuungskosten; BVerfGE 113, 167 (215) – Risikostrukturausgleich.  BVerfGE 147, 253 (308, Rn. 109) – NC Humanmedizin.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 94 ff. – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 06.06. 2018 – 1 BvL 7/14, NJW 2018, 2542 (2544 f., Rn. 46 ff.) – Mehrfach sachgrundlose Befristung.  Auch Bewertungs- oder Ermessensspielraum, vgl. BVerfGE 1, 14 (32) – Südweststaat; BVerfGE 2, 266 (280) – Notaufnahme; BVerfGE 3, 19 (23) – Unterschriftenquorum; BVerfGE 3, 58 (135 f.) –

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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dungskriterien erfassen, die im jeweiligen Regelungsbereich angelegt sind und sie sodann angemessen widerspiegeln. Dabei ist es „primär Aufgabe des Gesetzgebers zu beurteilen, ob und unter welchen sachlichen Gesichtspunkten zwei Lebensbereiche einander so gleich sind, dass Gleichbehandlung zwingend geboten ist, welche Sachverhaltselemente andererseits so wichtig sind, dass ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt“²¹⁶. Der Gesetzgeber muss nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise entscheiden, ob die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutend sind, dass die von ihm festgelegte Regel diese Ungleichheiten beachten muss.²¹⁷ Der Gleichheitssatz schreibt dem Gesetzgeber deshalb nicht positiv vor, welches Gleichmaß dieser herzustellen hat.²¹⁸ Das Bundesverfassungsgericht wählt aus diesem Grund einen negativen Kontrollmaßstab, um zu überprüfen, ob die jeweilige Gestaltung den verfassungsrechtlichen Rahmen einhält, insbesondere, ob der Gesetzgeber das angemessene Gleichmaß eingehalten hat. Dieser gebietet lediglich korrigierend einzugreifen, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss“²¹⁹. Die Grenzen des Verallgemeinerungsauftrags überschreitet der Gesetzgeber folglich erst dann, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlerhaft sind, dass sie „vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können“²²⁰. Das Bundesverfassungsgericht gibt also nicht positiv vor, was gleichheitsgerecht ist, sondern erkennt mittels einer negativen Abgrenzung Verstöße gegen die angemessene Gleichbehandlung, wenn sie den Rahmen des Sachlichen und Gerechten verlassen.²²¹ Dieser negative Kontrollmaßstab spiegelt

Beamtenverhältnisse; BVerfGE 3, 288 (337) – Berufssoldatenverhältnisse; BVerfGE 4, 7 (18) – Investitionshilfe; Rupp, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, 1976, S. 364 (371).  BVerfGE 12, 326 (337) – Richterbesoldung Nordrhein-Westfalen.  BVerfGE 1, 264 (276) – Bezirksschornsteinfeger.  V. Mangoldt, in: Das Bonner Grundgesetz, 1. Lieferung 1950, Art. 3 Rn. 2. Zur Beratung hinsichtlich der Fassungen, der Gesetzgeber könne oder müsse Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln und der Ablehnung des Müssens vgl. Redaktionsausschusses vom 16.11.1948, in: Häberle (Hrsg.), Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, Nachdr. 2010, Jö R N. F. 1 (1951), S. 68 ff.  BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; seitdem st. Rspr.  BVerfGE 121, 317 (315) – Rauchverbot in Gaststätten; vgl. dazu P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 182.  Diese Wertung geht zurück auf Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 67 ff.; Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 16.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

damit wider, dass zuerst der Gesetzgeber die einzelnen Anfragen das Recht interpretiert.²²² Erst wenn der Gesetzgeber ersichtlich falsch, ohne sachlichen Grund handelt, überschreitet seine Entscheidung den ihm eingeräumten Gestaltungsraum. Folglich liegt eine Verletzung des Gleichheitssatzes „nicht schon darin, dass der Gesetzgeber bei der Regelung eines bestimmten Lebensgebietes nicht alle tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse im einzelnen berücksichtigt“²²³. Insbesondere ist der Gesetzgeber – innerhalb der Grenzen der Willkür – grundsätzlich frei zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen.²²⁴ Die Entscheidung über Gleichbehandlung oder Unterscheidung erfordert jedoch in Bezug auf jeden Regelungsgegenstand in der Regel auch eine Abwägung, Prognose, Einschätzung, Beurteilung und Verallgemeinerung. Der Gesetzgeber hat daher auch einen Prognose-²²⁵, Einschätzungs-²²⁶ und Beurteilungsspielraum²²⁷ hinsichtlich mit Unsicherheit belasteter zukünftiger Entscheidungen. Zu dieser Entscheidung ermächtigt den Gesetzgeber seine demokratische Legitimation, die ihn an das Gemeinwohlinteresse bindet.²²⁸ Schließlich muss der Ge-

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 435.  BVerfGE 1, 264 (276) – Bezirksschornsteinfeger; i. Ü. st. Rspr, vgl. etwa auch BVerfGE 2, 118 (119 f.) – Sicherungsverwahrung; BVerfGE 9, 124 (130) – Armenrecht; BVerfGE 48, 346 (357) – Witwenurteil (60 % Rente); BVerfGE 74, 182 (200) – Einheitswerte I; BVerfGE 93, 386 (397) – Auslandszuschlag; BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften; BVerfGE 103, 242 (258) – Pflegeversicherung III; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 106, 225 (240) – Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen I; BVerfGE 110, 141 (167) – Kampfhunde; BVerfGE 115, 381 (389) – Dauerpflegschaften.  BVerfGE 71, 39 (53) – Besoldung (Ortszuschlag); BVerfGE 71, 255 (271) – Ruhestandsregelung; BVerfGE 78, 104 (121) – Prozesskostenhilfe im Zivilprozess.  BVerfGE 30, 250 (263) – Absicherungsgesetz; BVerfGE 38, 61 (82) – Leberpfennig; BVerfGE 50, 290 (331 ff.) – Mitbestimmung; BVerfGE 57, 295 (322) – 3. Rundfunkurteil; BVerfGE 77, 170 (215) – Lagerung chemischer Waffen; BVerfGE 88, 203 (262) – Schwangerschaftsabbruch II; BVerfGE 90, 145 (173) – Cannabis; BVerfGE 106, 62 (151) – Altenpflegegesetz; BVerfGE 120, 224 (240) – Geschwisterbeischlaf; BVerfGE 126, 112 (141) – Privater Rettungsdienst; BVerfGE 141, 143 (173) – Akkreditierung von Studiengängen.  BVerfGE 30, 250 (263) – Absicherungsgesetz; BVerfGE 38, 61 (82) – Leberpfennig; BVerfGE 50, 290 (331 ff.) – Mitbestimmung; BVerfGE 57, 295 (322) – 3. Rundfunkurteil; BVerfGE 77, 170 (215) – Lagerung chemischer Waffen; BVerfGE 88, 203 (262) – Schwangerschaftsabbruch II; BVerfGE 90, 145 (173) – Cannabis; BVerfGE 106, 62 (151) – Altenpflegegesetz; BVerfGE 120, 224 (240) – Geschwisterbeischlaf.  BVerfGE 33, 125 – Facharzt; BVerfGE 53, 135 (145) – Schokoladenosterhase; BVerfGE 71, 206 (215 f.) – Anklageschriftveröffentlichung.  Jede Wahrnehmung der Staatsgewalt muss letztlich in einer Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückgeführt werden, BVerfGE 83, 37 (50 ff.) – Ausländerwahlrecht I; BVerfGE 83, 60 (73) – Ausländerwahlrecht II; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 116; E.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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setzgeber entscheiden, ob die tatsächlichen Unterschiede abgebaut werden sollen oder aber ob die Möglichkeit gefördert werden soll, die Unterschiede in Wahrnehmung der grundrechtlichen Freiheiten noch zu mehren. Erst wenn der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen hat, überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob die gesetzliche Regelung in diesem Fall, für diesen Regelungsgegenstand zu unvertretbaren Ergebnissen führt. Im Fall tatsächlicher Unwägbarkeiten – etwa im Rahmen einer Prognoseentscheidung – muss der Gesetzgeber seine Entscheidung auf Grund einer sachgerechten und vertretbaren Einschätzung treffen.²²⁹ Die verfassungsrechtlichen Vorgaben gleichheitsgerecht auszufüllen, liegt in der Verantwortung des Gesetzgebers als Erstinterpret des von der Verfassung formulierten Gleichheitsgebotes. Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Gesetzgeber also in Form der Gestaltungsgleichheit.²³⁰ Da der Gesetzgeber der Erstinterpret des von der Verfassung formulierten Gestaltungsauftrages ist, ein sachlich vertretbares, einleuchtendes und damit angemessenes Gleichmaß herstellen muss, hat das Bundesverfassungsgericht nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz. Es kann nur diejenigen Verletzungen rügen, bei denen der Gesetzgeber den ihm von der Verfassung eingeräumten Gestaltungsraum überschreitet. Deshalb muss die von ihm getroffene Regelung in Hinblick auf das herzustellende Gleichmaß nicht die gerechteste, sinnvollste oder optimalste sein.²³¹ Vielmehr muss sie lediglich auf sachlichen Erwägungen beruhen, denn die Grenze für den Gesetzgeber ist erst dann überschritten, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung schlechthin nicht finden lässt.²³² Diesen Maßstab hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt zusammengefasst:

W. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 10 f., 14 f.; Badura, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 25 Rn. 30 f.  BVerfGE 25, 1 (13) – Mühlengesetz; BVerfGE 38, 61 (88) – Leberpfennig; BVerfGE 77, 84 (109) – Arbeitnehmerüberlassung; BVerfGE 109, 190 (240) – Nachträgliche Sicherungsverwahrung; BVerfGE 113, 348 (378) – Vorbeugende Telekommunikationsüberwachung.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 104; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 36.  BVerfGE 3, 58 (135 f.) – Beamtenverhältnisse; BVerfGE 84, 348 (359) – Zweifamilienhaus; Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 211 ff.; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 435.  BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; BVerfGE 3, 162 (182) – Angestelltenverhältnisse; BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordnetenentschädigung; BVerfGE 9, 201 (206) – Scheineheliche Kinder; BVerfGE 52, 277 (280) – Jugendliche bei Tanzveranstaltung; BVerfGE 68, 287 (301) – Rechnungszinsfuß; BVerfGE 76, 256 (330) – Beamtenversorgung; BVerfGE 81, 108 (117) – Steuerermäßigung bei Nebeneinkünften; BVerfGE 83, 395 (401) – Steuerfreiheit der Beihilfe; BVerfGE 84, 348 (359) – Zweifamilienhaus.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

„Der allgemeine Gleichheitssatz „bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, „Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden“ zu behandeln. Aber auch nach dieser Formel bleibt dem Gesetzgeber noch immer ein weiter Spielraum für die Betätigung seines Ermessens; er muss ihm auch bleiben, wenn anders es ihm gelingen soll, vielfältiger Lebensverhältnisse durch eine einheitliche und daher notwendig gewisse tatsächliche Verschiedenheiten vernachlässigende Regelung Herr zu werden. Es lassen sich viele Regelungen denken, die sich hiernach noch im Rahmen des Gleichheitssatzes halten, und unter diesen die geeignetste auszuwählen, muss der Gesetzgeber frei sein. Es ist nicht Sache eines Gerichts, auch nicht des Bundesverfassungsgerichts, die vom Gesetzgeber gewählte Lösung auf ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen oder zu untersuchen, ob sie vom Standpunkt einer beteiligten Interessentengruppe aus die „gerechteste“ denkbare Lösung darstelle. Das Bundesverfassungsgericht kann daher nur die Überschreitung gewisser äußerster Grenzen beanstanden; es kann dem Gesetzgeber erst dann entgegentreten, wenn für eine von ihm angeordnete Differenzierung zwischen verschiedenen Personengruppen sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so dass ihre Aufrechterhaltung einen Verstoß gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden darstellen würde.“ ²³³

4. Gleichheit und Gerechtigkeit Gleich- oder Ungleichbehandlungen durch den Gesetzgeber verstoßen damit nicht automatisch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Sie sind vielmehr zunächst Ausdruck des Rechts und des Rechtsetzens selbst. Eine Unterscheidung oder eine Gleichbehandlung genügen deshalb grundsätzlich bereits dann dem allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie auf sachlichen Erwägungen beruhen. Eine Differenzierung rechtfertigt grundsätzlich der vernünftige, sich aus der Natur der Sache ergebende oder sonstwie sachlich einleuchtenden Grund.²³⁴ Der allgemeine Gleichheitssatz achtet somit den Gestaltungsraum des Gesetzgebers, indem er im Ausgangspunkt die Kontrolle auf eine gelockerte Willkürprüfung zurücknimmt.²³⁵ In der „Willkürformel“ kommt daher einerseits zum Ausdruck, dass der

 BVerfGE 3, 58 (135 f.) – Beamtenverhältnisse.  St. Rspr., BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 89, 15 (22) – Steuerfreiheit von Zuschlägen für regelmäßige Nachtarbeit; BVerfGE 89, 365 (375) – Beitragssätze bei den Krankenkassen; BVerfGE 91, 346 (362) – Abfindung des Miterben; BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung; BVerfGE 92, 26 (51) – Zweitregister; BVerfGE 92, 53 (68) – Weihnachtsgeld als Lohnersatzleistung; BVerfGE 92, 365 (407) – Kurzarbeitergeld; BVerfGE 93, 99 (111) – Rechtsmittelbelehrung; BVerfGE 95, 267 (316) – Altschulden; BVerfGE 97, 169 (180 f.) – Kleinbetriebsklausel I; BVerfGE 97, 271 (290) – Hinterbliebenenrente II; BVerfGE 99, 367 (388) – Montan-Mitbestimmung; BVerfGE 101, 54 (101) – Schuldrechtsanpassungsgesetz; BVerfGE 103, 172 (193) – Altersgrenze für Kassenärzte; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 105, 73 (110) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 107, 27 (45) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 107, 218 (244) – Beamtenbesoldung Ost I;

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Gesetzgeber zur Objektivität verpflichtet ist, andererseits, dass er eine „am Gerechtigkeitsgedanken orientierte“²³⁶, also anhand objektiver Kriterien nachvollziehbare Regelung treffen muss. Diese Kompetenzzuweisung beruht damit auch auf dem Verständnis, dass die Gestaltungsgleichheit eine fundamentale Ausprägung des Gerechtigkeitsgedankens ist.²³⁷ Es ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers festzulegen, was Recht und gerecht ist. Die Frage, was ungerecht ist, – nämlich nicht sachlich gerechtfertigte, also willkürliche Ungleichheit²³⁸ – lässt sich sodann – an Hand des negativen Prüfungsmaßstabs – leichter beantworten, als abstrakt die Frage, was gerecht ist.²³⁹ Durch die Bezeichnung „kurzum“ drückt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die „Willkürformel“ eine Kurzformel für eine Bestimmung ist, die nicht auf sachlichen Erwägungen beruht.²⁴⁰ Es ist somit die Kurzformel für eine „objektive, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll“²⁴¹. Das Willkürverbot verpflichtet den Gesetzgeber daher zur Objektivität und ist folglich eher als Objektivitätsgebot²⁴² zu verstehen, weil es nicht die subjektive Willkür des Gesetzgebers beanstandet, sondern ihm vielmehr gebietet, eine auf sachlichen Erwägungen beruhende Regelung zu treffen.²⁴³

BVerfGE 107, 257 (270) – Beamtenbesoldung Ost II; BVerfGE 110, 274 (291) – Ökosteuer; BVerfGE 112, 164 (174) – Familienbesteuerung; BVerfGE 112, 268 (279) – Kinderbetreuungskosten; BVerfGE 113, 167 (214) – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 116, 135 (160) – Gleichheit im Vergaberecht; BVerfGE 116, 164 (180) – Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte; BVerfGE 117, 1 (30) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 122, 1 (23) – Agrarmarktsubventionen, Agrarmarktbeihilfe; BVerfGE 126, 400 (416) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; BVerfGE 129, 49 (68) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 138, 136 (180 f. Rn. 122) – Erbschaftssteuer; BVerfGE 139, 1 (12 f. Rn. 38 f.) – Grunderwerbsteuer Baulandumlegung; BVerfG, Urt. v. 18.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 95 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  Vgl. etwa BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 98, 365 – Versorgungsanwartschaften; BVerfG, Beschl. v. 27.06. 2018 – 1 BvR 100/15, BeckRS 2018, 20225, Rn. 15.  BVerfGE 1, 208 (233) – 7,5 %-Sperrklausel; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 42.  Vgl. etwa BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung, wo eine „am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise“ für gesetzliche Ungleichbehandlungen angestellt wird; so auch BVerfGE 123, 1 (23) – Spielgerätesteuer.  Vgl. bereits Grotius, De Jure Belli ac Pacis libri tres, 1625, Lib. I Cap. I n. III; vgl. dazu: Recknagel, Einheit des Denkens trotz konfessioneller Spaltung, 2009, S. 61 f.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 435.  BVerfGE 2, 266 (281) – Notaufnahme; BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordnetenentschädigung; BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 431.  BVerfGE 130, 131 (144) – Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

a. Willkür als Gegenbegriff zur Gerechtigkeit Das Wort „Willkür“ selbst beschreibt nach seinem Wortsinn nur eine Wahl (Kür) nach dem eigenen Willen.²⁴⁴ Der Begriff ist somit zunächst wertneutral, er beschreibt eine „freie Wahl“ oder „Entschließung“, „freies Ermessen, Belieben, Freiwilligkeit, Zustimmung“.²⁴⁵ Dennoch wird der Willkürbegriff heute nicht wertneutral verwendet, sondern beschreibt geradezu das Gegenteil von Gerechtigkeit.²⁴⁶ Dies hat den – nachfolgend skizzierten – Hintergrund, dass Recht im modernen Verständnis vor allem durch die subjektiven Rechtspositionen der Menschen geprägt wird. Wird in diese Rechtsposition eingegriffen, erwarten der Verletzte und die Rechtsgemeinschaft eine Sanktion. Da der Staat nicht nur das Gewaltmonopol besitzt,²⁴⁷ das alleinige Recht beansprucht, Recht durchzusetzen,²⁴⁸ und schließlich insbesondere selbst an seine Regelungen gebunden ist, darf er keine sanktionslosen Eingriffe vornehmen. Denn ein Eingriff, der allein auf dem Willensentschluss des Machtausübenden beruhte, wäre ungerechtfertigt und damit willkürlich. Im Rechtsstaat muss die machtausübende Staatsgewalt ihr Handeln gegenüber den Bürgern daher stets rechtfertigen.²⁴⁹ In diesem Sinn beschreibt Willkür ein Handeln, das allein auf dem subjektiven Willen des Machtausübenden beruht. Es ist ungerecht, weil es nicht durch sachlich nachvollziehbare, objektive Gründe gerechtfertigt ist. Dies beruht letztlich – wie schon Kant hervorhebt – auf der Grundüberzeugung, dass alle Menschen frei sind: „Freiheit (Unabhängigkeit von eines Anderen nöthigneder Willkür), sofern sie mit jedes Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann“, ist das „einzige, ursprüngliche, jedem Menschen“ zustehende Recht und zwar „kraft seiner Menschheit“.²⁵⁰ Damit beansprucht „verfassungs-

 Bettermann, Der Staat 1 (1962), 79 (81).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 430; Ebel, Die Willkür, 1953, S. 7; Dreier, in: Starck (Hrsg.), Recht und Willkür, 2012, S. 1 (2)  Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 67 und 72.  Isensee, in: Depenheuer (Hrsg.), Staat und Verfassung, 2018, S. 192 (194), mit der Verweis auf Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Studienausgabe, Bd. 2, 1964, S. 1043; Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, 1974, S. 199 ff.; Randelzhofer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 17 Rn. 39 ff.; Grimm, in: Heitmeyer/Hagan (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, 2002, S. 1297 ff.; vgl. auch Bachof, AöR 139 (2014), 1.  Vgl. Randelzhofer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 17 Rn. 39 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 15 Rn. 53, 83 ff.; Wahl, in: Bohnert (Hrsg.), Verfassung – Philosophie – Kirche, FS Hollerbach, 2001, S. 193 ff.  Wer Recht fertigt, muss dieses Recht rechtfertigen, Fögen, Das Lied vom Gesetz, 2007, S. 16 Fn. 71; vgl. hierzu P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 4.  Kant, Metaphysik der Sitten (1797), in: Vorländer (Hrsg.), Metaphysik der Sitten, 1954, S. 43 (S. 237).

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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staatliches Handeln […], grundsätzlich gegenüber jedermann und der Öffentlichkeit begründungs- oder rechtfertigungsfähig zu sein; dies ist Bedingung seiner Legitimität“²⁵¹.

b. Anspruch des Rechts, gerecht – und nicht willkürlich – zu sein Der Begriff des Rechts selbst scheint hingegen inhaltlich neutral und enthält für sich genommen keine moralische Bewertung.²⁵² Formal verstanden bedeutet Recht lediglich die Gesamtheit der von einem Träger herrschaftlicher Macht erlassener abstrakter Normen.²⁵³ Legt man dieses positivistische Verständnis zugrunde, wird die Frage was „Recht“ ist, damit möglichst wertneutral und frei von ideologischen Einflüssen beurteilt.²⁵⁴ Ob ein solcher Hoheitsakt auch rechtmäßig ist, wäre dann nach diesem positivistischen Verständnis bereits zu bejahen, wenn er den internen Verfassungsprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung entspräche.²⁵⁵ Dies ermöglicht jedoch formal rechtmäßige Hoheitsakte, die nach einer „am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise“ niemals Bestand haben könnten, weil sie materiell gravierendes Unrecht festsetzen.²⁵⁶ Bereits beim Entstehen eines Gesetzgebungsstaates entwickelte sich daher aus rechtsphilosophischer Sicht ein Gegensatz zwischen dem „Gesetz“ einerseits und „Recht“ andererseits. Dabei wird das „Gesetz“ als eine Form oktroyierter Festsetzung von Normen verstanden.²⁵⁷ Die verbindlichen Verhaltensregeln des „Rechts“ entwickeln sich dagegen aus dem Zusammenleben der Menschen.²⁵⁸

 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 85 ff.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (144); Hoerster, Verteidigung des Rechtspositivismus, 1989, S. 9 ff.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (145); Adomeit/Hä hnchen, Rechtstheorie für Studenten, 7. Aufl. 2018, Rn. 5; A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1997, S. 135 f.; Rü thers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Aufl. 2018, Rn. 48; Seelmann/Demko, Rechtsphilosophie, 7. Aufl. 2019, Rn. 40; Smid, Einfü hrung in die Philosophie des Rechts, 1991, S. 32 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 6. Aufl. 2011, S. 8 ff.; dabei ist das Gesetz eine historisch betrachtet moderne Erscheinungsform, Willoweit/Schlinker/Wittreck, Deutsche Verfassungsgeschichte. 8. Aufl. 2018, S. 123 ff.  Kelsen, VVDStRL 5 (1929), 30 (69 f.).  Hoerster, Verteidigung des Rechtspositivismus, S. 11.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (145 f.) unter Verweis etwa auf das in diesem Sinne formal rechtmäßig zustande gekommene „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ von 1935, RGBl. 1935, S. 1146, in: von Mü nch (Hrsg.), Gesetze des NS-Staates, 3. Aufl. 1994, S. 120.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (151), der dazu auf Donellus verweist, vgl. dazu Doneau, in: Scipione (Hrsg.), Commentarii de iure civili, Hvgonis Donelli Ivrisconsvlti Commentariorvm De Ivre Civili Libri viginti octo, 1610, Kap. Lib. I Cap. V.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Darin liegt das Problem des positivistischen Rechtsbegriffs. Denn dieser bietet kein taugliches Kriterium, um staatliches Unrecht von staatlichem Recht zu unterscheiden.²⁵⁹ Diese formale Betrachtung des Rechtsbegriffs lässt nämlich außer Acht, dass das Recht vielmehr die „im zwischenmenschlichen Raum“ entstandenen Wertvorstellungen wiedergibt.²⁶⁰ Historisch betrachtet bilden den Ursprung des Rechts dementsprechend subjektive Rechte der Einzelnen als Ergebnis zwischenmenschlicher Beziehungen.²⁶¹ Auch die bereits erwähnte, bis in die Antike verfolgbare Richtschnur für ein gerechtes Recht „suum cuique tribuere“ – jedem das Seine zukommen zu lassen – enthält im Kern das Gebot, die subjektiven Rechte der übrigen Mitglieder der Rechtsgemeinschaft zu wahren. So lautet die oben erwähnte Feststellung des corpus iuris civilis: „Iuris præcepta sunt haec: honeste vivere, neminem laedere, suum cuique tribuere.“²⁶² Auch der von Cicero in „De Legibus“ zugrunde gelegte Rechtsbegriff gebietet, die subjektiven Rechte zu wahren. Aufgabe der Gesetze sei es, das Gerechte auszuwählen, das Unrechte zu verbieten.²⁶³ Der Begriff des „richtigen Rechts“ wird daher am Maßstab der subjektiven Rechte der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft beurteilt. Ungerecht ist es nach diesem Verständnis, wenn die subjektiven Rechte sanktionslos beeinträchtigt werden können.²⁶⁴ Historisch beginnt das Verständnis von „Recht“ mit der Entwicklung von Rechtsgütern und ihrem Schutz in der elementaren Regel, die Verletzung dieser Güter dürfe nicht sanktionslos bleiben.²⁶⁵ Eine elementare Rechtsüberzeugung ist es somit auch, dass eine Verletzung der subjektiver Rechte eine Sanktion durch den Geschädigten rechtfertige.²⁶⁶ Die Sanktion des Geschädigten, die Rache, wird jedoch gesellschaftlich zurückgedrängt und weicht dem staatlichen Gewaltmonopol sowie einem durch Sprache strukturierten Verfahren²⁶⁷, das Ausgleich für die erfahrene Rechtseinbuße sichern soll. Da nicht nur das Gewaltmonopol beim Staat liegt, sondern der Staat selbst an die von ihm gesetzten Regeln gebunden

 Grotius, De jure belli ac pacis libri tres, 1625, Lib. I Cap. I n. IV; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 279 f.; Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143, 151 f.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (145 f.).  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (146).  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (152).  Ulpian, in: Behrends (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, 1995, Digesten I. 1.10, S. 91 ff.  Cicero, in: Nickel (Hrsg.), De legibus, 3. Aufl. 2014, I (18) und (19), S. 22 ff.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (152).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 431.  Wilda, Geschichte des deutschen Strafrechts, Bd. 1, Das Strafrecht der Germanen, 1960, Neudr. d. Ausg. 1842, S.157; Strauch, Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011, S. 234 f.; Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), S. 147 f.).  Vgl. dazu P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 29 ff. und 100.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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sein soll, wäre ein sanktionsloser Eingriff durch den Staat willkürlich – da sachlich nicht gerechtfertigt – und ungerecht. So führt Stammler bereits 1925 aus: „Willkürliche Gewalt liegt vor, wenn ein Befehl erlassen wird, den der Betreffende selbst gar nicht […] als objektiv bindende Regelung menschlicher Verhältnisse erachtet; der vielmehr, seiner eigenen Meinung nach, nur die formale Bedeutung einer […] Bindung anderer hat, auf den er zurückkommen wird, wenn er wollen wird; der aber jetzt, bei seinem Erlasse, nichts von einer Bindung des Befehlenden an seinen Befehl in sich trägt […] Wenn der Gebietende nicht gebunden ist, so ist es rohe Willkürmacht.“²⁶⁸

Allgemein muss sich also eine Rechtsordnung an objektive Prinzipien halten, um nicht willkürlich zu sein.²⁶⁹ Damit wird „Recht“ auf der Ebene subjektiver Rechte als der Ausschluss von willkürlichen Eingriffen definiert.²⁷⁰ Dies beruht nicht zuletzt auf der Erkenntnis, dass sich die Frage, was gerecht ist, nicht abstrakt definieren lässt. Dagegen lässt sich aber im Einzelfall feststellen, was ungerecht ist.²⁷¹ Dies stellte bereits Hugo Grotius fest: „Nam ius hic nihil aliud quam quod iustum est significat: idque negante magis sensu quam ajente, ut jus fit quod injustum non est [Mit Recht wird hier nur das Gerechte bezeichnet und zwar mehr im verneinenden als bejahenden Sinne; dass Recht ist, was nicht Unrecht ist].“²⁷² Nach dem modernen Verständnis subjektiver Rechte gewähren diese ein Recht auf Individualität in Freiheit.²⁷³ Das Recht der Individualität in Freiheit verbietet jeden obrigkeitlich gewollten Eingriff in die Persönlichkeits- und Gütersphäre des Individuums. Recht ist damit der Gegensatz zu einem willkürlich gesetzten Gesetz. Willkür ist dabei zu identifizieren, wenn das staatliche Handeln gegen einen höherrangigen Maßstab verstößt.²⁷⁴ Recht hat damit zugleich den

 Stammler, in: ders., Rechtsphilosophische Abhandlungen und Vorträge, Bd. 1, 1925, S. 85 (97); so auch Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (154).  Knöller, Besteuerung von Sollertrag und Istertrag, 2014, S. 41; Tipke, StuW 2007, 201 (204), ders. JZ 2009, 533 (534), ders., in: Achatz (Hrsg.), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Europarecht, FS Ruppe, 2007, S. 630 (633).  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (152).  So kann auch der Arzt schwerlich definieren, was Gesundheit ist, die jeweilige Krankheit aber präzise diagnostizieren, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295.  Grotius, De Jure Belli ac Pacis libri tres, 1625, Lib. I Cap. I n. III, vgl. dazu auch: Recknagel, Einheit des Denkens trotz konfessioneller Spaltung, 2009, S. 61 und Fn. 156.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 430.  Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 67 und 72; A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1997, S. 135 f.; so auch E. Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), Nachdr. 1994, 2 (3); vgl. auch Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (155).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Anspruch, gerecht zu sein.²⁷⁵ Dies ist jedoch nur möglich, wenn nicht willkürlich Ungleichheit ermöglicht wird. Das stellte bereits Gustav Radbruch fest: „Recht ist nur, was den Sinn hat, Gerechtigkeit zu sein. Mit der Gerechtigkeit ist aber Gleichheit gesetzt. Eine staatliche Anordnung, die einzelnen Menschen und einzelnen Fällen als solchen gelten wollte, wäre nicht Recht, sondern Willkür. Dieser Gedanke – also die Wahrnehmung einer staatlichen Einzelfallregelung als Willkür – hat in der politischen Wirklichkeit auch Kraft genug, die Willkür und das Interesse zu zwingen, sich zum mindesten in das Gewand des Rechtes zu kleiden.“²⁷⁶

Daher verfügen moderne Verfassungsstaaten über eine übergesetzliche Metaebene und haben vielfach Kontrollmechanismen entwickelt, um willkürliches Recht, damit willkürliche Gesetzgebung zu verhindern.²⁷⁷ In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine Ausbürgerung nach der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl. I S. 722) hebt das Bundesverfassungsgericht in diesem Sinn klar hervor: „Recht und Gerechtigkeit stehen nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Die Vorstellung, daß ein Verfassunggeber alles nach seinem Willen ordnen kann, würde einen Rückfall in die Geisteshaltung eines wertungsfreien Gesetzespositivismus bedeuten, wie sie in der juristischen Wissenschaft und Praxis seit längerem überwunden ist.“²⁷⁸

Aus diesem Grund dürfen die „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft“ nicht missachtet werden.²⁷⁹ Diese „in den Grundrechten konkretisierten Wertentscheidungen“²⁸⁰ erzeugen eine über den Gesetzen stehende Metaebene. Aus deren ungerechtfertigter Verletzung folgt ein willkürlicher Eingriff.²⁸¹ Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG festgehalten: „Endlich gehört die Gleichheit vor dem Gesetz so sehr zu den Grundbestandteilen unserer verfassungsmäßigen Ordnung, dass auf den überpositiven Rechtsgrundsatz zurückgegriffen werden müsste, wenn der Gleichheitssatz nicht in Art. 3 GG geschriebenes Verfassungsrecht geworden wäre.“²⁸² Die Ent-

 Engisch, in: Würtenberger/Otto (Hrsg.), Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 34: „Ein gerechtes Recht gehört zum Sinn der Welt“; vgl. bereits Küchenhoff, Naturrecht und Christentum, 1948, S. 6.  Radbruch, in: Wolf (Hrsg.), Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1950, S. 289.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (155).  BVerfGE 23, 98 (106) – Ausbürgerung I.  BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I.  BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I.  Willoweit, Rechtstheorie 43 (2012), 143 (155).  BVerfGE 1, 208 (233) – 7,5 %-Sperrklausel; vgl. auch BVerfGE 84, 90 (121) – Bodenreform I.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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scheidung, gleiche oder verschiedene Rechtsfolgen anzuordnen, bedarf daher des sachlich oder sonstwie einleuchtenden, rechtfertigenden Grundes.²⁸³ Andernfalls beruhte sie allein auf dem Willen des Entscheidenden und wäre willkürlich. Gegen diese Betrachtung wird angeführt, dass „abstrakte Gerechtigkeitsideen“ in der Form „natürlicher Rechtsregeln“²⁸⁴ das Recht ideologisch beeinflussen können. Dem Verfassungsgericht werde durch derartig offene Prüfungsmaßstäbe wie dem Willkürverbot zu viel Raum für subjektive Wertungen gesetzt, sodass es sogar an die Stelle des Gesetzgebers treten könne.²⁸⁵ Andererseits kann nur so die Rechtsetzung selbst überwacht und damit legislatives Unrecht verhindert werden. Rein strukturell muss das Recht für gesellschaftliche Entwicklungen und eine Überwachung anhand überpositiver Maßstäbe offen bleiben, um auf die Vielfalt der Lebensverhältnisse angemessen zu reagieren. So stellte bereits Leibniz fest: „Jede auch noch so positivistisch eingestellte Rechtsbetrachtung muss zugeben, dass die abstrahierenden Rechtssätze nie der Vielgestaltigkeit des heute so überaus differenzierten Lebens gerecht zu werden vermögen. Diese notwendige Selbstbeschränkung geschieht in der Regel in der Weise, dass Begriffe in die Rechtsordnung aufgenommen werden, die auf die nicht formulierbaren Elemente des Lebens Bezug nehmen und sie dadurch zu einem Bestandteil der positiven Rechtsordnung machen.“²⁸⁶

Die Erstinterpretationskompetenz des Parlaments bildet damit den notwendigen Kompromiss aus der ideologischen Unabhängigkeit des demokratischen Gesetzgebers von der Weltanschauung der zur Rechtsanwendung Berufenen einerseits und der notwendigen Kontrolle auch legislativer Rechtsetzungsakte andererseits. Hierdurch wird die legislative Kontrolle durch das Verfassungsgericht bereits auf

 St. Rspr., BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat, BVerfGE 17, 319 (330) – Bayerische Bereitschaftspolizei; BVerfGE 42, 374 (388) – Pfandleihgewerbe; BVerfGE 51, 1 (23) – Rentenversicherung im Ausland; BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 82, 159 (180) – Absatzfonds; BVerfGE 83, 89 (107 f.) – 100 %-Grenze; BVerfGE 90, 226 (239) – Kirchensteuer-Hebesatz; BVerfGE 93, 319 (348 f.) – Wasserpfennig; BVerfGE 93, 386 (397) – Auslandszuschlag; BVerfGE 94, 315 (326) – Zwangsarbeit; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 108, 52 (67 f.) – Kindesunterhalt; BVerfGE 109, 96 (123) – Alterssicherung für Landwirte; BVerfGE 114, 258 (297 f.) – Versorgungsänderungsgesetz; BVerfGE 115, 51 (61 f.) – Analoge Anwendung des § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG; BVerfGE 123, 1 (23) – Spielgerätesteuer.  Kelsen, VVDStRL 5 (1929), 30 (68 ff.).  H. P. Ipsen, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, 1954, 111 (184); Thoma, DVBl 1951, 457 (459); Apelt, JZ 1951, 353 (358 f.); Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip, 1980, S. 98 ff., 108 f.; Stein, in: AK-GG, Bd. 1, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 3 Rn. 21.  Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 74.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

der Kompetenzebene zurückgenommen und auf strukturell grobe Verstöße beschränkt. Die Rechtsordnung des Grundgesetzes vertraut deshalb darauf, dass überpositive Gerechtigkeitsvorstellungen im Text des Grundgesetzes positiviert und alle staatlichen Entscheidungen dadurch einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle am Maßstab allgemeiner Gerechtigkeitsvorstellungen zugänglich sind.²⁸⁷ Das Bundesverfassungsgericht betont daher, der Kontrollmaßstab für die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ergeben sich nicht „aus den subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen des gerade zur Rechtsanwendung berufenen, sondern zunächst und vor allem aus den in den Grundrechten konkretisierten Wertentscheidungen und den fundamentalen Ordnungsprinzipien des Grundgesetzes“²⁸⁸.

c. Objektives Verständnis des Willkürbegriffs durch das Bundesverfassungsgericht Willkür ist dabei im objektiven Sinn zu verstehen. Das Willkürverbot untersagt deshalb die „objektive, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll“²⁸⁹. Diese tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit liegt vor, wenn die Regelung „bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht“²⁹⁰. Im Sinne der Willkürformel definiert das Bundesverfassungsgericht Willkür daher als „die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand“²⁹¹. Sie enthält insbesondere keinen Schuldvorwurf.²⁹² Deshalb bejaht das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß erst dann, wenn die Regelung in der Sache selbst liegende Gesetzlichkeiten verletzt: „Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt erst dann vor, wenn Gesetzlichkeiten missachtet werden, die in der Sache selbst liegen und die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvor P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Rn. 428.  BVerfGE 42, 64 (73) – Zwangsversteigerung I; vgl. auch Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 20.  BVerfGE 2, 266 (281) – Notaufnahme; BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordnetenentschädigung; BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I.  BVerfGE 4, 1 (7) – Bindung durch Rechtsinstanz; BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I.  BVerfGE 2, 266 (281) – Notaufnahme; BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordnetenentschädigung.  BVerfGE 55, 72 (90) – Präklusion I; BVerfGE 62, 189 (192) – Verletzung des Willkürverbots; BVerfGE 75, 246 (268) – Abschaffung des Rechtsbeistandes; BVerfGE 79, 87 (98) – Krankengeld; BVerfGE 80, 48 (51) – Räumungsanspruch des kündigenden Vermieters; BVerfGE 83, 82 (84) – Eigenbedarfskündigung (Drittvermietung einer Alternativwohnung).

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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stellungen der Gemeinschaft betreffen.“²⁹³ Entsprechend liegt Willkür in Bezug auf gesetzgeberische Entscheidungen nur dann vor, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seines Entscheidungsraumes keinen sachgerechten Grund für das staatliche Handeln erkennen lässt.²⁹⁴ Das Bundesverfassungsgericht versteht Willkür auch deshalb im objektiven Sinn, weil sich in der Rechtsordnung des Grundgesetzes die Gerechtigkeitsidee auf den Verfassungstext stützen kann. Das Objektivitätsgebot stützt sich somit nicht nur auf den allgemeinen Gleichheitssatz. Auch der Rechtsstaatsgedanke fordert aufgrund der Bedeutung für ein „gerechtes Recht“ die Gegenwehr gegen Willkür.²⁹⁵ Das Objektivitätsgebot beruht daher auch auf dem Rechtsstaatsprinzip und der Bindung aller Staatsgewalt an Verfassung und Gesetz.²⁹⁶ Der allgemeine Gleichheitssatz positiviert damit einen überpositiven Gerechtigkeitsgedanken.²⁹⁷ Indem das Objektivitätsgebot staatliches Handeln zur Sachlichkeit und Neutralität verpflichtet, richtet es außerdem die staatliche Tätigkeit auf das Gemeinwohl aus.²⁹⁸ Im Objektivitätsgebot kommt damit ebenfalls zum Ausdruck, dass staatliche Handlungen bei groben Ungleichheiten das Gemeinwohl verfehlen würden.²⁹⁹

 BVerfGE 9, 338 (349) – Hebammenaltersgrenze; so auch BVerfGE 13, 225 (228) – Bahnhofsapotheke Frankfurt; BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I; vgl. dazu P. Kirchhof, in: Maunz/ Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 432.  BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordnetenentschädigung.  Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 72; Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 16 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 239; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 46; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Rn. 71.  Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 72; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 257; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Rn. 435; Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 16 ff.; F. Schoch, DVBl 1988, 863 (876); Wendt, NVwZ 1988, 778 (780); im Rechtsstaat bedeutet Demokratie im Ergebnis Herrschaft des Rechts, Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (39); Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (49 ff.).  BVerfGE 1, 208 (233) – 7,5 %-Sperrklausel; BVerfGE 23, 98 (106 f.) – Ausbürgerung I; BVerfGE 84, 90 (121) – Bodenreform I; H. P. Ipsen, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, 1954, 111 (127); Zippelius, VVDStRL 47 (1989) 7 (10 ff.); Böckenförde, VVDStRL 47 (1989), 95; E. Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), 2 (10); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 16; a. A. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 2 und 273, nach dem diesbezüglich Art. 1 Abs. 1 auf den allgemeinen Gleichheitssatz ausstrahlt.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 436.  BVerfGE 116, 135 (153) – Gleichheit im Vergaberecht.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

d. Der sachliche und der sonstwie einleuchtende Grund Der Gleichheitssatz fordert, dass der Gesetzgeber den Menschen in der jeweiligen Lebenssituation beurteilt.³⁰⁰ Er betrachtet das jeweilige Lebensverhältnis und formt es zu einem Rechtsverhältnis.³⁰¹ Behandelt der Gesetzgeber gleiche Sachverhalte ungleich oder ungleiche Sachverhalte gleich, verlangt diese Form der Differenzierung oder Verallgemeinerung daher grundsätzlich einen vernünftigen, aus der Natur der Sache sich ergebenden oder sonstwie einleuchtenden Grund.³⁰² Der Gesetzgeber muss das Recht an der Realität ausrichten und nach sachlichen, objektiven Erwägungen differenzieren oder verallgemeinern.³⁰³ Daneben räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber auch die Möglichkeit ein, Differenzierungen und Verallgemeinerungen durch einen „sonstwie einleuchtenden Grund“ zu rechtfertigen. Der sonstwie einleuchtende Grund spiegelt wider, dass das Grundgesetz dem Gesetzgeber Raum für nicht rein sachliche, sondern „sonstwie“ nachvollziehbare Entscheidungen einräumt.³⁰⁴ Der allgemeine Gleichheitssatz anerkennt, dass der Gesetzgeber das Staatsvolk repräsentiert und ermöglicht daher eine Gesetzgebung, die „Hoffnungen und Erwartungen, die Ängste und Besorgnisse der Menschen“ beantwortet.³⁰⁵ Der Gesetzgeber ist gestaltender Erstinterpret und darf deshalb im Rahmen seiner Gestaltungskompetenz hoffen und wagen. Er ist nicht lediglich dazu verpflichtet, wie ein Verwaltungsbeamter das von der Verfassung eingeräumte „Ermessen“ in Bezug auf das jeweilige Gleichmaß abzuwägen, weil dies dem Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG nicht gerecht werden würde.³⁰⁶

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 382.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 382; Radbruch, in: Hernmarck (Hrsg.), FS Laun, 1948, S. 157 (171 f.).  St. Rspr., BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat, BVerfGE 17, 319 (330) – Bayerische Bereitschaftspolizei; BVerfGE 42, 374 (388) – Pfandleihgewerbe; BVerfGE 51, 1 (23) – Rentenversicherung im Ausland; BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 82, 159 (180) – Absatzfonds; BVerfGE 83, 89 (107 f.) – 100 %-Grenze; BVerfGE 84, 239 (268) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 90, 226 (239) – Kirchensteuer-Hebesatz; BVerfGE 93, 319 (348 f.) – Wasserpfennig; BVerfGE 93, 386 (397) – Auslandszuschlag; BVerfGE 94, 315 (326) – Zwangsarbeit; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 108, 52 (67 f.) – Kindesunterhalt; BVerfGE 109, 96 (123) – Alterssicherung für Landwirte; BVerfGE 114, 258 (297 f.) – Versorgungsänderungsgesetz; BVerfGE 115, 51 (61 f.) – Analoge Anwendung des § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG; BVerfGE 123, 1 (23) – Spielgerätesteuer; BVerfG, Beschl. v. 05.04. 2006 – 1 BvR 2780/04, Finanzportfolioverwaltung, Rn. 16, zitiert nach juris.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 382 f.; Englisch, in: Stern/ Becker (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 19.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 384.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 384.  Borowski, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 33.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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5. Gleichmaß und Verhältnismäßigkeit Das Willkürverbot verpflichtet deshalb grundsätzlich alle staatlichen Organe zur Objektivität. Ausgehend davon gibt es unterschiedliche Konstellationen, in denen eine gesetzliche Gleichbehandlung oder Unterscheidung zwar auf sachlichen Erwägungen beruht, diese aber für sich genommen die Gleich- oder Ungleichbehandlung dennoch nicht rechtfertigen können. In diesem Sinn hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es durchaus tatsächliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten gab, welche sachlicher Anknüpfungspunkt für eine gesetzliche Unterscheidung sein könnten.³⁰⁷ Dennoch waren diese Unterschiede nicht hinreichend geeignet, um sachlich auch unterschiedliche Kündigungsfristen für beide Gruppen zu begründen.³⁰⁸ Insofern ist das Willkürverbot als der Kern des allgemeinen Gleichheitssatzes zu verstehen,³⁰⁹ ist jedoch nicht mit ihm identisch und erschöpft ihn nicht.³¹⁰ In vielen Fällen ist nämlich der Gestaltungsraum des Gesetzgebers aufgrund weiterer verfassungsrechtlicher Wertungen eingeschränkt, sodass auch die Gleich- oder Ungleichbehandlung anhand eines strengeren Maßstabs überprüft werden.³¹¹ In diesem Zusammenhang verwendete das Bundesverfassungsgericht auch die nachfolgende Formulierung, um den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu definieren: „Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“³¹²

In dieser Formulierung wird zunächst hervorgehoben, dass Vergleichsgegenstand im vorliegenden Fall Personengruppen sind, dass der allgemeine Gleichheitssatz hierbei also „eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Norm-

 BVerfGE 82, 126 (148) – Kündigungsfristen für Arbeiter.  BVerfGE 82, 126 (146 ff.) – Kündigungsfristen für Arbeiter.  Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 19.  G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 38 (44 f.); Rüfner, BK-GG, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 19.  „Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Dichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung“, BVerfGE 89, 15 (22 f.) – Steuerfreiheit von Zuschlägen für regelmäßige Nachtarbeit; BVerfGE 91, 346 (363) – Abfindung des Miterben; BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung.  BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

adressaten“ betrachtet.³¹³ Teilweise verwendet das Bundesverfassungsgericht auch die Begriffe „Normbetroffene“³¹⁴ oder „Personengruppen“³¹⁵. Der Begriff

 St. Rspr., BVerfGE 55, 72 (88 f.) – Präklusion I; BVerfGE 57, 107 (115) – Kurzfristige Tätigkeitsverbote nach dem Bundesseuchenschutzgesetz; BVerfGE 58, 369 (373 f.) – Berufskrankheit; BVerfGE 60, 123 (134) – Junge Transsexuelle; BVerfGE 60, 329 (346) – Vereinbarung über den Versorgungsausgleich; BVerfGE 62, 256 (274) – Kündigungsfrist; BVerfGE 63, 152 (166) – Medizinische Rehabilitation; BVerfGE 63, 255 (261 f.) – § 111 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 AFG; BVerfGE 64, 229 (239) – Privilegierung von Sparkassen; BVerfGE 64, 243 (247) – Kinderzuschlag bei schwerbeschädigten Pflegeeltern; BVerfGE 65, 104 (112 f.) – Mutterschaftsgeld I; BVerfGE 65, 377 (384) – Strafbefehl; BVerfGE 66, 66 (75) – Aufteilung der Hinterbliebenenrente; BVerfGE 67, 231 (236) – Wartezeit für Erwerbsunfähigkeitsrente; BVerfGE 67, 348 (365) – Zugewinnausgleich bei landwirtschaftlichen Betrieben; BVerfGE 68, 287 (301) – Rechnungszinsfuß; BVerfGE 70, 230 (239 f.) – „Wichtiger Grund“ in § 7 Abs. 3 BAföG; BVerfGE 71, 146 (154 f.) – Ausbildungshilfe bei Ehegatten; BVerfGE 71, 364 (384) – Regelung von Härten im Versorgungsausgleich; BVerfGE 72, 84 (89 f.) – Abänderung eines verfassungsgerichtlichen Urteils; BVerfGE 72, 141 (150) – Fortfall der Geschiedenen-Witwenrente; BVerfGE 73, 301 (321) – Vermessungsingenieur; BVerfGE 74, 9 (24) – Arbeitsförderungsgesetz 1979; BVerfGE 74, 129 (149) – Betriebliche Altersvorsorge; BVerfGE 74, 203 (217) – Meldeversäumnis; BVerfGE 75, 78 (105) – Haushaltsbegleitgesetz 1984; BVerfGE 75, 166 (179) – Selbstbedienung bei Arzneimitteln; BVerfGE 75, 348 (357) – Berufskrankheit der werdenden Mutter; BVerfGE 75, 382 (393) – Arbeitslosenhilfe und Freibeträge; BVerfGE 76, 256 (329 f.) – Beamtenversorgung; BVerfGE 78, 232 (247) – Altershilfe; BVerfGE 79, 87 (98) – Krankengeld; BVerfGE 79, 106 (121 f.) – Erbschaftsteuerrechtliche Behandlung von Hinterbliebenen; BVerfGE 81, 1 (8) – Schlüsselgewalt; BVerfGE 81, 108 (118) – Steuerermäßigung bei Nebeneinkünften; BVerfGE 81, 156 (205) – Arbeitsförderungsgesetz 1981; BVerfGE 81, 228 (236) – Abzugsverbot für wirtschaftliche Vorteile abschöpfende Geldeinbußen; BVerfGE 82, 60 (86) – Steuerfreies Existenzminimum; BVerfGE 83, 395 (401) – Steuerfreiheit der Beihilfe; BVerfGE 84, 133 (157) – Warteschleife; BVerfGE 84, 197 (199) – Kündigungsschutz bei Zwischenvermietung; BVerfGE 84, 348 (359) – Zweifamilienhaus; BVerfGE 85, 238 (244 f.) – Steuerermäßigung für Taxifahrer; BVerfGE 85, 360 (383) – Akademieauflösung; BVerfGE 87, 1 (36) – Trümmerfrauen; BVerfGE 87, 234 (255) – Einkommensanrechnung; BVerfGE 88, 5 (12 f.) – Gewerkschaftliche Beratungshilfe; BVerfGE 92, 53 (68 f.) – Weihnachtsgeld als Lohnersatzleistung; BVerfGE 94, 241 (260) – Kindererziehungszeiten; BVerfGE 95, 143 (154 f.) – Eingliederungsprinzip; BVerfGE 96, 315 (325) – Wohngeld bei Begleitstudium; BVerfGE 98, 1 (12) – Beamtinnenrente; BVerfGE 99, 129 (139) – DDR-Erbbaurecht; BVerfGE 99, 165 (177) – Elternunabhängige Ausbildungsförderung; BVerfGE 100, 59 (90) – Rentenüberleitung II; BVerfGE 100, 104 (127) – Rentenüberleitung III; BVerfGE 100, 195 (205) – Einheitswert; BVerfGE 101, 239 (269) – Stichtagsregelung im Vermögensgesetz; BVerfGE 102, 41 (54) – Beschädigtengrundrente; BVerfGE 103, 225 (235) – Pflegeversicherung II; BVerfGE 103, 271 (289) – Pflegeversicherung IV; BVerfGE 103, 392 (397) – Freiwillig versicherte Selbständige; BVerfGE 104, 126 (144) – Dienstbeschädigtenteilrente; BVerfGE 107, 133 (141) – Rechtsanwaltsgebühren Ost; BVerfGE 107, 205 (214) – Familienversicherung; BVerfGE 108, 52 (77 f.) – Kindesunterhalt; BVerfGE 111, 115 (137) – Rentenüberleitung V; BVerfGE 112, 50 (67) – Opferentschädigungsgesetz; BVerfGE 112, 74 (86) – Privatschulfinanzierung II; BVerfGE 113, 167 (214 f.) – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 129, 208 (262) – TKÜ-Neuregelung; BVerfGE 133, 1 (14 Rn 44) – Verzinsung von Kartellbußen; BVerfG, Beschl. v. 03.06. 2013 – 1 BvR 131/13, Rn. 12, zit. nach juris; BVerfG, Beschl. v. 05.07. 2013 – 2 BvR

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Normadressat ist im historischen Kontext zu betrachten. In der Rechtsprechung des Reichsverfassungsgerichts diente diese Bezeichnung dazu, den Anwendungsbereich des Art. 109 WRV auch auf Nicht-Deutsche auszuweiten.³¹⁶ Mit Normadressat ist daher heute derjenige gemeint, „den die Norm mit Verbindlichkeitsanspruch anspricht, der Normbetroffene derjenige, auf den die Norm belastend oder begünstigend einwirkt“.³¹⁷ Dies lässt sich auch an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachvollziehen. Exemplarisch unterscheidet das Bundesverfassungsgericht in der Cannabis-Entscheidung über die Rechtmäßigkeit §§ 153 ff. StPO, § 31a BtMG: Adressaten der Norm sind die Strafverfolgungsbehörden, denn diese treffen die Entscheidung nach § 31a BtMG.³¹⁸ Betroffen von der belastenden Wirkung ist hingegen der jeweilige Täter. Art. 3 Abs. 1 GG schützt jedoch grundsätzlich „alle Menschen“, die von dem Gesetz betroffen sind, sei es als Adressaten oder Betroffene.³¹⁹ Daher formulierte das Bundesverfassungsgericht in der neueren Rechtsprechung in der Regel, dass der Gleichheitssatz verletzt

708/12, Rn. 26, zit. nach juris; BVerfG, Beschl. v. 11.01. 2016 – 1 BvR 1687/14, Rn. 9, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 02.05. 2018 – 1 BvR 3042/14, Rn. 18, zitiert nach juris.  So etwa BVerfGE 71, 39 (58 f.) – Besoldung (Ortszuschlag); BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 88, 87 (97) – Transsexuelle II; BVerfGE 90, 46 (56) – Kündigung während der Probezeit; BVerfGE 93, 386 (397) – Auslandszuschlag; BVerfGE 136, 69 (79 Rn. 12) – Kfz mit Überlänge; teilweise wird auch von einer „Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen“ gesprochen: BVerfGE 105, 73 (110) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung, unter Hinweis auf BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I; BVerfGE 110, 412 (432) – Teilkindergeld; BVerfGE 113, 167 (215) – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 120, 125 (155 f.) – Steuerfreiheit des Existenzminimums; BVerfGE 124, 251 (265) – Besteuerung des Ertragsanteils von Bezügen aus Leibrenten; BVerfGE 132, 72 (82 Rn. 21) – Bundeserziehungsgeld; BVerfGE 133, 1 (14 Rn. 44) – Verzinsung von Kartellbußen; BVerfGE 133, 59 (86 Rn. 72) – Sukzessivadoption; BVerfG, Beschl. v. 03.06. 2013 – 1 BvR 131/13, Rn. 12, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 11.01. 2016 – 1 BvR 1687/14, Rn. 9, zitiert nach juris.  BVerfGE 85, 191 (210) – Nachtarbeitsverbot; BVerfGE 92, 277 (318) – DDR-Spione; BVerfGE 97, 332 (344) – Kindergartenbeiträge; BVerfGE 101, 275 (291) – Fahnenflucht; BVerfGE 109, 96 (123) – Alterssicherung für Landwirte; vgl. auch BVerfGE 112, 368 (401) – Rentenüberleitung VI; BVerfGE 116, 229 (238) – Asylbewerberleistungsgesetz; BVerfGE 126, 29 (47) – Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 133; Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 86 f.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 133 mit Verweis auf BVerfGE 90, 145 – Cannabis.  BVerfGE 90, 145 (190) – Cannabis, im Leitsatz Ziff. 2 lit. b) jedoch irreführend „Adressaten des Verbotes“, dies unterstreicht jedoch die Unterscheidung: Adressaten der Norm sind die Strafverfolgungsbehörden, Adressaten des Rechtsfolge, hier: des Verbotes, die Betroffenen; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 133.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 133.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

ist, „wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird“³²⁰ und kein rechtfertigender Grund vorliegt. Dieser Vergleich zwischen Normbetroffenen und nicht von der Norm Betroffenen ist jedoch stets Kern jeder Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG³²¹ und damit selbstverständlich auch Gegenstand der auf das Willkürverbot zurückgenommenen Prüfung.³²²

a. Verhältnismäßige Gleichheit Diese neuere Formulierung des Prüfungsmaßstabs war Anlass für die These, das Bundesverfassungsgericht lege der Kontrolle des allgemeinen Gleichheitssatzes eine „neue Formel“ zugrunde.³²³ Diese Formulierung eröffnete indes kein neues Prüfungsprogramm für den allgemeinen Gleichheitssatz, sondern hob lediglich das „Erfordernis einer rationalen und wägenden Gewichtung der Unterschiede hervor, die der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung dienen“³²⁴. Insofern fordert das Bundesverfassungsgericht zwar positiv formuliert, „Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht […], dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“³²⁵ und erhöht damit die Anforderungen an eine Rechtfertigung.³²⁶  BVerfGE 105, 73 (110) – Pensionsbesteuerung; vgl. auch BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 110, 412 (432) – Teilkindergeld; BVerfGE 126, 29 (47) – Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg; BVerfGE 129, 49 (68 f.) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 129, 208 (262) – TKÜ-Neuregelung, dort Hinweis auf BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I; BVerfGE 113, 167 (215) – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 120, 125 (155 f.) – Steuerfreiheit des Existenzminimums; BVerfGE 124, 251 (265) – Besteuerung des Ertragsanteils von Bezügen aus Leibrenten; BVerfGE 132, 72 (82) – Bundeserziehungsgeld; BVerfGE 132, 372 (388) – Selbsttitulierungsrecht Oldenburg; BVerfGE 133, 1 (14 Rn. 44) – Verzinsung von Kartellbußen; BVerfGE 133, 59 (86 Rn. 21) – Sukzessivadoption; BVerfG, Beschl. v. 03.06. 2013 – 1 BvR 131/13, Rn. 12, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 11.01. 2016 – 1 BvR 1687/14, Rn. 9 zitiert nach juris.  Vgl. etwa BVerfGE 3, 58 (135 f.) – Beamtenverhältnisse; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295.  Wie schon Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 17 und 32 mit Verweis auf BVerfGE 26, 72 (76) – Besoldung der OLG-Richter in Bayern, feststellt.  So insbesondere das Sondervotum von Katzenstein, BVerfGE 74, 9 (30) – Arbeitsförderungsgesetz 1979; vgl. auch Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 25 f.; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 28; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 22; weitere Nachweise bei Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 93 f.; krit. P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295; vgl. auch Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 26, Willkür- und Verhältnismäßigkeitsprüfung seien Teile eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs; im Ergebnis so auch Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 14 f. und 25.  BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Dabei handelte es sich um eine sprachliche Akzentuierung, nicht um eine inhaltliche Neuausrichtung. Diese formuliert das Erfordernis der Evidenz als Problem einer verfassungsrechtlichen Abwägung,³²⁷ welche aber nicht erst durch diese Formulierung materiell in der Gleichheitsprüfung widergespiegelt wurde.³²⁸ Die Abwägung zwischen Ungleichheit und Differenzierungsgrund ist stets Ausprägung der Voraussetzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, dass Differenzierungen durch einen vernünftigen, einleuchtenden Grund gerechtfertigt sein müssen.³²⁹ Ein Unterschied der Prüfungsmaßstäbe folgt auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtsfolge betrachtet,³³⁰ weil die Unterscheidung in der Rechtsfolge nur die Kehrseite der konditionalen Tatbestandsstruktur darstellt.³³¹ Die konditionale Tatbestandsstruktur ist jedoch Ausgangsund damit Anknüpfungspunkt jeder gesetzlichen Verallgemeinerung oder Differenzierung. Mit dieser Formulierung betont das Bundesverfassungsgericht die auch im Objektivitätsgebot angelegte Abwägung zwischen Differenzierungen und dem sachlich einleuchtenden Grund.³³² Auch im Rahmen der „Willkürprüfung“ genügt nicht bereits jeder Grund,³³³ sondern nur der „zureichende“ Grund, also ein im Verhältnis ausreichender, mithin im konkreten Fall angemessener Grund.³³⁴ So heißt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter Zugrundelegung der Willkürformel etwa:

 Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 54.  Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 14.  Vgl. etwa zum Erfordernis der „Angemessenheit“ eines im Übrigen sachlich einleuchtenden Grundes BVerfGE 51, 1 (24) – Rentenversicherung im Ausland.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 29; auch in der Rechtsprechung des ersten Senats ist eine derartige Abwägung erkennbar, vgl. etwa BVerfGE 13, 248 (255) – Wiedergutmachungsrenten, dort für den Verordnungsgeber.  So aber Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 26 mit Verweis auf Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 439.  Dies verdeutlicht insbesondere die „strengere“ Prüfung, wenn die Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen führt, vgl. etwa BVerfGE 101, 54 (101) – Schuldrechtsanpassungsgesetz.  Die die „neue Formel“ begründende Entscheidung verweist nämlich ausdrücklich auf die Entscheidungen BVerfGE 22, 387 (415) – Versorgungsrechte von Hinterbliebenen; BVerfGE 52, 277 (280) – Jugendliche bei Tanzveranstaltung.  So aber unzutreffend Hesse, AöR 109 (1984), 174 (189): „irgendein sachlicher Gesichtspunkt für die rechtliche Differenzierung“; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 15, 55; jedenfalls auf eine Prüfung der Geeignetheit beschränkt Michael, JuS 2001, 148 (152).  Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017 Art. 3 Rn. 27; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 46.2 und Rn. 29;

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

„Wenn es sonach auch hinreichende Gründe für eine Ungleichbehandlung gibt, so sind diese doch nicht geeignet, die Ungleichbehandlung in ihrem derzeitigen Ausmaß zu rechtfertigen.“³³⁵

Das Bundesverfassungsgericht nimmt also bereits im Rahmen der Willkürprüfung eine Abwägung zwischen der gesetzlichen Unterscheidung und den sie rechtfertigenden Sachgründen vor: „Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist stets zu fragen, ob die klageführende Person (und ihre Gruppe) durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift ohne sachlich vertretbaren, d. h. ohne rechtlich zureichenden Grund – also willkürlich – schlechter gestellt wird als eine andere Personengruppe, die man als vergleichbar ihr gegenüberstellt.“³³⁶

Die Abwägung zwischen dem Ausmaß der Differenzierung und den sie rechtfertigenden Sachgründen ist daher seit jeher Kern der Gleichheitsprüfung. So betont das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich, dass eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sein muss: „Der Gleichheitssatz fordert nicht, dass der Gesetzgeber die Einzelnen und ihre relevanten gesellschaftlichen Gruppen unbedingt gleichmäßig behandelt; er lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, richtet sich nach der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs.“³³⁷

Diese Formulierungen zeigen auf, dass im Rahmen der angemessenen Verallgemeinerung in jedem Fall – also auch unter Zugrundelegung der Willkürprüfung – eine – wenn auch lockerere – Abwägung anzustellen ist.³³⁸ Unterschiedlich sind – in Hinblick auf den betroffenen Sachbereich – die materiellen Anforderungen an das Gewicht der rechtfertigenden Gründe. Muss die Entscheidung für eine Alternative sachlich vertretbar oder durch besondere Interessen überwiegend geboten sein?

 BVerfGE 51, 1 (28) – Rentenversicherung im Ausland.  BVerfGE 22, 387 (415) – Versorgungsrechte von Hinterbliebenen.  BVerfGE 6, 84 (91 f.) – Sperrklausel; vgl. auch BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW.  Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 29 mit Verweis auf BVerfGE 51, 1 (28) – Rentenversicherung im Ausland; ders., AöR 124 (1999), 174 (190); Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 2; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 99; R. Schmidt, JZ 1967, 402 (402); Wendt, NVwZ 1988, 778 (781); a. A. Michael/Morlok, Grundrechte, 6. Aufl. 2017, Rn. 785; Michael, in: Sieckmann (Hrsg.), Die Prinzipientheorie der Grundrechte, 2007, 123 (141); Krugmann, JuS 1998, 7 (11).

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Noch ausdrücklicher³³⁹ formuliert das Bundesverfassungsgericht daher als Maßstab für den Gesetzgeber, dass er den Gestaltungsraum verlässt, wenn „sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt“³⁴⁰. Deshalb bestimmt das Bundesverfassungsgericht den jeweiligen konkreten Prüfungsmaßstab auch nicht abstrakt, sondern anhand des jeweiligen Einzelfalls in Bezug auf die konkrete Ungleichbehandlung.³⁴¹ Die steigende Prüfungsintensität beruht nicht auf der Formulierung des Prüfungsmaßstabs, sondern die Formulierung ist Ausdruck der strengeren Prüfung, weil in diesen Fällen die gesetzliche Differenzierung höhere Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung stellt.³⁴²

b. Freiheitsrechtliches Übermaß und verhältnismäßiges Gleichmaß Dieser Prüfungsmaßstab nähert die Gleichheitsprüfung nicht der Prüfung einer Verletzung von Freiheitsgrundrechten an.³⁴³ Eine Annährung folgt insbesondere nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes je nach Sachbereich eine strengere Bindungsintensität des

 Teilweise wird vertreten, durch die Änderung der Formulierung mittels der „neuen Formel“ habe das Bundesverfassungsgericht auf Kritik an der Willkürformel reagiert, vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 22; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 97.  BVerfGE 99, 165 (178) – Elternunabhängige Ausbildungsförderung; BVerfGE 102, 68 (87) – Krankenversicherung der Rentner; st. Rspr., vgl etwa BVerfG, Beschl. v. 28.05. 2008 – 1 BvR 2257/ 06, Rn. 12, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 26.02. 2010 – 1 BvR 1541/09, NJW 2010, 1943 (1946 Rn. 35).  BVerfGE 127, 263 (280 f.) – Elterliches Aufsichtspflichtversagen; BVerfGE 130, 131 (143) – Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz; BVerfGE 130, 240 (254) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz; BVerfGE 132, 179 (191 Rn. 38 ff.) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft; BVerfGE 133, 59 (86 f. Rn. 72 ff.) – Sukzessivadoption; BVerfGE 133, 377 (407 ff.) – Ehegattensplitting.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 314 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 96; Huster, in: Kempny/P. Reimer (Hrsg.), Gleichheitssatzdogmatik Heute, 2017, S. 91 (94 ff.); a. A. Sondervotum Katzenstein, BVerfGE 74, 9 (30) – Arbeitsförderungsgesetz 1979; für eine Übertragung der Grundsätze des Übermaßverbots Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 62 ff.; Robbers, DÖV 1988, 749 (751 f.); für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Hinblick auf das Ausmaß der Ungleichheit Jarass, NJW 1997, 2545 (2548); Hesse, AöR 109 (1984), 174 (189 und 191); Heun, in: Dreier (Hrsg.), Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 22; für einen einheitlichen Maßstab bei unterschiedlichem Prüfungsfeld Osterloh, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 139 (151).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

allgemeinen Gleichheitssatzes und damit verbunden eine „strikte Bindung des Gesetzgebers an das Verhältnismäßigkeitsprinzip“³⁴⁴ feststellt. Daraus wird teilweise abgeleitet, das Bundesverfassungsgericht wende in der neueren Rechtsprechung die freiheitliche Verhältnismäßigkeitsprüfung an. Die Kriterien des „legitimen Zwecks“ und des „sachlich einleuchtenden Grundes“ hätten sich angenähert.³⁴⁵ Dass der Gesetzgeber an Verhältnismäßigkeitsaspekte gebunden ist und dass das Bundesverfassungsgericht diese im Wege einer abwägenden Betrachtung überprüft, resultiert jedoch nicht aus dem so formulierten Prüfungsmaßstab, sondern bringt eine über allem staatlichen Handeln stehende Kultur des Maßes zum Ausdruck: Die abwägende Gewichtung ist insofern keine Eigenheit der Freiheitsgrundrechte, die auf andere Rechtsbereiche – hier die Gleichheitsprüfung – übertragen wird.³⁴⁶ Vielmehr ist sie Ausdruck einer Kultur der Mäßigung und des Maßes, der alles staatliche Handeln unterworfen ist.³⁴⁷ Diese Kultur des Maßes beruht auf einem allgemeinen Prinzip der Mäßigung von Macht und Gewalt.³⁴⁸ Sie findet Vordenker bereits in der Antike³⁴⁹ und wird schließlich mit Nachdruck von Na-

 BVerfGE 118, 79 (100) – Treibhausgas-Emissionsberechtigungen.  Osterloh, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 79 (151); zum Überblick vgl. Huster, Rechte und Ziele, 1993, S. 61 ff., 176 ff.; krit. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 26 ff.; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 34 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 129.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 184; ders., Das Maß der Gerechtigkeit, 2009, S. 10 f.; Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 117 f.  Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1999, Nachdruck der 2. Aufl. v. 1998, S. 26, der darauf hinweist, dass der Grundsatz des „Nicht zu sehr“ bereits in der Philosophie Solons anklingt, vgl. dazu Wolf, in: Constantopoulos (Hrsg.), FS Laun, 1953, S: 449 ff.; zur Kultur der Mäßigung und des Maßes siehe P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 241; vgl. auch Martini, Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit, 1997, S. 102; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000, S. 50; Merten, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrecht, Bd. 3, 2009, § 68 Rn. 6; Becker, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Bd. 1, 2013, S. 225 Rn. 2; Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, 2015, S. 166 ff.; Müller-Franken, in Heun/Starck (Hrsg.), Grundrechte, Rechtsstaat und Demokratie als Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2015, S. 143; Kube, in: Geis (Hrsg.), Von der Kultur der Verfassung, Festschrift für Friedhelm Hufen zum 70. Geburtstag, 2015, S. 191; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 228; vgl. auch Dieterich, Systemgerechtigkeit und Kohärenz, 2014, S. 392 f.  So fordert etwa Aristoteles, in der Übersetzung von Gigon, in: Nickel (Hrsg.), Die nikomachische Ethik, 2. Aufl. 2014, 5. Buch, 6. Kap., 1131 b S. 197 ff., dass jeder gute Mensch die „Proportionen“ beachte; vgl. auch Plato, in: Eigler (Hrsg.),Werke in acht Bänden, Bd. 4 Der Staat, 1971, IV 430 d, e – S. 479 ff., der eine Mäßigung jeder Gewalt verlangt; so auch P. Kirchhof, in: Maunz/

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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turrecht und Aufklärung eingefordert.³⁵⁰ Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne hat das Bundesverfassungsgericht im Apothekenurteil formuliert.³⁵¹ Sie gelten jedoch heute als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und der Gesamtkonstruktion des Grundgesetzes.³⁵² Im modernen Verfassungsstaat gilt das Prinzip einer Mäßigung von staatlicher Macht und Gewalt daher für freiheits- wie und gleichheitsrelevante Eingriffe.³⁵³ Bei der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes stellte das Bundesverfassungsgericht daher auch vorher schon Verhältnismäßigkeitserwägungen an.³⁵⁴ Abgesehen von dem gemeinsamen Ziel, herrschaftliche Macht zu mäßigen, sind Freiheits- und Gleichheitsprüfung aber grundverschieden³⁵⁵ und müssen auch getrennt geprüft werden.³⁵⁶ Die Freiheitsrechte wehren ab, dass der Ge-

Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 242; zur Bedeutung des Übermaßes bei Solon vgl. Wolf, in: Constantopoulos (Hrsg.), FS Laun, 1953, S. 449 ff.  Für eine Begrenzung des Staatszweckes Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, hrsg. von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd.VIII, 1. Aufl. 1912, Neudruck 1923, 273 (290 ff.); von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, in: Leitzmann (Hrsg.), Gesammelte Schriften, Bd. 1, 1903, S. 179; vgl. auch Merten, in Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, 2009, § 68 Rn. 11.  BVerfGE 7, 377 (409 f.) – Apotheken-Urteil.  BVerfGE 23, 127 (133) – Zeugen Jehovas; BVerfGE 25, 269 (292) – Verfolgungsverjährung; BVerfGE 35, 382 (401 f.) – Ausländerausweisung; BVerfGE 38, 348 (368) – Zweckentfremdung von Wohnraum; BVerfGE 61, 126 (134) – Erzwingungshaft; BVerfGE 69, 1 (35) – Kriegsdienstverweigerung II; BVerfGE 111, 54 (82) – Rechenschaftsbericht; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1999, Nachdruck der 2. Aufl. v. 1998, S. 253 f.; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 82. EL 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 241; krit. Gärdiz, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Bd. 2, 51. Lieferung 2016, Art. 20 (Rechtsstaatsprinzip) Rn. 203, der jedoch ebenfalls die Funktion als materiellrechtsstaatliche Verbürgung bejaht; H. Schneider, in: C. Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, 1976, S. 390 (391).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 184; die Abwägung diene allgemein dazu, die vorzugswürdige unter mehreren Alternativen zu ermitteln, Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 23; es handele sich um einen „interpersonellen Nutzen-Vergleich“, Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 190 und 214 ff.  BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 295.  Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 28; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 244; ders., in: HStR Bd.VIII, 3. Aufl. 2013, § 181 Rn. 23, 74 f.; Sachs, in: Kempny/P. Reimer (Hrsg.), Gleichheitssatzdogmatik heute, 2017, S. 107 (121, 128); vgl. dazu exemplarisch BVerfGE 145, 20 (66 ff. Rn. 118 ff. und 86 ff. Rn. 171 ff.) – Spielhallen, die Notwendigkeit zur Trennung unterstreichend, dass die Wertung von Freiheitsgrundrechten auch bei der Ermittlung der Gleichheitsbindung Berücksichtigung findet; siehe sogleich auch zur Schwerpunktbildung.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

setzgeber (übermäßig) in einen Rechtskreis eindringt.³⁵⁷ Sie verbieten das staatliche Übermaß in Hinblick auf die Eingriffsintensität, wägen ein Opfer als Mittel gegen den Vorteil der Maßnahme ab.³⁵⁸ Der allgemeine Gleichheitssatz fordert die angemessene Verallgemeinerung einer staatlichen Belastung oder Begünstigung.³⁵⁹ Verschieden sind somit sowohl Zielrichtung als auch Prüfungsgegenstand der Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte.³⁶⁰ Denn die Freiheitsgrundrechte fordern, dass die Intensität des Eingriffs in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Regelungsziel steht. Gleichheit verfolgt eine andere Zielrichtung. Der allgemeine Gleichheitssatz rechtfertigt gemeinsame oder unterschiedliche Rechtsfolgen durch die Betroffenheit in gemeinsamen oder verschiedenen Lebenssituationen.³⁶¹ Er beurteilt also horizontal das Verhältnis von Betroffenen und Nichtbetroffenen und fragt, ob zwischen den Lebenssituationen der beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen.³⁶² Der allgemeine Gleichheitssatz bewertet das Verhältnis der vom Gesetz Betroffenen mit nicht betroffenen Vergleichsgruppen, die Freiheitsrechte das Verhältnis von Eingriffsintensität und Eingriffsziel.³⁶³ Der rechtfertigende Grund eines Freiheitseingriffs ist daher ein anderer als der sachgerechte Grund einer Differenzierung oder Verallgemeinerung.³⁶⁴ Sofern das Bundesverfassungsgericht eine „am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Prüfung“ vornimmt und dabei für die Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel, eine geeignete, erforderliche und ange-

 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1999, Nachdruck der 2. Aufl. v. 1998, S. 22 f.; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 115.  Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 38; ders., AöR 124 (1999), 174 (191); Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1999, Nachdruck der 2. Aufl. v. 1998, S. 30; P. Kirchhof, in: Badura (Hrsg.),Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS Lerche, 1993, S. 133 (137 ff.); Rüfner, in: BKGG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 96; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 115, der zutreffend hervorhebt, dass bei der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeit eine Güterabwägung zwischen den Rechtsgütern des Einzelnen und der Allgemeinheit stattfindet.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 243; der Gleichheitssatz fordere eine „formale Proportionalität zwischen rechtlicher Differenzierung und tatsächlichen Unterschieden“, Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 31.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 184.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 240; Michael/Morlok, Grundrechte, 6. Aufl. 2017, Rn. 799.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 240 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 240; Michael/Morlok, Grundrechte, 6. Aufl. 2017, Rn. 799.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 244.

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messene Differenzierung³⁶⁵ verlangt, ist dies Ausdruck einer verhältnismäßigen Gleichheit, die eine angemessene Relation zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen herstellt, nicht die Intensität eines staatlichen Eingriffs mäßigt. Damit liegt kein einheitliches Maß der Verhältnismäßigkeit vor,³⁶⁶ sondern die freiheitliche Verhältnismäßigkeit geht der Gleichheit im Wege der Spezialität vor.Verstößt ein bestimmtes staatliches Handeln gegen die Freiheitsgrundrechte, weil es übermäßig ist, so fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, die bestimmt, wer von ihr betroffen sein soll.³⁶⁷ Dagegen wird in diesem Zusammenhang auch überwiegend vertreten, die Freiheitsrechte und der allgemeine Gleichheitssatz stünden in einem Verhältnis der Idealkonkurrenz.³⁶⁸ Idealkonkurrenz bedeutet jedoch, dass die Schutzbereiche der „berührten Grundrechte ohne Spezialitätsverhältnis in ihren Normaussagen nebeneinander stehen und auch kein Schwerpunkt in der grundrechtlichen Betroffenheit auszumachen ist, der zur primären Anwendbarkeit eines als ‚sachnäher’ einzustufenden Grundrechts führt“³⁶⁹. Dies trifft auf den allgemeinen Gleichheitssatz im Verhältnis zu den Freiheitsgrundrechten in der Regel nicht zu. Denn da der allgemeine Gleichheitssatz die Gleichheit „vor dem Gesetz“ und damit dem verfassungsmäßigen Gesetz fordert, kommt es auf die Rechtmäßigkeit in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nicht mehr an, wenn eine gesetzliche Regelung bereits gegen die Freiheitsgrundrechte verstößt.³⁷⁰ Umgekehrt kann jedoch eine gesetzliche Regelung in Hinblick auf die Freiheitsgrundrechte verhältnismäßig sein und dennoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen.³⁷¹ Die Freiheitsrechte gewähren einen absoluten Schutz, der allgemeine Gleichheitssatz dagegen einen relativen.³⁷² Im Übrigen nehmen die Freiheitsgrundrechte die Wertungen des allgemeinen Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung in sich

 Vgl. BVerfGE 138, 136 (186 ff. Rn. 133 ff.) – Erbschaftsteuer.  Für die Übertragung der Grundsätze aber Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 62 ff.; Huster, Rechte und Ziele, 1993, S. 55; Osterloh, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 139 (149 f.).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 249.  Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 329; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 203; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 4, der jedoch anerkennt, dass sich eine Prüfung der Gleichheitsrechte erübrigt, wenn die Regelung ohnehin übermäßig ist (ebd., Rn. 5); Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 93.  Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 201 Rn. 112.  Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 5;  Vgl. etwa BVerfGE 130, 240 (254) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz; BVerfGE 133, 59 (87 Rn. 73) – Sukzessivadoption.  Britz, NJW 2014, 346 (350).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

auf, weil die Freiheitsrechte eine für alle Grundrechtsträger gleiche Freiheit verbürgen wollen.³⁷³ Daher trifft der allgemeine Gleichheitssatz erst dann eine Aussage über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung, wenn diese nach den Freiheitsgrundrechten rechtmäßig ist. Nur wenn ein Sachverhalt einen deutlichen Schwerpunkt in der Gleichheitsprüfung fordert, ist diese Regelung vorrangig am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen, weil in diesem Fall auch die übrigen grundrechtlichen Wertentscheidungen im Rahmen der Gleichheitsprüfung berücksichtigt werden, da sie das konkrete Gleichmaß beeinflussen.³⁷⁴ Dadurch bedingen und vervollständigen Freiheits- und Gleichheitsrechte sich gegenseitig.³⁷⁵ Stellt der Sachverhalt jedoch nicht eindeutig einen Schwerpunkt für die Gleichheitsprüfung dar, stehen Freiheits- und Gleichheitsrechte damit in einem Rangverhältnis der Spezialität.³⁷⁶

6. Sachbereich und stufenlos sich verdichtende Prüfungsintensität Die Gleichheit vor dem Gesetz achtet den Gestaltungsraum des Gesetzgebers und anerkennt seine Aufgabe als Erstinterpret der Verfassung sowie die damit einhergehende Notwendigkeit, Unterscheidungen vornehmen zu müssen. Sie will deshalb im Ausgangspunkt nur willkürlich ungleiche Rechtsetzung untersagen. Zwar muss damit jede Gleich- oder Ungleichbehandlung durch ein Gesetz sachlich gerechtfertigt und auch gleichheitsrechtlich angemessen sein.³⁷⁷ In diesem Rahmen stellt der allgemeine Gleichheitssatz aber grundsätzlich nur geringe Anforderungen an die Rechtfertigung durch die jeweiligen Sachgründe. Strengere Erfordernisse an die gesetzlichen Differenzierungen und Verallgemeinerungen gelten, wenn der jeweilige Sach- und Regelungsbereich dies erfordern. Entsprechend wird eine durch die Ausschluss- und Abgrenzungsfunktion des jeweiligen

 BVerfGE 121, 317 (358) – Rauchverbot in Gaststätten; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 183 und 189.  BVerfGE 13, 290 (295 f.) – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse, mit Verweis auf BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung; BVerfGE 6, 55 (71) – Steuersplitting; BVerfGE 9, 237 (248) – EhegattenMitwirkungsverträge; BVerfGE 12, 151 (163) – Ehegattenfreibetrag; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 140; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 93; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 203.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 246.  Jarrass, in: Jarrass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 6; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 183 ff.; a. A. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 93.  Vgl. dazu Kischel, BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 29 mit Verweis auf BVerfGE 51, 1 (28) – Rentenversicherung im Ausland.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Tatbestandes erzeugte Ungleichheit grundsätzlich nicht beanstandet, soweit sie sich aus der Natur des zu regelnden Sachbereichs ergibt oder sonstwie einleuchtend ist.³⁷⁸ Tatsächlich ist der Gestaltungsraum des Gesetzgebers aber häufig aufgrund weiterer Maßstäbe eingeschränkt, sodass der Gleichheitssatz an die jeweilige gesetzliche Unterscheidung strengere Anforderungen stellt. Von dem jeweiligen Sach- und Regelungsbereich ausgehend ergeben sich demzufolge „unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können“³⁷⁹. Die im Grundsatz zurückgenommene Willkürkontrolle stellt dabei lediglich die „erste Stufe“ einer je nach betroffenem Sachbereich strengeren Gleichheitsbindung dar.³⁸⁰ Das wird in der Entscheidung über die partielle Unvereinbarkeit des § 8c Satz 1 KStG deutlich: Hier untersucht das Bundesverfassungsgericht zunächst ausdrücklich, ob im konkreten Fall Gründe für eine strengere Bindung des Gesetzgebers vorliegen.³⁸¹ Diese Frage lässt das Bundesverfassungsgericht sodann jedoch offen, weil es klarstellt, dass die Ungleichbehandlung schon an einer Rechtfertigung mit Hilfe des Willkürmaßstabs scheitert.³⁸² Den Willkürmaßstab versteht es dabei als niedrigste Prüfungsintensität eines einheitlichen Rechtfertigungsmaßstabes.³⁸³

 BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; ebenso BVerfGE 1, 208 (247) – 7,5 %-Sperrklausel; seitdem st. Rspr.  BVerfGE 129, 49 (68) – Mediziner-BAföG; ählich BVerfGE 117, 1 (30) – Erbschaftsteuer.  BVerfGE 145, 106 (142, Rn. 98 und 150 Rn. 120) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. auch BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 124, 199 (220) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; BVerfGE 129, 49 (69) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 130, 240 (254) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz; BVerfGE 132, 179 (188 f. Rn. 31) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft; BVerfGE 138, 136 (180 f. Rn. 122 f.) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 1 (13 Rn. 39) – Grunderwerbsteuer Baulandumlegung; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 26; Britz, NJW 2014, 346 ff.; Pietzcker, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 5, 2013, § 125 Rn. 40 f., 45 f.; Nußberger, in: Sachs GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 8 f. und Rn. 33; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 7 f., 14 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 18 f.; Boysen, in v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn 51 f.; dagegen betrachtet Englisch, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 15 und 136 ff., die Aspekte der Prüfungsdichte und des Maßstabs getrennt.  BVerfGE 145, 106 (150 Rn. 120) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (151 Rn. 121) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (151 Rn. 121) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Das verdeutlicht, dass dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ein einheitlicher Prüfungsmaßstab zugrunde liegt,³⁸⁴ dessen inhaltliche Anforderungen je nach Sach- und Regelungsbereich im Einzelfall zu bestimmen sind. Willkürprüfung und die Forderung nach einer angemessenen Unterscheidung sind unterschiedliche Prüfungsintensitäten innerhalb eines offenen Maßstabs. Welche Prüfungsintensität im Einzelfall dabei anzuwenden ist, folgt sodann aus dem Sachbereich der Norm,³⁸⁵ wie das Bundesverfassungsgericht betont: „Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs. Der Gleichheitssatz verlangt, dass eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung sich – sachbereichsbezogen – auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen lässt.“³⁸⁶

Hintergrund der sachbereichsbezogenen Betrachtung ist, dass der Gesetzgeber nicht die Menschen vergleicht, sondern stets einen bestimmten Lebensbereich des menschlichen Zusammenlebens.³⁸⁷ Dieser Lebensbereich enthält bereits wesentliche Anhaltspunkte für rechtliche Gleichheit und Unterscheidungen. Er ordnet das Gesetz außerdem in den Kontext der Gesamtverfassung ein. Aus diesem Kontext folgen wesentliche Vorgaben für die weitere Konkretisierung des Gleichmaßes, denn „der Gleichheitssatz wirkt in einem Verfassungsstaat, dessen Gesamtverfassung bereits wesentliche Gleichheiten und Unterscheidungen gewährleistet“³⁸⁸. Der allgemeine Gleichheitssatz wird somit durch die Wertentscheidungen der Verfassung konkretisiert.³⁸⁹ Er gibt dem Gesetzgeber deshalb

 So auch Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 26; Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 25.  Diese Akzentuierung ist in der Rechtsprechung des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts deutlicher, wie Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 22, hervorhebt; dessen ungeachtet handelt es sich nicht um eine widerstreitende Verwendung der Prüfungsmaßstäbe, wie Rüfner, BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2018, Art. 3 Rn. 27 zutreffend begründet.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 313. „Art. 3 Abs. 1 GG verlangt einen Vergleich von Lebensverhältnissen, die nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind“, BVerfGE 84, 348 (359) – Zweifamilienhaus.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 312; dafür, dass sich abwägungsleitende Gesichtspunkte aus den in der Gesellschaft herrschenden Gerechtigkeits- und Wertvorstellungen ergäben Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2010, Art. 3 Rn. 14; so auch Englisch, in: Stern/Becker (Hrsg), Grundrechte Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 19; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 39; dagegen für einen Einfluss der gesamten Rechtsordnung Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, S.186 ff.  BVerfGE 13, 290 (295 f.) – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse, mit Verweis auf BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung; BVerfGE 6, 55 (71) – Steuersplitting, sowie BVerfGE 9, 237 (248) –

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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auch nicht einen bestimmten Handlungsspielraum vor, den eine GleichheitsGrundrechtsschranke starr abgrenzt. Vielmehr bestimmt er eine Art und Weise für das gesetzgeberische Handeln, nämlich in Form der angemessenen Verallgemeinerung.³⁹⁰ Er beantwortet die Frage, welcher Grad der Allgemeinheit in Bezug auf den betroffenen Regelungsgegenstand geboten ist.³⁹¹ Das jeweilige Gleichmaß kann also nur bereichsspezifisch präzisiert und bestimmt werden.³⁹² Das Bundesverfassungsgericht formuliert dies in ständiger Rechtsprechung wie folgt: „Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur stets in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden soll.“³⁹³

Weil der allgemeine Gleichheitssatz das jeweilige Gleichmaß also nach der Eigenart des zu regelnden Sachbereichs bestimmt, muss zunächst der jeweilige

Ehegatten-Mitwirkungsverträge und BVerfGE 12, 151 (163) – Ehegattenfreibetrag; so auch BVerfGE 17, 210 (217) – Wohnungsbauprämie; BVerfGE 42, 64 (72 f.) – Zwangsversteigerung I; Englisch, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 19; ebenso Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 522; Ipsen, VVDStRL 47 (1989), 88; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7 (27); teilweise wird gefordert, durch Konkretisierung anhand grundgesetzlicher Wertungen den Einfluss gesellschaftlicher Wertungen zu umgehen, Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2010, Art. 3 Rn. 16 ff.; auch in die dabei angestellte Interpretation fließen jedoch gesellschaftliche Wertvorstellungen ein, wie Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 18 anmerkt.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 267.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 313.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 78, 249 (287) – Fehlbelegungsabgabe; BVerfGE 84, 239 (271) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 93, 121 (135) – Einheitswerte II; BVerfGE 96, 1 (6) – Weihnachtsfreibetrag; BVerfGE 99, 280 (289) – Aufwandsentschädigung-Ost; BVerfGE 105, 17 (46 ff.) – Sozialpfandbriefe; BVerfGE 120, 1 (30) – Abfärberegelung; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 313; ders., in: Arndt (Hrsg.),Völkerrecht und deutsches Recht, FS Rudolf, 2001, S. 277 (278 ff.); für eine typisierende Einordnung der jeweiligen Sachbereiche vgl. Kim, Zur Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, 2000, S. 210 ff.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz, mit Verweis auf BVerfGE 17, 122 (130) – Wiedergutmachung; im Übrigen st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 90, 145 (196) – Cannabis; BVerfGE 93, 319 (348) – Wasserpfennig; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 105, 73 (111) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 107, 218 (244) – Beamtenbesoldung Ost I; BVerfGE 107, 257 (270) – Beamtenbesoldung Ost II; BVerfGE 112, 164 (174) – Familienbesteuerung; BVerfGE 112, 268 (297) – Kinderbetreuungskosten; BVerfGE 113, 167 (215) – Risikostrukturausgleich.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Lebensbereich in seinem Gleichheitsgehalt verstanden werden.³⁹⁴ Aufgrund der daraus folgenden Vorgaben für den Gleichheitssatz ist die auf das Objektivitätsgebot zurückgenommene Willkürprüfung zwar der von der Verfassung vorgegebene Ausgangspunkt der Prüfungsintensität, in der Praxis jedoch regelmäßig die Ausnahme.³⁹⁵

a. Von der Stufenformel zur stufenlosen Verdichtung Die strengere Prüfung nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wurde zunächst teilweise als alternativer Maßstab neben dem Willkürverbot verstanden.³⁹⁶ Hintergrund dieser Interpretation war folgende Formulierung des Bundesverfassungsgerichts: „[Art. 3 Abs. 1 GG] gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten […]. Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen lässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte und das Verhalten einer Person je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Es ist dann grundsätzlich Sache des Betroffenen, sich auf diese Regelung einzustellen und nachteiligen Auswirkungen durch eigenes Verhalten zu begegnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich allerdings der Gleichheitssatz nicht in dem Verbot einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Normadressaten. Vielmehr kommt in ihm ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck, das nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Gesetzgebung gewisse äußerste Grenzen setzt.“³⁹⁷

Aus der Formulierung „außerhalb des Verbots ungerechtfertigter Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen“ sowie ähnlich lautenden Entscheidungen

 BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz; vgl. auch BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversorgung; BVerfGE 78, 249 (287) – Fehlbelegungsabgabe; BVerfGE 84, 239 (268) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 93, 319 (348 f.) – Wasserpfennig; BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 110, 412 (432) – Teilkindergeld; BVerfGE 112, 268 (279) – Kinderbetreuungskosten; zum Begriff der Sachgerechtigkeit vgl. auch Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2008, 82 ff.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 316; Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 33.  Baumeister, in: Wolter/Riedel/Taupitz (Hrsg.), Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, 1999, S. 251 (260); Hesse, in: Badura (Hrsg.),Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS Lerche, 1993, S. 121 (127 ff.); Jarrass, NJW 1997, 2545 (2546); so auch Britz, NJW 2014, 346.  BVerfGE 55, 72 (88 f.) – Präklusion I.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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des Bundesverfassungsgerichts³⁹⁸ wurde deshalb abgeleitet, der Gleichheitssatz enthalte zwei unterschiedliche Tatbestände, nämlich einerseits ein allgemeines Willkürverbot, andererseits ein Gebot verhältnismäßiger Gleichheit, das (insbesondere) einschlägig sei, wenn ein Gesetz zwischen Personengruppen unterscheide.³⁹⁹ Wie außerdem bereits in der Formulierung „vor allem“ anklingt, wurde die strengere Gleichheitsprüfung nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht auf die Ungleichbehandlung von Personengruppen beschränkt, sondern auch auf andere Fallgruppen ausgeweitet, insbesondere, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt.⁴⁰⁰ Das Verständnis zwei strikt getrennter Prüfungsmaßstäbe stützten zudem Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die beide Maßstäbe deutlich voneinander abgrenzten und als Alternativen nebeneinanderstellten: „Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Kommt als Maßstab nur

 Unter anderem die Entscheidungen BVerfGE 55, 72 (89) – Präklusion I; BVerfGE 60, 329 (346) – Vereinbarung über den Versorgungsausgleich; BVerfGE 88, 87 (97) – Transsexuelle II; BVerfGE 89, 15 (23) – Steuerfreiheit von Zuschlägen für regelmäßige Nachtarbeit; BVerfGE 90, 46 (56) – Kündigung während der Probezeit; BVerfGE 91, 118 (122 f.) – Bezirksrevisor; BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung; BVerfGE 99, 367 (389 f.) – Montan-Mitbestimmung; BVerfGE 118, 1 (26 ff.) – Begrenzung der Rechtsanwaltsvergütung; BVerfGE 118, 79 (100 f.) – TreibhausgasEmissionsberechtigungen.  Vgl. etwa Jarass, NJW 1997, 2545 (2548); F. Schoch, in: DVBl 1988, 863 (875 f.); Sachs, JuS 1997, 124 (126); für dieses Verständnis der „Neuen Formel“ auch Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 31; für eine Ablösung der Willkürformel Zuck, MDR 1986, 723, 723 f.; sowie Hesse, AöR 109 (1984), 174 (188 f.); dies – zutreffend – verneinend Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (37); Stern, in: Mauer (Hrsg.), Das akzptierte Grundgesetz, FS Dürig, 1990, S. 207 (212); für eine anfängliche grobe, zunehmend verfeinerte Gegenüberstellung Huster, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, Bd. 1, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 96; zur strengeren Prüfung bei Ungleichbehandlung von Personengruppen vgl. insbesondere BVerfGE 83, 1 (23) – Begrenzung der Betragsrahmengebühren; BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung; BVerfGE 99, 367 (389 f.) – Montan Mitbestimmung; BVerfGE 101, 54 (101) – Schuldrechtsanpassungsgesetz; BVerfGE 116, 135 (161) – Gleichheit im Vergaberecht; BVerfGE 121, 317 (369) – Rauchverbot in Gaststätten; BVerfGE 126, 400 (417 f.) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 101, 54 (101) – Schuldrechtsanpassungsgesetz; BVerfGE 103, 310 (319) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 118, 79 (100) – Treibhausgas-Emissionsberechtigungen; BVerfGE 121, 317 (396 f.) – Rauchverbot in Gaststätten; zustimmend Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 106; krit. in Hinblick auf einen zu umfassenden Personenbezug, Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 22 unter Verweis auf Triepel, in: VVDStRL 3 (1927), 50 (51); sowie Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, S. 173 ff.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (vgl. BVerfGE 55, 72 [90]). Dagegen prüft das Bundesverfassungsgericht bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 82, 126 [146]).“⁴⁰¹

Eine derart starke Kontrastierung der beiden Formulierungen vernachlässigt jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht auch im Rahmen der Willkürkontrolle zwischen dem Ausmaß der Ungleichbehandlung und der sie tragenden Sachgründe materiell abgewogen hatte.⁴⁰² Der materielle Gehalt für den Inhalt des konkreten Prüfungsmaßstabs unterschied sich überdies nicht derart gravierend, dass hieraus starre Abstufungen gebildet werden könnten,⁴⁰³ wenn entweder „ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund“⁴⁰⁴, „Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie rechtfertigend wirken können“⁴⁰⁵ oder aber „hinreichend sachbezogene, nach Artikel und Gewicht vertretbare Gründe“⁴⁰⁶ gefordert wurden. Eine solche strikte Trennung wurde ohnehin in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht stringent durchgesetzt.⁴⁰⁷ Neben der sachverhaltsbezogenen Differenzierung, die mittelbar zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen führte,⁴⁰⁸

 BVerfGE 88, 87 (96) – Transexuelle II; so auch BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung; BVerfGE 95, 267 (317) – Altschulden.  Vgl. oben S. 58 sowie BVerfGE 6, 84 (91 f.) – Sperrklausel; BVerfGE 22, 387 (415) – Versorgungsrechte von Hinterbliebenen; BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW; BVerfGE 51, 1 (28) – Rentenversicherung im Ausland; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 29; ders., AöR 124 (1999), 174 (190); Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 2; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 99; R. Schmidt, JZ 1967, 402; Wendt, NVwZ 1988, 778 (781); a. A. Michael/Morlok, Grundrechte, 6. Aufl. 2017, Rn. 785; Michael, Gleichheitsrechte als grundrechtliche Prinzipien, in: Sieckmann (Hrsg.), Die Prinzipientheorie der Grundrechte, 2007, 123 (141); Krugmann, JuS 1998, 7 (11).  Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 46.1.  BVerfGE 89, 132 (141) – Konkursausfallgeldversicherung.  BVerfGE 101, 54 (101) – Schuldrechtsanpassungsgesetz.  BVerfGE 99, 367 (390) – Montan Mitbestimmung.  BVerfGE 99, 88 (94) – Verlustabzug; BVerfGE 101, 275 (291) – Fahnenflucht; BVerfGE 111, 160 (169 f.) – Kindergeld an Ausländer; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 43.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 89, 15 (22) – Steuerfreiheit von Zuschlägen für regelmäßige Nachtarbeit; BVerfGE 92, 53 (69) – Weihnachtsgeld als Lohnersatzleistung; BVerfGE 99, 129 (139) – DDR-Erbbaurecht; BVerfGE 99, 367 (388) – Montan-Mitbestimmung; BVerfGE 101, 54 (101) – Schuldrechtsanpassungsgesetz; BVerfGE 108, 52 (68) – Kindesunterhalt; BVerfGE 118, 1 (26) – Begrenzung der Rechtsanwaltsvergütung; BVerfGE 121, 317 (369 f.) – Rauchverbot in

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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gab es etwa auch die Fallgruppe einer zwar personenbezogenen Differenzierung, der aber die unmittelbar personenbezogenen Kriterien fehlten.⁴⁰⁹ Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutete daher bereits frühzeitig darauf hin, dass das Gleichmaß stufenlos anhand des jeweiligen Sach- und Regelungsbereichs bestimmt werden solle.⁴¹⁰ So heißt es in neueren Entscheidungen: „Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung ist umso enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Die engere Bindung ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird […] Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.“⁴¹¹

Jedenfalls durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – spätestens seit dem BAföG-Urteil vom 21.07. 2011⁴¹² – erübrigt sich indes ein Streit, ob aus der Willkürformel einerseits, der „neuen Formel“, andererseits ein binäres⁴¹³ oder ein mehrstufiges⁴¹⁴ Maßstabsbildungssystem folgen sollte. Das Bundesverfassungsgericht hat eine derartige Stufenbildung ausdrücklich abgelehnt.⁴¹⁵

Gaststäten; BVerfGE 131, 239 (256 ff.) – Lebenspartnerschaft von Beamten; BVerfGE 133, 377 (408 f. Rn. 79) – Ehegattensplitting.  BVerfGE 89, 365 (375 f.) – Beitragssätze bei den Krankenkassen; vgl. dazu Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 27.  So etwa BVerfGE 112, 164 (174) – Familienbesteuerung; BVerfGE 113, 167 (231 f.) – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 122, 210 (230) – Pendlerpauschale.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II, mit Verweis auf BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I.  BVerfGE 129, 49 (68 f.) – Mediziner-BAföG.  Britz, NJW 2014, 346 (346 f.), die jedoch einräumt, dass „dem personengruppenbezogenen Prüfungsmaßstab bereits eine große Bandbreite unterschiedlich strenger Rechtfertigungsanforderungen“ innewohne (ebd., 347).  Vgl. etwa Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 43 ff.  BVerfGE 129, 49 (68 f.) – Mediziner-BAföG.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Dieses Ergebnis lässt sich aus Sinn und Zweck von Art. 3 Abs. 1 GG verdeutlichen: Differenziert nämlich der Gesetzgeber zwischen Personengruppen, unterscheidet er in der Regel nach personenbezogenen Merkmalen. Diese Art der Differenzierung zu unterbinden, ist aber gerade Sinn und Zweck des allgemeinen Gleichheitssatzes.⁴¹⁶ Die Anforderungen an die Rechtfertigung steigen deshalb aufgrund des Sach- und Regelungsbereichs, da dieser eine Differenzierung nach personenbezogenen Merkmalen offenbart. Die strengere Prüfung bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen ist deshalb nicht Folge des so formulierten Prüfungsmaßstabs,⁴¹⁷ sondern resultierte im konkreten Fall aus dem Vergleichsgegenstand.⁴¹⁸ Insofern ließ insbesondere die zweite Transsexuellen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.01.1993 erkennen, dass eine Ausdifferenzierung des Prüfungsmaßstabs in Hinblick auf das jeweilige Ausmaß der Ungleichbehandlung für die Betroffenen vorzunehmen ist: Eine Verschärfung der Rechtfertigungserfordernisse richtete sich danach, „inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird“⁴¹⁹. Dies verdeutlicht außerdem, dass die Rechtfertigungslast zunimmt, „je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt“⁴²⁰. In diesem Sinne können nach der „Stufenlos-Formel“ nunmehr die Grenzen für den Gesetzgeber „von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bin-

 BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; Boysen, in v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 105 ff.; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 45; ders., in: AöR 124 (1999), 174 (190); Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 45 und 85; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/2, 2011, § 120, S. 1491, 1530 ff.; Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 92; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 135; zumindest in erster Linie, Huster, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, Bd. 1, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 96.  So aber Britz, NJW 2014, 346; kritisch zu der Eignung als Abgrenzungskriterium bereits Triepel, VVDStRL 3 (1927), 50 (51); Hesse, in: Badura (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS Lerche, 1993, S. 121 (124); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 22.  Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 94; a. A. Sondervotum des Richters Katzenstein, BVerfGE 74, 9 (30) – Arbeitsförderungsgesetz 1979.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; seitdem st. Rspr; dazu Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 140.

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dungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen“⁴²¹. Das verdeutlicht, dass dem allgemeinen Gleichheitssatz ein einheitlicher Prüfungsmaßstab zugrunde zu legen ist, dessen jeweilige Prüfungsintensität anhand des Einzelfalls unter Betrachtung des Sach- und Regelungsbereiches zu gewinnen ist. Es gilt ausdrücklich „ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab“⁴²². Die Prüfungsintensität ist offen und gleitend in Hinblick auf den konkreten Einzelfall zu bestimmen.⁴²³ Einschränkungen für den Gesetzgeber ergeben sich stets aus dem jeweiligen Sachund Regelungsbereich, weil hier weitere Konkretisierungen der Vorgaben – aus der Verfassung, aus den Eigenheiten des jeweiligen Lebensbereichs oder der übrigen Rechtsordnung – einschlägig sein können, sodass strengere Anforderungen an die Rechtfertigung einer gesetzlichen Differenzierung zu stellen sind und nicht jeder, sich aus der Natur der Sache ergebende oder sonstwie sachlich einleuchtende Grund diese zu rechtfertigen vermag. Die so am Einzelfall orientierte, offene Maßstabsbildung, welche die verfassungsrechtlichen Wert- und Grundentscheidungen sowie den Kontext der Rechtsordnung aufnimmt, vermag den Schutzzweck von Art. 3 Abs. 1 GG so „zielgenauer“ umzusetzen, als dies mit Hilfe starrer Stufen möglich wäre.⁴²⁴  So bereits BVerfGE 117, 1 (30) – Erbschaftsteuer; so auch BVerfGE 122, 1 (23) – Agrarmarktsubventionen, Agrarmarktbeihilfe; BVerfGE 126, 400, (416) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; sodann st. Rpsr. seit BVerfGE 129, 49 (68) – Mediziner-BAföG; vgl. etwa BVerfGE 138, 136 (180 f. Rn. 121) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 1 (12 Rn. 38) – Grunderwerbsteuer Baulandumlegung.  So erstmals BVerfGE 129, 49 (69) – Mediziner-BAföG; seitdem st. Rspr., BVerfGE 130, 131 (142) – Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz; BVerfGE 132, 179 (188 Rn. 30) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft; BVerfGE 133, 1 (14 Rn. 45) – Verzinsung von Kartellbußen; BVerfGE 134, 1 (20 Rn. 56) – Studiengebühren Bremen; BVerfGE 137, 1 (20 Rn. 47) – Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge; BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 121) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 1 (12 Rn. 38) – Grunderwerbsteuer Baulandumlegung; BVerfGE 139, 285 (309 Rn. 70) – Grunderwerbsteuer Einheitsbewertung; BVerfGE 141, 1 (38 Rn. 93) – Völkerrechtsdurchbrechung; BVerfGE 142, 353 (385 Rn. 69) – Grundsicherung für Arbeitssuchende; BVerfGE 145, 20 (86 Rn. 171) – Spielhallen; BVerfGE 145, 106 (141 f., Rn. 98) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; BVerfGE 145, 304 (330 Rn. 82) – Ostbesoldung Besoldungsangleichung; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 103 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 18.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn 94 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1728/12, Rn 74 – Transferzahlungen Bundesagentur; BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 64 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag.  Britz, NJW 2014, 346; Pietzcker, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 5, 2013, § 125 Rn. 40 f., 45 f.; Nußberger, in: Sachs GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn 8 f.; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 7 f., 14 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 18 f.; Boysen, in v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 51 f.  Britz, NJW 2014, 346 (348 f.).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Ausgehend von der sachbereichsbezogenen Bestimmung des Prüfungsumfangs haben sich dabei insbesondere fünf Fallgruppen herausgebildet, in denen die Rechtfertigungserfordernisse des allgemeinen Gleichheitssatzes in der Regel steigen. Danach ist eine strengere Gleichheitsprüfung erforderlich, wenn erstens die gesetzliche Unterscheidung zwischen Normbetroffenen und der Vergleichsgruppe der Nichtbetroffenen sich besonders weit von der vorgefundenen Wirklichkeit entfernt, wenn zweitens die Normbetroffenen in ihrem individuellen und nicht in dem demokratisch gestaltbaren Lebensbereich unterschiedliche Lasten hinnehmen müssen, wenn drittens die Unterscheidung an Persönlichkeitsmerkmale oder an unausweichliche Sachverhalte anknüpft, wenn viertens die Unterscheidungen realitätswidrig die Wirklichkeit verfehlen oder die vom Sachverhalt und dem Betroffenen an den Gleichheitssatz gestellten Anfragen nicht sachgerecht beantworten, und fünftens auch dann, wenn die Unterscheidungen in rechtlich schon geformte Lebenswirklichkeiten einwirken und den rechtlich dort vorgegebenen Leitgedanken widersprechen.⁴²⁵ Betrifft ein Gesetz eine der genannten Fallgruppen, steigt die Prüfungsintensität sodann je nach Intensität und Ausmaß der Differenzierung im konkreten Einzelfall stufenlos. Das bedeutet, dass in diesem Fall nicht ein starrer Rahmen von Rechtfertigungserfordernissen erfüllt sein muss, sondern dass weiterhin zu ermitteln ist, wie hoch die Rechtfertigungserfordernisse im konkreten Fall sind. Das bedeutet im Ergebnis, dass das Bundesverfassungsgericht im konkreten Fall stets untersucht, wie schwer die jeweilige Ungleichbehandlung im konkreten Fall wiegt. Je intensiver das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist, desto mehr steigen die jeweiligen Rechtfertigungserfordernisse für den Gesetzgeber. Legt man dem Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes dieses Verständnis zugrunde, können auch die oben genannten Fallgruppen in dem Sinne betrachtet werden, dass es sich jeweils um Beispiele handelt, in denen eine Ungleichbehandlung typischerweise schwerer wiegt und intensiver ist. Abstrakt ausgedrückt folgt daraus für den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes, dass die Kontrolldichte stufenlos umso weiter steigt, je schwerer die Ungleichbehandlung im konkreten Fall wiegt. Je intensiver die Ungleichbehandlung durch das Gesetz ist, desto strenger ist die verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle. In einem ersten Schritt folgen Vorgaben für das konkrete Gleichmaß daraus, je nachdem ob das Gesetz auf einen Status der Betroffenen abzielt, Unterscheidungen des jeweiligen Sachbereichs aufnimmt und damit sachgerecht sein muss, ob es an bestehende gesetzliche Regelungen anknüpft und damit folgerichtig sein

 Vgl. zu dieser Zusammenstellung P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 235 und 268.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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muss oder ob es in einem Ausgangsmaßstab rechtlicher Vertretbarkeit, mithin dem Objektivitätsgebot verbleibt.⁴²⁶ In einem zweiten Schritt kann dann anhand des Regelungsbereiches das konkrete Gleichmaß im Wege der stufenlos sich verdichtenden Gleichheitsbindung bestimmt werden, wobei für eine strengere Gleichheitsbindung insbesondere spricht, wenn das Gesetz die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten betrifft, wenn es an Merkmale anknüpft, die für die Betroffenen nicht frei verfügbar sind oder wenn allgemein Umstände vorliegen, aufgrund derer das Ausmaß der Ungleichbehandlung sehr groß ist.

b. Regelungsbereich der Norm Konkrete Vorgaben für den Vergleichsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes folgen somit zunächst daraus, welchen Bereich das Gesetz regelt, an welche Merkmale die gesetzlichen Differenzierungen und Verallgemeinerungen anknüpfen.

(aa) Statusgleichheit Gewähren Verfassung oder Gesetz einen Status, wie etwa die Menschenwürde, die Rechtsfähigkeit, das Existenzminimum oder die körperliche Unversehrtheit, wird der Betroffene hierdurch zum Berechtigten. Diese Berechtigung ist dann dem Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes vorgegeben und verbietet grundsätzlich Differenzierungen innerhalb der Gruppe der Berechtigten, sodass der allgemeine Gleichheitssatz einen strengeren Prüfungsmaßstab fordert, der je nach Betroffenheit bis zu einem vollständigen Differenzierungsverbot ansteigen kann.⁴²⁷ Aus der gem. Art. 1 Abs. 1 GG statuierten unantastbaren Würde des Menschen wird etwa der Status des Menschen als Rechtssubjekt in der Rechtsgemeinschaft abgeleitet.⁴²⁸ Jedem Menschen kommt um seiner selbst willen ein von der staatlichen Gewalt unbedingt zu achtender Wert zu.⁴²⁹ Dieser ist für die

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 315.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 316 und Rn. 300 ff.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 32; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 134; so bereits Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 3 Rn. 29 ff.; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 29 ff.  Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 502 f.; Hillgruber, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 1 Rn. 13.  BVerfGE 109, 279 (312 f.) – Großer Lauschangriff; vgl. auch BVerfGE 45, 187 (228) – Lebenslange Freiheitsstrafe; Hillgruber, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 1 Rn. 12; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Abs. 1 Rn. 11.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Staatsgewalt nicht verfügbar, eine Differenzierung verbietet sich schon ohne Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG.⁴³⁰ Art. 1 Abs. 1 GG enthält daher einen Anerkennungsakt, durch den der Mensch Rechtsperson wird.⁴³¹ „Die unverlierbare Würde des Menschen als Person besteht gerade darin, dass er als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt.“⁴³² Er ist gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gesellschaft⁴³³ und darf nicht aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, in der Gesellschaft einen rechtlich abgewerteten Status besitzen.⁴³⁴ Die Statusgleichheit des Menschen verbürgt somit, dass er in der Rechtsordnung als Mensch und Person willkommen ist.⁴³⁵ In Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG erhält der Mensch den Status des Rechtssubjekts.⁴³⁶ Die Freiheit des Menschen wird in den einzelnen Grundrechten geschützt, die Menschenwürdegarantie gewährleistet aber die „Selbstbestimmung auf der Grundlage des Eigenwertes jedes Menschen“ und damit eine „Gleichheit der Rechte“ auf Freiheitsausübung.⁴³⁷ Der Staat ist hingegen zur Neutralität verpflichtet und darf kein Urteil darüber fällen, welche Qualität die Ausübung der grundrechtlichen Freiheiten im Einzelfall hat.⁴³⁸ In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise entschieden, dass einer Religionsgemeinschaft der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht aufgrund der religiösen Anschauung versagt werden darf, solange diese nicht auf eine Aufhebung der unantastbaren Verfassungswerte ausgerichtet ist.⁴³⁹ Weil jedem Menschen die gleiche Würde zukommt, folgt aus

 BVerfGE 125, 175 (227) – Hartz IV; BVerfGE 132, 134 (159 ff.) – Asylbewerberleistungsgesetz; BVerfGE 137, 34 (72 f.) – Existenzsichernder Regelbedarf; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 103.  Hillgruber, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 1 Rn. 3.  BVerfGE 45, 187 (228) – Lebenslange Freiheitsstrafe.  BVerfGE 144, 20 (207 f. Rn. 541) – NPD-Verbotsverfahren; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 1 Abs. 1 Rn. 120.  BVerfGE 5, 85 (205) – KPD-Verbot; Podlech, in: AK-GG, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29.  Hasso Hofmann, Die Entdeckung der Menschenrechte, 1999, S. 8 f.; Isensee, AöR 131 (2006), 173 (215); Palm, Der Staat 47 (2008), 41 (42 ff.); P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 316 und Rn. 301.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 300; Damm, Menschenwürde, Freiheit, komplexe Gleichheit, 2006, S. 379 ff.; Enders, Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 502 f.; unter Verweis auf Art. 3 Abs. 2 und 3 GG im Ergebnis auch Podlech, in: AK-GG, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29.  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Abs. 1 Rn. 11.  BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer; BVerfGE 93, 1 (17) – Kruzifix; BVerfGE 102, 370 (394) – Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas; vgl. auch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 305.  BVerfGE 102, 370 (392 ff.) – Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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der Garantie der Menschenwürde das Prinzip der Gleichbehandlung.⁴⁴⁰ Eine Differenzierung in Ansehung dieses Statusrechts käme folglich einer demütigenden Ungleichbehandlung gleich und ist deshalb unzulässig.⁴⁴¹ Dieses Verbot umfasst zudem alle Differenzierungen, die an höchstpersönliche und identitätsstiftende Merkmale anknüpfen.⁴⁴² Aus dem Willkommen des Menschen in der Rechtsgemeinschaft und seiner Rechtsfähigkeit folgt weiterhin, dass er das Recht hat, eine widerfahrene Rechtsverletzung durch eine wirksame gerichtliche Kontrolle überprüfen zu lassen.⁴⁴³ Deshalb gebietet das Recht auf effektiven und

 BVerfGE 5, 85 (205) – KPD-Verbot; Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar GG, Bd. 1, 2002, Art. 1 Rn. 27; Hillgruber, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 1 Rn. 17.1; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 1 Abs. 1 Rn. 120; S. 54; Podlech, in: AK-GG, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 1 Rn. 29 ff.; Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 430 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 99.  BVerfGE 144, 20 (207 f. Rn. 541) – NPD-Verbotsverfahren; BVerfGE 115, 118 (152) – Luftsicherheitsgesetz; Höfling, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 1 Rn. 35; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 300 ff.; ders., in: HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 99 ff.; Jarrass, in: Jarass/Pieroth, 15. Aufl. 2018, Art. 1 Rn. 12; Hillgruber, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 1 Rn. 17; Isensee, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 4, 2011, § 87 Rn. 68; für eine Interpretationsgleichheit Schäfer, AöR 135 (2010), 404 (429).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 301; dies ist ausdrücklich Art. 3 Abs. 3 GG verbürgt, vgl. Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 38 ff., da der Katalog des Art. 3 Abs. 3 GG abschließend ist, greift außerhalb von dessen Katalogs der hier dargestellte Rechtsgedanke, vgl. BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 92, 26 (52) – Zweitregister; BVerfGE 97, 169 (180 f.) – Kleinbetriebsklausel I; BVerfGE 99, 367 (388) – Montan-Mitbestimmung; BVerfGE 101, 275 (291) – Fahnenflucht; BVerfGE 103, 310 (319) – DDRDienstzeiten; BVerfGE 126, 400 (416) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; BVerfGE 131, 239 (256) – Lebenspartnerschaft von Beamten; BVerfGE 132, 179 (190 Rn. 34 f.) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft; BVerfGE 133, 377 (407 f.) – Ehegattensplitting, BVerfGE 138, 136 (Rn. 181 Rn. 122) – Erbschaftsteuer; vgl. auch Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 92 f.; Jarass in: Jarrass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 19; dies zeigt sich etwa in Hinblick auf das Diskriminierungsverbot für die sexuelle Orientierung, vgl. BVerfGE 131, 239 (256 f.) – Lebenspartnerschaft von Beamten unter Verweis auf BT Drucks. 17/4775, S. 5; eine solche Verletzung der Menschenwürde durch Ungleichbehandlung enthielten etwa § 2 Abs. 1 und 3 Reichsbürgergesetz v. 15.09.1935, RGBl. I 1146, die §§ 1 Abs. 1, 2 des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre v. 15.09.1935, RGBl. I 1146 sowie die §§ 3 und 4 der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz v. 14.11.1935, RGBl. I 1333: Diese Vorschrift entzog Deutschen jüdischer Abstammung das Stimmrecht, das Recht zur Bekleidung öffentlicher Ämter und das Recht der Eheschließung mit anderen Deutschen entzogen; vgl. dazu Hillgruber, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 1 Rn. 17.1.  Dies entspricht der st. Rspr. zu Art. 19 Abs. 4, vgl. etwa BVerfGE 35, 263 (274) – Behördliches Beschwerderecht; BVerfGE 101, 106 (122) – Akteneinsichtsrecht; BVerfGE 101, 297 (407) – Häusliches Arbeitszimmer; BVerfGE 104, 220 (231) – Rehabilitierung bei Abschiebungshaft; BVerfGE 108, 341 (347) – Rechtsschutz gegen den Richter II; für zivilrechtliche Streitigkeiten leitet das

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

gleichen Rechtschutz, dass die Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Wege des Prozesskostenhilferechts im Wesentlichen angeglichen wird.⁴⁴⁴ Bei der Beurteilung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe darf nicht der gleiche Maßstab angesetzt werden, wie im Hauptsacheverfahren, wenn die beiden Verfahren jeweils unterschiedlichen Maßstäben unterliegen.⁴⁴⁵ Da es im Prozesskostenhilfeverfahren darum geht, den Zugang des Rechtssuchenden zur Entscheidung einer gerichtlichen Instanz zuzuführen, darf in diesem Verfahrensschritt die Entscheidung der Hauptsache in schwierigen Fragen nicht vorab geklärt werden.⁴⁴⁶ Den Unbemittelten würde dadurch der Zugang zu den Gerichten im Vergleich zu den Bemittelten erschwert.⁴⁴⁷ Eine Abwägung verbietet sich hier, weil im Kern der Status des Rechtssuchenden auf die Gewährleistung einer effektiven gerichtlichen Kontrolle betroffen ist. In diesem Zusammenhang erwächst aus dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG außerdem das Gebot der prozessualen Waffengleichheit.⁴⁴⁸ Dieses gebietet, dass die Parteien vor dem Richter eine gleichwertige Möglichkeit zur Ausübung ihrer jeweiligen Rechte haben.⁴⁴⁹ Eine Überraschung des Antragsgegners durch eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren kann daher nur gerechtfertigt sein, wenn das Ziel des effektiven Rechtschutzes andernfalls nicht erreicht werden könnte.⁴⁵⁰

BVerfG den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 20 Abs. 1 GG ab, vgl. BVerfGE 88, 118 (123) – Einspruchsfrist bei Versäumnisurteil; BVerfGE 93, 99 (107) – Rechtsmittelbelehrung; BVerfGE 97, 169 (175) – Kleinbetriebsklausel I; BVerfGE 107, 395 (406 f.) – Rechtschutz gegen den Richter I; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 300; zur Verfassungsbeschwerde vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG.  BVerfGE 78, 104 (117) – Prozesskostenhilfe im Zivilprozess; BVerfGE 81, 347 (357) – Rechtsschutzgleichheit; BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17, Rn. 12 – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17, Rn. 17 ff. – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17, Rn. 14 ff. – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17, Rn. 14 und 18 f. – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 30.09. 2018 – 1 BvR 1783/17, Rn. 14– Prozessuale Waffengleichheit, zitiert nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 30.09. 2018 – 1 BvR 1783/17, Rn. 15– Prozessuale Waffengleichheit, zitiert nach juris; vgl. dazu BVerfGE 9, 89 (96 f.) – Haftbefehlsverfahren; BVerfGE 57, 346 (359) – Zwangsvollstreckungsverfahren II.  BVerfG, Beschl. v. 30.09. 2018 – 1 BvR 1783/17, Rn. 17 ff. und 25 f. – Prozessuale Waffengleichheit, zitiert nach juris.

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Die Pflicht die unantastbare Würde des Menschen zu schützen⁴⁵¹, verpflichtet den Staat außerdem, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern.⁴⁵² Das Existenzminimum sichert ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe. Dieser unmittelbare subjektive Anspruch der Bedürftigen muss durch ein Gesetz abgesichert werden.⁴⁵³ Dieses gilt in Ansehung der Person individuell, verleiht einen differenzierungsfesten Status.⁴⁵⁴ Der jeweilige Status der Berechtigten ist daher dem allgemeinen Gleichheitssatz vorgegeben und nur begrenzt für Differenzierungen zugänglich; innerhalb des Kernbereichs verbietet er jede Differenzierung.⁴⁵⁵ Im Bereich des Wahlrechts gilt die demokratische Egalität aller Bürger.⁴⁵⁶ Differenzierungen innerhalb dieses Status‘ sind daher nur sehr eingeschränkt zulässig.⁴⁵⁷ Die Statusgleichheit ist aber davon abhängig, ob der Berechtigte aus dem zugrunde liegenden Status ein subjektives Recht ableiten kann. Deshalb gewährt Art. 92 GG keine vollständige Statusgleichheit der Richter in Hinblick auf Richter auf Zeit, sondern eine formale Gleichheit dergestalt, „dass Aufgabe, Leistung und Verantwortung aller Mitglieder eines gerichtlichen Spruchkörpers bei der Rechtsfindung im konkreten Fall völlig gleich sind“⁴⁵⁸.

(bb) Sach- und Realitätsgerechtigkeit Der allgemeine Gleichheitssatz beantwortet jeweils die Frage, ob das Gesetz im konkreten Fall eine angemessene Verallgemeinerung oder Differenzierung gewählt hat. Kriterien dafür, nach welchem Maßstab diese Frage zu beantworten ist, lassen sich aus dem jeweiligen Regelungsbereich des Gesetzes gewinnen. Das Recht ist Ausdruck der zu regelnden Lebensverhältnisse und Lebensziele. Normbereich und Norm sind daher so aufeinander bezogen, dass das Gesetz ei-

 Vgl. BVerfGE 1, 97 (104) – Hinterbliebenenrente I; BVerfGE 107, 275 (284) – Schockwerbung II; BVerfGE 109, 279 (310) – Großer Lauschangriff; BVerfGE 115, 118 (152) – Luftsicherheitsgesetz.  BVerfGE 125, 175 (222) – Hartz IV.  BVerfGE 125, 175 (222) – Hartz IV.  BVerfGE 125, 175 (223 f.) – Hartz IV; BVerfGE 132, 134 (159) – Asylbewerberleistungsgesetz; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 303.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 316.  Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 134.  Zum Erfordernis von gleichem Zähl- und Erfolgswert der Stimmen: BVerfGE 1, 208 (247) – 7,5 %-Sperrklausel; BVerfGE 79, 169 (170 f.) – Überhangmandate I; BVerfGE 95, 335 (353 f., 371 f.) – Überhangmandate II; BVerfGE 121, 266 (294 f.) – Landeslisten; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 304; so auch Bryde/Kleindieck, Jura 1999, 36 (41).  BVerfG, Urt. v. 22.03. 2018 – 2 BvR 780/16, NJW 2018, 1935 (1945, Rn. 113) – Richter auf Zeit.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

nen Lebensbereich zu einem Rechtsbereich formt.⁴⁵⁹ Dem Lebensbereich wohnt jedoch bereits eine eigene Ordnung inne, die der Gesetzgeber vorfindet und bei seiner Gestaltung berücksichtigen muss.⁴⁶⁰ Vorgaben für das jeweilige Gleichmaß folgen deshalb insbesondere aus der „Eigenart des zu regelnden Sachbereichs“⁴⁶¹. Der Gesetzgeber muss also bei der Gestaltung „die tatsächliche Gleichheit oder Ungleichheit der zu ordnenden Lebensverhältnisse“ berücksichtigen.⁴⁶² Er ist im Rahmen seines Gestaltungsraumes dabei etwa grundsätzlich frei, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er eine gesetzliche Belastung oder Begünstigung knüpft. Dabei können auch gröbere Verallgemeinerungen in Form gesetzlicher Typisierungen zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens zulässig sein.⁴⁶³ Typisierung bedeutet dabei, „in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen“⁴⁶⁴. Deshalb darf der Gesetzgeber sich am Regelfall orientieren und muss nicht jeder Besonderheit durch eine Sonderregelung Rechnung tragen.⁴⁶⁵ Der allgemeine Gleichheitssatz fordert aber in Anbetracht des jeweiligen Sachbereichs, dass der Gesetzgeber in einem solchen Fall

 Radbruch, in: Hernmarck (Hrsg.), FS Laun, 1948, S. 157 (165 ff.); vgl. auch F. Müller, Normstruktur und Normativität, 1966, 185 ff.; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 9; vgl. auch ders, in: HStR, VIII, 3. Aufl. 2018, § 181 Rn. 176.  BVerfGE 9, 338 (349) – Hebammenaltersgrenze; vgl. auch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 9 und 390 ff.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz, mit Verweis auf BVerfGE 17, 122 (130) – Wiedergutmachung; im Übrigen st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 90, 145 (196) – Cannabis; BVerfGE 93, 319 (348) – Wasserpfennig; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 105, 73 (111) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 107, 218 (244) – Beamtenbesoldung Ost I; BVerfGE 107, 257 (270) – Beamtenbesoldung Ost II; BVerfGE 112, 164 (174) – Familienbesteuerung; BVerfGE 112, 268 (297) – Kinderbetreuungskosten; BVerfGE 113, 167 (215) – Risikostrukturausgleich.  BVerfGE 9, 201 (206) – Scheineheliche Kinder; vgl. auch BVerfGE 1, 264 (275) – Bezirksschornsteinfeger; BVerfGE 3, 58 (135 f.) – Beamtenverhältnisse; BVerfGE 4, 7 (18) – Investitionshilfe; BVerfGE 4, 352 (357) – Besonderer strafrechtlicher Ehrenschutz; BVerfGE 103, 310 (319) – DDR-Dienstzeiten unter Verweise auf BVerfGE 48, 346 (357) – Witwenurteil (60 %-Rente).  St. Rspr., so etwa BVerfGE 145, 106 (145 f. Rn. 106) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. auch BVerfGE 84, 348 (359) – Zweifamilienhaus; BVerfGE 113, 167 (236) – Risikostrukturausgleich; BVerfGE 126, 268 (278 f.) – Häusliches Arbeitszimmer; BVerfGE 133, 377 (412 Rn. 86) – Ehegattensplitting.  BVerfGE 145, 106 (145 Rn. 107) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 82, 159 (185 f.) – Absatzfonds; BVerfGE 122, 210 (232) – Pendlerpauschale; BVerfGE 126, 268 (279) – Häusliches Arbeitszimmer; BVerfGE 133, 377 (412 Rn. 87) – Ehegattensplitting; BVerfGE 145, 106 (145 Rn. 107) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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auch den typischen Regelfall erfasst, da die Regelung andernfalls nicht realitätsgerecht wäre.⁴⁶⁶ Das Bundesverfassungsgericht hat dies in Hinblick auf die Erbschaftssteuer klargestellt. Das Steuerrecht folgt dem Grundsatz der Lastengleichheit.⁴⁶⁷ Zwar darf der Gesetzgeber dabei auch außerfiskalische Förder- und Leistungsziele verfolgen.⁴⁶⁸ Dazu kann er etwa bestimmte Tatbestände von einer Besteuerung verschonen.⁴⁶⁹ Ermöglicht diese Verschonungsregelung jedoch steuervermeidende Gestaltungen, die zu einer umfangreichen Steuervermeidung führen, widerspricht die vorgefundene Realität bei der Besteuerung dem gesetzlichen Förderziel.⁴⁷⁰

(cc) Folgerichtigkeit Jedes Gesetz steht in einer engen inneren und äußeren Verknüpfung zu zahlreichen anderen gesetzlichen Vorschriften. Sie bilden im gegenseitigen Wechselspiel ein „Rechtssystem“.⁴⁷¹ Eine gesetzliche Norm ist daher nicht isoliert zu betrach-

 BVerfGE 145, 106 (145 f. Rn. 106 f.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; unter Verweis auf BVerfGE 116, 164 (182 f.) – Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte; BVerfGE 122, 210 (232 f.) – Pendlerpauschale; BVerfGE 126, 268 (279) – Häusliches Arbeitszimmer; BVerfGE 132, 39 (49 Rn. 29) – Wahlberechtigung der Auslandsdeutschen; BVerfGE 133, 377 (412 Rn. 87) – Ehegattensplitting  BVerfGE 117, 1 (30) – Erbschaftssteuer; BVerfGE 121, 108 (120) – Wählervereinigungen; BVerfGE 126, 400 (417) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; BVerfGE 138, 136 (181 Rn. 123) – Erbschaftssteuer; BVerfG, Urt. v. 18.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 96 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; vgl. auch Koenig, in: ders. (Hrsg.), AO, Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 75 ff.; Friauf, in: FS Jahrreiß, 1974, S. 45 ff.  St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 93, 121 (147) – Einheitswerte II; BVerfGE 99, 280 (296) – Aufwandsentschädigung Ost; BVerfGE 105, 73 (112) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 110, 274 (292) – Ökosteuer; BVerfGE 138, 136 (181 f. Rn. 124) – Erbschaftssteuer.  BVerfGE 138, 136 (181 ff. Rn. 124 ff.) – Erbschaftssteuer.  BVerfGE 138, 136 (231 ff. Rn. 242 ff.) – Erbschaftsteuer.  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Aufl. 2018, Rn. 139; Peine, Systemwidrigkeit, 1985, S. 29 f.; dieses Begriffsverständnis einer wechselbezüglichen „Ordnung“ legt auch das Bundesverfassungsgericht zugrunde, wenn es „Systeme“ benennt, wie etwa bereits frühzeitig das „Wahlsystem“, BVerfGE 1, 208 (248) – 7,5 %-Sperrklausel, oder das „System des modernen Einkommensteuerrechts“, BVerfGE 6, 55 (67) – Steuersplitting; vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung bspw. „System des Vertragsarztrechtes“, BVerfG, Beschl. v. 15.08. 2018 – 1 BvR 1780/17, Rn. 25 – Versorgungsaufträge Dialyse, zitiert nach juris; der Streit, inwieweit die Rechtsordnung insgesamt als System zu betrachten ist, muss hier nicht entschieden werden, da es vorliegend – also in Hinblick auf das jeweilige Gleichmaß zur Untersuchung einer gesetzgeberischen Regelung – nur auf die Wechselwirkung der einschlägigen Normen und deren „Ordnung“ im jeweiligen Einzelfall ankommt; für diese „Binnensicht“ vgl. ausdrücklich BVerfGE 11, 283 (293) – Pfändung der An-

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

ten. Vielmehr ist ihre Stellung im Rechtssystem in die Betrachtung mit einzubeziehen. Die übrige Rechtsordnung allgemein, das Rechtssystem, in welches die Norm eingebettet ist, wirkt als Bestandteil des Sach- und Regelungsbereiches, aus dem Anhaltspunkte für das konkrete Gleichmaß gewonnen werden können. Für die Frage, welchen Maßstab der allgemeine Gleichheitssatz für die Überprüfung einer gesetzlichen Regelung fordert, kann es daher auch auf das „Normengeflecht“ ankommen, in welches das zu überprüfende Gesetz eingebettet ist.⁴⁷² Eine gesetzliche Regelung ist daher auch daraufhin zu untersuchen, ob sie im Widerspruch zu den übrigen Gesetzen steht. In diesen können auch Grundsatzentscheidungen zum Ausdruck kommen, denen gegenüber das zu überprüfende Gesetz dann eine abweichende, eine ungleiche Behandlung vorsieht. Diese Überlegung folgt der Überzeugung, dass es als eine Errungenschaft des Rechtsstaates anzusehen ist,⁴⁷³ auch den Gesetzeber selbst an eine einmal getroffene Entscheidung für die Dauer ihrer Gültigkeit zu binden.⁴⁷⁴ Neben dem Rechtsstaatsprinzip fordert dies der allgemeine Gleichheitssatz, denn „an einem […] einmal gewählten und der Natur der Sache entsprechenden Grundsatz […] muss der Gesetzgeber, will er nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen, folgerichtig festhalten“⁴⁷⁵. Das gilt insbesondere, wenn sich der Gesetzgeber in Bezug auf einen Regelungsgegenstand für ein bestimmtes grundsätzliches „Regelungssystem“ ent-

gestelltenrenten; kritisch hiergegen Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 313a; Zacher, AöR 93 (1968), 341 ff.; zum Systembegriff vgl. auch Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, 1840, S. 214; Möllers, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 2012, § 3 Rn. 36; Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187 (202 ff.); ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 97; Canaris, Systemdenken und Systembegriff der Jurisprudenz, 1969, S. 10 ff.; dazu kritisch insbes. Wieacker, Rechtstheorie, Bd. 1 (1970), 107 ff.; zum Systembegriff in Hinblick auf eine Systemwidrigkeit der Gesetzgebung vgl. auch Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 2 f.; sowie Canaris, das., S. 125 ff.; zum Verständnis einer systemorientierten Rechtsordnung Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 149 ff. und 450 ff.  BVerfGE 82, 60 (84) – Steuerfreies Existenzminimum; BVerfGE 89, 329 (337) – Unzulässigkeit einer Richtervorlage (§ 12 ErbStG 1974); BVerfG, Beschl. v. 07.09. 2009 – 2 BvR 1966/04, Rn. 14 – Kindergeldrückforderung, zitiert nach juris.  Willoweit, Recht und Willkür, Rechtstheorie (43) 2012, S. 143 (154).  Vgl. BVerfGE 17, 122 (132) – Wiedergutmachung; BVerfGE 60, 16 (40) – Härteausgleich; BVerfGE 98, 83 (100) – Landesrechtliche Abfallabgabe; BVerfGE 98, 106 (125 f.) – Kommunale Verpackungsteuer; BVerfGE 121, 317 (362) – Rauchverbot in Gaststätten; P. Kirchhof, in: Isenseee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd.VIII, 3. Aufl. 2009, § 181 Rn. 219; ders., in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 407.  BVerfGE 23, 242 (256) – Einheitswert (Grundstücke und Wertpapierbesitz).

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scheidet: Dieses muss er sodann folgerichtig umsetzen.⁴⁷⁶ „Bewegt der Gesetzgeber sich […] innerhalb eines von ihm selbst gesetzten Systems konkretisierter Rechtspositionen, hat er bereits bestimmte Wertungen und Vernünftigkeitsraster normiert, innerhalb deren sich der Gleichheitsgrundsatz vor allem als Forderung nach Folgerichtigkeit der Regelungen, gemessen an den Angelpunkten der gesetzlichen Wertungen, zu Wort meldet.“⁴⁷⁷ Diesen Grundsatz der Folgerichtigkeit⁴⁷⁸ betont das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung insbesondere im Bereich des Steuerrechts. Er ist aber keinesfalls auf den Bereich des Steuerrechts beschränkt,⁴⁷⁹ sondern folgt der allgemeinen Überzeugung, dass der Gesetzgeber widersprüchliche Entscheidungen an den Gesetzesadressaten vermeiden muss.⁴⁸⁰

 Für das System der Verhältniswahl BVerfGE 1, 208 (246) – 7,5 %-Sperrklausel; vgl. etwa BVerfGE 121, 317 (362) – Rauchverbot in Gaststätten.  BVerfGE 60, 16 (40) – Härteausgleich.  Vgl. BVerfGE 1, 208 (246) – 7,5 %-Sperrklausel; BVerfGE 17, 122 (132) – Wiedergutmachung; BVerfGE 23, 242 (256) – Einheitsbewertung (Grundstücke und Wertpapierbesitz); BVerfGE 25, 198 (206) – § 42 Abs. 2 G 131; BVerfGE 60, 16 (40) – Härteausgleich; BVerfGE 84, 239 (271) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 93, 121 (136) – Einheitswerte II; BVerfGE 93, 165 (172) – Erbschaftsteuer (gesonderte Bewertung); BVerfGE 98, 83 (100) – Landesrechtliche Abfallabgabe; BVerfGE 98, 106 (125 f.) – Kommunale Verpackungsteuer; BVerfGE 99, 88 (95) – Verlustabzug; BVerfGE 99, 280 (290) – Aufwandsentschädigung-Ost; BVerfGE 101, 132 (138) – Heileurythmisten; BVerfGE 101, 151 (155) – Umsatzsteuerbefreiung; BVerfGE 105, 73 (126) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 107, 27 (47) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 120, 1 (29) – Abfärberegelung; BVerfGE 121, 108 (119 f.) – Wählervereinigung; BVerfGE 121, 317 (362 f., 374) – Rauchverbot in Gaststätten; BVerfGE 122, 210 (231) – Pendlerpauschale; BVerfGE 127, 224 (245) – Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots; BVerfGE 138, 136 (181 Rn. 123, 185 Rn. 131) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 285 (309 f., Rn. 72) – Grunderwerbsteuer Einheitsbewertung; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/ 11 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, Rn. 105, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 98 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  Vgl. etwa BVerfGE 1, 208 (246) – 7,5 %-Sperrklausel, für den Bereich des Wahlrechts sowie BVerfGE 121, 317 (362) – Rauchverbot in Gaststätten, für die folgerichtige Fortsetzung einer einmal getroffenen Gefahreneinschätzung; weitere Nachweise bei P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 416.  BVerfGE 98, 83 (100) – Landesrechtliche Abfallabgabe; BVerfGE 98, 106 (125) – Kommunale Verpackungssteuer; vgl. auch BVerfGE 84, 239 (271) – Kapitalertragsteuer; BVerfGE 93, 121 (136) – Einheitswerte II; BVerfGE 101, 151 (155) – Umsatzsteuerbefreiung; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, S. 125; vgl. auch (zurückhaltend) Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1998, Nachdr. der 2. Aufl. 1998, S. 273; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, Nachdr. 1987 d. Ausgabe v. 1935, S. 59 ff.; zur rechtsstaatlichen Anforderung der Widerspruchsfreiheit vgl. P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 9 und 407; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 35, bezeichnet dies als „Inkonsequenzen“; Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip, 1980, S. 142.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Entscheidet sich der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsraumes beispielsweise für ein bestimmtes Wahlsystem, kann er zwar die Einzelheiten unterschiedlich ausgestalten, muss aber die Grundentscheidungen des jeweiligen Systems berücksichtigen und darf keine strukturwidrigen Elemente einführen.⁴⁸¹ Legt er eine allgemeine Umsatzsteuer fest und wählt als Belastungsgegenstand die Kaufkraft des Konsumenten, da diese Steuer immer auf den Endverbraucher abgewälzt wird, widerspricht eine Begünstigung einzelner Unternehmer der Grundsatzentscheidung die Steuer an den Verbraucher abzuwälzen. Systemgerecht wären nur Begünstigungen einzelner Verbrauchergruppen.⁴⁸² Entscheidet sich der Gesetzgeber zur Bemessung der Grundsteuer zu einem Ermittlungsverfahren, das auf regelmäßige, periodische Wertfeststellungen ausgerichtet ist, bleiben diese Wertfeststellungen dann jedoch aus, „bricht der Gesetzgeber vielmehr ein zentrales Element aus dem System der Einheitsbewertung heraus, das unverzichtbar zur Gewinnung in ihrer Relation realitätsnaher Bewertungen ist“⁴⁸³. Dadurch wird das gewählte Regelungssystem widersprüchlich, begründet eine strukturelle Ungleichbehandlung, für die es keinen sachlichen Grund gibt, und kann daher verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden.⁴⁸⁴ Im Rahmen der Systementscheidung muss der Gesetzgeber das System folgerichtig fortentwickeln und umsetzen, solange es fortgilt. Regelt der Gesetzgeber beispielsweise ein Verfahren, um die tatsächliche Einwohnerzahl einer Gemeinde zu ermitteln und greift er hierfür auf eine Schichtung nach der Anschriften- und Gebäudegröße zurück,⁴⁸⁵ kann der Verordnungsgeber die Anzahl der Schichten später folgerichtig nach den Anforderungen des Ermittlungsverfahrens festlegen.⁴⁸⁶ Er muss es dabei lediglich vermeiden, sich mit seinen Entscheidungen in Widerspruch zu einer fortgeltenden Regelung zu setzen, da so widersprüchliche Anweisungen an die Gesetzesadressaten entstehen würden. Teile der Literatur⁴⁸⁷ kritisieren daran, dass hierdurch der Gestaltungsraum des Gesetzgebers zu sehr eingeschränkt werde.⁴⁸⁸ Es entstünde eine Normen-

 BVerfGE 120, 82 (103 f.) – Sperrklausel Kommunalwahlen.  BVerfGE 101, 151 (155) – Umsatzsteuerbefreiung, unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum 2. Haushaltsstrukturgesetz, BTDrucks 9/842, S. 74.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 132 – Einheitsbewertung Grundsteuer; zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 133 – Einheitsbewertung Grundsteuer; zitiert nach juris.  Vgl. hierzu § 7 Abs. 3 Satz 4 ZensG 2011.  BVerfG, Urt. v. 19.09. 2018 – 2 BvF 1/15, Rn. 173 – Zensus 2011, zitiert nach juris.  Ausführliche Nachweise bei Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 197 Fn. 502.

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hierarchie⁴⁸⁹ zwischen Gesetzen unterhalb des Verfassungsranges, die in der Verfassung keine Stütze fände.⁴⁹⁰ Dagegen müsse das Gesetzesrecht sowohl für dynamische Veränderungen als auch für politische Kompromisse offen sein, um nicht „zu versteinern“.⁴⁹¹ In der Tat muss das Gesetzesrecht für eine dynamische Veränderung offen sein, um sich an geänderte gesellschaftliche und tatsächliche Verhältnisse anpassen zu können.⁴⁹² Dieses Ziel kann jedoch auch dann erreicht werden, wenn der Gesetzgeber bestehende Grundsatzentscheidungen beachten muss. Ist eine folgerichtige, widerspruchsfreie gesetzliche Regelung der veränderten Verhältnisse nicht möglich, kann entweder die vorliegende Ungleichbehandlung durch die geänderten Lebensverhältnisse gerechtfertigt sein oder aber der Gesetzgeber kann insgesamt – auch mit Hilfe von Übergangsregelungen – ein neues System etablieren. Dem Gesetzgeber steht es frei, durch Gesetzesgestaltung das gesamte einschlägige „System“ im Wege einer neuen Grundsatzentscheidung, einer Neukonzeption, umzugestalten:⁴⁹³

 Kischel, BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 96; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 299 f.; Morgenthaler, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 51 (64 ff.); zum „Versteinern“ des Rechts vgl. auch Wieacker, in: Jurist. Studiengesellsch. Karlsruhe (Hrsg.), Heft 34 (1958), S. 3 ff.  Dies bezweckend: Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 82 ff.  Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 89; Gusy, NJW 1988, 2505, (2508); Kischel, AöR 124 (1999), 174 (204 f.); Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaates, 1983, S. 126 ff.; zurückhaltend, weil es „keine Unterschiede zwischen altem und neuem Recht“ gebe: Rüfner, in: BK-GG, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 32.  Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 16; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (205); Rüfner, in: BK-GG, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 39.  BVerfGE 60, 16 (43) – Härteausgleich; exemplarisch für das Recht des Berufsbeamtentums vgl. BVerfGE 70, 69 (79) – Übergangsregelung Beamtenversorgungsrecht: „Dem Gesetzgeber steht daher bei der Ausgestaltung des Beamtenrechts ein weiter Spielraum zur Verfügung, der ihm ausreichende Gestaltungsfreiheit lässt und ihn in die Lage versetzt, einer Versteinerung bestehender Rechtsstrukturen entgegenzuwirken“; vgl. für das Steuerrecht und die Möglichkeit einer Anpassung des Steuersystems gem. Art. 105 Abs. 2 GG, BVerfGE 145, 171 (234, Rn. 11) – Kernbrennstoffsteuergesetz, Sondervotum Huber und Müller; vgl. auch Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2018, Art. 105 Rn. 33; T. I. Schmidt, StuW 2015, 171 (175).  Dies ausdrücklich als unzureichend ablehnend Kischel, AöR 124 (1999), 124 (205 f.); das Bundesverfassungsgericht drückt dagegen implizit aus, dass der Gesetzgeber das Versteinern durch eine – im Übrigen systemkonforme – Neuregelung oder Verbesserung verhindern kann: Damit etwa die Besoldungsordnung in ihrem Bestand nicht versteinert, hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum zur Neuregelung und Verbesserung; vgl. etwa bei der Bewertung eines Amtes im Verhältnis zu einem anderen Amt, BVerfGE 145, 304 (332 Rn. 86) – Ostbesoldung Besoldungsangleichung.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

„Die dem Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst von Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu sein. Dies setzt allerdings voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird; anderenfalls ließe sich jedwede Ausnahmeregelung als (Anfang einer) Neukonzeption deklarieren.“⁴⁹⁴

Abgesehen davon folgt auch aus einem Verstoß gegen das vorgefundene Regelungssystem nicht zwingend die Verfassungswidrigkeit der Norm: Abweichungen müssen vielmehr durch einen besonderen sachlichen Grund gerechtfertigt sein.⁴⁹⁵ Dadurch wird ein angemessener Ausgleich gewährleistet zwischen dem Erfordernis, dass das Recht dynamisch bleiben und Ausnahmen ermöglichen muss einerseits, und dem Erfordernis der Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung andererseits. Insofern verhindern die einschlägigen Normen und eine Bindung des Gesetzgebers an deren System nicht die Veränderung des Rechts, sondern nur eine widersprüchliche Veränderung des Rechts: „Das Folgerichtigkeitsprinzip beanstandet deshalb, auch wenn es an gesetzliche Vorgaben anknüpft, nicht jede gesetzespolitische Unzulänglichkeit, nicht einen bloßen Verstoß gegen die vom Gesetzgeber gewählte Systematik, nach der eine Materie geordnet werden soll, sondern korrigiert nur eine gesetzliche Abweichung von einem gesetzlichen Leitgedanken, wenn das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe die Ausnahmeregelung nicht rechtfertigen kann.“ ⁴⁹⁶ Das Gebot der Folgerichtigkeit dient insgesamt also dem Zweck, widersprüchliche Anweisungen an den Gesetzesadressaten zu vermeiden, um so eine widerspruchsfreie Rechtsordnung zu gewährleisten.⁴⁹⁷ Der Gesetzgeber wird damit nicht grundsätzlich in seiner Gestaltungsfreiheit eingeschränkt, sondern nur dazu verpflichtet, die von ihm erlassenen Rechtsnormen aufeinander abzustimmen.⁴⁹⁸ Daher verletzen diese Vorgaben für den Gesetzgeber auch nicht das Demokratieprinzip, weil hierdurch keine herrschaftliche Entscheidung über mehrere

 BVerfGE 122, 210 (241) – Pendlerpauschale.  St. Rspr., jüngst BVerfGE 145, 106 (144, Rn. 104) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; so auch etwa BVerfGE 122, 210 (231) – Pendlerpauschale; BVerfGE 123, 111 (121) – Jubiläumsrückstellung; BVerfGE 136, 127 (144) – § 54 Abs. 6 KStG.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 415 m. w. N.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 9 und 407; vgl. auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, S. 125; vgl. auch (zurückhaltend) Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1999, Nachdr. der 2. Aufl. 1998, S. 273; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, Nachdr. 1987 d. Ausgabe v. 1935, S. 59 ff.  BVerfGE 129, 49 (73) – Mediziner-BAföG.

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Legislaturperioden abgesichert wird. Das Demokratieprinzip fordert grundsätzlich für alle Hoheitsakte eine ununterbrochene Legitimationskette zum Staatsvolk.⁴⁹⁹ Die so legitimierte Herrschaft ist jedoch nach dem Grundsatz der Periodizität nur eine Herrschaft auf Zeit.⁵⁰⁰ Insofern gilt parlamentarische Diskontinuität, die sicherstellt, dass das neu gewählte Parlament nicht durch unvollendete Entscheidungen seines Vorgängers belastet wird.⁵⁰¹ Würde ein Legislativakt auch die zukünftigen Parlamente binden, wäre der Grundsatz der Periodizität verletzt. Denn einer solchen Bindungsentscheidung fehlte es an demokratischer Legitimation. Die grundsätzliche Freiheit des Parlaments, unbeschadet der vorangegangenen Legislaturperioden zu entscheiden, bedeutet aber nicht, dass der demokratisch gewählte und damit unmittelbar legitimierte Souverän nicht an das geltende Recht gebunden wäre. Vielmehr fordert das Demokratieprinzip selbst, dass alles Staatshandeln auch sachlich-inhaltlich demokratisch legitimiert ist; das aber ist nur der Fall, wenn auch der Gesetzgeber sich inhaltlich an das geltende Recht hält.⁵⁰² In der Verpflichtung zur folgerichtigen und widerspruchsfreien Fortgestaltung der Rechtsordnung kommt insofern die rechtsstaatliche Überzeugung zum Ausdruck, dass auch der Herrscher selbst an die von ihm geschaffenen Gesetze gebunden ist.⁵⁰³ Das Demokratieprinzip kann daher nicht dadurch verletzt sein, dass der Gesetzgeber geltendes Recht beachten muss. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird dadurch gewahrt, dass es diesem freisteht, gesetzliche Systeme umzuwandeln oder auszutauschen. Diese Möglichkeit hat das Bundesverfassungsgericht jüngst in einer Entscheidung zur Arbeitslosenversicherung betont. Erhebt der Staat Abgaben, um die Sozialversicherung zu

 BVerfGE 83, 37 (50 ff.) – Ausländerwahlrecht I; BVerfGE 83, 60 – Ausländerwahlrecht II; E. W. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 10 f., 14 f.; Badura, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 25 Rn. 30 f.  BVerfGE 144, 20 (196 Rn. 517) – NPD-Verbotsverfahren; Pünder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 123 Rn. 58.  Hettche, Die Beteiligung der Legislative bei Vorbehalten zu und Kündigung von völkerrechtlichen Verträgen, 2018, S. 292; zwischen den Wahlperioden besteht auch hinsichtlich der parlamentarischen Funktionen eine strenge Zäsur, Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 102 Rn. 41 und Rn. 43, der diesen jedoch im Ergebnis nicht aus materiellem Verfassungsrecht, sondern als Verfassungsgewohnheitsrecht ableitet; vgl. dazu auch H. Schneider, Gesetzgebung, 3, Aufl. 2002, Rn. 136.  E. W. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 23; im Verfassungsstaat bedeutet Herrschaft des Volkes die Herrschaft des Rechts, Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (39); Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (49 ff.).  P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2009, § 181 Rn. 219.

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finanzieren, fordert das Prinzip der Belastungsgleichheit, dass die Abgaben zweckgebunden für die Versicherung aufgewendet werden.⁵⁰⁴ Dabei hat er einen weiten Gestaltungsraum, der sich auch auf die Notwendigkeit von Übergangsregelungen erstreckt.⁵⁰⁵ Die grundsätzliche Pflicht zur folgerichtigen Fortgestaltung des Rechts verbietet schließlich nicht einmal grundsätzlich, dass der Gesetzgeber mit einer Regelung in Einzelfällen von dem Regelungssystem abweicht, sondern sie konkretisiert den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes, erhöht die Anforderungen an das jeweilige Gleichmaß und verlangt angesichts der erhöhten Rechtfertigungslast für den Gesetzgeber dann, dass es für diese Abweichung besondere sachliche Gründe gibt.⁵⁰⁶ Weitere Anhaltspunkte für das konkrete Gleichmaß folgen daher aus den übrigen einschlägigen Regelungen der Rechtsordnung.⁵⁰⁷ Dadurch erhält der Gleichheitssatz weitere Klarheit und Bestimmtheit.⁵⁰⁸ Gestaltet der Gesetzgeber neue Regelungen, muss er bereits vorhandene Regelungssysteme und Grundentscheidungen berücksichtigen.⁵⁰⁹ Berührt eine Regelung das Gebot der Folgerichtigkeit, konkretisiert dies den Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes und erhöht dabei die Rechtfertigungsanforderungen für den Gesetzgeber.

 BVerfG, Urt. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1758/12, Rn. 71 ff. – Transferzahlungen Bundesagentur, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1758/12, Rn. 82 ff. – Transferzahlungen Bundesagentur, zitiert nach juris.  St. Rspr., BVerfGE 145, 106 (144, Rn. 104) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu J. Lang, GmbHR 2012, 57 (60).  Zur Abgrenzung zwischen dem Grundsatz der Folgerichtigkeit und einer allgemeinen Systembindung des Gesetzgebers, die zu Recht abgelehnt wird, vgl. P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 405 ff.; für Kritik an einer allgemeinen Systembindung vgl. die Nachweise bei Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 197 Fn. 502; krit. Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (57), der argumentiert, Systemgerechtigkeit tauge nicht als Prüfungsmaßstab.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 423.  Allerdings in einem an Art. 3 Abs. 1 GG zu messenden, abgestuften Umfang, der nur Widersprüche ausschließt, nicht jedoch eine umfassende Bindung des Gesetzgebers an das Regelungssystem bewirkt; Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 38 sieht in der Systemwidrigkeit der Norm ein „Indiz“ für einen Gleichheitsverstoß; die Widersprüchlichkeit sei materielle Grenze, Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 88; als allgemeine Ausprägung eines Gerechtigkeitsgedankens Robbers, DÖV 1988, 749 (755). krit. Peine, Systemgerechtigkeit, 1980, S. 302 f.

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c. Strengere Bindung Der materielle Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Gleichheitskontrolle ist, wie gesehen, ein allgemeines Willkürverbot.⁵¹⁰ Der Gesetzgeber hat grundsätzlich einen weiten Gestaltungsraum. Der Weite des Gestaltungsraumes entspricht dabei die Dichte der verfassungsgerichtlichen Prüfung;⁵¹¹ beide korrelieren dergestalt, dass der Gestaltungsraum kleiner wird, je mehr sich die verfassungsgerichtliche Prüfung verdichtet.⁵¹² Je nach betroffenem Sachbereich können daher die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung stufenlos steigen. Bei Willkürverbot und dem Gebot verhältnismäßiger Gleichheit handelt es sich nicht um unterschiedliche Maßstäbe, sondern um einen einheitlichen Prüfungsmaßstab⁵¹³ mit unterschiedlich hohen Anforderungen für das jeweilige Gleichmaß im konkreten Einzelfall je nach betroffenem Sachbereich. Indem aus dem Sachbereich jedoch weitere Einschränkungen für den Gesetzgeber folgen, ist das jeweilige Gleichmaß in der Praxis tatsächlich nur in Ausnahmefällen die Willkürkontrolle.⁵¹⁴ Strengere Vorgaben für den Gesetzgeber fordert der Regelungsbereich, wie dargestellt, insbesondere, wenn der Status der Normadressaten betroffen ist, wenn im Sachbereich eine tatsächliche Gleichheit oder Ungleichheit der zu ordnenden Lebensverhältnisse angelegt ist oder, wenn die übrigen gesetzlichen Regelungen ein System bilden, welches Kriterien für Gleich- oder Ungleichbehandlung bereitstellt, welches der Gesetzgeber sodann fortentwickeln muss. Daneben gibt es jedoch weitere Fallgruppen, in denen das Bundesverfassungsgericht aus dem betroffenen Sach- und Regelungsbereich eine strengere Prüfung abgeleitet hat.

 Zur Dogmatik vgl. Britz, NJW 2014, 346; Pietzcker, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 5, 2013, § 125 Rn. 40 f., 45 f.; Nußberger, in: Sachs GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 8 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 7 f., 14 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 18 f.; Boysen, in v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn 51 f.; vgl. auch BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 124, 199 (220) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; BVerfGE 129, 49 (69) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 130, 240 (254) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz; BVerfGE 132, 179 (188 f. Rn. 31) – Grunderwerbsteuer, Lebenspartnerschaft; BVerfGE 138, 136 (180 f. Rn. 122) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 1 (13 Rn. 39) – Grunderwerbsteuer Baulandumlegung.  BVerfGE 91, 346 (363) – Abfindung des Miterben; BVerfGE 91, 389 (401) – Ausbildungsförderung.  Dazu krit. Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (49 f.).  So auch Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 26.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 266.

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(aa) Betroffenheit in Freiheitsrechten Der allgemeine Gleichheitssatz wirkt im „Kontext der Gesamtverfassung“⁵¹⁵ und empfängt Gehalt aus den übrigen verfassungsrechtlichen Vorgaben.⁵¹⁶ Das Bundesverfassungsgericht formuliert: „Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen.“⁵¹⁷ Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann dementsprechend aus der Betroffenheit grundgesetzlicher Vorgaben und Wertentscheidungen,⁵¹⁸ insbesondere aus den Freiheitsrechten⁵¹⁹ folgen. Der Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes, verschärft sich, wenn sich die Ungleichbehandlung nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt.⁵²⁰ Die hier geltende strengere Bindung wird jedoch regelmäßig durch die Spezialität der Freiheitsrechte zurückgedrängt.⁵²¹ Diese sind vorrangig zu prüfen, sofern nicht der Schwerpunkt des streitigen Gesetzes ein gleichheitsrechtliches Problem aufwirft.⁵²² Liegt hingegen der verfassungsrechtliche Schwerpunkt in einer sachwidrigen Gleich- oder Ungleichheit durch das Gesetz, nimmt der allgemeine Gleichheitssatz die Wertungen der Freiheits-

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 93.  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2010, Art. 3 Rn. 16 ff.; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 93.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II.  Für das Sozialstaatsprinzip etwa Sondervotum der Richterin Rupp-v. Brünneck. in BVerfGE 36, 237 (248 ff.) – Nachversicherung; so auch BVerfGE 39, 316 (327) – Kinderzuschuss in der Knappschaft; BVerfGE 44, 283 (290) – Zweites Wohngeldgesetz; BVerfGE 99, 367 (395) – Montan Mitbestimmung; für die Rechtssicherheit als Teil des Rechtsstaatsprinzips BVerfGE 15, 313 (319 f., 322 f.) – Gewerbesteuerpflicht; für den Umweltschutz Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 87.  BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 122) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 285 (309 Rn. 71) –Grunderwerbsteuer Einheitsbewertung; BVerfGE 145, 20 (86 Rn. 171) – Spielhallen; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 105 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 64 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zitiert nach juris; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 146; kritisch: Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 108; differenziert: Englisch, in: Stern/Becker (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 142.  BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; so jedoch bereits auch BVerfGE 60, 123 (134) – Junge Transsexuelle; sowie BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268; Englisch, in: Stern/Becker (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn 142; so auch Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 108.  Vgl. BVerfGE 121, 317 (358) – Rauchverbot in Gaststätten; so auch P. Kirchhof, in: Maunz/ Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 183 und 189.

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grundrechte auf, sodass die Gleich- oder Ungleichbehandlung an strengere Rechtfertigungserfordernisse gebunden ist.⁵²³ In diesem Zusammenhang wird häufig die Transsexuellenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.01.1993 zitiert.⁵²⁴ Den Einfluss verfassungsrechtlicher Normen, insbesondere der Freiheitsrechte auf den Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes hatte das Bundesverfassungsgericht jedoch bereits zuvor wiederholt betont.⁵²⁵ Das Bundesverfassungsgericht hat bereits unter Zugrundelegung der „Willkürformel“ abgewogen, ob die jeweiligen Sachgründe die gesetzliche Ungleichbehandlung rechtfertigen. So heißt es in der Gleichberechtigungs-Entscheidung vom 18.12. 1953: „Der Sinn des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt zu einem wesentlichen Teil darin, dass nicht alle tatsächlichen Verschiedenheiten zu unterschiedlicher Behandlung im Recht führen dürfen, sondern nur solche tatsächliche Ungleichheiten, denen aus Erwägungen der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit auch für das Recht unterscheidende Bedeutung zukommt. Dies zu entscheiden ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers. Doch findet sein Ermessen eine Grenze – und damit Art. 3 Abs. 1 GG seinen aktuellen Gehalt – im Willkürverbot und in den Konkretisierungen des Gleichheitssatzes durch die Verfassung selbst, wie sie neben Art. 3 Abs. 2 und 3 zum Beispiel auch in Art. 6 Abs. 5, Art. 9 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 gegeben sind.“⁵²⁶

Schon in dieser Entscheidung wird deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht den von einem Willkürverbot ausgehend zu konkretisierenden Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes anhand der übrigen verfassungsrechtlichen Wertungen verschärft. Die aufgeführten Normen sind dabei nur exemplarisch, wie das Bundesverfassungsgericht durch die Formulierung „zum Beispiel“ ausdrücklich hervorhebt. In Übereinstimmung mit dieser grundsätzlichen Wertung entschied das Bundesverfassungsgericht außerdem, dass sich der Gestaltungsraum des Gesetzgebers auch dann verengen könne, wenn die Ungleichbehandlung die Freiheit der Berufswahl – also ein nach Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Freiheits-

 BVerfGE 13, 290 (295 f.) – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse, mit Verweis auf BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung; BVerfGE 6, 55 (71) – Steuersplitting; BVerfGE 9, 237 (248) – EhegattenMitwirkungsverträge; BVerfGE 12, 151 (163) – Ehegattenfreibetrag; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 140; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 93; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 203.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; vgl. Kischel, BeckOK GG, 39. Edition 2018, Art. 3 Rn. 48, der grundlegend auf BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsfristen für Arbeiter, verweist.  Vgl. etwa BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung; zu Art. 6 GG insbesondere BVerfGE 13, 290 (295 f.) – Ehegatten-Arbeitsverhältnisse; zu Art. 12 vgl. BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW und BVerfGE 60, 123 (134) – Junge Transsexuelle.  BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung.

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recht – beeinträchtige.⁵²⁷ Betrifft der Sach- und Regelungsbereich eines Gesetzes daher die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, verdichtet sich der Prüfungsmaßstab entsprechend der jeweiligen freiheitsrechtlichen Wertung. Dies sichert im Ergebnis eine einheitliche Antwort der Verfassung auf die jeweilige Anfrage des zu regelnden Gegenstandes, da der Gestaltungsraum des Gesetzgebers im Rahmen der Überprüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes „nicht breiter sein kann“ als bei solchen Regelungen, die unmittelbar in ein Freiheitsrecht eingreifen.⁵²⁸ Dass der allgemeine Gleichheitssatz in seinen offenen Prüfungsmaßstab die Wertungen der übrigen Freiheitsrechte in sich aufnimmt, sichert also zusätzlich ab, dass die Verfassung keine widersprüchlichen Aussagen trifft, je nachdem, ob der Schwerpunkt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung die freiheitsrechtliche Eingriffsintensität oder die gleichheitsrechtlich angemessene Verallgemeinerung betrifft. In der jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes aufgrund der ausstrahlenden Wertung der Freiheitsgrundrechte sogar eine reine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt.⁵²⁹ Gegenstand der Verfassungsbeschwerde waren die §§ 13a und 13b EStG, die ermöglichten, dass gewisse unternehmerisch gebundene Vermögen bei der Berechnung der Erbschaftsteuer nicht berücksichtig wurden. In diesem Fall leitete das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zwar keine (weitere) Verdichtung des Prüfungsmaßstabs aus den betroffenen Freiheitsrechten ab.⁵³⁰ Dennoch prüfte es die vorliegende Ungleichbehandlung anhand strenger Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte. Dies scheint zunächst nicht die These zu stützen, dass die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den ausstrahlenden Freiheitsrechten beruht. Diese verneinende Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich indes nur auf die weitere Verschärfung des Prüfungsmaßstabs; ungeachtet dessen war die dort durchgeführte Verhältnismäßigkeitsprüfung zugleich Ausdruck der durch die ungleiche Besteuerung beeinträchtigten Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.⁵³¹ Für den Bereich des Erbrechts gab es eine steuerrechtliche Besonderheit zu berücksichtigen: Der Erbe eines betrieblich gebundenen Vermögens ist steuerlich weniger leistungsfähig, weil das geerbte Vermögen im Unternehmen gebunden und damit weniger liquide ist.⁵³² Die Besteuerung eines langfristig gebundenen Vermögens durch die Erbschaftsteuer

     

BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW. BVerfGE 37, 342 (353 f.) – Juristenausbildungsgesetz NRW. BVerfGE 138, 136 (179 ff. Rn. 120 ff.) – Erbschaftsteuer. BVerfGE 138, 136 (182 Rn. 126) – Erbschaftsteuer. Vgl. dazu P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 270. BVerfGE 93, 165 (175 f.) – Erbschaftsteuer (Gesonderte Bewertung).

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stellt dabei einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG dar, der verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein muss.⁵³³ Dieses Rechtfertigungserfordernis ist auch dann zu berücksichtigen, wenn Schwerpunkt der Prüfung eine Ungleichbehandlung ist, die dadurch entsteht, dass das Gesetz Gestaltungen zulässt, die eine umfangreiche Verschonung der Besteuerung ermöglichen.⁵³⁴ Damit fordert das betroffene Freiheitsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG eine Prüfung anhand von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Bedarf daneben auch die Ungleichbehandlung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, spiegelt der verdichtete Prüfungsmaßstab die Anforderungen der Freiheitsbeschränkung wider. Damit nimmt der allgemeine Gleichheitssatz einerseits die freiheitsrechtlichen Anforderungen des Regelungsbereichs auf, gewinnt aber andererseits für die Rechtfertigung der konkreten Ungleichbehandlung einen eigenen Maßstab aus der Vergleichsperspektive innerhalb des betroffenen Regelungsbereiches. Insofern ist es widerspruchsfrei möglich, dass einerseits die Freiheitsrechte den Umfang der Prüfung mitbestimmen, andererseits keinen weiteren Einfluss auf die inhaltlichen Anforderungen der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nehmen. Die Entscheidung verdeutlicht damit den dargestellten Unterschied zwischen Freiheits- und Gleichheitsprüfung.⁵³⁵ Deutlich wird dabei außerdem, dass die Prüfungsdichte des allgemeinen Gleichheitssatzes anhand der Vergleichsperspektive innerhalb des Regelungsgegenstandes zu gewinnen ist und nicht aus einer Annäherung der freiheitlichen Verhältnismäßigkeitserfordernisse entspringt.

(bb) Verfügbarkeit Weiterhin kann eine Verschärfung des Prüfungsmaßstabs daraus folgen, dass das Differenzierungsmerkmal eines Gesetzes für den Betroffenen nicht verfügbar ist. Namentlich „verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind“⁵³⁶. Umgekehrt sinkt die Prüfungsintensität, wenn der Betroffene das Ergebnis der Differenzierung beeinflussen kann, „dies gilt insbesondere dann, wenn die Betroffenen die Anwendung der eine Ungleichbehandlung auslösenden

 BVerfGE 93, 165 (176) – Erbschaftsteuer (Gesonderte Bewertung).  BVerfGE 138, 136 (183 ff. Rn. 128 ff.) – Erbschaftsteuer.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 270.  St. Rspr., BVerfGE 129, 49 (69) – Mediziner-BAföG; aus jüngerer Zeit vgl. insbesondere BVerfGE 145, 20 (87 Rn. 173) – Spielhallen; BVerfGE 145, 106 (145 Rn. 105) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 64 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zitiert nach juris.

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Regelung durch Gebrauchmachen von einer Wahlmöglichkeit beeinflussen oder gar ausschließen können“⁵³⁷. Diese Verschärfung gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um eine personen-, sachverhalts- oder verhaltensbezogene Differenzierung handelt.⁵³⁸ Unverfügbare personenbezogene Merkmale nähern sich inhaltlich jedoch zwangsläufig den Kriterien des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG an. Deshalb sind sie dann in der Regel unter diese Fallgruppe zu subsumieren.⁵³⁹ Bei verhaltensbezogenen Differenzierungen hängt dabei die Prüfungsintensität davon ab, „inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird“⁵⁴⁰. Schließt ein Gesetz die Geltendmachung von Parteivortrag in der Berufungsinstanz aus, weil die Partei diesen in erster Instanz unterlassen hat,⁵⁴¹ gilt ein lockereres Gleichmaß, als wenn ein Gesetz eine staatliche Leistung von der deutschen Staatsangehörigkeit abhängig macht.⁵⁴² Im ersten Fall haben es die Betroffenen selbst in der Hand, bereits in der ersten Instanz vollständigen Sachvortrag zu leisten. Im zweiten Fall ist es für die von der Begünstigung Ausgeschlossenen kaum möglich, die Förderung zu erhalten, weil eine Änderung der Staatsbürgerschaft nur unter sehr hohen Voraussetzungen überhaupt möglich ist. Auch im Fall der Präklusion von Parteivortrag liegt eine Ungleichbehandlung vor: Hat eine Partei in der ersten Instanz die streitige Tatsache bereits vorgetragen, kann sie in der Berufungsinstanz ihren Vortrag hierauf stützen. Hat sie einen solchen Tatsachenvortrag unterlassen, ist er in der zweiten Instanz versagt.⁵⁴³ Es handelt sich um den gleichen tatsächlichen Sachverhalt, der rechtlich sehr unterschiedlich behandelt wird. Die Unterscheidung hängt aber davon ab, wie sich die Partei erstinstanzlich verhalten hat. Deshalb unterliegt die Ungleichbehandlung keiner strengeren Gleichheitsbindung. In einem solchen Fall ist es „grundsätzlich Sache des Betroffenen, sich auf diese Regelung einzustellen und nachteiligen Auswirkungen durch eigenes Verhalten zu begegnen“⁵⁴⁴. Die gesetzliche Differenzierung zwischen einer Partei, die in der ersten Instanz einen vollstän-

 BVerfGE 145, 249 (298 Rn. 97) – Anrechnung auf Ruhegehalt.  Insofern ist das Kriterium der Verfügbarkeit weiter, vgl. Wollenschläger, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 144; es bestehen inhaltlich keine Unterschiede, ob die Unterscheidung für die Betroffenen „verfügbar“ oder „vermeidbar“ ist, Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 46; so auch Britz, NJW 2014, 346 (350).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II.  BVerfGE 55, 72 (89) – Präklusion I.  BVerfGE 130, 240 (254 f.) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgestez.  BVerfGE 55, 72 (89) – Präklusion I, zu den Voraussetzungen des § 531 ZPO vgl. statt vieler, Rimmelspacher, in: MüKo ZPO, 5. Auflage 2016, § 531 Rn. 17 ff.  BVerfGE 55, 72 (89) – Präklusion I.

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digen Tatsachenvortrag geleistet hat, und einer Partei, welche in der zweiten Instanz neuen Sachvortrag leistet, kann deshalb bereits durch den sachlichen Grund der Prozessökonomie gerechtfertigt sein:⁵⁴⁵ Denn insofern dient es der Beschleunigung des Verfahrens, die Prozessparteien dazu anzuhalten, bereits erstinstanzlich einen vollständigen Tatsachenvortrag zu leisten.⁵⁴⁶ Hat der zur Entscheidung berufene erstinstanzliche Richter eine vollständige Tatsachengrundlage, ist eine Verhandlung in zweiter Instanz weniger wahrscheinlich.⁵⁴⁷ Ähnlich entschied das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einer Verzinsungsregelung für Kartellbußen. Nach § 81 Abs. 6 GWB sind im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen zu verzinsen. Bußgeldbescheide gegen natürlich Personen werden hingegen nicht verzinst, auch wenn gegen natürliche Personen gleichermaßen Kartellbußen verhängt werden können.⁵⁴⁸ Sinn und Zweck dieser Regelung ist es zu verhindern, dass die Betroffenen durch einen – wenn auch rechtlich ohnehin aussichtslosen – Einspruch Zinsvorteile generieren können, weil die üblicherweise sehr hohen Kartellbußen während der ebenfalls üblicherweise langen Verfahrensdauer nicht verzinst würden.⁵⁴⁹ Der Gesetzgeber nahm an, die Betroffenen hätten in der Vergangenheit den Einspruch zu diesem Zweck missbraucht und diesen vor einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen.⁵⁵⁰ Durch die Rücknahme hatten die Gerichte keine Möglichkeit mehr, die Zinsen für die Dauer des Verfahrens festzusetzen. Während das OLG Düsseldorf in einem Beschluss über die Aussetzung der Vollstreckung eines nach § 81 Abs. 6 GWB festgesetzten Zinsbetrages in der Ungleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung sah,⁵⁵¹ hält diese Ungleichbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht einer Überprüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes stand. Für die verfassungsgerichtliche Überprüfung gilt in diesem Fall nämlich nur ein lockerer Prüfungsmaßstab, weil die Betroffenen es durch ihr eigenes Verhalten selbst in  BVerfGE 55, 72 (90) – Präklusion I.  Vgl. dazu BT-Drs. 14/4722, 64, 100 sowie Rimmelspacher, in: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 529 Rn. 1 und § 531 Rn. 2.  Auch deshalb, weil der „Flucht in die Berufung“ der Anreiz genommen wird, Rimmelspacher, ni: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 529 Rn. 1.  BVerfGE 133, 1 (15 Rn. 49) – Verzinsung von Kartellbußen.  So ausdrücklich BT-Drucks. 15/3640, S. 42 sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/3640, S. 91; krit. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.05. 2011 – V-1 Kart 1/11 OWi, BeckRS 2011, 17167.  BT-Drucks. 15/3640, S. 67.  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.05. 2011 – V-1 Kart 1/11 OWi, BeckRS 2011, 17167.

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der Hand haben, die sie treffende Ungleichbehandlung zu gestalten.⁵⁵² In diesem Fall sind „über das Willkürverbot hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen“⁵⁵³. Insofern ist es ein hinreichender sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung, dass die Missbrauchsgefahr, die das Gesetz verhindern will, rein tatsächlich in der Regel nur bei juristischen Personen besteht, weil Kartellbußen gegen natürliche Personen in der Praxis kaum verhängt werden und deren übliche Höhe keine Missbrauchsgefahr erwarten lässt; die dahingehende Einschätzung des Gesetzgebers ist nachvollziehbar und bewegt sich deshalb im Rahmen seines Prognosespielraums.⁵⁵⁴ Umgekehrt ist der Rechtfertigungsmaßstab für den Gesetzgeber strenger, wenn die Betroffenen eine nur sehr eingeschränkte Möglichkeit haben, die Differenzierung durch ihr Verhalten zu beeinflussen. Dies gilt etwa für eine Änderung der Staatsbürgerschaft: Diese könnte man sowohl als personen- als auch als verhaltensbezogene unverfügbare Differenzierung auffassen. Da die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit zu wechseln, den Betroffenen nur sehr eingeschränkt eröffnet ist, hat das Bundesverfassungsgericht den Maßstab einer verhaltensbezogenen unverfügbaren Differenzierung zugrunde gelegt.⁵⁵⁵ Denn Art. 3 Abs. 1 GG ist zwar ein Menschenrecht und steht damit grundsätzlich allen Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit⁵⁵⁶ oder ihrem Wohnsitz zu.⁵⁵⁷ Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt aber nicht generell nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren.⁵⁵⁸ Es gilt deshalb ein strengerer Prüfungsmaßstab, weil die Staatsangehörigkeit für die Betroffenen nur eingeschränkt verfügbar ist.⁵⁵⁹ Auch wenn eine gesetzliche Differenzierung an Vermögensarten beim Erbfall anknüpft, ist diese Differenzierung für den Erben in der Regel nicht verfügbar, sodass sich das erforderliche Gleichmaß verschärft.⁵⁶⁰ Behandelt ein Gesetz die Erben von betrieblichem Vermögen und nicht betrieblich gebundenem Vermögen unterschiedlich, ist ein strengerer Prüfungsmaßstab für die verfassungsgericht-

 BVerfGE 133, 1 (14 ff. Rn. 47 und 49 ff.) – Verzinsung von Kartellbußen.  BVerfGE 133, 1 (15 Rn. 49) – Verzinsung von Kartellbußen.  BVerfGE 133, 1 (15 f. Rn. 50) – Verzinsung von Kartellbußen.  BVerfGE 130, 240 (255) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz.  BVerfGE 30, 409 (412) – § 12 UHaftEntschG; BVerfGE 51, 1 (22) – Rentenversicherung im Ausland; BVerfGE 130, 240 (253 f.) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz.  BVerfGE 43, 1 (6) – Abzug der Vermögensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen, BVerfG, Beschl. v. 19.07. 2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, 3153 – Reduzierte Eintrittspreise.  BVerfGE 130, 240 (253) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz unter Verweis auf BVerfGE 116, 243 (259) – Transsexuelle IV.  Vgl. etwa BVerfGE 30, 409 (412) – § 12 UHaftEntschG; BVerfGE 51, 1 (22) – Rentenversicherung im Ausland; BVerfGE 130, 240 (253 f.) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz.  BVerfGE 138, 136 (185 f. Rn. 132) – Erbschaftsteuer.

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liche Kontrolle des allgemeinen Gleichheitssatzes anzusetzen.⁵⁶¹ Aus der Perspektive des von der Ungleichbehandlung Benachteiligten hat dieser nämlich keinen Einfluss darauf, welche Vermögensart der Erblasser ihm hinterlässt, weshalb eine strengere Prüfung geboten ist.⁵⁶² In dieser Fallgruppe der Verfügbarkeit unterscheidet das Bundesverfassungsgericht aber nicht lediglich zwischen verfügbaren und unverfügbaren Differenzierungen und somit einer lockeren oder strengen Prüfung. Auch hier steigen vielmehr die Rechtfertigungsanforderungen stufenlos:⁵⁶³ Je weniger die Gesetzesbetroffenheit vermeidbar ist, desto strenger sind die Rechtfertigungsvoraussetzungen für den Gesetzgeber. Hintergrund der steigenden Rechtfertigungserfordernisse sind auch im Fall unvermeidbarer Gesetzesbetroffenheit die übrigen, auf den Gleichheitssatz ausstrahlenden verfassungsrechtlichen Wertungen.

(1) Verantwortlichkeit und Zumutbarkeit Hintergrund und Legitimation dieses Kriteriums ist der Grundsatz der Verantwortlichkeit des Einzelnen.⁵⁶⁴ Eröffnet das Gesetz dem Normbetroffenen einen

 BVerfGE 138, 136 (185 f. Rn. 132) – Erbschaftsteuer; zur besonderen Belastung für die Besteuerung betrieblich gebundenen Vermögens wegen der Unverfügbarkeit aufgrund fehlender Liquidität vgl. BVerfGE 93, 165 (172) – Erbschaftssteuer (gesonderte Bewertung).  BVerfGE 138, 136 (185 Rn. 132) – Erbschaftsteuer.  St. Rspr. seit BVerfGE 129, 49 (69) – Mediziner-BAföG: „Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab […] Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind“; so auch BVerfGE 130, 131 (142) – Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz; BVerfGE 132, 179 (188 Rn. 30) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft; BVerfGE 133, 1 (14 Rn. 45) – Verzinsung von Kartellbußen; BVerfGE 134, 1 (20 Rn. 56) – Studiengebühren Bremen; BVerfGE 137, 1 (20 Rn. 47) – Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge; BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 121) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 139, 1 (12 Rn. 38) – Grunderwerbsteuer Baulandumlegung; BVerfGE 139, 285 (309 Rn. 70) – Grunderwerbsteuer Einheitsbewertung; BVerfGE 141, 1 (38 Rn. 93) – Völkerrechtsdurchbrechung; BVerfGE 142, 353 (385 Rn. 69) – Grundsicherung für Arbeitssuchende; BVerfGE 145, 20 (86 Rn. 171) – Spielhallen; BVerfGE 145, 106 (141 f., Rn. 98) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; BVerfGE 145, 304 (330 Rn. 82) – Ostbesoldung Besoldungsangleichung; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 103 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 18.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn 94 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1728/12, Rn 74 – Transferzahlungen Bundesagentur; BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 64 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268; zum Prinzip der Verantwortlichkeit vgl. ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 89.: „Die freiheitliche Rechtsordnung ist ein Angebot, das durch die Freiheitsfä higen verwirklicht werden

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eigenständigen Entscheidungsraum, kann er in eigener Verantwortlichkeit beeinflussen, inwiefern sich die gesetzliche Differenzierung auf ihn auswirkt.⁵⁶⁵ So heißt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: „Es ist dann grundsätzlich Sache des Betroffenen, sich auf diese Regelung einzustellen und nachteiligen Auswirkungen durch eigenes Verhalten zu begegnen.“⁵⁶⁶ Auf die Verantwortlichkeit des Betroffenen verweist das Bundesverfassungsgericht hier durch die Formulierung, es sei „Sache des Betroffenen“. Das Ergebnis der Differenzierung ist also nicht dem Gesetzgeber, sondern dem Betroffenen zuzurechnen; das bedeutet, er hat die Auswirkung durch sein eigenes Verhalten zu verantworten.⁵⁶⁷ Tritt die Verantwortung des Gesetzgebers für eine auf der Differenzierung beruhende Ungleichbehandlung zurück, wird der Maßstab für die Überprüfung des Gesetzgebers weiter. Durch die Möglichkeit, eine Ungleichbehandlung durch eigenes Verhalten zu beeinflussen, eröffnet der Gesetzgeber den Betroffenen eine Wahlmöglichkeit zwischen Verhaltensanpassung und Ungleichbehandlung. Die Verantwortung der Gesetzesbetroffenen kann dabei aber nur soweit reichen, wie ihnen das jeweilige zur Differenzierung führende Verhalten zumutbar ist.⁵⁶⁸ Das Kriterium der Verfügbarkeit einer Gesetzesbetroffenheit hängt daher von der Zumutbarkeit des gesetzlich eröffneten Alternativverhaltens ab.⁵⁶⁹ Je weniger das jeweilige Verhalten von dem Betroffenen erwartet und verlangt werden kann, desto mehr tritt seine Verantwortlichkeit für die ihn treffende Unterscheidung wieder zurück. Andernfalls würde das Gesetz von ihm eine Anpassung verlangen, die einer

muss. Das Freiheitsrecht anerkennt die Fähigkeit des Menschen zum selbstbestimmten Entscheiden und zur Verantwortlichkeit“.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268.  BVerfGE 55, 72 (89) – Präklusion I; seitdem st. Rspr. , vgl. BVerfGE 111, 160 (169 f.) – Kindergeld an Ausländer; BVerfGE 122, 39 (52) – Beratungshilfe; BVerfGE 126, 400 (418) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; BVerfGE 127, 263 (280) – Elterliches Aufsichtspflichtversagen; BVerfGE 129, 49 (69) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 133, 1 (14 Rn. 45) – Verzinsung von Kartellbußen.  Eine parallele Überlegung gilt im Steuerrecht hinsichtlich Lenkungssteuern. Der Betroffene kann entweder sein Verhalten anpassen, oder die Einschränkung seiner finanziellen Freiheit willentlich hinnehmen, siehe dazu P. Kirchhof, in: HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 69.  Peters/König, in: Dörr/Grote/Maruhn (Hrsg.), EMRK/GG, Kap. 21 Rn. 229; Sachs, JuS 1997, 124 (129); Huster, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 97; zur Zumutbarkeit vgl. auch EGMR, Urt. v. 08.12. 2009 – 49151/07, BeckRS 2010, 06571 Rn. 70 – Muños Díaz gg. Spanien.  Huster, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Bd. 1, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 97; vgl. auch Sachs, JuS 1997, 124 (129); Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 144.

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Aufgabe des Rechts, sich zu unterscheiden, gleichkäme.⁵⁷⁰ Lässt sich eine Ungleichbehandlung durch das Verhalten der Betroffenen beeinflussen, ist das Erfordernis der Zumutbarkeit eines solchen Verhaltens Ausprägung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen. Zumutbarkeit schützt daher Selbstbestimmung. Je zumutbarer ein gesetzlich ermöglichtes Alternativverhalten ist, desto verfügbarer ist die Gesetzesbetroffenheit und desto weiter der Gestaltungsraum für den Gesetzgeber.

(2) Übertragung der Wertung des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Inwieweit ein Verhalten zumutbar ist, hängt folglich davon ab, wie sehr es die Selbstbestimmungsfreiheit der Betroffenen einschränkt. Der allgemeine Gleichheitssatz betrachtet dabei aber nicht einen Eingriff in ein die Selbstbestimmung schützendes Freiheitsrecht, sondern stellt die Frage, ob das die Differenzierung auslösende Verhalten dem Betroffenen zugemutet werden kann und die ihn treffende Differenzierung für ihn daher verfügbar ist oder ob ein Alternativverhalten von ihm nicht erwartet werden kann und die Differenzierung daher an strengeren Anforderungen zu messen ist. Um die Zumutbarkeit zu beurteilen, muss daher bestimmt werden, wie sehr die Ausübung des Alternativverhaltens durch den Betroffenen die Selbstbestimmung einschränkt. Hierfür können die Grundsätze des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG übertragen werden, weil bei beiden Kriterien Schutzzweck und Prüfungsinhalt übereinstimmen.⁵⁷¹ Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nämlich ebenfalls im Kern die Selbstbestimmung der Betroffenen.⁵⁷² Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet im Lebensbereich der Informationen zwar zunächst vor allem „die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“ ⁵⁷³, und will damit vor allem eine Darstellung von Informationen aus dem Lebensbereich des Betroffenen in der Öffent Sog. „assimilationist bias“, Huster, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Bd. 1, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 97; so auch EGMR, Urt. v. 08.12. 2009 – 49151/07, BeckRS 2010, 06571 Rn. 70 – Muños Díaz gg. Spanien; für die politische Verfolgung im Rahmen des Asylrechts siehe BVerfGE 76,143 (157 f.) – Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft.  Diese Parallele zwischen Persönlichkeitsrecht und Gleichheit beschreibt Kube, in: HStR Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 126, für den umgekehrten Fall der Anerkennung des Persönlichkeitsschutzes im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.  BVerfGE 80, 367 (373) – Tagebuch; H. Lang, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 2 Rn. 35; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 2 Rn. 147; H. Lang in: BeckOK GG, 39 EL 2019, Art. 2 Rn. 35.  BVerfGE 80, 367 (373) – Tagebuch.

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lichkeit verhindern.⁵⁷⁴ Geschütztes Rechtsgut ist aber allgemein „der Geltungsanspruch des Menschen in der sozialen Welt, die ihn prägt und die er wiederum auch dadurch prägt, dass er durch sein Handeln von ihr anerkannt werden will“⁵⁷⁵. Es dient daher allgemein zum Schutz der Selbstbestimmung und der Freiheit, im Verhalten die eigene Persönlichkeit zu reflektieren und „das eigene Ich und Willen möglichst authentisch zu profilieren und relativ zu den Erwartungen und Optionen der Lebenswirklichkeit zu positionieren“⁵⁷⁶. Schließlich wird auch bei der Überprüfung, ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verhältnismäßig ist, beurteilt, ob eine gesetzliche Anordnung dem Betroffenen zumutbar ist.⁵⁷⁷ Auch insofern stimmt also die Perspektive beider Maßstäbe überein. Aufgrund der gemeinsamen Schutzrichtung und der gemeinsamen Perspektive lassen sich die Grundsätze zur Bestimmung der Prüfungsintensität der Verhältnismäßigkeitsprüfung für das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf die Bestimmung der Zumutbarkeit eines Alternativverhaltens bei der Verfügbarkeit von Differenzierungskriterien übertragen. Welche Rechtfertigungsanfordernisse für eine Einschränkung der Selbstbestimmung zu stellen sind, beurteilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht danach, in welche Sphäre die Einschränkung fällt.⁵⁷⁸ Es unterscheidet zwischen Intimsphäre, Privatsphäre und Sozialsphäre, die wie konzentrische Kreise von der Intimsphäre ausgehend übereinander gelagert sind.⁵⁷⁹ Als Intimsphäre erkennt das Bundesverfassungsgericht „einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung an, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist“, in dem „selbst schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit […] Eingriffe […] nicht rechtfertigen

 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 2 Rn. 149.  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 2 Rn. 127.  Horn, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2009, § 149 Rn. 27.  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 2 Rn. 157.  Sog. „Sphärentheorie“, vgl. BVerfGE 27, 344 (351) – Ehescheidungsakten; BVerfGE 32, 373 (379) – Ärztliche Schweigepflicht; BVerfGE 33, 367 (376 f.) – Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter; BVerfGE 34, 205 (209) – Verwertung von Scheidungsakten; BVerfGE 34, 238 (245) – Tonband; BVerfGE 35, 35 (39) – Untersuchungsgefangene; BVerfGE 35, 202 (220) – Lebach; BVerfGE 38, 312 (320) – Zeugnisverweigerungsrecht eines Tierarztes; BVerfGE 44, 353 (372 f.) – Durchsuchung Drogenberatungsstelle; BVerfGE 80, 367 (373 ff.) – Tagebuch; BVerfGE 89, 69 (82 f.) – Haschischkonsum (Eignung zum Kfz-Führen); siehe auch Geis, JZ 1991, 112 f.; Küpper, JZ 1990, 416 (418); Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, 1987, S. 42 ff.; Degenhart, JuS 1992, 361 (363 f.); Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, S. 268 ff.; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), 60 (64 f.); Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 104.  H. Lang , in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 2 Rn. 35.

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(können)“⁵⁸⁰. Sie ist betroffen, wenn ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich zuzuordnen ist.⁵⁸¹ Von der Intimsphäre abzugrenzen ist der Bereich der Privatsphäre. Die Privatsphäre beschreibt die Sphäre des engen persönlichen Lebensbereichs und schützt eine Rückzugsmöglichkeit, „in dem der Einzelne unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann“⁵⁸². Dieser Bereich umfasst also typischerweise als „privat“ eingestufte Angelegenheiten.⁵⁸³ Innerhalb der Privatsphäre habe der Mensch das Recht „allein zu bleiben, seine Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen und von Eingriffen jeder Art nicht behelligt zu werden“⁵⁸⁴. Dagegen umfasst die Sozialsphäre die Teilnahme des Grundrechtsträgers am öffentlichen Leben.⁵⁸⁵ Diese Sphäre hat einen deutlichen Außenbezug; der Grundrechtsträger tritt in die Öffentlichkeit.⁵⁸⁶ Durch den deutlichen Bezug zur Gesellschaft sind Eingriffe unter weniger strengen Voraussetzungen zulässig.⁵⁸⁷ Das allgemeine Persönlichkeitsrecht fordert im Rahmen der Sphärentheorie sodann umso strengere Rechtfertigungsvoraussetzungen, je weiter die inneren Bereiche – im Bild der konzentrischen Kreise – betroffen werden.⁵⁸⁸ Das Schutzniveau steigt also, je näher ein Eingriff dem Persönlichkeitskern kommt.⁵⁸⁹ Bei dieser Bestimmung der Prüfungsintensität handelt es sich um eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.⁵⁹⁰ Sie spiegelt wider, dass hier

 BVerfGE 80, 367 (373) – Tagebuch; i. Ü. st. Rspr., vgl. so bereits BVerfGE 6, 32 (41) – Elfes; BVerfGE 6, 389 (435) – Homosexuelle; BVerfGE 34, 238 (245) – Tonband; BVerfGE 54, 143 (146) – Taubenfütterungsverbot.  BVerfGE 34, 238 (248) – Tonband; BVerfGE 80, 367 (374) – Tagebuch.  BVerfGE 90, 255 (260) – Briefüberwachung.  BVerfGE 101, 361 (382) – Caroline von Monaco II.  BVerfGE 34, 269 (282) – Soraya, mit Verweis auf BVerfGE 27, 1 (6) – Mirkozensus  H. Lang, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 2 Rn. 43; Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, 1987, S. 44; teilweise mit Unterdifferenzierungen zwischen „Sozialsphäre“ und „Öffentlichkeitssphäre“, Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 2, Rn. 104.  H. Lang, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 2 Rn. 43.  BVerfG, Beschl. v. 21.08. 2006 – 1 BvR 2606/04, NJW 2006, 3406 (3408) – Bildberichterstattung über Privatperson ohne hervorgehobene Prominenz.  Kube, in: HStR Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 86; H. Lang, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 2 Rn. 35; vgl. in diesem Sinne insbes. BVerfGE 89, 69 (82 f.) – Haschischkonsum (Eignung zum Kfz-Führen); im Ergebnis auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2019, Art. 2 Rn. 130.  H. Lang, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 2 Rn. 37.  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 2 Rn. 130.

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eine Güterabwägung zwischen der Selbstbestimmung der Grundrechtsträger und dem Gesetzesziel vorgenommen wird. Denn abstrakt ist Ausgangspunkt der Güterabwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine „Je-Desto-Formel“: Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein.⁵⁹¹ Die Sphärentheorie wägt also zwischen Selbstbestimmung und Gesetzeszweck ab und stellt dabei umso höhere Rechtfertigungsanforderungen, je privater der Grundrechtsträger vom Gesetz betroffen wird, und umso geringere Anforderungen, je mehr das Gesetz die Sozialsphäre betrifft. Wenn der allgemeine Gleichheitssatz die Zumutbarkeit eines Alternativverhaltens im Rahmen einer durch das Gesetz eingeräumten verhaltensbezogenen Verfügbarkeit beurteilt, wägt er ebenfalls zwischen der Möglichkeit einer gesetzlich angeordneten Ungleichheit und dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen ab. Diese Korrelation muss daher auch für das Kriterium der Zumutbarkeit gelten. Wegen des gleichsam auf Schutz der Selbstbestimmung gerichteten Zwecks lassen sich hierzu nun die Grundsätze des allgemeinen Persönlichkeitsrechts übertragen: Demnach ist ein Alternativverhalten den Betroffenen umso zumutbarer, je mehr es die Sozialsphäre betrifft, und umso unzumutbarer, je mehr es die Privatsphäre betrifft. Diese Abhängigkeit vom jeweiligen Lebensbereich für den Betroffenen hat das Bundesverfassungsgericht allgemein in Bezug auf den Gleichheitssatz hervorgehoben: „Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je mehr eine Regelung den Einzelnen als Person betrifft […] und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden“⁵⁹². Diese Unterscheidung danach, ob die persönlichen Verhältnisse oder allgemeine Lebensverhältnisse betroffen sind, gilt also auch für das Kriterium der Zumutbarkeit. Denn je mehr die Verhaltensalternativen in den Bereich der „demokratisch gestaltbaren Lebenssphäre“ fallen, desto eher ist eine Verhaltensanpassung für den Betroffenen zumutbar; je mehr die Verhaltensalternativen in den Bereich der persönlichen Lebensführung fallen, desto weniger ist die Anpassung zumutbar.⁵⁹³ Die demokratisch gestaltbare Lebenssphäre entspricht nach der am allgemeinen Persönlichkeitsrecht orientierten Interpretation

 Allgemein siehe Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 146; in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht Kube, in: HStR Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 86, jedoch für eine – wie dem allgemeinen Gleichheitssatz eigene – einzelfallbezogene, offene Prüfung: das., Rn. 88 f.  BVerfGE 96, 1 (6) – Weihnachtsfreibetrag; so auch BVerfGE 99, 88 (94) – Verlustabzug; BVerfGE 101, 132 (138) – Heileurythmisten; BVerfGE 101, 151 (155) – Umsatzsteuerbefreiung; BVerfGE 101, 297 (309) – Häusliches Arbeitszimmer.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268.

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der Sozialsphäre. Welchen Bereich das Gesetz betrifft, lässt sich also anhand der Abgrenzungskriterien des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beurteilen. Eine Handlung ist umso unzumutbarer, je mehr sie in den Bereich der Privatsphäre fällt. Dafür spricht auch, dass eine derartige Wahlmöglichkeit zwischen Einschränkung der Freiheit oder aber Ungleichheit jedenfalls mittelbar ein Eingriff in den Bereich des Persönlichkeitsrechts wäre. Wie bereits gezeigt, führt die Betroffenheit in Freiheitsgrundrechten zu einer stufenlosen Verdichtung des Prüfungsmaßstabs. Nichts anderes kann daher gelten, wenn ein Gesetz Freiheitsgrundrechte – wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht – durch Eröffnung einer Wahlmöglichkeit zwischen Ungleichheit und Ausübung der grundrechtlich geschützten Freiheit eröffnet. Insofern kann allgemein festgehalten werden, dass die Zumutbarkeit einer Verhaltensalternative sich nach den Grundsätzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beurteilt: Je weniger die Verhaltensmöglichkeit den Kern der privaten Lebensgestaltung, also die Privatsphäre, betrifft, desto zumutbarer ist sie. Im gesetzlich gestaltbaren öffentlichen Leben, also in der Sozialsphäre, muss der Gleichheitsberechtigte sich eher anpassen, als wenn er in der Privatsphäre verbliebe.⁵⁹⁴ Persönlichkeitsprägende Eigenschaften und grundrechtlich geschützte Freiheitsausübungen, die von der Verfassung gewährleistet werden, müssen entsprechend auch den allgemeinen Gleichheitssatz im Rahmen der Eröffnung von Wahlmöglichkeiten für gesetzliche Differenzierungen prägen.⁵⁹⁵ Um zu beurteilen, ob eine Ungleichbehandlung für die Betroffenen verfügbar ist, kommt es also darauf an, ob gesetzliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen und ob die jeweiligen Alternativen zumutbar sind. Die Verfügbarkeit richtet sich daher im Wesentlichen nach der Zumutbarkeit von möglichem Alternativverhalten. Diese beurteilt sich danach, welchen Lebensbereich das Gesetz betrifft: Je mehr eine Verhaltensalternative in den Bereich der Privatsphäre hineinreicht, desto unverfügbarer ist die Gesetzesbetroffenheit. Da hierbei die Wertungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts heranzuziehen sind, um zu beurteilen, welchen Lebensbereich das Gesetz betrifft, liegt abstrakt betrachtet ein Unterfall der Einschränkung einer Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten vor.

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 394.

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(3) Ungleichheit durch Gestaltungsmöglichkeiten Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass der Gestaltungsraum des Gesetzgebers weiter ist, wenn die Betroffenen eine Belastung durch eine rechtliche Gestaltung – also ihr Verhalten in Hinblick auf die Rechtsfolgen – abmildern können.⁵⁹⁶ Gerade diese Gestaltungsmöglichkeit kann aber selbst einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz begründen. Eröffnet ein Gesetz rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, geht dies qualitativ weit über eine bloße Verfügbarkeit des Differenzierungskriteriums hinaus.⁵⁹⁷ Die Möglichkeit einer Rechtsfolge durch Gestaltung auszuweichen, widerspricht dem Gedanken einer allgemeinen und vorhersehbaren Rechtsfolge für alle Betroffenen.⁵⁹⁸ Im Bereich des Steuerrechts etwa verlangt der allgemeine Gleichheitssatz nicht nur einen allgemein verständlichen, sondern auch möglichst unausweichlichen Belastungsgrund, weil andernfalls Gleichheit im Belastungserfolg nicht hergestellt werden könnte.⁵⁹⁹ Kann eine große Anzahl Steuerpflichtiger aber einer steuerlichen Belastung durch eine rechtliche Gestaltung entgehen, wird die Steuerlast nicht mehr angemessen verteilt, es entsteht Ungleichheit.⁶⁰⁰ So heißt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich: „Lässt ein Steuergesetz Gestaltungen durch den Steuerpflichtigen zu, die zu Steuerminderbelastungen führen, wie sie vom Gesetz erkennbar nicht bezweckt und gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind, erweist es sich insoweit als von Anfang an verfassungswidrig.“⁶⁰¹

Das bedeutet, dass die Ungleichheit, die durch die Gestaltungsmöglichkeiten entsteht, wiederum sachlich – nach den allgemeinen Maßstäben des allgemeinen Gleichheitssatzes – gerechtfertigt sein muss.⁶⁰²

 BVerfGE 122, 39, (52) – Beratungshilfe; BVerfGE 126, 400 (418) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 3 Rn. 394.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 394.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 394.  BVerfGE 96, 1 (6) –Weihnachtsfreibetrag; BVerfGE 101, 297 (309) – Häusliches Arbeitszimmer; P. Kirchhof, in: HStR Band V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 100.  So für die Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Erbschaftsteuerrechts BVerfGE 138, 136 (235 Rn. 253 ff.) – Erbschaftsteuer; für eine Verallgemeinerung dieses Gedankens P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 394.  BVerfGE 138, 136 (235 f. Rn. 255) – Erbschaftsteuer.  Für eine solche Verallgemeinerung des für das Steuerrecht geltenden Grundsatzes mit Blick auf die Aufgabe des Gesetzgebers, Gleichheit zu gestalten P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 394.

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(cc) Persönlichkeitsprägende Kriterien Eine weitere Fallgruppe, in der sich die Rechtfertigungsanforderungen erhöhen, ist die Nähe der Differenzierungskriterien zu Art. 3 Abs. 3 GG. Wie das Bundesverfassungsgericht in der jüngeren Rechtsprechung wiederholt betont, „verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den rechtfertigenden Sachgrund“ für „die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft“, „je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern“⁶⁰³. Diese Fallgruppe beschreibt also Differenzierungen, bei denen der Gesetzgeber eine Unterscheidung an Kriterien anknüpft, die sich denen der speziellen Gleichheitssätze annähern, namentlich also personenbezogene unverfügbare Persönlichkeitsmerkmale. Eine solche Anknüpfung an Persönlichkeitsmerkmale liegt etwa vor, wenn ein Gesetz nach der sexuellen Orientierung der Betroffenen unterscheidet.⁶⁰⁴ Es handelt sich um ein personenbezogenes Merkmal, das sich den Merkmalen der besonderen Diskriminierungsverbote annähert. Diese strengere Gleichheitsprüfung gilt auch, wenn anhand von Kriterien differenziert wird, die untrennbar mit der sexuellen Orientierung verbunden sind, wie etwa, ob die Betroffenen eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen.⁶⁰⁵ Abstrakt handelt es sich bei derartigen Kriterien um personenbezogene Merkmale, die für den einzelnen nicht verfügbar sind.⁶⁰⁶ Für diese Verschärfung des Prüfungsmaßstabs bei unvermeidbarer Gesetzesbetroffenheit spricht zunächst die Wertung der besonderen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG. Sinn und Zweck dieser speziellen Diskriminierungsverbote ist es, eine Ungleichbehandlung aufgrund einer persönlich  BVerfGE 145, 20 (86 Rn. 171) – Spielhallen; so auch BVerfGE 145, 106 (145 Rn. 105) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb, mit Verweis auf BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 124, 199 (220) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; BVerfGE 131, 239 (256 f.) – Lebenspartnerschaft von Beamten; BVerfGE 133, 377 (408 Rn. 77) – Ehegattensplitting; BVerfGE 138, 136 (181 Rn. 122) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 141, 1 (39 Rn. 94) – Völkerrechtsdurchbrechung; im Übrigen mit Verweis auf st. Rspr. BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 95 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  Vgl. etwa BVerfGE 124, 199 (220) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; BVerfGE 126, 400 (419) – Steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften; BVerfGE 131, 239 (256 f.) – Lebenspartnerschaft von Beamten; BVerfGE 133, 377 (408 Rn. 77) – Ehegattensplitting.  BVerfGE 124, 199 (221) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; der Streit über die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft ist schließlich durch das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“, BGBl. I, 2017, 2787 hinfällig geworden, da eine zivilrechtliche Eheschließung unabhängig von der sexuellen Orientierung auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich ist.  In diesem Sinn Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 143.

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unverfügbaren Gruppenzugehörigkeit zu verhindern.⁶⁰⁷ Die Gefahr einer solchen Diskriminierung besteht jedoch nicht nur bei den enumerativ aufgezählten Kriterien des Art. 3 Abs. 3 GG, sondern allgemein bei Differenzierungen, die an unverfügbare Merkmale anknüpfen. Eine solche unverfügbare Differenzierung liegt regelmäßig vor, wenn ein Gleichheitsberechtigter die ihn treffende Unterscheidung nicht durch sein Verhalten beeinflussen kann.⁶⁰⁸ Insofern liegt es nahe, dass eine solche für die Betroffenen unverfügbare gesetzliche Differenzierung zur Diskriminierung einer Minderheit führen kann.⁶⁰⁹ Auch wenn in diesem Fall die verwendeten Differenzierungskriterien nicht im enumerativen Katalog des Art. 3 Abs. 3 GG aufgeführt sind, gebietet der Sinn und Zweck dieser speziellen Diskriminierungsverbote, die Unverfügbarkeit der Differenzierungsmerkmale durch eine strengere Gleichheitsprüfung im allgemeinen Gleichheitssatz widerzuspiegeln.⁶¹⁰ Der Übergang zwischen dem allgemeinem Gleichheitssatz und den besonderen Gleichheitssätzen des Art. 3 Abs. 3 GG ist daher fließend.⁶¹¹ Daneben strahlen in diesem Sinne auch die inhaltlich weitergehenden⁶¹² Diskriminierungsverbote des Unionsrechts, Art. 21 GRC, und der EMRK, Art. 14 EMRK, auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus, woraus eine strengere Prüfung resultiert.⁶¹³  Vgl. BVerfGE 63, 266 (303) – Anwaltszulassung: „zumal die in Art. 3 Abs. 3 GG missbilligten Benachteiligungen nicht nur dem Wesen eines demokratischen Gemeinwesens zuwiderlaufen, sondern zugleich die Würde und personale Selbstbestimmung des Einzelnen empfindlich beeinträchtigen“.  Sachs, JuS 1997, 124 (129).  Huster, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, Bd. 1, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 97.  Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 3 Rn. 41 Jarrass, in: Jarrass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 21; Sachs, in: HStR Bd.VIII, 3. Aufl. 2007, § 182 Rn. 40; insofern werden derartige Merkmale auch als „Quasi-Diskriminierungsverbote“ bezeichnet, Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 145, sowie Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 129.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268.  Art. 21 GRC und Art. 14 EMRK nennen als unzulässige Diskriminierung etwa Differenzierungen anhand der Hautfarbe, genetischer Merkmale, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, des Alters der sexuellen Orientierung oder der Staatsangehörigkeit.  BVerfGE 124, 199 (220) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 145; Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 41 ff.; Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 93; zum Einfluss der Europäischen Grundrechte auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. C. Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 179 ff.; grundlegend für das Verhältnis eines „europäischen Verfassungsgerichtsverbundes“, Barczak, in: ders. (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar BVerfGG, 2018, Einl. Rn. 46 ff. und Rn. 60 ff.; Voßkuhle, NVwZ 2010, 1; Lenaerts, EuR 2015, 3 ff.; für das Kooperationsverhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof vgl. BVerfGE 89, 155 (175) – Maastricht; BVerfGE 142, 123

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Diese strengere Prüfung für Differenzierungskriterien, die denen des Art. 3 Abs. 3 GG ähnlich sind, wird teilweise als unzulässige Erweiterung des Katalogs des Art. 3 Abs. 3 GG angesehen.⁶¹⁴ Mit dieser Frage hat sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich in Hinblick auf das Differenzierungsmerkmal der sexuellen Orientierung auseinandergesetzt.⁶¹⁵ Der Einwand einer unzulässigen Erweiterung beruht insbesondere auf der Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers, bei der Neufassung des Art. 3 Abs. 3 GG das Merkmal der sexuellen Orientierung ausdrücklich nicht in den Katalog des Art. 3 Abs. 3 GG aufzunehmen.⁶¹⁶ Etwaige Bedenken in Hinblick auf einen entgegenstehenden Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers hat das Bundesverfassungsgericht indes ausdrücklich abgelehnt.⁶¹⁷ Das Bundesverfassungsgericht argumentiert, aus einer Stellungnahme der Bundestagsmehrheit gehe deutlich die Vorstellung des Gesetzgebers hervor, der Schutz einer Differenzierung nach der sexuellen Identität sei bereits hinreichend durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet.⁶¹⁸ Der Gesetzgeber gehe davon aus, es sei deshalb überflüssig, das Merkmal der sexuellen Orientierung in den Katalog des Art. 3 Abs. 3 GG aufzunehmen.⁶¹⁹ Doch der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers und die Antwort eines generell-abstrakten Rechtssatzes auf Anfragen an das Recht sind nicht identisch. Der allgemeine Gleichheitssatz ist durch seine Offenheit insbesondere auf die übrigen verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Wertungen angewiesen, um eine angemessene Konkretisierung zu erlangen. Der so gewonnene Maßstab beantwortet auch geänderte und neu gefestigte gesellschaftliche Wertvorstellungen – wie etwa die Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft.⁶²⁰

(204 Rn. 157) – OMT-Programm, dazu F. Kirchhof, in: Herdegen/Klein/Papier/Scholz (Hrsg.), Staatsrecht und Politik, FS Herzog, 2009, S. 155 ff.; P. Kirchhof, in: Müller-Graff (Hrsg.), Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, 1998, 170 ff.; Schwarze, in: Badura (Hrsg.) FS BVerfG Bd. 1, 2001, S. 223 ff.; Klein, in: Randelzhofer (Hrsg.) GS Grabitz, 1995, S. 271 (282).  Hillgruber, JZ 2010, 41 (43); Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 129 ff.  BVerfGE 131, 239 (257) – Lebenspartnerschaft von Beamten.  BTDrucks 12/6000, S. 54; so etwa Hillgruber, JZ 2010, 41 (43); Krings, in: Höfling (Hrsg.), Kommentierte Verfassungsdogmatik, FS Friauf, 2011, S. 269 (273); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 2 und 23.  BVerfGE 131, 239 (257) – Lebenspartnerschaft von Beamten.  Siehe BTDrucks 17/4775, S. 5.  BTDrucks 17/4775, S. 5.  Vergleiche etwa die diametralen zugrunde liegenden Wertungen in BVerfGE 6, 389 (433) – Homosexuelle, dort insbesondere mit Verweis auf die christlichen Moralvorstellungen und BVerfGE 124, 199 (220) – Gleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaft, sowie insbe-

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der allgemeine Gleichheitssatz mit „dogmatischen Elementen der speziellen Gleichheitssätze“, wie etwa der Unterscheidung zwischen einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung aufgeladen werde, für die im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes „strukturell kein Platz“ sei.⁶²¹ Denn der Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes ist im Lichte der besonderen Gleichheitssätze, insbesondere deren Zielsetzung Diskriminierungen von Minderheiten zu verhindern, zu interpretieren. Der allgemeine Gleichheitssatz beurteilt die Ungleichbehandlung aus der Perspektive der nachteilig Betroffenen,⁶²² sodass es für die Frage der Prüfungsintensität nicht darauf ankommt, ob ein Differenzierungsmerkmal „neutral“ formuliert ist, sondern auf die Wirkung, die sich aus der gesetzgeberischen Differenzierung ergibt.

(dd) Ausmaß der Ungleichbehandlung Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine strengere Gleichheitsprüfung schließlich auch aus dem Ausmaß der Ungleichbehandlung resultieren.⁶²³ Diese Überlegung führt konsequent den Gedanken der stufenlos sich verdichtenden Gleichheitsprüfung fort, weitet jedoch den Umfang der bisherigen Fallgruppen erheblich aus. Die übrigen Fallgruppen für eine strengere Gleichheitsprüfung – die Betroffenheit in Freiheitsgrundrechten, die Unverfügbarkeit von Differenzierungsmerkmalen oder die Nähe der Differenzierungskriterien zu Art. 3 Abs. 3 GG – bilden spezielle Kategorien für eine strenge Gleich-

sondere das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“, BGBl. I, 2017, 2787; dazu Knoop, NJW-Spezial 2017, 580; zusammenfassend zu den Argumente für eine Verfassungsmäßigkeit Hecker, NJOZ, 641 ff. etwa unter Verweis auf Wollenschläger, Rechtsgutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der verfassungsrechtlichen Bewertung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 22.01. 2018, zur möglichen Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG hinsichtlich einer gleichgeschlechtlichen Ehe vgl. insbes. S. 57 ff., 114 ff., 122 ff., das Grundgesetz sei offen für eine Neuinterpretation und versteinere Institutionen nicht, das. S. 139; a. A. unter Verweis auf das Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit der Institutsgarantie Haydn-Quindeau, NJOZ 2018, 201 (204 ff.); i. Erg. daher zustimmend Baer, NJW 2013, 3145 (3148 f.); Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 41 ff.; Michael, Rechtswissenschaft 5 (2014), 426 (471 ff.); positiv bereits Bryde/Kleindieck, Jura 1999, 36 (42 f.); vgl. auch Wolff, in: Hömig/Wolff (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 24, der sich aufgrund dieser Funktion des allgemeinen Gleichheitssatzes gegen eine ausdrückliche Verfassungsänderung des Art. 3 Abs. 3 GG ausspricht.  Kischel, BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 129.  BVerfGE 138, 136 (185 Rn. 132) – Erbschaftsteuer.  BVerfGE 138, 136 (182 Rn. 179) – Erbschaftsteuer; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 96 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.

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heitsbindung, weil sie jeweils an einen klar abgegrenzten Tatbestand anknüpfen: den Schutzbereich eines Grundrechts, eine Beeinflussbarkeit oder eine Personenbezogenheit. Eine Untersuchung nach dem Ausmaß der Ungleichbehandlung stellt hingegen fest, wie sich die gesetzlich ermöglichte Ungleichheit faktisch auswirkt, ohne dabei eine weitere tatbestandliche Einschränkung vorzunehmen. Diese Feststellung ist eine konsequente Fortbildung der stufenlosen Gleichheitsbindung. Der allgemeine Gleichheitssatz fordert vom Gesetzgeber eine angemessene Verallgemeinerung des jeweiligen Tatbestandes und wägt dabei die durch den Tatbestand erzeugte Ungleichheit mit den jeweiligen Regelungs- und Differenzierungsgründen ab. Dieses Kernmerkmal der Gleichheitsprüfung hatte das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont: „Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.“⁶²⁴ Es muss also ein angemessenes Verhältnis zwischen den Sachgründen und dem jeweiligen Ausmaß der Ungleichbehandlung bestehen. Der allgemeine Gleichheitssatz fragt sodann, nach welchem Maßstab diese Verhältnismäßigkeit zu beurteilen ist: Genügen bereits sachlich nachvollziehbare, also nicht willkürliche Sachgründe, um das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu rechtfertigen oder müssen höhere Anforderungen an das Differenzierungsziel gestellt werden? Es liegt daher nahe, in die Maßstabsbildung auch direkt mit einzubeziehen, welches Ausmaß die jeweilige Ungleichbehandlung annimmt. Diesbezüglich stellt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der §§ 13a und 13b ErbStG erstmals ausdrücklich fest: „Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.“⁶²⁵ Zur Begründung verweist das Bundesverfassungsgericht auf den Erbschaftsteuerbeschluss vom 07.11. 2008 (BVerfGE 117, 1 (32) – Erbschaftsteuer).⁶²⁶ Aus dieser Entscheidung können indes nur allgemeine Grundsätze für steuerliche Lenkungszwecke abgeleitet werden und außerdem die Anforderung, dass diese Lenkungszwecke wiederum selbst gleichheitsgerecht ausgestaltet werden müssen. Steuerliche Verhaltensanreize dürfen sich demnach „nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte“ stützen, sondern verlangen, dass „insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist“⁶²⁷. Neu stellte das Bundesverfassungsgericht somit fest, dass Ausmaß der Ungleichheit und Rechtfertigungsanforderungen korrelieren.    

BVerfGE 132, 179 (188 Rn. 30) – Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaft. BVerfGE 138, 136 (181 Rn. 117) – Erbschaftsteuer. BVerfGE 138, 136 (181 Rn. 117) – Erbschaftsteuer. BVerfGE 117, 1 (32) – Erbschaftsteuer.

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Diese Fallgruppe scheint im Anlass und Text der Entscheidung zunächst auf das Steuerrecht beschränkt: „Neben den bereits genannten Merkmalen der Verfügbarkeit, der freiheitsrechtlichen Relevanz oder der Nähe des Differenzierungsgrundes zu Art. 3 Abs. 3 GG kann die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht durch das Ausmaß der mit der Steuerverschonung bewirkten Ungleichbehandlung und durch deren Auswirkung auf die gleichheitsgerechte Erhebung dieser Steuer insgesamt eingeschränkt sein.“⁶²⁸ Weiter heißt es: „Bereits das erhebliche Ausmaß, das die erbschaft- und schenkungsteuerliche Ungleichbehandlung zwischen den einzelnen Fällen der begünstigten und nicht begünstigten Vermögensarten erreichen kann, und die nicht nur atypische Einzelfälle betrifft, sondern in der Gesetzessystematik als Regelfall angelegt ist, erfordert eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Differenzierung, die jedenfalls deutlich über eine bloße Willkürprüfung hinausreicht.“⁶²⁹ Noch deutlicher knüpft das Bundesverfassungsgericht eine strengere Gleichheitsprüfung an das Ausmaß der Ungleichheit in Bezug auf die Bemessung der Grundsteuer: „Diese Ungleichbehandlungen sind in der normativen Struktur der Einheitsbewertung in ihrer heutigen Handhabung angelegt und von solchem Ausmaß, dass sie eine strenge Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG verlangen.“⁶³⁰ Diese Verschärfung des Prüfungsmaßstabs gründet sich aber auf den verallgemeinerungsfähigen Gedanken, dass die Angemessenheit einer gesetzlichen Verallgemeinerung auch die Intensität der jeweiligen Ungleichheit beurteilt. Grundsätzlich betrachtet der allgemeine Gleichheitssatz die „Eigenart des zu regelnden Sachbereichs“⁶³¹ und gewinnt aus diesem Sachbereich das Maß für die angemessene Verallgemeinerung. Entsprechend wird das Prüfungsmaß strenger, je weiter die Regelung von dem abweicht, was „bei einer am Gerechtigkeitsge-

 BVerfGE 138, 136 (182 Rn. 126) – Erbschaftsteuer; vgl. auch BVerfGE 139, 285 (309 f. Rn. 72) – Grunderwerbsteuer Einheitsbewertung; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 105 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zit. nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 ‐1 BvL 11/14, Rn. 96 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfGE 138, 136 (185 Rn. 131) – Erbschaftsteuer.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 128 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zit. nach juris.  BVerfGE 75, 108 (157) – Künstlersozialversicherungsgesetz, mit Verweis auf BVerfGE 17, 122 (130) – Wiedergutmachung; im Übrigen st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 90, 145 (196) – Cannabis; BVerfGE 93, 319 (348) – Wasserpfennig; BVerfGE 103, 310 (318) – DDR-Dienstzeiten; BVerfGE 105, 73 (111) – Pensionsbesteuerung; BVerfGE 107, 27 (46) – Doppelte Haushaltsführung; BVerfGE 107, 218 (244) – Beamtenbesoldung Ost I; BVerfGE 107, 257 (270) – Beamtenbesoldung Ost II; BVerfGE 112, 164 (174) – Familienbesteuerung; BVerfGE 112, 268 (297) – Kinderbetreuungskosten; BVerfGE 113, 167 (215) – Risikostrukturausgleich.

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danken orientierten Betrachtungsweise beachtet“⁶³² werden muss. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Gestaltung einer Regelung stark von der im Sachbereich angelegten Unterscheidung abweicht, steigt deshalb die Prüfungsintensität. Auch dann handelt es sich um einen Fall, in dem das Ausmaß der Ungleichbehandlung zunimmt. Im Bereich des Steuerrechts verweist das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich auf den Grundsatz der Lastengleichheit.⁶³³ Der Grundsatz der Lastengleichheit ist aber nur eine bereichsspezifische Ausprägung des allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens, dass der Gesetzgeber den Kreis der Betroffenen angemessen bestimmen muss, um so die Last oder Begünstigung gleichmäßig zu verteilen und für den Einzelnen damit möglichst gemäßigt zu gestalten.⁶³⁴ Auch außerhalb des Steuerrechts kann daher eine besonders intensive Ungleichbehandlung eine strengere Prüfung erfordern.⁶³⁵ Diese Fallgruppe nimmt daher den Gedanken auf, dass das Prüfungsmaß des allgemeinen Gleichheitssatzes sich verdichtet, wenn sich der gesetzlich gestaltete Tatbestand besonders weit von der vorgefundenen Wirklichkeit entfernt.

d. Aktuelle Rechtsprechung Unter Heranziehung dieser Grundsätze der sich stufenlos verdichtenden Gleichheitsprüfung hat das Bundesverfassungsgericht diese für eine Bestimmung des jeweiligen Gleichmaß in einer Reihe aktueller Entscheidungen konkretisiert, die zur Verdeutlichung der jeweiligen Aspekte bereits teilweise aufgegriffen wurden. Im Nachfolgenden soll eine Auswahl wichtiger Entscheidungen kurz dargestellt werden.

(aa) Zulassung von Spielhallen Das Bundesverfassungsgericht bestätigte zunächst die Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Vorschriften zur Regulierung des Spielhallensektors in Berlin,

 BVerfGE 9, 201 (206) – Scheineheliche Kinder; vgl. auch BVerfGE 1, 264 (275 f.) – Bezirksschornsteinfeger; BVerfGE 67, 70 (85 f.) – Grunderwerbsteuer; BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften.  BVerfGE 138, 136 (182 Rn. 126) – Erbschaftsteuer; vgl. auch BVerfGE 139, 285 (309 f. Rn. 72) – Grunderwerbsteuer Einheitsbewertung; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 105 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zit. nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 96 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  „Gleichheit mäßigt Last“, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 247.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 149.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Bayern und im Saarland auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und dem allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG.⁶³⁶ Die Landesregelungen untersagen, eine Spielhalle in einem Verbund mit weiteren Spielhallen – etwa im gleichen Gebäude – zu errichten (Verbundverbot, § 25 Abs. 2 GlüStV, § 2 Abs. 1 Satz 2 BlnSpielhG, § 3 Abs. 2 Nr. 1 SaarlSpielhG). Sie regeln einen Mindestabstand zwischen mehreren Spielhallen (§ 25 Abs. 1 GlüStV, § 2 Abs. 1 Satz 3 BlnSpielhG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 SaarlSpielhG) sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen (§ 2 Abs. 1 4 BlnSpielhG). Sie legen eine Höchstzahl zulässiger Glücksspielgeräte innerhalb einer Spielhalle fest (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BlnSpielhG) und verpflichten die Spielhallen zur dauerhaften Anwesenheit einer Aufsichtsperson (§ 6 Abs. 2 BlnSpielhG).⁶³⁷ Diese Beschränkungen gelten hingegen nicht für den Betrieb von Spielautomaten in Spielbanken und Geldspielgeräten in Gaststätten (vgl. § 2 Abs. 2 und Abs. 4 GlüStV). Betreiber von Spielhallen werden durch diese gesetzlichen Vorgaben also im Vergleich zu Betreibern von Spielbanken und Gaststätten, die mit Geldspielgeräten ausgestattet sind, ungleich behandelt. Fraglich war neben den möglichen Grundrechtseingriffen, ob die Regelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Das Bundesverfassungsgericht musste daher überprüfen, ob der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs einen angemessenen Betroffenenkreis ausgewählt hatte, ob also die im Tatbestand getroffene Regelung eine angemessene Verallgemeinerung aufweist, da nur die Betreiber von Spielhallen, nicht jedoch die von Spielbanken und mit Spielautomaten ausgestatteten Gaststätten erfasst und beide – wesentlich vergleichbaren Gruppen – daher ungleich behandelt werden.⁶³⁸ Unter dem gemeinsamen Merkmal „Glücksspiel mit Geld“ wären grundsätzlich auch Spielbanken und Gaststätten mit Glücksspielautomaten Adressaten einer Regelung.⁶³⁹ Auch der Gedanke der Suchtprävention spricht dafür, Spielbanken und mit Spielautomaten ausgestattete Gaststätten in den Regelungsbereich einzubeziehen.⁶⁴⁰ Das Bundesverfassungsgericht untersucht zunächst, welche Rechtfertigungsanforderungen im Rahmen der stufenlos sich verdichtenden Gleichheitsprüfung⁶⁴¹ an die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung zu stellen sind.⁶⁴²

 BVerfGE 145, 20 – Spielhallen; aus der Literatur vgl. etwa; Dietlein, NVwZ 2017, 1667 ff.; Muckel, JA 2017, 791 ff.; Sachs, JuS 2017, 708 ff.; krit. H.-P. Schneider, NVwZ 2017, 1073 ff.; Krüper, GewArch 2017, 349 f.; C. Waldhoff, GewArch 2018, 89 ff.  BVerfGE 145, 20 (66 f. Rn. 119) – Spielhallen.  BVerfGE 145, 20 (87 Rn. 172) – Spielhallen.  BVerfGE 145, 20 (87 Rn. 172) – Spielhallen.  BVerfGE 145, 20 (87 Rn. 172) – Spielhallen mit Verweis auf Beaucamp, DVBl 2015, 1473 (1481).  So BVerfGE 145, 20 (86 f. Rn. 171) – Spielhallen.

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Da die gesetzlichen Regelungen gleichzeitig die Berufsfreiheit der Betroffenen einschränken,⁶⁴³ legt das Bundesverfassungsgericht einen über die Willkürkontrolle hinausgehenden Verhältnismäßigkeitsmaßstab an und untersucht, ob ein hinreichender Sachgrund in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential der beiden Spielstätten liegt, was im Ergebnis wegen der geringeren Verfügbarkeit des Glücksspiels und der damit einhergehenden Verringerung der Spielsuchtgefährdung bejaht wird.⁶⁴⁴ Die in diesem Fall vom Gesetzgeber gewählte Unterscheidung zwischen Spielhallen einerseits, Spielbanken und Gaststätten andererseits und die daraus resultierende Ungleichbehandlung durch das Gesetz ist also gerechtfertigt, weil diese Abgrenzung verhältnismäßig ist.⁶⁴⁵ Diese Entscheidung verdeutlicht, dass sich der Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes verschärft, wenn die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten beeinträchtigt wird. Im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung untersucht das Bundesverfassungsgericht, ob der Sachgrund der Differenzierung im Verhältnis zum Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen ist. Die Prüfung folgt dabei jedoch nicht dem Schema der Freiheitsgrundrechte, unterstreicht damit die Verschiedenheit von Freiheits- und Gleichheitsprüfung.⁶⁴⁶ Im Mittelpunkt steht die Betrachtung, ob im Regelungsbereich des Gesetzes – dem Glücksspielrecht – solche tatsächlichen Unterschiede vorliegen, dass die gesetzliche Differenzierung eine angemessene Verallgemeinerung zum Zweck der Suchtprävention darstellt.⁶⁴⁷ Eine Relation zwischen Mittel und Zweck kann demnach entfallen, wenn im Sachbereich hinreichende tatsächliche Unterschiede vorliegen, welche

 BVerfGE 145, 20 (87 Rn. 173) – Spielhallen.  Vgl. dazu BVerfGE 145, 20 (Rn. 127 ff.) – Spielhallen.  BVerfGE 145, 20 (87 f. Rn. 174 f.) – Spielhallen.  BVerfGE 145, 20 (87 Rn. 173) – Spielhallen.  Vgl. dazu P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 269 und 242 ff.  Muckel, JA 2017, 791 (793) stellt hingegen auf das mit dem Gesetz verfolgte Gemeinwohlziel ab. Dieses rechtfertigt indes nicht die tatbestandliche Differenzierung zwischen Spielbanken einerseits, Spielhallen und Gaststätten andererseits, sondern vielmehr die tatsächlichen Unterschiede, die in Hinblick auf diesen Gesetzeszweck angesichts der geringeren Gefährdung eine unterschiedlich strenge Regelung angemessen erscheinen lassen. Rechtfertigender Sachgrund für die Differenzierung ist nicht der wichtige Gemeinwohlbelang der Suchtprävention, sondern sind die tatsächlichen Unterschiede zwischen den Gruppen in Hinblick auf die Suchtprävention; gleichwohl kann die Zweckbestimmung des Gesetzes ein weiterer Anknüpfungspunkt im Sachund Regelungsbereich des Gesetzes sein, der auf seine Sachwidrigkeit hin untersucht werden kann, wie etwa die Entscheidung BVerfGE 145, 106 (146 Rn. 107, 153 f. Rn. 126 ff und insbesondere 161 f. Rn. 143) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb, verdeutlicht; insofern darf eine gesetzliche Regelung den Normzweck nicht verfehlen, das. (146 Rn. 107).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

die gesetzliche Unterscheidung rechtfertigen.⁶⁴⁸ Diese Unterschiede offenbart der Sachbereich für die Spielbanken in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential und in der unterschiedlichen Verfügbarkeit des Glücksspiels: Spielhallen sind im Alltag verankert, während Spielbanken durch einen Abstand zum Alltag gekennzeichnet sind. Für Gaststätten mit Spielmöglichkeiten liegen die tatsächlichen Unterschiede im Schwerpunkt der Tätigkeit sowie in der Anzahl der verfügbaren Geräte: Schwerpunkt des Gaststättenbetriebs ist nicht das Glücksspiel, sondern die Bewirtung der Gäste mit Speisen und Getränken; die Zahl der Geräte ist zudem auf zwei begrenzt. Aufgrund dieser tatsächlichen Unterschiede spiegelt die gesetzliche Differenzierung die tatsächlichen Unterschiede im Sach- und Regelungsbereich angemessen wider.⁶⁴⁹

(bb) Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb In einer Entscheidung vom 29.03. 2017⁶⁵⁰ untersuchte das Bundesverfassungsgericht, ob eine steuerliche Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften durch die Regelung des § 8c Satz 1 KStG gerechtfertigt war. Diese Regelung hatte den Zweck, missbräuchliche Steuergestaltungen („Mantelkauf“) zu verhindern. § 8c Satz 1 KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08. 2007 regelte, dass im Fall einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen (sog. „schädlicher Beteiligungserwerb“) noch nicht geltend gemachte negative Einkünfte nach der Anteilsübertragung nicht mehr als Verlustabzug nach § 10d EStG geltend gemacht werden konnten.⁶⁵¹ Das begründet eine rechtliche Ungleichbehandlung durch das Gesetz: Die Körperschaft ist rechtlich

 Für den umgekehrten Fall, dass eine zwischen Zweck und Mittel abwägende Relation entfällt, wenn eine die eine Verallgemeinerung rechtfertigende Gemeinsamkeit als „hinreichende Zweck“ gefunden ist, vgl. Britz, NJW 2014, 346 (350).  Für die vorgenannten Argumente vgl. BVerfGE 145, 20 (87 f. Rn. 174 f.) – Spielhallen; die kritischen Anmerkungen beziehen sich auch nicht auf die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, sondern auf die im vorliegenden Fall ebenfalls fragliche Gesetzgebungskompetenz (vgl. etwa H.-P. Schneider, NVwZ 2017, 1073, 1077 ff.) sowie den Eingriff in die Eigentums- und Berufsfreiheit (vgl. etwa Krüper, GewArch 2017, 349 f.)  BVerfGE 145, 106 – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu aus dem umfangreichen Schrifttum etwa Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623 ff.; Moritz/Helios, BB 2018, 343 ff.; Binnewies/Lemmer, AG 2018, 703 ff.; Crezelius, NZI 2017, 602 ff.; Bode, DStRK 2017, 167 ff.; Beckmann, GWR 2017, 231 ff.; Mirbach, KÖSDI 2017, 20330 ff.  Vgl. dazu BVerfGE 145, 106 (109 f. Rn. 7 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.

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selbstständig, weshalb es nach dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz bei der Bemessung der Körperschaftsteuer auf ihre eigene Leistungsfähigkeit ankommt und nicht auf die Leistungsfähigkeit der hinter der Körperschaft stehenden Personen. Wechselt der Bestand der Gesellschafter, bleibt die Bemessungsgrundlage der steuerlichen Leistungsfähigkeit gleich. Das Gesetz hingegen sieht eine andere Rechtsfolge vor, weil es von einem schädlichen Beteiligungserwerb ausgeht: Negative Einkünfte können in Höhe des Beteiligungswechsels nicht mehr geltend gemacht werden.⁶⁵² Sinn und Zweck der Regelung war es zu verhindern, dass steuerlich erhebliche negative Einkünfte monetarisiert wurden, dass also Anteile eines im Wesentlichen gescheiterten Unternehmens mit dem Ziel veräußert werden, die Steuerlast im Unternehmen des Erwerbers zu mindern.⁶⁵³ Dazu differenzierte das Gesetz zwischen Anteilsübertragungen von weniger als 25 % und von solchen mit mehr als 25 %. Das Bundesverfassungsgericht untersuchte sodann diese gesetzliche Differenzierung zwischen beiden Gruppen daraufhin, ob in einem jeweils typischen Fall einer Anteilsübertragung von mehr oder weniger als 25 % des Kapitals einer Körperschaft tatsächlich regelmäßig ein Missbrauch vorlag, ob also tatsächliche regelmäßige Unterschiede zwischen beiden Arten einer Unternehmensübertragung bestanden, welche eine Differenzierung in Hinblick auf die Möglichkeit zum Verlustabzug rechtfertigen konnten.⁶⁵⁴ Solche Unterschiede lagen jedoch gerade nicht vor, weil allein der Erwerb einer Beteiligung von mehr als 25 % an einer Körperschaft nicht nahe legte, dass es sich um einen missbräuchlichen „Mantelkauf“ handelte, der dem Zweck diente, die steuerlichen Verluste in einem neuen Unternehmen geltend zu machen.⁶⁵⁵ Zunächst betont das Bundesverfassungsgericht den grundsätzlich weiten Gestaltungsraum des Gesetzgebers – im Bereich des Steuerrechts für die Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes.⁶⁵⁶ In Hinblick auf die Maßstabsbildung des allgemeinen Gleichheitssatzes unterstreicht die Entscheidung einerseits die Bedeutung der sachbereichsbezogenen Betrachtung des

 BVerfGE 145, 106 (Rn. 115 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623 (1624).  BVerfGE 145, 106 (117 f. Rn. 35, 129 f. Rn. 66 sowie 152 f. Rn. 124 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; zum Gesetzeszweck der Vorgängerregelung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. vgl. auch BTDrucks 11/2157, S. 171, die streitgegenständliche Regelung diente vor allem der Vereinfachung vgl. BTDrucks 16/4841, S. 34 und S. 74).  BVerfGE 145, 106 (153 f. Rn. 127 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (151 f. Rn. 122 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (143 f. Rn. 102) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu Moritz/Helios, BB 2018, 343 (344 und 346).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

allgemeinen Gleichheitssatzes, andererseits bestätigt sie das Verständnis eines offenen Gleichmaßes, das sich je nach den Anforderungen des Regelungsbereichs im Einzelfall verdichtet. Hinsichtlich der sachbereichsbezogenen Betrachtung nahm das Bundesverfassungsgericht als Ausgangspunkt der Untersuchung die grundsätzliche Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers sowie dessen Berechtigung, zum Zweck der Missbrauchsbekämpfung gesetzliche Unterscheidungen und Ungleichbehandlungen vorzunehmen.⁶⁵⁷ Es stellte dabei aber fest, dass durch die pauschale Anknüpfung an den Erwerb von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft das Differenzierungskriterium – die „25 %-Grenze“ –⁶⁵⁸ den wirtschaftlichen Vorgang nicht sachgerecht aufgenommen und realitätsgerecht abgebildet hatte: Eine gesetzliche Typisierung muss, um realitätsgerecht zu sein, den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen und darf den jeweiligen Normzweck nicht verfehlen. Das Tatbestandsmerkmal einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % deutet aber allein nicht regelmäßig und typischerweise auf einen mit Missbrauchsabsicht durchgeführten „Mantelkauf“ hin,⁶⁵⁹ sondern kann auf einer Vielzahl sinnvoller wirtschaftlich sinnvoller und rechtlich zulässiger Motive beruhen.⁶⁶⁰ Der Gesetzgeber hat „eine abstrakte Missbrauchsgefahr zum Anlass für eine vom typischen Missbrauchsfall losgelöste und über diesen hinausgehende generelle Verlustnutzungsregelung für Körperschaften genommen“⁶⁶¹. Deshalb verstößt die Regelung des § 8c Satz 1 KStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und ist nicht durch Gründe der Missbrauchsbekämpfung zu rechtfertigen. Anders zu beurteilen ist die Ungleichbehandlung, wenn der Tatbestand an eine tat-

 BVerfGE 145, 106 (153 f. Rn. 128) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  Für die in § 8c Satz 2 KStG enthaltene 50 %-Regelung, die im vorliegenden Fall nicht zur Prüfung stand, vgl. den Vorlagebeschluss des FG Hamburg, Beschl. v. 29.08. 2017 – 2 K 245/17, BB 2017, 2654.  Für den sog. „Mantelkauf“ vgl. die Vorgängerregelung des § 8 Abs. 4 KStG a. F., BVerfGE 145, 106 (151 f. Rn. 123 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.vgl. Moritz/Helios, BB 2018, 343 (346); für einen Mantelkauf muss auch ein Wechsel der wirtschaftlichen Identität vorliegen, der jedenfalls auch einen Wechsel des Betriebsvermögens erfordert vgl. BFH, Urt. v. 28.05. 2008 – I R 87/07, DStR 2008, 2107; BFH, Urt. v. 12.10. 2010 – I R 64/09, BB 2011, 494; BVerfGE 145, 106 (161 f. Rn. 142) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (153 Rn. 127) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623 (1624).  BVerfGE 145, 106 (154 f. Rn. 128) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu auch J. Lang, GmbHR 2012, 57 f.

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sächliche Änderung der wirtschaftlichen Identität anknüpfen würde.⁶⁶² Wechselt die Gesellschaft die Identität wäre es sachlich vertretbar, auch einen Wechsel der Besteuerungsgrundlage festzulegen.⁶⁶³ Ein solcher Wechsel der wirtschaftlichen Identität – etwa durch Aufnahme eines völlig neuen Unternehmensgegenstandes – könnte aber erst anhand der Maßnahmen beurteilt werden, welche die Körperschaft durch Einfluss des neuen Anteilseigners tatsächlich trifft.⁶⁶⁴ Die Entscheidung unterstreicht außerdem die bereichsspezifische Perspektive des allgemeinen Gleichheitssatzes, deren Prüfung vom Sach- und Regelungsgenstand ausgeht und daher auch gesetzgeberische Systeme und Grundentscheidungen in sich aufnimmt:⁶⁶⁵ Bei der Besteuerung von Körperschaften ermittelt der Staat die steuerliche Leistungsfähigkeit nach dem Trennungsprinzip, bei Personengesellschaften nach dem Transparenzprinzip. Im Fall des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ durchbricht das Gesetz aber diese Grundentscheidung und nähert die Bemessung der Besteuerungsgrundlage von Körperschaften dem Transparenzprinzip an.⁶⁶⁶ Diese Abweichung bedarf – neben der durch sie hergestellten Ungleichbehandlung – einer Rechtfertigung durch einleuchtende Sachgründe. Außerdem untersuchte das Bundesverfassungsgericht in Hinblick auf das anzuwendende Gleichmaß, ob eine strengere Bindung des Gesetzgebers daraus folgen müsse, dass der Tatbestand des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ für die Kapitalgesellschaft nur sehr eingeschränkt verfügbar sei.⁶⁶⁷ Denn die Kapitalgesellschaft selbst als unmittelbare Normbetroffene hat kaum Möglichkeiten, einen derartigen Beteiligungserwerb zu verhindern, sodass das Merkmal des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ für sie nur sehr eingeschränkt verfügbar war. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Frage im Ergebnis offengelassen hat, so liegt der Untersuchung die Prämisse zugrunde, dass die Prüfungsintensität ansteigt, wenn der Gesetzesbetroffene durch sein Verhalten die Betroffenheit nicht – oder nur geringfügig – beeinflussen kann. Das unterstreicht die sachbereichsbezogene Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes, bei der die

 Von dieser Vorstellung ging der Gesetzgeber beim Anteilskauf – unzutreffend – aus, vgl. BTDrucks. 16/4841 v. 27. 3. 2007, 76; dazu Mirbach, KÖSDI 2017, 20330 (20331).  BVerfGE 145, 106 (155 f. Rn. 132 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (159 f. Rn. 140) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; vgl. dazu Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623 (1627).  Moritz/Helios, BB 2018, 343 (344).  BVerfGE 145, 106 (162 Rn. 144 ff.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfGE 145, 106 (150 f.Rn. 120) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Willkürprüfung die niedrigste Prüfungsintensität einer sich stufenlos verdichtenden Gleichheitsbindung darstellt.⁶⁶⁸

(cc) Einheitsbemessung bei der Grundsteuer Im Urteil vom 10.04. 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht – wie weithin erwartet⁶⁶⁹ – die Vorschriften zur Einheitsbewertung bei der Grundsteuer für verfassungswidrig, weil diese gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen.⁶⁷⁰ Sie ermöglichen in hohem Maße Ungleichheit durch unterschiedlich hohe Wertverzerrungen bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage,⁶⁷¹ die sachlich nicht gerechtfertigt ist.⁶⁷² Nach § 19 Abs. 1 BewG werden für inländischen Grundbesitz Einheitswerte festgesetzt, welche die Finanzämter bei der Berechnung der Grundsteuer zugrunde legen.⁶⁷³ § 21 BewG schreibt vor, dass die Einheitswerte alle sechs Jahre in einer Hauptfeststellung allgemein festgestellt werden. Zum 01.01.1964 fand eine Neubewertung des Grundbesitzes statt.⁶⁷⁴ Diese gesetzliche Regelung verfolgte das Ziel, „gesetzliche Normen zu schaffen, die geeignet sind, gleichmäßige, dem Verkehrswert nahekommende Einheitswerte als Grundlage für eine gerechte Be-

 BVerfGE 145, 106 (141 f. Rn. 98 und 151 Rn. 121) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  Vgl. dazu etwa Seer, DB 2018, 1488; vgl. auch BFH, Urt. v. 30.06. 2010 – II R 60/08, DStR 2010, 1618 (1620); BFH, Urt. v. 30.06. 2010 – II R 12/09, DStRE 2010, 1194 (1195).  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; vgl. dazu aus dem Schrifttum etwa G. Kirchhof, DStR 2018, 2661; Seer, DB 2018, 1488 ff.; Broer/ Jarass, BB 2018, 919 ff.; Lammers, in: DStZ 2018, 866 ff.  Zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung bei Vermögens- und Erbschaftsteuer für die Relation zwischen Grund- und Geldvermögen vgl. bereits die beiden Einheitswertbeschlüsse, BVerfGE 93, 121 – Einheitswerte II; BVerfGE 93, 165 – Erbschaftsteuer (gesonderte Bewertung).  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Ls. 1 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; vgl. aber für eine Verfassungsbeschwerde nur gegen den Grundsteuerbescheid der Gemeinde wegen der Bindung an den bereits zuvor ergangenen, isolierten Grundlagenbescheid des Finanzamts, BVerfG, Beschl. v. 18.02. 2009 – 1 BvR 1334/07, NJW 2009, 1868 (1869 Rn. 7) – Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer.  Das Konzept der Festsetzung von Einheitswerten geht zurück auf das Reichsbewertungsgesetz von 16.10.1934, RGBl. I 1934 S. 1035, um für alle vermögensabhängigen Steuern verwaltungsökonomisch einen einheitlichen Wert festzusetzen, vgl. Seer, in: DB 2018, 1488 (1488); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 1 Rn. 56; allerdings ist derzeit die Grundsteuer der einzige praktische Anwendungsfall der „Einheitsbewertung“.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 6 f. – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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steuerung zu finden“⁶⁷⁵. Da die so ermittelten Einheitswerte jedoch erst 1974 erstmals angewendet werden konnten, entschied der Gesetzgeber, den Zeitpunkt der nächsten Hauptfeststellung in einem neuen, erst später zu verabschiedenden Gesetz festzulegen. Dies ist bis heute jedoch nicht geschehen. Deshalb gibt es heute keine gesetzliche Grundlage für eine Neufeststellung. Stattdessen werden die in der Hauptfeststellung zum 01.01.1964 ermittelten Werte fortgeschrieben oder weiterentwickelt (§ 23 BewG).⁶⁷⁶ Zur Berechnung des Einheitswertes zum 01.01.1964 wird maßgeblich im Wege des Ertragswertverfahrens auf den Mietspiegel zurückgegriffen.⁶⁷⁷ Durch diesen Bezug können heute erhebliche wertbildende Faktoren nicht berücksichtigt werden, weil sie damals technisch noch nicht vorhanden waren. „So bleibt kein Raum zur Differenzierung bei heute maßgeblichen wertbildenden Faktoren mit der Folge, dass höchst ungleich ausgestattete Grundstücke gleich bewertet werden, obwohl nach der Logik der Mietspiegel eigentlich eine Abstufung vorgenommen werden müsste, wie sie auch in den Mietpreisspannen heutiger Mietspiegel zum Ausdruck kommt.“⁶⁷⁸ Hierdurch kommt es zu erheblichen Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Wert und dem der Bemessung zugrunde gelegten Einheitswert. Die Abweichung allein begründet jedoch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.⁶⁷⁹ Die Gleichheitswidrigkeit beruht vielmehr darauf, dass die Abweichungen Grundstückseigentümer höchst unterschiedlich treffen können, sodass Grundstücke mit einem gleichen Verkehrswert mit völlig unterschiedlichen Werten für die Berechnung der Grundsteuer herangezogen werden können. Die Vorschriften „führen vielmehr zu zunehmend gravierenderen Wertverzerrungen und damit zu Ungleichbehandlungen innerhalb derselben Vermögensart“⁶⁸⁰.

 BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 5 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  Für das Vorgenannte vgl. BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 11 f‐ Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 11 f. – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 116 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 109 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 114 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Auch in dieser Entscheidung betont das Bundesverfassungsgericht zunächst den grundsätzlich weiten Gestaltungsraum des Gesetzgebers.⁶⁸¹ Sodann kommt erneut besonders deutlich die sachbereichsbezogene Prüfung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes zum Ausdruck: Der Sachbereich wird im Steuerrecht vor allem bestimmt durch den Belastungsgrund. Dieser muss in der Gesamtschau jedenfalls prinzipiell realitätsgerecht bemessen werden.⁶⁸² Der allgemeine Gleichheitssatz fordert im Bereich des Steuerrechts deshalb, dass nach dem Grundsatz der horizontalen und vertikalen Steuergerechtigkeit gleich leistungsfähige Steuerpflichtige gleich hoch, unterschiedlich Leistungsfähige unterschiedlich hoch besteuert werden.⁶⁸³ In Hinblick auf die Leistungsfähigkeit vergleicht Art. 3 Abs. 1 GG, ob die vom Belastungsgrund erfassten Wirtschaftsgüter in Relation zueinander realitätsgerecht abgebildet werden.⁶⁸⁴ Deshalb muss das Bewertungssystem sicherstellen, die Grundstücke eines Gemeindegebietes zueinander realitätsgerecht zu bemessen.⁶⁸⁵ Ziel des Gesetzes ist es dabei, sich dem gemeinen Wert (§ 9 Abs. 1 BewG) zumindest anzunähern.⁶⁸⁶ Entfallen dann aber die periodisch vorgesehenen Hauptfeststellungen, kommt es zunehmend zu Wertverzerrungen.⁶⁸⁷ Besonders beachtenswert ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Prüfungsintensität durch das große Ausmaß der durch das Gesetz geschaffenen Ungleichbehandlung begründet: „Die Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung treten flächendeckend, zahlreich und auch in ihrem jeweiligen individuellen Ausmaß vielfach erheblich auf. Das folgt zwangs-

 BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 98 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 96 – 98 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  So grundlegend BVerfGE 122, 210 (231) – Pendlerpauschale; BVerfGE 127, 224 (244 f.) – Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots; G. Kirchhof, DStR 2018, 2661 (2662); insofern ist die Gleichheit im Belastungserfolg eine besondere Ausprägung des Grundsatzes, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend zu behandeln, vgl. BVerfGE 145, 106 (145 f. Rn. 104 f.) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 97– Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 96 – 98 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; Seer, DB 2018, 1488 (1489).  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 104 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris, mit Hinweis auf die Reg.-Begr. zum BewÄndG 1965, BT-Drucks. IV/1488 S. 31; so auch BFH, Beschl. v. 22.10. 2014 – II R 16/13, DStR 2014, 2438 (2243 Rn. 52).  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 104 ff. – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.

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läufig daraus, dass eine periodische Neubewertung seit Jahrzehnten nicht erfolgt. … Diese Ungleichbehandlungen sind in der normativen Struktur der Einheitsbewertung in ihrer heutigen Handhabung angelegt und von solchem Ausmaß, dass sie eine strenge Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG verlangen.“⁶⁸⁸

Einer Prüfung an diesem Maßstab halten die dargestellten Vorschriften nicht stand: Denn sie ermöglichen es strukturell, dass vergleichbare Wirtschaftsgüter in Relation zueinander völlig unterschiedlich besteuert werden.⁶⁸⁹ Zwar können die Befugnis des Gesetzgebers zu typisieren und die Notwendigkeit der Verwaltungsvereinfachung Ungleichbehandlungen rechtfertigen.⁶⁹⁰ Weichen die vorgefundene Realität und das gesetzlich vorgeschriebene Bemessungsverfahren derart weit voneinander ab, „rechtfertigt selbst die Vermeidung eines noch so großen Verwaltungsaufwands nicht ihre Verwendung“⁶⁹¹. Auch die Typisierung erfordert, dass das Gesetz realitätsgerecht den typischen Fall abbildet.⁶⁹² Der Gestaltungsraum des Gesetzgebers wird somit durch die in der Regelungsmaterie vorgefundene Realität eingeschränkt, verengt sich vor allem aber zunehmend mit dem Ausmaß der durch das Gesetz geschaffenen Abweichung.

(dd) Gewerbesteuer In einem weiteren Urteil vom 10.04. 2018⁶⁹³ hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG bestätigt und auch dabei auf die hier dargestellten Grundsätze des allgemeinen Gleichheitssatzes verwiesen. Die Verfassungsbeschwerde betraf insbesondere die Frage, ob die Einführung der Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft durch § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG verfassungsrechtlich zulässig war.⁶⁹⁴  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 128 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  Vgl. BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 112 ff. – Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 136 f. – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Leitsatz 2 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 11/14, Rn. 136 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; aus dem Schrifttum vgl. etwa Siebert/Sommer/Grün, DStR 2019, 367 ff.; Burwitz, NZG 2018, 729.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 1 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gehört zum zu versteuernden Gewerbeertrag auch der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt. Vor der Einführung dieser Regelung⁶⁹⁵ unterlagen Veräußerungsgewinne von Personengesellschaften und Einzelunternehmern nicht der Gewerbesteuerpflicht, weil nach früherer gefestigter Rechtsprechung die Gewerbesteuerpflicht bei Personengesellschaften und Einzelunternehmern grundsätzlich erst mit Aufnahme der werbenden „aktiven“ Tätigkeit begann und mit deren Aufgabe endete.⁶⁹⁶ Die Neuregelung sieht hingegen eine umfassende Gewerbesteuerpflicht für Veräußerungsgewinne vor, sofern nicht der Veräußerungsgewinn auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer entfällt (§ 7 Satz 2 Halbsatz 2 GewStG). Damit werden Mitunternehmerschaften bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils unterschiedlich besteuert, je nachdem ob der Veräußerer eine natürliche Person ist oder eine Personen- oder Kapitalgesellschaft.⁶⁹⁷ Für die konkrete Prüfungsintensität des allgemeinen Gleichheitssatzes untersucht das Bundesverfassungsgericht dann ausdrücklich, ob durch die gesetzliche Neuregelung des § 7 Satz 2 Halbsatz 2 GewStG eines „der Kriterien, die zu einer strengeren Verhältnismäßigkeitskontrolle einer Ungleichbehandlung führen“, Anlass gibt, „den Differenzierungsspielraum des Gesetzgebers substantiell einzuschränken“⁶⁹⁸. Ausführlich prüft das Bundesverfassungsgericht dabei, ob das Ausmaß der durch das Gesetz geschaffenen Ungleichbehandlung so groß sein könnte, dass dadurch eine strengere Prüfung notwendig würde.⁶⁹⁹ Diese Frage beantwortet das Bundesverfassungsgericht zunächst strukturell, indem es feststellt, dass es sich um eine nur  Vgl. Fünftes Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen v. 23.7. 2002 – StBAÄG – (BGBl. I 2002, 2715).  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 6 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris, mit Verweis auf BFH, Urteil v. 25.05.1962 – I 78/61 S, BFHE 75, 467 (470); BFH, Urteil v. 27.03.1996 – I R 89/95, BFHE 181, 499 (502); Roser, in: Lenski/Steinberg (Hrsg.), GewStG, 125. Lieferung 2018, § 7 Rn. 13 f.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 112 ff. – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; verfassungsrechtlich stellte sich außerdem die Frage, ob die Regelung gegen den Grundsatz der Leistungsfähigkeit verstößt, weil der Veräußerungsgewinn dem Erwerber zugutekommt und der veräußernden Personengesellschaft nicht zur Verfügung steht, vgl. dazu ebd. Rn. 107 ff. Für die hier zu betrachtende Frage der Bildung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs entsprechen die Ausführungen zum Leistungsfähigkeitsprinzip der ständigen Rechtsprechung.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 116 ff. – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 117 ff. – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris.

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spezielle Bereichsausnahme für den Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils durch eine natürliche Person handelt.⁷⁰⁰ Weiter führt es aber auch aus, dass die von der Steuerbefreiung begünstigten natürlichen Personen „im Vergleich zu Veräußerungen durch beteiligte Kapital- und Personengesellschaften dem Volumen nach tendenziell eher geringere Transaktionen“ durchführen.⁷⁰¹ Die Begünstigung eines „tendenziell eher geringeren“ Volumens der Transaktionen bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass die Gruppe der steuerlich belasteten Veräußerer den wesentlich größeren Teil und damit den Regelfall betrifft. Das Gesetz belastet also regelmäßig den größeren Anteil der Transaktionen; die spezielle Bereichsausnahme stellt hingegen nur einen unbedeutenderen Teil dar. Damit nimmt die Ausnahme die Struktur des Regelungsgegenstandes auf. Der Kreis der Belasteten ist angemessen gewählt in Hinblick darauf, dass die steuerliche Last möglichst auf die Schultern der größeren Gruppe verteilt, die Ausnahme auf eine kleinere Gruppe beschränkt wird. Für die hieraus entstehende Ungleichbehandlung findet der Gesetzgeber sachlich einleuchtende Gründe in der deutlich höheren Missbrauchsgefahr bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils durch Personen- und Kapitalgesellschaften,⁷⁰² die im Rahmen der lockeren Kontrolle des allgemeinen Gleichheitssatzes genügen.⁷⁰³ Das hiergegen vorgebrachte Argument, durch die Regelung

 BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 117 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 117 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris.  Krit. Roser, FR 2018, 421 (423 f.).  BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 119 ff. – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; krit. in Hinblick auf BVerfGE 145, 106 (153 f. Rn. 128 und 167 f. Rn. 158) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb, Siebert/Sommer/Grün, DStR 2019, 367 (369): Der Gesetzgeber müsse für eine Typisierung den typischen Fall zugrunde legen, für eine Typisierungsbefugnis fehle es daher an der Feststellung, dass die Veräußerung durch Kapital- oder Personengesellschaften typischerweise einen Missbrauch indiziere. Dagegen führt das Bundesverfassungsgericht, das. Rn. 120, aus, dass nach der früheren Rechtslage Kapitalgesellschaften die Möglichkeit hatten, nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG Wirtschaftsgüter steuerneutral in eine Personengesellschaft einzubringen und sie anschließend durch Verkauf der Beteiligung hieran gewerbesteuerfrei zu veräußern (vgl. dazu BT-Drs. 14/6882, 41 und Bericht der Bundesregierung v. 18.4. 2001, Beilage zu FR 11/2001, 1 (6 f.). Insofern liegt gerade keine, jedoch vom zweiten Senat in der Entscheidung BVerfGE 145, 106 (145 Rn. 158) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb, festgestellte „abstrakte Missbrauchsgefahr“ vor, sondern das Gesetz eröffnet eine Gestaltungsmöglichkeit, die zu einer sehr umfangreichen und flächendeckenden Steuervermeidungsoption für Kapitalgesellschaften führt. Derartige Gestaltungsmöglichkeiten können vielmehr selbst die Gleichheitswidrigkeit einer Regelung begründen, s. o. III 6 c) (bb) (3), S. 104 ff., und insbes. BVerfGE 138, 136 (235 f. Rn. 255) – Erbschaftsteuer.

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würden natürliche Personen ungleich behandelt, je nachdem, ob sie mittelbar oder unmittelbar an der Veräußerergesellschaft beteiligt seien,⁷⁰⁴ führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Form der Beteiligung ist für die natürlichen Personen ohne erkennbare nennenswerte gesetzliche Vorschriften frei verfügbar und kann im Rahmen einer allgemeinen Abwägung von Vor- und Nachteilen der jeweiligen Beteiligungsformen bei der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung berücksichtigt werden. Damit ändert auch diese Betrachtung nichts an dem grundsätzlich lockeren Prüfungsmaßstab, der als Rechtfertigung die unterschiedliche Missbrauchsgefahr ausreichen lässt.

(ee) Rundfunkbeitrag Die bereichsspezifische Betrachtungsweise für das konkrete Gleichmaß lässt sich auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des allgemeinen Rundfunkbeitrages erkennen.⁷⁰⁵ Um den öffentlichen Rundfunk zu finanzieren, darf der Gesetzgeber Beiträge erheben und die Beitragspflicht typisierend festlegen und dazu an das Innehaben einer Wohnung anknüpfen,⁷⁰⁶ weil das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot typischerweise in einer Wohnung in Anspruch genommen wird. Es handelt sich finanzverfassungsrechtlich um eine nichtsteuerliche Abgabe in Form eines Beitrags.⁷⁰⁷ Die Erhebung muss dabei belastungsgleich ausgestaltet sein. Das ist bei Abgaben der Fall, wenn sie von denjenigen Personen erhoben werden, denen ein individuell-konkreter Vorteil zugerechnet werden kann.⁷⁰⁸ Vorauszusetzen ist allerdings auch, dass die Beitragspflichtigen eine realistische Möglichkeit haben, die gegenständliche Leistung zu nutzen.⁷⁰⁹ Die Vorteile des öffentlichen Rundfunks sind einem Inhaber einer Wohnung⁷¹⁰ wegen der typischerweise bestehenden Nutzungsmöglichkeit zurechen-

 Siebert/Sommer/Grün, DStR 2019, 367 (369 f.).  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris; vgl. dazu aus dem Schrifttum etwa M. Vogel, jM 2018, 424 ff.; Cornils, ZJS 2018, 627 ff.; Selmer, JuS 2018, 1255 ff.; Wiemers, NVwZ 2018, 1272 ff.  So § 2 Abs. 1 RBStV, bzw. an das Innehaben einer Betriebsstätte oder eines betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 RBStV.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 52 ff. – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris; M. Vogel, jM 2018, 424.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 66 ff. – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris; M. Vogel, jM 2018, 424.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 67 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris; M. Vogel, jM 2018, 424.  Bzw. einer Betriebsstätte oder eines betrieblich genutzten KfZ.

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bar.⁷¹¹ Das für den Beitrag bereitgestellte Rundfunkangebot stellt auch eine äquivalente Gegenleistung dar.⁷¹² Dass die Beitragspflicht für eine Wohnung nur einmal anfällt,⁷¹³ begründet keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Es liegt zwar eine Ungleichbehandlung vor, weil Einzelpersonen, die eine Wohnung innehaben, den gesamten Beitrag alleine schulden, während Wohnungsinhaber, die gemeinsam eine Wohnung innehaben, für die Kosten für den insofern gleich hohen Beitrag gesamtschuldnerisch haften und demzufolge untereinander aufteilen können. Der Gesetzgeber darf im Rahmen seines Gestaltungsraumes aber Entlastungen vorsehen, weil die gemeinsame Wohnung typischerweise eine Lebensgemeinschaft abbildet, in der die Mitglieder das Rundfunkangebot gemeinsam nutzen.⁷¹⁴ Die vergleichsweise geringfügige Ungleichbehandlung in Form der Entlastung für Mehrpersonenhaushalte ist daher durch den Sachgrund der gemeinsamen Nutzung hinreichend gerechtfertigt.⁷¹⁵ Aus dem Sachbereich des öffentlichen Rundfunks folgt als Vorgabe für die Erhebung des Beitrages aber weiterhin: „Dabei ist in der Regel ein Beitragsschuldner zur Deckung gleicher Kosten einer Leistung oder zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach heranzuziehen […]. Mehrfach Beitragspflichtige sollen aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistung einen nicht nur insignifikant größeren Vorteil ziehen als nur einfach Beitragspflichtige […] Bei der beitragsrechtlichen Vorteilsbemessung hat sich der Gesetzgeber an einem Wirklichkeitsmaßstab oder zumindest an einem Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu orientieren.“⁷¹⁶

Dieser ist insbesondere verletzt, wenn Personen, die einen Zweitwohnsitz haben, für denselben Vorteil doppelt herangezogen werden. Dies widerspricht der dem Beitragsrecht innewohnenden Sachgerechtigkeit: Jeder Empfänger kann das

 BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 75 ff. – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 98. – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris.  Vgl. § 2 Abs. 3 RBStV unter Verweis auf § 44 AO, die Beitragshöhe unterscheidet nicht nach der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 99 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris; vgl. dazu Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 15/197, S. 35.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 104 f. – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris.  BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 70 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Rundfunkangebot nur einmal wahrnehmen, auch wenn er zwei Wohnungen innehat. Er darf daher nicht mehr als mit einem vollen Beitrag belastet werden.⁷¹⁷

(ff) Studienzulassung Regelt der Gesetzgeber das Recht der Studienzulassung, haben alle Studienplatzbewerber gem. Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ein Recht auf die gleiche Teilhabe an den staatlichen Studienangeboten und auf eine gleichheitsgerechte Zulassung.⁷¹⁸ Die gleichheitsrechtlichen Vorgaben des verfassungsrechtlichen Gebots zur angemessenen Verallgemeinerung strahlen auf die Freiheitsrechte aus, welche die Anforderungen in sich aufnehmen. Die Anfrage an das Recht lautet hier, wie die knappen Studienplätze auf die grundsätzlich gleichberechtigten Bewerber aufzuteilen sind. Der Gesetzgeber ist gehalten, die maßgeblichen Kriterien hierfür selbst zu regeln.⁷¹⁹ Er findet in diesem Sachbereich angelegte taugliche Entscheidungskriterien vor, die Anknüpfungspunkt einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung sein können. Merkmal einer gesetzlichen Differenzierung kann demzufolge insbesondere sein, wie sehr sich ein Bewerber vermutlich für das angestrebte Studium eignen wird.⁷²⁰ Eine solche Differenzierung entspricht dem Grundsatz der Sachgerechtigkeit.⁷²¹ Sachgerecht ist auch, wenn der Gesetzgeber als ein Kriterium für eine solche Prognose die Abiturnote festlegt.⁷²² Erkennt er allerdings selbst, dass die Abiturnoten aus verschiedenen Bundesländern nicht miteinander vergleichbar sind und ermöglicht

 Vgl. hierzu im Ergebnis zustimmend, aber krit. in Hinblick auf die knappe Begründung M. Vogel, jM 2018, 424 (426), der hervorhebt, das Bundesverfassungsgericht eröffne die Möglichkeit durch die Formulierung: auszunehmen seien Erstwohnungsinhaber, „die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst“, BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 111 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zit. nach juris, dass bezüglich der Erstwohnung nur gesamtschuldnerisch haftende Beitragsschuldner doch zur Beitragspflicht für die Zweitwohnung herangezogen werden könnten. Das wäre indes nicht folgerichtig, da der Gesetzgeber entschieden habe, den Beitrag für jede Wohnung zu erheben, § 2 Abs. 1 RBStV; im Übrigen widerspräche es auch der Feststellung, ein Beitragsschuldner dürfe nicht mehr als für einen vollen Beitrag herangezogen werden.  BVerfGE 147, 253 (305 ff. Rn. 103 und 106) –– NC Humanmedizin; vgl. aus dem Schrifttum etwa S. Braun, DVBl 2018, 831 ff.; Muckel, JA 2018, 233 ff.; Hufen, JuS 2018, 305 ff.  BVerfGE 147, 253 (310 f., Rn. 117 ff.) –– NC Humanmedizin.  BVerfGE 147, 253 (314, Rn. 127) – NC Humanmedizin.  BVerfGE 147, 253 (314, Rn. 127) – NC Humanmedizin; ebenfalls die Perspektive des Sachbereichs betonend Braun, DVBl 2018, 831 (833).  Weil diese Rückschlüsse auf allgemeine Eignungskriterien zulässt, vgl. Gentsch, Richtig ausgewählt?, 2009, S. 34 f.; Deidesheimer Kreis, Hochschulzulassung und Studieneignungstests, 1997, S. 80 f., 103; krit. zum Kriterium der Abiturnote Braun, DVBl 2018, 831 (836 m. w. N.).

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er gleichwohl den Hochschulen, allein die Abiturnote zugrunde zu legen, ohne wenigstens einen Ausgleichsmechanismus für länderspezifische Unterschiede vorzusehen, wählt er eine Unterscheidung, die gegen die in der Sache angelegte Ordnung verstößt.⁷²³ Die von ihm getroffene Regelung ist nicht realitätsgerecht, weil auf diese Art und Weise nach der Beurteilung weniger geeignete Bewerber bevorzugt einen Studienplatz erhalten können.⁷²⁴

(gg) Prozesskostenhilfe In einer weiteren jüngeren Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass der Gleichheitssatz insbesondere fordert, dass das Recht der Prozesskostenhilfe sachgerecht ausgestaltet wird.⁷²⁵ Die Gewährung von Prozesskostenhilfe verfolgt das Ziel, allen Bürgern gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, unabhängig davon, ob der jeweilige Rechtssuchende vermögend oder mittellos ist.⁷²⁶ Deshalb erhält gem. § 114 ZPO eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Legt ein angerufenes Gericht diese Vorschrift jedoch so aus, dass bereits im Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Rechtsfrage des Hauptsacheverfahrens geklärt wird und lehnt es den Antrag mit der gleichen Begründung ab wie die Klage in der Hauptsache, so widerspricht diese Entscheidung diesem Ziel gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen.⁷²⁷ Dem Rechtschutzsuchenden wird hierdurch die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung seiner Rechtsfrage in erster Instanz tatsächlich verwehrt.⁷²⁸ Die Realität des Rechtssuchenden verfehlt dann den Zweck des Prozesskostenhilferechts und ist daher gleichheitswidrig.

 BVerfGE 147, 253 (333 ff., Rn. 174 ff.) – NC Humanmedizin; zust. Hufen, JuS 2018, 305 (307); Muckel, JA 2018, 233 (236).  BVerfGE 147, 253 (336 f., Rn. 179 ff.) – NC Humanmedizin.  BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17 – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfGE 78, 104 (117) – Prozesskostenhilfe im Zivilprozess; BVerfGE 81, 347 (357) – Rechtsschutzgleichheit; BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17, Rn. 12 – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17, Rn. 12 – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris.  BVerfG, Urt. v. 22.08. 2018 – 2 BvR 2647/17 – Rechtschutzgleichheit im Asylverfahren, zitiert nach juris; vgl. dazu auch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 396.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

(hh) Massenentlassungsschutz In einem Beschluss vom 08.06. 2016 entschied das Bundesverfassungsgericht außerdem, dass der Ausschluss einer Frau in Elternzeit aus der Anwendung des Massenentlassungsschutzes verfassungswidrig ist.⁷²⁹ Der Beschluss verdeutlicht insbesondere, dass sich die Prüfungsanforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes erhöhen, wenn die übrigen grundgesetzlichen Wertentscheidungen – hier der verfassungsrechtliche Auftrag zum Schutz der Eltern – auf den allgemeinen Gleichheitssatz ausstrahlen.⁷³⁰ Das Bundesverfassungsgericht stellt eingangs – vorliegend um die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zu begründen – zunächst fest, dass die verfassungsrechtlichen Fragen zur Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG geklärt sind, soweit sie eine Ungleichbehandlung wegen der Elternschaft betreffen oder eine faktische Diskriminierung von Frauen offenbaren.⁷³¹ Hintergrund der Entscheidung ist die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er eine abhängig von der Größe des Betriebes festgelegte Anzahl von Mitarbeitern entlässt. Erfolgt die Anzeige unwirksam und verspätet, ist die Kündigung unwirksam. Das ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses aus § 18 KSchG.⁷³² Im Ausgangsverfahren der Urteilsverfassungsbeschwerde hatte eine Mutter Kündigungsschutzklage gegen eine Massenentlassung ihres Arbeitgebers erhoben. Der Arbeitgeber hatte vor Ausspruch der Kündigung die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 KSchG nicht eingehalten. Die Kündigungen waren daher unwirksam. Bezüglich der Beschwerdeführerin vertrat das Bundesarbeitsgericht jedoch die Auffassung, die Kündigung bei der Mitarbeiterin in Elternzeit habe die 30Tages-Frist des § 17 Abs. 1 KSchG gewahrt, denn sie sei erst wirksam geworden, nachdem die zuständige Landesbehörde die gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG erforderliche Zustimmung erteilt habe. Damit wurde die Beschwerdeführerin gegenüber ihren Arbeitskollegen, die sich nicht in Elternzeit befanden, ungleich behandelt. Deren Kündigung vor Ablauf der 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 KSchG war unwirksam. Ihre Kündigung beruhte auf dem gleichen Entschluss des Arbeitgebers zur Durchführung einer Massenentlassung. Sie war jedoch anders als

 BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 16 f. – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 17 – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 13 – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  BAG, Urt. v. 28.05. 2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267; Volkening, BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition 2018, § 17 KschG Rn. 50.

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bei ihren Kollegen wirksam, weil es bei ihr für die Wirksamkeit auf den späteren, nach Ablauf der Wartefrist liegenden Zeitpunkt der Zustimmung der Landesbehörde ankommen sollte.⁷³³ Ausgehend von dieser rechtlichen Würdigung stellte das Bundesverfassungsgericht eine Ungleichbehandlung fest: Dieses Verständnis des § 17 Abs. 1 KSchG gewährte Mitarbeitern in Elternzeit faktisch ein geringeres Schutzniveau, denn die zuständige Landesbehörde erteilte die Zustimmung regelmäßig so spät, dass eine Anzeige des Arbeitgebers stets die Frist des § 17 Abs. 1 KSchG wahrt. Damit wurden Mitarbeiter in Elternzeit faktisch vom Schutz der §§ 17, 18 KSchG ausgenommen.⁷³⁴ Diese Ungleichbehandlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, weil sich ein geringeres Schutzniveau für Personen ergebe, die nach dem Willen des Gesetzgebers besonders schutzwürdig sind und deshalb einen besonderen Kündigungsschutz genießen.⁷³⁵ Die Regelung widerspricht dem eigentlichen Schutzzweck des Gesetzes. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung scheitert daran, dass das Gesetz den Schutzzweck sachwidrig umsetzt.⁷³⁶ Dabei verdeutlicht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, dass der allgemeine Gleichheitssatz die Wertentscheidungen der Verfassung zur Maßstabsbildung in sich aufnimmt: Es wendet eine strenge Prüfung schon deshalb an, weil die Absenkung des Schutzniveaus für Mitarbeiter in Elternzeit den Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 GG berührt.⁷³⁷ Im Übrigen betont es, dass eine auf sachlichen Erwägungen beruhende und neutral formulierte Differenzierung dennoch gleichheitswidrig ist, wenn sie faktisch mit einer geschlechterspezifischen Benachteiligung an unverfügbare persönliche Merkmale anknüpft und damit eine gem. Art. 3 Abs. 2 GG verbotene Differenzierung wählt. Dies war vorliegend der Fall, weil sich faktisch überwiegend Frauen in Elternzeit befinden.⁷³⁸

 Für das vorgenannte vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 2 ff. – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 18 f. – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 18 – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  Diese Entscheidung wird in der Praxis aufgrund der Rechtsunsicherheit, wie lange Arbeitnehmer in den Genuss der Schutzregelung des § 17 Abs. 1 KSchG kommen können, kritisch gewürdigt, vgl. Lingemann/Steinhauser, NJW 2017, 2245 (2248); Hexel, DB 2016, 2286 (2287).  BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 19 – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 08.06. 2016 – 1 BvR 3634/13, Rn. 23 – Massenentlassungsschutz Elternzeit, zit. nach juris.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

e. Intensität der Ungleichbehandlung Ausgehend von der sachbereichsbezogenen Betrachtung des Prüfungsmaßstabs zeigen die dargestellten Fallgruppen, dass grundsätzlich die Prüfungsdichte des allgemeinen Gleichheitssatzes steigt, je intensiver die Ungleichbehandlung im Einzelfall für die Betroffenen wiegt. Damit scheint das Problem lösbar, dass die Fallgruppen zwar Abstufungen der Prüfungsintensität und eine für den Einzelfall offene Betrachtungsweise ermöglichen, „während eine klare und einheitliche Konzeption fehlt, die es vor allem notwendig machen würde zu begründen, warum die Verfassung unter den dargelegten Gesichtspunkten dem Bundesverfassungsgericht eine weitergehende Prüfungs- und damit Gestaltungskompetenz“ ⁷³⁹ zuweist. Wenn das Bundesverfassungsgericht Fallgruppen beurteilt, in denen sich strengere Anforderungen für den Gesetzgeber und damit ein strengerer Prüfungsmaßstab für den allgemeinen Gleichheitssatz ergeben können – die Betroffenheit in Freiheitsrechten, die Unverfügbarkeit gesetzgeberischer Anknüpfungsmerkmale oder deren Nähe zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG, eine Abweichung von einer im Sachbereich angelegten Struktur oder gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung –, ist diesen Fallgruppen gemeinsam, dass sie eine intensivere Form der Ungleichbehandlung indizieren. Allgemein lässt sich also begründen, dass die über das Willkürverbot hinausgehende Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts sich aus der jeweiligen Intensität der Ungleichbehandlung rechtfertigt.⁷⁴⁰

(aa) Betroffenheit in Freiheitsrechten Dies gilt erstens, wenn die Ungleichbehandlung die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten beeinträchtigt. Dabei hängt der Gleichheitsmaßstab im Einzelfall zunächst von der Intensität der Einwirkung auf das Freiheitsrecht ab: Je stärker die Ungleichbehandlung die Freiheitsausübung beeinträchtigt, desto enger sind die Grenzen für den Gesetzgeber.⁷⁴¹ Bei der Betroffenheit in Freiheitsgrundrechten kommt es nicht nur darauf an ob, sondern vor allem in welchem Ausmaß sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung der grundrechtlich geschützten Freiheit auswirkt.⁷⁴² Diese Abstufung des Prüfungsmaßstabs schlägt

 Hesse, AöR 109 (1984), 174 (191).  So auch Hesse AöR 109 (1984), 174 (191 f.); Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 92.  BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; BVerfGE 116, 135 (161) – Gleichheit im Vergaberecht; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 146.  Vgl. BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsfristen für Arbeiter; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 48, 133.

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auf die zu Grunde liegende Beurteilung der Ungleichbehandlung durch: Je stärker die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten beeinträchtigt wird, desto intensiver ist auch die Ungleichbehandlung im konkreten Fall. Dass die Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten eine intensivere Form der Ungleichbehandlung darstellt, stützt erstens der Umstand, dass nicht bereits jede bloße „Berührung“ eines Freiheitsrechtes den Prüfungsmaßstab verschärft.⁷⁴³ Es kommt darauf an, wie die Ungleichbehandlung im konkreten Einzelfall wirkt. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die grundrechtlich geschützten Freiheiten im Verfassungsstaat allgegenwärtig sind.⁷⁴⁴ Teilweise wird deshalb gefordert, dass jedenfalls ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts vorliegen müsse.⁷⁴⁵ Ist nicht einmal der Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts betroffen, kann dessen abwehrrechtliche Dimension zumindest keinen Einfluss auf den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes haben.⁷⁴⁶ Für diese Anforderung spricht, dass sie ein trennscharfes Abgrenzungskriterium bietet. Andererseits entspricht es gerade dem offenen Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes, nicht eine Einschränkung im Sinn einer starren Schranke, sondern vielmehr das Ausmaß der jeweiligen Betroffenheit im Einzelfall in den Blick zu nehmen.⁷⁴⁷ Die jeweiligen Grundrechte können zudem nicht nur in einer abwehrrechtlichen, sondern auch in ihrer objektivrechtlichen Dimension betroffen sein.⁷⁴⁸ Zwar führt auch die einzelfallbezogene, offene Betrachtung in der Regel zum gleichen Ergebnis, wann der Prüfungsmaßstab verschärft werden muss.⁷⁴⁹ Die einzelfallbezogene Betrachtung, die die Auswirkung allgemein, jenseits von der starren Grenze des Schutzbereichs in den Blick nimmt,

 BVerfGE 116, 135 (161) – Gleichheit im Vergaberecht; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 146; vgl. auch Britz, NJW 2014, 346 (349); Sachs, JuS 1997, 124 (128); im Steuerrecht fordere hingegen jede Ungleichbehandlung einen strengeren Rechtfertigungsmaßstab Hey, DStR 2009, 2561 (2567).  Britz, NJW 2014, 346 (349); Sachs, JuS 1997, 124 (128).  Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 48.  Vgl. BVerfGE 116, 135 (161) – Gleichheit im Vergaberecht.  In diesem Sinne etwa BVerfGE 130, 240 (254 f.) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz; ob eine Verletzung vorliegt, ist insofern nicht allein entscheidend, BverfGE 133, 59 (87 Rn. 73) – Sukzessivadoption; Britz, NJW 2014, 346 (349).  Im Rahmen von Schutzpflichten BVerfGE 112, 74 (87) – Privatschulfinanzierung II; vgl. auch BVerfGE 103, 242 (258) – Pflegeversicherung III; im Übrigen zur objektivrechtlichen Funktion BVerfGE 62, 256 (274 f.) – Arbeiter/Angestellte; BVerfGE 97, 169 (181) – Kleinbetriebsklausel I; BVerfGE 130, 240 (254 f.) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018 Art. 3 Rn. 22.  Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 133.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

berücksichtigt überdies aber auch, dass in der Regel jedenfalls der Schutzbereich der allgemeine Handlungsfreiheit einschlägig ist.⁷⁵⁰ In diesem Fall bietet jedoch die offene Betrachtungsweise nach der Intensität der Betroffenheit ein zulässiges – und einheitliches – Abgrenzungskriterium. Geht die Betrachtung von der jeweiligen Intensität der Beeinträchtigung von Freiheitsrechten aus, ist es nur konsequent, dass eine Einschränkung der von Vornherein – schon nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG – unter der Begrenzung der verfassungsmäßigen Ordnung und damit der allgemeinen Gesetze steht, sodass daraus nicht grundsätzlich ein strengerer Prüfungsmaßstab folgen muss.⁷⁵¹ Insofern kommt es darauf an, wie schwer die jeweilige Einschränkung durch die Ungleichbehandlung im Einzelfall wiegt.⁷⁵² Ob der Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts betroffen ist, ist damit nur ein Indiz für eine strengere Bindung, ebenso, wie die Unterscheidung, ob ein spezielleres Freiheitsgrundrecht oder lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit durch die Ungleichbehandlung betroffen werden.⁷⁵³ Dass die Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten eine intensivere Form der Ungleichbehandlung darstellt, stützt zweitens der Umstand, dass die Freiheitsrechte auf den allgemeinen Gleichheitssatz ausstrahlen. Der Gesetzgeber muss im Rahmen der freiheitlichen Verhältnismäßigkeit das mildeste, gleich effektive Mittel wählen, das Freiheitsrecht also zur größtmöglichen Entfaltung bringen.⁷⁵⁴ Der allgemeine Gleichheitssatz, der nicht diesen Eingriff zu mäßigen sucht, sondern eine angemessene Verallgemeinerung der Eingriffslast fordert, findet jedoch den Auftrag zur größtmöglichen Freiheitsgewähr sowie auch die objektivrechtliche Dimension der Freiheitsgrundrechte vor. Deshalb ist die Verallgemeinerung bei einer Betroffenheit mit einem feineren Maß zu bemessen. Der Gesetzgeber muss mit mehr Feingefühl die jeweiligen Tatbestände abstimmen, sodass diese genauer zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen unterscheiden. Auch die angemessene Verallgemeinerung mäßigt die Last für die

 BVerfGE 97, 271 (290) – Hinterbliebenenrente II; so auch Britz, NJW 2014, 346 (349).  BVerfGE 95, 267 (317) – Altschulden.  Insofern berücksichtigte das Bundesverfassungsgericht vor allem auch, dass die Betroffenen von der streitgegenständlichen Maßnahme intensiv betroffen waren, BVerfGE 95, 267 (317) – Altschulden; BVerfGE 99, 367 (392) – Montan-Mitbestimmung; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 148.  Vgl. dazu BVerfGE 95, 267 (317) – Altschulden; Kischel, in: BeckOK GG, 39. Edition 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 48.2.  BVerfGE 67, 157 (176) – G 10; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013,Vorbemerkungen vor Artikel 1 GG Rn. 148; Merten, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, 2009, § 68 Rn. 65.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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Betroffenen.⁷⁵⁵ Dadurch steigen die Anforderungen an eine Rechtfertigung, wenn die Tatbestände im Rahmen dieser Verallgemeinerung Ungleichheiten erzeugen. Insofern bedeutet die Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten selbst, dass die Ungleichbehandlung vom Betroffenen intensiver wahrgenommen wird, unabhängig davon ob sie einen Eingriff darstellen oder nicht.⁷⁵⁶ Dass die Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten eine intensivere Form der Ungleichbehandlung darstellt, stützt drittens der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Differenzierung nach Staatsangehörigkeit unterscheidet, ob diese in Bezug auf die Freiheitsrechte Deutschengrundrechte betrifft. Schränkt die Ungleichbehandlung zugleich die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten ein, die nach dem Grundgesetz aber nur Deutschen zustehen, können die von der Ungleichheit betroffenen Ausländer sich nur auf eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit berufen.⁷⁵⁷ Ist jedoch nur die allgemeine Handlungsfreiheit betroffen, ist die Ungleichbehandlung wie gesehen weniger intensiv, daher weniger rechtfertigungsbedürftig. Dem widerspricht es indes nicht, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im Ergebnis regelmäßig einen strengeren Maßstab anlegt und diese für gleichheitswidrig erklärt.⁷⁵⁸ Knüpft das Gesetz nämlich an die Staatsangehörigkeit als Differenzierungskriterium an, so handelt es sich, wie gesehen, um ein nur begrenzt verfügbares Differenzierungskriterium, welches wegen der Unverfügbarkeit eine strengere Prüfung fordert.⁷⁵⁹ Da das Bundesverfassungsgericht aber gerade keine strengere Prüfung aus den speziellen Deutschengrundrechten herleitet, strahlen deren Wertungen auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus. Dieser nimmt insofern auf, dass die Unterscheidung freiheitsrechtlich nur an der allgemeinen Handlungsfreiheit zu messen ist. Die Fallgruppe der Betroffenheit in Freiheitsgrundrechten verdeutlicht damit, dass das Bundesverfassungsgericht den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes ermittelt, indem es die Intensität der Ungleichbehandlung im konkreten Einzelfall feststellt.

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 274.  Etwa, weil auf eine staatliche Leistung schon kein Anspruch besteht, vgl. zu Art. 6 Abs. 2 GG BVerfGE 130, 240 (254) – Bayerisches Landeserziehungsgeld.  Zur Differenzierung anhand der Staatsangehörigkeit in Hinblick auf Deutschengrundrechte siehe Gundel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86 ff.  So etwa BVerfGE 111, 160 (171 ff.) – Kindergeld an Ausländer; BVerfGE 111, 176 (185 ff.) – Erziehungsgeld an Ausländer; BVerfGE 130, 240 (254 ff.) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz.  Ausdrücklich BVerfGE 130, 240 (255) – Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

(bb) Verfügbarkeit Auch die Unverfügbarkeit von Differenzierungskriterien für die Betroffenen stellt eine intensivere Form der Ungleichbehandlung dar. Die Frage, ob ein Differenzierungskriterium für den von der Ungleichbehandlung Betroffenen verfügbar ist, ist aus der Perspektive des durch sie Benachteiligten zu beantworten.⁷⁶⁰ Für den unverfügbar Betroffenen wiegt die Benachteiligung durch die Ungleichbehandlung in diesem Fall schwerer, weil er nicht durch eigenes Verhalten die für ihn negative Rechtsfolge beeinflussen kann. Das Kriterium der Verfügbarkeit schützt das Freiheitsprinzip.⁷⁶¹ Kann sich der Betroffene durch sein Verhalten auf die jeweilige Rechtsfolge einstellen, weil das Gesetz einen Raum zur Entfaltung in Freiheit eröffnet, wiegt die Ungleichbehandlung weniger schwer, weil sie – zumindest im Rahmen der Zumutbarkeit des Verhaltens – auf der freien, eigenverantwortlichen Handlung des Betroffenen beruht.

(cc) Personenbezogenheit Auch wenn eine Differenzierung an ein Merkmal anknüpft, das sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähert, liegt eine intensivere Form der Ungleichbehandlung vor. Denn in diesem Fall ist der Schutzzweck der besonderen Gleichheitssätze berührt.⁷⁶²

(dd) Abweichung von den Eigenheiten des Sach- und Regelungsbereichs Schließlich liegt auch dann eine intensivere Form der Ungleichbehandlung vor, wenn die gesetzliche Regelung von den Vorgaben abweicht, die sich aus der Struktur des Sach- und Regelungsbereiches für den allgemeinen Gleichheitssatz ergeben. Der allgemeine Gleichheitssatz nimmt sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlich geformten vorgefundenen Verhältnisse in sich auf. Weicht eine Regelung des Gesetzgebers hiervon ab, ist die Ungleichbehandlung besonders intensiv, weil sie in der Sache selbst liegende Ansatzpunkte für eine angemessene Verallgemeinerung verletzt.

 BVerfGE 138, 136 (185 Rn. 132) – Erbschaftsteuer.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 268.  Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 3 Abs. 3 Rn. 41 Jarrass, in: Jarrass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 21; Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2007, § 182 Rn. 40; insofern werden sie derartige Merkmale auch als „Quasi-Diskriminierungsverbote“ bezeichnet, Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 145, sowie Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 129.

III. Gleichheit „vor dem Gesetz“

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(ee) Zusammenfassung Aus den genannten Fallgruppen lässt sich ableiten, dass der allgemeine Gleichheitssatz zwar wertungsoffen ist und der Prüfungsmaßstab jeweils im konkreten Einzelfall bestimmt werden muss, er die Frage der jeweiligen Prüfungsintensität aber anhand eines einheitlichen und vorhersehbaren Maßstabs bestimmt: Im Rahmen der stufenlos sich verdichtenden Prüfung beurteilt der allgemeine Gleichheitssatz nämlich in einem ersten Schritt, wie intensiv die Ungleichbehandlung im konkreten Fall wiegt. Diese Schlussfolgerung liegt nahe, wenn man berücksichtigt, dass sich eine gesteigerte Prüfungsintensität ausdrücklich aus dem besonderen Ausmaß der Ungleichheit ergeben kann, die das Gesetz ermöglicht.⁷⁶³ Das Bundesverfassungsgericht hält weiter fest: „Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.“⁷⁶⁴ Das besondere Ausmaß ist ein sehr deutlicher Fall einer intensiven Ungleichbehandlung. Auch die übrigen Fallgruppen beruhen aber grundsätzlich auf dem Gedanken, dass hier eine über das gewöhnliche Maß der tatbestandlichen Abgrenzung hinausgehende Differenzierung geschaffen wird, die zu ihrer Verfassungsmäßigkeit bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise einer gesteigerten Rechtfertigung bedarf. Diese Interpretation wird gestützt durch die Äußerung der Bundesverfassungsrichterin Britz, die in einem dogmatischen Grundlagenbeitrag zur Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes erklärt: „Die Herausbildung weiterer Gesichtspunkte, die eine Ungleichbehandlung harmloser oder bedeutender erscheinen lassen, ist denkbar.“⁷⁶⁵

Der Prüfungsmaßstab des Gleichheitssatzes ist also nicht davon abhängig, ob eine Ungleichbehandlung eine der genannten Fallgruppen erfüllt. Hintergrund und Legitimation sind die Bedeutung, das Gewicht, die Intensität der Ungleichbehandlung. Die Gleichheitsprüfung ist weniger streng, wenn die Ungleichbehandlung „harmloser“ ist, in ihrer Wirkung für den Betroffenen in dem Regelungskonzept des Gesetzgebers eher belanglos ist, etwa, weil sie auf der Unterscheidungs- und Abgrenzungsfunktion des jeweiligen Tatbestandes beruht.

 BVerfGE 138, 136 (182 Rn. 179) – Erbschaftsteuer; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 96 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.  BVerfG, Beschl. v. 31.10. 2016 – 1 BvR 871/13, Rn. 40 – Ehegatten Zweitwohnsitzsteuer, zitiert nach juris, mit Verweis auf BVerfGE 117, 1 (32) – Erbschaftsteuer; vgl. auch BVerfGE 138, 136 (181 Rn. 123) – Erbschaftsteuer.  Britz, NJW 2014, 346 (349).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

IV. Anwendung des Gesetzesrechts Der allgemeine Gleichheitssatz anerkennt also einen eigenständigen Gestaltungsraum für den Gesetzgeber aus dessen besonderer Stellung innerhalb des Verfassungsgefüges und aufgrund seines eigenständigen Kompetenzbereichs. Der allgemeine Gleichheitssatz bindet aber auch die übrigen Staatsgewalten: Das Gesetz wird gegenüber dem Bürger unmittelbar durch Verwaltung und Rechtsprechung angewendet. Hier wirkt der allgemeine Gleichheitssatz in seiner ursprünglichen Form und verlangt eine gleichheitsgerechte Anwendung der Gesetze ohne Ansehen der Person,⁷⁶⁶ die nur die im Tatbestand des Gesetzes festgelegten Unterscheidungskriterien für die Beurteilung des konkreten Einzelfalles heranzieht. Die maßgeblichen Unterscheidungskriterien folgen damit zunächst aus dem Gesetz, bedürfen bei der Subsumtion auf den konkreten Sachverhalt aber einer wertenden Anwendung und Auslegung, weil die Tatbestandsmerkmale nicht stets ein von vornherein feststehendes, einzig richtiges Ergebnis für den jeweiligen Einzelfall bereithalten.⁷⁶⁷ Daneben gewährt das Gesetz oftmals auch ausdrücklich Entscheidungsräume und Alternativen für den jeweiligen Fall. Anwendung und Auslegung der Gesetze bedürfen daher ebenfalls einer gleichheitsgerechten Handhabe, die anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes überprüft wird.⁷⁶⁸ Ausgangspunkt der Prüfung eines Gleichheitsverstoßes ist dabei stets die Frage, was wesentlich gleich oder ungleich ist.⁷⁶⁹ Diese Frage beantwortet der

 Zu diesem Grundanliegen der Rechtsgleichheit vgl. Degenhart, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 1; metaphorisch verkörpert im Bild der „Justitia“, die mit verbundenen Augen den Fall abwägt, Dassmann, in: Schwab (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, FS Mikat, 1989, S. 475 (488); dies bewirkt gleichsam die Allgemeinheit des Tatbestandes, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 122.  Diese Auffassung würde einen „Rückfall in die Geisteshaltung eines wertungsfreien Gesetzespositivismus, wie sie in der juristischen Wissenschaft und Praxis seit längerem überwunden ist“, bedeuten, so für den Verfassungsgesetzgeber BVerfGE 3, 225 (232) – Gleichberechtigung; vgl. auch BVerfGE 23, 98 (106) – Ausbürgerung I; Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung, 2011, S. 249; Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 95 Rn. 13; dagegen verstand Montesquieu die Rechtsanwendung als bloßes „Aussprechen der Gesetze“, der Richter sei dementsprechend nur „la bouche, qui prononce les paroles de la loi“, Montesquieu, De l’esprit des lois, Tome premier, 1769 liv. XI chap. VI, S. 271; zur Notwendigkeit der Auslegung P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 33.  Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 4 f.  St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; BVerfGE 13, 46 (53) – Auswirkung eines Parteiverbots; BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften; BVerfGE 116, 164 (180) – Tarifbegrenzung gewerblicher Einkünfte; BVerfGE 122, 210 (230) – Pendlerpauschale; BVerfGE 126, 268 (277) – Häusliches Arbeitszimmer; BVerfGE 129, 49 (68) – Mediziner-BAföG; BVerfGE 133, 377

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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allgemeine Gleichheitssatz mit Blick auf die übrigen Vorschriften des Grundgesetzes. Denn wie alle Normen des Grundgesetzes wirkt auch der allgemeine Gleichheitssatz im Kontext der Gesamtverfassung.⁷⁷⁰ Das folgt insbesondere daraus, dass er eine „am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise“⁷⁷¹ fordert. Diese verweist nämlich nicht nur auf den Zusammenhang zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit,⁷⁷² sondern auch auf die in den Normen des Grundgesetzes positivierten Gerechtigkeitsvorstellungen.⁷⁷³ Die übrigen Bestimmungen und vor allem Wertentscheidungen des Grundgesetztes beeinflussen daher die Auslegung und damit insbesondere die Maßstabsbildung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Wichtiger Bestandteil der Gesamtverfassung sind die Kompetenzvorschriften. Sie weisen einzelnen Trägern von Hoheitsgewalt unterschiedliche Entscheidungsund Gestaltungsbefugnisse zu⁷⁷⁴ und verwirklichen damit den Grundsatz der Gewaltenteilung.⁷⁷⁵ Dieser ist tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes.⁷⁷⁶ Weist das Grundgesetz eine bestimmte Kompetenz einem Staatsorgan zu,

(407) – Ehegattensplitting; BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 121) – Erbschaftsteuer; BVerfGE 145, 20 (86 Rn. 171) – Spielhallen; BVerfGE 145, 106 (141, Rn. 98) – Verlustabzug nach schädlichem Beteiligungserwerb; BVerfGE 145, 249 (297 Rn. 96) – Anrechnung auf Ruhegehalt; BVerfGE 145, 304 (329 Rn. 81) – Ostbesoldung Besoldungsangleichung; BVerfG, Urt. V. 14.12. 2017 – 2 BvR 1872/17 – Rechtliches Gehör bei Abschiebung, Rn. 32, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/ 14, Rn. 94 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvR 1236/11, Rn. 103 – Gewerbesteuer Mitunternehmerschaft, zitiert nach juris; BVerfG, Beschl. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1728/12, Rn. 74 – Transferzahlungen Bundesagentur, zitiert nach juris; BVerfG, Urt. v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16, Rn. 64 – Allgemeiner Rundfunkbeitrag, zitiert nach juris.  Vgl. etwa BVerfGE 37, 271 (279) – Solange I: „Art. 24 GG muss wie jede Verfassungsbestimmung ähnlich grundsätzlicher Art im Kontext der Gesamtverfassung verstanden und ausgelegt werden.“; vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 268 Rn. 53.  Wie das Bundesverfassungsgericht in st. Rspr. seit BVerfGE 1, 264 (275 f.) – Bezirksschornsteinfeger, hervorhebt.  Vgl. dazu oben I., 3.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 22 und Rn. 16 – 18.  BVerfGE 3, 225 (232) – Gleichberechtigung: „In entschiedener Abkehr von einer Haltung, die in Recht und Gerechtigkeit keine Werte zu sehen vermochte, war er [der parlamentarische Rat] bemüht, im Grundgesetz die Idee der Gerechtigkeit zu verwirklichen“; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 22.  Die Kompetenz hat Aufteilungs-, Zuteilungs- und Ermächtigungsfunktion, Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 133 Rn. 36.  Baer, in: Bultmann (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, FS Ulrich Battis, 2014, S. 117 (120); P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 273 Rn. 77; das folgt auch aus dem Demokratieprinzip, welches Zurechenbarkeit staatlichen Handelns fordert, welche wiederum durch Abgrenzung von Kompetenzen erfolgt, Schröder, JA 2017, 809 (815).  BVerfGE 3, 225 (247) – Gleichberechtigung; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2012, 314 (315).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

sind die übrigen Organe damit ausgeschlossen.⁷⁷⁷ Daher hat jedes Staatsorgan einen eigenständigen Kompetenzbereich.⁷⁷⁸ Innerhalb dieses Kompetenzbereichs ist sodann auch nur der zuständige Hoheitsträger für die staatliche Maßnahme verantwortlich.⁷⁷⁹ Diese Kompetenzzuweisung begründet rechtserhebliche Unterschiede einzelner Hoheitsträger, die dem Gleichheitssatz als im Sach- und Realitätsbereich angelegte Unterschiede vorgegeben sind.⁷⁸⁰

1. Gleichheit im jeweiligen Kompetenzbereich Das Grundgesetz teilt gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG die Staatsgewalt funktional in Legislative, Exekutive und Judikative auf. Der allgemeine Gleichheitssatz findet diese eigenständige Aufgabenzuweisung für das jeweilige Staatsorgan vor und muss die daraus resultierenden rechtserheblichen, also wesentlichen Unterschiede in seinen Prüfungsmaßstab aufnehmen:⁷⁸¹ Insofern kommt es nicht darauf an, dass der allgemeine Gleichheitssatz gegenüber jedem Staatsorgan grundsätzlich „gleich stark“ wirkt.⁷⁸² Vielmehr folgen aus dem jeweiligen Sachund Regelungsbereich unterschiedliche Vorgaben für das konkrete Prüfungsmaß, die auch die jeweilige Funktion des Hoheitsträgers in den Blick nehmen.⁷⁸³ Das Bundesverfassungsgericht stellt dazu fest: „Denn ein Anspruch auf Gleichbehandlung steht dem Einzelnen nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 159; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd.V, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 42 f.; insbesondere für die vertikale Aufteilung innerhalb des Föderalismus zur Begrenzung der Souveränität: Pietzcker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd VI, 3. Aufl. 2008, § 134 Rn. 8 f.; Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 52; Verteilungs- und Organisationsprinzip sind Elemente der Rechtsstaatlichkeit, so C. Schmitt, Verfassungslehre, 5. Aufl. 1970, S. 126 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 46 f.  BVerfGE 49, 89 (124 ff.) – Kalkar I; BVerfGE 67, 100 (139) – Flick-Untersuchungsausschuss; BVerfGE 68, 1 (86 f.) – Atomwaffenstationierung; BVerfGE 98, 218 (252) – Rechtschreibreform; BVerfGE 104, 151 (207) – NATO-Konzept; BVerfGE 121, 135 (158 ff.) – Luftraumüberwachung Türkei; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 159.  Schröder, JA 2017, 809 (815).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 158.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 158 f. und Rn. 181 f.  Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (67); Huster, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Bd. 1, 51. Lieferung 2016, Art. 3 Rn. 101; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 47; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 10; ders., AöR 124 (1999), 174 (186 f.); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 3 Rn. 244.  Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 50.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu.“⁷⁸⁴ Der Gleichheitssatz berücksichtigt demnach die Kompetenzzuweisungen des Grundgesetzes und nimmt diese in seinen Prüfungsumfang auf.⁷⁸⁵ Für das jeweilige Prüfungsmaß des allgemeinen Gleichheitssatzes nimmt Art. 3 Abs. 1 GG auch die mit der jeweiligen Funktion einhergehenden Besonderheiten des Staatshandelns in den Blick. Anknüpfungspunkt hierfür bietet Art. 20 Abs. 3 GG: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Der Gesetzgeber hat im Rahmen der verfassungsrechtlichen Funktionenordnung die Aufgabe des Erstinterpreten.⁷⁸⁶ Ihn bindet Art. 20 Abs. 3 GG ausdrücklich lediglich an die verfassungsmäßige Ordnung – nicht, wie vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“. Das betont seine gestaltende Funktion.⁷⁸⁷ Der Gleichheitssatz misst daher die Entscheidungen am Maß der Gestaltungsgleichheit.⁷⁸⁸

2. Vollziehende Gewalt und Gleichmaß Die vollziehende Gewalt ist gem. Art. 20 Abs. 3 GG unmittelbar an „Gesetz und Recht“ gebunden. Sie verwirklicht die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Gleichheit „vor dem Gesetz“ unmittelbar, indem sie die vom Gesetzgeber beschlossenen Gesetze auf den Einzelfall anwendet. Die Gesetzesanwendung ist dabei kein Automatismus, sondern bedarf der wertenden Interpretation.⁷⁸⁹ Der Maßstab des  BVerfGE 76, 1 (73) – Familiennachzug, mit Verweis auf BVerfGE 21, 54 (68) – Lohnsummensteuer; vgl. dazu auch Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008. S. 67 (69 f.); krit. in Hinblick auf Akzeptanzprobleme: Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, 2005, S. 103.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 182; Kischel, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 3 Rn. 10; dies gilt insbesondere auch für die Ausführung von Bundesrecht durch die Landesbehörden, vgl. dazu Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (81 ff.); eine Ausführung durch unterschiedliche Behörden muss daher nur im Wesentlichen einheitlich sein, BVerfGE 11, 6 (17 ff.) – Dampfkessel; BVerfGE 76, 1 (76 f.) – Familiennachzug; für eine im Wesentlichen gleiche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften: BVerfGE 90, 145 (190 f.) – Cannabis.  S. o. unter II.; so auch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 181; Isensee, in: Franzius (Hrsg.), Beahrren, Bewegen, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 39 (47); vgl. auch Borowski, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Auf. 2014, § 274 Rn. 32.  Vgl. dazu oben unter II.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 181.  Voßkuhle, JuS 2008, 117 (117); vgl. grundlegend zu Recht und Automation Luhmann, Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, 1966, S. 15 ff.; zu aktuellen Problemen Grupp,

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

allgemeinen Gleichheitssatzes für die Verwaltung folgt daher in erster Linie unmittelbar aus dem anzuwendenden Gesetz selbst.⁷⁹⁰ Das Gesetz soll ohne Ansehen der Person angewendet werden, die Verwaltung darf nur nach den Merkmalen differenzieren, die im Tatbestand des Gesetzes enthalten sind. Die Vorgaben der jeweiligen Gesetze binden die Verwaltung in einer Entsprechungsgleichheit.⁷⁹¹ Die Möglichkeit der Rechtsetzung durch die Verwaltung im Rahmen der Ermächtigung zum Erlass autonomer Satzungen⁷⁹² berührt diesen Grundsatz nicht, sondern eröffnet der Verwaltung einen eigenständigen Kompetenzbereich, in welchem dann der Gleichheitssatz einen verfassungsrechtlich zugesicherten, eigenständigen Gestaltungsraum vorfindet. In diesem muss er rechtserhebliche Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Kompetenzträger anerkennen. Sofern diese Satzungen Grundrechte beeinträchtigen, ist aber auch hier eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich, sodass Vorgaben für den Satzungsgeber bereits aus der Ermächtigungsgrundalge folgen.⁷⁹³ Ermächtigen Bundes- oder Landesgesetz die Verwaltung zum Erlass der Rechtsverordnungen, folgen wesentliche, bindende Vorgaben für die Verwaltung gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unmittelbar aus der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage.⁷⁹⁴

a. Gleichheit und Anwendungsgebot Im Übrigen folgen aus formellen Gesetzen grundsätzlich ein Anwendungsgebot und Abweichungsverbot der Verwaltung.⁷⁹⁵ Diese gründen sich auf die Bindung an das Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG und den daraus folgenden Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes.⁷⁹⁶ Er besagt, dass formelle, also vom Parlament beschlosAnwBl 2014, 660 (664 f.); krit. zu der technischen Umsetzbarkeit einer computergestützten Subsumtion Kotsoglou, JZ 2014, 451 ff.; Frese, NJW 2015, 2090 (2091 f.).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 182.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 181.  Vgl. etwa die Zuweisung durch Art. 28 Abs. 2 GG sowie dazu BVerfGE 21, 54 (68) – Lohnsummensteuer; BVerfGE 79, 127 (158) – Rastede, oder die Forderung des Art. 5 Abs. 3 GG; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (74).  BVerwG, Beschl. v. 07.09.1992 – 7 NB 2/92, BVerwGE 90, 359 (362).  Nußberger, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 115 f.; zur entsprechenden Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auf Satzungen vgl. BVerfGE 33, 125 (159 f.) – Facharzt; vgl. auch Ossenbühl, in: Insensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 28 ff.  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR. 4; Gusy, JuS 1983, 189 (191); Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 21 ff. und S. 26.  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl., 2007, § 101 Rn. 1 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 803 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 316 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 104 ff.; Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 22 ff.; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002, S. 495 f.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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sene Gesetze Vorrang vor allen anderen Rechtsnormen haben.⁷⁹⁷ Dabei handelt es sich aber nicht nur um eine Kollisionsregel, nach der untergesetzliche Rechtsakte parlamentarischen Gesetzen nicht widersprechen dürfen,⁷⁹⁸ sondern dieser Grundsatz fordert vor allem, dass sich Exekutive und Judikative gesetzmäßig verhalten.⁷⁹⁹ Die Reichweite der Bindung folgt dabei aus dem Inhalt des jeweiligen Gesetzes.⁸⁰⁰ Das Anwendungsgebot verpflichtet die Verwaltung, den Willen des Gesetzgebers in die Tat umzusetzen.⁸⁰¹ Umstritten ist darüber hinaus die Frage, wie sich die Verwaltung in Anbetracht dieses grundsätzlichen Anwendungsgebotes zu verhalten hat, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig hält.⁸⁰² Denn immerhin sieht das Grundgesetz keine ausdrückliche Verwerfungs-⁸⁰³ oder Aussetzungskompetenz⁸⁰⁴ der Verwaltung vor, wie es diese etwa für die Rechtsprechung gibt. Wenn ein Gesetz der Verwaltung einen Raum für Beurteilung oder Ermessen einräumt, hat sie diesen fehlerfrei auszufüllen.⁸⁰⁵ Bezieht sich das Ermessen auf die Frage, ob die Verwaltung einen Verwaltungsakt vollstrecken oder die Vollstreckung vorläufig aussetzen soll, muss sie dabei auch in ihre Abwägung einbeziehen, ob sie den zu vollziehenden Verwaltungsakt für rechtmäßig oder rechtswidrig hält.⁸⁰⁶ Dementsprechend muss die Verwaltung im Rahmen einer solchen Ermessensentscheidung erst recht berücksichtigen, ob sie das dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Gesetz für verfassungswidrig und damit nichtig hält.⁸⁰⁷ Darüber hinaus kann aus dieser Pflicht zur fehlerfreien Entscheidung aber keine allgemeine Aussetzungsoder Verwerfungskompetenz der Verwaltung abgeleitet werden. Das Verwer-

 BVerfGE 8, 155 (169 f.) – Lastenausgleich; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd.V, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 1 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl., 2004, § 26 Rn. 62.  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 92.  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 20, VI. (Verfassungsgrundsätze) Rn. 73.  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 92.  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 5  Zum Streitstand vgl. Bachhof, AöR 87 (1962), 1 (2 Fn. 7); Gril, JuS 2000, 1080 ff. sowie Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 77.  Für die rechtsprechende Gewalt für nur materielle Gesetze anerkannt, BVerfGE 1, 184 (197 ff.) – Normenkontrolle I.  Für die rechtsprechende Gewalt in Art. 100 Abs. 1 GG vorgesehen.  Vgl. etwa Schaks/Friedrich, JuS 2018, 954 (958).  BVerfGE 12, 180 (185 f.) – Zusammenrechnung der Ehegattenvermögen für den Lastenausgleich.  BVerfGE 12, 180 (185 ff.) – Zusammenrechnung der Ehegattenvermögen für den Lastenausgleich, mittels eines Erst-Recht-Schlusses; dies folgt jedoch bereits daraus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn seine gesetzliche Rechtsgrundlage nichtig ist.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

fungsmonopol für verfassungswidrige Gesetze liegt beim Bundesverfassungsgericht.⁸⁰⁸ Die Verwaltung müsste also auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Normenkontrollverfahren hinwirken. Antragsberechtigt bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz sind gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG aber nur die Bundes- oder Landesregierung. Der Antrag muss zudem durch das Kollegialorgan als Ganzes gestellt werden.⁸⁰⁹ Die Regierung muss daher einen entsprechenden Kabinettsbeschluss fassen und dem Bundesverfassungsgericht vorlegen.⁸¹⁰ Um die Überprüfung des für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes herbeizuführen, müsste die Verwaltung also auf eine Kabinettsentscheidung der Regierung hinwirken.

b. Regierungsverantwortung durch Remonstrationspflicht Der einzelne zur Anwendung der Gesetze im Einzelfall berufene Beamte steht damit grundsätzlich in der Pflicht, das Gesetz anzuwenden. Hält er es für verfassungswidrig, hat er gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 36 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG der Weisung seines Vorgesetzten Folge zu leisten. Diese allgemeine Folgepflicht des Beamtentums ist konstitutiv für die Stellung der Beamten in der Behördenhierarchie.⁸¹¹ Die zur Anwendung der Gesetze berufenen Beamten sind gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 36 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG grundsätzlich weisungsgebunden und unterliegen gegenüber ihrem Dienstherren der Folgepflicht.⁸¹² Zwar tragen Beamte gem. § 63 Abs. 1 BBG und § 36 BeamtStG für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamte aber gem. § 63 Abs. 2 Satz 1 BBG und § 36 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG zunächst unverzüglich bei der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen.⁸¹³ Wird durch den unmittelbaren Vorgesetzten die Anordnung aufrechterhalten, haben sich die Be-

 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 5.  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 234.  Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 76 Rn. 14; Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 76 Rn. 9 f.  Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), BBG, 5. Aufl.2017, § 62 Rn. 3; Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 107 Rn. 86 ff.  Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), BBG, 5. Aufl.2017, § 62 Rn. 3.  Für Vollzugsbeamten des Bundes gelten § 63 Abs. 2 und Abs. 3 BBG nicht, da für diese die Regelung des § 7 UZwG spezieller ist, § 6 UZwG, Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), BBG, 5. Aufl. 2017, § 63 Rn. 8.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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amten gem. § 63 Abs. 2 Satz 2 BBG und § 36 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG an die nächsthöhere Vorgesetzte oder den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden, wenn ihre Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit fortbestehen. Erst wenn auch dann die Anordnung bestätigt wird, müssen die Beamte sie gem. § 63 Abs. 2 Satz 3 BBG und § 36 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Der einzelne Beamte ist also auf den Dienstweg im Rahmen der Remonstration verwiesen.⁸¹⁴ Das Remonstrationsverfahren gewährleistet eine letztverbindliche Entscheidung der obersten Bundes- oder Landesbehörde,⁸¹⁵ in letzter Konsequenz also der Bundes- oder Landesregierung.⁸¹⁶ Durch Remonstration bis zur Bundes- oder Landesregierung kann die Verwaltung also durchaus eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes im Wege der Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG anstoßen. Daneben nennt § 76 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG die Möglichkeit, dass die Verwaltung die Anwendung von Gesetzen aussetzt, die sie für verfassungswidrig hält,⁸¹⁷ was aufgrund des hierarchischen Verwaltungsaufbaus und dem Grundsatz der Rechts- und Fachaufsicht jedoch ebenfalls letztverantwortlich durch die jeweilige Regierung verantwortet werden müsste. Verfassungsverstöße der Verwaltung müssten somit zuvorderst bereits durch die Rechts- und Fachaufsicht festgestellt und beseitigt werden.⁸¹⁸ Die Aufsichtsinstanzen der Verwaltung sind auch grundsätzlich von Amts wegen verpflichtet, Verfassungsverstöße nachgeordneter Instanzen zu verhindern und gegebenenfalls zu beseitigen.⁸¹⁹ Zumindest bezüglich formeller Gesetze ist die Verwaltung damit grundsätzlich zur Anwendung verpflichtet,⁸²⁰ sofern nicht eine entsprechende, letztlich durch die Regierung verantwortete Weisung dem entgegensteht. Der einzelne Beamte kann die Rechts- oder Verfassungswidrigkeit eines von ihm anzuwendenden Gesetzes daher grundsätzlich nur im Remonstrationsverfahren geltend machen.⁸²¹

 Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), BBG, 5. Aufl. 2017, § 63 Rn. 2; zu Recht und Pflicht des Beamten zur Remonstration bei verfassungswidrigem Verwaltungshandeln Günther, DÖD 2013, 309 ff.  Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 133; Grigoleit, in: Battis (Hrsg.), BBG, 5. Aufl. 2017, § 63 Rn. 2.  Sachs, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 97.  So Sachs, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 97 m. N. für ein Aussetzungsrecht der Verwaltung für nur materielle Gesetze in Fn. 433.  Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 25.  Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 25.  So etwa BGH, Urt. v. 16.04. 2015 – III ZR 333/13, BGHZ 205, 63 (79 f. Rn. 40); BVerwG, Urt. v. 16.10. 2007 – 7 C 6/07, BVerwGE 129, 346 (355 Rn. 28); BFH, Urt. v. 12.05. 2009 – IX R 45/08, BFHE 225, 299 (301).  BVerwG, Beschl. v. 22.08. 2005 – 6 BN 1/05, NVwZ-RR 2006, 36.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

c. Gestaltungsräume der Verwaltung Ein eigenständiger Entscheidungsbereich, der dem allgemeinen Gleichheitssatz als Gestaltungsraum der Verwaltung vorgegeben ist,⁸²² muss daher aus dem jeweiligen Gesetz folgen. Er kann auf der Rechtsfolgenseite als Ermessens-, auf der Tatbestandsseite als Beurteilungsspielraum ausgestaltet sein. Das Ermessen kann einerseits als Rechtsetzungsermessen ausgestaltet sein, sodass die Verwaltung – unter Verpflichtung zur Beachtung von Gesetzes, Verfahrens- und Verfassungsvorgaben – Satzung und Rechtsverordnungen erlassen kann.⁸²³ Andererseits kann das Ermessen sich auf die Rechtsnorm allgemein beziehen, und als Entschließungs- und Auswahlermessen ausgestaltet sein.⁸²⁴ Durch individualisierende Ermessensausübung soll die Verwaltung in die Lage versetzt werden, eine dem Einzelfall angemessene und sachgerechte Entscheidung zu treffen.⁸²⁵ Die Ermessensausübung unterliegt dabei der Kontrolle der Fachgerichtsbarkeit in Hinblick auf die fehlerfreie Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens, einschließlich der verfassungskonformen Auslegung.⁸²⁶ Dabei fordert der allgemeine Gleichheitssatz von der Verwaltung, von einer bestimmten Ermessensausübung nicht ohne besonderen Grund abzuweichen, wenn sie das ihr eingeräumte Ermessen bislang regelmäßig in ebendieser – rechtmäßigen⁸²⁷ – Weise ausgeübt hat.⁸²⁸ Dass die Vorgaben für die gleichheitsgerechte Ausübung des Ermessens insbesondere aus dem jeweiligen Gesetz folgen, zeigt besonders deutlich das sog. „intendierte Ermessen“, bei dem ein gewisser Entscheidungsinhalt bei der Ermessensausübung als Regelfall bereits im Gesetz vorgezeichnet ist, sodass daher nur eine hiervon abweichende Entscheidung einer besonderen Begründung bedarf.⁸²⁹  Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 49.  Voßkuhle, JuS 2008, 117 (117).  Voßkuhle, JuS 2008, 117 (117).  Voßkuhle, JuS 2008, 117 (118).  BVerfGE 18, 353 (363) – Devisenbewirtschaftungsgesetz; BVerfGE 27, 297 (306) – Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes; BVerfGE 69, 315 (353) – Brokdorf; vgl. auch § 40 VwVfG und § 114 VwGO; dies würde auch ohne gesetzliche Anordnung gelten, BVerwGE 9, 137 (147) – Einfuhrgenehmigung; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 53.  Insofern gilt bekanntermaßen der Grundsatz: „Keine Gleichheit im Unrecht“, Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 46; Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 51.  BVerfGE 116, 135 (153) – Gleichheit im Vergaberecht; BVerwG, Beschl. v. 08.04.1997– 3 C 6/95, BVerwGE 104, 220 (223); BVerwG, Urt. v. 21.08. 2003 – 3 C 49/02, BVerwGE 118, 379 (383); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 44 ff.; zum Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung allg. vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24 Rn. 27; Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 53.  BVerwG, Urt. v. 05.07.1985 – 8 C 22/83, BVerwGE 72, 1 (6); BVerwG, Urt. v. 16.06.1997 – 3 C 22/ 96, BVerwGE 105, 55 (57).

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

141

Daneben eröffnen Gesetze der Verwaltung durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite teilweise bewusst eigenständige Gestaltungsräume, die der gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt unterliegen.⁸³⁰ „Wann der Gesetzgeber der Verwaltung die Befugnis zur Letztentscheidung einräumt, ist durch Auslegung der betreffenden gesetzlichen Regelung zu ermitteln“⁸³¹. Die gerichtliche Kontrolle bezieht sich dann – an der Kontrolle von Ermessensfehlern orientiert – auf die Überprüfung, ob die Verwaltung Verfahrensvorschriften verletzt, den zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt, das Ergebnis anhand sachfremder Beweggründe gefällt oder allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet hat.⁸³²

d. Selbstkontrolle und gerichtliche Überprüfung Einwände gegen die gleichheitsgerechte Anwendung des Gesetzes überprüft die Verwaltung zunächst selbst, nachdem sie die Betroffenen angehört hat.⁸³³ Entscheidet sie durch Verwaltungsakt, ermöglicht das Gesetz der Verwaltung außerdem regelmäßig eine Selbstkontrolle im Widerspruchsverfahren.⁸³⁴ Sodann unterliegt die der Verwaltung übertragene Anwendung der Gesetze aber grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung.⁸³⁵ Dazu gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger einen effektiven Rechtschutz gegen jede Handlung der Verwaltung.⁸³⁶ Verletzt die Verwaltung bei Anwendung und Auslegung der Gesetze daher den allgemeinen Gleichheitssatz, sind zunächst die Fachgerichte

 Schladebach, NVwZ 2018, 1241 (1242 f.).  BVerfG, Beschl. v. 10.12. 2009 – 1 BvR 3151/07, NVwZ 2010, 435 (437 Rn. 55); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 187.  BVerfG, Beschl. v. 10.12. 2009 – 1 BvR 3151/07, NVwZ 2010, 435; BVerwG, Beschl. v. 25.04. 2007 – 1 WB 31/06, BVerwGE 128, 329 (332 Rn. 44); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 7 Rn. 34.  Vgl. das Anhörungsgebot des § 28 VwVfG, zu dessen objektivrechtlicher Funktion vgl. Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 7 ff.  Vgl. § 68 VwGO für Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, vgl. dazu Hüttenbrink, in: BeckOK VwGO, 48. Edition 2018, § 69 Rn. 1.  BVerfGE 15, 275 (282) – Rechtsweg; BVerfGE 18, 203 (212) – § 74 Abs. 5 BRAO 1959; BVerfGE 35, 263 (274) – Behördliches Beschwerderecht; BVerfGE 51, 304 (312) – Schloßberg, Warenzeichenrecht; BVerfGE 64, 261 (279) – Hafturlaub; wie gesehen kann aber der Gesetzgeber einen eigenständigen Entscheidungsraum für die Verwaltung bestimmen, der einer gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich ist, Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 59.  Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 66; Voßkuhle, JuS 2008, 117 (117).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

dazu berufen, diese Verletzung zu überprüfen und zu korrigieren.⁸³⁷ Entscheidungsräume der Verwaltung haben die Gerichte auch bei der Gleichheitskontrolle zu berücksichtigen.⁸³⁸

3. Gleichheit und Fachgerichte Der allgemeine Gleichheitssatz bindet gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch unmittelbar die Rechtsprechung. Art. 92 GG vertraut die rechtsprechende Gewalt den Richtern an.⁸³⁹ Die Rechtsprechung kontrolliert einerseits die Anwendung und Auslegung des Rechts durch die Verwaltung, wendet andererseits im Gerichtsverfahren gegenüber dem Bürger selbst das Gesetz auf seinen konkreten Lebenssachverhalt an und übt so unmittelbar Hoheitsgewalt aus.⁸⁴⁰ Dabei verwirklicht die Rechtsprechung die Gleichheit „vor dem Gesetz“ in ihrer ursprünglichsten Form,⁸⁴¹ indem sie das Gesetz in einem fairen Verfahren⁸⁴² subsumiert und dabei die Entscheidung „durch eine nach objektiven Kriterien bestimmte Instanz auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage und auf Grund einer unvoreingenommenen rechtlichen Würdigung unter Einbeziehung des Vortrags der Parteien“ gewinnt.⁸⁴³ Die Gerichte sind gem. Art. 97 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG an das geltende Recht gebunden, finden einen Maßstab für gleichheitsgerechtes Staatshandeln in Tatbestand und Rechtsfolge des jeweiligen Gesetzes. Die Gleichheit vor dem Gesetz

 BVerfGE 129, 1 (23) – Investitionszulage; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art 19 Abs. 4 Rn. 10; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 182; Battis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 275 Rn. 27; eine verfassungsgerichtliche Kontrolle von Exekutivakten kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn unter den strengen Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG im Rahmen der Vorabentscheidung eine Rechtswegerschöpfung und damit die fachgerichtliche Kontrolle entbehrlich ist, Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl., 2010, § 20 Rn. 126.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 437 f.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 59, wobei auch hier das Gesetz den Ausgangspunkt der Kontrolle darstellt.  BVerfGE 22, 49 (76 f.) – Verwaltungsstrafverfahren; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 92 Rn. 12.  BVerfGE 106, 28 (48) – Mithörvorrichtung; Degenhart, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 1.  Degenhart, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 1; so auch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 418.  BVerfGE 78, 123 (126) – Unleserliche Unterschrift; BVerfGE 101, 397 (405) – Nachlasspfleger; BVerfGE 103, 44 (78 f.) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II.  BVerfGE 107, 395 (403) – Rechtschutz gegen den Richter I; dazu Degenhart, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 1.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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gewährleistet das Gericht deshalb in erster Linie, indem es das Gesetz im Gerichtsverfahren „ohne Ansehen der Person“ anwendet.⁸⁴⁴ Wie Art. 95 Abs. 1 GG weiter verdeutlicht, wird die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts durch entsprechende Fachgerichte wahrgenommen.⁸⁴⁵

a. Gewähr richterlicher Unabhängigkeit Die Verfassung stattet die rechtsprechende Gewalt gem. Art. 97 Abs. 1 GG außerdem mit einer besonderen Unabhängigkeitsgarantie aus.⁸⁴⁶ Danach sind die Richter in ihrer Entscheidungsfindung anhand des Gesetzes grundsätzlich frei. Diese Institutsgarantie ist Wesensmerkmal eines modernen Rechtsstaates.⁸⁴⁷ Sie ist zugleich tragendes Strukturelement des Gewaltenteilungsgrundsatzes.⁸⁴⁸ Zu der Ausprägung des Gewaltenteilungsgrundsatzes gehört dabei nicht nur, dass die Gerichte unabhängig sind, sondern ebenso, dass die einzelnen Richter die Gesetze frei und unabhängig anwenden können, ohne sich dabei der Gefahr eines Nachteils auszusetzen.⁸⁴⁹ Das Recht zur sachlichen Unabhängigkeit reicht dabei so weit, dass ein Richter von den Rechtsauffassungen anderer – auch überge-

 Zu diesem Grundanliegen der Rechtsgleichheit vgl. Degenhart, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 1; metaphorisch verkörpert im Bild der „Justitia“, die mit verbundenen Augen den Fall abwägt, Dassmann, in: Schwab (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, FS Mikat, 1989, S. 475 (488); dies bewirkt gleichsam die Allgemeinheit des Tatbestandes, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 122.  Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 95 Rn. 110; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 22; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 4; Raden, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2002, Art. 95 Rn. 8; einschränkend in Hinblick auf Art. 108 Abs. 6 GG, Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 8; Schenkel, DÖV 2011, 481 (485).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 162.  Säcker, NJW 2018, 2375 (2375); so fordern etwa auch Art. 6 EMRK und Art. 2 AEUV die richterliche Unabhängigkeit, vgl. dazu EGMR, Urt. v. 28.06.1984 – A 7819/77, EuGRZ 1985, 534 (540 Rn. 78) – Campbell and Fell.  Säcker, NJW 2018, 2375 (2375); das kommt auch darin zum Ausdruck, dass Richter nicht zugleich exekutive Aufgaben wahrnehmen dürfen, vgl. § 4 Abs. 1 DRiG sowie dazu Staats, DRiG, 2012, § 4 Rn. 1; die Erkenntnis dieser Bedeutung ist historisch erst gewachsen, bei v. Rotteck/ Welcker, Artikel „Justiz“ in v. Rotteck/Welcker, Staats-Lexikon, Bd. 8, 3. Aufl. 1863, S. 723 war das Rechtsprechen keine Staatsgewalt, sondern nur Gesetzesauslegung, ein „jede Willenstätigkeit ausschließend(er)“ „Ausspruch von Kunstverständigen“; ähnlich noch Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl. 1911, S. 178, nach dem der Richter nur das Gesetz subsumieren müsse; anders allerdings bereits Bülow, Gesetz und Richteramt, 1885, insbes. S. 28 ff., der die Rechtsprechung als Element des gewaltengeteilten Verfassungsstaates anerkennt.  Säcker, NJW 2018, 2375 (2375).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

ordneter – Gerichte abweichen kann, eine eigene Rechtsauffassung vertreten und seine bisherige Rechtsprechung ändern oder aufgeben darf.⁸⁵⁰ Daraus folgt, dass verschiedene Gerichte grundsätzlich dieselben Normen unterschiedlich auslegen können, ohne dadurch den allgemeinen Gleichheitssatz zu verletzen.⁸⁵¹ Ein Gericht „ist selbst dann nicht gehindert, eine eigene Rechtsauffassung zu vertreten und seinen Entscheidungen zugrunde zu legen, wenn alle anderen Gerichte – auch die im Rechtszug übergeordneten – den gegenteiligen Standpunkt einnehmen“⁸⁵². Die Rechtspflege ist daher aufgrund der Unabhängigkeit der Richter konstitutionell uneinheitlich.⁸⁵³ Deshalb genügen etwa unterschiedliche Auslegungen einer Norm oder eine abweichende Strafpraxis verschiedener Gerichte allein nicht für die Annahme eines Gleichheitsverstoßes.⁸⁵⁴ Auch gibt es insbesondere keine „Selbstbindung der Rechtsprechung“ durch eine länger bestehende Rechtsprechungspraxis.⁸⁵⁵

 BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 41; Morgenthaler, in: BeckOK GG, 40. Edition 2019, Art. 97 Rn. 11; für eine Bindung an Gerichte höherer Instanz nach dem Vorbild der englischen Rechtsordnung Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, 1997, S. 409 ff., 464 f.; für eine Beachtlichkeit von Präjudizien der „Obergerichte“) Smid, Richterliche Rechtserkenntnis, 1989, S. 76; für den Bereich der Grundrechte im Ergebnis ähnlich: Zippelius, Wertungsprobleme im System der Grundrechte, 1962, S. 210 ff.  BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr; BVerfGE 98, 17 (48) – Sachenrechtsmoratorium.  BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr; BVerfGE 98, 17 (48) – Sachenrechtsmoratorium; etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz den Richter ausdrücklich an die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts bindet, im Fall der Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (vgl. z. B. § 144 Abs. 6 VwGO); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 97 Rn. 49.  BVerfGE 78, 123 (126) – Unleserliche Unterschrift; BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr; die Bezeichnung der „konstitutionellen Uneinheitlichkeit“ geht zurück auf Dürig, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 410; dazu P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 162; dieser Grundsatz ist im Ausgangspunkt wohl unstr. und entspricht im Übrigen der st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfGE 1, 332 (345) – Vollstreckung eines sowjetischen Strafurteils; BVerfGE 21, 87 (91) – Missverhältnis zwischen Wert und Kaufpreis eines Grundstücks; BVerfGE 75, 329 (347) – Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht; vgl. dazu Rüfner, in: BKGG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 162 und 185; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 48 und 62; v. Lindeiner, Willkür im Rechtsstaat?, 2002, S. 139 ff.; Detterbeck, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 15; Sodan, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 113 Rn. 25; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 18.  BVerfGE 1, 332 (345) – Vollstreckung eines sowjetischen Strafurteils; BVerfGE 4, 352 (358) – Besonderer strafrechtlicher Ehrenschutz; BVerfGE 21, 87 (91) – Missverhältnis zwischen Wert und Kaufpreis eines Grundstücks; BVerfGE 75, 329 (347) – Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht; vgl. dazu Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 58.  BVerfGE 19, 38 (47) – S-Urteil des Bundesfinanzhofes, BVerfGE 71, 354 (362 f.) – Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung, BVerfG, Beschl. v. 23.06.1990 – 2 BvR 752/90, NJW 1990, 3140 –

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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Dieser Befund beruht nicht nur auf der Unabhängigkeit der Richter,⁸⁵⁶ sondern hiergegen spricht auch, dass die rechtsprechende Gewalt in der Lage sein muss, dass Recht durch ihre Anwendung und Auslegung zu entwickeln und fortzubilden.⁸⁵⁷ Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb von der Verfassung nicht dazu berufen, in die Fortentwicklung des einfachen Rechts einzugreifen, sondern kann diese nur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten würdigen.⁸⁵⁸ Die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung wären aber erst dann überschritten, wenn die Entscheidung „so sehr die Bahnen organischer Fortentwicklung der Rechtsprechung verließen, dass sie als willkürlich bezeichnet werden müssten“⁸⁵⁹.

b. Erwartung von Rechtsanwendungsgleichheit Gleichzeitig verdeutlicht gerade das Strafrecht, dass die Gleichheitsberechtigten eine hohe Erwartung gegenüber den Gerichten an eine einheitliche Auslegung der Gesetze haben.⁸⁶⁰ Für den Bürger bedeutet Gleichheit „vor dem Gesetz“ eine vorhersehbare Entscheidung durch das Gericht, unabhängig von der jeweiligen örtlichen Zuständigkeit, der Person des jeweiligen Richters oder der Zusammensetzung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers. Weicht deshalb eine richterliche Entscheidung von einer bestehenden Rechtsprechungspraxis ab, stellt diese Änderung der Rechtsprechung eine ungleiche Auslegung des Gesetzes im Vergleich zu anderen Urteilssprüchen dar.⁸⁶¹ Der Betroffene erwartet von der

Promille-Grenze für absolute Fahruntüchtigkeit; Paehlke-Gärtner, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG Mitarbeiterkommentar, Bd. 1, 2002, Art. 3 Rn. 234; kritisch dazu Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 402 ff.; Riggert, Die Selbstbindung der Rechtsprechung durch. den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG), 1993, S. 43 ff., Argumente für eine Bindung an die Entscheidungen des Spruchkörpers an die früheren Entscheidungen, S.51 ff., insbes. 55; vgl. auch Gusy, NJW 1988, 2505 (2511 ff.).; a. A. für eine Bindung des Richters an die eigenen früheren Entscheidungen Stein, in: AK-GG, Bd. 1, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 3 Rn. 72, da die Unabhängigkeitsgewähr des Art. 97 Abs. 1 GG dem einzelnen Richter gelte; ebenso wohl v. Lindeiner, Willkür im Rechtsstaat?, 2002, S. 120 f. (sowie „evtl.“ auch Bindung des gleichen Spruchkörpers).  So Paehlke-Gärtner, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Mitarbeiterkommentar GG, Bd. 1, 2002, Art. 3 Rn. 234.  Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 64.  BVerfGE 18, 224 (240) – Pensionszusage, Gesellschafter-Geschäftsführer.  BVerfGE 18, 224 (240) – Pensionszusage, Gesellschafter-Geschäftsführer.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 162; vgl. als Ausgangslage des Streits über die gleichheitsgerechte Handhabe der Strafvorschriften des § 29 Abs. 1, 2 und 4 BtMG wegen der unterschiedlichen Einstellungspraxis von Staatsanwaltschaft und Gerichten gem. § 29 Abs. 5 und § 31a Abs. 1 BtMG BVerfGE 90, 145 (190 ff.) – Cannabis.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 288; so auch Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (110 f.).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Institution der Rechtsprechung dagegen Gleichheit im Auslegungsergebnis, jedenfalls einen rechtfertigenden Grund für die konkrete Abweichung.⁸⁶² Allgemein ist es Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des Grundsatzes der Rechtssicherheit, dem Gesetzesbetroffenen die Möglichkeit eines vorhersehbaren Verfahrens zu eröffnen.⁸⁶³ Ein elementares Anliegen der Gleichheitsberechtigten ist daher auch eine einheitliche und dadurch vorhersehbare Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte.⁸⁶⁴ Das verwirklicht zunächst bereits die angemessene Verallgemeinerung des Gesetzes, die der allgemeine Gleichheitssatz vom Gesetzgeber fordert.⁸⁶⁵ Auch das allgemeine Gesetz bedarf aber der Auslegung, enthält keine einzig richtige oder stets eindeutige Antwort.⁸⁶⁶ Gegenüber dem Gleichheitsberechtigten wirkt das allgemeine Gesetz unmittelbar erst in der Form der Gerichtsentscheidung.⁸⁶⁷ Deshalb bezieht sich das rechtsstaatliche Erfordernis der Vorhersehbarkeit grundsätzlich auch auf Rechtsanwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte.⁸⁶⁸ Um dies zu ermöglichen, ist es auch eine Kernaufgabe des Rechtsstaates, eine im Wesentlichen einheitliche Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts zu gewährleisten.⁸⁶⁹ Deshalb gebietet „der allgemeine Gleichheitssatz […] Rechtsanwendungsgleichheit als eine Grundforderung des Rechtsstaats.“⁸⁷⁰

 Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (102 ff.); P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 288; im Urteilsspruch folgt die Begründung aus den Entscheidungsgründen, s.u. zum Begründungserfordernis für die Rechtsprechung allg. vgl. Kischel, Die Begründung, 2003, S. 176 ff.  BVerfGE 87, 48 (65) – Unbegründete Asylanträge; Degenhart, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 19; der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass das Handeln des Staates messbar und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar ist, vgl. BVerfGE 56, 1 (12) – „Teil-Versorgung“ für Kriegsopfer; BVerfGE 108, 52 (75) – Kindesunterhalt; BVerfGE 110, 33 (53 f.) – Zollkriminalamt.  BVerfGE 54, 277 (296) – Ablehnung der Revision; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (101 ff.).  P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd.VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 92 und Rn. 135.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 33.  BVerfGE 106, 28 (48) – Mithörvorrichtung.  Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, 2008, S. 67 (103); vgl. zum Vertrauensschutz bezüglich Leitsatzentscheidungen etwa BFH, Urt. v. 25.04. 2013 – V R 2/13, DStR 2013, 1943.  BVerfGE 54, 277 (291) – Ablehnung der Revision: „Die Einheit der Rechtsordnung ist im Kern bedroht, wenn gleiches Recht ungleich gesprochen wird“; BVerfGE 66, 331 (335) – Revisionswürdigkeit bei unrichtiger Beurteilung durch Berufungsgericht; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (80 und 107 f.); zum Zweck der Übersichtlichkeit der Darstellung wird die Untersuchung im Folgenden auf die einheitliche Auslegung von Bundesrecht beschränkt; dieselben Prinzipien begründen aber ein Postulat lan-

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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(aa) Gesetzesbindung Erster Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlichen Gewähr der Rechtsanwendungsgleichheit ist deshalb das Gesetz selbst. Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Rechtsprechung unmittelbar an Gesetz und Recht. Art. 97 Abs. 1 GG gewährleistet dem Richter die Unabhängigkeit deshalb nicht als subjektives Recht im Sinne eines zusätzlichen Grundrechts, sondern dient allein dem Interesse an einer funktionsfähigen, intakten, rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Rechtsprechung.⁸⁷¹ Deshalb begründet Art. 97 Abs. 1 GG nicht nur die Unabhängigkeit der Richter, sondern wiederholt gleichzeitig die Gesetzesbindung des Art. 20 Abs. 3 GG: Unabhängig bedeutet nach Art. 97 Abs. 1 GG, dass der Richter bei seiner Entscheidung „nur dem Gesetz unterworfen“ ist.⁸⁷² Insofern verpflichtet die Unabhängigkeit den Richter, seine Entscheidung ausschließlich anhand des Gesetzes zu treffen.⁸⁷³ Dazu gehört indes auch die Bindung an das Verfassungsgesetz, mithin an den allgemeinen Gleichheitssatz.⁸⁷⁴ Indem Art. 92 GG die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut, weist ihnen die Verfassung die Kompetenz für Anwendung und Kontrolle der Gesetze zu.⁸⁷⁵ Diese Kompetenzzuweisung nimmt der allgemeine Gleichheitssatz gemeinsam mit der Gesetzesbindung in seinen Prüfungsmaßstab auf und bindet die rechtsprechende Gewalt in einer Verpflichtung zur gleichheitsgerechten Kontrolle des zu beurteilenden Falles durch Gesetzesanwendung und Auslegung, durch Kontrollgleichheit.⁸⁷⁶

deseinheitlicher Auslegung von Landesrecht, vgl. Rozek, AöR 119 (1994), 450 (469 ff.) m.N.; s. a. Stern, in: Bayerischer Verfassungsgerichtshof (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, FS 50-jähriges Bestehen, 1997, S. 241 (257).  BVerfGE 66, 331 (335) – Revisionswürdigkeit bei unrichtiger Beurteilung durch Berufungsgericht; so auch BVerfGE 54, 277 (296) – Ablehnung der Revision; a. A. für eine nur untergeordnete Bedeutung im Rahmen des allg. Gleichheitssatzes vgl. Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 44 ff.; Pietzcker, in Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. V, 2013, § 125 Rn. 74.  BVerwGE 78, 216 (220 Rn. 13); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 97 Rn. 4; Schulze-Fielitz in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 17.  Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (100 f.).  Er ist verpflichtet zur „Parteinahme für das Recht“, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 441.  Gusy, DÖV 1992, 461 (468); Riggert, Die Selbstbindung der Rechtsprechung durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG), 1993, S. 86 f.; Amberg, Divergierende höchstrichterliche Rechtsprechung, 1998, S. 301.  BVerfGE 22, 49 (76 f.) – Verwaltungsstrafverfahren; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 92 Rn. 12.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 181.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

(bb) Begründungspflicht Weiterhin verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte, ihre Entscheidungen zu begründen.⁸⁷⁷ Diese Begründungspflicht ist rechtsstaatlich geboten, damit der Staat seine Entscheidungen für den Bürger verständlich macht.⁸⁷⁸ Die Begründungspflicht umfasst alle Tatsachen, die für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung wesentlich sind.⁸⁷⁹ Die Gerichte müssen deshalb in ihrer Entscheidung die angewendeten Normen sowie die Gründe für die konkrete Subsumtion offenlegen. Das unterstützt eine einheitliche Rechtsanwendung, weil die Entscheidungsgründe dem Betroffenen erkennbar machen, ob das Ergebnis in Einklang mit der im Übrigen vorherrschenden gerichtlichen Auslegungspraxis und der einschlägigen Rechtsprechung der übrigen Gerichte steht.⁸⁸⁰ Entscheidet ein Gericht, der Auslegung einer Norm durch andere Gerichte nicht zu folgen, ist dies aus den jeweiligen Entscheidungsgründen für den Betroffenen erkennbar.

(cc) Hierarchischer Aufbau der Gerichtsbarkeit Wesentliches Strukturmerkmal der Rechtsprechungsorganisation ist neben der Unabhängigkeit vor allem ihr hierarchischer Aufbau.⁸⁸¹ Die Verfassung enthält überdies eine Institutsgarantie zur Einrichtung oberster Bundesgerichte und eröffnet damit die Möglichkeit eines Instanzenzuges.⁸⁸² Der hierarchische Aufbau ermöglicht, dass im Rechtsmittelverfahren ein übergeordnetes Gericht die fehlerhafte und damit ungleiche Rechtsanwendung korrigiert. Durch Instanzenzug und Divergenzrevision bis zu dem letztinstanzlichen obersten Bundesgericht hat der Betroffene die Möglichkeit, eine Entscheidung zu erstreiten, die mit der Rechtsprechung dieses einen, obersten Gerichts in Einklang steht. Indem das letztinstanzliche Gericht allein entscheidet, stellt es jede abweichende Rechtsprechung potentiell im Rechtsmittelverfahren unter Kontrolle nach seiner Rechtsauffassung. Die Aufgabe, die Rechtsanwendungsgleichheit des einfachen Rechts zu überwachen und durchzusetzen, nehmen daher in erster Linie die  Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 103 Abs. 1 Rn. 96; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 32; vgl. auch die Begründungspflichten aus Art. 6 EMRK.  Wassermann, in: AK-GG, Bd. 2, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 103 Rn. 33; Kischel, Die Begründung, 2003, S. 176 ff.  BVerfGE 58, 353 (357) – Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Nichtberücksichtigung fristgerecht eingereichter Schriftsätze; vgl. auch BVerfGE 47, 182 (189) – Nichtwürdigung übereinstimmender Parteivorbringen; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 103 Abs. 1 Rn. 96.  Zur Pflicht einer besonderen Begründung bei Abweichung von Präjudizien, Kriele DRiZ 1984, 226 (230); Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., 1984, S. 593 ff.  Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 389.  Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 63.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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obersten Bundessgerichte als Fachgerichte wahr.⁸⁸³ Aus diesem Grund gilt die Begründungspflicht auch nicht in vollem Umfang für letztinstanzliche Entscheidungen:⁸⁸⁴ Denn durch die Institution eines jeweils obersten Fachgerichts, das über die einheitliche Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts wacht, ist institutionell gewährleistet, dass die Auslegung letztverbindlich durch ein Gericht – und damit einheitlich – bestimmt wird.⁸⁸⁵ Die Begründungspflicht lebt deshalb wiederum auf, wenn die Entscheidung von einer bestehenden Rechtspraxis dieses obersten Gerichts abweicht;⁸⁸⁶ andernfalls folgt die Einheitlichkeit institutionell aus der Letztentscheidungskompetenz des obersten Gerichts.

(dd) Allgemeiner Justizgewährleistungsanspruch Allerdings gewährleisten weder Art. 97 Abs. 1 GG noch Art. 19 Abs. 4 GG einen Anspruch auf Einräumung des Instanzenzuges.⁸⁸⁷ Verfassungsrechtlich ausrei-

 Vgl. Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 97 Rn. 53.  BVerfGE 86, 133 (146) – Untersuchungshaft; BVerfG Beschl.v. 17.12.1998 – 2 BvR 1556/98, NJW 1999, 1387 (1388), BVerfGE 104, 1 (7 f.) – Baulandumlegung; Graßhof, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 5, 2013, § 133 Rn. 71.  Nach Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 97 Rn. 50 ff., begründet das Grundgesetz hingegen keinen umfassenden Auftrag zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, sondern enthält nur punktuelle Regelungen, weshalb der Instanzenzug einzig effektives Mittel sei.  S.o. zur Begründungspflicht, so auch Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (102); Kriele, DRiZ 1984, 226 (230), Schulte, Rechtsprechungseinheit als Verfassungsauftrag, 1986, S. 51 ff.  BVerfGE 42, 243 (248) – Hinweispflicht; BVerfGE 54, 277 (291) – Ablehnung der Revision, Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 4; Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 95 Rn. 103; für Art. 19 Abs. 4 GG vgl. BVerfGE 107, 395 (402 ff.) – Rechtschutz gegen den Richter I; zum insofern zuvor geltende Grundsatz, Art. 19 Abs. 4 GG gewährt Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter, Dürig, Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 19 Abs. 4 Rn. 17, sowie in st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 4, 74 (96) – Ärztliches Berufungsgericht; BVerfGE 11, 263 (265) – § 79 BVerfGG; BVerfGE 15, 275 (280) – Rechtsweg; BVerfGE 22, 106 (110) – Steuerausschüsse; BVerfGE 25, 352 (375) – Gnadengesuch; BVerfGE 49, 329 (340) – Prozessuale Überholung; BVerfGE 65, 76 (90) – Offensichtlichkeitsentscheidungen; BVerfGE 76, 93 (98) – Nichtbeachtung einer Vorlagepflicht; dieser Grundsatz ist insofern aufgelockert, als nunmehr eine differenzierende Betrachtung angestellt wird, ob die richterliche Entscheidung in den Bereich der Spruchrichtertätigkeit fällt, BVerfGE 107, 395 (403 f.) – Rechtschutz gegen den Richter I; BVerfGE 138, 33 (39 Rn. 16) – Amtshilfe; Bettermann, Die Grundrechte, Bd. III/2, 2. Aufl. 1972, S. 790; Schenke, in: BK-GG, Bd. 3, 186. EL 2017, Art. 19 Abs. 4 Rn. 371 ff.; a. A. bereits Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, 241 ff. Diese h. M. war in der Vergangenheit starker Kritik ausgesetzt, weil auch durch den Richter eine erstmalige Verletzung subjektiver Rechte entstehen kann, die selbst das rechts-

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

chend ist bereits eine einzige Tatsachen- und Rechtsinstanz.⁸⁸⁸ Die Verfassung überlässt es dem Gesetzgeber, Möglichkeit und Verfahren eines Instanzenzuges durch einfaches Recht zu gestalten.⁸⁸⁹ Nicht in jedem Fall hat der Betroffene die Möglichkeit, einen Rechtsverstoß durch das Gericht im Rahmen einer fachgerichtlichen Kontrolle überprüfen zu lassen. In einem solchen Fall ist grundsätzlich keine fachgerichtliche Kontrolle für den Betroffenen möglich. Verletzt die Gerichtsentscheidung eine Prozesspartei originär in subjektiven (Grund‐)Rechten,⁸⁹⁰ ist ihr eine Selbstkontrolle durch die Fachgerichtsbarkeit nicht möglich. Dann bliebe ihr für einen Rechtschutz durch diese originäre Verletzung durch die Rechtsprechung nur die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.⁸⁹¹ Deshalb wird aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch gem. Art. 20 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG eine Auffangposition abgeleitet:⁸⁹² In bestimmten Verletzungssituationen besteht eine rechtsstaatliche Pflicht, auch das richterliche Handeln zum Gegenstand einer erneuten richterlichen Überprüfung zu machen:⁸⁹³ Das hat das Bundesverfassungsgericht zumindest in Hinblick auf die erstmalige Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch eine Gerichtsentscheidung entschieden: „Der Justizgewährungsanspruch ermöglicht Rechtsschutz […] in […] Fällen, in denen dies rechtsstaatlich geboten ist. So liegt es bei der erstmaligen Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht.“⁸⁹⁴ Dabei genügt allerdings auch eine formale Selbstkontrolle durch das Gericht.⁸⁹⁵

staatliche Bedürfnis nach Kontrolle auslöst, Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993; insbes. S. 255 ff.; ders. NJW 1995, 1377 (1382 ff.); ders. NJW 2003, 2193 ff.; daher beziehen Teile der Literatur die rechtsprechende Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG ein und fordern dadurch einen grundsätzlichen Anspruch auf Kontrolle der Entscheidung durch eine gerichtliche Instanz, vgl. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 438 ff.; Krebs, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 63; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 19 Abs. 4 Rn. 49, 94, zur Begründungspflicht auch Rn. 115; Ibler, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar GG, Bd. 2, 51. Lieferung 2016, Art. Abs. 4 Rn. 90 ff.  Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 96 ff.  BVerfGE 78, 214 (226) – Unterhaltsleistungen ins Ausland; so auch BVerfGE 54, 277 (291) – Ablehnung der Revision; Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 95 Rn. 103.  Etwa im Fall „greifbarer Gesetzeswidrigkeiten“ einer gerichtlichen Entscheidung oder im Fall der überlagen Verfahrensdauer, vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 96 f.  BVerfGE 42, 243 (248) – Hinweispflicht.  Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 17a.  Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 17a.  BVerfGE 107, 395 (407) – Rechtsschutz gegen den Richter I.  BVerfGE 107, 395 (408) – Rechtsschutz gegen den Richter I. Der Gesetzgeber hat hierauf reagiert und die Rechtsprechung durch das zum 01.01. 2005 in Kraft getretene Anhörungsrügengesetz vom 09.12. 2004, BGBl. I 2004, 3220 umgesetzt.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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Diese Pflicht zur fachgerichtlichen Kontrolle hat das Bundesverfassungsgericht für den Fall einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG angenommen.⁸⁹⁶ Hintergrund und Legitimation dieser grundsätzlichen Ausweitung der Rechtschutzgarantie ist es, die Prozessparteien durch eine fachgerichtliche Überprüfung davor zu schützen, dass sie eine Fehlentscheidung des erstmalig in der Sache entscheidenden Gerichts in subjektiven Rechten verletzt.⁸⁹⁷ Dieser Schutzzweck gilt allerdings ebenso, wenn ein Gericht durch fehlerhafte Rechtsanwendung die Rechtsanwendungsgleichheit verletzt. Die Verletzung der Rechtsanwendungsgleichheit durch ein Gericht muss daher konsequenterweise ebenfalls zumindest durch eine fachgerichtliche (Selbst‐)Kontrolle überprüft werden können. Sieht das jeweilige Prozessrecht nicht einmal die Möglichkeit einer solchen vor,⁸⁹⁸ wenn der Betroffene sich auf die Verletzung der Rechtsanwendungsgleichheit beruft, muss darin folglich ein Verstoß gegen den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch gesehen werden. Dieses Prinzip ist durch das Verfahren der Gehörsrüge einfachgesetzlich verwirklicht, die in § 321a ZPO im Zivilprozessrecht, in §§ 33a und 356a StPO im Strafrecht, in § 152a VwGO im Verwaltungsrecht, in § 178a SGG im Sozialrecht, in § 78a ArbGG im Arbeitsrecht, in § 44 FamFG im Familienrecht sowie in § 133a FGO im Finanzrecht Eingang gefunden hat.⁸⁹⁹ Die Möglichkeit der fachgerichtlichen Kontrolle ist daher tragende Säule der Verwirklichung der Rechtsanwendungsgleichheit.⁹⁰⁰ Erkennt ein Gleichheitsberechtigter aus dem Urteilsspruch und den ihn rechtfertigenden Gründen, dass das einschlägige Gesetz ihm gegenüber anders, also ungleich angewendet wurde, bietet ihm deshalb das Prozessrecht die Möglichkeit der Überprüfung der Entscheidung durch die Fachgerichtsbarkeit – im Rechtsmittelverfahren oder jedenfalls im Wege der formalen Selbstkontrolle. Die Verfassung gewährleistet Rechtsanwendungsgleichheit damit durch die fachgerichtliche Rechtsprechung sowie die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte,⁹⁰¹ über die Grenzen der jeweiligen Rechtswegzuständigkeit hinaus  BVerfGE 107, 395 (408) – Rechtsschutz gegen den Richter I.  Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 96 ff.  Vgl. etwa BVerfGE 42, 243 (248 ff.) – Hinweispflicht.  Vgl. dazu das Anhörungsrügengestz v. 09.12. 2004, BGBl. I, S. 3220; zur Gesetzesbegründung vgl. BT-Drs. 15/3706, S. 13 ff.  Dagegen bietet die Fach- und Dienstaufsicht nur geringe Kontrollmöglichkeiten, da nach § 26 DRiG eine Rechtsverletzung durch das Gericht evident sein muss, was nur in Ausnahmefällen der Fall ist, vgl. dazu Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 97 Rn. 183.  BVerfGE 90, 145 (190 f.) – Cannabis; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (103 f.). Die einheitliche Rechtsanwendung der ordentlichen Gerichtsbarkeit überwacht der Bundesgerichtshof gem. Art. 95 Abs. 1 Fall 1 GG i. V. m.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

gem. Art. 95 Abs. 3 GG durch den gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte.⁹⁰²

(ee) Strukturierung durch Leitsatzentscheidungen Schließlich anerkennt das Bundesverfassungsgericht die gute Tradition oberster Bundesgerichte, ihre tragenden Gründe in allgemeinen, gesetzesähnlichen Rechtsgrundsätzen zusammenzufassen und damit der Rechtspraxis über die Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls hinaus Maßstäbe zu bieten.⁹⁰³ Diese Leitsätze strukturieren die Anwendung des Gesetzes nach einheitlichen Grundsätzen und Auslegungsergebnissen und vereinheitlichen damit die Anwendung und Auslegung des Rechts durch die im Instanzenzug nachgeordneten Gerichte,⁹⁰⁴ begründen auch haftungs- und strafrechtlich erhebliche Maßstäbe für die Gerichte.⁹⁰⁵

§§ 21 II, 132 GVG; die einheitliche Rechtsanwendung der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt gem. Art. 95 Abs. 1 Fall 2 GG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO der Kontrolle des Bundesverwaltungsgerichts, die Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit gem. Art. 95 Abs. 1 Fall 3 GG i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO der Kontrolle durch den Bundesfinanzhof, die einheitliche Rechtsanwendung der Arbeitsgerichte gem. Art. 95 Abs. 1 Fall 4 GG i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG der Kontrolle des Bundesarbeitsgerichts, die einheitliche Rechtsanwendung der Sozialgerichte gem. Art. 95 Abs. 1 Fall 5 GG i. V. m. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der Kontrolle durch das Bundessozialgericht, die einheitliche Rechtsanwendung im Bereich des gewerblichen Rechtschutzes gem. Art. 96 Abs. 1 i. V. m. § 65 PatentG der Kontrolle durch das Bundespatentgericht.  Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 63; vgl. dazu auch das Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG); vgl. auch Schulte, Rechtsprechungseinheit als Verfassungsauftrag, 1986, S. 32 ff und S. 38 ff.  BVerfGE 18, 224 (237) – Pensionszusage, Gesellschafter-Geschäftsführer; BVerfGE 25, 28 (40) – Betriebsaufspaltung im Gewerbesteuerrecht; BVerfGE 26, 327 (337) – Bilanzbündeltheorie; R. Fischer, Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung, 1971, S. 23 f.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 162; vgl. R. Fischer, Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung, 1971, S. 23 f.; zur ähnlichen Breitenwirkung richterlicher Leitsätze vgl. Larenz, in: Fasching (HRsg.), FS Schima, 1969, S. 247 ff.; das BVerfG anerkennt das Aufstellen „allgemeiner Rechtsgrundsätze“ als legitime richterliche Aufgabe, BVerfGE 18, 224 (237 f.) – Pensionszusage, Gesellschafter-Geschäftsführer; BVerfGE 26, 327 (337) – Bilanzbündeltheorie; BVerfGE 34, 269 (287) – Soraya; zu den Leitsatzentscheidungen, die „de facto eine mehr oder minder große Breitenwirkung“ entfalten, BFH, Beschl. v. 17.12. 2007– GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, Rn. 106; der Wandel dieser Rechtsprechung beansprucht einen ähnlich dem Gesetz wirkenden Vertrauensschutz, vgl. BFH, Urt. v. 25.04. 2013 – V R 2/13, DStR 2013, 1943.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 162; zur Möglichkeit der Haftung von Amtsträgern Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 325 f.; BFH, Beschl. v. 17.12. 2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, Rn. 106; siehe dazu P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG Kommentar, 17. Aufl. 2018, Einl. Rn. 61.

IV. Anwendung des Gesetzesrechts

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Die Gerichte sind aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit gem. Art. 97 Abs. 1 GG zwar grundsätzlich frei, von diesen Vorgaben abzuweichen.⁹⁰⁶ Weil die Entscheidungsgründe aber alle für die Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung wesentlichen Tatsachen offenbaren müssen, unterliegt das Gericht bei der Abweichung einer besonderen Begründungspflicht.⁹⁰⁷ Der Betroffene hat dann die Möglichkeit, in der Begründung für die Abweichung entweder einen rechtfertigenden zu erkennen oder aber die Abweichung durch Rechtsmittel überprüfen zu lassen.

c. Ausnahme: Willkürliche Rechtsanwendung Grundsätzlich sind damit die jeweiligen im Instanzenzug übergeordneten Gerichte, an der Spitze die obersten Bundesgerichte und rechtswegübergreifend der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte für eine einheitliche Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zuständig. Eine Ausnahme dieser grundsätzlichen Zuständigkeit der Fachgerichtsbarkeit nimmt das Bundesverfassungsgericht nur bei willkürlich falscher Rechtsanwendung an. „Willkür“ in diesem Zusammenhang liegt jedoch nicht bereits bei fehlerhafter Rechtsanwendung vor, sondern erst dann, „wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird“⁹⁰⁸. Mit anderen Worten wird „gegen den Gleichheitssatz […] nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das dazu eingeschlagene Verfahren fehlerhaft sind. Hinzukommen muss vielmehr, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dabei enthält die Feststellung von Willkür keinen subjektiven Schuldvorwurf. Willkür ist im objektiven Sinne zu verstehen als eine Maßnahme,

 BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr.  BVerfGE 71, 122 (135 f.) – Prozesskostenhilfe im Verwaltungsprozess; BVerfG, Beschl. v. 16.10. 1998 – 2 BvR 1328/96, DVBI 1999, 165 f.; BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr; BVerfGE 98, 17 (48) – Sachenrechtsmoratorium; vgl. Schulte, Rechtsprechungseinheit als Verfassungsauftrag,1986, S. 51 ff., insbes. S. 54; Rennert, NJW 1991, 12 (16); Kischel, Die Begründung, 2003, S. 176 ff.; vgl. auch Amberg, Divergierende höchstrichterliche Rechtsprechung, 1998, S. 305 ff.; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 22; Gusy, DÖV 1992, 461 (468 f.); Riggert, Die Selbstbindung der Rechtsprechung durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG), 1993, S. 71.  BVerfGE 87, 273 (278) – Erörterungsgebühr; BVerfGE 98, 17 (48) – Sachenrechtsmoratorium.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

welche im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist“⁹⁰⁹. Somit korrigiert das Bundesverfassungsgericht willkürliche Rechtsanwendung und Auslegung durch die Fachgerichte nur ausnahmsweise. Das Bundesverfassungsgericht vergleicht dabei nicht das streitige Auslegungsergebnis mit anderen Urteilssprüchen, sondern untersucht im konkreten Fall, ob eine schlechthin unvertretbare Gesetzesauslegung vorliegt.⁹¹⁰ Diese „Verselbstständigung“ des Willkürverbots begegnet auch kritischen Einwänden.⁹¹¹ Insbesondere sei das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Willkürverbot nur vorgeschoben, um eine im Einzelfall unhaltbare Rechtsauslegung zu korrigieren.⁹¹² Im Ergebnis ermögliche dieses Verständnis von Art. 3 Abs. 1 GG, dass das Bundesverfassungsgericht jede Gerichtsentscheidung auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüfe.⁹¹³ In der Tat darf diese Kontrollmöglichkeit durch das Bundesverfassungsgericht nicht das verfassungsmäßige Kompetenzgefüge verschieben. Aus der Unabhängigkeit der Gerichte und der Institutsgarantie oberster Bundesgerichte folgt die grundsätzliche Zuständigkeit der Gerichte für Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts. Damit gewähren Instanzenzug und oberste Bundesgerichte, schließlich der Gemeinsame Senat gem. Art. 95 Abs. 3 GG die einheitliche und gleichheitsgerechte Auslegung. Das Willkürverbot stellt aber nur die äußerste Grenze im Sinn einer letzten Gerechtigkeitsreserve für staatliches Handeln dar.⁹¹⁴

 BVerfGE 83, 82 (84) – Eigenbedarfskündigung (Drittvermietung einer Alternativwohnung); seitdem st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 24.04. 2015 – 1 BvR 2274/12, Rn. 12 – Blutspendedienste, zit. nach juris.  BVerfGE 71, 122 (131 ff.) – Prozesskostenhilfe im Verwaltungsprozess; BVerfGE 71, 202 (204 f.) – Auslegung einer Prozesserklärung; BVerfGE 80, 48 (51 ff.) – Räumungsanspruch des kündigenden Vermieters; BVerfGE 83, 82 (84 ff.) – Eigenbedarfskündigung (Drittvermietung einer Alternativwohnung); BVerfG, Urt. v. 07.04.1992 – 1 BvR 1772/91, NJW 1992, 1675.  So das Sondervotum von Geiger zu BVerfGE 42, 64 – Zwangsversteigerung I, BVerfGE 42, 79 (81); Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 310 ff.  Kirchberg, NJW 1987, 1988 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 1496 f.  Kirchberg, NJW 1987, 1988, ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 1496 f.; Hesse, in: Link (Hrsg.), Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat, Symposion Leibholz, 1982, S. 76 (77); vgl. auch G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 38 (42); zu den Voraussetzungen für das Vorliegen derartiger Willkür, Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 22; Bender, Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung gerichtlicher Entscheidungen, 1989, S. 24; die Verfassungsbeschwerde sei daher „kein Rechtsbehelf gegen fachgerichtliche Pannen“; Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 22, mit Nachweisen zur st. Rspr. bis 1992, Fn. 83.  Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 20; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 443; zum Begriff der äußersten Grenze, H. P. Ipsen, in: Neumann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, 1954, 111 (166); W. Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz und die Aufgabe des Richters, 1957, S. 51; gegen Beschrankung auf die Willkilr-

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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Bereits dieses enge Verständnis des Willkürbegriffs sowie die objektive Perspektive,⁹¹⁵ die das Bundesverfassungsgericht einnimmt, nehmen die verfassungsgerichtliche Kontrolle fehlerhafter Rechtsanwendung grundsätzlich auf ein Mindestmaß des rechtsstaatlich Gebotenen zurück.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle Nach den dargestellten Grundsätzen sind Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts Aufgabe der Fachgerichte.⁹¹⁶ Dazu gehört auch die Fortbildung des einfachen Rechts.⁹¹⁷ Wenn die Fachgerichte die Funktion des Primärrechtsschutzes wahrnehmen,⁹¹⁸ wahren und schützen sie auch selbst die Grundrech-

kontrolle Burmeister, Vom staatsbegrenzenden Grundrechtsverständnis zum Grundrechtsschutz für Staatsfunktionen, 1971, S. 44 ff.; G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 38 (42); ahnlich Hesse, AöR 109 (1984), 174 (193): Die verfassungsgerichtliche Kontrolle wirke als Sicherung eines Mindeststandards allgemeiner Gerechtigkeit; zum Begriff der Gerechtigkeitsreserve siehe P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 443.  BVerfGE 4, 144 (155) – Abgeordneten-Entschädigung; vgl. ausführlich oben III., 4., c (S. 50), sowie Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 20; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 429 und 432.  BVerfGE 107, 395 (413) – Rechtschutz gegen den Richter I; BVerfGE 96, 375 (394) – Kind als Schaden; BVerfGE 101, 361 (388) – Caroline von Monaco II; BVerfGE 112, 332 (359) – Pflichtteil; vgl. auch BVerfGE 94, 1 (9 f.) – DGHS; BVerfGE 95, 28 (37) – Werkszeitungen; BVerfGE 99, 185 (196) – Scientology; BVerfGE 111, 366 (372 f.) – Steuerberaterwerbung; BVerfGE 115, 51 (68 f.) – Analoge Anwendung des § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG; BVerfGE 115, 320 (367) – Rasterfahndung II; BVerfGE 128, 138 (148) – Rentenkürzung Invalidenrente ; BVerfGE 128, 193 (209) – Dreiteilungsmethode; BVerfGE 134, 204 (234 Rn. 103) – Werkverwertungsverträge; BVerfGE 136, 382 (390 Rn. 27 f.) – Grosseltern; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 293; zur Kompetenz zur Rechtsfortbildung BVerfGE 34, 269 (287 ff.) – Soraya; BVerfGE 96, 375 (396) – Kind als Schaden; siehe auch das Sondervotum der Richter Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio in BVerfGE 122, 248 (285 f.) – Rügeverkümmerung; Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 95 Rn. 110; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 20; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 95 Rn. 4; Raden, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2002, Art. 95 Rn. 8; Wassermann, in: Alternativkommentar, GG, Bd. 2, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 95 Rn. 13.  BVerfGE 34, 269 (287 ff.) – Soraya; BVerfGE 96, 375 (396) – Kind als Schaden; siehe auch das Sondervotum der Richter Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio in BVerfGE 122, 248 (285 f.) – Rügeverkümmerung.  Vgl. dazu BVerfGE 40, 88 (94) – Führerschein; BVerfGE 96, 375 (394) – Kind als Schaden; BVerfGE 101, 361 (368) – Caroline von Monaco II; BVerfGE 108, 150 (160) – Sozietätswechsel; BVerfGE 115, 81 (92) – Rechtsschutz gegen Verordnungen.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

te.⁹¹⁹ Der Grundrechtschutz gegenüber dem Bürger geschieht vornehmlich auf der Ebene der Gesetzesanwendung.⁹²⁰ Die Grundrechte enthalten zudem objektive Grundsatz- und Wertentscheidungen, die auf alle Bereiche der Rechtsordnung ausstrahlen.⁹²¹ Die Fachgerichte müssen diese interpretationsleitende Einwirkung der Grundrechte von Amts wegen berücksichtigen.⁹²² Sie sind folglich auch zur verfassungskonformen Fortbildung des einfachen Gesetzesrechts zuständig.⁹²³ Die Funktionenordnung des Grundgesetzes sieht also vor, dass zunächst die sachnäheren Fachgerichte die Grundrechte schützen.⁹²⁴ Diese Kompetenzzuweisung sichert der Rechtsprechung der Fachgerichtsbarkeit einen eigenen Verantwortungsbereich für den Grundrechtsschutz.⁹²⁵ Gleichzeitig wacht das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung über das Handeln aller Staatsgewalten.⁹²⁶ Es ist das mit höchster Autorität aus-

 BVerfGE 68, 376 (380) – Zumutbarkeit der Berufung; BVerfGE 96, 27 (40) – Durchsuchungsanordnung I; BVerfGE 104, 65 (73) – Schuldnerspiegel; BVerfGE 112, 50 (61) – Opferentschädigungsgesetz; BVerfGE 134, 106 (115 Rn. 27) – Anhörungsrügeverfahren, Deichsicherheit; zum Grundrechtschutz durch die Fachgerichte siehe auch Kloepfer, DVBl. 2004, 676 (677); dazu BVerfGE 112, 332 (358) – Pflichtteil; BVerfGE 129, 78 (102) – Anwendungserweiterung; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 377.  BVerfGE 100, 289 (304 f.) – Aktiengesellschaft; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 234.  BVerfGE 7, 198 – Lüth, 1. Leitsatz; BVerfGE 49, 89 (141 f.) – Kalkar I; BVerfGE 73, 261 (269) – Sozialplan; BVerfGE 111, 54 (84) – Rechenschaftsbericht.  BVerfGE 99, 185 (196) – Scientology; BVerfGE 112, 332 (358) – Pflichtteil; BVerfGE 114, 339 (348) – Mehrdeutige Meinungsäusserungen; BVerfGE 115, 51 (70) – Analoge Anwendung des § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG; BVerfGE 129, 78 (102) – Anwendungserweiterung; Bethge, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 21.  Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177 (197); insofern ist die Adjustierung des einfachen Rechts nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, BVerfGE 96, 375 (395) – Kind als Schaden.  BVerfGE 31, 364 (368) – Bebauungspläne; BVerfGE 84, 203 (208) – Republikaner; BVerfGE 96, 27 (40) – Durchsuchungsanordnung I; BVerfGE 104, 65 (73) – Schuldnerspiegel; BVerfGE 107, 395 (414) – Rechtschutz gegen den Richter I; Papier, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, 2009, § 79 Rn. 48.  BVerfGE 94, 166 (216) – Flughafenverfahren; BVerfGE 96, 375 (394) – Kind als Schaden; Robbers, NJW 1998, 935 (938); Bethge, Jura 1998, 529 (530); Roth, AöR 121 (1996), 544 ff.; vgl. auch Kunig, VVDStRL 61 (2002), 34 (38 ff.); Hermes, ebda, 119 (138 ff.); Bettermann, in: Merten (Hrsg.), Staatsrecht – Verfahrensrecht – Zivilrecht, 1988, S. 403; Lechner/Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 90 Rn. 146; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 513.  BVerfGE 1, 184 (195) – Normenkontrolle I; BVerfGE 1, 396 (408 f.) – Deutschlandvertrag; BVerfGE 2, 124 (131) – Normenkontrolle II; BVerfGE 40, 88 (93) – Führerschein; Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 10 ff., siehe auch Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 27, 473; Hopfauf, in: Schmidt/Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2018, Art. 93 Rn. 37 ff.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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gestattete Verfassungsorgan⁹²⁷ und entscheidet – im Streitfall, in den enumerativ eröffneten Verfahren⁹²⁸ – verbindlich über die Auslegung der Normen des Grundgesetzes.⁹²⁹ Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG kann zudem jedermann mit der Behauptung Verfassungsbeschwerde erheben, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein.⁹³⁰ Zur öffentlichen Gewalt gehören alle Organe der drei Staatsgewalten.⁹³¹ Auch die Entscheidungen der Rechtsprechung unterliegen damit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle.⁹³² Die Verfassungsbeschwerde sichert auch die Grundrechtsgeltung auf der Rechtsanwendungsebene.⁹³³ Eine wirksame verfassungsgerichtliche Kontrolle von Verfassungsverstößen aller Staatsgewalten setzt dabei gleichzeitig voraus, dass in erster Linie die Fachgerichte die Grundrechte achten und schützen, sodass Grundrechtsverletzungen im allgemeinen abgeholfen werden, ohne dass der Betroffene das Bundesverfassungsgericht anrufen muss: „Nach den ihm durch Verfassung und Gesetz zuerkannten Funktionen und seiner gesamten Organisation ist das Bundesverfassungsgericht weder dazu berufen noch in der Lage, einen in gleichem Maße zeit- und sachnahen vorläufigen Individualrechtsschutz zu gewährleisten wie die Fachgerichtsbarkeit. Der ihm übertragene Grundrechtsschutz setzt die Existenz einer die Grundrechte achtenden und schützenden Fachgerichtsbarkeit voraus, die im allgemeinen dafür sorgt, dass Grundrechtsverletzungen und deren Folgen ohne Anrufung des Bun-

 Statusdenkschrift des Bundesverassungsgercihts vom 27.06.1952, abgedruckt in JZ 1953, 157 f.; vgl. auch § 1 BVerfGG; dazu Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 93.  Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 77; Löwer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 70 Rn. 3.  BVerfGE 40, 88 (94) – Führerschein; BVerfGE 67, 26 (34) – Kassenleistungen für Schwangerschaftsabbruch; Detterbeck, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 5; das Bundesverfassungsgericht ist „Fachgericht für Verfassungsrecht“, Löwer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 70 Rn. 34; Isensee, JZ 1996, 1085 (1089).  Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG ist die Komplementärnorm zu Art. 1 Abs. 3 GG und gewährt dem Einzelnen eine Möglichkeit, seine subjektiven von der Verfassung verbürgten Rechte gegen den Staat durchzusetzen, Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 164; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2018, Art. 93 Rn. 400; Meyer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 2, 6. Aufl., 2012, Art. 93 Rn. 51; siehe auch O. Klein, in: Benda/Klein (Hrsg.), Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 19 Rn. 536; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 176.  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 341; Bethge, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 176.  Vgl. § 95 Abs. 2 BVerfGG; BVerfGE 18, 85 (92) – Spezifisches Verfassungsrecht; BVerfGE 99, 185 (195 f.) – Scientology; BVerfGE 107, 299 (315) – Handy-Überwachung; Papier, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, 2009, § 79 Rn. 6 ff., das. § 80 Rn. 29 ff.; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 293.  BVerfGE 18, 85 (92) – Spezifisches Verfassungsrecht; BVerfGE 99, 185 (195 f.) – Scientology; BVerfGE 107, 299 (315) – Handy-Überwachung.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

desverfassungsgerichts abgeholfen wird. Diesen Rechtsschutz im Rechtswege vermag das Bundesverfassungsgericht nicht zu ersetzen, sondern allenfalls nach dem Prinzip der Subsidiarität zu ergänzen“⁹³⁴.

Der Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht steht damit in einem Spannungsverhältnis zur Kompetenz der Fachgerichte.⁹³⁵ Einerseits sind primär die Fachgerichte für den Grundrechtschutz zuständig, andererseits ist das Bundesverfassungsgericht dazu berufen, dies zu überwachen und Verfassungsverstöße gegebenenfalls zu korrigieren.⁹³⁶ Die eigenständige Kompetenz der Fachgerichtsbarkeit genießt dabei gegenüber der Verfassungsgerichtsbarkeit einen eigenständigen Funktionsschutz.⁹³⁷ Deshalb ist die Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf konzipiert, der die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen nur ausnahmsweise durchbrechen können soll.⁹³⁸

 BVerfGE 94, 166 (216) – Flughafenverfahren; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 234; vgl. auch Lechner/Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 90 Rn. 146.  Wank, JuS 1980, 545; Papier, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, 1976, S. 432 ff.; Ossenbühl, in: Stödter/Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, 1977, S. 129 ff,; Bender, Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung gerichtlicher Entscheidungen, 1989, S. 22 ff.; Steinwedel, „Spezifisches Verfassungsrecht“ und „einfaches Recht“, 1976, S. 43 ff.; Berkemann, DVBl. 1996, 1028 ff.; Schuppert, AöR 103 (1978), 43 ff.; Gündisch, NJW 1981, 1813 ff.; Schenke, Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, 1987, S. 27 ff.; Lincke, EuGRZ 1986, 60 ff.; Rennert, NJW 1991, 12 ff.; Schulte, DVBl 1996, 1009 ff.; Robbers, NJW 1998, 935 ff.; H.-J. Koch, in: Erbguth/Müller/Neumann (Hrsg.), Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch, Gedächtnisschrift Jeand’Heur, 1999, S. 135 ff.; Alexy, VVDStRL 61 (2002), 8 ff.; Kunig, ebd., 34 ff.; Hermes, ebd., 119 ff.; Jestaedt, DVBl. 2001, 1309 ff.; Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 ff.; Hoffmann-Riem, AöR 128 (2003), 173 ff.; Kenntner, NJW 2005, 785 ff.; Papier, DVBl. 2009, 473 ff. Für eine Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Herzog, in: Mauer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, FS Dürig, 1990, S. 431 ff.; Roth, AöR 121 (1996), 544 ff.; aus iener rechtsvergleichenden Perspektive Heun, VVDStRL 61 (2002), S. 80 ff.; siehe auch Schlaich/ Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 280; Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 150; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 22– 33.  Sondervotum von Rupp-v. Brünneck, in: BVerfGE 30, 173 (218 – 221) – Mephisto; so auch ders., in: BVerfGE 42, 143 (154– 156) – Deutschland-Magazin; Alleweldt, Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit, 2006, S. 48 ff.  Robbers, NJW 1998, 935 (938); Bethge, Jura 1998, 529 (530); Roth, AöR 121 (1996), 544 ff.; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 119.  Vgl. BVerfGE 22, 287 (290 f.) – Betheldiener; BVerfGE 68, 376 (379 f.) – Zumutbarkeit der Berufung; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 23.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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Die Funktion der Fachgerichtsbarkeit sichert zunächst der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde.⁹³⁹ Besondere Ausprägung des Subsidiaritätsgrundsatzes ist außerdem das Gebot der Rechtswegerschöpfung gem. § 90 Abs. 2 BVerfGG.⁹⁴⁰ Gem. § 90 Abs. 2 BVerfGG kann die Verfassungsbeschwerde erst erhoben werden, nachdem der Beschwerdeführer gegen die Verletzung jeden zulässigen Rechtsweg ausgeschöpft hat.⁹⁴¹ Dazu muss er die gesamten ihm möglichen und zumutbaren Rechtschutzmöglichkeiten zur Abwendung der Grundrechtsverletzung ergriffen haben.⁹⁴² Dies entspricht der grundgesetzlichen Aufgabenzuweisung zwischen Fachgerichten und Verfassungsgerichtsbarkeit, nach der eine Grundrechtsverletzung zunächst vor den sachnäheren Fachgerichten geltend gemacht werden soll.⁹⁴³ Der Rechtschutz durch das Bundesverfassungsgericht ist damit erst möglich, wenn jeder andere Rechtschutz gegen die gerügte Grundrechtsverletzung erfolglos geblieben ist. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heißt es dazu: „Das Subsidiaritätsprinzip enthält zugleich eine grundsätzliche Aussage über das Verhältnis der Fachgerichte zum Bundesverfassungsgericht. Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung obliegt zunächst den Fachgerichten die Aufgabe, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen. Nur unter den engen Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kann der Grundsatz der Subsidiarität durchbrochen werden. In dieser Konkretisierung des Verhältnisses von Grundsatz und Ausnahme spiegelt sich die Bedeutung wider, die das

 BVerfGE 107, 395 (414) – Rechtschutz gegen den Richter I; BVerfGE 112, 50 (61) – Opferentschädigungsgesetz; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 25.  BVerfGE 18, 315 (325) – Marktordnung; BVerfGE 94, 166 (213 f.) – Flughafenverfahren; BVerfGE 107, 395 (412) – Rechtschutz gegen den Richter I; Detterbeck, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 94 Rn. 15; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 377.  „Ultima Ratio des Rechtsschutzes“, Scherzberg, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 13 Rn. 89.  BVerfGE 68, 376 (380) – Zumutbarkeit der Berufung; BVerfGE 107, 299 (308 f.) – HandyÜberwachung; eine lediglich formelle Erschöpfung des Rechtsweges genügt nicht, BVerfGE 112, 50 (60) – Opferentschädigungsgesetz.  BVerfGE 31, 364 (368) – Bebauungspläne; BVerfGE 68, 384 (388) – Nichtigkeitserklärung von Art. 17 Abs. 1 EGBGB; BVerfGE 77, 381 (401) – Zwischenlager Gorleben; BVerfGE 81, 97 (102) – Vorbringen im Zivilprozess; BVerfGE 84, 203 (208) – Republikaner; BVerfGE 107, 395 (414) – Rechtschutz gegen den Richter I; BVerfGE 112, 50 (60) – Opferentschädigungsgesetz; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 378; es geht dabei also nicht primär um eine Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, sondern um die Absicherung der eigenständigen Kompetenz der Rechtsprechung, Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 244; Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 454

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Grundgesetz der fachgerichtlichen Rechtsprechung auch für die Einhaltung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen beimisst.“⁹⁴⁴

Die Zuständigkeit von Verfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit wird damit zunächst prozessual abgegrenzt.⁹⁴⁵ Zu dieser prozessualen Abgrenzung gehören schließlich die Vorschriften des Annahmeverfahrens, gem. § 93a-d BVerfGG. Nach § 93a Abs. 1 BVerfGG bedarf eine Verfassungsbeschwerde der Annahme. Diese ist gem. § 93a Abs. 2 BVerfGG nur dann zu erteilen, wenn der Sache grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder wenn dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers gem. § 90 Abs. 1 BVerfGG „angezeigt“ ist. Damit werden Verfassungsbeschwerden ausgeschlossen, die auf keiner Verletzung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts beruhen, die auf einer Beschwer beruhen, der auf andere Art und Weise abgeholfen werden kann oder aus der keine objektiv oder subjektiv gravierenden Nachteile für den Beschwerdeführer folgen⁹⁴⁶. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Maßstab zusammenfassend formuliert: „Die Annahme ist nicht angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten kein besonderes Gewicht hat und den Beschwerdeführer nicht in existentieller Weise betrifft.“⁹⁴⁷

Dadurch findet eine weitere Eingrenzung statt, die aber vornehmlich der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dient und nicht dem Schutz der Kompetenz der Fachgerichtsbarkeit.⁹⁴⁸

1. Rechtsanwendungsfehler und spezifisches Verfassungsrecht Diese Abgrenzung allein vermag aber nicht, die verfassungsmäßige Aufgabenteilung zwischen dem Bundesverfassungsgericht und den Fachgerichten voll-

 BVerfGE 107, 395 (414 f.) – Rechtschutz gegen den Richter I; vgl. auch BVerfGE 108, 341 (348) – Rechtsschutz gegen den Richter II.  Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 281.  Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 93a Rn. 105 ff. und 120 f.  BVerfGE 107, 395 (414 f.) – Rechtschutz gegen den Richter I.  Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 93a Rn. 105.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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ständig abzusichern.⁹⁴⁹ Sie bietet keine Einschränkung dafür, dass das Bundesverfassungsgericht nicht doch letztendlich jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts überprüfen müsste: Denn eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch eine gerichtliche Entscheidung bedeutet immer auch einen Gleichheitsverstoß:⁹⁵⁰ Zwar überprüft das Bundesverfassungsgericht die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nicht. Vielmehr „sind die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen“⁹⁵¹. Wendet ein Gericht eine einfachgesetzliche Norm aber fehlerhaft an, wird das Gesetz gegenüber dem vom Urteil Betroffenen ungleich angewendet. Jeder Rechtsverstoß ist daher grundsätzlich auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.⁹⁵² Nachdem der Beschwerdeführer gem. § 90 Abs. 2 BVerfGG den Rechtsweg gegen diese Entscheidung erschöpft hat, müsste das Bundesverfassungsgericht Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts überprüfen, jede fehlerhafte Rechtsanwendung als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz korrigieren. Die Verfassungsbeschwerde würde gegen alle gerichtlichen Entscheidungen eine „Superrevisionsinstanz“ eröffnen.⁹⁵³ Diese Rolle ist dem Bundesverfas-

 Für diese Aufgabenverteilung vgl. BVerfGE 22, 93 (98) – Unterhalt I; BVerfGE 51, 130 (139) – Ausbildungskapazität; BVerfGE 96, 27 (40) – Durchsuchungsanordnung I.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 289; Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 152.  St. Rspr., vgl. aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 136, 382 (390 Rn. 27) – Großeltern.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 289; Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (60 f.); Rennert, NJW 1991, 12 ff.; Puhl, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit im Verfassungsstaat, FS Paul Kirchhof, 2008, S. 67 (105 f.); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 62; Kloepfer,Verfassungsrecht II, 2010, § 59 Rn. 48; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1973, Art. 3 Abs. 1 Rn. 397; Jestaedt, DVBl 2001, 1309 (1310); die Auffassung, das Bundesverfassungsgericht könne im Fall einer Rechtsverletzung einen Verstoß gegen das Willkürverbot annehmen, verkennt, dass die Willkürkontrolle die unterste Stufe des Prüfungsmaßstabs einer Ungleichbehandlung darstellt und keinen eigenständigen Verstoß begründet, so aber Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 119 unter Verweis auf BVerfGE 54, 117 (124 f.); dasselbe Problem stellt sich auch in Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG, denn unter konsequenter Anwendung der Grundsätze aus dem ElfesUrteil, BVerfGE 6, 32 (36 ff.) – Elfes, müsste jede fehlerhafte Rechtsanwendung auch einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG darstellen, Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 153; Alexy, VVDStRL 61 2002, 8 (11); exemplarisch etwa für eine Subjektivierung des Rechtsstaatsprinzips durch Art. 2 Abs. 1 GG, BVerfGE 52, 203 (207) – Fristgebundener Schriftsatz.  BVerfGE 7, 198 (207) – Lüth; siehe auch BVerfGE 107, 395 (413) – Rechtschutz gegen den Richter I; Scherzberg, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 13

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

sungsgericht aber nicht nur aus einem „judicial self-restraint“ versagt, sondern auch wegen der eigenständigen verfassungsrechtlichen Kompetenzgarantie für die Fachgerichtsbarkeit.⁹⁵⁴ Eine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle fachgerichtlicher Entscheidungen am Maßstab des einfachen Rechts durch das Bundesverfassungsgericht ist bereits durch die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit ausgeschlossen.⁹⁵⁵ Dadurch würde letztlich der normhierarchische Unterschied zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht aufgehoben.⁹⁵⁶ Auch der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts bei der Urteilsverfassungsbeschwerde muss bei Grundrechtsverstößen durch Rechtsanwendung der Fachgerichte materiell die zurückgenommene, nur subsidiäre Kontrolle von Entscheidungen der Rechtsprechung widerspiegeln. Deshalb überprüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde nur, ob die jeweilige Gerichtsentscheidung „spezifisches Verfassungsrecht“ verletzt.⁹⁵⁷ Dazu heißt es in einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

Rn. 120; Hensel, Der Staat 50 (2011), 581 (582); siehe auch Detterbeck, AöR 136 (2011), 222 (224 ff.); Steinwedel, „Spezifisches Verfassungsrecht“ und „einfaches Recht“, 1976, S. 64 ff.; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 283 ff.; Herzog, in: Mauer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, FS Dürig, 1990, S. 431 (434 f.).  BVerfGE 7, 198 (207) – Lüth; BVerfGE 18, 85 (92) – Spezifisches Verfassungsrecht; BVerfGE 53, 30 (53) – Mülheim-Kärlich; Voßkuhle, NJW 1995, 1377 (1378).  Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 293; Alleweldt, Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit, 2006, S. 174; Hillgruber/ Goos, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 180.  Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 22 ff.  Vgl. so bereits BVerfGE 1, 418 (420) – Ahndungsgesetz; seit BVerfGE 18, 82 (95) – Spezifisches Verfassungsrecht, st. Rspr., vgl. BVerfGE 42, 143 (147 f.) – Deutschland Magazin; BVerfGE 54, 208 (215) – Böll; BVerfGE 60, 79 (90 f.) – Sorgerecht bei unverschuldetem Elternversagen; BVerfGE 52, 42 (54) – Rechtsanwaltsausschluss; BVerfGE 57, 250 (272) – V-Mann; BVerfGE 60, 175 (214) – Startbahn West, dort: „spezifisches Bundesverfassungsrecht“; BVerfGE 65, 196 (211) – Altersruhegeld; BVerfGE 72, 105 (117) – Lebenslange Freiheitsstrafe; BVerfGE 87, 48 (63) – Unbegründete Asylanträge; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 282 behaupten, der erste Senat sei seit BVerfGE 62, 230 (242) – Boykottaufruf, von dieser Formulierung stillschweigend abgerückt; in BVerfG, Urt. v. 05.11. 2008 – 1 BvR 1822/08, Rn. 2, zitiert nach juris, verwendet die dritte Kammer des ersten Senats aber ausdrücklich den Begriff spezifisches Verfassungsrecht; ebenso die erste Kammer des ersten Senats, BVerfG, Beschl. v. 30.01. 2019, 1 BvQ 1/ 19, Rn. 4, zit. nach juris; für den zweiten Senat vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.05. 2012 – 2 BvR 1352/10, Rn. 7, zit. nach juris; BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 19.11. 2015 – 2 BvR 2088/15, NVwZ-RR 2016, 201 (202 Rn. 21); ebenso BVerfG, Beschl. v. 20.12. 2018 – 2 BvR 2377/16, NJW 2019, 584 (585 Rn. 39); das Kriterium der „grundsätzlich unrichtigen Anschauung“ findet im Übrigen nach wie vor Anwendung, vgl. BVerfGE 134, 204 (234) – Werkverwertungsverträge: „Die Schwelle

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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„[…] nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl. BVerfGE 1, 418 [420]). Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen. […] Allgemein wird sich sagen lassen, dass die normalen Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts so lange der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen sind, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind.“ ⁹⁵⁸

Diese Formulierung hebt zunächst das Verfassungsrecht als alleinigen Prüfungsmaßstab hervor.⁹⁵⁹ Sie bezweckt nicht, die Prüfung auf nur bestimmte Teile des Verfassungsrechts zu beschränken.⁹⁶⁰ Von der verfassungsgerichtlichen Prüfung ausgeschlossen werden sollen vielmehr Verfassungsverstöße, die allein in der fehlerhaften Rechtsanwendung einfachen Gesetzesrechts durch die Gerichtsbarkeit liegen.⁹⁶¹ Der Begriff des spezifischen Verfassungsrechts begegnet teilweise Kritik:⁹⁶² Er könne den Prüfungsumfang nicht hinreichend steuern,⁹⁶³ es handele sich um eine „Leerformel“.⁹⁶⁴

eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind“; so auch BVerfGE 138, 64 (89 Rn. 75) – Isolierte eigentumsverdrängende Bebauungsplanung.  BVerfGE 18, 85 (92 f.) – Spezifisches Verfassungsrecht.  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 151.  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 151.  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 151; Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (62).  Überblick und Nachweise bei Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 310 ff.; vgl. auch Steinwedel, „Spezifisches Verfassungsrecht“ und „einfaches Recht“, 1976, S. 43 ff.; Denninger, in: AK-GG, Bd. 1, Neuaufl. 2. EL 2002, Art. 1 Abs. 2 Rn. 33; Stern, in: BK-GG, Bd. 3, 186. EL 2017, Art. 93 Rn. 700 ff.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und Eingriffsintensität, 1989, S. 87– 92 und S. 96; der Begriff sei „missglückt“, Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 151; so auch Schlaich/Korioth, das. Rn. 282, vgl. auch Bender, Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung gerichtlicher Entscheidungen, 1989, S. 20 ff.; Kenntner, NJW 2005, 785 (786 ff.); ausf. ders. DÖV 2005, 269.  Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 329.  Die Abgrenzung „laufe leer“, Papier, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, 1976, S. 432 (450); Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017,

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Zutreffend ist insofern, dass der Begriff des „spezifischen Verfassungsrechts“ das zugrunde liegende Problem der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Fachgerichtsbarkeit und Bundesverfassungsgericht – und gleichermaßen zwischen Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber –⁹⁶⁵ nur beschreibt.⁹⁶⁶ Die allgemeine Definition des Kriteriums „spezifisches Verfassungsrecht“ durch das Bundesverfassungsgericht bietet indes weitere Anhaltspunkte, anhand derer eine Abgrenzung entwickelt werden kann.⁹⁶⁷ Namentlich grenzt die Definition mit vier Merkmalen, der Gestaltung des Verfahrens, der Feststellung und Würdigung des Tatbestands, der Auslegung der Gesetze und der Anwendung auf den Einzelfall, negativ den der verfassungsgerichtlichen Überprüfung entzogenen Bereich ab.⁹⁶⁸ Zugleich eröffnet diese Formel durch den Zusatz „grundsätzlich“ die Möglichkeit, Intensität und Ausmaß der Beeinträchtigung in Ausnahmefällen zu berücksichtigen.

a. Heck’sche Formel Ausgangspunkt der Definition ist, dass spezifisches Verfassungsrecht nicht schon verletzt ist, wenn ein Gericht eine einfachgesetzliche Norm objektiv falsch anwendet.⁹⁶⁹ Dabei handelt es sich um eine Beschreibung des Problems: Jede Rechtsverletzung enthält einen Verfassungsverstoß. Deshalb muss der Fehler gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten,⁹⁷⁰ also „auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht“ sein.⁹⁷¹ Die Verfassungsbeschwerde

Rn. 580; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 55; Roellecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 68 Rn. 13.  Hermes, VVDStRL 61 (2002), 119 (153 LS 19); Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017, Rn. 580.  Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 285.  Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (62), die Definition in BVerfGE 1, 418 (420) – Ahndungsgesetz, auf die der Begriff des spezifischen Verfassungsrechts in BVerfGE 18, 85 (92 f.) – Spezifisches Verfassungsrecht, verweist, sei ein Paradebeispiel abwägender Richterkunst.  Korioth, in: Badura (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, 2001, S. 55 (62).  BVerfGE 18, 85 (93) – Spezifisches Verfassungsrecht.  BVerfGE 18, 85 (93) – Spezifisches Verfassungsrecht.  BVerfGE 18, 85 (93) – Spezifisches Verfassungsrecht; sog. „Heck’schen Formel“, nach dem Berichterstatter in dem Beschluss BVerfGE 18, 85 – Spezifisches Verfassungsrecht, Richter des BVerfG (1954– 1965) Karl Heck (1896 – 1997), vgl. Herzog, in: Mauer (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, FS Dürig, 1990, S. 431 (432 f.); i. Ü. st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 11.04. 2018 – 1 BvR 3080/09, NVwZ 2018, 813 (815 Rn. 43) – Stadionverbot, BVerfG, Beschl. v. 12.03. 2019 – 1 BvR

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gewährleistet einen individuellen Grundrechtsschutz, wenn die Staatsgewalt den Bürger in den Grundrechten verletzt.⁹⁷² Die Urteilsverfassungsbeschwerde muss daher zulässig, spezifisches Verfassungsrecht verletzt sein, wenn ein ungerechtfertigter Grundrechtseingriff durch ein Gericht vorliegt. Deshalb sind Bedeutung und Tragweite der Grundrechte im Richterspruch auch dann verkannt, „[…] wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten führt“⁹⁷³. Die weitere Einschränkung der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Kontrolle von Rechtsfehlern durch die Fachgerichte muss sich daher am Inhalt der Grundrechtsprüfung orientieren.⁹⁷⁴ Wann dies der Fall ist, wird in der Literatur zunächst anhand von Fallgruppen konkretisiert:⁹⁷⁵ Die richterliche Entscheidung verletzt demnach spezifisches Verfassungsrecht, wenn sie erstens die grundrechtliche Relevanz überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt hat und die Entscheidung auf der Verkennung des Grundrechtsschutzes beruht,⁹⁷⁶ wenn sie zweitens die Grundrechte des Beschwerdeführers unverhältnismäßig beschränkt,⁹⁷⁷ wenn sie drit-

95/19, Rn. 5, zit. nach juris; teilweise wird vertreten, das Bundesverfassungsgericht habe die Formel in Hinblick auf unterschiedliche Grundrechte weiter verfeinert, vgl. Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017, Rn. 589 ff., nach der hier vertretenen Ansicht wendet das Bundesverfassungsgericht aber vielmehr die jeweilige Grundrechtsdogmatik im Rahmen der Verweisung an.  Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 164; Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 322.  BVerfG, Beschl. v. 04.07. 2000 – 1 BvR 547/99, NJW 2000, 2734; auch BVerfG, Beschl. v. 17.04. 2000 – 1 BvR 721/99, NJW 2000, 3195; BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 23.07. 2001 – 1 BvR 873/00, NJW 2001, 2788 (2789); BVerfG, Beschl. v. 18.02. 2002 – 1 BvR 1644/01, NJW 2002, 3091 (3092); BVerfG, Beschl. v. 20.02. 2002 – 1 BvR 423/99, NJW 2002, 1190 (1191); BVerfG, Beschl. v. 28.07. 2004 – 1 BvR 159/04, NJW 2004, 2656 (2658); Beschl. v. 25.10. 2004 – 1 BvR 1437/02, NJW 2005, 1036 (1037); BVerfGE 110, 226 (270) – Geldwäsche durch Rechtsanwälte; BVerfGE 111, 366 (373) – Steuerberaterwerbung; BVerfG, Beschl. v. 22.10. 2017 – 1 BvR 1822/16, Rn. 23, zit. nach juris.  Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017, Rn. 594 f., deshalb für eine Aufgabe der Formel, ebd. Rn. 599.  Vgl. statt vieler, Detterbeck, AöR 136 (2011), S. 222 (258 ff.).  BVerfGE 30, 173 (197) – Mephisto; BVerfGE 95, 28 (37) – Werkszeitungen; siehe auch BVerfGE 97, 391 (401) – Mißbrauchsbezichtigung; BVerfGE 129, 78 (102) – Anwendungserweiterung.  BVerfGE 111, 366 (373, 380 f.) – Steuerberaterwerbung; BVerfGE 97, 12 (27) – PatentgebührenÜberwachung; BVerfGE 85, 248 (258) – Ärztliches Werbeverbot; BVerfG, Beschl. v. 11.11. 2009 – 1 BvR 2853/08, NJW 2010, 433 (434 Rn. 19); BVerfG; Beschl. v. 30.06. 2009 – 1 BvR 893/09, NJW 2009, 3710 (3711 Rn. 22).

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

tens die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet⁹⁷⁸ und viertens wenn sie schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig und eindeutig unangemessen ist.⁹⁷⁹ Die einzelnen Fallgruppen werden indes nicht einheitlich abgegrenzt und zugeordnet, auch vom Bundesverfassungsgericht nicht in einem einheitlichen Maßstab verstanden.⁹⁸⁰ Die Kriterien sind nicht geeignet, die Prüfungsmaßstäbe trennscharf abzugrenzen.⁹⁸¹ Das legt den Schluss nahe, dass es sich nicht um getrennte Merkmale für eine gegenseitige Abgrenzung handelt, sondern dass sich hinter den Einzelfällen verallgemeinerungsfähige Grundsatzaussagen erkennen lassen.

b. Verallgemeinerung anhand der Kompetenzordnung Damit stellt sich die Frage, wann abstrakt eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerade auf der Nichtbeachtung von Grundrechten beruht. Diese Frage ist mit Blick auf das Verhältnis zwischen den Grundrechten und dem einfachen Recht zu beantworten.⁹⁸² Die Grundrechte, die darin verkörperten elementaren Freiheits- und Gleichheitsrechte, bedürfen für eine wirksame Entfaltung der Regelung durch das Gesetz.⁹⁸³ Die Fortbewegungsfreiheit auf öffentlichen Straßen bedarf der gesetzlichen Festlegung von Verkehrsrecht, das die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs für alle Teilnehmer sichert. Das Eigentumsrecht bedarf der gesetzlichen Regelung, um Besitz, Nutzung, Verwaltung und Verfügung zu ermöglichen.⁹⁸⁴ Gleicher Zugang zu einem knappen Studienplatzangebot ist nur durch ein objektives und an zweckmäßigen Kriterien ausgerichtetes Verfahren möglich,  BVerfGE 96, 375 (397 f.) – Kind als Schaden; BVerfGE 113, 88 (103 f.) – Elternunterhalt; BVerfGE 128, 193 (210) – Dreiteilungsmethode; siehe auch abweichende Meinung des Richters v. Simon, BVerfGE 122, 248 (284 f.) – Rügeverkümmerung; teilweise wird dies als Unterfall der ersten Gruppe aufgefasst, vgl. Detterbeck, AöR 136 (2011), S. 222 (258 f.).  BVerfGE 64, 135 (157) – Gerichtssprache; BVerfGE 70, 93 (97 f.) – Verletzung des Willkürverbots durch Gerichtsentscheidung; BVerfGE 74, 102 (128) – Erziehungsmaßregeln; BVerfGE 112, 93 (108) – Stiftung ’Erinnerung’.  Vgl. dazu Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 316 – 316c.  Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 119; diese Abgrenzung sei die einzig geeignete, führe aber nicht zu verlässlichen, dogmatisch befriedigenden Abgrenzungsergebnissen, Ossenbühl, in: Stödter/Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, 1977, S. 129 (133, 137).  Jestaedt, DVBl 2001, 1309, unter Verweis auf Berkemann, DVBl 1996, 1028 (1030).  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 297.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 297 unter Verweis auf BVerfGE 70, 191 (199) – Fischereibezirke; BVerfGE 97, 350 (370) – Euro; BVerfGE 105, 17 (38) – Sozialpfandbriefe.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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das der Gesetzgeber festlegen muss.⁹⁸⁵ Erst durch die gesetzliche Regelung schafft das Recht die Voraussetzungen, Freiheit und Gleichheit in der rechtlich verfassten Gemeinschaft zu entfalten. Eine Grundrechtsverletzung beruht daher allgemein gerade auf der fehlerhaften Rechtsanwendung, wenn das zugrunde liegende Gesetz Ausdruck einer geschützten Grundrechtsposition ist.⁹⁸⁶ Wenn das Bundesverfassungsgericht also prüft, ob eine Rechtsverletzung eine Verfassungsverletzung darstellt, kommt es darauf an, ob gerade die jeweils fehlerhafte Rechtsanwendung ein durch das Gesetz ausgeformtes Grundrecht beeinträchtigt.⁹⁸⁷ Dann ist spezifisches Verfassungsrecht verletzt, wenn das Gericht sich in der Entscheidung nicht mit den durch das Gesetz ausgeprägten Grundrechten auseinandergesetzt hat⁹⁸⁸ – denn dann hat es in die Ergebnisfindung keine Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen einbezogen –, aber auch dann, wenn das konkrete Abwägungsergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung grundrechtlicher Schutzgüter führt.⁹⁸⁹ Schließlich verletzt die Gerichtsentscheidung auch dann spezifisches Verfassungsrecht, wenn nicht das zur Entscheidung im konkreten Fall berufene Gericht, sondern der Gesetzgeber durch allgemeines Gesetz die Entscheidung hätte treffen müssen.⁹⁹⁰ Entscheidet beispielsweise ein Zivilgericht über die Zulässigkeit eines Stadionverbotes, muss es das Hausrecht des Stadionbetreibers als Ausprägung des Eigentumsgrundrechts mit dem Recht auf Gleichbehandlung eines Besuchers, der ein grundsätzlich jedermann eröffnetes Unterhaltungsangebot erwartet, in Einklang bringen, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt: „Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Eigentümerbefugnissen und Gleichbehandlungsgebot bei der Beurteilung eines auf das privatrechtliche Hausrecht gestützten

 Vgl. BVerfGE 147, 253 (308, Rn. 109) – NC Humanmedizin.  So wegen der „wertsetzenden Bedeutung“ spezifischer Grundrechte, BVerfG, Beschl. v. 04.03. 2014 – 2 BvR 1020/13, Rn 35, zit. nach juris.  So zumindest für die nicht einschränkbaren Grundrechte, weil dort Gesetzesbegriffe unmittelbar verfassungsgeprägt seien, Schuhmann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, 1963, S. 200 f., für sonstige verfassungsunbestimmte, wenn die jeweilige Auslegung des Grundgesetz verletzt, S. 204 f.; darauf stellt im Ergebnis auch Bender, Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung gerichtlicher Entscheidungen, 1989, S. 208, ab; in diese Richtung argumentiert auch Henke, DÖV 1984, 1 (6 ff., 11).  So etwa BVerfGE 30, 173 (197) – Mephisto; BVerfGE 95, 28 (37) – Werkszeitungen.  BVerfGE 111, 366 (373) – Steuerberaterwerbung.  BVerfGE 111, 54 (82) – Rechenschaftsbericht unter Verweis auf das Rechtsstaatsprinzip m. w. N.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Stadionverbots ist in erster Linie Sache der Zivilgerichte. Diese haben hierbei einen weiten Spielraum.“⁹⁹¹

Weiter heißt es dazu: „Entscheidend ist allein, dass den grundrechtlichen Wertungen im Ergebnis hinreichend Rechnung getragen wird.“⁹⁹²

Berücksichtigt das Fachgericht die widerstreitenden Schutzgüter hinreichend, beanstandet das Bundesverfassungsgericht die fachgerichtliche Güterabwägung grundsätzlich nicht.⁹⁹³ Denn selbst wenn das Abwägungsergebnis einfachrechtlich betrachtet falsch wäre, werden die Grundrechte des Betroffenen hierdurch nicht unverhältnismäßig, sondern verhältnismäßig eingeschränkt – weil die seine Interessen wahrenden Schutzgüter durch die Abwägung des Gerichts hinreichend berücksichtigt wurden. Das Auslegungsergebnis bewegt sich innerhalb dessen, was der Gesetzgeber durch einfaches Recht hätte regeln können. Dann verstößt das Auslegungsergebnis zwar gegen einfaches Recht, ist damit sachlich falsch. Es verletzt aber kein „spezifisches Verfassungsrecht“, weil einfaches Recht das Ergebnis so hätte begründen können. Diesen Gedanken beschreibt die sog. „Schumann’sche Formel“: „Eine (angebliche) Fehlinterpretation einfachen Gesetzesrechts ist für das BVerfG irrelevant, wenn der einfache Gesetzgeber bei der Regelung der betreffenden Materie ohne grundrechtliche Beanstandung zu derselben Rechtsfrage wie die (angeblich) unrichtige Auslegung hätte kommen können.“⁹⁹⁴

Diese Verallgemeinerung betrachtet die Abgrenzung zwischen spezifischem Verfassungsrecht und einfachem Recht anhand der Kompetenzverteilung zwischen Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber.⁹⁹⁵ „Wenn der angefochtene Richterspruch eine Rechtsfolge annimmt, die der einfache Gesetzgeber nicht als Norm erlassen dürfte“⁹⁹⁶, weist die Verfassung dem Bundesverfassungsgericht die Entscheidungskompetenz zu, weil es gleichermaßen für die Überprüfung des

 BVerfG, Urt. v. 11.04. 2018 – 1 BvR 3080/09, NVwZ 2018, 813 (816 Rn. 44) – Stadionverbot.  BVerfG, Urt. v. 11.04. 2018 – 1 BvR 3080/09, NVwZ 2018, 813 (816 Rn. 44) – Stadionverbot.  BVerfG, Beschl. v. 07.09. 2010 – 1 BvR 2160/09, Rn 39 zit. nach juris.  Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, 1963, S. 206.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 435.  Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen 1963, S. 207 und 334.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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entsprechenden Gesetzes zuständig wäre. Diese Kompetenzaufteilung findet sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wieder.⁹⁹⁷ Zunächst hatte das Bundesverfassungsgericht in Hinblick auf ein konkretes Auslegungsergebnis entschieden: „Wo die Grenzen einer insoweit noch zulässigen richterlichen Auslegung liegen, insbesondere die Frage, ob jede nach allgemeinen Grundsätzen noch zulässige richterliche Auslegung den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht wird, ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu entscheiden, denn jedenfalls ist der Richter, wenn er zu Einschränkungen der grundsätzlich freien Berufsausübung kommt, an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG auch den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken.“⁹⁹⁸

Die Überzeugungskraft der Argumentation liegt auf der Hand, weil das Gericht genau wie der Gesetzgeber gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist und insofern keinen Eingriff vornehmen darf, der auch dem Gesetzgeber verwehrt wäre. Deshalb liegt allgemein „ein Verfassungsverstoß […] zumindest dann vor, wenn die Auslegung durch die Gerichte zu einem Ergebnis führt, das nicht einmal der Gesetzgeber anordnen könnte“⁹⁹⁹. In einer anderen Entscheidung heißt es noch deutlicher: „Bedeutung und Tragweite der Grundrechte sind insbesondere dann verkannt, wenn ein Fachgericht einer Norm durch ausweitende Auslegung ihres Anwendungsbereichs einen Inhalt gibt, den auch der Gesetzgeber nicht ohne Grundrechtsverstoß hätte hinnehmen dürfen, und die Anwendung der Vorschrift im konkreten Fall auf einer solchen Auslegung beruht.“¹⁰⁰⁰

 BVerfGE 54, 224 (235) – Kassenärztliches Abrechnungsverfahre; BVerfGE 89, 28 (36) – Selbstablehnung eines Richters; vgl. auch BVerfGE 69, 315 (372) – Brokdorf, BVerfGE 81, 29 (31 f.) – Ferienwohnungen; BVerfGE 82, 6 (12, 15 f.) – Nichtehelicher Lebenspartner als Mieter; BVerfGE 115, 320 (367) – Rasterfahndung II; vgl. dazu Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 61, die Schuhmannsche Formel dominiere eindeutig die Praxis; für eine zumindest stillschweigende Übernahme des Gedankens Richter am Bundesverfassungsgericht a. D. Steiner, in: Roth (Hrsg.), Symposium „50 Jahre Schuhmannsche Formel“, 2014, S. 89.  BVerfGE 54, 224 (235) – Kassenärztliches Abrechnungsverfahren.  BVerfGE 89, 28 (36) –Selbstablehnung eines Richters; vgl. auch BVerfGE 69, 315 (372) – Brokdorf, BVerfGE 81, 29 (31 f.) – Ferienwohnungen; BVerfGE 82, 6 (12, 15 f.) – Nichtehelicher Lebenspartner als Mieter.  BVerfGE 115, 320 (367) – Rasterfahndung II.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

Auch wenn die Schumann’sche Formel zunächst als Alternative zum Begriff des spezifischen Verfassungsrechts konzipiert war,¹⁰⁰¹ so erreicht sie ihr Ziel, ein „klares Fundament“ für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bundesverfassungsgericht und Fachgerichten zu bieten,¹⁰⁰² indem sie die Grundsätze zur Bestimmung spezifischen Verfassungsrechts aufgreift und verallgemeinert. Sie wird teilweise mit dem Argument kritisiert, dem Beschwerdeführer keine Prognose über die Zulässigkeitsaussichten seiner Verfassungsbeschwerde zu ermöglichen¹⁰⁰³ oder nicht praktikabel zu sein.¹⁰⁰⁴ Indem die jeweilige Rechtsfrage aus der Perspektive des Gesetzgebers betrachtet wird, lassen sich jedoch die Grundsätze übertragen, die für dessen Gestaltungsraum entwickelt wurden: „Sie [die Gerichte] haben zuvor mit der Bestimmung der konstituierenden Merkmale eines Arbeitsverhältnisses selbst die Maßstäbe gebildet, nach denen sie entschieden haben. Insoweit kann von einer Rechtsanwendung im üblichen Sinne nicht ohne weiteres gesprochen werden. Die Maßstäbe sind eher als Richterrecht anzusehen, nähern sich damit der Sache nach einer rechtssatzmäßigen Regelung und können unter diesem Gesichtspunkt keiner anderen Kontrolle unterliegen als eine solche […]. Der Gesetzgeber, der sie treffen wollte, hätte eine Gestaltungsfreiheit, welche das Ausmaß verfassungsgerichtlicher Kontrolle kaum weniger begrenzen würde als die den Fachgerichten vorbehaltene Auslegung und Anwendung einfachen Rechts.“¹⁰⁰⁵

Zudem ist die Abgrenzung systematisch kohärent, weil sie eine einheitliche Zuständigkeitsaufteilung zwischen Bundesverfassungsgericht einerseits, Gesetzgeber und Rechtsprechung andererseits ermöglicht. Ob ein Auslegungsergebnis den Rahmen dessen überschreitet, was der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsraumes hätte regeln können, kann jeweils anhand der materiellen Grundsätze der betroffenen Grundrechte beantwortet werden. Diese Frage stellt auch nicht zu hohe Anforderungen an das Ausmaß hypothetischer Alternativen durch den Gesetzgeber. Der Umfang hypothetischer Überlegungen, was der Gesetzgeber hätte regeln dürfen, wird begrenzt durch die verfassungsrechtliche Entscheidung, was der Gesetzgeber hätte selbst regeln müssen:

 Schumann, in: Roth (Hrsg.), Symposium „50 Jahre Schuhmannsche Formel“, 2014, S. 66 ff., 69 f.  Schumann, in: Roth (Hrsg.), Symposium „50 Jahre Schuhmannsche Formel“, 2014, S. 67.  Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017, Rn. 601a, zudem habe sie nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich, auf den die vorliegende Untersuchung aber ohnehin beschränkt ist.  Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 56. EL 2019, § 90 Rn. 316a.  BVerfGE 59, 231 (257) – Freie Mitarbeiter.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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„Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ gebunden. Die durch Art. 97 Abs. 1 GG gewährleistete Unabhängigkeit der Richter dient der unparteiischen Gewährleistung der Gesetzesbindung in Streitfällen, gebunden an das Gesetz ist aber auch der Richter selbst. Beide Regelungen konkretisieren zum einen den Gewaltenteilungsgrundsatz und zum anderen das Demokratieprinzip. Mit diesen Vorgaben wäre es unvereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben, also objektiv betrachtet sich der Bindung an Gesetz und Recht entziehen würden (vgl. BVerfGE 87, 272 [280]; 96, 375 [394 f.]; 109, 190 [252] – abw. M.). Im Zusammenwirken zwischen Legislative und Judikative gebührt dem demokratischen, unmittelbar legitimierten Gesetzgeber vielmehr der Vorrang. 2. Der Vorrang des Gesetzes verbietet dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln (vgl. BVerfGE 96, 375 [394 f.]). Auch der unter dem Grundgesetz seit jeher anerkannten Befugnis der Gerichte zur Fortbildung des Rechts (vgl. BVerfGE 111, 54 BVerfGE 122, 248 (283): [81 f.] m.w.N.) sind jedoch ihrerseits Grenzen gezogen. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 14. Juni 2007 festgestellt, dass eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird, unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingreift (vgl. BVerfGE 118, 212 [243]). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, so darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar gewesen wäre (vgl. BVerfGE 82, 6 [12 f.]). Ob der Gesetzgeber eine solche eindeutige Entscheidung getroffen hat, kann nur durch Auslegung nach den anerkannten Methoden ermittelt werden.“¹⁰⁰⁶

Diese Kompetenzaufteilung wird abgesichert durch Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes und die daraus folgenden Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung.¹⁰⁰⁷ Lässt ein bestimmter Regelungsbereich verschiedene gesetzliche Ausgestaltungsmöglichkeiten zu, stehen der Rechtsprechung grundsätzlich auch unterschiedliche Auslegungsalternativen zu. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung fällt dann nicht in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, wenn sich das jeweilige Fachgericht mit Auslegungsalternativen auseinandersetzt und sie willkürfrei verwirft.¹⁰⁰⁸ Schließlich überzeugt diese Bestimmung der Zuständigkeit zwischen Bundesverfassungsgericht und Fachgerichten auch strukturell wegen der verfas-

 Sondervotum der Richter Voßkuhle Osterloh und Di Fabio in BVerfGE 122, 248 (284 f.) – Rügeverkümmerung.  Zur grundsätzlichen Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung vgl. BVerfGE 65, 182 (190) – Sozialplan; BVerfGE 69, 188 (203) – Betriebsaufspaltung; zur Kollision mit den Grundsätzen von Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes BVerfGE 57, 220 (246) – Bethel, dazu Wank, ZGR 1988, 314 ff.; Classen, JZ 2003, 693 ff.  BVerfG, Beschl. v. 01.11. 2010 – 1 BvR 261/10, Rn 15, zit. nach juris.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

sungsrechtlichen Aufgabenparallelität von Gesetzgeber und Fachgerichten. Der Gesetzgeber gestaltet das Recht generell abstrakt in Tatbestand und Rechtsfolge, die Fachgerichte sprechen das Recht in Hinblick auf den konkreten Einzelfall in Tenor und Entscheidungsgründen aus.¹⁰⁰⁹ Beide Staatsgewalten sind elementar für den Grundsatz der Gewaltenteilung. Damit ist es konsequent, den jeweiligen eigenständigen, der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts entzogenen Kompetenzraum nach den gleichen Maßstäben zu bestimmen.

2. Spezifisches Verfassungsrecht und Gleichheitsverstoß Das führt zu der Frage, wann eine Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung spezifisches Verfassungsrecht verletzt und das Bundesverfassungsgericht zur Kontrolle der Entscheidung veranlasst. Diese Frage ist mit Blick auf das Kompetenzverhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht, Gesetzgeber und Fachgerichtsbarkeit einerseits sowie mit Blick auf den Einfluss der eigenständigen Kompetenzbereiche auf den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes andererseits zu beantworten: Der allgemeine Gleichheitssatz verbürgt Rechtsetzungsgleichheit und formuliert ein Gebot zur angemessenen Verallgemeinerung von Tatbestand und Rechtsfolge für den Gesetzgeber.¹⁰¹⁰ Jedes Gesetz muss einen angemessenen Verallgemeinerungsgrad wählen und sachgerecht differenzieren.¹⁰¹¹ Damit ist jedes Gesetz unmittelbar Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes.¹⁰¹² Weil das Gesetz Ausprägung der grundrechtlichen Schutzposition des allgemeinen Gleichheitssatzes ist, würde die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes

 Thomas von Aquin: „sententia judicis est quasi quaedam particularis lex in aliquo particulari facto“ (Der Urteilsspruch eines Richters ist wie ein spezifisches Gesetz, das für den Einzelfall erlassen wurde), Thomas von Aquin, in: Christmann (Hrsg.), Die deutsche Thomas-Ausgabe, Summa theologica, Bd. 18 (II/II), 1953, qu 61 Art. 1; darauf verweisend mit a. A. Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 2, 1972 S. 235: Auch der Richter formuliere für seine Entscheidung allgemeine Regeln, „Die Allgemeinheit liegt in der Normativität des Erwartens: in der Zeitspannen (und damit Fälle) übergreifenden Generalisierung“, auch das begründe gleichermaßen eine Aufgabenparallelität zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 1 ff. und Rn. 244 f.  G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, 196 f., dort insbes. Fn. 541; „Gesetzgeben heißt verallgemeinern“, P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 237; H. Schneider, in: Schneider/Götz (Hrsg.), FS Weber, 1974, S. 15 (22 ff.); H. Hofmann, Das Postulat der Allgemeinheit des Gesetzes, in Starck (Hrsg.), Die Allgemeinheit des Gesetzes, 1987, 9 f.; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 100 Rn. 11; sowie oben III. 2.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Rn. 237 f.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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auch gerade auf der fehlerhaften Rechtsanwendung beruhen und damit grundsätzlich spezifisches Verfassungsrecht verletzen. Der Begriff des spezifischen Verfassungsrechts bedarf daher einer weiteren Einschränkung in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz.¹⁰¹³ Im Ergebnis begründet dann auch eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts allein noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.¹⁰¹⁴ Das Problem wird teilweise dadurch gelöst, dass die Kontrollbefugnis des Bundesverfassungsgerichts für Gleichheitsverstöße durch sachlich falsche Anwendung des einfachen Rechts auf eine Willkürkontrolle zurückgenommen wird.¹⁰¹⁵ Daran wird insbesondere kritisiert, der Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner speziellen Ausprägung als Willkürverbot sei nur vorgeschoben.¹⁰¹⁶ Tatsächlich erweitert die Anwendung der Willkürkontrolle auf Gleichheitsverstöße aber nicht die Kontrollbefugnisse des Bundesverfassungsgerichts, sondern schränkt sie zutreffend ein: Der allgemeine Gleichheitssatz ist grundsätzlich durch jede fehlerhafte Rechtsanwendung verletzt. Dagegen wird angeführt, das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich die Übertragung der Grundsätze einer verhältnismäßigen Gleichheit auf die Kontrolle von Gerichtsentscheidungen und damit einer Erweiterung des Prüfungsumfangs widersprochen:¹⁰¹⁷ „Soweit es in früheren Entscheidungen heißt, willkürlich sei eine Maßnahme, die im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden solle, tatsächlich und eindeutig unangemessen sei (vgl. BVerfGE 80, 48 [51]; 83, 82 [84]; 86, 59 [63]), ist mit dieser Wendung keine weitergehende Prüfung, etwa im Sinne einer Art Angemessenheitsprüfung, gemeint und gewollt. Sicher müssen die Fachgerichte den Belangen der Beteiligten Rechnung tragen und sie in

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Rn. 237 f.; so etwa Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 517.  BVerfGE 67, 90 (Leitsatz) – Fehlerhafte Rechtsanwendung.  Vgl. BVerfGE 58, 163 (167 f.) – Willkürliche Gerichtsentscheidung; BVerfGE 62, 189 (192) – Verletzung des Willkürverbots; BVerfGE 64, 389 (394) – Auslegung von § 53 Abs. 3 Nr. 1a und Nr. 7 WaffG; BVerfGE 80, 48 (52) – Räumungsanspruch des kündigenden Vermieters; aus der aktuelleren Rechtpsrechung vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 12.09. 2013 – 1 BvR 744/13, NJW 2013, 3774 f.; BVerfG, Beschl. v. 28.07. 2014 – 1 BvR 1925/13, NJW 2014, 3147; BVerfG, Beschl. v. 05.10. 2015 – 2 BvR 2503/14, NJW 2016, 1081 f.; BVerfG, Beschl. v. 19.07. 2016 – 2 BvR 470/08, NW 2016, 3153 f., BVerfG, Beschl. v. 01.06. 2015 – 2 BvR 67/15, NZV 2016, 48 f.; BVerfG, Beschl. v. 21.04. 2016 – 2 BvR 273/16, NVwZ 2016, 1242.  Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 300; in diesem Sinne auch Ossenbühl, in: Stödter/Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, 1977, S. 129 (141); vgl. auch Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, S. 313; Kirchberg, NJW 1987, 1988 (1990); vgl. auch Winter, in: Walter (Hrsg.), FS Merz, 1992, S. 611 (624).  Rüfner, in: BK-GG, Bd. 1, 186. EL 2017, Art. 3 Rn. 21 ff.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

einer Weise ernst nehmen, die der rechtlichen und tatsächlichen Situation angemessen ist. Die Grenze zur Willkür ist aber erst überschritten, wenn die Auslegung und die Anwendung einfachen Rechts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr verständlich ist, es sich also um eine krasse Fehlentscheidung handelt.“¹⁰¹⁸

Ausgangspunkt dieser Entscheidung ist jedoch, dass nicht jede fehlerhafte Rechtsanwendung einen Verstoß gegen das Willkürverbot darstellt. Versteht man das Willkürverbot als niedrigste Prüfungsintensität der stufenlos sich verdichtenden Gleichheitsprüfung, fordert der allgemeine Gleichheitssatz auch gegenüber der Rechtsprechung grundsätzliche Beachtung. Die Einschränkung der Kontrollbefugnis bei Gleichheitsverstößen durch die Fachgerichtsbarkeit muss sich daher auch daran messen, ob die konkrete Ungleichbehandlung – wäre sie Gegenstand eines allgemeinen Gesetzes – dem Gesetzgeber gestattet wäre: „Art. 3 Abs. 1 GG ist auch dann verletzt, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt […]. Eine solche Grundrechtsverletzung kann nicht nur vom Gesetzgeber begangen werden. Sie liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen.“¹⁰¹⁹

Hierfür spricht zunächst das Grundanliegen der Schumann’schen Formel, die Grenzen für die eigenständigen Kompetenzräume von Gesetzgeber und Fachgerichten nach einem einheitlichen Maßstab auf dogmatischer Grundlage zu bestimmen. Ob eine Ungleichbehandlung durch fehlerhafte Rechtsanwendung spezifisches Verfassungsrecht verletzt, muss daher nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden, nach denen das Bundesverfassungsgericht bestimmt, ob der Gesetzgeber seinen Gestaltungsraum überschritten hat. Maßstab der verfassungsgerichtlichen Gleichheitskontrolle ist daher die Gestaltungsgleichheit.¹⁰²⁰ Weil dieser Maßstab seine Grundlage in der Kompetenzaufteilung des Grundgesetzes findet, verletzt eine fehlerhafte Rechtsanwendung spezifisches Verfassungsrecht aber auch dann, wenn das konkrete Auslegungsergebnis auf einer Entscheidung beruht, die vom Gesetzgeber hätte angeordnet werden müssen. So ist der Gesetzgeber bei der Wahl eines bestimmten Wahlsystems grundsätzlich

 BVerfGE 89, 1 (13 f.) – Besitzrecht des Mieters; vgl. auch BVerfGE 86, 59 (63) – Willkürliche Auslegung des Zweckentfremdungsverbots.  BVerfGE 99, 129 (139) – DDR-Erbbaurecht.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 441; so auch Wolff, in: Hömig/ Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 5, allerdings ohne Begründung.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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frei.¹⁰²¹ Diese Entscheidung kann aber wegen der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung nur vom Gesetzgeber selbst getroffen werden. Sie ist den Gerichten verwehrt. Denn dann überschreitet das zur Entscheidung im konkreten Fall berufene Gericht seinen verfassungsrechtlichen Kompetenzrahmen.¹⁰²² Eine fehlerhafte Anwendung und Auslegung einfachen Rechts verletzt spezifisches Verfassungsrecht in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz also auch dann, wenn der Gesetzgeber die konkrete Rechtsfolge abstrakt durch Gesetz hätte (selbst) regeln müssen. Andernfalls würde der hier vorgestellte Maßstab zu unvertretbaren Ergebnissen führen: Der Zulässigkeitsmaßstab der Verfassungsbeschwerde wäre enger als der Maßstab der Begründetheit. Eine auf ungleiche Rechtsanwendung gestützte Verfassungsbeschwerde würde spezifisches Verfassungsrecht nicht verletzen, müsste als unzulässig abgewiesen werden, wenn der Gesetzgeber die in der Entscheidung vertretene Auslegung durch Gesetz hätte anordnen können, auch wenn die Verfassungsbeschwerde im konkreten Fall begründet gewesen wäre, weil sie die gesetzgeberischen Vorgaben selbst nicht folgerichtig umsetzt.¹⁰²³ Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde spiegelt den materiellen Gehalt der betroffenen Grundrechte wider. Im Rahmen der einfachgesetzlich ausdifferenzierten Rechtsordnung kommt dieser Klarstellung daher besondere Bedeutung zu. Nahezu jeder Lebensbereich ist durch eine Vielzahl von Gesetzen durchdrungen. Nur dem Gesetzgeber steht es frei, Grundsatzentscheidungen und Regelungssysteme neu zu gestalten.¹⁰²⁴ Nur er kann die einmal getroffene Systementscheidung insgesamt – wenn auch gegebenenfalls mit Übergangsfristen – neu regeln.¹⁰²⁵ Die Rechtsprechung darf sich über derartige Entscheidungen nicht hinwegsetzen.¹⁰²⁶ Sie ist an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und daher zur folgerichtigen und widerspruchsfreien Fortbildung des Gesetzesrechts verpflich-

 BVerfGE 120, 82 (103) – Sperrklausel Kommunalwahlen, mit Verweis auf BVerfGE 6, 104 (111) – Kommunalwahl-Sperrklausel I; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: März 2007, Art. 38 Rn. 158; H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 38 Rn. 158; einschränkend in Bezug auf die Freiheit des Gesetzgebers bezüglich des Mehrheitswahlsystems, H. Meyer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 45 Rn. 35 ff.  BVerfGE 111, 54 (82 f.) – Rechenschaftsbericht.  BVerfG, Urt. v. 31.10. 2016 – 1 BvR 871/13, Rn. 23, zit. nach juris.  BVerfGE 60, 16 (40) – Härteausgleich.  BVerfG, Urt. v. 22.05. 2018 – 1 BvR 1758/12, Rn. 82 ff. – Transferzahlungen Bundesagentur, zitiert nach juris.  BVerfGE 111, 54 (82 f.) – Rechenschaftsbericht; BVerfGE 128, 193 (209 ff.) – Dreiteilungsmethode.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

tet.¹⁰²⁷ In Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet das, dass spezifisches Verfassungsrecht also nicht nur dann verletzt ist, wenn der Gesetzgeber die jeweilige Rechtsfolge durch Gesetz nicht hätte anordnen können, sondern auch dann, wenn er die Rechtsfolge für den konkreten Fall durch allgemeines Gesetz selbst hätte anordnen müssen. Bei der Frage, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist, geht es im Kern darum, dass das Bundesverfassungsgericht den eigenständigen Kompetenzbereich der Rechtsprechung wahrt.¹⁰²⁸ Diese Zielsetzung verläuft parallel zu dem Anliegen, welches das Bundesverfassungsgericht gegenüber Gleichheitsverstößen durch den Gesetzgeber zum Ausdruck bringt: Die verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle geht hier von einer grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers aus, verdichtet ihren Maßstab bereichsspezifisch und beanstandet eine Ungleichbehandlung erst dann, wenn Intensität und Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht mehr durch den die Unterscheidung tragenden Sachzweck gerechtfertigt werden können. Dieses Anliegen gilt auch für Anwendung und Kontrolle der Gesetze durch die Rechtsprechung.¹⁰²⁹ Deshalb heißt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: „Eine Rechtsauslegung, die mit dem Gleichheitssatz noch vereinbar ist, kann nicht deshalb für verfassungswidrig erklärt werden, weil eine andere Auslegung möglicherweise dem Gleichheitssatz besser entspräche.“¹⁰³⁰

Diese zurückgenommene Kontrolle gründet sich nicht nur auf die verfassungsrechtliche Garantie eines eigenständigen Kompetenzbereichs für die Rechtsprechung, sondern sie begrenzt gleichzeitig die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts auf die Kontrolle solcher Auslegungen, die Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruhen.¹⁰³¹ Die Gerichte sind grundsätzlich gebunden an das Ge-

 BVerfG, Beschl. v. 06.11. 2008 – 1 BvR 2360/07, NJW 2009, 499, 500 f.) – Gewerbesteuerpflicht bei Veräußerungsgewinn nach formwechselnder Umwandlung.  Für diesen Kompetenzschutz vgl. BVerfGE 107, 395 (414) – Rechtschutz gegen den Richter.  P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 107, das Willkürverbot ist Ausdruck eines je eigenständigen Kompetenzbereichs von Gesetzgeber und Rechtsprechung, auch wenn die Perspektive nach der jeweiligen Staatsaufgabe unterschiedlich ist – bei der dem Richter vorgegebenen Gleichheit steht die Statusgleichheit am Anfang, die Willkürprüfung am Ende, beim Gesetzgeber steht die Willkürprüfung hingegen am Anfang der Kontrolle, die strenge Gleichheitskontrolle am Ende.  BVerfGE 42, 64 (72) – Zwangsversteigerung I; so bereits BVerfGE 27, 175 (178) – Kosten im isolierten Vorverfahren.  BVerfGE 129, 78 (102) – Anwendungserweiterung.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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setz, verwirklichen die Gleichheit vor dem Gesetz als Statusgleichheit. Der Maßstab ist streng, jede Abweichung stellt einen Gleichheitsverstoß dar. Diesen haben die Fachgerichte jedoch selbst zu korrigieren. Das Bundesverfassungsgericht ist nur zuständig für solche Gleichheitsverstöße, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Gleichheitssatzes beruhen, also solchen Gleichheitsverstößen, die auch dem Gesetzgeber – der grundsätzlich einen weiten Gestaltungsraum hat – versagt wären¹⁰³² oder die der Gesetzgeber aufgrund der Kompetenzzuweisung hätte selbst regeln müssen. Eine Kontrolle ausschließlich am Maßstab der Willkür ist daher nicht ausreichend. Die verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht muss dem Rechnung tragen, gleichzeitig aber auch einen Rahmen vertretbarer Auslegungen vorzeichnen, der im Fall der Willkürkontrolle wohl zu grob wäre. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht einen Gleichheitsverstoß durch die Rechtsprechung beurteilt, trifft es auf einen verfassungsrechtlich verbürgten Kompetenzraum, innerhalb dessen unterschiedliche Ergebnisse bei der Anwendung und Auslegung des Gesetzes möglich sind. Der Maßstab der Gestaltungsgleichheit spiegelt außerdem wider, dass das Problem der Kontrollbefugnis des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem Gesetzgeber parallel zu dem Problem der Kontrollbefugnis gegenüber den Fachgerichten verläuft.¹⁰³³ Sie findet eine Stütze außerdem im Kernanliegen des allgemeinen Gleichheitssatzes, sowohl Rechtsanwendungsgleichheit als auch Rechtsetzungsgleichheit, sowohl Gleichheit vor dem Gesetz als auch durch das Gesetz zu gewährleisten.¹⁰³⁴ Schließlich ermöglicht der Maßstab der Gestaltungsgleichheit, den Begriff des spezifischen Verfassungsrechts in Hinblick auf Gleichheitsverstöße durch fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts auch im Einzelfall angemessen zu bestimmen, weil dieser Maßstab für die jeweilige Kontrolldichte nach Ausmaß und Intensität der Ungleichbehandlung fragt.¹⁰³⁵

 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 107.  Walter, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 93 Rn. 152 und Rn. 108, Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 328.  Statt aller, Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 60; vgl. oben III. 1.  BVerfGE 138, 136 (182 Rn. 179) – Erbschaftsteuer; BVerfG, Urt. v. 10.04. 2018 – 1 BvL 11/14, Rn. 96 – Einheitsbewertung Grundsteuer, zitiert nach juris.

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B. Gleichheit im Kompetenzgefüge der Gewaltenteilung

3. Insbesondere: Strukturelle Besonderheiten im Bereich der Folgerichtigkeit Ein besonderes Problem bei der Bestimmung des Begriffs des spezifischen Verfassungsrechts bei der Kontrolle von Gerichtsentscheidungen am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes ist es, wenn ein Gericht von der vorherrschenden Auslegung einer Norm abweicht. Denn darin liegt grundsätzlich eine Ungleichbehandlung. Damit wäre jede letztinstanzliche Entscheidung, die von der herrschenden Auslegung abweicht, grundsätzlich ein mit besonderer Rechtfertigungslast verbundener Gleichheitsverstoß. Das Bundesverfassungsgericht wäre dann in der Regel dafür zuständig, letztverbindlich zu überprüfen, ob die Abweichung sich auf tragende Gründe von solcher Art und solchem Gewicht stützt, dass sie die Abweichung im Einzelfall rechtfertigt. Andererseits ermöglicht die verfassungsrechtliche Garantie der richterlichen Unabhängigkeit eine solche Abweichung strukturell. Daneben erfordern die sich stetig wandelnden gesellschaftlichen Wertevorstellungen solche Abweichungen, damit das Recht offen und anpassungsfähig bleibt. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Rechtsfortbildung überwacht das Bundesverfassungsgericht auch, ob eine richterliche Entscheidung so sehr die Bahnen der organischen Rechtsfortbildung verlässt, dass die Entscheidung als willkürlich bezeichnet werden müsste.¹⁰³⁶ Das Bundesverfassungsgericht verweist mit der absoluten Grenze des Willkürverbots auf eine folgerichtige Fortbildung des Rechts¹⁰³⁷ und fordert auch von der Rechtsprechung, alle übrigen sachnahen Entscheidungen zumindest im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung zu beachten.¹⁰³⁸ Durch die Kontrolle am Maßstab der Gestaltungsgleichheit lässt sich dabei die notwendige und zulässige Rechtsfortbildung von einer gleichheitswidrigen Auslegung, die gegen Grundsatz- und Systementscheidungen verstößt, abgrenzen.¹⁰³⁹ Im Kern geht es bei der Abweichung von Präjudizen um die Frage einer einheitlichen und konsequenten Anwendung des Rechts. Die Gerichte müssen das Recht in Hinblick auf die herrschenden Rechtsgrundsätze und Systementscheidungen folgerichtig umsetzen und fortbilden. Überträgt man für die Bestimmung des Begriffs des spezifischen Verfassungsrechts den Maßstab der Gestaltungsgleichheit, eröffnet dies mit den dargestellten Grundsätzen einer besonderen Intensität der Ungleichbehandlung bei Verletzung des Gebots der Folgerichtigkeit einen handhabbaren Maßstab, um zu bestimmen, wann das Bundesverfas   

BVerfGE 18, 224 (240) – Pensionszusage, Gesellschafter-Geschäftsführer. BVerfGE 101, 132 (138 Rn. 19) – Heileurythmisten. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 64. P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 86. EL 2019, Art. 3 Abs. 1 Rn. 416.

V. Rechtsprechung und verfassungsgerichtliche Gleichheitskontrolle

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sungsgericht zuständig ist, eine Abweichung von Präjudizen in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz zu kontrollieren. Eine solche Zuständigkeit besteht demnach erst dann, wenn ein dieses Auslegungsergebnis vorschreibendes Gesetz den Rahmen dessen verlassen würde, was der Gesetzgeber im Rahmen einer folgerichtigen Gestaltung der Rechtsordnung hätte festlegen dürfen oder aber hätte selbst festlegen müssen. Eine solche Abweichung liegt demnach nur vor, wenn das Auslegungsergebnis gegen Leitgedanken – Grundsatzwertungen oder Systementscheidungen – des jeweiligen Regelungsbereiches verstößt.

C. Zusammenfassung Die Frage, ob ein Gleichheitsverstoß durch die Rechtsprechung spezifisches Verfassungsrecht verletzt, kann anhand des Maßstabs der Gestaltungsgleichheit wie folgt beantwortet werden: Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Diese Gleichheit bindet gem. Art. 1 Abs. 3 GG alle Staatsorgane, also auch die Gerichte. Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts ist aber Sache der Fachgerichte. Diese haben daher im Wesentlichen selbst für eine dem Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes genügende gleichheitsgerechte Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts Sorge zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht greift nur ein, wenn die Auslegung spezifisches Verfassungsrecht verletzt. Das ist der Fall, wenn das Auslegungsergebnis auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruht. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung lässt eine solche Anschauung erkennen, wenn die darin zum Ausdruck kommende Ungleichbehandlung zu einer Differenzierung führt, die auch dem Gesetzgeber versagt wäre oder die der Gesetzgeber selbst hätte treffen müssen. Der Gesetzgeber hat in Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz grundsätzlich einen weiten Gestaltungsraum. Dieser Gestaltungsraum ist auch der Fachgerichtsbarkeit für die Kontrolle der Rechtsanwendungsgleichheit zuzusprechen. Das Auslegungsergebnis darf nicht zu einer Differenzierung führen, die dem Gesetzgeber versagt wäre. Die fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts durch das zur Entscheidung berufene Fachgericht verletzt den Gleichheitssatz daher erst dann, wenn das Ausmaß der durch das Auslegungsergebnis erzeugten Ungleichbehandlung nicht durch Sachgründe gerechtfertigt werden kann, die dem Ziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.¹⁰⁴⁰ Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung kann in folgenden 15 Thesen zusammengefasst werden: 1. Der Gleichheitssatz achtet die Kompetenz des Gesetzgebers, Recht zu gestalten. Dazu gewährt er dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Ge-

 St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 138, 136 (180 Rn. 121) – Erbschaftsteuer. https://doi.org/10.1515/9783110698220-004

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staltungsraum. Hintergrund und Legitimation dieses Freiraumes ist die Natur des Rechtsetzens. Rechtsetzen heißt Unterscheiden. In Anbetracht des Unterscheidungsauftrages für den Gesetzgeber lässt sich ein Prüfungsmaßstab nicht abstrakt-generell, sondern nur anhand des jeweiligen Einzelfalles gewinnen. Der Gleichheitssatz ist nicht inhaltsleer, sondern offen. Er gewinnt einen konkreten Maßstab für das jeweilige Gleichmaß „bereichsspezifisch“ aus dem Sach- und Regelungsbereich, auf den er angewendet wird. Deshalb bietet der allgemeine Gleichheitssatz einen stufenlosen Prüfungsmaßstab, der von einer strengen, formalen Gleichheit bis zu einer lockeren, nur die willkürliche Ungleichbehandlung beanstandenden Prüfungsintensität reichen kann. Im Rahmen der stufenlos sich verdichtenden Prüfungsintensität ist Ausgangspunkt die Willkürkontrolle, die den Gestaltungsraum des Gesetzgebers achtet. Die Eigenart des jeweiligen Sach- und Regelungsbereiches verlangt jedoch in der Praxis regelmäßig eine strengere Kontrolle, sodass eine nur lockere Willkürkontrolle tatsächlich eher die Ausnahme der Gleichheitsprüfung bildet. Da die Anforderungen für das jeweilige Prüfungsmaß des allgemeinen Gleichheitssatzes aus dem jeweiligen Sachbereich gewonnen werden, muss der Gesetzgeber insbesondere auch die geltenden Gesetze beachten. Auch der Gesetzgeber ist an geltendes Recht gebunden, darf deshalb keine widersprüchlichen Entscheidungen an die Gesetzesadressaten formulieren, sondern muss einmal getroffene Grundentscheidungen für die Dauer ihrer Geltung folgerichtig fortbilden. Hieraus folgt kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip, weil es dem Parlament – insbesondere auch neu gewählten – freisteht, bestehende Systeme neuzugestalten und damit neue Grundsatzentscheidungen zum Ausgangspunkt der folgerichtigen Fortgestaltung zu machen. Gewinnt man den jeweiligen Prüfungsmaßstab für den allgemeinen Gleichheitssatz aus dem Betroffenen Sach- und Regelungsbereich, so folgen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschiedene Fallgruppen, in denen eine strengere Gleichheitsbindung anzunehmen ist. Auch hier ist jedoch eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Die jeweiligen Fallgruppen sind ihrerseits für eine stufenlose Gewichtung der Gleichheitsbindung offen. Die Gleichheitsbindung wird intensiver, je weiter sich die gesetzliche Regelung von der vorgefundenen oder gesetzlich ausgestalteten Realität entfernt, je mehr die Regelung in für den Betroffenen nicht verfügbare Persönlichkeitsbereiche – und nicht in den demokratisch gestaltbaren Regelungsbereich – eingreift, je weiter die Differenzierungskrite-

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rien sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern und je mehr die Regelung von einer bestehenden gesetzlichen Grundsatzentscheidung abweicht. Das Bundesverfassungsgericht stellt dabei eine intensivere Gleichheitsbindung fest, je deutlicher Wirkung und Gewicht der Ungleichbehandlung in den genannten Fallgruppen gesetzlich ausgeprägt sind. Abstrakt betrachtet kann daraus gefolgert werden, dass das Bundesverfassungsgericht mit Hilfe der genannten Fallgruppen überprüft, wie intensiv die Ungleichbehandlung im jeweiligen Fall wiegt. Je intensiver das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist, desto strenger ist der Prüfungsmaßstab. In der Entscheidung zur Erbschaftssteuer hat das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, dass eine steigende Prüfungsintensität auch aus der Intensität der Ungleichbehandlung folgen kann. Diese Erkenntnis stützt die These, dass auch die genannten Fallgruppen dazu dienen, Ausmaß und Intensität der Ungleichbehandlung zu ermitteln. Mit steigender Intensität der Ungleichbehandlung steigen daher die Prüfungsdichte des allgemeinen Gleichheitssatzes und somit die Anforderungen an eine Rechtfertigung der jeweiligen Ungleichbehandlung. Diese Grundsätze entwickeln sich aus der Funktion des Gesetzgebers als Erstinterpreten des verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrages. Verwaltung und Rechtsprechung sind demgegenüber Zweitinterpreten, welche die Gleichheit im Rahmen der bereichsspezifischen, realen Gesetzmäßigkeiten, den vorgefundenen Gesetzen und den Leitgedanken eines folgerichtigen Gesetzgebers durch Rechtsanwendung zu gewährleisten haben. Dabei verstößt eine sachlich falsche Rechtsanwendung stets gegen das Gesetz, ist insoweit ein Gleichheitsverstoß nicht der Gestaltungsgleichheit, sondern der Entsprechungs- und Kontrollgleichheit. Das Bundesverfassungsgericht überprüft jedoch nicht jede Gesetzesverletzung, sondern nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechtes. Das ist nicht schon bei jedem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz durch die Rechtsprechung (also fehlerhafte Gesetzesanwendung) der Fall, sondern vielmehr erst, wenn die im Richterspruch vertretene Gesetzesauslegung als Entscheidung des Gesetzgebers dessen Gestaltungsraum überschreiten würde oder wenn der Gesetzgeber diese Entscheidung folgerichtig durch Neugestaltung eines einfachgesetzlich ausgestalteten Gesamtsystems selbst treffen müsste. Denn dann lässt die Auslegung Fehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes beruhen. Das Auslegungsergebnis ist als hypothetische Gesetzesentscheidung am Maßstab der Gestaltungsgleichheit zu messen. Dabei steigt die Prüfungsintensität mit Ausmaß und Intensität der Ungleichbehandlung.

C. Zusammenfassung

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15. Ist die Ungleichbehandlung durch die Rechtsanwendung nach diesem Maßstab verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, liegt zwar eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor. Diese verletzt jedoch nicht spezifisches Verfassungsrecht. Das Bundesverfassungsgericht ist unzuständig.

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