Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung in industriellen Unternehmungen [1 ed.] 9783428483853, 9783428083855


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German Pages 618 Year 1995

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Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung in industriellen Unternehmungen [1 ed.]
 9783428483853, 9783428083855

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Abhandlungen aus dem Industrieseminar der Universität Mannheim

Heft 44

Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung in industriellen Unternehmungen Von

Ulrich Schwarzmaier

Duncker & Humblot · Berlin

ULRICH

SCHWARZMAIER

Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung in industriellen Unternehmungen

Abhandlungen aus dem Industrieseminar der Universität Mannheim früher unter dem Titel Abhandlungen aus dem Industrieseminar der Universität zu Köln begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. Theodor Beste

Herausgegeben von Prof. Dr. Gert v. Kortzfleisch, Prof. Dr. Heinz Bergner und Prof. Dr. Peter Milling Heft 44

Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung in industriellen Unternehmungen

Von

Ulrich Schwarzmaier

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schwarzmaier, Ulrich: Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung in industriellen Unternehmungen / von Ulrich Schwarzmaier. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Abhandlungen aus dem Industrieseminar der Universität Mannheim ; H. 44) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08385-7 NE: Universität (Mannheim) / Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre der Industrie: Abhandlungen aus dem . . .

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-38IX ISBN 3-428-08385-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ®

Meinen Ehern

Vorwort Die vorliegende Schrift entstand als Dissertation am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Industriebetriebslehre I I der Universität Mannheim. Es ist mir ein besonderes Anliegen, an dieser Stelle meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Heinz Bergner, zu danken. Er hat mir diese Arbeit ermöglicht, in vielfältiger Weise gefördert und wird mir nicht nur in fachlicher, sondern auch in menschlicher Hinsicht immer ein Vorbild sein. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Gert von Kortzfleisch für seine freundliche Unterstützung. Den Kollegen während meiner Lehrstuhlzeit danke ich insbesondere für ihre Freundschaft, Kollegialität und unermüdliche Bereitschaft zu fruchtbaren Diskussionen. Hierzu zählen die Herren Diplom-Kaufleute Dr. Ulrich Brecht, Dr. Thomas Brittinger, Dr. Thomas Hänichen, Dr. Gerhard Kloos, Dr. Ralf Krieger, Dr. Gerhard Moroff und Dr. Michael Schehl. Danken möchte ich auch den Sekretärinnen der beiden Lehrstühle für Industriebetriebslehre, Frau Irmgard Stefani und Frau Gisela Wismann. Für die kritische und unerbittliche Durchsicht des Manuskripts sowie für viele ermutigenden Worte bin ich Herrn Dr. Michael Schehl besonders verbunden. Herrn Heribert Paffrath schulde ich ebenfalls Dank für seine Unterstützung. Z u großem Dank bin ich im übrigen allen Famulanten des Lehrstuhles verpflichtet, deren Arbeit für mich unentbehrlich gewesen ist. Ferner möchte ich mich für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Veröffentlichung beim Geschäftsführer des Verlages Duncker & Humblot, Herrn Professor Simon, und bei der Mitarbeiterin in der Herstellungsabteilung des Verlages, Frau Burmeister, bedanken. Weiterhin danke ich der Firma Carl Freudenberg und dem Land Baden-Württemberg für die finanziellen Zuwendungen während meiner Promotionszeit und bei der Drucklegung. Zum Schluß, aber nicht zuletzt danke ich ganz besonders meinen lieben Eltern, die mich bei meinem Vorhaben stets ermuntert haben, mich immer und in jeder Hinsicht unterstützt und ganz erheblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Mannheim, im März 1995 Ulrich Schwarzmaier

Inhaltsverzeichnis

Α. Einleitung

19

I. Problemstellung

19

II. Gang der Untersuchung

25

B. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung und Produktionssteuerung

28

I. Begriffe zur Produkionsplanung und -Steuerung und ihre Entwicklung von der Arbeitsvorbereitung zum PPS-System

28

1. Die Arbeitsvorbereitung: Rahmen fur die Planung und Steuemng im Produktionsbereich

29

a) Der Begriff der Arbeitsvorbereitung

29

b) Einordnung und Unteiteilungsmöglichkeiten der Arbeitsvorbereitung 2. Die Produktionsplanung und -Steuerung a) Die Produktionsplanung

34 36 37

aa) Die Planung

37

bb) Die Einbindung der Produktion in das Planungswesen

40

b) Die Produktionssteuerung

45

3. Das PPS-System: Mittel zur Erfüllung der Funktionen "Produktionsplanung" und "Produktionssteuerung"

49

a) Die Produktionsplanung und -Steuerung im PPS-System

49

b) Der Systemgedanke im PPS-System

51

II. Geschichte und Entwicklungsstufen der Produktionsplanung und -Steuerung 1. Die Entwicklung der Arbeitsvorbereitung

54 54

a) Die auf Erfahrungen beruhende Arbeitsvorbereitung

56

b) Die technisch-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung

60

c) Die betriebswirtschaftlich-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung

66

2. Die Weiterentwicklung der Arbeitsvorbereitung bis zur Einfuhrung EDVge stützte r PPS-Systeme

71

3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen PPS-Systemen und der traditionellen Arbeitsvorbereitung

79

10

nsvezeichnis

C. Ziele und Funktionen der Produktlonsplanung und -Steuerung I. Ziele der Produktionsplanung und Produktionssteuerung

86 86

1. Produktionswirtschaftliche Ziele als Grundlage zur Ableitung von Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungszielen

87

a) Begriff und Dimension des Zielelements

87

b) Aufbau eines Zielsystems zur Ableitung von produktionswirtschaftlichen Zielen aa) Zielbeziehungen in einem Zielsystem (1) Die horizontale Ebene

89 90 90

(2) Die vertikalen Beziehungen zwischen den Zielebenen

91

bb) Die produktionswirtschaftlichen Ziele und ihre Beziehungen

91

2. Die Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung a) Relevante Einzelziele aa) Formalziele der Produktionsplanung und -Steuerung bb) Konkrete Sachziele der Produktionsplanung und -Steuerung

95 95 96 100

b) Zielbeziehungen zwischen den Zielen der Produktionsplanung und -Steuerung

109

aa) Komplementäre Beziehungen zwischen Formal- und Sachzielen

110

bb) Konkurrierende Beziehungen zwischen den Sachzielen der Produktionsplanung und -Steuerung

112

c) Verschiebung der Zielgewichtung im Zeitablauf.

116

3. Anforderungen an die Wirksamkeit des eingesetzten Verfahrens zur Planung und Steuerung der Produktion

119

II. Notwendige Funktionen zur Erfüllung der Sach- und Formalziele

125

1. Simultane Verfahren der Produktionsplanung und -Steuerung

126

2. Sukzessive Verfahren der Produktionsplanung und -Steuerung (herkömmliche PPS-Systeme)

128

a) Gliederung nach der Fristigkeit

129

b) Gliederung nach Funktionen

131

aa) Die Datenverwaltung

134

bb) Die Produktionsplanungsfunktionen

136

(1) Die Produktionsprogrammplanung

137

(2) Die Mengenplanung

139

(3) Die Termin- und Kapazitätsplanung cc) Die Produktionssteuerungsfunktionen

144 150

( 1 ) Die Auftragsveranlassung

151

(2) Die Auftragsüberwachung

154

III. Erfüllung wichtiger Anforderungen und Ziele durch die herkömmlichen PPS-Systeme

155

nsvezeichnis

1. Schwächen der herkömmlichen PPS-Systeme in bezug auf die Zielerfüllung

155

a) Schwächen durch den sukzessiven Aufbau der Verfahren

156

b) Schwächen durch die Abgeschlossenheit der Systeme

158

aa) Die Abstimmung mit der Konstruktion

158

bb) Die Abstimmung mit der Arbeitsplanung und der Kostenrechnung

159

cc) Die Abstimmung mit der Qualitätssicherung

163

dd) Die Abstimmung mit dem Vertrieb

164

ee) Die Abstimmung mit sonstigen Bereichen des Unternehmens

165

c) Schwächen durch die einseitige Ausrichtung auf die Sachziele

166

d) Schwächen durch den Einsatz von Heuristiken und standardisierten Durchlauf-und Vorlaufzeiten e) Schwächen durch fehlende Steuerungsmechanismen 2. Die Erfüllung wichtiger Anforderungen durch ein PPS-System a) Die Flexibilität der eingesetzten Systeme aa) Die mangelnde Abstimmung auf die Gegebenheiten des Betriebstyps

168 172 174 174 174

bb) Die mangelnde Einbeziehung von Umweltveränderungen

176

cc) Mangelnde Flexibilität bei Eilaufträgen

176

dd) Mangelnde Flexibilität bei Störungen

177

b) Die Motivation der Belegschaft

177

c) Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und Übersichtlichkeit

179

D. Kritischer Vergleich der neueren Konzepte der Produktionsplanung und -Steuerung mit herkömmlichen PPS-Systemen

181

I. Die Neuheit eines Verfahrens

181

II. Einteilung der neueren Verfahren

185

1. Einteilungen im Schrifttum

185

2. Die Einteilung der neueren Verfahren in der vorliegenden Untersuchung

187

III. Die ganzheitlichen Ansätze zur Verbesserung der herkömmlichen PPS-Systeme 1. Verfahren nach dem Bring-Prinzip a) Das MRP II-Konzept aa) Grundlagen des MRP II-Konzeptes (1) Die Ebenen von MRP II (2) Die Abstimmung der Ebenen bb) Kritik am MRP II-Verfahren cc) Die grundlegenden Neuerungen von MRP I I aus konzeptioneller Sicht b) Konzepte zur hierarchischen Produktionsplanung aa) Grundmuster der Modelle bb) Kritik und Neuheitsgrad c) Das OPT-Verfahren

191 191 193 194 198 200 205 211 212 213 215 218

12

nsvezeichnis

aa) Entstehung und Ziele

218

bb) Die Grundregeln

220

cc) Der Planungsablauf.

225

(1) Unregelmäßig, in größeren Abständen durchzuführende Tätigkeiten (2) Die regelmäßige Planung und Steuerung

225 230

dd) Kritik am OPT-Verfahren

235

(1) Die Zielerfüllung

235

(2) Beurteilung hinsichtlich des Planungsumfangs und der Verwendung standardisierter Daten (3) Die Erfüllung der Anfordeiungen an OPT ee) Die grundlegenden Neuerungen von OPT aus konzeptioneller Sicht d) Die engpaßorientierte Disposition aa) Der Ablauf der engpaßorientierten Disposition (1) Die engpaßorientierte Materialdisposition (2) Die engpaßorientierte Kapazitätsdisposition bb) Kritik an der engpaßorientierten Disposition

238 239 242 250 251 252 256 258

cc) Die grundlegenden Neuerungen der engpaßorientierten Disposition aus konzeptioneller Sicht 2. A u f dem Hol-Prinzip aufbauende Verfahren a) Die Just-in-time-Politik aa) Der Just-in-time-Begriff.

262 267 268 268

bb) Ziele der Just-in-time-Politik

274

cc) Die Idee und Weiterentwicklung der Just-in-time-Politik

276

dd) Die schlanke Produktion als die dem Just-in-time übergeordnete Ebene

286

(1) Die Produktentwicklung

288

(2) Der Beschaflungsbereich

290

(3) Die Produktion

292

(4) Der Verwaltungs- und Vertriebsbereich

297

ee) Geographische, soziale und kulturelle Besonderheiten in Japan

298

fï) Kritik an der schlanken Produktion

302

gg) Die grundlegenden Neuerungen der schlanken Produktion aus konzeptioneller Sicht

308

b) Die Umsetzung der Just-in-time-Politik auf innerbetriebliche Bereiche mittels neuerer Verfahren zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung

310

aa) Das Hol-Prinzip

310

bb) Das KANBAN-Verfahren

315

(1) Die KANBAN-Idee und die Ziele bei Einsatz des KANBAN-Verfahrens

316

(2) Grundlagen des KANBAN-Verfahrens

318

(a) Das Regelkreissystem zur dezentralen Steuerung

320

(b) Die KANBAN-Karte als Informationsträger und Optimierungsgröße

324

(c) Die Größe und Anzahl der Behälter

326

(3) Die Elektronische Datenverarbeitung in KANBAN-Systemen

328

(4) Voraussetzungen für den KANBAN-Einsatz

330

nsvezeichnis

(5) Anwendungsbereiche des KANBAN-Systems

334

(6) Kritik am KANBAN-Verfahren

339

(a) Beurteilung hinsichtlich der Ziele

340

(aa) Die Formalziele

340

(bb) Die Sachziele

345

(b) Das "Durchlaufzeit-Syndom" im KANBAN-Verfahren

351

(c) Beurteilung hinsichtlich der Komplexität und Flexibilität

353

(d) Beurteilung hinsichtlich der Motivation und der Qualifikation des Personals (e) Abschließende Beurteilung hinsichtlich der Rationalisierungseffekte....

354 356

(7) Die grundlegenden Neuerungen von K A N B A N aus konzeptioneller Sicht cc) Das Fortschrittszahlenkonzept

357 367

(1) Idee und Ziele des Fortschrittszahlenkonzepts

368

(2) Grundlagen des Fortschrittszahlenkonzepts

370

(a) Die Festlegung der Kontrollblöcke

370

(b) Arten und Funktionen der Fortschrittszahlen

372

(c) Wiederkehrende Planungsaufgaben

377

(d) Die Steuerung der Produktion

379

(3) Das Hol-Prinzip im Fortschrittszahlenkonzept

381

(4) Die Steuerung von Fertigungslinien bei Einsatz des Fortschrittszahlenkonzepts (5) Kritik am Fortschrittszahlenkonzept

383 383

(a) Die Sach- und Formalzielerfüllung

384

(b) Die mitarbeiterbezogenen Effekte

387

(c) Bewertung hinsichtlich der Flexibilität der Produktion

388

(d) Bewertung hinsichtlich der Komplexität des Konzepts

389

(e) Bewertung hinsichtlich der praktischen Ein Satzmöglichkeiten

390

(f) Der Abstimmungsgedanke

391

(6) Die grundlegenden Neuerungen des Fortschrittszahlenkonzepts aus konzeptioneller Sicht c) Die Umsetzung der Just-in-time-Politik auf überbetriebliche Problemkreise aa) Charakteristika von überbetrieblichen Just-in-time-Lieferbeziehungen (1) Die Rahmenverträge

392 395 396 396

(2) Auswahl der Lieferanten

403

(3) Die Organisation des Transports

405

(4) Die Organisation des Abrufs

407

(5) Der Einsatz von Just-in-time-Lägern

410

bb) Einsatzmöglichkeiten der neueren Verfahren zur innerbetrieblichen Produktionsplanung und -Steuerung fur überbetriebliche Fragestellungen

413

(1) K A N B A N auf überbetrieblicher Ebene

413

(2) Das Fortschrittszahlenkonzept auf überbetrieblicher Ebene

415

14

nsvezeichnis

cc) Erfolgsfaktoren und Probleme von Just-in-time auf überbetrieblicher Ebene

416

IV. Ansätze zur Verbesserung von Teilfunktionen der herkömmlichen PPS-Systeme 1. Die belastungsorientierte Auftragsfreigabe

420 421

a) Entwicklung, Idee und Zielschwerpunkte des Verfahrens

421

b) Darstellung der belastungsorientierten Auftragsfreigabe

423

aa) Zusammenhänge zwischen Leistung, Bestand und Durchlaufzeit bb) Der Verfahrensaufbau (1) Die Termin- und Belastungsschranke

424 429 430

(2) Die statische Betrachtung der Auftragsfreigabe

432

(3) Schritte des Verfahrens in einer Periode

435

(a) Die Terminierung

436

(b) Die Abwertung

437

(c) Die Belastungsprüfung und die Auftragsfreigabe

438

c) Kritik an der belastungsorientierten Auftragsfreigabe

439

aa) Die Bewertung hinsichtlich der Zielerfullung

439

bb) Die Wahl der Schranken, die Abwertungsproblematik und die Problematik des Durchlaufzeitsyndroms

444

cc) Die Integration der belastungsorientierten Auftragsfreigabe in ein herkömmliches PPS-System

447

dd) Die Bewertung hinsichtlich der Flexibilität bei Eilaufträgen und der Flexibilität des Einsatzspektrums ee) Die Bewertung hinsichtlich der Anforderungen an ein PPS-System

448 450

d) Die grundlegenden Neuerungen der belastungsorientierten Auftragsfreigabe aus konzeptioneller Sicht 2. Die retrograde Terminierung

453 457

a) Ansatzpunkt des Verfahrens

458

b) Der Verfahrensaufbau

459

c) Kritik an der retrograden Terminierung

462

d) Die grundlegenden Neuerungen der retrograden Terminierung aus konzeptioneller Sicht 3. Die Input- / Output-Control

466 470

a) Ansatzpunkte des Verfahrens

470

b) Der Verfahrensaufbau

471

c) Die Erweiterung des Verfahrens zu einem kostenorientierten Input- / Output-Control nach Missbauer und Zäpfel

472

aa) Die kostenorientierte Input- / Output-Control bei von der Mengenplanung unabhängiger Kapazitätsbelegung

473

bb) Die kostenorientierte Input- / Output-Control bei gemeinsamer Mengenplanung und Kapazitätsbelegung d) Kritik und Neuheit des Input- / Output-Control aa) Kritik und Neuheit des einfachen Input- / Output-Control

475 477 478

nsvezeichnis

bb) Kritik und Neuheit des kostenorientierten Input- / Output-Control 4. Die bestandsgeregelte Durchflußsteuerung

479 483

a) Anstoß und verfolgte Ziele

483

b) Der Verfahrensaufbau

485

c) Kritik an der bestandsgeregelten Durchflußsteuerung

487

d) Die Neuheit der bestandsgeregelten Durchflußsteuerung

490

5. Die kapazitätsorientierte Materialwirtschaft

491

a) Anknüpfungspunkte der kapazitätsorientierten Materialwirtschaft

491

b) Der Verfahrensaufbau der kapazitätsorientierten Materialwirtschaft

493

c) Kritik an der kapazitätsorientierten Materialwirtschaft

495

d) Die Neuheit der kapazitätsorientierten Matrialwirtschaft

497

6. Die Planung mit verdichteten Daten

497

a) Grundlagen

498

b) Kritik und Neuheitsgrad

499

7. Die Expertensysteme a) Charakteristika der Expertensysteme

501 501

b) Einsatzgebiete von Experte η systeme η

505

c) Expertensysteme in der Produktionsplanung und -Steuerung

506

aa) Das ISIS-Expertensystem und deren Weiterentwicklung

508

bb) Das PEPS-Expertensystem

511

cc) Das SOJA-Expertensystem

512

d) Kritik an den Expertensystemen

513

e) Die Neuheit der Expertensysteme

517

V. Ergebnisse der Neuheitsprüfung der Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung

518

E. Typologische Aspekte bei der Auswahl eines Verfahrens zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung I. Der typologische Ansatz

520 521

1. Die Bedeutung der typologischen Methode

521

2. Grundlagen der typologischen Methode

522

II. Einteilung von Industriebetrieben in Typen

523

1. Die Organisationstypen der Fertigung

525

2. Die Leistungswiederholungstypen

528

III. Anforderungen der Typen an die Produktionsplanung und -Steuerung

531

1. Anforderungen der Organisationstypen der Fertigung an die Produktionsplanung und -Steuerung

532

a) Anforderungen bei einer Werkstattfertigung

532

b) Anforderungen bei einer Fließfertigung

534

16

nsvezeichnis

c) Anforderungen bei einer Baustellenfertigung

536

2. Anforderungen der Leistungswiederholungstypen an die Produktionsplanung und -Steuerung

537

a) Anforderungen bei einer Einmalfertigung

538

b) Anforderungen bei einer Einzel- und Kleinserienfertigung

540

c) Anforderungen bei einer Großserienfertigung

541

d) Anforderungen bei einer Massenfertigung

542

IV. Bildung von Verbundtypen

544

V. Die Eignung der Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung für bestimmte Industriebetriebstypen

545

1. Die Eignung der Gesamtansätze nach dem Bring-Prinzip fur bestimmte Industriebetriebstypen

546

a) Die Eignung des herkömmlichen MRP-Systems, des MRP Ii-Systems und der hierarchischen Produktionsplanung

546

b) Die Eignung von OPT

549

c) Die Eignung der engpaßorientierten Disposition

551

2. Die Eignung der Verfahren nach dem Hol-Prinzip fur bestimmte Industriebetriebstypen

553

a) Die Eignung des KANBAN-Verfahrens

553

b) Die Eignung des Fortschrittszahlenkonzepts

555

3. Die Eignung der Teilansätze fur bestimmte Industriebetriebstypen

557

a) Die Eignung der belastungsorientierten Auftragsfreigabe

558

b) Die Eignung der bestandsgeregelten Durchflußsteuerung

560

c) Die Eignung der retrograden Terminierung

561

d) Die Eignung der Expertensysteme

561

e) Die Eignung der sonstigen Verfahren

562

4. Die Eignung der Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung im Überblick

564

F. Schlußbemerkung

567

Literaturverzeichnis

569

Abbildungsverzeichnis

Abbildung Β. 1 : Einteilung der betriebswirtschaftlichen Arbeitsvorbereitung

35

Abbildung B.2: Planungsebenen und Zeithorizonte (synoptische Zusammenfassung aus dem Schrifttum)

44

Abbildung B.3: Funktionen der Arbeitsvorbereitung nach dem AWF

64

Abbildung B.4: Entwicklungsstufen der MRP- Systeme

76

Abbildung B.5: Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Arbeitsvorbereitung und PPS-System

84

Abbildung C. 1 : Anforderungen an die Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssysteme

124

Abbildung C.2: Gliederung der Produktionsplanung und -Steuerung nach der Fristigkeit

130

Abbildung C.3 : Die Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung

133

Abbildung C.4: Gegenüberstellung von Kapazitätsangebot und -nachfrage

147

Abbildung C.5: Möglichkeiten der Kapazitätsanpassung und des Kapazitätsabgleichs bei Überlastung der Arbeitsstation Abbildung C.6: Das Durchlaufzeit-Syndrom

148 170

Abbildung D. 1 : Die Einteilung der neueren Verfahren

189

Abbildung D.2: Modell eines Closed Loop MRP Ii-Systems

196

Abbildung D.3: Ebenen von MRP I I in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht Abbildung D.4: Die neun Regeln der OPT-Politik

197 221

Abbildung D.5: Das OPT-Netzwerk mit der Unterteilung in kritischen und unkritischen Bereich

223

Abbildung D.6: Bestandteile von OPT

227

Abbildung D.7: Zugelassene Puffer im OPT-Netzwerk

234

Abbildung D.8: Einzelmaßnahmen der schlanken Produktion

299

Abbildung D.9: Gegenüberstellung der einzelnen Informationsströme nach Bringund nach Hol-Prinzipien Abbildung D.10: Das KANBAN-Regelkreissystem

312 322

Abbildung D. 11 : Die ABC- und RSU-Analyse als Hilfsmittel zur Auswahl K A N B A N geeigneter Produkte

337

Abbildung D.12: Unterschiede zwischen dem herkömmlichen und dem K A N B A N Ansatz hinsichtlich der Funktionsgruppen Abbildung D.13: Zählpunkte eines Kontrollblocks

2 Schwarzmaier

364 371

18

Abbildungsveizeichnis

Abbildung D.14: Soll- und Ist-Fortschrittszahlen

374

Abbildung D.15: Informationsbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Fortschrittszahlen

376

Abbildung D.16: Montageplan zur Errechnung von Bestand, Reichweite und Rückstand der Produktion

380

Abbildung D.17: Vergleich der herkömmlichen Vorgehensweise mit dem Fortschrittszahlenkonzept hinsichtlich der Funktionsgruppen

394

Abbildung D.18: Vor- und Nachteile für Zulieferer und Abnehmer durch Rahmenlieferungsverträge in überbetrieblichen Just-in-time-Lieferbeziehungen

402

Abbildung D. 19: Kriterien der Lieferantenauswahl

406

Abbildung D.20: Das Trichtermodell

425

Abbildung D.21 : Herleitung der Trichterformel im Diagramm

428

Abbildung D.22: Zusammenhang zwischen Durchlaufeeit und Leistung in Abhängigkeit vom Bestand

429

Abbildung D.23: Durchlaufmodell und Belastungskonto

433

Abbildung D.24: Verfahrensschritte bei der belastungsorientierten Auftragsfreigabe

435

Abbildung D.25: Input- / Output-Plan

471

Abbildung D.26: Komponenten von Expertensystemen

504

Abbildung Ε. 1 :

Organisationstypen der Fertigung

Abbildung E.2:

Die Leistungswiederholungstypen

Abbildung E.3:

Die Bedeutung der Funktionsgruppe in Abhängigkeit vom Leistungswiederholungstyp und dem Organisationstyp der Fertigung

Abbildung E.4:

527 529 544

Die Eignung der Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung für bestimmte Industriebetriebstypen

566

Α. Einleitung

I. Problemstellung Die Industriebetriebslehre, als Teildisziplin der institutionellen Betriebswirtschaftslehre, hat die Aufgabe, Gesetzmäßigkeiten im Wirtschaftszweig der Industrie aufzufinden. 1 Nach dem funktionalen Kriterium kann die Industriebetriebslehre in die betrieblichen Funktionen Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung und Rechnungswesen untergliedert werden. Da "der Sinn aller betrieblichen Betätigung ... darin (liegt; Anm.d.V.), Güter materieller (und immaterieller; Anm.d.V.) Art zu produzieren" 2 kommt der Produktion in der Industriebetriebslehre eine wesentliche Bedeutung zu. Der Produktionsbegriff läßt sich mittels zwei zentraler Kriterien, der Aufgabenstellung und der hierzu notwendigen Vorgehensweise, näher charakterisieren. Die Aufgabe der Produktion besteht in der wirtschaftlichen Wertschöpfung, 3 die es durch die Kombination von Produktionsfaktoren zum Zweck der Leistungserstellung zu erreichen gilt. 4 Die Produktionsfaktoren werden in die dispositiven Faktoren und die Elementarfaktoren wie die menschliche Arbeitskraft, die Betriebsmittel und Werkstoffe unterschieden. Der dispositive Faktor gliedert sich in die Bereiche Planung und Lenkung der betrieblichen Abläufe sowie in den der Betriebsorganisation auf. 5 Im Mittelpunkt der Betriebsorganisation stehen neben aufbauorganisatorischen Problemen, wie zum Beispiel Aspekte der Standortwahl und der Aufbau der Produktionsbereitschaft, 6 insbesondere ablauforganisatorische Entschei1

Vgl. Heinen, E.: Industriebetriebslehre als Entscheidungslehre, in: Heinen, E. (Hrsg.):

Industriebetriebslehre, Entscheidungen im Industriebetrieb, 7., neubearb. u. erw. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 8. 2

Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, Die Produktion, 18. neu Überarb. Aufl., Berlin / Heidelberg / New York 1971, S. 1. 3 Vgl. Hax, K.: Der Industriebetrieb, in: Beckerath, E. von u.a. (Hrsg.): Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. V, Stuttgart 1956, Sp. 243. 4 5

Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 8. Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 8.

6 Vgl. Jacob, H.: Industriebetriebslehre, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 759. Beste spricht vom Bau und dem Leben eines Betriebes. Vgl. Beste, Th.: Fertigungs-

20

Α . Einleitung

dungsprozesse, mit Fragen der Materialwirtschaft sowie der Produktionsplanung und -Steuerung im Industriebetrieb. 7 Der Produktionsplanung und -Steuerung, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, obliegt es, mit Hilfe von Verfahren Arbeitsabläufe, Termine, Materialbestellungen, Maschinen- und Arbeitsplatzauslastungen abzustimmen. In den Industrieunternehmen haben sich zur Lösung dieser Aufgaben weitgehend automatisierte Verfahren durchgesetzt. 8 Das Ergebnis dieser automatisierten Lösungsansätze sind die sukzessiven Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssysteme, kurz PPS-Systeme genannt. In neuerer Zeit sind die PPS-Systeme, die seit circa 25 Jahren im Einsatz sind und als herkömmliche oder traditionelle Verfahren bezeichnet werden, 9 wachsender Kritik ausgesetzt. Nach Wiendahl "zeigt sich .., daß der Erfolg der oft aufwendigen rechnergestützten Fertigungssteuerungssysteme in vielen Fällen unbefriedigend bleibt". 10 Ausgangspunkt der Kritik ist die These, daß die PPS-Systeme den Anforderungen nicht mehr gewachsen sind, deren Ursache in veränderten Zielgewichtungen gesehen wird. Wiendahl führt hierzu an, daß "kurze Durchlaufzeiten, hohe Termintreue und geringe Bestände ... als Marktziele im Vordergrund (stehen, Anm.d.V.), während das früher sehr hoch bewertete Betriebsziel Auslastung demgegenüber etwas in den Hintergrund getreten ist". 1 1 Als zusätzliche Zielgrößen sollten der Lieferservice und die Flexibilität der Fertigung Beachtung finden. Untersuchungen haben indessen gezeigt, daß die traditionellen Fertigungssteuerungsverfahren die Ziele, trotz der zunehmenden Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung im Bereich der Produktionsplanung und -Steuerung, weder permanent zu messen noch gezielt zu beein-

wirtschaft und Beschaffungswesen, in: Hax, K. / Wessels, Th. (Hrsg.): H d W , Bd. 1, Betriebswirtschaft, 2., überarb. und erw. Aufl., Köln / Opladen 1966, S. 118. 7 Brecht, U.: Die Materialwirtschaft industrieller Unternehmungen, Kennzeichnung ihrer Aufgaben, Ziele und Rahmenbedingungen, Diss., Berlin 1993. Siehe hierzu Grochla, E.: Z u m Wesen der Automation, in: ZfB, 34. Jg. 1964, S. 665 und Grochla, E. / Szyperslä, N. / Seibt, D.: Ausbildung und Fortbildung in der Automatisierten Datenverarbeitung - Eine Gesamtkonzeption, München / Wien 1970, S. 15. 9

Vgl. Zäpfel, G. / Missbauer, H.: Traditionelle Systeme der Produktionsplanung und -Steuerung in der Fertigungsindustrie, in: WiSt, 17. Jg. 1988, S. 73. 10 Wiendahl , H.P.: Stand und Entwicklungstendenzen der Verfahren zur Fertigungssteuerung, in: Deutsche Gesellschaft für Operations Research (Hrsg.): Operations Research Proceedings, Berlin / Heidelberg / New York 1984, S. 137. 11

Wiendahl , H.P.: Ein Modell für die CIM-gerechte Fertigungssteuerung, in: C I M Management, 3. Jg. 1987, H. 2, S. 77.

21

I. Problemstellung 1Λ

Aussen in der Lage sind. Auch Glasers Kritik zielt in diese Richtung. Seiner Meinung nach können, "wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, .. computergestützte PPS-Systeme in ihrer jetzigen ... Konzeption die vielfach hochgesteckten Erwartungen, insbes. hinsichtlich der Erreichung angestrebter Zielsetzungen wie Minimierung der Durchlaufzeiten ..., Maximierung der Kapazitätsauslastung und Sicherstellung einer hohen Liefertreue und -bereitstellung nicht oder nur unvollständig erfüllen". 13 Neben den Zielverschiebungen sind auch die Abläufe in der Fertigung weitreichenden Umgestaltungen unterworfen. Die Produktionsabläufe zeichnen sich durch zahlreiche Prozeßinnovationen, Erzeugnisvielfalt und kürzere Produktlebenszyklen aus. 14 Hieraus resultieren häufige Erzeugniswechsel mit der Folge hoher Sortenwechselkosten und geringerer Produktivität. U m nicht an Konkurrenzfähigkeit zu verlieren, produzieren moderne Industrieunternehmen deshalb zunehmend mit computergesteuerten Fertigungssystemen. M i t Hilfe der Automatisierung der Fertigung und integrierter Fertigungskonzepte sollen insbesondere die Sortenwechselkosten gesenkt und die Qualität der Produkte gesichert werden. 15 Die Ursachen für veränderte Produktionsabläufe und Zielgewichtungen sind nach Wildemann darin zu sehen, daß "Marktveränderungen .. die Unternehmen (zwingen; Anm.d.V.), die internen Abläufe und Planungsmethoden den sich ändernden Bedingungen anzupassen".16 Begründet werden die Veränderungen und die daraus resultierenden unsicheren Perspektiven mit der verschärften Wettbewerbssituation auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten, die zum einen aus einem Wandel vom Verkäufer- zum Käufer17

markt, zum anderen von einer Ausweitung der Märkte herrühren. Politisch-administrative Entscheidungen wie die Schaffung des EU-Binnenmarktes, insbesondere die Harmonisierung der Wirtschaftsbedingungen und 12

Vgl. Wiendahl , H.P.: Grundlagen neuer Verfahren der Fertigungssteuerung, in: I F A (Hrsg.): Fachseminar Statistisch orientierte Fertigungssteuerung, Grundlagen, Systeme, A n wendungserfahrungen, Hannover 1984, S. 1. 13 Glaser, H.: PPS-System, Programmkomplexe, in: Sellien, R. / Sellien, H. (Hrsg.): Gabler Wirtschafts-Lexikon, Bd. 4,12., vollst, neu bearb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 1988, S. 956. 14

Vgl. Kurrle,

S.: Integration von Informations- und Produktionstechnologien im Indu-

striebetrieb, Diss., Pfaffenweiler 1988, S. 1. 15 Vgl. Kaluza, B.: Flexibilität der Produktionsvorbereitung industrieller Unternehmen, in: von Kortzfleisch, G. / Kaluza, B. (Hrsg.): Internationale und nationale Problemfelder der Betriebswirtschaftslehre, Festschrift für Heinz Bergner zum 60. Geburtstag, Berlin 1984, 287 f. 16 Wildemann, H.: Produktionssteuerung nach KANBAN-Prinzipien, in: Adam, D. (Hrsg.): Fertigungssteuerung II, Systeme zur Fertigungssteuerung, Wiesbaden 1988, S. 34. Vgl. Nieschlag, R. / Dichtl, E. / Hörschgen, H.: Marketing, 15., Überarb. und erw. Aufl., Berlin 1988, S. 5 / 8 / 628 f.

22

Α . Einleitung

der Abbau von Zollschranken, induzieren eine Expansion der Märkte über nationale Grenzen hinweg. Verbesserungen der Infrastruktur sowie E D V gestützte Informations- und Kommunikationssysteme, wie beispielsweise Electronic Mail, Telekonferenzen, externe Datenbanken, Teletext, Telex, Telefax und Bildschirmtext, vergrößern die regionalen Märkte. 1 8 Darüber hinaus zeichnen sich sowohl Marktsättigungstendenzen als auch Marktkonzentrationen ab. 1 9 Die neuen Wirtschaftsbedingungen verstärken die Konkurrenz auf den Märkten und zwingen industrielle Unternehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit ständig zu verbessern. Unter dem Aspekt der Kundenakquisition führt insbesondere der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt zu einer Konkurrenzsituation, bei der sich nicht nur Preisvorteile, sondern auch Leistungen wie Qualität, Zuverlässigkeit, Termintreue, Service und Betreuung der Kunden als wettbewerbsentscheidend erweisen. 20 Konkurrenzfähige Preis- und Kundenpolitik setzt rationelles Wirtschaften voraus. U m dies zu erreichen, sind die produktionswirtschaftlichen Ziele und Abläufe zu untersuchen. Im Zusammenhang mit der Kritik an den traditionellen Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsverfahren wird angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbs für alle Produktionsunternehmen auf einen Bedeutungsanstieg der Produktionsplanung und -Steuerung verwiesen. 21 Ein Bedeutungszuwachs der Produktionsplanung und -Steuerung ist bei Betrachtung der Rationalisierungsschwerpunkte innerhalb der Produktion erkennbar. Es liegt im Interesse der Industriebetriebe, Rationalisierungsreserven in allen Bereichen auszuschöpfen. Rationalisierung als vernünftiges Gestalten von Prozessen zur Steigerung der Ergiebigkeit unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsprinzips mit seiner Minimal- und seiner Maximalauslegung, 22 kann sich zum einen auf das Produkt, zum ande18

Z u den Kommunikationsverbesserungen vgl. Ziemer, A . / Esselborn, U.: Bürokommunikation: Wege zur Rationalisierung und Effizienz, Heidelberg 1988, S. 22 f. und S. 39-88; KlingenbergH. / Kränzle , H.P.: Kommunikationstechnik und Nutzerverhalten - Die Wahl zwischen Kommunikationsmitteln in Organisationen, München 1983, S. 38 f. und Krallmann, H.: Büroinformations- und Kommunikationssysteme (Bikos), in: Kurbel, K. / Strunz, H. (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftsinformatik, Stuttgart 1990, S. 552 f. 19 Vgl. Kaluza, Flexibilität, S. 287. 20 Diese Tendenzen zeigen sich anhand einer von Schehl durchgeführten Untersuchung über die Einflußfaktoren auf den Absatzmärkten. Vgl. Schehl, M.: Die Kostenrechnung der Industrieunternehmen vor dem Hintergrund unternehmensexterner und -interner Strukturwandlungen - Eine theoretische und empirische Untersuchung, Berlin 1994, S. 70 f. 21 Vgl. Wiendahl, Modell, S. 77. 22 Vgl. Beste, Th.: Rationalisierung durch Vereinheitlichung, in: ZfhF (neue Folge), 8. Jg. 1956, S. 301; o.V.: Rationalisierung, in: Sellien, R. / Sellien, H. (Hrsg.): Gabler WirtschaftsLexikon, Bd. 2,12., vollst, neu bearb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 1988, Sp. 1148 f.; vgl. auch Son-

I. Problemstellung

23

ren auf den Produktionsprozeß erstrecken. 23 Die Rationalisierung des Produktionsprozesses läßt sich grundsätzlich auf zwei Wege erreichen: Einerseits durch Veränderung der Produktionstechnik mittels Investitionen andererseits durch Rationalisierung der Produktionsorganisation, indem mit Hilfe der Produktionsplanung und -Steuerung Schwachstellen aufgefunden und beseitigt werden. Meistens werden beide Möglichkeiten kombiniert eingesetzt. Da die Rationalisierungsmöglichkeiten am Produkt und in der eingesetzten Produktionstechnik häufig weitgehend ausgeschöpft sind, verbleiben insbesondere innerhalb des betriebswirtschaftlich organisatorischen Bereichs Rationalisierungspotentiale, die es mit Hilfe der Produktionsplanung und -Steuerung aufzufinden gilt, 2 4 zumal durch Zielverschiebungen und geänderte Produktionsbedingungen eine höhere Komplexität der Produktion zu erwarten ist. Unter dem wettbewerbsbedingten Rationalisierungsanspruch hat beispielsweise die Einführung von Automatisierungskonzepten weitreichende Auswirkungen im Hinblick auf eine integrierte, den gesamten Produktionsablauf übergreifende Planung, Steuerung und Überwachung der Fertigung. 25 In Verbindung mit der Kritik an den traditionellen Methoden finden sich in der Literatur zahlreiche Ansätze für eine moderne Produktionsplanung und -Steuerung. Besonders häufig werden Produktionsplanungsverfahren unter Berücksichtigung von Just-in-time-Prinzipien gefordert. Beispielhaft seien das KANBAN-Verfahren und das Fortschrittszahlenkonzept angeführt. Darüber hinaus wird noch eine Vielzahl weiterer Entwicklungsansätze vorgestellt, von denen insbesondere das MRP II-Verfahren, das OPT-Verfahren, die belastungsorientierte Auftragsfreigabe und die Expertensysteme sich in der wissenschaftlichen Diskussion befinden. Das allgemeine Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht in der Gewinnung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, mit deren Hilfe sich Handlungsempfehlungen zur zweckmäßigen Gestaltung der Produktionsplanung und -Steuerung in Industriebetrieben ableiten lassen. Aus den Kritikpunkten an nenberg, H.: Arbeitsvorbereitung und Kalkulation, Braunschweig 1966, S. 50 f. sowie Koch, H.: Das Wirtschaftlichkeitsprinzip als betriebswirtschaftliche Maxime, in: ZfhF (Neue Folge), 3. Jg. 1951, S. 161. 23

Vgl. Beste, Rationalisierung, S. 301.

24

Vgl. Brecht, S. 13 f. und Ellinger, Th. / Wildemann, H.: Planung und Steuerung der Produktion aus betriebswirtschaftlich-technologischer Sicht, Wiesbaden 1978, S. 13. 25 Vgl. Moroff\ G.: Werkzeugmaschinen in der industriellen Produktion, Kennzeichnung, Planung und Einsatz moderner Fertigungskonzepte aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Diss., Berlin 1993, S. 147 f.

24

Α . Einleitung

den traditionellen Methoden und den daran ansetzenden Entwicklungen ergeben sich im einzelnen folgende Untersuchungsbereiche: - Als erstes stellt sich die Frage, ob und aus welchen Gründen die herkömmlichen PPS-Systeme die Ziele nicht oder nicht mehr erfüllen. Unter Berücksichtigung dieser Fragestellung sind sowohl die Ziele der Produktionsplanung und Produktionssteuerung als auch die Funktionen einer zielorientierten Produktionsplanung und -Steuerung zu überprüfen. - Der zweite Problembereich betrifft die Untersuchung der in der überwiegend technisch-ingenieurwissenschaftlichen Literatur vorgestellten neueren Ansätze, 26 deren Entwicklung durch vermeintliche Schwächen der traditionellen Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssysteme verursacht ist. Obwohl diese Entwicklungen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis seit einigen Jahren kontrovers diskutiert werden, existiert weder eine systematisch zusammenhängende Darstellung oder eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang noch eine umfassende, an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen orientierte Beurteilung dieser Ansätze. - Die Lösungsvorschläge bedürfen einer zweckorientierten Systematisierung, um darauf aufbauend die den Verfahren zugrunde liegenden Konzepte untersuchen zu können. Als Hilfsmittel dieser Untersuchung sollen die gesetzlichen Vorschriften des Patentrechts auf die vorliegende Problematik übertragen werden. Auf Basis der hierbei erfolgenden Überprüfung des Neuheitsgrades stellt sich die Frage, ob neue Methoden zur Planung und Steuerung der Produktion eingesetzt werden, traditionelle Ansätze mit neuen Methoden erweitert und verbessert werden, alte Ideen in einem neuen Zusammenhang miteinander kombiniert werden oder ob vielleicht nur altbekannte Ideen mit einer neuen Bezeichnung versehen werden. I m Rahmen der Neuheitsprüfung werden als Vergleichsgrundlage die Inhalte der PPS-Systeme sowie nicht umgesetzte Erkenntnisse und Methoden aus den grundlegenden Arbeiten der Kölner Schule zur Arbeitsvorbereitung 27 herangezogen.

26

Vgl. Kaluza, Flexibilität, S. 291. Es zeigt sich damit eine anhaltende Dominanz der In-

genieure in der Fertigungssteuerung, was schon Bußmann 1961 Anlaß zu Kritik bot. Vgl. Bußmann, K.F.: Die Fertigungssteuerung in Industriebetrieben als Funktion der Fertigungstypen, in: Schwarz, H. / Berger, K.H. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspraxis, Festschrift für Konrad Mellerowicz zum 70. Geburtstag, Berlin 1961, S. 63. 27 Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 191 ff.; Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 147 ff.; von Kortzfleisch,

G.: Betriebswirtschaftliche Arbeitsvorbereitung, Berlin 1962; Bergner,

Versuch einer Filmwirtschaftslehre, Bd. 1 / III, Berlin 1966, S. 26 ff.

H.:

II. Gang der Untersuchung

25

Hinsichtlich der bislang fehlenden Systematik und der zukünftigen betriebswirtschaftlichen Forschung wird primär einer umfassenden kritischen Überprüfung der herkömmlichen PPS-Systeme sowie den daraus ableitbaren Entwicklungsansätzen besondere Bedeutung beigemessen. Eine Analyse der traditionellen und neueren Ansätze zur Produktionsplanung und -Steuerung ermöglicht beispielsweise das Auffinden von inhaltlichen und theoretischen Schwachstellen, die Ansatzpunkte für weitere Forschungstätigkeiten bilden können. Als abschließende Aufgabenstellung der vorliegenden Untersuchung werden Aussagen über die gegenwärtige Gestaltung der Produktionsplanung und -Steuerung sowie Anwendungsbedingungen für die verschiedenen Entwicklungsansätze auf typologischer Basis aufgezeigt.

II. Gang der Untersuchung Für eine sachlogische Inhaltsstruktur der skizzierten Probleme erscheint es zweckmäßig, den inhaltlichen Aufbau an die chronologische Abfolge der Entwicklungsstufen anzulehnen, die von der Arbeitsvorbereitung zu den herkömmlichen PPS-Systemen und den darauf aufbauenden neueren Verfahren 28 führt. Auf Basis der im Hauptteil Β zu klärenden Begriffe und methodischen Grundlagen, erfolgt die weitere Untersuchung in vier Hauptschritten, die den Kapiteln C bis F entsprechen. Der Hauptteil Β umfaßt zum einen die begriffliche Kennzeichnung der Produktionsplanung und -Steuerung, deren Abgrenzung zu verwandten Begriffen sowie den in der Literatur synonym gebräuchlichen Bezeichnungen. Zum anderen wird in diesem Kapitel ein historischer Abriß der Entwicklung der Arbeitsvorbereitung bis zu deren Umsetzung in die traditionellen Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssysteme (PPS-Systeme) vorgenommen. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist es, die Unterschiede zwischen der Arbeitsvorbereitung und den PPS-Systemen sowie deren Ent28

W i r bezeichnen damit die dritte Kategorie von Methoden der Produktionsplanung und -Steuerung nach den Methoden der traditionellen Arbeitsvorbereitung und den PPS-Systemen als "neuere Verfahren". "Neu" bedeutet hier lediglich, daß die Verfahren oder Systeme - mindestens was die Bezeicnung angeht, die ihnen ihre Autoren mitgegeben haben, oder unter denen sie sonst bekannt geworden sind - gleichsam "neu" in Theorie und / oder Praxis aufgetaucht sind. Dagegen ist hier "neu" nicht in dem Sinne zu verstehen, daß die verfahren bei der Bewältigung der Probleme der Produktionsplanung und -Steuerung in jedem Falle Wege gehen, auf die vordem noch niemand gekommen ist. Ob - und gegebenenfalls, inwieweit - Verfahren im letztgenannten Sinne Neuheitscharakter haben, wird später bei ihrer detaillierten Erörterung untersucht werden.

26

Α . Einleitung

wicklungsursachen zu erforschen. Das Heranziehen der Arbeitsvorbereitung als Untersuchungsgrundlage setzt die inhaltliche Darstellung derselben voraus. A n diesen Problemkreis schließt sich der Hauptteil C an, der die an die Arbeitsvorbereitung anknüpfende zweite Entwicklungsstufe, das PPS-System, genauer vorstellt. Hauptteil C ist in drei Abschnitte unterteilt, die Zielanalyse und Anforderungsanalyse der Produktionsplanung und -Steuerung, die Funktionen zur Erfüllung der Ziele - wobei hierfür ein Grundkonzept in seiner traditionellen Form vorgestellt wird -, sowie die Schwächen dieser Grundkonzeption. Bevor ein möglicher Aufbau eines Zielsystems für die Produktionsplanung und Produktionssteuerung aufgezeigt wird, sind unter bezug auf die Anforderungen und Ziele zunächst zieltheoretische Ausführungen vorzunehmen. Beim Aufbau des Zielsystems werden die Beziehungen einzelner Ziele zueinander dargestellt, wobei das Auffinden von Zielkonflikten für die spätere Untersuchung von besonderer Bedeutung ist. Von Interesse ist hierbei nämlich die Frage, ob sich die Definition der Ziele als solche oder nur die Zielpräferenzen verändern und wie sich gegenwärtig solche Änderungen vollziehen. Die Zielanalyse ermöglicht es, die im Anschluß vorzustellende Grundsystematik eines herkömmlichen PPS-Systems einer umfassenden Kritik zu unterziehen. Als Systematisierungskriterien dienen die mittel- bis kurzfristigen Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung. Neuere Entwicklungsansätze leiten sich in der Regel aus vermeintlichen Schwächen oder Mängel von herkömmlichen PPS-Systemen ab. U m Anhaltspunkte für die in Kapitel D erläuterten neueren Entwicklungsansätze liefern zu können, werden in der Schwächenanalyse die Ziele und Anforderungen an PPS-Systeme als Untersuchungskriterien herangezogen. Im Hauptteil D werden die Ziele und Anforderungen an die Produktionsplanung und -Steuerung sowie das entwickelte Grundkonzept den neueren Entwicklungsansätzen gegenübergestellt, um Gemeinsamkeiten, Anknüpfungspunkte und Unterschiede zwischen den verschiedenen Konzeptionen zu erkennen. M i t der Erläuterung des jeweiligen neueren Entwicklungsansatzes, über dessen Kritik bis zur Prüfung des Neuheitsgrades, wird eine strukturell-logische Reihenfolge zur Erläuterung gewählt. Unter dieser Absicht werden die neueren Ansätze im Hauptteil D auf Basis von bestimmten Einteilungskriterien in eine Ordnung gebracht, mit deren Hilfe sie nacheinander vorgestellt sowie hinsichtlich ihrer Schwächen und neuen Ideen kritisch erörtert wer-

II. Gang der Untersuchung

27

den. Für dieses Vorhaben werden neben der in Hauptteil C dargestellten Grundkonzeption, auch die in Hauptteil Β vorgestellten Ideen der Arbeitsvorbereitung herangezogen. I m Hauptteil E werden, anknüpfend an die Untersuchung in Abschnitt D, die neueren Ansätze hinsichtlich ihrer Einsatzvoraussetzungen in Industriebetrieben betrachtet. Die vielfältigen Erscheinungsformen von Industriebetrieben unterbinden jedoch die Formulierung von allgemeingültigen Anforderungsprofilen an ein PPS-System. Deshalb werden Industriebetriebe mit Hilfe der typologischen Methode in bestimmte Industriebetriebstypen unterteilt und auf typische Anforderungen an PPS-Systeme hinsichtlich der Planung, Steuerung und Überwachung der Produktion untersucht. Schließlich bleibt noch die Frage zu klären, bei welchen Industriebetrieben die einzelnen Ansätze zur Planung und Steuerung der Produktion sinnvoll einzusetzen sind und bei welchen nicht. I m abschließenden Hauptteil F werden die wichtigsten in den vorigen Abschnitten ermittelten Erkenntnisse sowie Tendenzen für zukünftige Entwicklungsrichtungen aufgezeigt.

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung und Produktionssteuerung

Die Entwicklung der Produktionsplanung und -Steuerung läßt sich zum einen begrifflich-definitorisch, zum anderen inhaltlich-funktional aufzeigen. Beide Entwicklungsbereiche sind anhand des Zeitablaufs bis zur heutigen Sichtweise vorzustellen. Dabei lassen sich gewisse Überschneidungen der Bereiche nicht vermeiden, weil eine begriffliche Entwicklung oft auch eine inhaltliche Änderung nach sich zieht. Aufgrund dieser Überlegungen empfiehlt es sich, vor dem historischen Abriß der funktionalen Entwicklung die begriffliche Seite zu klären.

I. Begriffe zur Produktionsplanung und -Steuerung und ihre Entwicklung von der Arbeitsvorbereitung zum PPS-System Für eine Analyse der Produktionsplanung und -Steuerung ist zunächst eine begriffliche Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes notwendig. Sie wird dadurch erschwert, daß eine Vielzahl von Definitionen sowohl in der betriebswirtschaftlichen als auch technischen Literatur mit zum Teil deutlich divergierenden Inhalten existieren. Dies wiederum hängt damit zusammen, daß sich die Produktionsplanung und die Produktionssteuerung als Funktionen weiterentwickeln und die Begriffe im Zeitablauf andere Schwerpunkte erhalten. Daher ist in einem ersten Schritt die Begriffsvielfalt in der Literatur in eine Ordnung zu bringen und eine eindeutige Verwendung der in der vorliegenden Arbeit benutzten Begriffe vorzunehmen. I m einzelnen sind mit der Arbeitsvorbereitung, der Produktionsplanung, der Produktionssteuerung und den PPS-Systemen vier zentrale Begriffe zu erläutern.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

29

1. Die Arbeitsvorbereitung: Rahmen für die Planung und Steuerung im Produktionsbereich Obwohl sich die Arbeitsvorbereitung als eigenständiges Teilgebiet herausgebildet hat, sind die Inhalte der Arbeitsvorbereitung nicht eindeutig festgelegt. Es werden ihr vielmehr verschiedenartige Aufgaben zugerechnet, so daß der Begriff "Arbeitsvorbereitung" unterschiedlich definiert und abgegrenzt wird. Unterschiede ergeben sich zumindest im deutschen Sprachgebrauch durch die verschieden gedeuteten Über- und Unterordnungen der Begriffe "Arbeitsvorbereitung", "Produktionsplanung" und "PPS-System". Handelt es sich bei dieser Betrachtungsweise um eine vertikale Begriffsabgrenzung, ist die Zuordnung einzelner Funktionen zur Planung und Steuerung der Produktion als horizontale Begriffsabgrenzung zu bezeichnen. Bei ihr wird die inhaltliche Abgrenzung der einzelnen, auf einer Ebene stehenden Begriffe zueinander vorgenommen. 1 Erschwert wird die horizontale Begriffsabgrenzung dadurch, daß je nach Fristigkeitszeitraum der Planung und je nach Produktionsbedingungen eine bestimmte Funktion der Planung oder der Steuerung der Produktion zuzuordnen ist. Die Schwierigkeiten der vertikalen Begriffsabgrenzung zeigen sich, wenn man sich in der Literatur die unterschiedlichen Definitionen zum Begriff "Arbeitsvorbereitung" vor Augen führt.

a) Der Begriff der Arbeitsvorbereitung Fragen der Arbeitsvorbereitung sind bis in das zwanzigste Jahrhundert in der Forschung weitgehend vernachlässigt worden, obwohl arbeitsvorbereitende Tätigkeiten schon seit Menschengedenken bei jeder planvollen Handlung durchzuführen sind. 2 Ein eigenständiger Wissenschaftsbereich, in dem Fragen der Arbeitsvorbereitung untersucht wurden, war nicht verbreitet. Erst seit der wissenschaftlichen Betriebsführung von Taylor im Jahr 1912 ist die Arbeitsvorbereitung als funktionelle Arbeitsvorbereitung ein Teilbereich innerhalb der Arbeitswissenschaft. 3 Der Begriff der Arbeitsvor-

1

Vgl. Wicharz,

E.: Die Flexibilität industrieller Produktionsplanung und -Steuerung, Düs-

seldorf 1983, S. 10. 2

Vgl. Bergner, H.: Zur betrieblichen Planung und ihrer frühen literarischen Behandlung, in: von Kortzfleisch, G. / Bergner, H. (Hrsg.): Betriebswirtschaftliche Unternehmensführung, Gedächtnisschrift für Theodor Beste, Berlin 1975, S. 1. 3 Vgl. Taylor, F.W.: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung (Orig.: The Principles of Scientific Management), Deutsche autorisierte Ausgabe von Roester, R., neu hrsg. und eingeleitet von Volpert, W. / Vahrenkamp, R., Weinheim / Basel 1977.

30

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

bereitung findet in der Literatur erst ab den zwanziger Jahren Beachtung, 4 und setzte sich nur langsam durch, so daß noch im Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre des Jahres 1926 kein Stichwort "Arbeitsvorbereitung" existiert. Erst in den dreißiger Jahren institutionalisiert sich die Arbeitsvorbereitung als eigenständiger Bereich. 5 Seit dieser Zeit beschäftigt sich eine Vielzahl von Autoren mit den Inhalten der Arbeitsvorbereitung, dennoch hat sich keine einheitliche Definition der Arbeitsvorbereitung herausgebildet. Die Ursachen für die unterschiedlichen Definitionen der Arbeitsvorbereitung im Schrifttum sind bedingt durch die jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit der Arbeitsvorbereitung (zum Beispiel Ingenieurwissenschaft und die Betriebswirtschaft) befaßt haben, sowie in den vielfältigen unternehmensspezifischen Bezeichnungen der einzelnen mit der Produktionsplanung und -Steuerung betrauten Abteilungen, deren Terminus für die zu vollziehende Funktion häufig übernommen wurde. 6 Eine weitere Ursache ist schließlich in den inhaltlichen Entwicklungsphasen der Arbeitsvorbereitung zu sehen. Die unterschiedlichen Definitionen in den wissenschaftlichen Teilgebieten zeigen sich schon darin, daß im physikalischen Sinne Arbeit - als ein Begriffsmerkmal neben dem "Vorbereiten"-, das Produkt aus Kraft und Weg ist, während für "die Betriebswirtschaftslehre .. jede Tätigkeit A r b e i t (ist; Anm.d.V.), die darauf gerichtet ist, einen Zweck zu verwirklichen. Zwecke setzt der Mensch zur Verwirklichung seiner Bedürfnisse". 7 Vorbereiten bedeutet in die Zukunft gerichtetes Denken, das eine Aktivität nach sich zieht. 8 Der Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung (AWF) definiert die Arbeitsvorbereitung als "Gesamtheit aller Maßnahmen einschließlich der Erstellung aller erforderlichen Unterlagen und Betriebsmittel, die durch Planung, Steuerung und Überwachung für die Fertigung von Erzeugnissen ein Minimum an Aufwand gewährleisten." 9 Dabei soll die Planung von Ort und 4

Vgl. Michel, E.: Arbeitsvorbereitung - Ein wichtiges Hilfsmittel zeitgemäßer Betriebsführung, in: Werkstattstechnik, 16. Jg. 1922, Nr. 12, S. 358 ff. 5 Vgl. Schulz, J.: Das Wesen der Arbeitsvorbereitung und ihre Stellung in der industriellen Fertigung, Diss., Hamburg 1964, S. 9. 6 Vgl. Wicharz, S. 9. 7

Nicklisch, H.: Die Betriebswirtschaft, Stuttgart 1932, S. 241. Vgl. Wockenfuß, K.: Der Begriff Arbeitsvorbereitung, in: Die Arbeitsvorbereitung, 1. Jg. 1964, S. 129. 8

9 AWF / Refa (Hrsg.): Handbuch der Arbeitsvorbereitung, Teil 1, Arbeitsplanung, Berlin / Köln / Frankfurt (Main) 1968, S. 6.; vgl. Refa-Verband ßr Arbeitsstudien und Betriebsorganisa-

I. Begriffe und ihre Entwicklung

31

Zeitpunkt der Einzelverrichtungen sowie der benötigten Hilfsmittel nicht dem Arbeiter oder Meister überlassen werden, sondern der gesamte Produktionsauftrag ist in einem Plan vollständig vorzubereiten. 10 Wie für den A W F liegt auch für Schulz und Mellerowicz das Hauptmerkmal der Arbeitsvorbereitung in den der eigentlichen Produktionstätigkeit vorangehenden Aufgaben. Schulz schränkt die Aufgaben, welcher A r t sie auch sein mögen, nicht wie der A W F auf die planerischen Tätigkeiten ein. Er definiert Arbeitsvorbereitung als jegliche Vorarbeit zur planvollen Vollstreckung einer Aufgabe 11 , so daß bei jeder planvollen Tätigkeit vorbereitende Maßnahmen zu treffen sind. Mellerowicz versteht die Arbeitsvorbereitung als diejenigen Planungs- und Beschaffungsaufgaben, die dem eigentlichen Arbeitsvollzug vorausgehen, damit dieser ohne Störung vonstatten gehen kann. 1 2 Auch seine Sichtweise der Vorarbeiten ist damit weiter als die des AWF. Im Unterschied zu den vorangehenden Definitionen legt Kalveram die Arbeitsvorbereitung sehr eng aus. Für ihn deckt sie nur den Teilbereich der einmaligen Planung ab, während laufende Planungen der Arbeitsführung zugerechnet werden. 13 Eine noch engere Sichtweise vertritt Wagner, indem er die Begriffe "Produktionsvorbereitung" und "Arbeitsvorbereitung" trennt. Während die dispositive Produktionsvorbereitung für alle Aktivitäten der Produktionsdurchführung zuständig ist und sich über alle Tätigkeiten der Planung und Überwachung erstreckt, wird die Arbeitsvorbereitung neben der Fertigungssteuerung von Wagner nur als Teilbereich der Produktionsvorbereitung verstanden. Sie wird demnach mit der kurzfristigen Ferti-

tion e.V. (Hrsg.): Refa-Lexikon, Betriebsorganisation, Arbeitsstudium, Planung und Steuerung, 3., überarb. Aufl., Berlin / Köln 1977, S. 37; Eine Reihe von Autoren übernehmen die Definition des A W F fast wörtlich; vgl. Zenner, E.: Gliederung und Aufgaben der Arbeitsvorbereitung, in: wt-Zeitschrift für industrielle Fertigung, 64. Jg. 1974, S. 379 f. und Fromm, H.: Arbeitsvorbereitung,

Produktionsplanung,

Fertigungssteuerung, 2. Aufl., München 1970,

S. 13 f. 10

Vgl. Bußmann, K.F.: Fertigungsplanung, in: Seischab, H . / Schwantag, K. (Hrsg.): H W B ,

Bd. 1, 3. völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart 1956, Sp. 1742. 11

12

Vgl. Schulz, S. 7.

Vgl. Mellerowicz, K.: Betriebswirtschaftslehre der Industrie, Bd. 2, Funktionen des Industriebetriebs, 7., neubearb. Aufl., Freiburg im Breisgau 1981, S. 438. 13 Vgl. Kalveram, W.: Industriebetriebslehre, 6. Aufl. Wiesbaden 1955, S. 311 ff. Ebenso ist Kosiol der Auffassung, daß die Auftragsüberwachung aufgrund ihres "grundsätzlich anderen Charakters ... als vorbereitende" Aufgaben von der Arbeitsvorbereitung auszuschließen ist. Kosiol, E.: Untersuchungen zur Aufbauorganisation der Arbeitsvorbereitung und des Einkaufs industrieller Unternehmungen, Berlin 1960, S. 21.

32

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

gungsplanung gleichgesetzt. 14 Diesen Sichtweisen ist nicht zu folgen, weil ein wirtschaftlicher Leistungserstellungsprozeß neben der langfristigen, einmaligen Planung eine hierauf abgestimmte kurzfristige Steuerung der Produktion erfordert. Dies gilt um so mehr, als eine sich ständig verändernde Umwelt laufend Steuerungsaktivitäten verlangt, die wiederum rückwirkende Planänderungen innerhalb der Planungsfunktionen erfordern. Damit sind auch die überwachenden Funktionen als Teilbereich der Arbeitsvorbereitung anzusehen. Weiterhin ist auch die physische Arbeitsvorbereitung, welche die körperlichen Vorbereitungsprozesse zum Erlangen der Betriebsbereitschaft umfaßt, 15 zu den wiederkehrenden Aufgaben der Arbeitsvorbereitung zu zählen. Eine erweiterte Sichtweise im Vergleich zu Mellerowicz vertritt Sonnenberg, dessen Definition an den zu erfüllenden Aufgaben anknüpft. Die Arbeitsvorbereitung erstreckt sich hiernach auf die Planung, Einleitung, Steuerung sowie die Überwachung der Fertigung. 16 Damit teilt Sonnenberg bis auf die Überwachung des zeitlichen Ablaufs der Fertigung die Auffassung von Mellerowicz. Während diese sich nur auf den Fertigungsbereich bezieht, überträgt Kreikebaum den Begriff "Arbeitsvorbereitung" auch auf die Produktion von Dienstleistungen, er beschränkt sich also nicht nur auf die Produktion von Erzeugnissen körperlicher Gestalt. 17 Von Kortzfleisch definiert den Inhalt der Arbeitsvorbereitung als "Gestalten und Lenken der Produktion". 18 Sie ist eine Vorarbeit, die " jede - vorwiegend geistige - Tätigkeit, die vor Aufnahme und Ausführung der eigentlichen Hauptarbeit verrichtet wird", 1 9 umfaßt. Neben den geistigen A r beiten können auch Arbeiten körperlicher Art vorbereitender Natur sein. Aus den vorangehenden Definitionen kann gefolgert werden, daß bei der Arbeitsvorbereitung nicht der Faktor "Arbeit" und dessen Vorbereitung, sondern der Leistungserstellungsprozeß, zum Beispiel durch die Bereitstel14

Vgl. Wagner, H.: Vorbereitung der Produktion, dispositive, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 2157 ff. 15 Vgl. Bergner, H.: Vorbereitung der Produktion, physische, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 2173-2186. 16 Vgl. Sonnenberg, S. 369. 17

Vgl. Kreikebaum, H.: Arbeitsvorbereitung, in: Grochla, E. (Hrsg.): H W O , Bd. 1, 2., völlig neu gest. Aufl., Stuttgart 1980, Sp. 145. 18 von Kortzfleisch, Betriebswirtschaftliche, S. 11; ähnlich sieht Fromm die Arbeitsvorbereitung. Für ihn enthält die Arbeitsvorbereitung "analysierende, planende und steuernde Aufgaben des Fertigungsprozesses". Fromm, S. 11. 19 von Kortzfleisch, G.: Arbeitsvorbereitung, in: Grochla, E. / Wittmann, W. (Hrsg.): H W B , Bd. 1, 4., völlig neu gest. Aufl., Stuttgart 1974, Sp. 263.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

33

lung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die Vorbereitung der Maschinen, im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Deshalb ist anstelle der Arbeitsvorbereitung die von Beste verwendete Bezeichnung "Fertigungsvorbereitung" genauer. 20 Gegen den Begriff der "Arbeitsvorbereitung" spricht zudem die Gefahr, daß alle mit dem Faktor "menschliche Arbeit" im Zusammenhang stehenden Aufgaben einbezogen werden. Dies ist aber irreführend, weil beispielsweise die Arbeitsbewertung und Lohngestaltung nicht in den Bereich der Arbeitsvorbereitung fallen. Damit kann festgehalten werden, daß die Bezeichnungen "Fertigungsvorbereitung" und "Produktionsvorbereitung" dem Ausdruck "Arbeitsvorbereitung" vorzuziehen sind. Der Einheitlichkeit wegen wird im folgenden jedoch der Terminus "Arbeitsvorbereitung" verwendet, wobei er synonym zur "Produktionsvorbereitung" und "Fertigungsvorbereitung" verstanden wird. 2 1 Alle vorgestellten Definitionen weisen trotz ihrer unterschiedlichen Auslegungen gleichartige Begriffsmerkmale auf. Einerseits wird bei allen Definitionen der Zielbezug zur Arbeitsvorbereitung herausgestellt, andererseits machen die Definitionen deutlich, daß es bei der Arbeitsvorbereitung um eine planmäßige Gestaltung geht, die der Ausführung teilweise vorausgeht und vorwiegend geistiger Natur ist. Ein für diese Untersuchung zweckmäßiger Arbeitsvorbereitungsbegriff sollte über die genannten Merkmale hinaus weit gefaßt werden und mit der Produktionsvorbereitung gleichgesetzt werden, weil die kurzfristigen, dispositiven Teilbereiche der Produktionsvorbereitung schon durch das Begriffspaar Produktionsplanung und -Steuerung aussagefähig und genau beschrieben sind. Aus den bisherigen Ergebnissen bleibt festzuhalten, daß eine weite Definition der Arbeitsvorbereitung anzustreben ist, die einerseits eine langfristige Planung und kurzfristige Lenkung, andererseits auch die physischen Vorbereitungsprozesse umfaßt. Demnach ist der Definition von Kortzfleischs zu folgen. Diese Definition grenzt in ihrer Prägnanz den Untersu20

Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 191. Auch Mellerowicz verwendet für die Planung und Lenkung der Leistungserstellung die Bezeichnung "Fertigungsvorbereitung", weil seiner Meinung nach die Arbeitsvorbereitung sich nicht nur in der Fertigung, sondern auch in der Verwaltung, im Einkauf oder im Vertrieb vollziehen kann. Fertigungsvorbereitung ist für ihn Arbeitsvorbereitung im engeren Sinne. Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 441. 21

Der Produktionsbegriff ist streng genommen weiter als der Fertigungsbegriff, da ersterer sich auch auf den Dienstleistungssektor bezieht. Für den Industriebetrieb spielt dieser Unterschied aber nur eine untergeordnete Rolle, weil sein Schwerpunkt auf der Fertigung von physischen Erzeugnissen liegt. 3 Schwarzmaier

34

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

chungsbereich ein und läßt doch die Verbindung zu den anderen Unternehmensbereichen zu. Ferner enthält sie alle als bedeutend zu erachtenden Merkmale der Arbeitsvorbereitung, wie zum Beispiel die planmäßige Gestaltung oder die Zukunfts-, Gegenwarts- und Entscheidungsorientierung. Dadurch, daß die Arbeitsvorbereitung über den Faktor "Arbeit" hinausgeht, läßt sie sich vom Arbeitsstudium eindeutig abgrenzen. Während in den zwanziger Jahren noch keine Einigkeit darüber bestand, ob die Arbeitsvorbereitung nur einen Teilbereich des Arbeitsstudiums bildet oder als eigenständiger Bereich anzusehen ist, 2 2 löst sich die Arbeitsvorbereitung in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts vom Arbeitsstudium los. 2 3 Das Arbeitsstudium beschäftigt sich mit dem Faktor Arbeit und hat neben den Studien zur Feststellung der gerechten Vorgabezeit unter anderem die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze nach arbeitswissenschaftlichen ergonomischen Erkenntnissen zur Aufgabe. Dazu werden die Methoden der Arbeitsablauf-, Arbeitszeit- und Bewegungsstudien angewandt. Dagegen geht die Arbeitsvorbereitung weit über den Faktor "menschliche Arbeit" hinaus, und versucht sämtliche Produktionsprozesse vorzubereiten und eine an Kostengesichtspunkten ausgerichtete Produktion zu verwirklichen. Die Arbeitsvorbereitung umfaßt somit auch die Vorbereitung der Produktionsmittel sowie die Planung und Lenkung der Produktionsdurchführung. 24 Neben der Gliederung in die Planung und Lenkung kann der Begriff der Arbeitsvorbereitung noch schärfer gefaßt werden, wenn sie in ihre Einzelgebiete unterteilt und in den Lebenszyklus eines Produktes eingeordnet wird.

b) Einordnung und Unterteilungsmöglichkeiten der Arbeitsvorbereitung Die Arbeitsvorbereitung läßt sich unter Ablaufgesichtspunkten zwischen der Phase der Konstruktion und der Produktion einordnen. Sie bestimmt Verfahren, Ort und Zeit der Produktionsdurchführung. Die Unterlagen von Konstruktion und Vertrieb sind, je nachdem, ob Auftragsfertigung oder Fertigung für den anonymen Markt vorliegt, der Ausgangspunkt der Produktionsplanung und dieser bereitzustellen. Damit ist die Konstruktion nicht Teilbereich der Arbeitsvorbereitung. Ihre Aufgaben liegen zeitlich vor der Produktion und deren Planung, das heißt, sie bildet die letzte Stufe der 22

Vgl. Ackermann, T.: Arbeitsvorbereitung - Gestern und Heute, in: Arbeitsvorbereitung, 15. Jg. 1978, S. 35. Vgl. Nicklisch, S. 249 und Schulz, S. 9. 24 25

Vgl. Bergner, Filmwirtschaftslehre, Bd. 1 / III, S. 28. Vgl. Schulz, S. 20.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

35

Produktentwicklung. Dies zeigt sich schon daran, daß Konstruktions- und Produktionsplanungsaufgaben oft in organisatorisch getrennten Abteilungen vollzogen werden. 2 I m Hinblick auf die Optimierung der Kosten ist jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Konstruktionsabteilung und der Arbeitsvorbereitung anzustreben. 27 Die Arbeitsvorbereitung läßt sich in unterschiedliche Teilbereiche einteilen. Nach der A r t der Tätigkeit kann die dispositive Arbeitsvorbereitung, die geistige Arbeitsaufgaben umfaßt, und die physische Arbeitsvorbereitung, welche die körperlichen, materiellen Tätigkeiten zum Erlangen der Betriebsbereitschaft betreffen, untergliedert werden. Die dispositive Arbeitsvorbereitung ist nach dem Zeitbezug in eine langfristige Vorbereitung der Arbeit - sie ist mit der langfristigen, strategischen Produktionsplanung gleichzusetzen - und eine mittel- bis kurzfristige Arbeitsvorbereitung zu untergliedern. Dabei enthält die kurzfristige Arbeitsvorbereitung die einschlägigen Planungs- und Steuerungsfunktionen (siehe Abbildung B . l ) . 2 8

Ausprägungen

Merkmal

Arbeitsvorbereitung

Art der Tätigkeit

dispositiv / geistig

physisch / körperlich

I

Zeitbezug

Inhalt

langfristig

kurzfristig

Planung

Steuerung

Abbildung B . l : Einteilung der betriebswirtschaftlichen Arbeitsvorbereitung Quelle: In Anlehnung an Kaluza, Flexibilität, S. 301.

26

Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 441. Vgl. Opitz, H. / Eversheim, W. / Brankamp, K.: Fertigungsorganisation, in: Grochla, E. (Hrsg.): H W O , Stuttgart 1969, Sp. 525. Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 191; Bergner, Vorbereitung, Sp. 2173; von Kortzfleisch, Betriebswirtschaftliche, S. 22 f. 27

36

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Planung, Steuerung und Kontrolle bilden als Inhalte der dispositiven, kurzfristigen Arbeitsvorbereitung die Grundbausteine zur Zielerfüllung im Produktionsbereich.

2. Die Produktionsplanung

und -Steuerung

M i t der Betrachtung der beiden Begriffe "Produktionsplanung" und "Produktionssteuerung" wird eine überschneidungsfreie, eindeutige Verwendung zweier auf gleicher Ebene stehender Begiffe angestrebt. Während bei der vertikalen Abgrenzung zwischen der "Arbeitsvorbereitung" und der "Produktionsplanung" hauptsächlich terminologische Probleme betroffen sind, kommen bei der horizontalen Begriffsabgrenzung zwischen der Planung und der Steuerung der Produktion inhaltliche Abgrenzungsprobleme hinzu. 2 9 Eine einheitliche Definition der Produktionsplanung und -Steuerung erweist sich wiederum als schwierig, weil sowohl im deutschen Sprachraum als auch in der angelsächsischen Literatur eine Vielzahl von Begriffen verwendet wird, die teilweise identisch sind, zum Teil aber auch sehr verschiedene Inhalte (z.B. Produktionsplanung und -Steuerung mit und ohne Konstruktionsaufgaben) aufweisen. Für die Produktionsplanung und Produktionssteuerung werden in der englischsprachigen Literatur Begriffe wie "production planning and control" 30 , "routing", "scheduling", "manufacturing planning and dispatching" verwendet. 31 Für die Fertigungsplanung kommt in den USA zusammen mit der Kosten- und Zeitplanung der Ausdruck "industrial engineering" zur Anwendung, die Fertigungssteuerung wird mit der Materialwirtschaft zu "production management" oder "production control" zusammengefaßt. 32 Es ist ersichtlich, daß die Begriffe "Fertigungsplanung" und "Fertigungssteuerung" durch die Trennung des Begriffspaares und die organisatorische Zusammenfassung mit jeweils angrenzenden Bereichen nach der US-amerikanischen Sichtweise sich vom Verständnis im deutschen Schrifttum unterscheiden.

29

30 31

Vgl. Wicharz, S. 11 f. Vgl. Eilon , S.: Elements of Production Planning and Control, New Y o r k 1962. Vgl. Fehr> E.: Produktionsplanung und -Steuerung mit elektronischer Datenverarbei-

tung, Stuttgart 1968, S. 19. 2 Vgl. Eberhardt, K.: Von der Meistersteuerung zu Kanban - Was kommt jetzt?, in: G F & M , Gesellschaft für Fertigungssteuerung und Materialwirtschaft e.V. (Hrsg.): O P T - eine Antwort Amerikas auf Kanban?, G F & M Symposium München-Sheraton, 19. September 1984, München 1984, S. 15. 33

Vgl. Eberhardt,

S. 15.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

37

I m folgenden sollen einige verschiedene Begriffe und Bezeichnungen, wie sie in der Literatur zur Produktionsplanung und -Steuerung auftauchen, erläutert und Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden. Gleichzeitig soll das für diese Arbeit zu verwendende Begriffsinstrumentarium entwickelt werden.

a) Die Produktionsplanung Die begriffliche Bestimmung der "Produktionsplanung" erfolgt hier in zwei Schritten. Zunächst ist die Planung als Aufgabe innerhalb einer gesamten Unternehmung zu betrachten, bevor in einem zweiten Schritt die Planung der Produktion im besonderen eingeführt wird.

aa) Die Planung Planung ist "ein auf zukünftiges aktives Handeln ausgerichtetes ordnendes Denken, bei dem unter verschiedenen Möglichkeiten des Vorgehens Entscheidungen zu treffen sind". 34 Planung läßt sich durch ihre Zielausrichtung, Zukunftsbezogenheit und Gestaltungsfunktion charakterisieren, die dem Finden gegenwärtiger und zukünftiger Entscheidungen dient. Sie ist zukunftsbezogen, weil komplexe Verhältnisse gedanklich vorweggenommen und strukturiert werden. Darüber hinaus hat sie sich am Unternehmenszielsystem zu orientieren und ist sowohl eine geistige als auch gestalterische Aufgabe. 35 Die zu realisierenden Ziele sind anhand der Kontrolle zu verfolgen, indem der Grad der Zielerreichung bestimmt wird. Beim Auftreten von Abweichungen zwischen Planvorgaben und Istwerten hat die Steuerung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Produktion den geänderten Bedingungen anzupassen. Planung, Steuerung und Kontrolle sind ein geschlossener Zyklus, wobei Steuerung und Kontrolle der Durchsetzung der Planung dienen. Die Kontrolle der Planung wird vereinfacht, wenn die Ergebnisse der Planung, wie zum Beispiel die zeitliche Reichweite der Planung, die angestrebten Ziele und die dazu benötigten Anstrengungen, in einem schriftlich festgehalten Plan konkretisiert werden. In diesem Fall läßt sich inner34

Ellinger, Th.: Ablaufplanung, Stuttgart 1959, S. 14 Vgl. Adam, D.: Produktionsplanung bei Sortenfertigung. Ein Beitrag zur Theorie der Mehrproduktunternehmung, Wiesbaden 1969, S. 17 und vgl. Grochla, E.: Betriebliche Planung und Informationssysteme - Entwicklung und aktuelle Aspekte, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 11 sowie auch Hill, W.: Unternehmensplanung, Stuttgart 1966, S. 7. 35

38

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

halb des Planes die Zielerreichung durch schriftliche Gegenüberstellung der Ist-Werte schnell ermitteln. Ein Plan stellt als Ergebnis des Planungsvorganges die Ausgangsbasis aller weiteren Maßnahmen dar. 3 6 Wird eine Planung eingeleitet, tritt meist ein Zielkonflikt auf. Zum einen ist eine Planung so genau wie möglich durchzuführen (Postulat der Genauigkeit), zum anderen ist das Postulat einer wirtschaftlichen Planung zu beachten. Aus dem Genauigkeitsanspruch ergibt sich, daß die Planung alle unternehmensinternen und -externen Entwicklungen, die auf sie einwirken, einbeziehen sollte. 37 Eine möglichst genaue Planung kann Unsicherheiten reduzieren helfen, 38 wohingegen bei einer ungenauen Planung die Gefahr besteht, daß Unsicherheit lediglich durch Irrtum ersetzt wird. Eine ungenaue Planung verhindert bei der Kontrolle das Aufdecken von Mängeln und Unwirtschaftlichkeiten, so daß deshalb eine detaillierte, umfangreiche Planung hinsichtlich des Genauigkeitskriteriums zu fordern ist. In bezug auf das Kriterium Wirtschaftlichkeit der Planung kann eine umfangreiche Planung von Nachteil sein. Wird eine Planung bis ins letzte Detail betrieben, wird sie starr und kann sich nicht ausreichend an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. Unter Umständen werden durch eine starre Planung neue Ideen unterdrückt. Zudem können die aus einer genauen Planung resultierenden Kosten und der erforderliche Zeitaufwand höher werden als der zu erwartende Nutzen. 39 Weil mit zunehmender Zukunftsausrichtung die Unsicherheiten hinsichtlich interner und externer Einflüsse steigen, werden Pläne um so ungenauer, je länger ihr Zeithorizont ausgelegt wird. M i t zunehmendem Planungshorizont ist deshalb dem Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkt Vorrang einzuräumen. Es gilt also bei der Entscheidung für ein Verfahren, gleichgültig ob in der Produktionsplanung oder der Kostenrechnung, ein Optimum zwischen dem Grundsatz der Richtigkeit und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität zu finden. 40 In Anlehnung an Schmalenbach und seine Aussagen über die Gestaltung der 36

Vgl. Grochla, E.: Betrieb und Wirtschaftsordnung, Berlin 1954, S. 21.

37

Vgl. Ulrich, H. / Fiuti, E.: Management, 5., durchgesehene Aufl., Bern u. Stuttgart 1988, S. 91 f. und Gälweiler, Α.: Unternehmensplanung, Grundlagen und Praxis, Frankfurt a.M. / New Y o r k 1974, S. 15 ff. 38

Z u dem Problem der Planung und der Ungewißheit vgl. Bergner, Z u r betrieblichen Planung, S. 42. 3 Vgl. Mellerowicz, K.: Planung und Plankostenrechnung, Bd. 1, Betriebliche Planung, 2., neubearb. Aufl., Freiburg im Breisgau 1970, S. 37. 40 Vgl. Mejfert, H.: Betriebswirtschaftliche Kosteninformationen - Ein Beitrag zur Theorie der Kostenrechnung, Wiesbaden 1968, S. 71.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

39

Kostenrechnung kann für die Produktionsplanung und -Steuerung gefolgert werden, daß eine vollkommene Produktionsplanung und -Steuerung "nicht eine solche mit höchster Genauigkeit (ist; Anm.d.V.), sondern eine solche mit ökonomischer Begrenzung der Genauigkeit". 41 Zum Beispiel lassen sich als derartige ökonomische Begrenzungswerte Planungsbudgets oder Zeitvorgaben für die Dauer eines Planungslaufes festlegen. Planung unterscheidet sich von der Improvisation unter anderem durch die längerfristige Auslegung und die Zielausrichtung. Die Improvisation ist immer eine fallweise Entscheidung, die nicht nach einem System erfolgt und dem Zufall überlassen ist. Planung ist ferner von der Prognose zu unterscheiden. Die Prognose ist eine Voraussage, die von Hypothesen ausgeht und Wahrscheinlichkeitscharakter besitzt. Sie ist als Lage- und Wirkprognose ein wichtiger Bestandteil des Planungsprozesses. 42 Der Planungsprozeß vollzieht sich in verschiedenen aufeinanderfolgenden Stufen. Nach der Abgrenzung des Entscheidungsfeldes, der Bestimmung der Ziele und der Analyse der Ist-Situationen (Lageprognose) werden Handlungsalternativen gesucht und unter Berücksichtigung von Umwelteinflüssen geprüft (Wirkprognose). In einem folgenden Schritt wird die Handlungsalternative ausgewählt, die den bestmöglichen Grad der Zielerreichung gewährleistet. Der letzte Schritt der Planung ist die Steuerung und Kontrolle. 4 3 Die betriebswirtschaftliche Gesamtplanung ist in viele Teilpläne aufzuteilen, von denen jeder dieser Teilpläne nach dem oben beschriebenen Planungsprozeß aufzustellen ist. Dabei müssen freilich die zwischen den einzelnen Plänen bestehenden Interdependenzen berücksichtigt werden. Deshalb sind die einzelnen Teilpläne aufeinander abzustimmen. Die Gliederung in Teilpläne richtet sich oft nach den Funktionsbereichen der Unternehmung. 4 4 Hiernach lassen sich beispielsweise die Ergebnisse der Finanz-, Be-

41

Schmalenbach, E.: Kostenrechnung und Preispolitik, 8., eiw. u. verb. Aufl., Köln und Opladen 1963, S. 24. 42 Vgl. Mellerowicz, Planung, S. 20 f. und Böhrs, W.: Planen, Organisieren und Improvisieren. Einen Studie zur Abgrenzung der Begriffe, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 43 2. Jg. 1950, S. 323 ff. Vgl. Kreikebaum, H.: Strategische Unternehmensplanung, 2., vollst. Überarb. Aufl., Stuttgart u.a. 1987, S. 23 und Wild, J.: Grundlagen der Unternehmensplanung, Reinbek bei Hamburg 1974, S. 32. 44 Sie können auch nach dem Zeitbezug in kurz- mittel- und langfristige Pläne oder nach Hierarchieebenen in Pläne der strategischen, taktischen und operativen Planungsebene unterteilt werden. Siehe hierzu Hoch, M.: Strategische Planung in mittelständischen Unternehmen,

40

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

schaffungs-, Produktions-, Kosten-, Lager-, Personal- und Absatzplanung als Teilpläne unterscheiden. In der vorliegenden Untersuchung liegt der Schwerpunkt auf dem Teilplan des Funktionsbereichs "Produktion" und, bei planübergreifenden Problemen, auf der Abstimmung der Produktionsplanung mit den angrenzenden Teilplanungen.

bb) Die Einbindung der Produktion in das Planungswesen Planung und Steuerung sind nach Gutenberg Teil der dispositiven Produktionsfaktoren. 45 Die Produktion soll durch Planung und Steuerung nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip als Instrument sparsamer Mittelverwendung gestaltet werden. 46 Beim Wirtschaftlichkeitsprinzip gilt es, "eine möglichst hohe Ertragswirkung auszulösen ( M a x i m a l p r i n z i p der Wirtschaftlichkeit), oder eine bestimmte Ertragswirkung mit möglichst niedrigen Kosten zu bewirken ( M i n i m a l p r i n z i p)". 4 Unter Produktionsplanung wird ein "auf die Zukunft gerichtetes, ordnendes Denken (verstanden; Anm.d.V.), bei dem unter verschiedenen Möglichkeiten der Produktionsgestaltung Entscheidungen zu treffen sind". 48 Sie beschäftigt sich mit der geistigen Ordnung eines effizienten Zusammenwirkens von Produktionsfaktoren unter Nutzung wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse, mit deren Hilfe das Leistungsprogramm eines Unternehmens für einen Planungszeitraum zielgerecht festgelegt wird. Die Produktionsplanung beginnt mit dem Festlegen von Zielen für den Produktionsbereich. 49 Sie umfaßt alle einmaligen Maßnahmen vor Aufnahme der Fertigung und plant die Aufträge mengen-, termin- und kapazitätsmäßig ein. Sie endet mit der Auftragsfreigabe von Bestellaufträgen bei Fremdbezug

Diss., Pfaffenweiler 1989, S. 21; vgl. auch Zahn, E.: Strategische Planung - Zur Steuerung der langfristigen Unternehmensentwicklung, Berlin 1979, S. 216 f. Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 2 f. 46 Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 471. 47 Schäfer, E.: Die Unternehmung, 4., neubearb. u. erw. Aufl., Köln / Opladen 1961, S. 291; vgl. Bea, F.X.: Rentabilität, in: Kosiol, E. / Chmielewicz, K. / Schweitzer, M . (Hrsg.): H W R , 2., völlig neu gest. Aufl., Stuttgart 1981, Sp. 1455 und Refa (Hrsg.): Methodenlehre des A r beitsstudiums, Teil 1, Grundlagen, 5. Aufl., München 1976, S. 34 ff. 48

49

Ellinger, Ablaufplanung, S. 14. Vgl. Laßmann, G.: Produktionsplanung, in: Grochla, E. / Wittmann, W. (Hrsg.): H W B ,

Bd. 2, 4., völlig neu gest. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 3102 und Adam, D.: Produktionspolitik, 4., völlig neu bearb. und erw. Aufl., Wiesbaden 1986, S. 1 sowie VDI (Hrsg.): Lexikon der Produktionsplanung und -Steuerung, 3. Aufl. des VDI-Taschenbuches T77, Düsseldorf 1983, S. 167.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

41

von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Fertigerzeugnissen, unfertigen Erzeugnissen und von Fertigungsaufträgen bei Eigenerstellung. Für die Planung der Produktion ist die Unterscheidung nach dem Freiheitsgrad von Bedeutung, weil dieser die Flexibilität der Planung anzeigt. Von einem großen Freiheitsgrad der Planung kann ausgegangen werden, wenn das den Auftrag ausführende Personal die Reihenfolge der Bearbeitungsaufträge ändern oder frei bestimmen kann. Ein geringer Freiheitsgrad liegt vor, wenn der Fertigungsplan die Auftragsreihenfolge und die genauen Kapazitäten vorgibt, wobei das Bedienerpersonal bei Störungen notwendige Änderungen selbsttätig durchführen darf. Bei einem sehr geringen Freiheitsgrad ist selbst bei Störungen mit der Planungsabteilung Rücksprache zu halten. 51 Häufig wird die Planung der Produktion nicht nach dem Freiheitsgrad der Planung, sondern nach Inhalten, Aufgaben, Fristigkeit oder Hierarchieebenen unterschieden. Beispielsweise unterteilt Gutenberg die Produktionsplanung nach den zu erfüllenden Aufgaben in drei Bereiche. Der erste Bereich bildet die Produktionsprogrammplanung, der zweite die Bereitstellungsplanung und der dritte die Prozeßplanung. Die Produktionsprogrammplanung bestimmt die Breite und Tiefe des Produktionsprogramms und ist mit dem Erzeugnisprogramm der langfristigen Absatzplanung abzustimmen. 53 Die Produktionsprogrammplanung kann sowohl mittel- als auch langfristig ausgelegt werden. Wird die Produktionsprogrammplanung langfristig angelegt, d.h. wird zum Beispiel nur die Art der zu fertigenden Produkte bestimmt oder werden nur die dazu benötigten Kapazitäten bereitgestellt, ist sie Bestandteil der langfristigen Pro-duktionsplanung. 54 Die mittelfristige Programmplanung legt die Produktarten in ihren Varianten und grobe Produktionsmengen für die jeweiligen Erzeugnisarten in der Folgeperiode fest. Sie ist der Prozeßplanung vorgeschaltet.

50

Vgl. Schweitzer,

2i\xchAWF

M.: Einführung in die Industriebetriebslehre, Berlin 1973, S. 128. Vgl.

(Hrsg.): Mitteilungen des Ausschusses für wirtschaftliche Fertigung e.V., Begriffs-

klärungen Fertigungsplanung - Fertigungssteuerung, 35. Jg. 1960, Nr. 9, S. 45. 51 Vgl. Wiese, M.: Wirtschaftlichkeitsbeurteilung EDV-gestützter Fertigungssteuerungssysteme, Berlin 1979, S. 20 f. 52 Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 151 ff. 53

Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 156 f.

54

Sie wird in dieser Arbeit mit der langfristig dispositiven Arbeitsvorbereitung gleichge-

setzt.

42

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Die Bereitstellungsplanung hat die Aufgabe, die benötigten Betriebsmittel, Arbeitskräfte und Werkstoffe rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. 55 Sie ist meistens mittelfristiger Natur, kann aber auch langfristiger und sehr kurzfristiger A r t sein. Sie ist langfristig, wenn eine grobe Bedarfsvorschau innerhalb der langfristigen Produktionsplanung vorgenommen wird. Beispielsweise kann grob überprüft werden, ob - langfristig genügend Kapazitäten bereitstehen, - neu zu investieren ist, - die Lieferanten für die geplanten Produktionszahlen genügend Einsatzteile bereitstellen können oder - neue Lieferanten zu aquirieren sind. Auch die Auswahl der Lieferanten ist als ein langfristiges Problem der Bereitstellungsplanung zuzurechnen. Kurzfristiger Natur ist die Bereitstellungsplanung, wenn sie sich auf die Planung der Materialien für bestimmte Aufträge bezieht und bestimmt, welche Bestellungen hierfür getätigt werden müssen. 56 cn

Die Prozeßplanung, auch Durchführungsplanung oder Ablaufplanung - bei Kilger Vollzugsplanung 58 - genannt, ist kurzfristiger Natur und umfaßt die eigentlichen Funktionen wie die Auftragsgrößen-, Termin-, Reihenfolgeund Kapazitätsplanung, die Planung der Zwischenläger sowie die Bestimmung des einzusetzenden Verfahrens. Zudem soll sie die Planung der Produktionskosten unterstützen. 59 Die Planungsfunktionen sind nur dann Teil der Prozeßplanung, wenn die Planung für zu fertigende Erzeugnisse vollzogen wird. Bei Fremdbezug sind sie der Bereitstellungsplanung zuzuordnen. Die Prozeßplanung ist nicht mehr für die Schaffung der allgemeinen Produktionsvoraussetzungen zuständig, sondern bezieht sich auf geplante oder erteilte Aufträge und die Reihenfolge der Einplanung dieser Aufträge, um die jeweils benötigten Mengen zu bestimmten Terminen fertigstellen zu können. 6 0 Sie konkretisiert die mittel- bis langfristigen Planungen und sieht 55

Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 173. Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 189. 57 Vgl Kilger, W.: Optimale Produktions- und Absatzplanung, Opladen 1973, S. 39. Gutenberg setzt Prozeß- und Ablaufplanung nicht gleich. Für ihn ist Ablaufplanung ein Teil der Prozeßplanung. Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 199. 56

58 Vgl. Kilger, Optimale, S. 39. Hilke und Krycha sehen dagegen in Anlehnung an Gutenberg die Vollzugsplanung als Oberbegriff für die Ablauf- und Bereitstellungsplanung. Vgl. Hilke, W.: Zielorientierte Produktions- und Programmplanung, Neuwied 1978, S. 1 und Krycha, K.T.: Methoden der Ablaufplanung, Frankfurt am Main / Zürich 1972, S. 5. 59

Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 233. Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, Die Produktion, 24., unveränderte Aufl., Berlin u.a. 1983, S. 149 / 200 sowie Ellinger, Ablaufplanung, S. 17. Z u r Ablaufplanung vgl. auch Mensch, G.: Ablaufplanung, Köln / Opladen 1968. Ob bereits in der 60

I. Begriffe und ihre Entwicklung

43

die Determinanten dieser Planungen, wie beispielweise den Maschinenbestand, als Datum an. Hilfsmittel für die Prozeßplanung sind die Stücklisten und Arbeitspläne, mit deren Erstellung die Prozeßplanung beginnt. Anhand der Stückliste werden die Bedarfsmengen erfaßt, im Arbeitsplan werden die Arbeitsfolge festgelegt sowie die Durchlaufzeiten und Transportvorgänge geplant. 61 Beste und von Kortzfleisch gliedern die Planung der Produktion neben Inhalten auch nach Fristigkeiten. Sie unterscheiden eine langfristige Produktionsprogrammplanung und fassen weiterhin die mittel- und kurzfristige Planung zur Planung des Auftragsprogramms zusammen, innerhalb dessen der Produktionsvollzug zu planen ist. 2 Bergner untergliedert letzteren in eine Planung des Auftragsprogramms mit den kurzfristigen Planungs- und Steuerungsaktivitäten für Bestell- und Fertigungsaufträge und eine Planung des Produktionsprogramms 63 , welche die zu produzierenden Produkte der Produktionsliste nach A r t und grober Menge festlegt. 64 Die Definitionen im Schrifttum bezüglich der Planungsebenen und Zeithorizonte sind in Abbildung B.2 dargestellt. Wie ersichtlich ist, wird Gutenberg in die Abbildung mit aufgenommen, obwohl er die Produktionsplanung nach Aufgaben und Inhalten gliedert. Dies ist insofern gerechtfertigt, weil anhand seiner Ausführungen grob Fristigkeiten eingeteilt werden können. I m Unterschied zu den oben genannten Stellen sind bei den Vertretern der neueren PPS-Literatur die zeitlichen Kriterien dominierend, weil computergestützte Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssysteme (also PPS-Systeme) durch das sukzessive Ablaufen der Planungsschritte eine festgelegte, zeitlich geordnete Ablaufstruktur verlangen. Die neuere PPSLiteratur untergliedert die Produktionsplanung und -Steuerung nach den Kriterien "Hierarchieebenen" und "Frostigkeit" in die langfristige Planung des Produktionsprogramms, die mittelfristige Produktionsplanung und die

Planungsphase oder erst bei der Lenkung auftragsweise geplant wird, ist aber abhängig vom Fertigungstyp. Die Ablaufplanung bei Massenfertigung ist so beispielsweise vom konkreten Auftrag unabhängig, weil dort erst bei Freigabe eine auftragsweise Einplanung vorgenommen wird. 61

62

Vgl. Mellerowicz,

Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 443.

Vgl. Beste, Th.: Fertigungsprogramm, in: Seischab, H. / Schwantag, K.: H W B , 3., völlig neu6 bearb. Aufl., Bd. 1, Stuttgart 1956, Sp. 1752. 3 Z u m Teil finden sich hierfür auch die Bezeichnungen "Planung des Erzeugnisprogramms" oder "Planung des Leistungsprogramms"; vgl. Krüger, G.: Planung des Erzeugnisprogrammes, in: Agthe, K. u.a. (Hrsg.): Produktion, Baden-Baden / Bad Homburg v.d. Höhe 1967, S. 87 ff. 64 Vgl. Bergner, Filmwirtschaftslehre, Bd. l / I I I , S. 54.

Β Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

44

Zeithorizont langfristig

mittelfristig

kurzfristig

Planung des Produktionsprogramms

Planung des Auftragsprogramms

Planung des Auftragsprogramms

Planung des Produktionssortiments Planung der Produktionsliste

Planung des Auftragsprogramms Planung des Produktionsprogramms

Planung des Auftragsprogramms

Planung des Produktionsprogramms

Bereitstellungsprogramm

Prozeß-/ Ablaufplanung

Planung des Produktionsprogramms

Mittelfristige Produktionsprogrammplanung

Kurzfristige Produktionsplanung

Quelle Beste

von Kortzfleisch

Bergner Gutenberg

Vertreter der PPS-Systeme (z.B. : Zäpfel, Schneeweiß)

Planung des Auftragsprogramms

Abbildung B.2: Planungsebenen und Zeithorizonte (synoptische Zusammenfassung aus dem Schrifttum)

kurzfristige Produktionsplanung. 65 Die mittel- und kurzfristige Produktionsplanung faßt Zäpfel zur operativen Programmplanung zusammen. 66 Die Aufgaben der langfristigen Produktionsplanung sind bei ihm Bereiche der taktischen und strategischen Planungen, während die mittel- bis kurzfristige Programmplanung Teil der operativen Planung ist, so daß die opertive Planung mittel- bis kurzfristige Entscheidungen mit einem Horizont von höchstens einem Monat zu treffen hat. 6 7 Dabei konkretisieren die Strate-

65

Vgl. Schneeweiß, Chr.: Einführung in die Produktionswirtschaft, 3., revidierte Aufl., Ber-

lin u.a., 1989, S. 21; vgl. auch Kurbel, K.: Software Engineering im Produktionsbereich, Wiesbaden 1983, S. 15 f. Kurbel setzt dabei langfristig und strategisch, mittelfristig und taktisch, kurzfristig und operativ gleich. Obwohl es sich hier das eine Mal um Strategien, das andere Mal um den Zeitbezug handelt, erscheint diese Gleichsetzung für den Bereich der Produktionsplanung - im Gegensatz für die Planung des Absatzbereichs - möglich, weil bei beiden Sichtweisen die Inhalte der Produktionsplanung deckungsgleich sind. Vgl. Hoch, S. 23 ff. 66

S. 197.

Vgl. Zäpfel, G.: Strategisches Produktions-Management, Berlin / New York 1989,

I. Begriffe und ihre Entwicklung

45

gien der operativen Planung die übergeordneten Strategien der taktischen und strategischen Planung. /o

I n Anlehnung an Kaluza wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwischen einer langfristigen Produktionsplanung, in der das Produktionsprogramm nach der Art der zu fertigenden Erzeugnisse festgelegt wird, einer mittelfristigen Produktionsplanung, die Mengen und Sorten grob determiniert, und einer kurzfristigen Produktionsplanung, die einzelne Aufträge plant, unterschieden. Langfristige und strategische Produktionsplanung werden dabei gleichgesetzt, weil beide Sichtweisen die Festlegung der zu produzierenden Güter sowie der Bedingungen zum Erlangen der Produktionsbereitschaft als ihre Aufgabe ansehen, und beide den Rahmen für die kurzfristigen Aufgaben vorgeben. Ebenso werden kurzfristige und operative Produktionsplanung gleichgesetzt, da beide durch die kurzfristige Produktionsprogrammplanung und die Planung konkreter Aufträge charakterisiert werden. Die fertigungsbegleitenden Maßnahmen in bezug auf die konkreten Aufträge sind der Produktionssteuerung zuzuordnen.

b) Die Produktionssteuerung Während die Planung auf die Zukunft gerichtet ist, bezieht sich die Steuerung auf die Gegenwart. Die Steuerung kann sich der Improvisation bedienen, wohingegen das durchdachte Entscheiden ein Merkmal der Planung ist. Unter Steuerung soll die Beeinflussung des Verhaltens eines Systems auf ein bestimmtes Ziel hin verstanden werden. 69 Die Produktionssteuerung umfaßt die Durchsetzung und Kontrolle des Produktionsplanes und der dabei gefällten Entscheidungen; 70 sie betrifft alle Maßnahmen, die zur laufenden Abwicklung eines Auftrages erforderlich sind. 7 1 M i t Hilfe der Funktionen "Auftragsveranlassung" und 'Auftragsüberwachung" soll die Veranlassung, Überwachung und Sicherung der Produktion hinsichtlich 67

Vgl. Zäpfel, G.: Taktisches Produktionsmanagement, Berlin, New Y o r k 1989, S. 2 ff. Z u r Einteilung in strategische, taktische und operative Planungen vgl. auch Adam, D.: Produktionspolitik, 2. Aufl., Wiesbaden 1977, S. 224 f. 68

Vgl. Kaluza, B.: Erzeugniswechsel als unternehmenspolitische Aufgabe, Berlin 1989, S. 64 ff. 69

Vgl. Lindemann, P.: Regelungstechnik, in: Grochla, E. (Hrsg.): H W O , Stuttgart 1969, Sp. 1441. 70 Vgl. Wagner, H.: Produktionssteuerung, in: Grochla, E. / Wittmann, W. (Hrsg.): H W B , Bd. 2, 4., völlig neu gest. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 3121 und Ellinger, Th. / Wildemann, H.: "Schriftenreihe "Produktionsplanung und Produktionssteuerung", Merkblatt 1, Planung und Steuerung der Produktion - Wirkungsvoll und wirtschaftlich, 2. Aufl., Frankfurt 1979, S. 5.

71

Vgl. Bußmann, Fertigungssteuerung in Industriebetriebstypen, S. 63.

46

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Termin, Menge, Kosten, Qualität und Arbeitsbedingungen zielgerecht erfüllt werden. Demzufolge hat die Produktionssteuerung die im Rahmen der Produktionsplanung aufgestellten Anweisungen für den Fertigungsprozeß zu realisieren und das benötigte Produktionspotential bereitzustellen. Kühlhorn differenziert die Planung und Steuerung nach der Häufigkeit der Aufgabe innerhalb einer Periode. Zur Planung sind dabei alle Aufgaben zu rechnen, die einmalig durchzuführen sind, die Steuerung hingegen umfaßt die mehrmaligen, wiederkehrenden Aufgaben in einer Periode. Sie beginnt in der Produktion mit der Freigabe der Fertigung. 73 Diese Abgrenzung wird auch bei der Zuordnung der Funktionen im PPS-System zur Produktionsplanung oder der Produktionssteuerung beibehalten. Der Übergang zwischen Planung und Steuerung ist fließend und oft nicht genau bestimmbar. Die durch die Planung grob vorgegebenen Produktionsaufgaben müssen in ein detailliertes, mit konkreten Einzelaufträgen, Terminen und Kapazitätsangaben versehenes Arbeitsprogramm übersetzt werden. 74 Die Produktionssteuerung betrifft insoweit Beschaffungsvorgänge, indem die Bestellaufträge freigegeben und die Bestellungen bis zum Wareneingang überwacht werden. Weiterhin kontrolliert und überwacht sie die Produktionsdurchführung von der Auftragsfreigabe bis zur Fertigstellung der Produkte, ermittelt die Abweichungen vom Plan, greift bei Störungen lenkend ein und leitet bei neuen Bedingungen Anpassungsmaßnahmen ein. Sie umfaßt demnach die Bereiche Fertigungs- und Bestellauftragssteuerung. 75

72

Vgl. Kittel, Th.: Beitrag zur Aktualisierung von Plandaten EDV-gestützter Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme auf der Basis EDV-maschinell erfaßter Betriebsdaten, Diss., Aachen 1983, S. 3 ff.; Speith, G.: Vorgehensweise zur Beurteilung und Auswahl von Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen für Betriebe des Maschinenbaus, Diss., Aachen 1982, S. 113; Virnich, M.: Voraussetzungen schaffen für eine erfolgreiche Auswahl und Einführung von PPS-Systemen, in: Hackstein, R. (Hrsg.): Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme - Auswahl und Einführung im Klein- und Mittelbetrieb, Köln 1985, S. 1 ff. 73 Vgl. Kühlhorn, H.: Fertigungsplanung - Fertigungssteuerung, Sonderdruck aus IndustrieAnzeiger, Nr. 104 / 105 vom 31.12.1954, Essen 1954, S. 37. 74 Vgl. von Kortzfleisch, 1969, Sp. 165 f.

G.: Arbeitsvorbereitung, in: Grochla, E. (Hrsg.): H W O , Stuttgart

75

Vgl. Dorninger, C. / Janschek, O. / Olearczick,

E. / Röhrenbacher, H.: PPS, Produktions-

planung und -Steuerung - Konzepte, Methoden und Kritik, Wien 1990, S. 33 / 305. Vgl. auch Refa (Hrsg.): Methodenlehre der Planung und Steuerung, Teil 3, Steuerung, München 1974 / 75, S. 7.

47

I. Begriffe und ihre Entwicklung

Die Produktionssteuerung wird auch als "Fertigungssteuerung" bezeichnet. 7 6 Wie in Kapitel B.I.l erörtert, werden bei Verwendung der Bezeichnung "Fertigungssteuerung" die Funktionen auf den Fertigungsbereich eines Industriebetriebs bezogen. Die Begriffe "Produktionsplanung" und "Produktionssteuerung" umfassen dagegen auch Dienstleistungsunternehmen und die Bereiche Einkauf, Vertrieb und Verwaltung. Sie beziehen sich damit nicht nur auf die Planung und Steuerung der Fertigung, sondern auch auf die Ausführung einer Dienstleistung. 77 70

Zuweilen wird auch der Ausdruck "Fertigungsregelung" verwendet, was damit begründet werden kann, daß es sich bei der "Fertigungssteuerung" nicht um eine Steuerkette, sondern um einen Regelkreis handelt. Das Regelkreisprinzip entsteht durch den Informationskreislauf, der durch die Rückkopplung der Ist-Daten der Produktion zu den Soll-Daten der Planung geschlossen wird. Die Bezeichnung "Fertigungssteuerung" hat sich allerdings weitgehend durchgesetzt, weil die in der Praxis umgesetzten, herkömmlichen PPS-Systeme die Regelkreisbetrachtung meist nicht enthalten. 79 Häufig findet sich für die Produktionssteuerung auch der Terminus "Fertigungslenkung". 80 Der Ausdruck "Lenkung" ist der Bezeichnung "Steuerung" vorzuziehen, weil die Steuerung für gewollte Veränderungen mit mehreren, freien Handlungsalternativen eingesetzt wird, während die Lenkung für erzwungene Maßnahmen bei Störungen oder geänderten Bedingungen verwendet wird. Es ist ein Ziel der PPS-Systeme, auch kurzfristig selbsttätig auf die Pläne einzuwirken und diese zu verbessern, so daß bei PPS-Systemen besser von "Steuerung" gesprochen wird. In der Praxis herrscht jedoch die "Lenkung" in der Produktion vor, da es meist darum geht, die Produktion einigermaßen störungsfrei durchzuführen und die Produktionspläne grob einzuhalten, weshalb oft nur bei Störungen lenkend eingegriffen wird. 1 Mellerowicz definiert die Lenkung der Arbeit als kurzfristige Materialbereitstellung, Steuerung der Arbeitsausführung und Kon-

76 Vgl. Bußmann, Fertigungssteuerung in Industriebetriebstypen, S. 63. Anstelle der Bezeichnung "Fertigungssteuerung" findet sich auch der Ausdruck "Werkstattsteuerung". Vgl. Bendeich, E.: Datenerfassung im Produktionsbereich, Mainz 1977, S. 14. 77 Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 441; Opitz, H. (Hrsg.): Produktionsplanung - Konstruktion - Arbeitsvorbereitung, Essen 1971, S. 106. 78 Vgl. Hahn, R. / Kunerth, W. / Roschmann, K.: Fertigungssteuerung mit elektronischer Datenverarbeitung, 3., unveränderte Aufl., Berlin u.a. 1972, S. 15. 79 Vgl. Hahn / Kunerth / Roschmann, S. 15. 80 Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 439. 81 Vgl. Nosko, H.: EDV-Einsatz zur Planung und Steuerung des Produktionsprozesses, in: Der Betriebsleiter, o. Jg. 1988, H. 5, S. 29 ff.

48

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

trolle derselben. Steuerung ist in seiner Terminologie nur ein Teilbereich der Lenkung. 8 2 Obwohl sich die Bezeichnung "Produktionssteuerung" in der jüngeren Literatur überwiegend durchgesetzt hat, sollen innerhalb dieser Untersuchung die Begriffe "Produktionssteuerung", "Fertigungssteuerung" und "Fertigungslenkung" synonym verwendet werden. Den Definitionen ist gemeinsam, daß es zum Wesen der Produktionssteuerung gehört, die Produktionsentscheidungen durchzusetzen und den Produktionsplan zu kontrollieren. Überdies ist die Produktionssteuerung gegenwartsbezogen und enthält häufig wiederkehrende Aufgaben. I n der vorliegenden Untersuchung wird die Definition von Wagner und Ellinger / Wildemann herangezogen, wie sie oben beschrieben wurde. In ihr sind die bedeutsamen Merkmale enthalten. In der neueren, insbesondere der technischen Literatur, wird die Bezeichnung "Fertigungssteuerung" oft anders definiert. Hier werden zusätzlich die Funktionen "Fertigungsauftragsbildung" und "Terminrechnung" in den Bereich der Fertigungssteuerung einbezogen, dagegen die Bestellüberwachung und die Beschaffung fremdbezogener Teile ausgegrenzt. 83 Für die Überwachung und Arbeitsverteilung wird dann als Fertigungssteuerung im engen Sinne die Bezeichnung "Werkstattsteuerung" eingesetzt. 84 Planung, Steuerung und Kontrolle bilden die Grundbausteine der E D V gestützten PPS-Systeme, wie sie ab den sechziger Jahren entwickelt wurden. Zunächst soll daher der Begriff des PPS-Systems, insbesondere der Systemgedanke, erläutert werden.

82

Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 439. Schweitzer definiert es genau umgekehrt. Bei ihm sind Lenkung und Bereitstellung der Fertigung Unterfunktionen der Steuerung. Vgl. Schweitzer, M.: Industrielle Fertigungswirtschaft, in: Schweitzer, M . (Hrsg.): Industriebetriebslehre, Das Wirtschaften in Industrieunternehmungen, München 1990, S. 639. 83 Vgl. Zülch, G.: Systematisierung von Strategien der Fertigungssteuerung, in: Zahn, E. (Hrsg.): Organisationsstrategie und Produktion, München 1990, S. 153. Diese Definition kann insbesondere bei der Durchsicht der Literatur zu den neueren Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung zu Verwirrungen führen. Vgl. Hackstein, R. / Malsbender, G.: Betriebsdatenerfassung und Werkstattsteuerung mit > intelligenten Terminals < , in: Arbeitsvorbereitung, 18. Jg. 1981, H. 2, S. 36.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

49

3. Das PPS-System: Mittel zur Erfüllung der Funktionen "Produktionsplanung" und "Produktionssteuerung" Die dispositiven mittel- und kurzfristigen Aufgaben der Produktionsplanung und Produktionssteuerung sind die Hauptbestandteile eines PPS-Systems. Der Begriff "PPS-System" wird einerseits charakterisiert durch den Systemgedanken, andererseits durch das Begriffspaar Produktionsplanung und -Steuerung, wie im folgenden näher erläutert wird.

a) Die Produktionsplanung und -Steuerung im PPS-System M i t der Entwicklung der Elektronischen Datenverarbeitung ( E D V ) verdrängt der Begriff "Produktionsplanung und -Steuerung" im zunehmenden Maße den Begriff der Arbeitsvorbereitung. Oft werden die beiden Begriffe weitgehend synonym verwendet. Diese Gleichsetzung ist aber problematisch, weil die PPS-Systeme lediglich den mittel- bis kurzfristigen dispositiven Teil der Arbeitsvorbereitung abdecken. 85 Ein PPS-System läßt sich als umfassendes, kurzfristiges Produktionsplanungssystem mit den Teilbereichen der Produktionsplanung, -Steuerung und -kontrolle sowie eine die Teilbereiche übergeordneten Funktion der Datenverarbeitung definieren. Es ist damit ein "System zur mengen-, termin- und kapazitätsgerechten Planung, Veranlassung und Überwachung der Produktionsabläufe" 6 und zeichnet sich durch eine weitgehend sukzessive Vorgehensweise aus. Den PPS-Systemen werden üblicherweise die Funktionen Produktionsprogrammplanung, Mengenplanung, Termin- und Kapazitätsplanung, Auftragsveranlassung und Auftragsüberwachung sowie die Datenverarbeitung zugeordnet. PPS-Systeme dienen als Mittel zur Erfüllung der Funktionen der Produktionsplanung und Produktionssteuerung. Die Aufgaben und Inhalte der PPS-Systeme resultieren folglich aus den betriebswirtschaftlichen Modellen der traditionellen Arbeitsvorbereitung und decken die von Guten-

85

Vgl. Hackstein, R.: Produktionsplanung und -Steuerung (PPS) - Ein Handbuch für die Betriebspraxis, Düsseldorf 1984, S. 3 f. 86 Virnich, M.: Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung (PPS), hrsg. v. Forschungsinstitut für Rationalisierung, Technische Hochschule Aachen 1984, Skript, S. 1; vgl. auch Kurrle, S. 60. 4 Schwarzmaier

50

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

berg beschriebenen Bereiche der mittelfristigen Produktionsprogrammplanung, der Bereitstellungsplanung und der Prozeßplanung ab. 8 Einige Autoren definieren ein PPS-System als ein rechnergestütztes System zur Planung, Steuerung und Überwachung der Produktion von der Ausarbeitung der Angebote bis zum Versand. 88 Obwohl die meisten eingesetzten PPS-Systeme rechnergestützt sind, ist der Rechnereinsatz keine zwingende Voraussetzung für die Planung und Steuerung der Produktion. Sie ist auch mit konventionellen Hilfsmitteln denkbar. In der Betriebswirtschaftslehre sind vielmehr Aussagen grundsätzlicher Natur zu treffen, so daß "der tatsächlich zur Zeit oder in Zukunft erreichte Stand von Automation und / oder Integration aufgrund ADV-gestützter Systeme nicht von überragender Bedeutung" 89 zur Generierung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse ist. Der Betriebswirtschaftler hat demnach die Methode zu beurteilen, wobei die Frage des eingesetzten Hilfsmittels zweitrangig und nur insofern zu beachten ist, als das Hilfsmittel auf die Methode und die Abläufe in der Produktion einwirkt. In der Praxis hat sich aufgrund des Einsatzes der E D V in der Produktionsplanung und -Steuerung der Begriff "PPS-System" durchgesetzt. In dieser Arbeit soll deshalb ein PPS-System in seinem Aufbau dargestellt werden und als Vergleichsgrundlage für die Untersuchungen der neueren Systeme herangezogen werden. Dies geschieht aus der Überlegung heraus, daß ein in Software umgesetztes PPS-System in seinen Inhalten und seinem Umfang systematisierbar und abgegrenzt ist, während eine auf konventionellen Hilfsmitteln basierende Produktionsplanung und -Steuerung aufgrund der Vielzahl der angrenzenden Aufgaben hinsichtlich der Vielfalt der Ausgestaltungsmöglichkeiten nur schwer eingrenzbar ist. Ohne den Systemgedanken aber kann die Produktionsplanung und -Steuerung nicht automatisiert werden.

87

Vgl. Adam, D.: Aufbau und Eignung klassischer PPS-Systeme, in: Adam, D. (Hrsg.): Fertigungssteuerung I, Systeme zur Fertigungssteuerung, Wiesbaden 1988, S. 8 und Gutenberg, 1983, 88 S. 147 ff. Vgl. Henning, R. / Freiherr

von Loeffelholz,

F.: Einheitliche Begriffe für PPS-Module, in:

CIM-Management, 5. Jg. 1989, Η . 1, S. 55 und Zäpfel, Strategisches, S. 190. 89 Bergner, Z u r betrieblichen Planung, S. 28.

I. Begriffe und ihre Entwicklung

51

b) Der Systemgedanke im PPS-System Nachdem die Systemtheorie in die Betriebswirtschaftslehre Eingang gefunden hat, 9 0 wird der Systemgedanke, insbesondere das Regelkreismodell, seit den siebziger Jahren auch auf den Bereich der Arbeitsvorbereitung angewendet. 91 Zumeist wird die Systemtheorie als Oberbegriff für die Kybernetik interpretiert. Während die Systemtheorie statische und dynamische Systeme umfaßt, bezieht sich die Kybernetik mit den Bereichen Regelungs- und Informationstheorie lediglich auf dynamische Systeme. 92 Flechtner definiert die Kybernetik als "die allgemeine, formale Wissenschaft von der Struktur, den Relationen und dem Verhalten dynamischer Systeme".93 In seiner Definition wird der dynamische Charakter der Kybernetik und die inhaltlichen Bestandteile des Systems hervorgehoben. Haidekker stellt die Steuerung und die Regelung als Hauptmerkmale der Kybernetik heraus. Seiner Ansicht nach hat die Kybernetik "im wesentlichen die Lehre von den Regelungen und Steuerungen zum Inhalt". 94 Systeme benötigen Informationen, damit sie zielgerecht gesteuert und geregelt werden können. Sie bestehen aus Funktionen, den Elementen oder Subsystemen, den Beziehungen der einzelnen Elemente zueinander sowie dem Verhalten der Elemente. 95 Hinsichtlich der Wirkungsweise eines Systems oder mehrerer verbundener Systeme lassen sich zwei Prinzipien unterscheiden: die Regelung und die Steuerung. Als Steuerung definiert der Deutsche Normenausschuß einen Vorgang, "bei dem eine oder mehrere Größen als Eingangsgrößen andere Größen als Ausgangsgrößen aufgrund der dem System eigentümlichen Ge90

Insbesondere die Schrift von Wiener war hier richtungsweisend. Wiener, N.: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine, Cambridge (Mass.) / New Y o r k / Paris 1948. Zur Systemtheorie vgl. von Kortzfleisch, G. / Krallmann, H.: Industrial Dynamics, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 725-733 und Milling, P.: Strategische Planungs- und Kontrollsysteme zur Unterstützung betrieblicher Lernprozesse, in: Milling, P. (Hrsg.): Systemmanagement und Management-Systeme, Festgabe für Gert von Kortzfleisch zum9 170. Geburtstag, Berlin 1991, S. 12 ff. Vgl. Zenner, S. 379. 92 Vgl. Lehmann, H.: Kybernetik, in: Grochla, E. / Wittmann, W.: H W B , Bd. 2, 4., völlig neu|est. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 2412 und Wicharz, S. 33. Flechtner, H J . : Grundbegriffe der Kybernetik - eine Einführung, Stuttgart 1967, S. 10. 94

Haidekker,

Α.: Beeinflussung der Nachfrage durch kybernetische Modelle, Neuwied,

Berlin 9 5 1970, S. 14. Vgl. Wicharz, S. 34.

52

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

setzmäßigkeiten beeinflussen. Kennzeichen für das Steuern ist der offene Wirkunesablauf über das einzelne Übertragungsglied oder die Steuerkette". 9 Nach derselben DIN-Norm ist die Regelung ein Vorgang, "bei dem eine zu regelnde Größe (Regelgröße) fortlaufend erfaßt, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße, verglichen und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflußt wird. Der sich dabei ergebende Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis, statt". 97 Während beim Durchlaufen mehrerer Systeme nacheinander die Regelung Rückkopplungen enthält, ist die Steuerung eine Verknüpfung von Elementen nach einer linearen Strecke, die kein Zurückgreifen auf ein bereits durchlaufenes, vorgelagertes und gesteuertes Subsystem ermöglicht. 98 Ein Regelkreis ist einer Steuerkette in einer komplexen Umwelt vorzuziehen, weil mit Hilfe der Regelung als unzulässig erkannte Pläne nicht von Beginn an neu zu erstellen sind, sondern durch nachträgliche Eingriffe in den aktuellen Planungslauf ein zulässiger Plan generiert werden kann. Innerhalb der Unternehmung als kybernetischem System treten eine Reihe von Regelkreisen zwischen den einzelnen Subsystemen der Unternehmung auf. Als Subsysteme der Unternehmung können beispielsweise das Beschaffungssystem, das Produktionssystem, das Absatzsystem, das Finanzsystem und das Informationssystem zur Führung der Unternehmung genannt werden. Zwischen diesen Subsystemen existieren zahlreiche Informationsregelkreise, beispielsweise zwischen der Produktion und der Geschäftsleitung. Wie alle Systeme können Unternehmenssysteme offen und geschlossen sein. Während geschlossene Systeme keine Beziehungen zu ihrer Umwelt unterhalten, 99 berücksichtigt ein offenes System Einwirkungen anderer Unternehmensbereiche und der Unternehmensumwelt. M i t dem Unternehmenssystem handelt es sich um ein komplexes, dynamisches, offenes und zielorientiertes System. 100 96

D I N 19226 - Steuerungstechnik und Regelungstechnik, hrsg. v. Deutschen Normenaus-

schuß, Berlin / Köln 1968, S. 3. 97

98

D I N 19226, S. 3.

Vgl. Lehmann, Kybernetik, Sp. 2414 f. Zum Regelkreis und dessen Funktionsweise vgl. Milling , P.: Systemtheoretische Grundlagen zur Planung der Unternehmenspolitik, Berlin 1981, S. 150 / 152 ; Pfohl, H.C.: Planung und Kontrolle, Stuttgart u.a. 1981, S. 21 f. und Thome , R.: 9Produktionskybernetik, Berlin 1976, S. 53 ff. 9 Vgl. Fuchs, H.: Systemtheorie, in: Grochla, E. / Wittmann, W. (Hrsg.): H W B , Bd. 3, 4., v ö l l i ^ n e u gest. Aufl., Stuttgart 1976, Sp. 3825. Vgl. Ulrich. H.: Die Unternehmung als produktives soziales System, 2., überarbeitete Aufl., Bern / Stuttgart 1970, S. 155 ff.; Ulrich, H.: Der systemorientierte Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre, in: von Kortzfleisch, G. (Hrsg.): Wissenschaftsprogramm und Ausbil-

I. Begriffe und ihre Entwicklung

53

Das Informationssubsystem als Führungsunterstützungssystem kann unter anderem in die Bereiche Planung und Rechnungswesen untergliedert werden. Während zwischen der Produktionsplanung und den weiteren Subsystemen als Teile des Unternehmenssystems mehrere Informationsregelkreise vorliegen, basieren die meisten PPS-Systeme als Mittel zur Durchführung der Produktionsplanung und -Steuerung auf dem Prinzip der Steuerung. Die Ursache dafür liegt in der einfacheren Vorgehensweise der Steuerung. Daraus folgt, daß die meisten modifizierten und herkömmlichen PPSKonzepte diesen Aspekt in den Vordergrund stellen. Es sei jedoch schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß in Kap. D . I I I ein neuerer Ansatz, der auf dem Regelungsprinzip basiert, vorgestellt w i r d . 1 0 1 Der Produktionsbereich und dessen Planung ist, vergleichbar dem übergeordneten System des Industriebetriebs, ein komplexes, dynamisches, offenes und zielorientiertes Unternehmenssubsystem. Wie bei allen offenen Systemen wirken vielfältige Einflüsse der Umwelt auf den Produktionsbereich ein. Auch innerhalb des Subsystems bestehen vielfältige Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen. Trotz dieser Bedingungen ist eine Programmierbarkeit der planerischen Systemabläufe innerhalb der Produktion möglich, weil viele der innerbetrieblichen Beziehungen bekannt und damit planbar sind. Problematisch ist allerdings die Erfassung der zukünftigen Außeneinflüsse. Die Systemtechnik ermöglicht es, komplexe betriebliche Zusammenhänge in Modellen zu veranschaulichen und Beziehungen zwischen den Elementen aufzuzeigen, weshalb die Planung, Gestaltung und Steuerung der betrieblichen Abläufe erleichtert w i r d . 1 0 2 Dies geschieht dadurch, daß das System "Produktionsplanung und -Steuerung" in verschiedene Subsysteme unterteilt wird. Als Subsysteme bieten sich die Teilfunktionen der Produktionsvorbereitung, wie zum Beispiel die Mengenplanung oder die Terminund Kapazitätsplanung, an. Sie konkretisieren die zu erfüllenden Aufgaben der Planung und Steuerung der Produktion. Diese Funktionen bilden wiederum den Ausgangspunkt neuerer Verfahren. Bevor auf die Funktionen eingegangen wird, soll zunächst die Geschichte der Arbeitsvorbereitung vorgestellt werden, weil außer einer begrifflichen Entwicklung von der Arbeitsvorbereitung zu den PPS-Systemen auch eine konzeptionelle Weiterent-

dungsziele der Betriebswirtschaftslehre, Bericht von der wissenschaftlichen Tagung in St. Gallen vom 2.-5. Juni 1971, Berlin 1971, S. 49; vgl. Raffée , H.: Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, Göttingen 1974, S. 82. 101 Vgl. Kap D.III.l.a). 102 Vgl. Refa (Hrsg.): Methodenlehre der Planung und Steuerung, Teil 1, Grundlagen, 2. Aufl., München 1975, S. 50.

54

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

wicklung planender und lenkender Tätigkeiten in der Produktion nachvollzogen werden kann.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen der Produktionsplanung und -Steuerung Zum besseren Verständnis der Arbeitsvorbereitung und der PPS-Systeme ist es hilfreich, die historische Entwicklung der Planung und Steuerung in der Produktion zu schildern, weil die Arbeitsvorbereitung verschiedene Entwicklungen durchlaufen hat. 1 0 3 Aus einem Rekurs auf die Entwicklungsgeschichte der Arbeitsvorbereitung kann der Aufbau der PPS-Systeme abgeleitet werden. Hierzu wird zunächst die Entwicklung der Arbeitsvorbereitung bis zu einer an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Arbeitsvorbereitung dargestellt. Danach soll die Weiterentwicklung von der betriebswirtschaftlichen Arbeitsvorbereitung zu den ersten partiellen PPSSystemen, zu den alle mittel- bis kurzfristigen Funktionsbereiche umfassenden Totalmodellen der 70er Jahre bis zu den neuesten Entwicklungen verdeutlicht werden. Dabei wird untersucht, welche Bereiche der Arbeitsvorbereitung in die EDV-gestützten PPS-Systeme umgesetzt sind und welche organisatorischen Änderungen die PPS-Systeme erforderlich machen. Weil Weiterentwicklungen durch bestimmte Einflußfaktoren hervorgerufen werden, sind darüber hinaus die Ursachen für diese Entwicklung der Arbeitsvorbereitung zu suchen.

1. Die Entwicklung der Arbeitsvorbereitung Die Arbeitsvorbereitung als Vorarbeit zur planvollen Umsetzung einer Aufgabe ist nicht erst eine Problematik des modernen Wirtschaftslebens, weil bei jeder planvollen Tätigkeit vorbereitende Maßnahmen zu treffen sind. Allein die großen Herrschaftsgebiete der Römer, Griechen, Ägyptern oder Chinesen haben in den verschiedensten Bereichen für zahlreiche Tätigkeiten gesorgt, die ohne eine gezielte Planung nicht zu verwalten und lenken gewesen wären. 1 0 4 Auch für die Arbeitsvorbereitung als Teil der betrieblichen Planung sind erste Ansätze bereits im Altertum erkennbar. Monumentale Bauwerke wie die Akropolis in Athen, die Pyramiden in Gizeh oder das Colosseum in Rom sind ohne Arbeitsvorbereitung nicht denkbar,

103 104

Vgl. von Kortzfleisch, Betriebswirtschaftliche, S. 11 f. Vgl. Bergner, Zur betrieblichen Planung, S. 1.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

55

1ΛΓ

ebensowenig die großen mittelalterlichen Bauwerke. Für eine betriebliche Planung zur Durchführung einer Aufgabe lassen sich weiterhin beispielhaft "die gründlichen technischen und wirtschaftlichen Planungen der Etrusker auf den Gebieten der Investition und der Beschaffung von Stoffen in Erzbergbau, Eisenschaffender und Nichteisenmetallindustrie" 106 als Beleg anführen. Der häufig zitierte Bedeutungs- und Komplexitätszuwachs planerischer Tätigkeiten ist vor dem Hintergrund dieser Beispiele zu relativier e n . 1 0 7 Trotz der Bedeutung planerischer Tätigkeiten im Altertum muß festgestellt werden, daß die Arbeitsvorbereitung damals weitgehend auf Erfahrungen einzelner Verantwortlicher, zum Beispiel des Architekten, und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhte. Erst mit dem Beginn der Industrialisierung und den Anfängen der industriellen Massenproduktion zu Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt sich die Arbeitsvorbereitung in den entstehenden Industriebetrieben zu einem eigenständigen Bereich innerhalb der Unternehmung. Die betriebliche Arbeitsvorbereitung hat seit der Industrialisierung ständig auf die Einflüsse anderer betrieblicher Funktionen sowie externer Ereignisse, wie z.B. der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts, zu reagieren. Deshalb ist im Zeitablauf ein Wandel der Methoden und Prinzipien der Arbeitsvorbereitung zu erkennen. Bösherz unterteilt die Entwicklung der Arbeitsvorbereitung in drei Phasen. 108 Die erste Phase, die sogenannte implizite Phase, ist die Zeit, in der die Arbeitsvorbereitung lediglich unbewußt ausgeübt wird. Sie wird von einer zweiten Phase, in der die geistigen und körperlichen Aufgaben der Arbeitsvorbereitung getrennt werden, verdrängt. Diese zweite oder differenzierte Phase beginnt um das Jahr 1910 mit T a y l o r 1 0 9 und endet etwa mit dem zweiten Weltkrieg. Die differenzierte Phase wiederum wird von einer dritten Phase, der sogenannten sublimen Phase, in der zunehmend externe Einflüsse des Marktes und der Gesellschaft bei der Gestaltung berücksichtigt werden, abgelöst. In der vorliegenden Untersuchung wird die Entwicklung der Arbeitsvorbereitung in Anlehnung an Bösherz in drei Stufen dargestellt, wobei die dritte Phase gegenüber Bösherz zeitüch verschoben wird und nicht direkt 105 Vgl. hierzu die Dissertation von: Eichler, J.: Geschichte der betrieblichen Arbeitsvorbereitung, Diss., Pfaffenweiler 1986, S. 26-87 sowie Schulz, S. 23 und Hilf H.H.: Einführung in die Arbeitswissenschaft, 2., erw. Aufl., Berlin / New York 1976, S. 26 f. 106 107

Bergner, Zur betrieblichen Planung, S. 1.

Vgl. Kap. A.I.; vgl. Wiendahl, und Eignung, S. 6.

Grundlagen neuer Verfahren, S. 7 und Adam, Aufbau

108

Vgl. Bösherz, F.: Die Arbeitsvorbereitung, Aufgaben und Gestaltung in einer sich wandelnden Wirtschaft, Grafenau 1981, S. 27 f. 109 Vgl. Taylor, Vorwort, S. 109. Siehe hierzu auch die Ausführungen auf S. 40 ff.

56

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

nach dem zweiten Weltkrieg, sondern erst in den sechziger Jahren einsetzt. Denn erst mit der Einbeziehung der betriebswirtschaftlichen Fragestellungen in die Arbeitsvorbereitung zu diesem Zeitpunkt beginnt die sublime Phase. 110 Die erste Stufe behandelt eine weitgehend auf Erfahrungen beruhende, betriebstechnische Arbeitsvorbereitung, in der zweiten Stufe werden wissenschaftliche Erkenntnisse in die Arbeitsvorbereitung einbezogen, wobei technische Fragen im Vordergrund stehen, in der dritten Entwicklungsstufe der Arbeitsvorbereitung wird eine betriebswirtschaftlich-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung vorgestellt, innerhalb derer die Marktbedürfnisse durch die Abstimmung des Produktionsplans mit dem Absatzplan beachtet werden. 1 1 1

a) Die auf Erfahrungen beruhende Arbeitsvorbereitung M i t der Industrialisierung und dem Übergang vom ständischen Handwerk und von Manufakturen zu Fabriken mit Massenproduktion werden die vorbereitenden Maßnahmen in den produzierenden Gewerbebetrieben komplexer. Die Arbeit muß bedingt durch die Arbeitsteilung und das Anwachsen der Unternehmen geplant und gelenkt werden, so daß sich die Arbeitsvorbereitung mit der Industrialisierung zwangsläufig fortentwickelt. Diese Entwicklung ist eng mit den technischen Erfindungen im Zeitalter der Industrialisierung verbunden. 112

Vor allem die Weiterentwicklungen einfacher Werkzeugmaschinen, die Erfindung der Dampfmaschine durch Thomas Savery und deren Verbesserungen von Newcomen und James Watt, die Erfindungen in der Textilbranche wie die Spinnmaschinen von Hargreaves, Arkwright und Crompton, sowie Webmaschinen, 113 aber auch die Fortschritte in der Eisenverhüttung, die von Abraham Darby (1700) und später von Henry Cort mit seinem

110 111

Vgl. von Kortzfleisch,

Betriebswirtschaftliche, S. 24 ff.

Vgl. Gutenberg, Produktion, 1981, S. 156 f. / 161 und von Kortzfleisch,

Betriebswirt-

schaftliche, S. 26 f. 112

Ohne dem Fortschritt auf diesem Gebiet hätte die Dampfmaschine nicht erfunden werden können. Z u m Beispiel war die Zylinderbohrmaschine von John Wilkinson 1775 eine wichtige Erfindung, mit deren Hilfe er den Dampfmaschinenzylinder für Watts Dampfmaschine zu bohren vermochte. Vgl. Mommertz , K.H.: Bohren, Drehen und Fräsen, Geschichte der 1Werkzeugmaschinen, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 61 f. 13 Vgl. Otten, D.: Die Welt der Industrie, Bd. 1, Aufstieg und Expansion, Hamburg 1986, S. 186-219 und Henning,, F.W.: Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914, 6. Aufl., Paderborn u.a. 1984, S. 114-119; Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Information zur politischen Bildung - Das 19. Jahrhundert, Stuttgart 1975, S. 4 ff.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

57

Puddle- und Walzverfahren entscheidend verbessert w i r d , 1 1 4 ermöglichen die maschinelle Produktion einer großen Zahl von Produkten. A b Mitte des 19. Jahrhunderts wird durch das Bessemer-Verfahren, das Siemens-MartinVerfahren und das Thomas-Verfahren eine produktive Stahlerzeugung möglich. 1 1 5 Die Fortschritte in der Eisen- und Stahlindustrie führen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung und laufenden Verbesserung der Eisenbahnen sowie gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Erfindung des Automobils mit Motoren von Nikolaus Otto und Carl Benz. 1 1 6 I m zwanzigsten Jahrhundert setzt überdies der Flugverkehr ein, dessen Bedeutung nach dem zweiten Weltkrieg in der Passagier- und Güterbeförderung kontinuierlich steigt. 1 1 7 Die neuen Verkehrsträger verändern das Verkehrswesen nachhaltig und lassen die Verteilung einer großen Produktzahl auch auf weiter entfernt liegenden Märkten zu. Als ein Ergebnis dieser Entwicklung ist die Möglichkeit zur Produktion von Massenerzeugnissen für einen anonymen Markt festzuhalten. Hierzu ist es unverzichtbar, die vorbereitenden Arbeiten im Betrieb zu planen und zu koordinieren, da mit der Mechanisierung und der Massenproduktion Mensch, Maschine und Einsatzteile aufeinander abgestimmt werden müssen. 1 1 8 Planung und Koordination sind in der Massenproduktion deshalb von Bedeutung, weil eine Verstetigung der Produktion nach einem bestimmten Ablaufmuster erforderlich ist. Standardisierung, Normung und die Produktion nach dem Objektprinzip als Möglichkeiten zur Rationalisierung unterstützen diesen Prozeß. Die Maßnahmen erweitern den Aufgabenbereich der Arbeitsvorbereitung, indem sich die Planungs- und Steuerungsabteilungen mit der Konstruktionsabteilung schon bei der Konstruktion der Produkte abzustimmen haben. Z u Beginn der Industrialisierung steht die auf Erfahrungen beruhende betriebstechnische Arbeitsvorbereitung im Vordergrund, weil mit ihrer Hilfe die Produktion von der technischen Seite dauernd hinsichtlich der Rationalisierungspotentiale untersucht wird. Die betriebstechnische Arbeitsvorbereitung dient also als Grundlage zur Gewinnerzielung, die wiederum 114 1 1 5Vgl.

Klingender, F.D.: Kunst und industrielle Revolution, Dresden 1974, S. 19. Vgl. Bundeszentrale fir politische Bildung (Hrsg.), S. 10.

116

Vgl. Otten, D.: Die Welt der Industrie, Bd. 2, Krise und Transformation, Hamburg

1986, S. 353 ff. 117 Als Beispiel sei die Entwicklung Personenbeförderungszahlen und Frachtkilometer deutschler Fluggesellschaften der letzten Jahre. Vgl. etwa Der Bundesminister fir Verkehr (Hrsg.): Verkehr in Zahlen 1992, Berlin 1992, S 90 f./194 f.; Ihde, G.B.: Transport, Verkehr, Logistik - Gesamtwirtschaftliche Aspekte und einzelwirtschaftliche Handhabung, München 1984, 1 1 S. 8 70. Vgl. Sonnenberg, S. 370 f.

58

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

für Investitionen in neue Maschinen und zur Vergrößerung der Betriebe benötigt werden. Das vorrangig verfolgte Ziel der technischen Arbeitsvorbereitung liegt in der Steigerung der Produktivität. Dieses Ziel erreicht die technische Arbeitsvorbereitung durch verkürzte Durchlaufzeiten und/oder erhöhte Kapazitätsauslastung. 9 Eine zweckmäßige Arbeitsgestaltung wird insbesondere die Durchlaufzeiten verkürzen helfen und bedeutet oftmals auch eine direkte Steigerung des Wirkungsgrades, indem Inputfaktoren für das Produkt eingespart werden können. 12 Das Ziel, die Kapazitäten auszulasten, unterstützt das Streben nach einem hohen Wirkungsgrad, weil bei hoher Kapazitätsauslastung auch eine große Zahl an Produkten erstellt w i r d . 1 2 1 Da Umsätze in der Zeit der auf Erfahrungen beruhenden betriebstechnischen Arbeitsvorbereitung aus dem Verkauf von Erzeugnissen wegen der hohen Marktnachfrage weitgehend problemlos erzielt werden konnten, sind die Kosten selten betrachtet worden. Das Schwergewicht der Anstrengungen hat auf der Umsatzmaximierung gelegen. Neben der hohen Kapazitätsauslastung sind die einzusparenden Fertigungsminuten das zweite wichtige Mittel zur Umsatzmaximierung mit Hilfe der Produktivitätssteigerung. Während der auf Erfahrungen beruhenden, betriebstechnischen Arbeitsvorbereitungsphase vollzieht sich besonders in den Organisationsstrukturen der Produktionsbetriebe eine Wandlung. Z u Beginn wird den Arbeitern bei ihrer Arbeitsausführung möglichst viel Selbständigkeit überlassen, weil sie mit ihrer Erfahrung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, den Arbeitsablauf ihres Arbeitsplatzes planen und gestalten können. Bei den vor der eigentlichen Fertigungstätigkeit zu verrichtenden dispositiven Aufgaben handelt es sich um kurzfristige Dispositionen, wobei eine vorausschauende Planung weitgehend unterbleibt. Die Arbeitsvorbereitung wird mehr oder weniger unbewußt ausgeübt, Methoden und Systematik vorbereitender und ausführender Tätigkeiten sind individuell ausgeprägt, Normen und Richtlinien fehlen zumeist. 2 Die Betriebsleitung hat im Unterschied zu den Arbeitern oft nicht den Einblick in den Arbeitsablauf

1

und befaßt

119 1 2 0A u f

diese Ziele ist in Kap. C. noch genauer einzugehen. Vgl. von Kortzfleisch, G.: Der betriebswirtschaftliche Gehalt der Arbeitsvorbereitung,

in: ZfB, 32. Jg. 1962, S. 718 f. 121

In der Literatur existieren zwei Bedeutungen für die Produktivität. Z u m einen wird das Verhältnis zwischen Output und Input als Produktivität verstanden, zum anderen wird die Produktivität als ausgebrachte Menge je Zeiteinheit definiert. W i r d in dieser Arbeit die erste Auslegung der Produktivität verwendet, wird sie als Produktivität im Sinne des Wirkungsgrades 1bezeichnet. 22 Vgl. Bösherz, S. 29. \7\

Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 439 und Eichler, S. 123 f. Dies zeigt sich darin, daß Büroräume und Produktionsstätten mit wachsender Größe der Betriebe voneinander getrennt werden, während in Handwerksbetrieben, Verlagen, und Manufakturen die

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

59

sich überwiegend mit den längerfristigen Entscheidungen. Weil die Produktion im Laufe der Industrialisierung durch die wachsende Größe der Unternehmen und den technischen Fortschritt komplexer wird, indem Arbeitsplätze miteinander zu organisatorischen Einheiten zusammengefaßt werden und die Produkte mehrere Arbeitsplätze und Abteilungen durchlaufen, wird es nötig, die Arbeiten koordinierend zu steuern. Deshalb verlagern sich die Aufgaben der technischen Arbeitsvorbereitung von den Arbeitern der einzelnen Arbeitsplätze zu einer übergeordneten Person, dem Werkmeister. Dieser hat sowohl technische als auch kaufmännische Aufgaben zu erfüllen. Meist ist der Werkmeister mit der Aufgabenvielfalt, die sich von der Buchhaltung, allen Personal- und Beschaffungsangelegenheiten in seinem Bereich, den Produktionsablauffragen, bis hin zu den technischen Konstruktionsproblemen und der Arbeitstechnik erstreckt, überfordert, weshalb letztlich die Arbeiter ziemlich selbständig ihren Arbeitsablauf und die Arbeitsmethoden festgelegt haben. Zur Unterstützung der Betriebsleitung werden als Reaktion auf den wachsenden Fertigungsbereich Stäbe gebildet, die den leitenden Personen bei der langfristigen Produktionsplanung zuarbeiten. Weil aber die Verantwortung noch ganz bei der Betriebsleitung hegt, ist deren Entlastung begrenzt. 124 Wissenschaftliche Methoden der Betriebsführung werden in dieser Zeit kaum berücksichtigt. Die Steuerung des Arbeitsablaufs beruht vorwiegend auf Erfahrungen. Mit der fortschreitenden Industrialisierung und dem Anwachsen der Industrieunternehmen zu Großbetrieben wird die Einbeziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in den Bereich der betrieblichen Arbeitsvorbereitung erforderlich. Infolge der steigenden Arbeitsteilung und der zunehmenden Komplexität der Produktion ist eine sich auf Erfahrungen der Arbeiter stützende Arbeitsvorbereitung nicht mehr ausreichend, zumal die Arbeiter ihre früher gesammelten Erfahrungen durch den Wandel der Produktionsaufgaben kaum mehr einsetzen können. Es werden Fachkräfte - Ingenieure - benötigt, die der Betriebsleitung direkt unterstehen. Folglich werden die mittel- und kurzfristigen planerischen Aufgaben der Arbeitsvorbereitung wie vor Beginn der Industrialisierung zentralisiert und von der Betriebsleitung übernommen. Die Verwaltungsbereiche wachsen an, weil sie in Form von Stabsabteilungen beispielsweise die Planung der Produktion durchführen. Dennoch verbleiben auch in Zukunft die Aufgaben der Produktionslenkung und kurzfristigen Einplanung von Aufträgen als Teile der

Kontore und Produktionsräume normalerweise in einem Gebäude vereint waren. Vgl. Brittinger, Th.: Betriebswirtschaftliche Aspekte des Industriebaus - Eine Analyse der baulichen Gestaltung industrieller Fertigungsstätten, Diss., Berlin 1992, S. 41 ff. 124 Vgl. Eichler, S. 127 f.; vgl. auch Koch, H.: Fertigungsvorbereitung im Wandel, in: wtZeitschrift für industrielle Fertigung, 64. Jg. 1974, S. 375 und Fromm, S. 11.

60

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Produktionsplanung und -Steuerung oft auf der Ebene der Meister. Eine solche Meisterwirtschaft 125 gewinnt im übrigen in neuerer Zeit durch die zunehmende Organisation der Produktion in Fertigungsinseln wieder an Bedeutung.

b) Die technisch-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung I m Jahr 1913 setzt Frederic Winslow Taylor wissenschaftliche Untersuchungen zur Überprüfung des Produktionsablaufs ein und zieht aus diesen Schlüsse für die Arbeitsgestaltung. 126 Er unterteilt die Arbeit in geistige und ausführende Tätigkeiten und entlastet die Arbeiter von den geistigen Aufgaben, indem er sie Funktionsmeistern überträgt. Gleichzeitig überprüft er, ob bestimmte Tätigkeiten nicht einfacher und rationeller auszuführen sind. Anhand ausgewählter, zunächst wenig komplexer Arbeitsausführungen werden die einzelnen Elemente des Arbeitsvollzugs untersucht und deren zeitliche Dauer ermittelt. 1 2 7 Durch diese Untersuchungen leitet Taylor Bewegungen und Bewegungsabläufe ab, die durch bessere Arbeitsplatzgestaltung unter anderem mit Hilfe ergonomischer Maßnahmen zu einer Steigerung der individuellen Leistung führen sollen. Taylor untersucht nicht nur einzelne Produktionsstufen hinsichtlich ihrer Gestaltung, sondern auch den Tagesablauf und die Ermüdungserscheinungen der Arbeiter. 1 2 8 Sein Hauptziel ist es, einen Maximallohn für einen Arbeiter zu ermitteln. Dazu leitet er eine Normalzeit her, indem er die Leistung eines erstklassig geschulten Arbeiters mit der Stoppuhr mißt. Diese Zeitstudien liefern wichtige Informationen für die Arbeitsvorbereitung, wie zum Beispiel für die Erstellung von Arbeitsplänen eines Erzeugnisses. Insbesondere die darin verzeichneten Normaldurchlaufzeiten sind für die Arbeitsvorbereitung und hier speziell für die Termin- und Kapazitätsplanung von Bedeutung. Taylor setzt innerhalb der betriebstechnischen Arbeitsvorbereitung Spezialisten, die Funktionsmeister (sie lösen die Universalmeister ab), mit festgelegten Aufgabengebieten und Kompetenzen ein, 1 2 9 die er, um ihre Ar-

125 Vgl. zur Meisterwirtschaft auch Bergner, H.: Versuch einer Filmwirtschaftslehre, Bd. 1 / I V , Berlin 1966, S. 310 ff. 126 Vgl. Taylor, Vorwort S. 12 f., S. 58 f. 127

Vgl. Kreikebaum, Arbeitsvorbereitung, Sp. 145. V g l .Taylor, S. 6 2 / 6 5 . 129 Taylor setzt acht verschiedene Funktionsmeister ein, den Arbeitsverteiler, den Anweisungsmeister, den Zeit- und Kostenmeister, den Aufsichtsmeister, den Vorrichtemeister, den 128

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

61

beiten koordinieren zu können, zu einer Institution zusammenfaßt: dem A r beitsbüro. 1 3 0 Die Arbeitsvorbereitung wird meistens als Stabsfunktion im Arbeitsbüro institutionalisiert. Die Ausführungsmeister verbleiben als Werkstattmeister in ihrer Linienfunktion. Nur eine gute Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Funktionsmeistern und Werkstattmeister kann die Produktivität des Unternehmens steigern, denn Kompetenz- und Verantwortungsstreitigkeiten zwischen diesen Personengruppen kann zu Konkurrenz und Feindschaft und mithin zu geringerer Produktivität führen. Die Planung und Steuerung der Produktion wird bei Taylor zentralisiert, indem das Arbeitsbüro als betriebsführendes Büro die geeigneten Arbeitsmethoden sammelt und die Fertigungsplanimg und -lenkung durch einen Teil des Arbeitsbüros, das Verteilungs- und Planungsbüro, vorgenommen wird. Das Verteilungs- und Planungsbüro führt die Terminplanung und Arbeitsstudien durch, legt die Materialverwendung fest, fertigt die Arbeitsablaufpläne an und verteilt die Arbeit und Materialien an die ArbeitsstätteXÏ ten. Dadurch wird ein weitgehend störungsfreier Produktionsablauf erreicht. 1 3 3 Dies hat den Zweck, "den Arbeiter von allen der Arbeit vorangehenden geistigen Denkarbeiten zu entlasten ... (und; Anm.d.V.) ihm die Sorge um den rechtzeitigen Materialnachschub und die termingerechte Erledigung zu nehmen". 134 Taylor erreicht seine Ziele einerseits durch die systematische Sammlung der vorliegenden traditionellen Erkenntnisse und Erfahrungen, welche lediglich in den Köpfen der Arbeiter bestanden und sich auf deren persönliche Geschicklichkeit begründeten, die sie sich während ihrer Arbeit angeeignet haben. Anderseits verfolgt er seine Ziele durch die Teilung der Arbeit und ihrer Vorbereitung sowie die Trennung der vorbereitenden Tätigkeiten zwischen den physischen des Arbeiters und den dispositiven Aufgaben der Betriebsführung. Damit schafft er es, das Arbeiten nach Faustregeln auszuschalten. 135 Taylors Ideen sind in zwei Punkten fragwürdig. Zum einen bietet die strikte Trennung von geistigen und körperlichen Arbeiten Anlaß zur Kritik, weil der Arbeiter sehr unselbständig wird und ihm jegliche Verantwortung Prüfmeister, den Geschwindigkeitsmeister sowie den Reparaturmeister. Die ersten vier Meisterfunktionen werden vom Arbeitsbüro ausgeübt. Die übrigen vier Meister sind der Gruppe der Ausführungsmeister zugeordnet. Vgl. Nicklisch, S. 290 f. 130 Vgl. von Kortzfleisch, 1969, Sp. 161 f. 131

Vgl. Bösherz, S. 30.

132

Vgl. Nicklisch, S. 287 f. Vgl. Taylor, S. 10 f.

133 134

Schulz, S. 25.

135

Vgl. Eicke , Κ.: Arbeitsvorbereitung im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Organisa-

tion, Frankfurt 1952, S. 11.

62

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

genommen wird, wodurch dieser wiederum sich von seiner Arbeit entfremdet und die Arbeitsmotivation sinkt. 1 3 6 Zum anderen ist es problematisch, wenn Taylor einen erstklassigen Arbeiter zur Ermittlung der Normalzeit zugrundelegt. 137 Schließlich sei darauf hingewiesen, daß die Arbeitsvorbereitung sich bei Taylor mit den betriebstechnischen Fragen beschäftigt. Der Begriff Arbeitsvorbereitung existiert bei ihm noch nicht. Die technisch-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung und Arbeitsgestaltung entwickeln in der Folgezeit in Amerika Ford und Gilbreth weiter. Ford führte eine Montagebahn ein und veränderte damit die Arbeitsgestaltung, wodurch andere Aufgaben der Arbeitsvorbereitung anfallen, weil zum Beispiel bei Fließbandarbeit die langfristige Planung im Vordergrund steht. 1 3 8 Gilbreth löst die Arbeitsvorgänge in einzelne Bewegungen auf und ermittelt für diese Vorgabewerte. Somit kann er - unter Berücksichtigung der Ermüdungserscheinungen eines Arbeiters - Auftragsbearbeitungszeiten bereits bei der Planung errechnen, ohne auf bereits vorliegende Erfahrungen zurückgreifen zu müssen. 139 Diese Bearbeitungszeiten sind besonders für die Planung der Auftragsdurchlaufzeiten in der Termin- und Kapazitätsplanung anwendbar. 140 I n Deutschland werden Taylors Ideen durch den 1917 gegründeten Normenausschuß der Deutschen Industrie 1 4 1 , den 1918 gegründeten Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung e.V. (AWF) und den 1924 enstandenen Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung (Refa; heute: Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation) weitergeführt. 142 Darüber hinaus haben Wissenschaftler wie Heidebroek 1 4 3 , H i p p l e r 1 4 4 , Fröhlich 1 4 5 und Schulz-Mehrin 1 4 6 die theoretische und praktische Weiterentwicklung der Arbeitsvorbereitung vorangetrieben. I m Mittelpunkt steht nicht mehr der

136

Vgl. von Kortzfleisch,

137

Vgl. Schulz, S. 26.

138

1974, Sp. 265.

Vgl. Ford, H.: Mein Leben und Werk (orig.: M y Life and Work), einzig autorisierte deutsche Ausgabe von C. und M. Thesing, 14. Aufl., Leipzig 1923, S. 94 f. 139 Siehe hierzu Gilbreth, F.B.: Bewegungsstudien, Berlin 1921. 140

Vgl. Bär, W.: Produktionsplanung und Auftragsbearbeitung im Industriebetrieb, Wiesbaden 1 4 1 1977, S. 27. Seit 1927 Deutsches Institut für Normung ( D I N ) . 142 143

Vgl. Opitz / Eversheim / Brankamp, Sp. 522. Heidebroek, E.: Industrielehre, Die wirtschaftlich-technische Organisation des Indu-

striebetriebes mit besonderer Berücksichtigung der Maschinenindustrie, Berlin 1923. 144 Hippler, W.: Arbeitsverteilung und Terminwesen in Maschinenfabriken, Berlin 1921. 145

146

Fröhlich, A : Handbuch für industrielle Werkleitung, Berlin 1930.

Schulz-Mehrin, O.: Sozialisierung, Planwirtschaft oder sozial-organisatorische Ausgestaltung der Produktion? 2. Aufl., Berlin 1919, insbesondere die Seiten, 17 f., 23 f., 31 f.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

63

einzelne Arbeitsplatz, sondern alle Stellen, die mit einem Auftrag beschäftigt sind. Das Hauptinteresse hegt im Erreichen eines störungsfreien Arbeitsablaufs. Die Arbeitsplätze sowie die Fertigungsaufträge werden als gegebene Größen angesehen. 147 Der AWF, dessen Sichtweise stellvertretend für die wissenschaftlich-betriebstechnische Arbeitsvorbereitung in Deutschland vorgestellt wird, trennt in den fünfziger Jahren die Arbeitsvorbereitung in die Teilgebiete der Produktionsplanung, welche die einmaligen Maßnahmen vor Aufnahme der Fertigung umfaßt, und der Produktionssteuerung, welche die Maßnahmen in der laufenden Abwicklung eines Auftrags betreffen (siehe Abbildung B.3). Er trennt damit in eine kurz- und eine längerfristige Ebene, wobei die kurzfristige Produktionsplanung einen Zeitraum von bis zu einem Jahr umfaßt, die längerfristige Produktionsplanung dahingegen über den Zeitraum eines Jahres hinausgeht. Der Schwerpunkt der beiden Bereiche liegt immer noch auf der Bewältigung der technischen Probleme wie der Technik der Betriebsmittel und Arbeitsverfahren. 148 Vor allem das Ziel der Maximierung der Kapazitätsauslastung ist wegen des hohen Bedarfs in den Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges dominierend. Der Bedarf der Kriegswirtschaft rückt einen hohen Ausstoß und eine hohe Produktivität als Ziele in den Vordergrund, weshalb vor allem eine Auslastung der vorhandenen Kapazitäten an oberster Stelle steht. In den Nachkriegsjahren werden, verursacht durch monetäre Engpässe, vermehrt wirtschaftliche Gesichtspunkte, die auf dem Rechnungswesen basieren, in die Arbeitsvorbereitung aufgenommen, weil die Arbeitsvorbereitung die Grundlage für einen am Wirtschaftlichkeits- und Rentabilitätsprinzip 149 orientierten Produktionsvollzug bildet. 1 5 0 Eine sich an diesen Zielen ausrichtende Arbeitsvorbereitung drückt sich dadurch aus, daß die Arbeitsvorbereitungs-Ingenieure bei den Materialkosten und beim Energieverbrauch Kosten einzusparen versuchen und daß die Kapitalkosten die Arbeitskosten ersetzen, indem die Techniker die bestmögliche Technik im Sinne der technischen Rationalität einsetzen. 1 5 1 Für die optimale Gestaltung und Lenkung des Arbeitsprozesses als vorrangige Aufgabe der Arbeitsvorbereitung ist die Rationalisierung deshalb ein entscheidender Faktor.

147

148

Vgl. Schulz, S. 28.

1 4 9Vgl.

Bußmann, Fertigungsplanung, Sp. 1743. Vgl. hierzu Blohm, H. / Lüder, K.: Investition, 6., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 1988, S. 164 f. 150 151

Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 130. Vgl. von Kortzfleisch, Gehalt, S. 721.

64

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Abbildung B.3: Funktionen der Arbeitsvorbereitung nach dem A W F Quelle: In Anlehnung an Kühlhorn, S. 37.

Die Rationalisierungsmaßnahmen können sich sowohl auf den technischen als auch auf den wirtschaftlichen und den wirtschaftlich-sozialen Bereich beziehen, wobei in der Phase der betriebstechnischen Arbeitsvorbe1S2

reitung die technische Rationalisierung an erster Stelle steht. Zur technischen Rationalisierung gehören die Maßnahmen, die den Materialverbrauch und den Arbeitseinsatz als zwei mögliche Einsatzfaktoren senken, die Ausbringungsmenge steigern, und Maßnahmen, welche die Maschinen gut auslasten aber dennoch bei maschinenschonender Geschwindigkeit laufen las-

152

Dagegen werden die wirtschaftliche Rationalisierung, deren Ziel es ist, Kostensen-

kungspotentiale aufzudecken, den Kapitaleinsatz möglichst niedrig zu halten, die Rentabilität und die Kapitalrendite zu steigern, und die wirtschaftlich-soziale Rationalisierung, die sich mit dem wirtschaftlichen Einsatz der menschlichen Arbeitskraft unter Berücksichtigung sozialer Aspekte beschäftigt, weitgehend vernachlässigt. Vgl. Eichler, S. 99 ff.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

65

sen. Durch die Mengenbetrachtung steht die Produktivität im Sinne des Wirkungsgrades im Vordergrund. 15 Während die einmalige Planung unter Berücksichtigung der langfristigen Grundplanung zur Aufstellung der Betriebsbereitschaft und der Finanzplanung den groben Arbeitsablauf, die Termine, die Transport- und Betriebsmittel sowie das Lagerwesen festlegt, ist es die Aufgabe der Produktionssteuerung, die Vorgaben der Produktionsplanung in konkrete Aufträge umzusetzen, und die Fertigung einzuleiten und zu überwachen. Dies erfolgt, indem ein konkretes Fertigungsprogramm erstellt wird, das Material bereitgestellt, Termine fixiert sowie Material und Kapazitäten reserviert werden. Innerhalb der Planung und Steuerung der Produktion wird bei der technischwissenschaftlichen Arbeitsvorbereitung keine Reihenfolge der auszuführenden Funktionen festgelegt. Die Datenverwaltung besitzt noch keine große Bedeutung, und die sonstigen Unternehmenspläne wie der Absatzplan und das langfristige Produktionsprogramm werden ebenfalls nicht in die Produktionsplanung einbezogen, sondern höchstens als Vorgaben berücksichtigt. Die Abstimmung mit den anderen Unternehmensteilplänen unterbleibt deshalb, weil die Produktionsplanung und -Steuerung, im Unterschied beispielsweise zur Absatzplanung, in der Unternehmensorganisation im mittleren und unteren Bereich der Leitungshierarchie eingestuft wird, obwohl von ihr der wirtschaftliche Erfolg eines Produktionsunternehmens beträchtlich beeinflußt wird. Ferner untersteht die technisch-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung der technischen Leitung. Die Absatzplanung und langfristige Produktionsprogrammplanung sind nicht Inhalte der Arbeitsvorbereitung und werden den kaufmännischen Bereichen zugeordnet. Teilweise wird schon erkannt, daß eine Abstimmung der Arbeitsvorbereitung mit den übrigen Unternehmensplänen sinnvoll ist. Im Unterschied zum Absatzplan werden innerhalb der Arbeitsvorbereitung der Finanzplan und der Erzeugnisplan beachtet. 153

Die Produktivität im Sinne des Wirkungsgrades ist ein Maß für die technische Ergie-

bigkeit und wird "durch das Verhältnis der gesamten Produktionsmenge und der für ihre Erzeugung im Bezugszeitraum verbrauchten Produktionsmenge" gemessen. Zimmermann,

G.:

Ergiebigkeitsmaße für die Produktion, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 521. W i r d der Wirkungsgrad gesteigert, ohne daß die Kosten sich erhöhen, wird gleichzeitig das Ziel der Wirtschaftlichkeit (d.h. der Quotient aus Kosten und Leistungen) erfüllt. Oft steigen aber die Kosten bei einer Erhöhung des Wirkungsgrades. Dies führt zu einem Mangel der betriebstechnischen Arbeitsvorbereitung, deren vorrangiges Ziel die ständige Erhöhung des Wirkungsgrades ist. Aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise ist eine Bewertung in Geldeinheiten und damit die Kennzahl "Wirtschaftlichkeit" vorzuziehen. Vgl. von Kortzfleisch, wirtschaftliche, S. 17 f. 5 Schwarzmaier

Betriebs-

66

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Ihre Aufstellung zählt jedoch - ebensowenig wie die Konstruktionsaufgabe nicht zum Aufgabengebiet der Arbeitsvorbereitung. Dahingegen gehört die Erzeugnisgestaltung zum Aufgabengebiet der technisch-wissenschaftlichen Arbeitsvorbereitung. 154 Die Kosten der Produktion werden kaum überwacht, wodurch die Dominanz der technischen Fragen deutlich hervortritt. Die Ursache dafür liegt darin, daß die Arbeitsvorbereitung lange Zeit die Domäne der Techniker und Ingenieure war. Insgesamt läßt sich feststellen, daß das Aufgabengebiet der Arbeitsvorbereitung in dieser Phase noch nicht richtig eingegrenzt ist. 1 5 5

c) Die betriebswirtschaftlich-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung Die weitere Entwicklung der Arbeitsvorbereitung ist dadurch gekennzeichnet, daß die Produktion nicht mehr losgelöst von den prognostizierten Absatzmöglichkeiten geplant werden kann. Die Fertigung hat nur noch so viele Produkte zu erstellen, wie auf dem Markt abgesetzt werden können. Die Unternehmen werden im zunehmenden Maße gezwungen Produktvarianten zu erstellen, weil die Konkurrenz auf den Märkten zunimmt und die Nachfrage nach differenzierten Produkten wächst. Folglich hat die Arbeitsvorbereitung die Maxime der technischen Rationalisierung zurückzustellen und die wirtschaftlichen Aspekte der Arbeitsvorbereitung in den Vordergrund zu rücken. Erteilte Kundenaufträge und nicht die Vollauslastung der Maschinenkapazitäten determinieren vermehrt die Losgrößen. Die Produktionsprogrammplanung gewinnt dadurch an Stellenwert und wird als Grundlage für eine planmäßige Arbeitsvorbereitung angesehen. Für die betriebswirtschaftliche Arbeitsvorbereitung stellt sich die Aufgabe, im voraus Daten zu erfassen, auszuwerten und weiterzugeben. 156 Derartige Informationen kann der Betriebswirtschaftler zum einen aus den Absatzplänen, zum anderen aus dem Rechnungswesen, insbesondere der Kostenplanung, entnehmen. 1 5 7 Diese Pläne sind für die Arbeitsvorbereitung ein wichtiges Hilfsmittel, weil so geplante Kosten und geplante Erlöse gegenübergestellt werden können, die als Maßgrößen für eine Arbeitsvorbereitung auf betriebswirtschaftlicher Basis fungieren. Insbesondere in der "betriebswirtschaftlichen Arbeitsvorbereitung" der Kölner Schule wird ab den sechziger Jahren die Bedeutung einer an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen orientierten Arbeitsvorbereitung hervor154 1 5 5Vgl. 156 157

Opitz / Eversheim / Brankamp, Sp. 525 f. Vgl. Schulz, S. 30. Vgl. von Kortzfleisch, 1969, Sp. 163. Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 130.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

67

gehoben, die das wirtschaftliche Handeln unter den Maximen der Wirtschaftlichkeit, der Produktivität und der Rentabilität überprüft. 1 5 8 Nach von Kortzfleisch kann keine Grenze zwischen betriebstechnischer und betriebswirtschaftlicher Arbeitsvorbereitung gezogen werden, da alle technischen Maßnahmen wirtschaftliche Fragen aufwerfen. Daher müssen sowohl der Ökonom als auch Techniker in der Arbeitsvorbereitung eingesetzt werden, wobei jeder sich mit den Aufgaben und Fragen des anderen Bereichs vertraut zu machen h a t . 1 5 9 Die Arbeitsvorbereitung wird in die betriebswirtschaftliche Sphäre eingeführt, indem bevorzugt Kostenfragen in den Mittelpunkt gerückt werden. Es wird eine Vernetzung der Arbeitsvorbereitung mit dem externen Rechnungswesen, der Kostenrechnung 160 und dem Ein- und Verkauf sowie deren Plänen angestrebt. 161 Die Zusammenarbeit mit dem Rechnungswesen ist deswegen so entscheidend, weil sie zur Verwirklichung einer wirtschaftlichen Produktion beitragen kann. Das Rechnungswesen muß dabei ständig die Erfolgswirksamkeit der Produktionsplanung und -Steuerung anhand von Perioden- und Sonderrechnungen überprüfen. 162 Insbesondere eine funktionsfähige Plankostenrechnung wird die Planung der Produktion nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgreich unterstützen können. Sie fungiert als Dispositionshilfe. 163 Weiterhin sollen Fertigungs- und Konstruktionsbüro zusammenarbeiten, um schon bei der Erzeugnisentwicklung Kosten zu vermeiden. 164 Neben der Abstimmung mit dem Rechnungswesen und dem Vertrieb hat die Arbeitsvorbereitung Daten der langfristigen Produktionsplanung zu berücksichtigen. Sie sind nicht nur Determinanten der speziellen Arbeitsvorbereitung, sondern in ihrer allgemeinen und langfristigen Planungsfunktion auch Bestandteil der Arbeitsvorbereitung. Innerhalb der Arbeitsvorbereitung wird die bereits erwähnte Unterteilung in physische Arbeitsvorbereitung und dispositive Arbeitsvorbereitung vorgenommen (siehe Abbildung B.l). Die dispositive Arbeitsvorbereitung 158

Vgl. Beste, Th.: Fertigungsverfahren, in: Seischab, H. / Schwantag, K. (Hrsg.): H W B , Bd. 1, 3., völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart 1956, Sp. 1756. Vgl. von Kortzfleisch, Betriebswirtschaftliche, S. 12. 160 So bedient sich z.B. die Arbeitsvorbereitung zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses der optimalen Losgröße, die nach Beste dann erreicht ist, wenn "die Durchschnittskosten je Einheit des Erzeugnisses am niedrigsten sind". Beste, Fertigungswirtschaft, S. 202. 161

Vgl. von Kortzfleisch, Gehalt, S. 716. Vgl. von Kortzfleisch, 1969, Sp. 165. 163 Vgl. Mellerowicz, K.: Kosten und Kostenrechnung, Bd. 2, Verfahren, Teil 1: Allgemeine Fragen der Kostenrechnung und Betriebsabrechnung, 2. u. 3. Aufl., Berlin 1958, S. 187 f. 162

Vgl. Donat, K.: Arbeitsvorbereitung und ihre betriebliche Umwelt, in: Industrielle Organisation, 33. Jg. 1964, S. 97; vgl. Koch, Fertigungsvorbereitung, S. 716.

68

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

wird in die allgemeine und die spezielle Arbeitsvorbereitung weiter aufgefächert. Die langfristige, allgemeine Arbeitsvorbereitung umfaßt im Unterschied zur technisch-wissenschaftlichen Arbeitsvorbereitung die Gestaltung des Produktionssortiments, der Produktionsbereitschaft und der Produktionsorganisation. Von Kortzfleisch begründet die Einbeziehung einer langfristigen Produktionsplanung in die betriebliche Arbeitsvorbereitung damit, daß die Produktionsplanung zwischen der Beschaffungs- und Absatzplanung, die ebenfalls in lang- und kurzfristige Pläne unterteilt sind, liegt, und daß alle drei aufeinander abzustimmenden Planbereiche sich sowohl mit der entfernten als auch mit der naheliegenden Zukunft zu befassen haben. Nur eine systematische längerfristige Planung kann die Rahmenbedingungen für eine kurzfristige Planung schaffen. Lang- und kurzfristige Planungen bilden ein System, weil bei veränderten kurzfristigen Bedingungen auch die langfristige Planung anzupassen ist. 1 6 5 I m einzelnen werden bei der Gestaltung des Produktionssortiments die Breite und Tiefe des Sortiments bestimmt, zu dem alle verkaufsfähigen Produkte und Halbfabrikate zu rechnen sind. Z u diesem Bereich zählt auch die Produktgestaltung. Innerhalb der Gestaltung der Produktionsbereitschaft werden die Fertigungsstätten ausgesucht und die zu verwendenden Maschinen, Verfahren, Arbeitskräfte und Materialien ausgewählt, während bei der Gestaltung der Produktionsorganisation die Kompetenzen und Verantwortungsbereiche beschrieben und die Organisationshilfsmittel wie Stücklisten, Stellenbesetzungspläne und Arbeitspläne erstellt werden. Weitere Aufgaben sind die Zusammenarbeit mit dem Rechnungswesen, der Absatz-, Finanzund Beschaffungsplanung. In der allgemeinen Arbeitsvorbereitung werden die Voraussetzungen einer Betriebsbereitschaft geschaffen, während sich die spezielle Arbeitsvorbereitung unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen der langfristigen Arbeitsvorbereitung um einzelne Aufträge und ihren Vollzug sorgt. Die dispositive, kurzfristige oder spezielle Arbeitsvorbereitung umfaßt die Planungs- und Steuerungsfunktionen. 166

165

Vgl. von Kortzfleisch,

1969, Sp. 163 ff. Für Zahn besteht hinsichtlich der zeitlichen und

hierarchischen Planungsebenen das Postulat von der Einheit der Planungsaufgaben. Vgl. Zahn, E.: Strategische Planung, S. 219 f. 166 Siehe zu den Inhalten der lang- und kurzfristigen Arbeitsvorbereitung von Kortzfleisch, Betriebswirtschaftliche, S. 30-55.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

69

Dabei wird in den Planungsfunktionen fixiert, wieviel (Anzahl der Produkte), wovon (Art der Produkte), wann (zu welchem Zeitpunkt und in welcher Folge) und wo (auf welcher Maschine) zu produzieren ist. Ein entscheidender Gesichtspunkt bei der Produktionsplanung ist, daß anhand der Kosten die Entscheidungen hinsichtlich der Durchführung der Produktion zu treffen sind. Beispielsweise haben die Wahl des zweckmäßigsten Produktionsmittels zur Bearbeitung eines Auftrages und die Reihenfolgeplanung der Aufträge Einfluß unter anderem auf die Rüstvorgänge und Durchlaufzeiten und damit auf die Produktionskosten. Die Arbeitsvorbereitung legt damit zusammen mit der Konstruktion einen bedeutenden Teil der in der Fertigung anfallenden Kosten fest. Die Steuerungsfunktionen haben die Aufgabe, die Auftragsprogramme der Planung durch die Auftragsfreigabe und die Übergabe aller Unterlagen umzusetzen, die Fertigung zu veranlassen und den Fertigungsprozeß zu überwachen. Innerhalb der Arbeitsvorbereitung fallen neben den dispositiven Aufgaben noch die Vorbereitungsprozesse physischer Natur an. Derartige Prozesse werden durch ein Produktionsprogramm verursacht, das "verschiedene Erzeugnisarten und/oder -Sorten mit technisch unterschiedlichen Bearbeitungsansprüchen enthält". 1 6 7 Gemeint ist damit die Vorbereitung von Mensch und Maschine auf eine neue Aufgabe. Lediglich bei einheitlicher oder gleichbleibender Massenfertigung fallen wegen des fehlenden Erzeugniswechsels auf einer Anlage fast keine Rüstvorgänge an, doch können auch bei diesen Produktionsformen, beispielsweise nach Abstellen einer Maschine wegen einer Störung, Vorbereitungsprozesse, wie etwa Anlaufoperationen, notwendig werden. Innerhalb der physischen Produktionsvorbereitung fallen hauptsächlich Vorsorgeoperationen, Auslaufoperationen, Umstellungsoperationen, Reinigungsoperationen sowie Anlaufoperationen „ „ 168 an. Nicht mehr zum Aufgabengebiet der betriebswirtschaftlich-wissenschaftlichen Arbeitsvorbereitung zu dieser Zeit werden die Ermittlung der Herstellkosten, die Lohnverrechnung und die Materialverwaltung gerechnet. Diese Aufgaben werden von der Kostenrechnung, dem Personal- und Lohnbüro sowie der Materialwirtschaft erledigt. 1 6 9

167

Bergner, Vorbereitung, Sp. 2174.

168

Vgl. Bergner, Vorbereitung, Sp. 2174 ff.

169

Vgl. Schulz, S. 31.

70

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Trotz der Bestimmung der Inhalte der Arbeitsvorbereitung wird keine Reihenfolge genannt, in der die Aufgaben zu erfüllen sind. Dafür verantwortlich ist zum einen die Tatsache, daß nur eine simultane Durchführung und Abstimmung der Aufgaben zu einer optimalen Produktionsplanung und -Steuerung führen kann. Die simultane Planung ist schon bei mittelgroßen Produktionsbetrieben nicht mehr zu bewältigen, weshalb auf eine sukzessive Durchführung der Aufgaben zurückzugreifen ist; Mellerowicz 1 7 0 ordnet deshalb die Aufgaben der Arbeitsvorbereitung in der abzuarbeitenden Reihenfolge. Zum anderen ist je nach Betriebstyp eine andere Reihenfolge möglich. Kein Industriebetrieb kann auf Teilaufgaben vollkommen verzichten, jedoch kann die Bedeutung einzelner Teilaufgaben je nach Industriebetriebstyp hoch oder niedrig sein. 1 7 1 Abweichend von der Sichtweise während der technisch-wissenschaftlichen Arbeitsvorbereitung wird die betriebswirtschaftlich-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung in der oberen Leitungshierarchie und hier besonders in zentralen Stabsstellen angeordnet. 172 Dadurch soll eine wirksame Zusammenarbeit mit den sonstigen Funktionsbereichen wie dem Rechnungswesen einer Unternehmung erreicht werden. 1 7 3 Zusätzlich können Stabsstellen auch in den Linien eingesetzt werden. Diese unterstützen die Produktionsleiter und Meister, wodurch wirtschaftliche und technische Fragen in den Linienfunktionen zu lösen sind. Mit Hilfe dieser Maßnahmen kann eine wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen Linieninstanzen und Stabsstellen erreicht werden. Die Stabsstellen sollen dabei für die Linienstellen unterstützende und koordinierende Funktionen übernehmen. 174 Die Umsetzung der planerischen Tätigkeiten in der Arbeitsvorbereitung erfolgt in Stabsstellen und führt gegenüber der Phase der Meisterwirtschaft, als der Produktionsprozeß nur kurzfristig und fallweise am jeweiligen Arbeitsplatz vorbereitet wurde, zu einer Zentralisierung der Arbeitsvorbereitung. 7 5 Z u begründen ist die Zentralisierung planerischer Tätigkeiten dadurch, daß in der auf Erfahrungen beruhenden Phase der Arbeitsvorbereitung ein störungsfreier Produktionsablauf nahezu nicht zu erwarten war, weil die einzelnen Produktionsstätten ihre Verrichtungen nicht aufeinander 170

Vgl. Mellerowicz, K.: Betriebswirtschaftslehre der Industrie, Bd. 2, 6., neubearb. und erw. Aufl., Freiburg im Breisgau 1968, S. 421 ff. Mellerowicz bezeichnet dabei die Produktionsplanung als Fertigungsplanung, die Produktionssteuerung als Fertigungslenkung. Vgl. von Kortzfleisch, 1969, Sp. 166. 172

Vgl. von Kortzfleisch,

1969, Sp. 162 f.

173

Vgl. von Kortzfleisch, Vgl. von Kortzfleisch,

Betriebswirtschaftliche, S. 24 / 26 ff. 1969, Sp. 169 ff.

174

175

Die Lenkung der Produktion kann ebenfalls überwiegend zentral oder dezentral organisiert sein.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

71

abstimmten. Daher ist eine vollständige Dezentralisation der Planung nicht angebracht. Lediglich bei einfachen Produktionsprozessen kann diese Form der Planung und Steuerung sehr sinnvoll sein, aber durch die im Lauf der Industrialisierung immer komplizierter werdenden Produktionsprozesse muß diese unkoordinierte Steuerung zu UnWirtschaftlichkeiten und Produktionsunterbrechungen führen. 1 7 6 In neuester Zeit geht der Trend in entgegengesetzter Richtung zu einer dezentralen Planung, weil mit dem Einsatz von miteinander vernetzten Personal-Computern die Dezentralisierung einfacher wird. Der Fortschritt in der Elektronik führt mithin zu einer weiteren Entwicklungsstufe der Arbeitsvorbereitung.

2. Die Weiterentwicklung der Arbeitsvorbereitung zur Einfährung EDV-gestützter PPS-Systeme

bis

Die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien führte seit den sechziger Jahren zu beträchtlichen Änderungen in der Gestaltung der betrieblichen Arbeitsvorbereitung im Industriebetrieb. Dominierten bis dahin die technische und wirtschaftliche Rationalisierung der Produktion, kommt infolge dieser Entwicklungen der organisatorischen Rationalisierung nun eine gleichrangige Bedeutung zu. 1 7 Sie drückt sich haupsächlich in der Entwicklung der E D V aus. Durch die E D V wird nicht nur die schnelle Erfassung und Verarbeitung von Datenmaterial angestrebt, sondern es soll vielmehr die Mehrfachspeicherung von Daten verhindert werden. Die E D V hat insofern Einfluß auf die Unternehmensorganisation, weil durch sie der Trend zur Zentralisation von Kompetenzen und Verantwortung verstärkt wird. Die Daten werden an einer Stelle - der Datenbank - gesammelt und gespeichert, so daß die Entscheidungsträger einen schnellen und vollständigen Überblick über die Entscheidungssituation unter Berücksichtigung der Produktions-, Absatz- und Beschaffungsverhältnisse bekommen. Die dezentralen Stellen der unteren Leitungshierarchie haben keine Möglichkeit, durch direkten Zugriff die benötigten Daten von der Datenbank zu erhalten. Außerdem fehlt ihnen meist der Überblick über alle Planungsstufen, weshalb eine zentrale Leitungsstelle die Produktion koordinieren, planen und steuern muß.

176

Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 192 f. Vgl. Bauer, E. / Rudroff, P.: Auswahl und Einsatz von PPS-Systemen - Know-howHandbuch für die Geschäftsführung, den Leiter der Organisation, der Materialwirtschaft, des Vertriebs und der Produktion, Landsberg am Lech 1988, S. 13. 177

72

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Die effiziente Nutzbarmachung des Datenmaterials erfordert den Ausbau der Datenverwaltung als übergreifenden Aufgabenbereich der Arbeitsvorbereitung. Die traditionellen Hilfsmittel wie Karteien, Leitstände und Plantafeln werden zunehmend von der EDV-Anlage mit Softwarepaketen abgelöst. Diese sind in der Lage, große Datenmengen und umfangreiche Planungsalgorithmen zu verwalten und zu verarbeiten. Seit den sechziger Jahren werden von der Wissenschaft Modelle entwickelt, die eine vereinfachte Planung und Steuerung der Produktion mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung ermöglichen. Sie basieren auf einer simultanen oder einer sukzessiven Erledigung der Teilaufgaben innerhalb der Produktionsplanung und -Steuerung.1 Bei der Simultanplanung wird versucht, die Funktionsgruppen gleichzeitig zu optimieren, wohingegen bei der Sukzessivplanung die einzelnen Unternehmensbereiche, Aufgaben und Teilpläne nacheinander in einer vorgegebenen Reihenfolge eingeplant werden. 7 9 Obwohl Simultanplanungsmodelle eine optimale Lösung der operativen Produktionsplanung und -Steuerung hinsichtlich der ökonomischen Zielsetzungen bestimmen, stieß in den sechziger Jahren die Idee der Simultanplanung durch die technischen Möglichkeiten der EDV-Anlagen sehr schnell an ihre Grenzen, wodurch sich die zur gleichen Zeit entwickelten ersten Planungsalgorithmen nach dem sukzessiven Prinzip in den folgenden Jahren weitgehend durchgesetzt haben. Die Ursache hierfür liegt in den praktischen Umsetzungsproblemen einer simultanen Planung. 1 0 Bei der Sukzessivplanung muß hingegen auf eine optimale Gesamtlösung verzichtet werden, weil jeder Teilbereich nur unter den im vorangegangenen Schritt festgelegten Bedingungen optimiert werden kann und Interdependenzen nicht berücksichtigt werden können. Hinzu kommt, daß selbst die einzelnen Teilbereiche wegen ihrer Komplexität nicht optimiert werden können, sondern mit Hilfe vereinfachender Heuristiken zu planen sind. 1 8 1 Bei der Sukzessivplanung werden vom Ausgangsplan aus die nächsten Teilbereiche geplant und möglichst optimiert. Zumeist ist der Absatzplan

178

Vgl. Zäpfel / Missbauer, traditionelle Systeme, S. 73 und Glaser, H.: Zum betriebswirtschaftlichen Gehalt von PPS-Systemen, in: Scheer, A.W. (Hrsg.): Rechnungswesen und E D V , 10. 1Saarbrücker Arbeitstagung 1989, Heidelberg 1989, S. 349 ff. 79 Vgl. Pfohl, S. 129. ι an

Vgl. Zäpfel, G. / Gfrerer,

H.: Sukzessive Produktionsplanung, in: WiSt, 13. Jg. 1984,

S. 235. 181 Vgl. Troßmann, E.: Aufgaben der industriellen Fertigungsvorbereitung, in: WiSt, 15. Jg. 1986, S. 250.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

73

mit den Kundenaufträgen oder Absatzerwartungen gleichzeitig der Engpaßfaktor und der Minimumsektor, weshalb nach dem Ausgleichsgesetz der Planung von Gutenberg 1 8 2 vom Engpaß als Startpunkt der Planung auszugehen ist. Bei hohen Auftragsbeständen kann auch die Termin- und Kapazitätsplanung zum Minimumsektor werden, so daß im Sinne der Engpaßplanung die übrigen Aufgaben und Teilbereiche auf diesen Sektor abzustimmen sind. Für jeden weiteren Teilbereich wird nachfolgend ein eigener Plan erstellt, wobei bereits geplante Teilbereiche die Ausgangsdaten für den Folgeteilbereich bilden. Durch Zusammenfügen der Teilpläne entsteht ein Gesamtplan, der unter praktischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchführbar ist. 1 8 3 Ein gravierender Nachteil der Sukzessivplanung liegt demnach darin, daß sich ein einmal begangener Planungsfehler durch alle darauffolgenden Planungsbereiche hindurchzieht. Weiterhin ist die fehlende Berücksichtigung aller Interdependenzen sowie die fehlende Optimierung hinsichtlich eines ökonomischen Gesamtziels kritisch einzuwenden. U m diese Nachteile zu mindern, besteht die Möglichkeit, den Planungslauf iterativ durchzuführen und sich auf diese Weise dem Gesamtoptimum anzunähern. Hierbei ist jedoch nicht ermittelbar, inwieweit das Optimum erreicht wird, weil dieses nicht objektivierbar ist. Die ersten EDV-gestützten Produktionsplanungskonzepte wurden, wie gesagt, Anfang der sechziger Jahre entwickelt und basieren bis heute fast ausnahmslos auf der sukzessiven Planung. Sie dienen zunächst der Verwaltung großer Datenmengen und erfassen die wichtigen Stammdaten wie Stücklisten, Arbeitspläne und Arbeitsplatzdaten. Zunehmend werden auch Bewegungsdaten, zum Beispiel Kundenaufträge, gespeichert. Eine Weiterentwicklung ist in der Stücklistenauflösung und in der Bedarfsermittlung zu sehen, wodurch die ersten Rechenvorgänge von der E D V übernommen werden. Sie bilden das Kernstück eines PPS-Systems, das sich als Informationssystem darstellt. Es liefert nicht nur Informationen für den Entscheidungsprozeß, sondern dient durch die Stücklistenauflösung zugleich als Hilfsmittel, das die physische Arbeit unterstützt. 185 Durch Vergleich des Bruttomaterialbedarfs mit dem verfügbaren Lagerbestand kann der Nettomaterialbedarf ermittelt werden. Hierzu wird der Lagerbestand EDV-gestützt verwaltet. Weil der Verwaltungsaufwand der Softwareprogramme anfänglich sehr hoch ist, wird die Bedarfsermittlung zu Beginn nur für 1 fi? 1 8 3 Siehe 184

185

hierzu Gutenberg, Produktion, 24. Aufl., S. 163 f. Vgl. Pfohl, S. 130. Vgl. Pfohl, S. 130.

Vgl. Zäpfel / Missbauer, traditionelle Konzepte, S. 73.

74

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Α-Teile im Sinne der ABC-Analyse durchgeführt. Dadurch ist es möglich, die Bedarfsermittlung nicht mehr ausschließlich mit verganeenheitsbezogenen, sondern mit zukunftsorientierten Daten durchzuführen. 8 6 Eine weitere Stufe setzt an den Arbeitsplänen an, deren Inhalte die Voraussetzung für die Terminierung und den Kapazitätsabgleich bilden. 1 8 7 Insbesondere die Entwicklung der Netzplantechnik und der Prioritätsregeln ermöglicht eine EDV-technische Umsetzung der Terminpläne in die PPS-Systeme. Die Ergänzung um weitere Funktionen, wie etwa die Planung von Losgrößen anhand von Losgrößenmodellen, führt zu den ersten amerikanischen MRP-Systemen (,Material Requirements Planning) ab Mitte der sechziger Jahre. Ihre Funktionsbereiche umfassen hauptsächlich die terminierte Bedarfsermittlung, Losgrößenplanung, Lagerhaltung, den Kapazitätsbedarf und die Stammdatenverwaltung. 188 Ein Nachteil der MRP-Systeme liegt in der A r t der Datenspeicherung und -Verarbeitung. Die einzelnen Bereiche greifen auf zentrale Datenspeicher zurück, die in Stapelverarbeitung ablaufen. Durch diese Verarbeitungsform sind die Daten im Moment der Ausgabe häufig nicht mehr aktuell. 1 8 9 Weiterhin ist den einzelnen Abteilungen im Industriebetrieb nicht der Zugriff auf alle Daten möglich, wodurch die Kommunikation zwischen den auf die gleichen Daten zurückgreifenden Stellen schwierig ist. Eine zentrale Datenverwaltung durch den Aufbau von Datenbanken mit direkten Zugriffsmöglichkeiten auf alle Bereiche vermeidet diese Nachteile. Die Material Requirements Planning Systeme werden bereits als Systeme bezeichnet, obwohl sie nicht alle Merkmale eines Systems erfüllen. So sind noch nicht alle Funktionen in die Programme integriert - beispielsweise fehlen Funktionen wie der Kapazitätsabgleich und die Produktionsprogrammplanung -, weshalb nicht alle äußeren Einwirkungen auf das System berücksichtigt werden können. 1 9 0 Ein weiterer Mangel ist die fehlende Überprüfung des Kapazitätsangebots an Menschen, Maschinen und Betriebsstoffen. Dadurch ist ein Abgleich mit dem Kapazitätsbedarf noch nicht möglich. Dies ist insofern problematisch, weil die Kapazitäten ein Engpaß der Produktionsplanung sein können und der Kapazitätsabgleich für eine 186

Vgl. Achatdy H.G.: Neue Wege im Produktionsmanagement mit MRPS (Manufacturing Resource Planning Systems), in: Online'85, 8. Europäische Kongreßmesse für technische Kommunikation, Kongreß V, Informationstechnik im technischen Büro: C A D , C A M , CAE, C I M1 8und PPS, Düsseldorf 12.-15.2.1985, Velbert 1985, S. 2U-5. 7 Vgl. Troßmann, S. 250. 188

Vgl. Zäpfel / Missbauer y traditionelle Konzepte, S. 74. Vgl. Helberg, P.: PPS als C I M Baustein - Gestaltung der Produktionsplanung und -Steuerung für die computerintegrierte Produktion, Berlin 1987, S. 32. 189

190

Z u Systemen siehe Kap. B.3.b).

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

75

termingerechte Produktion eine unabdingbare Voraussetzung ist. Weiterhin basieren sie auf der Steuerung, da ihre Teilmodule zwar aufeinander abgestimmt sind, aber Rückkopplungen noch nicht vorgesehen sind. 1 9 1 Durch das Hinzufügen der Module "Produktionsprogrammplanung", "Kapazitätsbedarfsplanung" und "Werkstattsteuerung" zu den Modulen des Material Requirements Planning Systems entstehen die Manufacturing Requirements Planning Systeme} 92 Sie umfassen als klassische PPS-Systeme die Funktionsbereiche der kurzfristigen Produktionsplanung und -Steuerung, wie sie die betriebswirtschaftlich-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung definierte. 1 9 3 Langfristige Daten werden als unveränderbare, feste Vorgaben angesehen. Veränderte Plandaten bei der Abstimmung mit den Vorstufen führen zur vollständigen Neuplanung. Die Abstimmung erfolgt dabei meist von oben nach unten, das heißt die Pläne der Vorstufe sind bindend für die Teilpläne der nachfolgenden Stufen. Diese Systeme sind bis dahin lediglich Steuerstrecken. Erst mit dem Einbau von Rückkopplungen werden geschlossene Regelkreise im Sinne der systemtheoretischen Kybernetik möglich. In diesem Fall wird in der Literatur vom Net-Change-Prinzip gesprochen. 1 9 4 Hier wird bei sich ändernden Plandaten keine völlige Neuplanung mit Beginn bei der ersten Planungsstufe erforderlich, sondern es sind vielmehr nur die Daten der folgenden, von der Planänderung betroffenen Bereiche zu ändern. Die auf diesem Grundsatz basierenden Systeme sind in Amerika von 1978 an entwickelt worden und werden als M R P Ii-Systeme 1QS

(Manufacturing Resources Planning) bezeichnet. Ein weiteres Kennzeichen von MRP I I ist, daß die Produktionsplanung und -Steuerung in den übergeordneten Rahmen eingeordnet und das System mit der Entwicklungs-, Verkaufs- und Wirtschaftsplanung abgestimmt wird. Die vorangehende Entwicklung von MRP I I wird in Abbildung B.4 zusammenfassend dargestellt. 191

Vgl. Merkel,

H.: Von PPS- zu M R P II-orientierten Systemen, in: CIM-Management,

2. Jg. 1921986, H. 4, S. 36. Vgl Eberhardt,

S. 17. Im amerikanischen Schrifttum werden sie als Closed Loop MRP-

Systems bezeichnet. Vgl. Wight,

O.W.: Manufacturing Resources Planning: M R P II, Revised

Edition, New York 1984, S. 48. 193 Hier zeigt sich der bedeutendste Unterschied zwischen Arbeitsvorbereitung und PPSSystem. Während es sich beim PPS-System um ein spezielles Verfahren handelt, zeigt die A r beitsvorbereitung die generelle Vorgehensweise mit Hilfe von Modellen auf. 194 Dabei handelt es sich um eine softwaretechnische Maßnahme. Net-Change bedeutet, daß1 bei 9 5 Datenänderungen alle betroffenen Pläne automatisch korrigiert werden. Vgl. Merkel, V o n PPS- zu M R P II, S. 35 f. Eberhardt nennt die M R P Ii-Systeme abweichend von Merkel Management Resources Planning Systeme, versteht aber dasselbe wie Merkel darunter. Für ihn und für Merkel ist das M R P I I eine neue Weiterentwicklung der traditionellen Systeme. Vgl. Eberhardt, S. 17.

76

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

Abbildung B.4: Entwicklungsstufen der MRP-Systeme

Aus Japan kommt ab Mitte der siebziger Jahre mit dem KANBAN-System eine weitere Entwicklung der Produktionsplanung und -Steuerung. Das KANBAN-System will die Steuerung der Produktion vereinfachen und das Just-in-time-Prinzip durchsetzen. In Europa wird die Idee des Just-intime Anfang der achtziger Jahre aufgenommen. 196 I n den Verfahren, welche die Just-in-time-Idee im Produktionsbereich umsetzen, wird die Produktionssteuerung analog zur Phase der Meisterwirtschaft dezentralisiert. Ein in dieser Richtung weitergehendes Verfahren ist das Fortschrittszahlenkonzept.

196

Vgl. Eberhardt,

S. 20 ff.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

77

Der Trend zur Dezentralisation der Produktionsplanung und -Steuerung vollzieht sich nicht nur in den Verfahren zur Umsetzung der Just-in-timeIdee. Auch in den herkömmlichen PPS-Ansätzen werden die Planungs- und Steuerungsaufgaben, begünstigt durch die Möglichkeit, nur benötigte Daten von der Datenbank abzurufen (Dialog-Prinzip) und bei Nachfrage Daten einer anderen Unternehmensabteilung schnell zur Verfügung zu stellen, zunehmend in die dezentralen Produktionsabteilungen verlagert. 197 Durch die Dezentralisation wird die Stellung des Meisters aufgewertet, weil er die benötigten Daten zur kurzfristigen Steuerung in einem PPS-System verfügbar hat. Es ist aber zu beachten, daß dezentrale PPS-Systeme nicht alle Aufgaben der Produktionsplanung und -Steuerung innerhalb der Produktionsabteilungen erledigen können, sondern den durchführenden Produktionsstellen werden die Maschinenbelegung, die Störungskontrolle und -beseitigung, die Qualitätskontrolle und eventuell die Losgrößenplanung, Teilebeschaffung und Terminfeinplanung übertragen. 198 Nach der Phase der Umsetzung der Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsfunktionen in Software durch die MRP-Systeme und der Phase einer dezentralen Steuerung durch die Verfahren zur Umsetzung der Just-in-time-Idee wird seit Ende der achtziger Jahre der Versuch unternommen, die anderen Teilbereiche der Arbeitsvorbereitung, wie die vorbereitenden Tätigkeiten der Konstruktion oder der Maschineneinrichtung, mit Hilfe des Computers aufeinander abzustimmen und zu einem System zu integrieren. In solchen Konzepten sind die einzelnen Softwareprogramme durch Schnittstellen miteinander verbunden. PPS-Systeme sollen als ein Baustein in ein umfassendes CIM-System eingebettet werden, wobei alle Bereiche von C I M (Computer Integrated Manufacturing) 1 9 9 einer einheitlichen Datenbasis unterworfen werden sollen. Damit sollen Rationalisierungserfolge, beispielsweise durch Vermeidung von Datenredundanzen, möglich werden. Insbesondere technische, organisatorische und kaufmännische Abläufe zur Produktion sollen per Computer verknüpft werden, mit 197

Vgl. Zäpfel, G.: Dezentrale PPS-Systeme - Konzepte und theoretische Fundierung, in. Zäpfel, G. (Hrsg.): Neuere Konzepte der Produktionsplanung und -Steuerung, Linz 1989, S. 35 198f. Vgl. Zäpfel, G.: Produktionsplanung und -Steuerung in der "Fabrik der Zukunft", in: Milling, P. / Zäpfel, G. (Hrsg.): Betriebswirtschaftliche Grundlagen moderner Produktionsstrukturen, Herne / Berlin 1993, S. 27. 199 I m CIM-Konzept sollen alle mit der Produktion von Erzeugnissen beteiligten Bereiche über Computer abgestimmt werden und auf die gleiche Datenbasis zurückgreifen. Die Daten werden dabei meist in zentralen Datenbanken verwaltet. Die Bereiche von C I M sind: Produktionsplanung und Produktionssteuerung (PPS), Computer Aided Design ( C A D ) , Computer Aided Manufacturing ( C A M ) , Computer Aided Quality (CAQ), Computer Aided Planning (CAP) und Computer Aided Engineering (CAE).

78

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

dem Ziel, suboptimale Insellösungen für einzelne Unternehmensbereiche zu vermeiden. 2 0 0 Es bleibt darauf hinzuweisen, daß es sich bei der CIM-Konzeption keineswegs um ein völlig neuartiges Konzept handelt. Die Idee, Bereiche aufeinander abzustimmen und die Planungsaufgabe durch Zusammenarbeit aller betroffener Abteilungen zu lösen, findet sich schon im Gedankengut der betriebswirtschaftlichen-wissenschaftlichen Arbeitsvorbereitung, von deren Vertretern die Zusammenarbeit von Techniker und Kaufmann in der Fertigung sowie deren Planung und Organisation gefordert w i r d . 2 0 2 Gleichzeitig mit dem Wandel zu den EDV-gestützten PPS-Systemen vollzieht sich auf dem Feld der Arbeitsvorbereitung eine Anpassung im organisatorisch-sozialen Bereich. Die veränderten technischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen wie die Arbeitsschutzgesetzgebung , die Arbeitsstättenverordnung 204 und das Arbeitssicherheitsgesetz 0 5 , deren Ursprung in der Gewerbeordnung von 1869 verankert sind, sowie das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 führen zu einem Überdenken des Verhältnisses zwischen Mensch und A r b e i t . 2 0 6 Insgesamt werden die speziellen Be200 Vgl. Milling , P.: Die "Fabrik der Zukunft" in strategischer Perspektive, in: Milling, P. / Zäpfel, G. (Hrsg.): Betriebswirtschaftliche Grundlagen moderner Produktionsstrukturen, Herne / Berlin 1993, S. 10. Zur Darstellung der CIM-Konzeption vgl. etwa Scheer, A.W.: C I M - Computer Integrated Manufacturing - Der computergesteuerte Industriebetrieb, 4., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin u.a. 1990, S. 3 ff. und Zahn, E.: C I M - eine Waffe im Wettbewerb? in:

C I M Management, 4. Jg. 1988, H. 4, S. 17 ff. 201

Tendenziell wird dieser Eindruck in der Literatur erweckt. Vgl. etwa Scheer, C I M , S. 3 f.; Scheer, PPS-Systeme: Neue Architektur, in: Computer Magazin, o.Jg. 1986, H. 7/8, S. 44 und Hörmann, N.: C I M im Rampenlicht, in: Computerwoche extra, Nr. 3 vom 12. Juni 1987, S. 37. 202 Vgl. von Kortzfleisch,

Betriebswirtschaftliche, S. 12; vgl. Kap. B.II.l.c). Ferner verweist

Leonhardt darauf, daß die B M W A G bereits 1976 die Verbindung der Hauptfunktionsbereiche des Unternehmens mittels des Computers schuf. Vgl. Leonhardt, J.: Neue Arbeitsstrukturen 203 in der Automobilindustrie, Regensburg 1988, S.34. Bei den Arbeitsschutzgesetzen sind u.a. die Verordnung zur Arbeitszeit, die Gewerbeordnung und das Kündigungsschutzgesetz anzuführen. Vgl. Arbeitszeitordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. A p r i l 1938, in: RGBl. I, S. 447, in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1956, in: BGBl. I, S. 114 und vom 28.11.1956, in: BGBl. I, S. 875; Gewerbeordnung vom 21. Juni 1969 in der Fassung vom 26. Juli 1900, in: RGBl., S. 871 mit allen späteren Änderungen; Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vom 10. August 1951, in: BGBl. I, S. 499 mit allen Änderungen. 2 0 späteren 4 Vgl. Arbeitsstättenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 1975, in: BGBl. I, S. 729. 205 Vgl. Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) - Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 1973, in: BGBl. I, S. 1885 mit allen späteren Änderungen. 206

Vgl. Eichler, S. 280.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

79

dürfnisse des Menschen bei der Gestaltung des Produktionsprozesses und deshalb auch bei der betrieblichen Arbeitsvorbereitung stärker berücksichtigt. I n den achtziger Jahren wird die menschliche Arbeitskraft mit der steigenden Automation der Fertigungsabläufe zunehmend aus dem eigentlichen Produktionsprozeß herausgedrängt. Ihr Einsatzgebiet bezieht sich in verstärktem Maße auf die Überwachung der Produktion und die Wartung der Betriebsmittel. Diese Entwicklung und die sich wandelnden Bedürfnisse der Menschen im Arbeitsprozeß - beispielsweise treten neben der Entlohnung auch Kriterien wie das Arbeitsklima oder die Gestaltung der Arbeitszeit in den Vordergrund - führen dazu, daß soziale Wertmaßstäbe in die Gestaltung und Beurteilung der Ergebnisse des Arbeitsprozesses einbezogen werden. 2 0 7 Aus der betrieblichen Arbeitsvorbereitung entsteht die wirtschaftlich-soziale Arbeitsvorbereitung. Der Blick der betrieblichen Arbeitsvorbereitung richtet sich verstärkt auf den Arbeitsplatz, ohne den Gesamtproduktionsprozeß zu vernachlässigen. Somit liegt der Schwerpunkt der wirtschaftlich-sozialen Arbeitsvorbereitung in der menschengerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen und in der Berücksichtigung des körperlichen und geistigen Wohlbefindens des Arbeiters. 2 0 8 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß sich die Arbeitsvorbereitung im Bereich der kurzfristigen, dispositiven Aufgaben zunehmend in Richtung EDV-gestützter Systeme, die als PPS-Systeme bezeichnet werden, entwickelt hat. Dennoch kann auf den Begriff der Arbeitsvorbereitung nicht verzichtet werden. Dies begründet sich durch die Unterschiede zwischen der Arbeitsvorbereitung und dem PPS-System, die im folgenden untersucht werden sollen.

3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen PPS-Systemen und der traditionellen Arbeitsvorbereitung Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Arbeitsvorbereitung und den PPS-Systemen sind wegen der engen Verwandtschaft der Begriffe 207

Hierzu sei etwa die Bedürfnispyramide von Maslow erwähnt, nach der soziale Bedürfnisse empfunden werden, wenn die physiologischen Bedürfnisse erfüllt sind. Vgl. hierzu Pfeiffer, W. / Dörrie, U. / Stoll, E.: Menschliche Arbeit in der industriellen Produktion, Göttingen 1977, 2 0 S. 8 45 ff. und vgl. Maslow, A.H.: Motivation and Personality, 2. Aufl., New York 1970. Vgl. Eichler, S. 253 f.

80

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

und der Überschneidung der Begriffsinhalte nicht zweifelsfrei zu bestimmen. Zur Ermittlung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der traditionellen Arbeitsvorbereitung mit den PPS-Systemen wird die betriebswirtschaftlich-wissenschaftliche Arbeitsvorbereitung als Vergleichsgrundlage herangezogen. Unterschiede von Arbeitsvorbereitung und PPS-Systemen liegen in den verschiedenen Zielsetzungen. Während die Arbeitsvorbereitung bezweckt, generelle Bedingungen und Beziehungen im Produktionsbereich und in den angrenzenden Funktionen aufzuzeigen, haben die PPS-Systeme die Umsetzung der Bedingungen und der Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung in EDV-Programmen zum Ziel. Damit handelt es sich also bei den PPS-Systemen um spezielle Verfahren, während die traditionelle Arbeitsvorbereitung das allgemeine Vorgehen mit Hilfe von Modellen aufzeigt. Aus dem Kriterium "Zielsetzung" leitet sich zugleich das Kriterium zur Untersuchung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den PPSSystemen und der Arbeitsvorbereitung ab. Hinsichtlich der "Berücksichtigung von Beziehungen zwischen den einzelnen Teilaufgaben der Produktionsplanung und -Steuerung" kann für die Arbeitsvorbereitung festgehalten werden, daß bei ihr alle, das heißt sowohl die einseitigen als auch die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Teilaufgaben der Planung und Steuerung erkannt und beachtet werden sollen. Dagegen werden bei PPS-Systemen - bedingt durch die Softwareprogrammierung - nur einseitige Beziehungen zwischen den einzelnen Planungsaufgaben einbezogen. Dies liegt daran, daß PPS-Systeme in bezug auf die Abfolge der Aufgaben wegen der beschränkten Verarbeitungskapazität moderner Rechner sukzessiv aufgebaut sind. 2 0 9 Die Nutzung eines auf der Automatisierung basierenden PPS-Systems schließt die Notwendigkeit ein, bei der Programmierung Zeitbezug und Reihenfolge der Planungsschritte so festzulegen, daß die Funktionen der Planung nacheinander auszuführen sind. Die Arbeitsvorbereitung legt sich demgegenüber nicht auf eine sukzessive oder eine simultane Vorgehensweise der Planungsvorgänge fest. Bei der Planung und Steuerung mit konventionellen Hilfsmitteln kann der Zeitbezug, der Umfang und die Reihenfolge der Aufgaben fallweise geändert werden. Als Gemeinsamkeit zwischen der Arbeitsvorbereitung und den PPS-Systemen zeigt sich, daß der Planungshorizont von der mittelfristigen Programmplanung zu den kurzfristigen Produktionsplanungsfunktionen immer kürzer 209

Verfahren, die nicht auf programmtechnischen Umsetzungen basieren, erlauben für den Disponenten eine höhere Planungsflexibilität und erhöhen dessen Kompetenzen, verlangen aber eine bessere Schulung des Disponenten.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

81

wird und bei den Produktionssteuerungsfunktionen in die Gegenwart hineinreicht, wobei gleichzeitig die einzelnen Pläne inhaltlich zunehmend spezifiziert werden. Als weiteres Untersuchungskriterium kann der Umfang der Arbeitsvorbereitung und der Umfang der PPS-Systeme herangezogen werden. Bei diesem Vergleich ist festzustellen, daß die Arbeitsvorbereitung die physischen Bereiche und die dispositiven Aufgaben, sowohl langfristig als auch kurzfristig, abdeckt, während ein PPS-System nur die dispositive, kurzfristige Produktionsplanung und -Steuerung erfüllt. Weiterhin wird das langfristige Produktionsprogramm als Bestandteil der langfristigen Arbeitsvorbereitung aus den PPS-Systemen ausgegeliedert und dem Bereich der strategischen Planung zugeordnet. Damit ist der Begriff der Arbeitsvorbereitung umfassender als der Begriff des PPS-Systems. Versuche aus der jüngeren Zeit gehen dahin, PPS-Systeme durch Integration mit weiteren computergestützten Systemen, und zwar insbesondere mit Systemen aus dem Bereich der Technik hin zu einem umfassenden CIM-System, weitere Aufgaben der Arbeitsvorbereitung einzubeziehen. Innerhalb der kurzfristigen dispositiven Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungstätigkeiten zeigt sich bei Vergleich der Arbeitsvorbereitung mit den in PPS-Systeme umgesetzten Funktionen, daß die kurzfristige betriebswirtschaftliche Arbeitsvorbereitung dieselben Funktionen wie ein PPS-System umfaßt. Doch zeichnet sich die Arbeitsvorbereitung durch eine größere Methodenvielfalt als die PPS-Systeme aus, weil die PPS-Systeme aus der Gesamtheit der von der Arbeitsvorbereitung zur Verfügung gestellten Methoden nur eine Auswahl umsetzen. Darüber hinaus muß die Berücksichtigung der Beziehungen der Produktionsplanung zu den sonstigen Unternehmensplanungen untersucht werden. Die Planung im PPS-System stimmt sich mit den weiteren Unternehmensteilplänen meistens nicht ab. Lediglich als Vorgaben werden Daten der Geschäftsplanung und der Vertriebsplanung berücksichtigt. Dagegen weist die Arbeitsvorbereitung vielseitige Planungsverflechtungen mit den angrenzenden Bereichen und deren Plänen auf. Insbesondere mit dem Absatz-, Finanz· und Geschäftsführungsbereich sowie dem Konstruktionsbereich und dem Rechnungswesen hat die Arbeitsvorbereitung ihre Pläne abzugleichen210 Eine weiteres Unterscheidungsmerkmal besteht in den zu benutzenden technischen Hilfsmitteln. Während PPS-Systeme sich auf die E D V festle210

Vgl. von Kortzfleisch,

6 Schwarzmaier

Gehalt, S. 716.

82

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

gen, ist die Arbeitsvorbereitung in der Wahl der technischen Hilfsmittel offen. Sie kann sowohl mit E D V als auch mit konventionellen Hilfsmitteln wie Karteikästen, Mikrofilmen, Plantafeln oder Mikrofiche erfolgen. Für die betriebswirtschaftliche Arbeitsvorbereitung steht das Auffinden von betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen im Vordergrund, wobei das eingesetzte technische Hilfsmittel eine untergeordnete Rolle spielt. 2 1 1 Das folgende Kriterium steht in engem Zusammenhang mit den technischen Hilfsmitteln. Zwischen der Arbeitsvorbereitung und einem PPS-System kann ein Unterschied im Hinblick auf die Aufgabe "Datenverwaltung und -Verarbeitung" ausgemacht werden. Die Datenverwaltung entwickelt sich in den PPS-Systemen zu einem eigenständigen Funktionsbereich, 212 während diese Aufgabe in der Arbeitsvorbereitung als Teil der Produktionsplanung angesehen wird, wobei der Produktionssteuerung die benötigten Daten zur Verfügung gestellt werden. 2 1 3 Die Einordnung als eigenständiger Funktionsbereich innerhalb des PPS-Systems, auf den die Disponenten der Produktionsplanungsfunktionen und -steuerungsaufgaben gemeinsam zurückgreifen können, ist dadurch zu erklären, daß beide Bereiche Daten benötigen und auf die Datenverwaltung - organisiert in einer zentralen Datenbank - zurückgreifen müssen. Hinsichtlich der organisatorischen Hilfsmittel als Kriterium können nicht wie beim Merkmal "technische Hilfsmittel" bedeutende Unterschiede erkannt werden. Statt dessen werden sowohl bei der traditionellen Arbeitsvorbereitung als auch bei den PPS-Systemen die gleichen organisatorischen Hilfsmittel zur Planung und Steuerung der Produktion verwendet. Sowohl bei den PPS-Systemen als auch in der betriebswirtschaftlichen Arbeitsvorbereitung kommen die verschiedenen Stücklistenformen, Teileverwendungsnachweise und Arbeitspläne zum Einsatz. Lediglich hinsichtlich des Mediums sind Unterschiede festzustellen, weil die organisatorischen Hilfsmittel bei den PPS-Svstemen überwiegend mit Hilfe der E D V verwaltet und erstellt werden. 2 Ferner ist als Merkmal zur Unterscheidung von Arbeitsvorbereitung und PPS-System der Zentralisationsgrad der Feinplanung und der Produktions-

211

Vgl. Bergner, Z u r betrieblichen Planung, S. 28.

212

Vgl. Hackstein, S. 10; Glaser, H. / Geiger, W. / Rohde , V.: PPS, Produktionsplanung und

-Steuerung - Grundlagen - Konzepte - Anwendungen, Wiesbaden 1991, S. 3. 213 Vgl. Wagner, Vorbereitung, Sp. 2162. 214

Z u den verschiedenen Organisationshilfsmitteln, die in PPS-Systemen zum Einsatz ge-

langen, vgl. Miessen, E.D. / Freiherr

von Loeffelholz,

F. / Roos, E.: Marktstudie: 76 PPS-Sy-

steme im Vergleich, Orientierung für die Praxis, in: C I M Management, 3. Jg. 1987, H. 3, S. 56.

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

83

Steuerung heranzuziehen. Hinsichtlich der Organisationsform legt sich die Arbeitsvorbereitung nicht fest. Sie kann einerseits zentral, zum Beispiel in einem eigens dafür eingerichteten Leitstand, andererseits dezentral organisiert sein. Zwischenformen sind ebenfalls möglich. Dagegen sind die ersten herkömmlichen PPS-Systeme, die nur Einzelfunktionen der Produktionsplanung und -Steuerung abdecken, dezentral organisiert. Durch die Datensammlung in Datenbanken haben sich die PPS-Systeme in den siebziger Jahren zu zentral organisierten Systemen gewandelt, was sie bis heute in der Mehrzahl geblieben sind. Erst in neuester Zeit können, bedingt durch die Dialogfähigkeit der Programme und die Netzbildungsfähigkeit der Computersysteme, die PPS-Systeme, und dort insbesondere der Bereich der Produktionssteuerung, wieder zunehmend dezentralisiert werden. Das Kriterium "Zentralisationsgrad der Feinplanung und Steuerung" ist damit genau genommen kein Unterscheidungsmerkmal mehr, sondern zeigt den Entwicklungsstand der Systeme zur Planung und Steuerung der Produktion auf. Die Unterschiede zwischen einem PPS-System und der Arbeitsvorbereitung sind dadurch erklärbar, daß die Arbeitsvorbereitung nur generelle Ausgestaltungsmöglichkeiten aufzeigen will, während PPS-Systeme eine konkrete Umsetzung der Inhalte zur Produktionsplanung und Produktionssteuerung auf instrumenteller Ebene darstellen. PPS-Systeme haben damit durch ihre Programmierung in bestimmten Unternehmen die Planung zu erstellen. Sie dienen als Mittel zur Umsetzung der Aufgaben und Erkenntnisse der Arbeitsvorbereitung für die dispositive kurzfristige Planungsebene. Bei der betriebswirtschaftlichen Arbeitsvorbereitung wird die zielgerechte optimale Gestaltung der Ablaufplanung angestrebt, während die PPS-Systeme zur Planungsvereinfachung unter Verzicht zieloptimaler Lösungen einfache Heuristiken anwenden.2 Zusammenfassend sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Arbeitsvorbereitung und PPS-Systeme in Abbildung B.5 dargestellt.

215

Vgl. Adam, D.: Ansätze zu einem integrierten Konzept der Fertigungssteuerung bei Werkstattfertigung, in: Adam, D. (Hrsg.): Neuere Entwicklungen in der Produktions- und Investitionspolitik, Wiesbaden 1987, S. 17.

Β. Die Entwicklungslinien der Produktionsplanung

84

Kriterium für Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Betriebswirtschaftliche Arbeitsvorbereitung

PPS-Systeme

Umsetzung fester generelle Bedingungen Beziehungen in und Beziehungen Programme aufzeigen Berücksichtigung von wechselseitige Beziehungen zwischen Beziehungen zwischen einseitige Beziehungen den Aufgaben der den einzelnen zwischen den Produktionsplanung Teilaufgaben der einzelnen und -Steuerung Planung und Steuerung Teilaufgaben nur dispositive, Umfang der physische, dispositive, Produktionsplanung kurzfristige Planung lang- und kurzfristige und -Steuerung Aufgaben alle Beziehungen (z.B. Berücksichtigung von Verflechtungen mit der lediglich Vorgaben der Bedehungen zu den Kostenrechnung, der Geschäftsplanung und Konstruktion, dem sonstigen Unterdes Vertriebs nehmensteilplänen Absatz und der Geschäftsführung) Technische Hilfsmittel überwiegend EDVkonventionelle Einsatz Hilfsmittel und EDV eigenständiger Organisation der Auf- Teil der ProduktionsFunktionsbereich gabe Datenverwaltung planung und -Verarbeitung Stücklisten, wie bei ArbeitsvorArbeitspläne, organisatorische bereitung, nur Hilfsmittel Teileverwendungsnach überwiegend mittels weise, Termin- und EDV verwaltet und Belegungspläne usw. verarbeitet Zielsetzung

Zentralisationsgrad der Feinplanung und Produktionssteuerung

zentrale und dezentrale Planung und Steuerung

überwiegend zentrale Organisation; Trend aber in Richtung Dezentralität

Abbildung B.5.: Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Arbeitsvorbereitung und PPS-System

II. Geschichte und Entwicklungsstufen

85

Abschließend ist im Hinblick auf die PPS-Systeme darauf hinzuweisen, daß sie auf den Algorithmen der Arbeitsvorbereitung beruhen und durch die vielfältige und verschiedenartige Verwendung der Methoden unterschiedlich ausgestaltet sein können. Daher existiert nicht ein einziges PPSSystem, sondern verschiedene in Software umgesetzte Systeme zur Planung und Steuerung der Produktion, die in ihren Inhalten den gleichen oder zumindest ähnlichen Aufbau aufweisen. Die Programmierung der Planungsund Steuerungsabläufe erlaubt es, einen bestimmten Entwicklungsstand der Systeme mit fest umrissenem Aufgabenumfang und festgelegten Methoden als herkömmliches PPS-System zu bestimmen und spätere Entwicklungen als eine Weiterentwicklung oder Neuentwicklung anzusehen. Diese Weiterentwicklungen sollen mit einem herkömmlichen System verglichen werden. Dieser Weg wird daher gewählt, weil sich ein solches abgeschlossenes System als Vergleichsbasis eignet. Weitere Methoden der traditionellen Arbeitsvorbereitung fließen aber ebenfalls in die spätere vergleichende Untersuchung neuerer Ansätze ein. Dazu wird im folgenden Kapitel ein typisches herkömmliches PPS-System auf Basis eines Manufacturing Requirements Planning Systems (MRP I-System) dargestellt. Zuvor werden die Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung erörtert, um innerhalb der vorliegenden Untersuchung sowohl die Zielerfüllung der herkömmlichen PPS-Systeme als auch der neueren Entwicklungen beurteilen zu können.

C. Ziele und Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung

U m die neueren Verfahren untersuchen und Unterschiede zu den herkömmlichen Verfahren aufzeigen zu können, ist es notwendig, die Funktionen und Inhalte eines herkömmlichen PPS-Systems zu betrachten. Weiterhin sind Maßstäbe zu erarbeiten, anhand derer die herkömmlichen und neueren Verfahren zur Planung und Steuerung der Produktion beurteilt werden können. 1 Die Ziele und Anforderungen, welche die Produktionsplanung und -Steuerung zu erfüllen haben, sind solche Maßstäbe. Anhand dieser Ziele und Anforderungen können in einem folgenden Schritt die herkömmlichen PPS-Systeme hinsichtlich ihrer Schwächen und Einsatzvoraussetzungen bewertet werden.

I. Ziele der Produktionsplanung und Produktionssteuerung Jedes Unternehmen muß sein Handeln an bestimmten Zielen ausrichten. Weil allgemein formulierte Unternehmensziele für einzelne Bereiche des Unternehmens nicht präzise genug sind, werden für einzelne Unternehmensbereiche aus den allgemeinen Zielen für das gesamte Unternehmen konkrete Ziele ermittelt. Dementsprechend sind für die Produktionsplanung und -Steuerung als organisatorischen Teil des Produktionsbereichs konkrete Ziele aus den Unternehmenszielen abzuleiten. In diesem Zusammenhang ist interessant zu erfahren, inwieweit die Ziele oder ihre Gewichtung in den letzten Jahren einer Wandlung unterworfen waren. Daraus können Schlußfolgerungen hinsichtlich der neueren Produktionsplanungs- und Produkti-

1

Obwohl die Funktionen und Anforderungen zur Produktionsplanung und -Steuerung

schon von der traditionellen Arbeitsvorbereitung aufgestellt wurden, wird in der vorliegenden Arbeit wegen seines festen Methodenumfangs ein typisches, als herkömmlich bezeichnetes, PPS-System, das die meisten Vorgehensweisen der Arbeitsvorbereitung in ein spezielles Verfahren umsetzt, vorgestellt. Die Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung sind hingegen allgemeingültig und gelten sowohl für die Arbeitsvorbereitung, als auch für die PPS-Systeme und die neueren Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

87

onssteuerungsverfahren gezogen werden. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die herkömmlichen PPS-Systeme früher die Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung erfüllt haben, und ob sie diese auch heute noch erreichen. U m diese Fragen beantworten zu können, wird im folgenden zuerst eine kurze Einführung in die allgemeine Zieltheorie vorgenommen, anhand derer die produktionswirtschaftlichen Ziele bestimmbar sind. Aus diesen sollen in einem zweiten Schritt die Ziele für die Produktionsplanung und -Steuerung geschlossen werden.

1. Produktionswirtschaftliche Ziele als Grundlage zur Ableitung von Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungszielen Bevor die produktionswirtschaftlichen Ziele innerhalb eines Zielsystems abgeleitet werden können, ist der Zielbegriff und die Dimension einzelner Ziele zu betrachten. Anhand der dadurch gewonnenen Erkenntnisse können einzelne Zielelemente für den Industriebetrieb im allgemeinen und den Produktionsbereich im besonderen gebildet werden. Diese Zielelemente müssen in einem Folgeschritt wegen ihrer gegenseitigen Beziehungen zueinander in eine Ordnung gebracht werden. Diese Ordnung drückt sich im Unternehmenszielsystem aus.

a) Begriff und Dimension des Zielelements Ein Ziel definiert sich als "einen zukünftigen Zustand der Unternehmung .., der als erstrebenswert angesehen wird". 2 Ziel und gewünschte Wirkung zeichnen sich durch eine "wenn - dann" Beziehung aus. Demnach ist eine bestimmte Wirkung zu erreichen, wenn die Erfüllung eines Ziels unter Berücksichtigung von Randbedingungen angestrebt wird. 3 Da in einem Unternehmen nicht nur ein Ziel verfolgt wird, sondern mehrere Ziele entweder auf der gleichen Hierarchiestufe oder abgeleitet aus einem übergeordneten Ziel zu beachten sind, werden die einzelnen Ziele zu einem Zielsystem gebündelt. "Das Zielsystem einer Unternehmung kann somit als eine geordnete Gesamtheit von Zielelementen, zwischen denen horizontale .. (oder, Anm.d.V.) vertikale Beziehungen bestehen oder hergestellt

2 Heinen, E.: Grundlagen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen, das Zielsystem der Unternehmung, 3., durchgesehene Aufl., Wiesbaden 1976, S. 45. 3 Vgl. Wild, S. 52.

C Ziele und Funktionen

88

werden können, aufgefaßt werden." 4 Die einzelnen Zielelemente innerhalb des Zielsystems sind durch einen Zielbildungsprozeß zu bestimmen, der in mehreren Stufen abläuft. Nach der Zielsuche sind die Ziele zu charakterisieren und in eine Ordnung zu bringen. Hiernach ist ihre Durchsetzbarkeit zu prüfen und eine endgültige Auswahl der Ziele zu treffen, die in der Folgezeit anzustreben sind. Die letzte Stufe dieses Prozesses bildet die Kontrolle der Zielerreichung. 5 Innerhalb dieser Arbeit soll die Charakterisierung und Ordnung einzelner Zielelemente genauer untersucht werden, weil diese beiden Stufen für den Aufbau eines allgemeinen Zielsystems für den Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsbereich von besonderer Wichtigkeit sind. Jedes einzelne Zielelement läßt sich anhand seiner inhaltlichen und zeitlichen Zieldimensionen und anhand des Zielausmaßes charakterisieren. 6 Darüber hinaus kann noch eine personale Dimension angefügt werden. 7 Durch den Zielinhalt wird festgelegt, was angestrebt werden soll und inwieweit dessen Erreichen durch Bestimmen eines Sollzustandes gemessen werden kann. Dieser Sollzustand, auch als Zielzustand bezeichnet, wird durch das Zielobjekt, das den Teilbereich der zukünftigen Realität angibt und auf den sich das Streben des Entscheidungsträgers richtet, die Zieleigenschaft - welche die Art des angestrebten Zustandes bezeichnet - und den Zielmaßstab konkretisiert. Das anzustrebende Zielausmaß gibt den Grad des Strebens nach einem Ziel an. Das Zielausmaß und die erreichte Q

Zielausprägung wird anhand einer Zielfunktion dargestellt. Die Zeitdimension bestimmt die Geltungsdauer eines Zielelementes. M i t der Zeitdimension ist der Zukunftsbezug eines Ziels verbunden. Ein Ziel kann bis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt gelten (zeitpunktbezogene Ziele), die Geltungsdauer kann aber auch für einen festgelegten Zeitraum definiert sein (zeitraumbezogene Ziele). Nach der Fristigkeit der Ziele werden kurz-, mittel- und langfristige Ziele unterschieden. Je nach dem verfolgten Zweck der Fristigkeitsabgrenzung kann diese Zuordnung hinsicht-

4 Bidlingmaier, J. / Schneider, D J.G.: Ziele, Zielsysteme und Zielkonflikte, in: Grochla, E. / Wittmann, W. (Hrsg.): H W B , Bd. 3, 4., völlig neu gest. Auflage, Stuttgart 1976, Sp. 4733. 5 6

Vgl. Wild, S. 57 f.

Vgl. Heinen, Industriebetriebslehre, S. 46 f. 7 Vgl. Hantel, W.: Zieländerungen im Entscheidungsprozeß, Tübingen 1974, S. 34. 8 Vgl. Hantel, S. 35 f. und Heinen, E.: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 9., verb. Aufl., Wiesbaden 1985, S. 99 f.; siehe auch Hauschildt, J.: Entscheidungsziele, Tübingen 1977, S. 10 ff.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

89

lieh der Geltungsdauer innerhalb der Unternehmen und Unternehmensbereiche stark differieren. 9 Die personale Dimension legt fest, welche Personen am Zielbildungsprozeß beteiligt sind, und welche Adressaten die Ziele zu erfüllen haben. Der Zielbildungsprozeß ist eine sehr komplexe Aufgabe, an dem meist mehrere Personen oder Personengruppen innerhalb des Kernorganes, das heißt der Unternehmensleitung, 11 einer Unternehmung mit unterschiedlichen Präferenzen und Zielen beteiligt sind. Innerhalb des Zielbildungsprozesses ist mit Hilfe von Verhandlungen unter Berücksichtigung der Machtpositionen der einzelnen Mitglieder des Kernorgans eine Abstimmung der einzelnen personalen Ziele anzustreben. So werden die einzelnen personalen Ziele für das Unternehmen zu Zielen der Unternehmung und es entsteht ein Zielsystem, das den Mitgliedern der Unternehmung als Handlungsvorschrift dient. Die einzelnen Zielelemente dieses Zielsystems stehen in den unterschiedlichsten Beziehungen zueinander. Diese möglichen Beziehungen werden im folgenden analysiert.

b) Aufbau eines Zielsystems zur Ableitung von produktionswirtschaftlichen Zielen Obwohl eine einwandfreie Zuordnung der Ziele zu bestimmten Bereichen im Unternehmen und damit der widerspruchsfreie Aufbau eines Zielsystems kaum möglich ist, werden innerhalb der vorliegenden Untersuchung zumindest mögliche Abhängigkeiten der Ziele des Produktionsbereichs beispielhaft aufgezeigt. Dieses System erhebt weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Allgemeingültigkeit, weil sich die Ziele von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. U m die Ziele für den produktionswirtschaftlichen Bereich aus den obersten Unternehmenszielen ableiten zu können, und um die Beziehungen der Ziele innerhalb des Produktionsbereichs und zu den Zielen der angrenzenden Unternehmensbereiche aufzeigen zu können, sind die theoretisch möglichen Zielbeziehungen in einem Zielsystem zu erläutern.

9 1 0Vgl.

Bidlingmaier / Schneider, Sp. 4738. Vgl. Hantel, S. 34.

11

Vgl. Heinen, Industriebetriebslehre, S. 58 f.

90

Ziele und Funktionen

aa) Zielbeziehungen in einem Zielsystem Ein Zielsystem läßt sich in horizontale und vertikale Ebenen einteilen. Bei der Untersuchung der vertikalen Ebenen werden die Beziehungen zwischen vor- und nachgelagerten Zielelementen betrachtet, bei der horizontalen Betrachtung die Beziehungen zwischen Zielelementen, die auf der gleichen Zielebene angesiedelt sind.

(1) Die horizontale Ebene Die jeweiligen Ziele auf einer Ebene der Zielhierarchie können in den verschiedensten Beziehungen zueinander stehen. Im einzelnen werden zielneutrale, zielantinome, zielkonkurrierende, zielidente und zielkomplementäre Beziehungen unterschieden. Bei Zielneutralität hat die Erfüllung eines Zielelements keine Auswirkungen auf das Ausmaß eines anderen angestrebten Zielelements. Anders ist dies bei Zielantinomie und Zielkonkurrenz. Hier beeinflußt die Erfüllung eines Zielelements die Erfüllung eines anderen Zielelements negativ. Während bei der Zielantinomie die Realisierung eines Zielelements zur Aufgabe eines anderen Einzelziels führt, muß bei der Zielkonkurrenz das andere Zielelement nicht vollständig ausgeschlossen werden. In diesem Fall führt das Anstreben eines Einzelziels vielmehr zur Verminderung eines weiteren Zielelements. Während die Zielantinomie keinen Entscheidungsspielraum läßt und die Zielneutralität und Zielkomplementarität unproblematisch sind, ist der Fall der konkurrierenden Zielbeziehung für die Entscheidungsträger in einem Unternehmen problematisch, weil die Einzelziele nicht gleichzeitig erreicht werden können und bei Nichtbeachtung dieser Zielbeziehung Fehlentscheidungen hinsichtlich eines im Zielsystem übergeordneten Ziels getroffen werden können. Stehen zwei oder mehrere Einzelziele in konkurrierender Zielbeziehung zueinander, muß das jeweils angestrebte Ausmaß nach der Bedeutung der Zielelemente festgelegt werden. Es werden Präferenzen gesetzt, indem die Elemente in Haupt- und Nebenziele eingeteilt werden. Zum Beispiel kann das Hauptziel unter der Nebenbedingung eines bestimmten zu erreichenden Wertes des Nebenziels maximiert werden. 13 Eine zielidente Beziehung zeichnet sich durch die Deckungsgleichheit der einzelnen Zielelemente aus. In diesem Falle braucht nur eines der identischen Einzelziele verfolgt zu werden. Ebenfalls in einer positiven Relation 12 1 3 Vgl.

Heinen, Industriebetriebslehre, S. 43 f. und Bidlingmaier Vgl. Heinen, Einführung, S. 102 f.

/ Schneider, Sp. 4734.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

91

stehen die Einzelziele bei komplementären Zielbeziehungen. Hier begünstigt das Anstreben eines Zielelements das Erreichen eines weiteren Elements. 4 Auch diese beiden Beziehungsmöglichkeiten erweisen sich als unproblematisch, weil hier nicht eine entweder-oder-Entscheidung gefordert wird, sondern mehrere Ziele gleichzeitig maximiert werden können.

(2) Die vertikalen Beziehungen zwischen den Zielebenen Die Betrachtung der Zielelemente auf verschiedenen vor- und nachgelagerten Hierarchiestufen eines Zielsystems führt zur Unterscheidung in Ober-, Zwischen- und Unterziele. Zwischen einem Oberziel und dem direkt aus ihm abgeleiteten Zwischen- oder Unterziel besteht eine Zweck-MittelBeziehung. Dies bedeutet, daß das Unterziel das Mittel darstellt, um den Zweck, das Oberziel, zu erfüllen. Damit wird unterstellt, daß das Ober- und das Unterziel in komplementärer Beziehung zueinander stehen. Unterziele konkretisieren die Oberziele und ermöglichen den mittleren und unteren Leitungsstellen in einer Unternehmensorganisation, genaue Handlungsentscheidungen für ihren Tätigkeitsbereich abzuleiten. 1 In einem Zielsystem wird durch die Zweck-Mittel-Beziehung ein Oberziel in ein oder mehrere Unterziele aufgeschlüsselt. Diese Unterziele als Mittel zum Erreichen der Oberziele können ihrerseits wiederum weiter heruntergebrochen werden und damit zu Zwischenzielen auf einer tieferen Betrachtungsebene werden, so daß das Zielsystem einen pyramidenförmigen Aufbau erhält. Eine Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der Zweck-Mittel-Beziehungen. Ein pyramidenförmiges Zielsystem entsteht, wenn einem obersten Oberziel mehrere Zwischen- und diesen wiederum mehrere Unterziele zugeordnet sind. 1 7

bb) Die produktionswirtschaftlichen Ziele und ihre Beziehungen A n oberster Stelle des Produktionsbereichs steht die Erfüllung des Unternehmenszwecks oder des allgemeinen Sachziels, das in der Produktion von Sachgütern zum Ausdruck kommt. U m diesen Unternehmenszweck langfristig zu sichern, werden Formalziele für das Unternehmen abgeleitet, die dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen oder zukünftig gesicherten Lei14

Vgl. Korndörfer,

W.: Unternehmensführungslehre, 2., Überarb. Aufl., Wiesbaden 1979,

S. 45. 15

Vgl. Heinen, Einführung, S. 104 f.

16

Vgl. Heinen, Einführung, S. 104 f.

17

Vgl. Bidlingmaier

/ Schneider, Sp. 4734.

92

C. Ziele und Funktionen

stungserstellung Rechnung tragen sollen. In der Zieltheorie wird unter Heranziehen bestimmter Hypothesen 18 die traditionelle Gewinnmaximierung als oberstes Formalziel für ein industrielles Unternehmen angenommen. Obwohl die Problematik der Gewinnmaximierungshypothese und die Existenz gleichrangiger Ziele bereits in der Zieltheorie erkannt wird, dominiert in ihr weitgehend das Gewinnstreben. 19 Fragwürdig ist insbesondere eine Maximierung des Gewinns, weshalb wegen des Vorhandenseins oberster Nebenziele häufig eine Gewinnsatisfizierung unterstellt wird. Neben dem Gewinnstreben verfolgt ein Unternehmen weitere monetäre Ziele wie Umsatz- und Liquiditätsziele. Weiterhin sind nicht monetäre Ziele im ökonomischen, sozialen, politischen und gesellschaftlichen Bereich als oberste Ziele eines Zielsystems zu erkennen. Beispiele hierfür sind Ziele wie Marktanteilsstreben, Produktivitätsstreben, Wachstumsstreben, Qualitätsziele, das Streben nach Macht und Prestige, aber auch Ziele wie die Existenzsicherung und Unabhängigkeit einer Unternehmung, die Arbeitsplatzsicherung sowie der Umweltschutz als oberste Ziele. 2 0 Bei diesen Zielen ist stets der positive Zusammenhang mit dem Gewinnziel zu beachten, weil die Ziele entweder zu einer Gewinnsteigerung führen oder ohne eine langfristige Gewinnerzielung nicht zu erfüllen sind. Somit ist die Erzielung von Gewinn zumindest auf langfristige Sicht eine unverzichtbare Voraussetzung für eine nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip strebende Unternehmung. Die weiteren Oberziele sind folglich meist als Nebenziele des Gewinnziels zu interpretieren. 21 18

Hierbei ist insbesondere die Annahme des homo oeconomicus und das Vorhandensein vollständiger Informationen zu nennen. Vgl. Korndörfer, S. 39. 19 Vgl. Heinen, E.: Die Zielfunktion der Unternehmung, in: Koch, H. (Hrsg.): Z u r Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Erich Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 13 f. Empirische Untersuchungen dokumentieren die Abkehr von der alleinigen Gewinnmaximierung zu einer pluralistischen Zielkonzeption. Vgl. Bidlingmaier,

J.: Unternehmerziele

und Unternehmensstrategien, Wiesbaden 1964, S. 45. 20 Vgl. Korndörfer, S. 38. Kosiol interpretiert die Gewinnmaximierung als Mittel zur Erreichung dieser auf einer höheren Ebene angesiedelten Ziele. Macht und Anerkennung sind für ihn damit die obersten Ziele, die durch die Gewinnmaximierung zu verwirklichen sind. Vgl. Kosiol, E.: Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, Reinbek bei Hamburg 1972, S. 226 f. 21

Uber das Vorhandensein gleichrangiger Ziele neben dem Gewinnziel oder aber der Dominanz des Gewinnziels ist sich die Zieltheorie nicht einig. Auch existieren sowohl empirische Untersuchungen, die die These der Gewinnzieldominanz unterstüzen, als auch neuere Untersuchungen, die eine Existenz gleichrangiger Ziele auf oberster Ebene als Ergebnis ausweisen. Vgl. Czeranowsky, G. / Strutz, H.: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über Unternehmungsziele, in: Jacob, H. (Hrsg.): Zielsystem und Entscheidungsprozeß in der Unternehmung, Wiesbaden 1970, S. 122; und Fritz, W. / Förster, F. / Raffée , H. / Silberer, G.: Unternehmensziele in Industrie und Handel, in: D B W , 45. Jg. 1985, S. 379 f.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

93

Das oberstes Hauptziel Gewinnerzielung kann nach den einzelnen Bereichen des Unternehmens in Bereichsziele heruntergebrochen werden. Während im Finanzbereich eher Ziele dominieren, die aus dem obersten Nebenziel der Liquiditätsoptimierung und der Kapitalerhaltung abzuleiten sind, ist im Absatzbereich das Ziel Erlösmaximierung von übergeordneter Bedeutung. Die Erlösmaximierung ist ein Mittel zur Gewinnerzielung, unterstützt gleichzeitig aber auch weitere Ziele auf höchster Ebene wie Marktanteilssicherung oder erhöhung. U m das Ziel Erlösmaximierung verwirklichen zu können, sind weitere Unterziele wie die Optimierung der Preise, der Kundenwerbung und der Kundenbetreuung abzuleiten. Damit die Produktion zu einer möglichst hohen Gewinnerzielung beitragen kann, ist sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu vollziehen. Die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens kann unter anderen als KostenwirtΛΛ

schaftlichkeit gemessen werden. Oft wird auch zur Messung der Leistungsfähigkeit die Produktivitätskennzahl im Sinne des Wirkungsgrades herangezogen, doch zieht ein hoher Wirkungsgrad nicht zwingenderweise eine hohe Wirtschaftlichkeit nach sich. Bei dem Wirkungsgrad handelt es sich, wie oben schon erläutert, um eine mengenmäßige Betrachtung des Verhältnisses der Erzeugnisse zu den eingesetzten Produktionsfaktoren. In der betriebswirtschaftlichen Praxis bereitet die mengenmäßige Betrachtung Schwierigkeiten hinsichtlich des Vergleichs ungleicher Faktorarten. 23 Hierdurch besteht die Gefahr trotz hoher Produktivität im Sinne des Wirkungsgrades je nach den Preisen der jeweiligen Einsatzfaktoren kostenunwirtschaftlich zu produzieren, was wiederum negative Auswirkungen auf den Erfolg zur Folge hat. Demnach ist insbesondere bei Substitutionsmöglichkeiten der Einsatzfaktoren die rein mengenmäßige Betrachtung um das Preisgerüst zu erweitern, wodurch Inputs und Outputs der Produktion in Wertmaßstäben dargestellt werden. 24 Bei der daraus folgenden Wirtschaftlichkeitskennzahl steht die "optimale Kombination von Potential- und Repetierfaktoren zur kostenminimalen Erzeugung der erforderlichen Mengen bestimmter Produkte" 25 oder die größtmögliche Ausbringung mit gegebenen Kosten im Vordergrund. Aus beiden Auslegungen der Wirtschaftlichkeit läßt sich ein wichtiges Ziel des Produktionsbereichs, die Minimierung der 22

Vgl. zu den verschiedenen Kennzahlen der Wirtschaftlichkeitsmessung Eichhorn, P.: Wirtschaftlichkeitsrechnungen für private und öffentliche Investitionen (Teil 1), in: WiSt, 3. Jg. 23 1974, S. 322. 2 4 Vgl.

Heinen, Einführung, S. 110. Vgl. Reichwald, IL / Mrosek, D.: Produktionswirtschaft, in: Heinen, E. (Hrsg.): Industriebetriebslehre, Entscheidungen im Industriebetrieb, 7., vollst. Überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 1981, S. 375. 25 Szyperski, N. / Tilemann, T.: Ziele, produktionswirtschaftliche, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 2310.

94

C. Ziele und Funktionen

entscheidungsrelevanten Kosten im Produktionsbereich, ableiten. Weitere Ziele, die für die Produktion relevant sind, können nicht unmittelbar aus der Gewinnerzielung entnommen werden, sondern sind aus den obersten Nebenzielen, wie zum Beispiel den sozialen und gesellschaftlichen Zielen, abzuleiten. So sind zum Beispiel die Humanisierung der Arbeit oder die Verbesserung von Umweltschutzmaßnahmen als weitere produktionswirtschaftliche Ziele anzuführen. In dem Fall, in dem die Oberziele nach Bereichen in Unterziele aufgeschlüsselt werden, ist die Zielhierarchie eng mit der Organisationshierarchie eines Unternehmens verknüpft. Die Ziele der einzelnen Bereiche sollen dann gemeinsam in ihrer Mittlerfunktion die Oberziele der Gesamtunternehmung erfüllen. 26 Schon auf Bereichsebene treten die ersten Abstimmungsprobleme und Zielkonflikte auf. So kann etwa die Erlösmaximierung im Absatzbereich zum Konflikt mit der Kostenminimierung im Produktionsbereich führen. Der Absatzbereich - mit dem Ziel der Erlösmaximierung - wird möglichst keine Terminverzögerungen von Aufträgen in Kauf nehmen, weil ansonsten zukünftige Erlösausfälle wegen unzufriedener Kunden zu erwarten sind. Dagegen vernachlässigt der Produktionsbereich zum Zweck der optimalen Kapazitätsauslastung und Minimierung der Rüstkosten etwaige Terminverzögerungen, um gleichartige Aufträge hintereinander produzieren zu können. Dieses Beispiel verdeutlicht die Probleme beim Aufbau eines möglichst widerspruchsfreien Zielsystems. Die Bereichsziele sind für die Bereichsleiter operabel, für einzelne Abteilungen und Mitarbeitergruppen sind aus ihnen aber noch keine konkreten Handlungsanweisungen ableitbar. Die produktionswirtschaftlichen Ziele sind daher weiter aufzuspalten, indem die Minimierung der Produktionskosten als oberstes Bereichsziel durch Dispositionsziele und produktionstechnische Ziele operationalisiert wird. 2 7 Bei den Dispositionszielen handelt es sich um Ziele zur Planung und Organisation. Die produktionstechnischen Ziele betreffen zunächst die im Produktionsbereich eingesetzte Technik. Als Beispiele sind die Erhöhung der Produktionsflexibilität durch Einsatz von Universalmaschinen oder die Rüstzeitverkürzung durch den Einsatz automatisierter Maschinen zu nen-

26 27

Vgl. Korndörfer,

S. 44.

Diese Einteilung lehnt sich an Schmidt-Sudhoff an; vgl. Schmidt-Sudhoff\ U.: Unternehmerziele und unternehmerisches Zielsystem, Wiesbaden 1967, S. 96. Schmidt-Sudhoff unterscheidet noch eine weitere Kategorie: die kostenwirtschaftlichen Ziele. Diese Kategorie soll aber hier nicht berücksichtigt werden, weil kostenwirtschaftliche Ziele unter den beiden anderen Kategorien subsumiert werden können.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

95

nen. Die Rüstzeitverkürzung ist gleichermaßen ein Ziel der Planung und Steuerung der Produktion, da unter Umständen durch Zusammenlegen gleichartiger Aufträge die Rüstzeiten verkürzt werden können. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine technische, sondern um eine organisatorische Maßnahme. Eine technische Maßnahme zieht oft eine organisatorische Zielentscheidung nach sich, so daß eine Trennung der Ziele für die beiden Bereiche nur schwer möglich ist. Den Zielen der Organisation innerhalb der Produktion sind insbesondere die Ziele der Planung und Steuerung der Produktion zuzuordnen. Das soll im folgenden aufgezeigt werden.

2. Die Ziele der Produktionsplanung

und -Steuerung

Bei den Zielen zur Produktionsplanung und -Steuerung sind zunächst die Ziele als Einzelziele vorzustellen, bevor die Beziehungen zwischen den Einzelzielen zu untersuchen ist. Nach dem Herleiten der Ziele und ihrer Beziehungen ist der Wandel von Zielen im Zeitablauf zu erörtern.

a) Relevante Einzelziele Aus dem produktionswirtschaftlichen Ziel, die Kosten des Produktionsbereichs bei geplanter Ausbringung zu minimieren, lassen sich für die Planung und Steuerung der Produktion konkrete Subziele ableiten, die diese zu erfüllen hat. Zur Ordnung dieser Ziele ist die Einteilung in Sach- und Formalziele sinnvoll. 28 Bei Sachzielen stehen der Leistungsvollzug und das Leistungsergebnis im Vordergrund der Betrachtung. Sie sind den eher technischen, nicht in ökonomischen Größen meßbaren Zielen zuzuordnen. Bei den Formalzielen wird das wertmäßig meßbare Ergebnis der Unternehmensaktivitäten verfolgt. Sie sind durch ihre ökonomischen Maßstäbe leicht quantifizierbar und sollen den ökonomischen Erfolg aufzeigen. Obwohl diese Unterteilung hier nur für die von der Produktionsplanung und -Steuerung angestrebten Ziele verwendet wird, ist sie auch auf die Ziele des gesamten Unternehmens übertragbar. 29

28

Z u dieser Einteilung vgl. Kosiol, Unternehmung, S. 223 ff. und Bidlingmaier, J.: Zielkonflikte und Zielkompromisse im unternehmerischen Entscheidungsprozeß, Wiesbaden 1968, S. 103 ff. Wiendahl und von Wedemeyer bezeichnen die Formalziele als Ziele auf wirtschaftlicher Ebene, die Sachziele als Ziele der Steuerungsebene. Vgl. Wiendahl, H.P. / von Wedemeyer, H.G.: Das Dilemma der Fertigungssteuerung, in: ZfB, 60. Jg. 1990, S. 408. 29 Eine allgemeingültige Darstellung von Sach- und Formalzielen für die gesamte Unternehmung konnte bislang durch die Zielforschung noch nicht geliefert werden. Vgl. Szyperski / Tilemann, Sp. 2302.

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C. Ziele und Funktionen

Die Formalziele lassen sich direkt aus dem produktionswirtschaftlichen Ziel der Kostenminimierung ableiten. Demgegenüber zeigen die Sachziele, wie das Formalziel erfüllt werden kann. Gleichzeitig konkretisieren die Sachziele der Produktionsplanung und -Steuerung das übergeordnete Sachziel für den Produktionsbereich, indem Mittel und Wege der Güterentstehung aufgezeigt werden sollen.

aa) Formalziele der Produktionsplanung und -Steuerung Die Formalziele der Produktionsplanung und -Steuerung sollen gemeinsam das übergeordnete Ziel der Kostenminimierung oder Deckungsbeitragsmaximierung im Produktionsbereich erfüllen. Die einzelnen Formalziele lassen sich aus der Betrachtung für den Produktionsbereich relevanter Kostenkategorien, die aus dem Aufbau eines Kostenrechnungssystems ersichtlich sind, erklären. Sind diese Kategorien durch dispositive Entscheidungen beeinflußbar, können zur Minimierung dieser Kosten Formalziele gebildet werden. Die Kostenarten werden in primäre und aus den primären Kosten zusammengesetzte sekundäre Kosten gegliedert. Zunächst sollen aus den primären Kostenarten 30 Formalziele hergeleitet werden. Bei den primären Kostenarten wird die Art der verbrauchten originären Produktionsfaktoren herangezogen, wodurch die Personalkosten, Werkstoffkosten, Betriebsmittelkosten, Abgaben an die öffentliche Hand, Fremdleistungs- und Wagniskosten sowie Kapitalkosten unterschieden werden. 31 Hinsichtlich der Personalkosten als erste primäre Kostenart ist festzustellen, daß kurzfristig Löhne 3 2 und Gehälter durch die Planung und Steuerung der Produktion kaum beeinflußbar sind. Lediglich Leerkosten 33 für die 30 Z u den primären Kostenarten vgl. Götzinger, M . / Michael, H.: Kosten- und Leistungsrechnung, 3., Überarb. und erw. Aufl., Heidelberg 1985, S. 58 ff.; Kilger, W.: Einführung in die Kostenrechnung, 3., durchgesehene Aufl., Wiesbaden 1987, S. 78 ff. 31 Vgl. Haberstock, L.: Kostenrechnung I, 8., durchgesehene Auflage, Hamburg 1987, S. 74 ff.

32

Hier sind insbesondere die Zeitlöhne und Prämienlöhne anzuführen. Eine Ausnahme hinsichtlich der Beeinflußbarkeit bildet derjenige Teil der Akkordlöhne, der über den garantierten Midestlohn hinausgeht. Die Höhe dieses Teillohnes wird allerdings maßgeblich von der 3Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Arbeitnehmers bestimmt. 3 Weil die Leerkosten den ungenutzten Teil der Fixkosten bei Unterbeschäftigung angeben, ist der Leerkostenbegriff nicht nur auf Maschinen, sondern auch auf Personalkosten, Werkzeuge, Vorrichtungen, Fabrikbauten u.v.m. zu beziehen. Vgl. Bergner, H. / Schehl, M.: Z u r Ermittlung der Herstellungskosten in Handels- und Steuerbilanz aus der Kostenrech-

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

97

nicht oder nicht sinnvoll genutzte menschliche Arbeitskraft können von der Produktionsplanung und -Steuerung beeinflußt werden. Ein Formalziel der Produktionsplanung ist damit die Minimierung dieser Leerkosten. Leerkosten entstehen ferner bei den Betriebsmitteln. Wie die Leerkosten beim Personal sind sie zu minimieren und bilden ein weiteres Formalziel der Produktionsplanung und -Steuerung, weil sie von der Planung und Organisation kurzfristig beherrschbar sind. Abschreibungen auf Betriebsmittel können durch die Planung der Produktion so gut wie nicht beeinflußt werden. 3 4 Sie sind somit nicht in die Gruppe der Formalziele der Produktionsplanung und -Steuerung einzuordnen. Von den Kostenarten "Werkstoffkosten" und "Wagniskosten" sind überwiegend die Kosten durch den ordentlichen Verbrauch beziehungsweise den außerordentlichen Verbrauch von Werkstoffen von Belang. Durch der Minimierung des ordentlichen Verbrauchs kann für die Produktionsplanung das Formalziel "Minimierung der Kosten des ordentlichen Ausschusses" oder, allgemeiner formuliert, die "Minimierung der Werkstoffkosten" - zum Beispiel die Energiekosten - gebildet werden. Hinsichtlich der Wagniskosten sind die außerordentlichen Verbräuche von Werkstoffen durch Verderb, Schwund oder außerordentlichen Ausschuß zu minimieren. Weiterhin können die nicht versicherten oder nicht versicherbaren Risiken in der Produktion, etwa durch Unfallschutzvorsorgemaßnahmen, minimiert werden. Werden die verschiedenen Wagnissen zusammengefaßt, kristalisiert sich für die Produktionsplanung und -Steuerung das Formalziel "Minimierung der Wagniskosten" heraus. Bei der Kostenart "Kapitalkosten" werden die kalkulatorischen Zinsen für das Anlage- und das Umlaufvermögen errechnet. U m die kalkulatorischen Zinsen möglichst niedrig zu halten, ist vor allem das Umlaufvermögen zu minimieren. A m ehesten können hierbei Einsparungen bei den Lagerkosten getätigt werden. Aus der Minimierung des Umlaufvermögens kann das Formalziel Minimierung der Kapitalbindungskosten für den Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsbereich abgeleitet werden.

nung, in: Milling, P. (Hrsg.): Systemmanagement und Managementsysteme, Festgabe für Gert v. Kortzfleisch zum 70. Geburtstag, Berlin 1991, S. 316. 34

Indem die Produktionsplanung durch die Kapazitätsbelegung die Maschinenabnutzung mitbestimmt, bestehen indirekt Zusammenhänge zwischen kostenrechnerischen Abschreibungen und der Produktionsplanung. 7 Schwarzmaier

98

C. Ziele und Funktionen

Weitere Kosten, die den Kostenarten öffentliche Abgaben und Fremdleistungskosten zuzuordnen sind, führen wegen der kurzfristig fehlenden Beeinflußbarkeit durch die Planung und Steuerung der Produktion nicht zu Formalzielen für diesen Bereich. Außer den primären Kostenarten lassen sich aus einigen sekundären Kostenarten, insbesondere wenn diese nach Tätigkeiten gegliedert sind, Formalziele ermitteln. Die wichtigsten Kostenarten sind Rüst-, Beschaffungs-, Lager- und Transportkosten. Aus diesen Kosten abgeleitete Formalziele sind beispielsweise die Minimierung der Beschaffungskosten, eventuell auch der Bestellkosten, und die Minimierung der Transportkosten, die für selbst getätigte Transporte angefallen sind. 36 Als weitere sekundäre Kostenart können die durch Rüstvorgänge hervorgerufenen Kosten aufgeführt werden. Durch anfallenden Verschnitt und Ausschuß bei Rüstvorgängen sowie durch den Werkzeugwechsel bedingte Maschinenleerzeiten treten verschiedene Kosten auf, die unter der Sekundärkostenkategorie "Rüstkosten" subsumiert werden. Diese Rüstkosten setzen sich überwiegend aus den primären Kostenarten Personalkosten, Werkstoffkosten, Betriebsmittelkosten, Kapitalkosten und Wagniskosten zusammen. Demnach sind die ordentlichen und außerordentlichen, durch Maschinenoperationen bedingte Auschüsse in den Rüstkosten enthalten. Die Betriebsmittelkosten, die in den Rüstkosten enthalten sind, bilden zusammen mit den Kapitalkosten einen großen Teil der fixen Rüstkosten. Einen weiteren Bestandteil der fixen Rüstkosten kommt in Ansatz durch Opportunitätskosten für die Rüstzeit, in der keine Ausbringung erfolgt. Der Ausweis dieser Kosten ist jedoch nur bei Vollbeschäftigung gerechtfertigt, da in diesem Fall ein zusätzlicher Rüstvorgang zu einer Verminderung der Ausbringungsmenge führt. Bei Unterbeschäftigung hingegen bewirkt ein zusätzlicher Rüstvorgang einen Abbau von Leerzeiten, der nicht gleichzeitig eine niedrigere Ausbringung nach sich zieht. 3 7 Die Rüstkosten bedeuten für die Planung und Steuerung der Produktion ein Formalziel, indem sie zu minimieren sind. Die Lagerkosten sind ebenfalls eine sekundäre Kostenart. Die eigentlichen Kosten der Lagerung setzen sich einmal aus den Raumkosten und zum

35

Sie können zwar über das Vermögen und damit über die Vermögenssteuer langfristig auch durch Planung und Steuerung des Betriebes beeinflußt werden, ein kurzfristiger Einfluß kann aber weitgehend verneint werden. 36 Ansonsten wären sie durch die Planung und Organisation des Produktionsbereichs nicht zu beeinflussen, weil sie sonst nicht in dessen Zuständigkeitsbereich fallen würden. 37

Vgl. Häfiter, H.: Ein Warteschlangenansatz zur integrierten Produktionsplanung, Diss., Heidelberg 1992, S. 60.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

99

zweiten aus den Kosten der Lagerbestände zusammen. Die Raumkosten sind die Kosten, die durch die Lagerraumbereitstellung anfallen. Sie bestehen überwiegend aus den Abschreibungen, der Verzinsung, der Raumversicherung, Beleuchtung, Heizung, Instandhaltung und der anteiligen Vermögenssteuer. 39 Die Kosten der Lagerbestände umfassen zu großen Teilen den Verderb, den Schwund, die Verzinsung, Versicherung und die anteiligen Steuern. 40 Die Lagerkosten gilt es durch die Produktionsplanung und -Steuerung ebenfalls soweit zu minimieren, wie auf sie Einfluß ausgeübt werden kann. Neben den aus der Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten abgeleiteten Formalzielen wird oft auch die "Minimierung von Verspätungskosten" 41 oder die "Minimierung der Kosten für Konventionalstrafen" 42 und der Opportunitätskosten für zukünftig entgangene Erlöse 4 3 bei Terminverzügen als Formalziel der Produktionsplanung und -Steuerung angeführt. Trotz der Bezeichnung handelt es sich hierbei nicht um Kosten im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um Erlösschmälerungen. Damit konkretisiert dieses Formalziel das übergeordnete Ziel "Maximierung der Erlöse" des Vertriebsbereichs. Aber diese Erlösschmälerung ist nicht immer dem Vertrieb, sondern auch, wenn der Produktionsbereich bei Terminverzügen in der Produktion verantwortlich ist, dem Produktionsbereich zuzurechnen. In diesem Fall kann die "Minimierung der Konventionalstrafkosten", im Sinne von Erlösschmälerungen, zum Formalziel der Produktionsplanung und -Steuerung werden, weil die Terminverzüge durch Planung und Organisation der Produktion zu verhindern sind. Formalziele, deren Zielausmaß häufig in ökonomischen Größen, zum Beispiel mit Preisen bewertet, ausgedrückt wird, sind für die Produktion und deren Planung zu wenig operabel, da ihnen keine Handlungsvorschriften zu entnehmen sind. Existieren darüber hinaus bei der Planung mehrere produktionswirtschaftliche Alternativen - zum Beispiel alternativer Maschinenbelegungen -, ist anhand von Kostenprognosen die kostengünstigste Alternative auszuwählen. Trotz vorhandener, entscheidungorientierter Kostenrechnungssysteme bestehen oft Zurechnungsprobleme der Kosten auf die jeweiligen Entscheidungsalternativen. Folglich sind neben den Kosten wei-

38

Vgl. Hemel, F.: Lagerwirtschaft, Essen 1950, S. 105.

39

Vgl.Henzel, S. 105. Vgl. Henzel, S. 105. Vgl. Wicharz, S. 106.

40 41 42

Vgl. Koffler,

S. 30.

43

Vgl. Koffler,

S. 30.

100

C. Ziele und Funktionen

tere Zielgrößen als Entscheidungshilfe heranzuziehen. 44 Wegen der Nachteile einer alleinigen Formalzielbetrachtung werden aus den Formalzielen, als unterste Zielebene des in der vorliegenden Untersuchung gebildeten Zielsystems, die Sachziele abgeleitet, die dann bei der Planung und Steuerung der Produktion verfolgt werden. Dennoch sind die Formalziele und deren Beziehungen zu den Sachzielen nicht zu vernachlässigen, weil sie die Oberziele für die Sachziele bilden und die vorrangig zu verfolgenden Ziele darstellen.

bb) Konkrete Sachziele der Produktionsplanung und -Steuerung Aus dem allgemeinen Sachziel für die Produktion, Güter zu erstellen, bestimmen sich die konkreten Sachziele des organisatorischen Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsbereichs. Ziel dieses Bereichs ist die Gestaltung und Lenkung der Produktion zur wirtschaftlichen Gütererstellung. 4 5 Zur Leistungserstellung von Sachgütern ist zu klären, wann, wo, was, und wieviel zu erstellen ist, und in welcher Reihenfolge die Güter zu produzieren sind. 4 6 Diese Fragen sollen die in die PPS-Systeme umgesetzten Funktionen wie die Produktionsprogrammplanung, die Mengenplanung, die Termin- und Kapazitätsplanung, die Auftragsveranlassung und -lenkung und die Datenverarbeitung lösen. Die Funktionen setzen die untersten Sachziele der Produktionsplanung und -Steuerung in Handlungsschritte zur Planung und Steuerung eines Auftrages u m . 4 7 Bei der Frage, wann etwas zu produzieren oder zu bestellen ist, sollen mit Hilfe der Funktion "Terminplanung" die Ziele "Minimierung der Terminüberschreitung", "Minimierung der Durchlaufzeit" und "Optimierung der Zahl an Bestellungen" erreicht werden.

44 45 46 47

Vgl. Reichwald / Mrosek, S. 376. Vgl. von Kortzfleisch, Betriebswirtschaftliche, S. 46. Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 194 und siehe Kap B.II.l.b).

Sie werden in Kap. C.II, inhaltlich konkretisiert. A n dieser Stelle wird gezeigt, welche Funktion welches Sachsubziel erfüllen soll. Ellinger / Wildemann definieren die Erfüllung der Funktionen wie z.B. die Terminplanung als Sachziele, während die in dieser Arbeit vorgestellten Sachziele, wie z.B. die Optimierung der Termineinhaltung, bei ihnen Wirksamkeitserwartungen im Sinne von Formalzielen darstellen. Sie dienen der Minimierung der Kosten in den Funktionsbereichen. Beide Gruppen zusammen bilden die funktionsbezogenen Ziele. Die traditionellen Formalziele des PPS-Bereichs, wie sie in der vorliegenden Arbeit verstanden werden, definieren sie als übergeordnete, unternehmensbezogene Formalziele. Vgl. Ellinger, Wildemann,, Merkblatt 1, S. 8. Vgl. auch Ellinger, Th. / Wildemann, H.: Planung und Steuerung der Produktion, Wiesbaden 1978, S. 58-70.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

101

Die Funktion "Terminplanung" bezweckt die Einhaltung von Anfangsund Endterminen der einzelnen Aufträge. Können nicht alle Termine der verschiedenen Aufträge eingehalten werden, muß als Ersatzziel versucht werden, die "Überschreitung der Fertigstellungsendtermine" zu minimieren. Es bieten sich dabei mit der Minimierung der maximalen und der mittleren Terminüberschreitung zwei Meßgrößen an. 4 8 Das Ziel der Termineinhaltung ist neben der Produktion hauptsächlich für den Absatzbereich relevant, weil eine Nichterfüllung dieses Ziels negative Auswirkungen auf das Unternehmensimage und die zukünftig erwarteten Erlöse hat. Besonders stark fallen diese Effekte bei einer auftragsfertigenden Unternehmung ins Gewicht. Der Termingesichtspunkt stellt sich nicht nur bei der Produktion von Sachgütern, sondern gleichfalls bei Bestellungen fremdbezogener Einsatzteile. Bei ihnen ist entsprechend von Bedeutung, "wann" etwas bestellt wird. Darüber hinaus besteht bei Bestellvorgängen zwischen dem Termingesichtspunkt und den Mengen ein enger Zusammenhang, wodurch diese Problematik gleichzeitig zu erörtern ist. Als Sachziele ergeben sich bei Bestellvorgängen folglich die "Minimierung der Bestellvorgänge" und die "Optimierung der Bestellmengen". Hinsichtlich der Bestellmenge ist entscheidend, "in welcher Anzahl" eine Bestellung erfolgt. Durch das Ziel "Minimierung der Anzahl der Bestellungen" sollen die Kosten minimiert werden, die pro Bestellung unabhängig von der Menge auftreten. Es handelt sich hierbei um die bestellfixen Kosten. Die bestellfixen Kosten können nicht für sich separat minimiert werden, sondern sind den bestellmengenabhängigen Kosten sowie den Lagerkosten gegenüberzustellen, da sich diese Kosten gegenläufig zu den bestellmengenfixen Stückkosten verhalten. Durch diesen Zielkonflikt ist eine Optimierung der Bestellanzahl und der Bestellmenge gemeinsam anzustreben. Die Anzahl der Bestellungen darf somit nicht für sich allein betrachtet und minimiert werden, sondern ist mit der Bestellmenge gemeinsam zu optimieren. 49 48

Vgl. Ellinger, Th.: Terminplanung, in: Grochla, E. / Wittmann, W. (Hrsg.): H W B , Bd. 2,

4., völlig neu gest. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 3880. 49

In der Literatur findet sich eine Vielzahl theoretischer Modelle zur Optimierung der Bestellmenge, die aber in der Praxis nur selten zur Anwendung gelangen. Siehe zur optimalen Bestellmenge stellvertretend für andere Kottke, E.: Die optimale Beschaffungsmenge, Berlin 1966, S. 87-107; Grochla, E. / Schönbohm, P.: Beschaffung in der Unternehmung, Stuttgart 1980, S. 149-153 und Jehle, E. / Müller, K. / Michael, H.: Produktionswirtschaft, Heidelberg 1983, S. 29 ff. In der Praxis kommen oft die Strategien "Vorratsbeschaffung", "fertigungssynchrone Beschaffung" und "fallweise Beschaffung" zur Anwendung. Vgl. Reisch, K.: Industriebetriebslehre, Wiesbaden 1979, S. 119 und Grochla, E.: Grundlagen der Materialwirtschaft, 2., wesentl. Überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden 1973,, S. 24 ff. Diese Strategien werden je nach Wert und Verbrauchshäufigkeit der Güter angewandt. Als Hilfsmittel zur Ein-

102

C. Ziele und Funktionen

Ein weiteres Ziel im Hinblick auf die Terminierung der Fertigung ist darin zu sehen, die Aufträge möglichst schnell durch die Fertigung zu schleusen, damit die Zwischenläger vor den einzelnen Arbeitsmitteln gering gehalten werden können. Dies wird durch die "Minimierung der Durchlaufzeiten" erreicht werden. Die Durchlaufzeit eines Arbeitsobjektes bestimmt sich durch "die Zeitdauer zwischen der Auslieferung des Materials an die Werkstätten und der Fertigstellung des Produktes". 0 Sie wird als Einzeldurchlaufzeit bezeichnet. Die Gesamtdurchlaufzeit bestimmt sich durch die Summe der Einzeldurchlaufzeiten der Arbeitsobjekte. 51 Die Gesamtdurchlaufzeit eines Fertigungsauftrages bezeichnet die Summe aus Bearbeitungs-, Förder-, Kontroll- und Liegezeit, wobei die Liegezeit weiter in ablaufbedingte, störungsbedingte und vorbereitungsbedingte Liegezeiten innerhalb eines Arbeitssystems oder zwischen den Arbeitssystemen zu unterteilen ist. 5 2 Die Liegezeiten bestimmen normalerweise den größten Teil der Durchlaufzeit. In Untersuchungen wurde ihr Anteil auf bis zu 85% beziffert, 53 so daß ihre Reduzierung besonders zu beachten ist. Damit besteht zwischen den Zielen "Minimierung der Zwischenlagerzeiten" sowie der "Minimierung der Durchlaufzeiten" eine komplementäre Zielbeziehung. Die positiven Interdependenzen zwischen Durchlaufzeit und Lagerzeiten besteht nicht zwingenderweise auch bei den Einsatzstoffen der

teilung der Güter nach ihrem Wert bietet sich die ABC-Analyse an, bei der die Güter mit dem höchsten Wert in die Α-Kategorie eingeteilt werden. Güter von mittlerem Wert sind der Kategorie Β und solche von niedrigem Wert der Kategorie C zuzuordnen. Die RSU-Analyse dient zur Bestimmung der Verbrauchshäufigkeit von Gütern. Sie werden in die Klassen regelmäßiger, schwankender und unregelmäßiger Verbrauch eingeteilt. Anhand dieser Analysen lassen sich geeignete Strategien auswählen. Beispielsweise empfiehlt sich für hochwertige Güter mit unregelmäßigem Verbrauch keine Lagerhaltung sonder eine fallweise Beschaffung. Z u r A B C und RSU-Analyse siehe Haupt, R.: ABC-Analyse, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 1 ff. 50

Ellinger, Th.: Durchlaufzeit, in: Grochla, E. (Hrsg.): H W O , Stuttgart 1969, Sp. 459. Sie wird in Jer betriebswirtschaftlichen Literatur üblicherweise ab dem Produktionsbeginn gemessen. 51

Vgl. Ellinger,

Durchlaufzeit, Sp. 460.

52

Vgl. Stommeln H J . : Betriebliche Terminplanung, Berlin / New Y o r k 1976, S. 143 und Heinemeyer, W.: Durchlaufzeiten, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 422. 53

Vgl. Stommel, H J . / Kunz, D.: Untersuchungen über Durchlaufzeiten in Betrieben der metallverarbeitenden Industrie mit Einzel- und Kleinserienfertigung, Opladen 1973, S. 12. In einer von Loos durchgeführten Untersuchung wird die Liegezeit mit durchschnittlich 64% beziffert. Dabei nimmt die Liegezeit vor der Bearbeitung mit über 40% einen Spitzenplatz ein. Sie ist durch eine optimierte Terminplanung zu verringern, damit das Ziel der Durchlaufzeitenminimierung erfüllt werden kann. Vgl. Loos, U.: Maßnahmen zur Verringerung der Durchlaufzeit in Betrieben mit Einzel- und Kleinserienfertigung, in: VDI-Zeitung, 119. Jg. 1977, S. 914.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

103

Fertigung, weil die Durchlaufzeit erst ab der Materialauslieferung an die Werkstätten bis zur Anlieferung an die Endläger gemessen wird. Dadurch werden die Lagerzeiten der Rohmaterialien und der Fertigerzeugnisse von der Durchlaufzeit meist nicht beeinflußt. Bei Terminabweichungen vom geplanten Fertigungsbeginn oder Fertigungsende kann ein Zusammenhang zwischen den Größen bestehen, wenn zum Beispiel die Rohmaterialien vor den Maschinen auf ihren Bearbeitungbeginn warten. Als Argumente für die Forderung nach der Minimierung der Durchlaufzeiten läßt sich neben der komplementären Beziehung zwischen Durchlaufzeit und Werkstattbeständen weiterhin anführen, daß durch geringere Durchlaufzeiten auch niedrigere Sicherheitsbestände möglich werden, weil erstens die auf die Produktion des Auftrags einwirkenden Unsicherheiten sich auf einen kürzeren Zeitraum erstrecken, wodurch die Eintrittswahrscheinlichkeit zurückgeht, und zweitens die Nachproduktion von Fehlteilen schneller erfolgen kann. Ein zusätzlicher Gesichtspunkt für die Durchlaufzeitminimierung ist die gesteigerte Flexibilität der Produktion hinsichtlich der Reaktionsfähigkeit auf Erfordernisse des Marktes. 54 Die Minimierung der Durchlaufzeit kann durch Maßnahmen erfolgen, die an den beeinflussenden Faktoren der Durchlaufzeit ansetzen. 55 Kurzfristig kann mit Hilfe der Losgröße, Fertigungszeit, Rüstzeit und der Wahl der Prioritätsregel auf die Durchlaufzeit eingewirkt werden, mittelfristig durch die Planung der Zwischenlagerbestände und die Kapazitätsplanung. 56 Alle diese Faktoren sind von der Produktionsplanung und -Steuerung beeinflußbar. Bei der Analyse der Durchlaufzeiten ist neben der Forderung nach ihrer Minimierung darüberhinaus zu beachten, daß, wenn die geplanten Durchlaufzeiten von den tatsächlichen Durchlaufzeiten abweichen, sich Überschreitungen der Liefertermine oft nicht verhindern lassen. Folglich sind die geplanten Durchlaufzeiten möglichst einzuhalten. Insbesondere bei Auftragsfertigung kann eine Überschreitung der geplanten Durchlaufzeiten einerseits hohe Folgekosten in Form von Konventionalstrafen, andererseits Ausfälle bei zukünftigen Erlösen verursachen. Das Ziel der Minimierung der Terminüberschreitungen kann auf mehrere Arten operationalisiert werden. Erstens kann die Summe der Verspätungen der gesamten Aufträge minimiert werden, zweitens kann die größte Verspätung reduziert und 54

Vgl. Häfner, S. 54 f.

55

Vgl. Heinemeyer, W.: Die Analyse der Fertigungsdurchlaufzeit im Industriebetrieb, Diss.,

Hannover 1974, S. 24. 56

Vgl. Heinemeyer, Analyse der Fertigungsdurchlaufzeit, S. 24 und Häfner, S. 56.

104

C. Ziele und Funktionen

minimiert werden. Zusätzlich ist dies auch für die Summe der durchschnittliehen Verspätungen möglich. Die Entscheidung, wo etwas produziert wird, legt die Orte der Produktion und die einzelnen Abiaufschritte fest. Hierfür ermittelt die Funktion "Kapazitätsplanung" die vorhandenen und verfügbaren Kapazitäten und belegt diese mit Aufträgen und zwar dergestalt, daß die Kapazitäten möglichst stark ausgelastet sind. Unter der Kapazität ist das Leistungspotential eines produktiven Systems zu verstehen. 58 Während hiermit der Begriff den gesamten Betrieb umfaßt, bezieht sich der Begriff der Kapazität auch auf kleinere Einheiten wie einzelne Maschinen oder Maschinengruppen. Demnach ist eine Kapazität bestimmt durch das "Leistungsvermögen einer wirtschaftlichen oder technischen Einheit - beliebiger Art, Größe und Struktur - in einem Zeitabschnitt". 59 Gutenberg unterscheidet zum einen eine qualitative Kapazität, zum anderen eine quantitative Kapazität. Die qualitative Kapazität wird durch die Güte und Eigenart der Leistung beschrieben, zu deren Erstellung die Kapazität beiträgt. Somit korreliert die Qualität der Leistung mit der Qualität der Kapazität und der Einsatzfaktoren. Die quantitative Kapazität unterteilt Gutenberg im Hinblick auf die Laufgeschwindigkeit der Maschine weiter in die Maximal-, Minimal- und Optimalkapazität. 60 Bei der Bestimmung, ab welchem Beschäftigungsgrad eine Kapazität am besten ausgelastet ist, wird von diesen drei Bestimmungsgrößen ausgegangen. Sie dienen auch zur Bestimmung des Kapazitätsangebotes. Die Maximalkapazität gibt an, welche Menge auf Dauer produziert werden kann, wenn die Kapazität mit maximaler Intensität genutzt wird. Die Maximalkapazität wird durch die technischen Daten des Aggregates bestimmt und läßt sich genau beziffern. 61 Dagegen wird durch die Optimalkapazität angegeben, bei welcher Intensität an einem Betriebsmittel auf Dauer die Stückkosten minimiert werden. Weil die optimale Intensität unter Stückkostengesichtspunkten nicht genau festzulegen ist, müssen bei der Be57 5 8 Vgl.

Schweitzer, Fertigungswirtschaft, S. 656. Vgl. Kern, W.: Industrielle Produktionswirtschaft, 3., völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart

1980, S. 20. 59

Kern, W.: Die Messung industrieller Fertigungskapazitäten und ihre Ausnutzung, KölnOpladen 1962, S. 27. 60 Vgl. Gutenberg, Produktion, 24. Aufl., S. 73 und 77. 61

Z u r Problematik der Messung einer Kapazität vgl. Moroff,

S. 36.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

105

Stimmung der optimalen Kapazität Ungenauigkeiten in Kauf genommen werden. M i t der Minimalkapazität (auch Mindestkapazität) wird die geringste Inanspruchnahme bezeichnet, unter der ein Betriebsmittel nutzbar ist. Sie dient weniger zur Bestimmung der optimalen Kapazitätsauslastung, sondern eher zur Bestimmung der optimalen Losgröße, insbesondere bei Chargenfertigung. In den meisten Fällen wird die Optimalkapazität niedriger sein als die Maximalkapazität. Als Ziel für die Produktionsplanung und -Steuerung ist unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten hinsichtlich der anzustrebenden Kapazitätsauslastung von der technischen Maximalkapazität daher abzusehen und statt dessen von der wirtschaftlichen Optimalkapazität auszugehen, da nur bei optimaler Intensität der Faktorverbrauch am günstigsten ist. Zudem wird die Maximalkapazität durch Ausfall-, Ruhe- und Rüstzeiten grundsätzlich nicht zu erreichen sein, so daß unter psychologischen Aspekten der Vorgabewert unter Heranziehen der maximalen Beschäftigung nicht opportun erscheint. 63 Eine Auslastung der wirtschaftlichen Optimalkapazität über 100% erscheint dann möglich, wenn unter der Voraussetzung, daß der Kapazitätsbedarf das Angebot übersteigt, der Puffer zwischen der Optimal- und der Maximalkapazität genutzt wird. In diesem Fall werden meist Fragen der quantitativen Anpassung notwendig, weil wegen des erhöhten Faktorverbrauchs der auf Maximalintensität laufenden Maschine die Stückkosten trotz der Fixkostendegression so stark steigen können, daß eine Variation der Betriebsgröße wirtschaftlicher ist. Wenn im folgenden von Kapazität gesprochen wird, soll von der quantitativen Optimalkapazität ausgegangen werden. Das Verständnis der quantitativen Kapazität nach Gutenberg richtet sich auf die Intensität, mit der ein Betriebsmittel gefahren wird. Neben ihr zeichnet sich der quantitative Kapazitätsbegriff durch zwei weitere Merkmale aus, den Kapazitätsquerschnitt und der Leistungsdauer in einer Kalenderzeitperiode. 64 Während sich der Kapazitätsquerschnitt durch das Fassungsvermögen von Behältern oder die Anzahl gleichzeitig zu bearbeitender Werkstoffe definiert, stellt die Leistungsdauer der Kalenderzeitperiode meist die jeweiligen Betriebsstunden dar, wobei "Zeiträume, während derer nicht produziert werden kann (z.B. Feiertage, Wochenenden), herausgerechnet werden". 65 62 Vgl. Layer, M.: Kapazität: Begriff, Arten und Messung, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 874. 63 Vgl. Layer, M., Sp 874. 64

Vgl. von Kortzfleisch,

65

Moroff,

S. 36.

Betriebswirtschaftliche, S. 94.

106

C. Ziele und Funktionen

Die tatsächliche Auslastung der Kapazitäten wird durch die Reihenfolge der einzuplanenden Aufträge bestimmt. Die Reihenfolgeplanung als Teil der Termin- und Kapazitätsplanung bestimmt hauptsächlich die Zahl der Rüstvorgänge, wirkt aber auch auf die Bestände und Durchlaufzeiten der Aufträge ein. Die Auftragsreihenfolge sollte möglichst derart gewählt werden, daß die Zahl der Rüstvorgänge und -Zeiten minimiert wird. Dies kann geschehen, indem möglichst gleichartige Aufträge zusammengelegt werden oder, falls hinsichtlich der Terminsituation aller folgenden Aufträge Spielräume bestehen, die Losgrößen der Aufträge durch Vorziehen zukünftiger Primärbedarfe erhöht werden. Oft werden die großen Lose aber zu längeren Wartezeiten nachfolgender Aufträge führen, so daß der Einsparung von Rüstvorgängen gestiegene Durchlaufzeiten gegenüberstehen. Zusätzliche Bestimmungsfaktoren der Rüstvorgänge sind das Produktionsprogramm und die Art der eingesetzten Kapazitäten. Beispielsweise werden bei einem Serienfertiger mehr Rüstvorgänge zu vollziehen sein als bei einem Massenfertiger. Auch können bei nicht umrüstbaren Spezialmaschinen keine Maschinenumrüstzeiten auftreten, bei Kapazitäten mit automatischem Werkzeugwechsel werden die Rüstzeiten und damit die Rüstkosten weniger ins Gewicht fallen als bei Maschinen, bei denen der Werkzeugwechsel manuell vorzunehmen ist. Sowohl das Produktionsprogramm als auch die verwendeten Kapazitäten sind kurzfristig unveränderbar, so daß die Reihenfolge der Aufträge kurzfristig den entscheidungsrelevanten Parameter bei Verfolgung des Ziels Rüstkostenminimierung für die Planung und Steuerung der Produktion bildet. Was und wieviel produziert oder bestellt wird, bestimmt die A r t und Menge der zu produzierenden und beschaffenden Güter. Diese Fragen setzt das PPS-System durch die Funktionen Produktionsprogramm- und Mengenplanung um. Anhand dieser Funktionen soll das Sachziel "Bestellmengenoptimierung" erfüllt werden. Dieses Ziel ist mit dem Ziel der "Bestandsoptimierung der Eingangsläger" in Zusammenhang zu bringen und abzugleichen, weil diese beiden Ziele in konträrer Beziehung zueinander stehen. Da mit zunehmender Bestellmenge die bestellfixen Kosten pro Stück abnehmen, ist die Einkaufsabteilung bestrebt, möglichst große Bestellmengen zu erreichen. Dies führt aber zu großen Eingangslagerbeständen mit hohen Kosten der Kapitalbindung für das in den Lägern gebundene Kapital sowie hohen Einlagerungskosten 66 , Kosten für Schwund, Ver-

66

Koffler vertritt die Auffassung, daß die Lagerverwaltungskosten und die Lagermietko-

sten für die Produktionsplanung und -Steuerung kurzfristig nicht entscheidungsrelevant seien, weil sie Fixkosten darstellen würden. Vgl. Koffler,

S. 14. Dem kann aber nicht uneingeschränkt

zugestimmt werden, weil durch die Einlagerungsvorgänge, die zum Aufgabengebiet der Lager-

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

107

derb und Versicherung, so daß hinsichtlich der Lagerkosten möglichst kleine Bestellmengen wünschenswert sind. Diese bei zunehmender Bestellmenge gegenläufigen Kostenentwicklungen sind zu optimieren. 67 Dabei ist die Forderung nach ausreichender Materialverfügbarkeit zu berücksichtigen. Neben einer Bestelloptimierung soll im Bereich des Fremdbezuges durch die Produktionsplanung und -Steuerung weiterhin sichergestellt werden, daß jederzeit nachvollzogen werden kann, was bestellt ist oder werden soll und welche Lagerbestände noch verfügbar sind. Neben dieser Auskunftsbereitschaftsfunktion bei Fremdbezug ist die Kenntnis über den Fertigungsfortschritt bei Eigenproduktion sowie die Überwachung aller disponierten Fertigungsbereiche als weiteres Ziel zu fordern. 68 Das Ziel "Bestandsminimierung" ist nicht nur auf die Optimierung der Eingangsläger zu beziehen. In der Literatur werden hauptsächlich die Ziele "Minimierung der Zwischen- und Endlagerkosten" als bedeutsam hervorgehoben. 6 9 Hierbei sind die gleichen Kostenkategorien wie bei der Minimierung der Eingangslagerbestände zu berücksichtigen. Endlagerkosten sind Kosten, die für die Lagerung von zum Verkauf bestimmten Fertigteilen und unfertigen Erzeugnissen sowie Handelswaren anfallen. Sie sind durch eine fehlende Abstimmung von Produktion und Absatz verursacht. 70 Zwischenlagerkosten sind Kosten, die durch das Liegen von Aufträgen zwischen zwei Bearbeitungsstufen in der Produktion entstehen. 71 Solche Liegezeiten können arbeitsablaufbedingt, störungsbedingt, durch den Menschen hervorgerufen und durch die Konkurrenz mehrerer Aufträge vor einem Arbeitssystem entstehen. Während die arbeitsablaufbedingten Liegezeiten nicht beeinflußbar sind, lassen sich die sonstigen Liegezeiten verändern. 72 Beispielsweise kann die durch den Menschen zusätzlich bedingte Liegezeit dadurch reduziert werden, daß Erholungs- und Verteilzeiten für den Arbeiter mit den arbeitsablaufbedingten Liegezeiten zusammengelegt werden. Von der Produktionsplanung sind insbesondere die Lagerzeiten an Kapazitäten, die durch die Reihenfolgeplanung der Aufträge entstehen, zu vermindern. Weitere Sachziele für die Produktionsplanung und -Steuerung, die sich nicht direkt aus einer Funktion ableiten lassen, sind die "Flexibilitätsoptimieverwaltung zu rechnen sind, auch variable Kosten entstehen. Als Beispiel sei hier der Energieverbrauch eines Gabeistablers genannt. 67 Vgl. Glaser, H.: Z u r Bestimmung kostenoptimaler Bestellmengen bei deterministisch gleichbleibendem und deterministisch schwankendem Bedarf, Diss. Köln 1973, S. 19 ff. 68 69 70 71 72

Vgl. Geiger, S. 31 f. Vgl. stellvertretend für viele Koffler,

S. 13 f.

Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 201 f. Vgl. Koffler, S. 13 ff. Vgl. Stommel, Untersuchungen, S. 10 f.

108

C. Ziele und Funktionen

rung der Fertigung" und die Gruppe der aus den sozialen Zielen abzuleitenden Subziele. Ein hervorzuhebendes Ziel, das mit der Planung und Steuerung der Produktion erreicht werden soll, ist die "Optimierung der Flexibilität" in der Fertigung. Die Fähigkeit der Produktion, sich auf veränderte Bedingungen einstellen zu können, 73 ist einerseits abhängig von der Produktionstechnik wie den Betriebsmitteln und den Produktionsverfahren, andererseits von den Möglichkeiten des eingesetzten Verfahrens zur Produktionsplanung und -Steuerung. Eine hohe Flexibilität in der Fertigung kann nur dann verwirklicht werden, wenn das PPS-System alle Änderungen hinsichtlich der Aufträge, Termine und Kapazitäten mit Hilfe von sofortigen Planänderungen berücksichtigt. Oft wird die Flexibilität mit dem Ziel der Durchlaufzeitenminimierung harmonieren, weil kurze Durchlaufzeiten eine große Flexibilität hinsichtlich veränderter Kundenwünsche ermöglichen. Dadurch wird auch den Zielen des Absatzbereichs Rechnung getragen, da bei hoher Flexibilität ein hoher Lieferservice und damit eine Verbesserung des Unternehmensimage beim Kunden erreicht wird, verbunden mit möglicherweise zusätzlichen Kundenaufträge und zusätzlichen Erlössteigerungen. 7 4 Der Flexibilitätsgesichtspunkt hat besonderes Gewicht bei der Entscheidung hinsichtlich der Breite und Tiefe des Produktionsprogramms. Stellt sich ein Unternehmen nicht in kurzer Zeit auf die Markterfordernisse ein, wird es seine Produkte unter Umständen bei fehlender Breite des Produktionsprogramms nicht verkaufen können. Spezialisiert sich ein Unternehmen in hohem Maße, können Rüstoperationen eingespart werden; die Produktionsvorbereitung wird vereinfacht, gleichzeitig sinkt aber die Flexibilität des Absatzbereichs. 5 Dieser Zielkonflikt ist teilweise durch Normung und Typung der in die Erzeugnisse eingehenden Teile zu vermeiden, weil mit Hilfe der Vereinheitlichung die Produktionsflexibilität trotz eines breiten Erzeugnisprogramms erhalten werden kann. Eine andere Möglichkeit der Flexibilitätsoptimierung ist die Einschränkung der Produktionstiefe durch erhöhten Fremdbezug, weil durch diese Maßnahme fixe Kosten abgebaut werden können. Die daraus resultierende Vereinfachung der Produktionsplanung und -Steuerung bewirkt einen geringeren Zwang nach Flexibilität in der Arbeitsvorbereitung. 76

73 74 75 76

Vgl. Kaluza, Flexibilität, S. 292; vgl. zur Flexibilität Moroff, Vgl. Glaser, Gehalt, S. 348.

S. 39 ff.

Vgl. Beste, Rationalisierung, S. 301 ff.

Vgl. Bergner, H.: Der Ersatz fixer Kosten durch variable Kosten, in: ZfbF, 19. Jg. 1967, S. 141 ff.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

109

Darüber hinaus soll die Planung und Steuerung der Produktion sozialen Zielen Rechnung tragen, so daß bei ihrer Gestaltung Motivationssteigerungen der Mitarbeiter, weitere Verbesserungen in der Arbeitsumgebung sowie ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Verbesserungen der Arbeitsumwelt beziehen sich meist auf technische Maßnahmen wie Lärmund Schmutzreduktionen. Sie können ferner organisatorische Maßnahmen, wie etwa die Arbeitsfelderweiterung (job enrichement / job enlargement) enthalten. Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitssituation werden bei den Zielen zur Planung und Steuerung der Produktion häufig außer acht gelassen, obwohl die Humanisierung der Arbeit beträchtliche Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeiter und damit auf das Arbeitsergebnis und die Erfüllung der Produktionspläne hat. Die Ursache dafür liegt vor allem in der Trennung von dispositiver Arbeitsvorbereitung und Arbeitswissenschaft in zwei wissenschaftliche Teilgebiete. 77 Die genannten und erläuterten Sachziele stellen für diese Arbeit die wichtigsten Ziele der Planung und Steuerung der Produktion dar. In der Literatur werden noch eine Vielzahl weiterer Sachziele für diesen Bereich angeführt. Diese sind jedoch lediglich aus den bereits angeführten Sachzielen abgeleitet oder bezeichnen den gleichen Sachverhalt. Beispielsweise werden anstatt des Ziels "Maximierung der Kapazitätsauslastung" die "Minimierung der Belegungszeit" und die "Minimierung der Leerzeiten" verwendet. Synonym für die "Minimierung der Durchlaufzeiten" wird ferner die "Minimierung der Wartezeiten" benutzt. 78 Glaser unterteilt das Ziel "Maximierung der Termineinhaltung" weiter in die "Minimierung der Verspätungszeiten", die "Minimierung der Liefertermin- und Fertigstellungsterminabweichungen und -Überschreitungen". 79

b) Zielbeziehungen zwischen den Zielen der Produktionsplanung und -Steuerung Aus der Vielfalt möglicher Zielbeziehungen hebt sich für die Betriebswirtschaftslehre die Lösung konkurrierender Beziehungen heraus. Neben diesem Problem ist die Erkenntnis sich unterstützender Ziele ebenfalls wichtig, weil durch sie Mittel und Wege zur Zielerfüllung aufgezeigt werden können. Für die folgende Analyse ergeben sich damit zwei Aufgabengebiete. Zum einen sind die komplementären Zielbeziehungen zwischen den Sach-

77

Vgl. Nicklisch, S. 249 und Kap. B.I.l.a).

78

Vgl. Krycha, S. 66 ff. und 70 f. Vgl. Glaser, Gehalt, S. 347.

79

110

C. Ziele und Funktionen

und den Formalzielen zu suchen, zum anderen die konkurrierenden Beziehungen zwischen den Sachzielen. Bei der Betrachtung der Beziehungen zwischen Formal- und Sachzielen ist zu bedenken, daß ein Sachziel zwar eine direkte Beziehung zum zugehörigen Formalziel aufweist, die Auswirkungen der Sachziele auf die weiteren Formalziele aber infolge der Beziehungen der Sachziele untereinander verschieden sein können. Da die Beziehungen der Sachziele untereinander - insbesondere die dort auftretenden Zielkonkurrenzen -, für die positiven und negativen Auswirkungen auf die Formalziele verantwortlich sind, besteht die Notwendigkeit, die Zielkonflikte innerhalb der Sachziele zu erörtern.

aa) Komplementäre Beziehungen zwischen Formal- und Sachzielen Da die Sachziele als Mittel dienen, die Formalziele der Produktionsplanung und -Steuerung zu erreichen, zeichnen sie sich durch eine komplementäre Beziehung zu einem zugehörigen Formalziel aus. Gleichzeitig können sie aber andere Formalziele negativ beeinflussen. Innerhalb dieses Abschnittes sind die den Formalzielen abgeleiteten Sachziele zuzuordnen. Diese Vorgehensweise wird für die im Schrifttum als bedeutend angesehenen Sachziele 80 "Kapazitätsauslastung", "Rüstzeitminimierung", "Durchlaufzeitminimierung", "Bestandsminimierung", "Optimierung der Bestellmenge" und "Maximierung der Termineinhaltung" gewählt. Das Ziel, die Kapazitätsauslastung zu maximieren, ist ein Mittel für das Formalziel " Leerkostensenkung". Darüber hinaus unterstützen die "Minimierung der Rüstzeiten", die "Minimierung der Rüstvorgänge" und die "Minimierung der Rüstkosten" das Ziel der "Leerkostenminimierung", weil eine Senkung der Rüstkosten und der Leerkosten in komplementärer Beziehung stehen. Leerkosten entstehen durch Stillstandszeiten der Maschinen. Sie können durch Werkzeugwechsel hervorgerufen sein, aber auch durch Unterbeschäftigung oder Betriebsmittelausfälle. Durch die Leerzeiten der Maschinen fallen Kosten in Form von Opportunitätskosten für die entgangene Nutzung an. Der Ansatz dieser Kosten ist nur empfehlenswert, wenn nicht Unterbeschäftigung vorliegt, sondern zusätzliche Aufträge auf dem Absatzmarkt abgesetzt werden könnten. 81

80

81

Vgl. Wiendahl, Modell, S. 77; Glaser, Gehalt, S. 346.

Vgl. Seelbach, H.: Ablaufplanung bei Einzel- und Serienproduktion, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 20.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

111

Die "Minimierung oder Senkung der Lager- und Kapitalbindungskosten" als Formalziel läßt sich durch die "Bestandssenkung von Anlage- und Umlaufvermögen" und/oder die "Durchlaufzeitminimierung" der Aufträge verwirklichen. 2 Kurzfristig beeinflußbare Kapitalbindungskosten entstehen überwiegend durch die Lagerung von Werkstoffen, sowie unfertigen und fertigen Erzeugnissen und enthalten hauptsächlich die Zinskosten der Kapitalbindung, Wartungs- und Wagniskosten. 83 Eine niedrige Durchlaufzeit reduziert die Zinskosten, weil sich zahlenmäßig weniger Güter zur gleichen Zeit in der Fertigung befinden. Gleichzeitig hat eine Durchlaufzeitminderung positive Wirkungen auf die Kosten der Lagerung und des Transportes sowie die Wagniskosten, da Aufenthalte der Erzeugnisse im Betrieb eingespart werden können. 84 Häufig wird kritisiert, daß zu selten deutlich wird, welche Kosten von den Durchlaufzeiten verursacht werden. Daher wird eine Kostenrechnung gefordert, welche die Kosten für Transport- und Lagervorgänge sowie den Verzehr für die dazu benötigten Produktionsfaktoren nicht nur als Gemeinkosten verrechnet, sondern die Kosten für diese oc

Vorgänge erkennbar macht. Hierfür ist keine neue Kostenrechnung notwendig, sondern diese Kosten lassen sich erfassen, indem zum Beispiel für diese Vorgänge neue Bezugsgrößen gesucht oder eigene Kostenstellen gebildet werden. Die "Minimierung der Zahl und Vereinfachung der Bestellvorgänge" sowie die "Optimierung der Bestellmenge" unterstützen das Formalziel der "Minimierung der Beschaffungskosten". Gleichzeitig sind hier auch die Transportkosten, die im Materialbereich eine Rolle spielen, zu berücksichtigen, weil auch sie auf die Beschaffungskosten einwirken. Die "Termineinhaltung" als weiteres wichtiges Sachziel ist ein Mittel zum Erreichen der Formalziele "Minimierung der Konventionalstrafen oder Erlösschmälerungen" und der "Minimierung von entgangenen Erlösen im Absatzbereich". Erlösausfälle entstehen dadurch, daß enttäuschte Kunden, zum Beispiel hervorgerufen durch Terminverzögerungen, Aufträge stornieren oder künftige Aufträge anderweitig vergeben. Entgangene Erlöse sind aber ebenso wie Leerkosten für kurzfristig nicht abbaubares Personal- und Betriebsmittel im voraus nur schwer zu quantifizieren. Insbesondere der Ansatz von entgangenen Erlösen als Opportunitätskosten ist daher problematisch. 82

Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 207. Vgl. Hilke, W.: Zeitkomponenten, faktor- und auftragsbezogen, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 2283 f. 84 Vgl. Beste, Th.: Das Zwischenlager, in: ZfhF (alte Folge), 37. Jg. 1943, S. 83. 83

85

Vgl. Klatte, E.: Insellösungen vermeiden, in: Beschaffung aktuell, o.Jg. 1991, H. 6, S. 36.

112

C. Ziele und Funktionen

Hinsichtlich des Sachziels Optimierung der Flexibilität" kann ebenfalls ein Kostenziel abgeleitet werden. Durch die Flexibilität als Möglichkeit sich an veränderte Bedingungen, hervorgerufen durch die Umwelt, die internen Abläufe oder durch veränderte Anforderungen, anzupassen, ergibt sich für die Planung und Steuerung der Produktion das Formalziel "Anpassungskostenminimierung". Durch eine gesteigerte Flexibilität der Fertigung, soll das Formalziel "Am)assungskostenminimierung" bei Nachfrageschwankungen erfüllt werden. Die unzureichende Operabilität der Formalziele innerhalb des Produktionsbereichs hat zur Folge, daß in der Praxis die Sachziele als Mittel zum Erreichen der Formalziele meist in den Vordergrund gerückt werden.

bb) Konkurrierende Beziehungen zwischen den Sachzielen der Produktionsplanung und -Steuerung Wie bereits in Kapitel C.I.b) erläutert, bestehen zwischen Einzelzielen auf einer Ebene, hier auf der Sachzielebene, vielseitige Beziehungen. Während komplementäre, zielidentische, zielantinome und neutrale Zielbeziehungen unproblematisch sind, erfordern konkurrierende Beziehungen Entscheidungen hinsichtlich der Zielgewichtung, weil die Einzelziele nicht gleichzeitig maximiert oder minimiert werden können. Es ist daher zu untersuchen, inwieweit und unter welchen Bedingungen auf der Sachzielebene der Produktionsplanung und -Steuerung Zielkonflikte auftreten. Bei der Bestimmung des Zielausmaßes, wie etwa der "Maximierung", der "Minimierung", der "Optimierung", der "Erhöhung" oder der "Reduktion" bestimmter Zielinhalte treten durch die offene Formulierung der Ziele Konfliktpotentiale auf, die sich unter Umständen durch eine Festlegung des Anspruchsniveaus - wie beispielsweise eine detaillierte Prozentangabe, um die ein Ziel zu steigern ist - beseitigen lassen. 87 Bei einer derartigen Lösung werden die Extremformulierungen "Maximierung" und "Minimierung" durch Satisfiszierungsziele ersetzt. 88 86

Z u m Ziel der Flexibilität und der Anpassungskostenminimierung vgl. Schweitzer, Industriebetriebslehre, S. 679 f.; Ellinger, Th. / Wildemann, H.: Schriftenreihe "Produkti-onsplanung und Produktionssteuerung", Merkblatt 2, Zielorientierte Produktionsplanung und Produktionssteuerung, Frankfurt 1977, S. 6. 87 Vgl .Brecht, S. 130. 88

Vgl. Hauschildt, J.: Die Struktur von Zielen in Entscheidungsprozessen - Bericht aus einem empirischen Forschungsprojekt, in: ZfhF (neue Folge), 25. Jg. 1973, S. 716 f. Innerhalb der vorliegenden Untersuchung ist, weil es sich um eine allgemeine Abhandlung handelt, weiterhin von den Extremausprägungen auszugehen.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

113

Zielkonflikte sind weiterhin dadurch zu vermeiden, daß ausgehend vom Formalziel der Kostensenkung im Produktionsbereich die Gesamtkosten der Planung und Steuerung der Produktion minimiert werden. Dieses Formalziel ist indessen für den Planungs- und Steuerungsbereich zu inoperabel, so daß die Sachziele als Ersatzzielgrößen heranzuziehen sind. Die Formulierung von Sachzielen, wie zum Beispiel eine "möglichst hohe Kapazitätsauslastung", die "Minimierung der Durchlaufzeiten, Bestände und Terminüberschreitung", zeigt nicht direkt die Wirkung auf die Gesamtkosten auf, sondern nur auf einzelne Kostenarten. Diese zeichnen sich teilweise aber bei Variation der Kosteneinflußgröße "Beschäftigung" durch gegenläufige Kostenfunktionen aus, wodurch die Wirkung des jeweiligen Zielausmaßes auf die Gesamtkosten oftmals nicht eindeutig bestimmbar ist. So kann eine hohe Kapazitätsauslastung zu einer Leerkostensenkung in Form einer Fixkostendegression durch den hohen Nutzungsgrad der Maschinen führen. Möglicherweise verlängern sich dann aber, durch die am Ziel der Kapazitätsauslastung ausgerichtete Bearbeitungsreihenfolge der Aufträge, die Durchlaufzeiten an den Maschinen und erhöhen sich die Bestände vor den Maschinen, weil wegen des zeitlichen Auseinanderreißens mehrerer nachfolgender Arbeitsgänge eines Auftrages Leerzeiten eintreten. 89 Die Folge ist, daß unter Umständen hohe Lagerkosten die positiven Kostenwirkungen durch die Verbesserung der Kapazitätsauslastung kompensieren. Das vorangehende Beispiel wird in der Literatur als "Dilemma der Ablaufplanung" bezeichnet, 90 das insbesondere bei Vollbeschäftigung in der Werkstattfertigung auftritt, da nur unter diesen Voraussetzungen die Aufträge um die Kapazitäten konkurrieren. 91 Im Bereich der Ablaufplanung können noch weitere Zielkonflikte auftreten, weshalb anstatt eines Dilemmas von einem Tri- oder Polylemma der Ablaufplanung gesprochen werden kann. 9 2 Beste weist schon 1938 auf das Dilemma der Ablaufplanung hin, auch wenn er den Terminus nicht verwendet. 93 Er untersucht, welche Ziele der Planung und Steuerung der Produktion erreicht werden können, wenn die 89

Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1. Bd., Die Produktion, 1. Aufl., Berlin u.a. 1951, S. 161. Vgl. unter anderen Günther, H.: Das Dilemma der Ablaufplanung, Berlin 1971 und Hoss, K.: Fertigungsablaufplanung mittels operationsanalytischer Methoden, Würzburg / Wien 1965. 90 Vgl. Gutenberg, Produktion, 1. Aufl., S. 158 ff. 91

Bei Unterbeschäftigung entfällt die Konkurrenz, weil genügend freie Kapazitäten vor-

handen sind, wodurch ablaufbedingte Wartezeiten vor den Kapazitäten weitgehend vermieden werden können. QO 93

Vgl. Mensch, G.: Das Trilemma der Ablaufplanung, in: ZfB, 42. Jg. 1972, S. 81 f. Vgl. Beste, Th.: Die Produktionsplanung, in: ZfhF (alte Folge), 32. Jg. 1938, S. 346.

8 Schwarzmaier

114

C. Ziele und Funktionen

Produktion an den Absatz angepaßt wird und wenn die Absatzschwankungen ausgeglichen werden. Bei Ausgleichen der Absatzschwankungen durch Läger wird ein Betrieb die Losgrößen und Sortenwechsel wirtschaftlich gestalten, gleichzeitig entstehen aber Lagervorräte, die Kapitalbindungskosten hervorrufen. Umgekehrt verhält es sich, wenn Produktion und Absatz aufeinander abgestimmt werden. In diesem Fall werden die Lagervorräte gering, dafür aber die Beschäftigungsverhältnisse, Losgrößen und Sortenwechsel nur in Ausnahmefällen optimal sein. 94 Welche Produktionsart in einem Betrieb vorgezogen wird, ist fallbezogen anhand von Kostenvergleichen zu entscheiden. Zielkonflikte treten bei den Sachzielen der Produktionsplanung und Produktionssteuerung auch dann auf, wenn das Ziel Minimierung der Rüstkosten durch Zusammenlegen gleichartige Aufträge erreicht wird. Dadurch können einerseits einzelne, nicht zur Bearbeitung anstehende Aufträge in Terminschwierigkeiten geraten, wodurch Kosten für Strafen bei Terminverzögerungen gegenüber den Vertragspartnern in Form von Erlösschmälerungen entstehen. Diese Konventionalstrafen können derart hoch sein, daß die eingesparten Rüstkosten überkompensiert werden und somit bei der Minimierung der Rüstkosten die gesamten Produktionskosten insgesamt ansteigen können. Andererseits besteht die Gefahr, daß durch die Minimierung der Rüstkosten sich die Durchlaufzeiten erhöhen, wenn beispielsweise die Aufträge gemäß ihrer Wechselschwere in Reihenfolge gebracht werden. Diese kann sich aber von der durchlaufzeitminimalen Auftragsbearbeitungsreihenfolge unterscheiden. Der Zielkonflikt zwischen der Rüstschwere und -häufigkeit und der Durchlaufzeitminimierung führt gleichzeitig zu einem Zielkonflikt zwischen den Zielen "Rüstvorgangsminimierung" und "Zwischenlagerkostenminimierung": Je weniger Rüstvorgänge auszuführen sind, desto höher ist die Auflagendegression. "Soll die Auflagendegression auf das beste ausgenutzt werden, so muß die Auftragsgröße häufig die Bestellgröße übertreffen", 95 wodurch aber eine Bildung von Zwischen- oder Endlägern erforderlich wird. Das Zwischenlager wiederum "verursacht Kosten, die sich aus seiner Verwaltung, aus den auf ihm lastenden Risiken, aus dem Dienst des in ihm investierten Kapitals usw. ergeben". 96 Folglich ist die kostengünstigste Losgröße als Minimum der gesamten Kosten beider Faktoren, der Umstellungskosten und der Lagerkosten, zu bilden. 9 7 94 95 96 97

Vgl. Beste, Produktionsplanung, S. 346. Beste, Zwischenlager, S. 88. Beste, Zwischenlager, S. 88. Vgl. Beste, Zwischenlager, S. 88.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

115

Das Ziel "Rüstzeitminimierung" kann weiter mit dem Ziel "Flexibilität" konkurrieren, weil eine flexible Fertigung mit einem breitem Produktionsprogramm häufige Rüstvorgänge verursacht. 98 Durch den Einsatz flexibler Fertigungssysteme mit automatisierten Rüstvorgängen kann dieser Zielkonflikt gemildert werden. Nicht beeinflußbar ist demgegenüber der Zielkonflikt zwischen der Flexibilitätsforderung und der Maximierung der Kapazitätsauslastung. U m eine an veränderte Bedingungen anpassungsfähige Produktion gewährleisten zu können, ist häufig das Vorhalten von Überkapazitäten notwendig. Diese stehen aber dem Ziel der Minimierung von Leerzeiten der Kapazitäten entgegen, so daß mit dem Flexibilitätsziel tendenziell ein Anstieg der Leerkosten einhergeht. 99 Darüber hinaus besteht zwischen der Wahl der optimalen Bestellmenge und der Minimierung der Lagerbestände ein Zielkonflikt. Einerseits sind durch eine große Bestellmenge zum Beispiel Größendegressionseffekte wie Mengenrabatte und günstigere Transportkonditionen, eine höhere Flexibilität, eine sichere Verfügbarkeit ausreichender Einsatzteile und Preisvorteile zu gewinnen, andererseits stehen dieser Maßnahme hohe Kosten der Lagerbestände wie Kosten der Kapitalbindung, der Lagerhaltung und Lagerzinsen gegenüber. 100 Nicht nur auf der Beschaffungsseite treten Konflikte mit einer möglichst geringen Lagerhaltung auf, sondern auch auf der Absatzseite besteht ein Konflikt mit der Lagerbestandsminimierung. Hier wirkt sich das Ziel, eine hohe Lieferbereitschaft zu garantieren, tendenziell negativ auf die Höhe der Endlagerbestände aus. 1 0 1 Sollen die Lagerbestände auf ein Minimum reduziert werden, ist zur Erreichung einer hohen Lieferbereitschaft das Halten von Reservekapazitäten notwendig, wodurch zwangsläufig das Ziel der Maximierung der Kapazitätsauslastung vernachlässigt wird. Eine Lösung dieser Zielkonflikte ist wiederum nur durch Einbeziehung und Minimierung aller entscheidungsrelevanten Kosten möglich.

Qfl 99

Vgl. Beste, Rationalisierung, S. 309. Vgl. Herrmann , P.: Flexibel fertigen: Warum eigentlich? in: VDI-Zeitschrift, 125. Jg.

1983, S. 270. 100

Z u weiteren Vor- und Nachteilen von Lagerbeständen vgl. Harting, D.: Für und Wider von1 Beständen, in: Beschaffung aktuell, o. Jg. 1987, H. 5, S. 25. 01 Z u diesen und weiteren Zielkonflikten zum Beispiel zwischen der Produktionsrationalisierung und der Belegschaft vgl. Neumann, E.: Fallbeschreibungen von Kanban Anwendungen für kleine und mittlere Serien bei der Firma Bizerba, in: Wildemann, H. (Hrsg.): Flexible Werkstattsteuerung durch Integration von Kanban-Prinzipien, München 1984, S. 135 sowie Reichwald, R. / Sievi, C.: Produktionswirtschaft, in: Heinen, E. (Hrsg.): Industriebetriebslehre, Entscheidungen im Industriebetrieb, 4., neubearb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 1975, S. 285.

116

C. Ziele und Funktionen

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß auf der Sachzielebene eine Reihe von Zielkonflikten auftreten können. Die Lösung dieser Konflikte erscheint durch eine Gewichtung der einzelnen Ziele möglich. Eine derartige Unterteilung in Haupt- und Nebenziele ermöglicht weiterhin die Vorgaben bestimmter zu erreichender Zielausmaße. Wegen der verschiedenen Zielkonkurrenzen zeigt sich, daß in der Praxis zur Planung und Steuerung der Produktion, ob bewußt oder unbewußt, Ziele in den Vordergrund gestellt werden, andere wiederum im Hintergrund stehen.

c) Verschiebung der Zielgewichtung im Zeitablauf In der neueren Literatur wird festgestellt, daß sich die Zielgewichtungen in den letzten Jahren verschieben und bestimmte Ziele, wie etwa die Kapazitätsauslastung, zugunsten von anderen Zielen, wie zum Beispiel Termintreue und Bestandsminimierung, an Bedeutung verlieren. Begründet wird diese Aussage vor allem durch die Internationalisierung der Märkte und die Konkurrenzzunahme auf den Märkten. 1 0 2 Angesichts dieser Thesen stellt sich die Frage, ob tatsächlich eine Verschiebung der Zielgewichtungen stattgefunden hat, die eventuell zur Entwicklung neuer Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsverfahren geführt haben. Eine allgemeingültige Antwort ist allerdings nicht möglich, denn sie hängt von einer Vielzahl von Einflußfaktoren ab. Ob eine Veränderung der untersten Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung tatsächlich stattgefunden hat, kann eine Analyse der obersten Unternehmensziele zeigen. Auf oberster Ebene ist von einem pluralistischen Zielsystem auszugehen, wobei neben dem Gewinnstreben bestimmte Ziele, wie die Liquidität, Produktivität, Unabhängigkeit, das Wachstum, die Produktqualität und soziale Verantwortung, anzusiedeln sind. 1 0 3 Diese Unternehmensziele haben für alle Unternehmen Gültigkeit, wenn auch in unterschiedlichen Graden. Das Zielsystem einer Unternehmung ist dabei einerseits von den internen Unternehmensstrukturen, die sich beispielsweise aus der Unternehmensgröße, der Rechtsform und der Zusammensetzung der Unternehmensleitung ergeben, andererseits von den Einwirkungen des 102 Vgl. z.B. Brankamp, K. / Dammler, L.: Einfluß der Losgröße auf die Fertigungssteuerung, in: Arbeitsvorbereitung, 21. Jg. 1984, S. 102; Wiendahl , H.P.: Integration von PPS-Systemen in CIM-Konzepte, in: V D I (Hrsg.): VDI-Berichte Nr. 611, Rechnerintegrierte Produktion und Konstruktion, Internationaler CIM-Kongreß zur Systemtechnik 1986, 29. und 30. Oktober 1 0 31986 in München, Düsseldorf 1986, S. 208. Vgl.Kurrle, S. 139.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

117

Umsystems abhängig. Veränderungen der Strukturen führen zu einer laufenden Anpassung des Zielsystems, wobei sich nicht die Ziele, sondern ihre Gewichtung zueinander verändern. 104 Vielfältige Untersuchungen weisen hier auf eine nachlassende Bedeutung des Gewinnziels zugunsten von Qualitäts-, Sozial- und Umweltschutzzielen h i n . 1 0 5 Die Ursachen für die steigende Bedeutung der Qualitätsziele sind in der Marktsättigung zu suchen, die sich einerseits in der Forderung nach einem umfassenden Service für den Kunden, andererseits in der Produktqualität, verbunden mit einer breiten, auf die Kunden zugeschnittenen Produktpalette, widerspiegelt. 106 Ausgehend von der Zielgewichtungsverschiebung auf der obersten Unternehmensebene sind auch für die Zwischen- und Unterziele des Produktionsbereichs und der Produktionsplanung und -Steuerung Gewichtsverlagerungen zu erwarten. Aus einer neueren empirischen Untersuchung geht hervor, daß aus dem Service am Kunden sich ableitende Erfolgsfaktoren wie die Liefertreue und die Lieferzeit und -fähigkeit von den Industrieunternehmen als Faktoren mit einem starken Bedeutungszuwachs eingeordnet werden. 1 0 7 Die Einzelziele "Lieferzeit", "Lieferfähigkeit", "Liefertreue" und "Lieferqualität" werden im Schrifttum häufig zum Ziel des "Lieferservicegrades" 108 zusammengefaßt, wobei der Lieferservicegrad kein neues Ziel, sondern vielmehr ein zusammengesetztes Ziel ist. Während die Lieferzeit sich mit dem Ziel "Termineinhaltung" weitgehend deckt, sind die anderen Ziele dem Bereich der Materialwirtschaft zuzuordnen. Durch die wachsende Beachtung der Lieferserviceziele steigt nicht nur das Gewicht der Termineinhaltung, sondern auch der Durchlaufzeitenminimierung, weil kurze Durchlaufzeiten die Lieferzeiten verkürzen. Ebenfalls komplementär zum Lieferservice wirkt sich eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Umstellungsmöglichkeiten der Produktion aus. Insbesondere eine Flexibilität in bezug auf geänderte Kundenwünsche (zum Beispiel bei Sonderanfertigungswünschen) und hinsichtlich der Lieferzeiten ist vorteilhaft. 1 0 9 Eine andere Befragung in der Industrie erbrachte als Ergebnis, daß den Zielen "Durchlaufzeit" und "Termintreue" gegenüber der Rüstzeitminimie-

104

Vgl. Schehl, S. 56.

105

Vgl. Fritz, W. / Förster, F. / Raffée , H. / Silberer, G.: Unternehmensziele in Industrie und Handel, Die Betriebswirtschaft, 45 Jg. 1985, S. 380; Raffée , H. / Förster, F. / Krupp, W.: Marketing und Ökologieorientierung - Eine empirische Studie unter besonderer Berücksichtigung der Lärmminderung, Mannheim 1988, S. 26 f. ß 6 Vgl. Schehl, S. 57. 107

108 109

Vgl. Schehl, S. 70 f. Z u diesem Ziel vgl. Ihde, Transport, 1984, S. 19. Vgl. Schehl, S. 59.

118

C. Ziele und Funktionen

rung und der Kapazitätsauslastung eine steigende Bedeutung eingeräumt wird.110 Insgesamt lassen die genannten Untersuchungen den Schluß zu, daß sich die Unternehmensziele nicht verändert haben. Dies zeigt sich darin, daß in III

der älteren Literatur die gleichen Ziele genannt werden wie im neueren Schrifttum. Für Unternehmen, die insbesondere auf Märkten mit starker Konkurrenz und mit hoher Nachfragemacht auftreten, gewinnen jedoch Ziele wie Qualität, Termineinhaltung, Bestandsminimierung und Flexibilität zunehmend an Stellenwert gegenüber der Auslastung von Kapazitäten. Z u hohe Lagerbestände und zu lange Liege- und Durchlaufzeiten schlagen insbesondere in Zeiten zurückgehender Konjunktur und Absatzmöglichkeiten zu Buche. In diesen Zeiten rücken auch Ziele wie Durchlaufzeiten- und Bestandsminimierung gegenüber der Auslastung der Kapazitäten in den Vordergrund. Qualitäts- und Termineinhaltungsziele sind vor allem für Zulieferunternehmen, die mit ihren Abnehmern Rahmenlieferungsverträge abgeschlossen haben, von großem Gewicht. Die Festeilung, daß sich die Unternehmensziele verschieben, ist nicht allgemeingültig zu interpretieren, weil gerade in Zeiten, wo jegliches Kostenreduktionspotential durchforstet wird, gewisse traditionelle Ziele wie die Rüstkosten- und Leerkostenminimierung nicht zu vernachlässigen sind. Beste stellt hierzu fest, daß gerade die Sortenwechselkosten einen beträchtlichen Anteil an den Herstellkosten ausmachen. 112 Lediglich bei Einsatz von Automatisierungskonzepten in der Fertigung verlieren die Rüstzeiten und Rüstkosten weitgehend an Bedeutung, so daß bei hochautomatisierten Industriebetrieben die Auslastung der Betriebsmittel deutlich von der Termineinhaltung und der Durchlaufzeitsenkung verdrängt w i r d . 1 1 3 Doch darf dabei "nicht außer acht gelassen werden, daß die Einführung eines FFS (Flexibles Fertigungssystem; Anm.d.V.) mit erhöhter Kapazität verbunden ist, ohne deren Nutzung die Wirtschaftlichkeit des FFS in Frage zu stellen ist». 114 Es zeigt sich darüber hinaus, daß für eine Vielzahl von Unternehmen, die eine große Marktmacht besitzen oder in gleichbleibender Massenfertigung

110

Vgl.

Ingersoll-Engineers

(Hrsg.): Der FFS-Report der Ingersoll Engineers: Flexible

Fertigungssysteme, Berlin u.a. 1985, S. 15. 11 Vgl. auch Moore, F.G. / Welti, Ο.: Produktionssteuerung - Produktionskontrolle, München 1967, S. 43 f. 112 1 1 3Vgl. Beste, Rationalisierung, S. 309. Vgl. Moro ff, S. 153. 114 Mostafa, S.: Die industrielle Werkzeugwirtschaft, Diss, Witzenhausen 1990, S. 246.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

119

Güter produzieren, Ziele wie die Rüstkostenminimierung oder die Auslastungen der Kapazitäten eine hohe oder sogar dominierende Bedeutung behalten werden. Beispiele für Betriebe, bei denen die Kapazitätsauslastung das wichtigste Ziel bleibt, finden sich in der Investitionsgüterindustrie, der Bauwirtschaft und der chemischen Industrie. Dort sind, bedingt durch die Eigenheit der Chargenfertigung, Mindestauslastungen der Kapazitäten zwingend vorgegeben. Als Fazit bleibt festzuhalten, daß tendenziell eine Zielverschiebung weg von der Dominanz des Auslastungsziels hin zu gleichbedeutenden einzelnen Sachzielen stattgefunden hat, wobei einzelfallabhängige Unterschiede bei der Gewichtung der Ziele je nach Marktnähe oder Branche zu erkennen sind. Ferner ist zu beachten, daß eine Verschiebung der Zielgewichtung keine neue Erscheinung ist, sondern sich langsam über einen längeren Zeitraum vollzieht. Dies zeigt sich bereits in einer Feststellung von Kortzfleischs aus dem Jahre 1962. Er erkannte, daß eine einseitige Verfolgung des Kapazitätsauslastungsziels, bei dem unter Vernachlässigung der Lagerbestände und des gebundenen Umlaufkapitals die Betriebsmittel in jedem Fall durchgehend zu produzieren haben, nicht zur kostengünstigsten Produktion führt. 1 1 5

3. Anforderungen an die Wirksamkeit des eingesetzten Verfahrens zur Planung und Steuerung der Produktion Die Anforderungen an ein PPS-System leiten sich teilweise aus allgemeinen Grundsätzen her, wie sie gleichermaßen zum Beispiel für Kostenrechnungssysteme gelten. Die Ziele und die Anforderungen zusammen bilden die Kriterien für die Analyse der neueren Verfahren. Damit ein PPS-System wirksam eingesetzt werden kann, muß es bestimmte Voraussetzungen erfüllen. PPS-Systeme sollen als allgemeine Anforderung die Voraussetzungen zum effizienten Einsatz der produktiven Faktoren schaffen. Die Anforderungen an ein solches System können in systembezogene, technologische und personelle Anforderungen unterteilt werden. Z u den systembezogenen Erfordernissen gehört die ökonomische Eignung eines Verfahrens, die in den Gebieten Genauigkeit, Richtigkeit der Planungsdaten, Risiko hinsichtlich von Störungen, wirtschaftliche Nutzungsdauer sowie Auszahlungen und Einzahlungen bei Einführung sowie die 115

Vgl. von Kortzfleisch,

Gehalt, S. 719.

120

C. Ziele und Funktionen

Aufwendungen und Erträge nach Einführung des Systems zum Ausdruck kommen. Bei diesen Anforderungen tritt insbesondere ein Zielkonflikt zwischen der Wirtschaftlichkeit und der Genauigkeit eines Verfahrens auf. Ansprüche an die Genauigkeit sind die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der zur Produktionsplanung und -Steuerung benötigten Daten sowie die Leistungsfähigkeit der angebotenen Systeme hinsichtlich der Planungsgeschwindigkeit und der Auswahl verschiedener Parameter und Planalternativenrechnungen. Die Genauigkeit spiegelt sich in der benötigten Detailgenauigkeit der Pläne wieder. 1 6 Innerhalb der Planung kann zwischen drei Planebenen, der langfristigen, der mittelfristigen und der kurzfristigen Ebene, unterschieden werden. Während bei der langfristigen Grobplanung noch mit aggregierten Daten gearbeitet wird, erfordert die Feinplanung exakte Daten, weil sie eine kurzfristige Planung für die nächste Zukunft ist. Ein PPS-System hat damit die Aufgabenstellungen verschiedener Fristigkeitsebenen erfüllen, das heißt, sowohl grobe langfristige als auch exakte tagesgenaue Planungen müssen durchzuführen sein. Neben der Wirtschaftlichkeit, Genauigkeit und Planungssicherheit lassen sich neben dem Grundsatz der Konsistenz, der die Behandlung der Daten nach mathematischen Regeln fordert, die Grundsätze der Stetigkeit, Einheitlichkeit, Vollständigkeit und der Funktionalität als weitere Anforderungen anführen. Letzterer ist für die Zielorientierung des PPS-Systems verantwortlich. Weiterhin muß die Organisation des Industriebetriebes hinreichend auf das PPS-System eingestellt und gegebenenfalls geändert werden. Je besser der Informationsfluß, der Datenschutz, die Datensicherheit, die Auskunftsbereitschaft sowie die Schnelligkeit und Aktualität der Planung sein soll, desto höher werden die Kosten der Einführung und Umorganisation ausfallen. Die Höhe der Planungssicherheit läßt sich daran messen, inwieweit die Ergebnisse der Planung in den Bereichen Beschaffung und Fertigung verwirklicht werden können. Die technologische Eignung ist mit der systembezogenen Anforderung eng verknüpft und gibt Aufschluß darüber, inwieweit das System bei bestimmten Produktionsbedingungen für ein Unternehmen sinnvoll einzusetzen ist und inwieweit es flexibel für Änderungen in der Produktion und hinsichtlich kurzfristiger Kundenauftragsveränderungen ist (Grundsatz der Flexibilität hinsichtlich Umgebungsveränderungen und Auswertungsmöglichkeiten der Daten). Flexibel in diesem Sinne ist ein Verfahren dann, wenn veränderte Umweltbedingungen, wie zum Beispiel Konjunktur ände116

Vgl. Ellinger / Wildemann, Merkblatt 1, S. 4 f.; Wild, S. 159.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

121

rungen, Streiks, Marktpreisveränderungen und kurzfristige Planabweichungen innerhalb der Produktion, erkannt und korrigiert werden können. Zur Beseitigung sind Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und alle von der Veränderung betroffenen Pläne zu überarbeiten. U m diese Kriterien erfüllen zu können, muß ein System oder Verfahren Eingriffsmöglichkeiten des Menschen vorsehen, weil nur dann eine wirksame Steuerung und Lenkung möglich ist. Weiterhin muß ein Verfahren oder System die typologischen Besonderheiten eines Industriebetriebes berücksichtigen können und mit Systemen in den angrenzenden Unternehmensbereichen kompatibel sein. Letzteres ist insbesondere dann erforderlich, wenn ein Unternehmen für seine Unternehmensbereiche mehrere verschiedene EDV-Programme einsetzt. Nur durch eine Verknüpfung dieser Programme und Systeme werden zweckmäßige und wirtschaftliche Abstimmungen zwischen dem Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsbereich und den weiteren Unternehmensbereichen wie dem Absatzbereich und der Kostenrechnung möglich. Die Flexibilität eines Verfahrens wird abnehmen, je mehr Bestandteile des Planungssystems feststehen und formalisiert sind. Eine Formalisierung bewirkt jedoch eine organisatorische Gliederung der Planung und Steuerung, damit die Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit des Verfahrens verbessert wird. Die Organisation der Produktionsplanung kann zudem durch Standardisierung von Modellen, Formularen und Rechenverfahren vereinfacht werden. 1 1 7 Zusätzlich ist bei der technologischen Eignung zu überprüfen, welche Hilfsmittel zur Planung und Steuerung der Produktion herangezogen werden können, und welche zwingend zu verwenden sind. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, daß ein eingesetztes Verfahren sowohl konventionelle als auch EDV-technische Hilfsmittel zur Planung zuläßt, während ein anderes Verfahren wegen seiner Komplexität der Planung lediglich das Hilfsmittel "EDV" erlaubt. Dieser Punkt ist innerhalb der vorliegenden Untersuchung der einzelnen Verfahren nicht von Bedeutung, weil er lediglich bei Auswahl eines konkreten Systems von Gewicht ist. Neben der Flexibilität bei Umgebungsveränderungen ist die Anwendungsflexibilität gleichbedeutend. PPS-Systeme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer vorgesehenen Planungsfrequenz sowie des Planungshorizonts, das heißt in Hinblick auf den Planungsabstand und den Gültigkeitszeitraum der Planung. PPS-Systeme sollen diesbezüglich anwendungsflexibel sein. Zudem sollten sie die Möglichkeit bieten, Simulationen durchzurechnen und Änderungsrechnungen zu berücksichtigen. 118 Das PPS-System sollte dabei aber 117

Vgl. Wild, S. 158.

118

Vgl. Geiger, S. 223.

122

C Ziele und Funktionen

dem Planer bei mehreren Dispositionsalternativen nicht die Entscheidung abnehmen, sondern ihm die Entscheidungsalternativen und -Spielräume aufzeigen und die für die Entscheidung benötigten Daten liefern. Trotz dieser Möglichkeiten darf die Rechenzeit eines solchen Systems nicht hoch sein. Dies würde der Flexibilitätsforderung widersprechen, da ansonsten ein PPS-System bei Umweltänderungen nicht schnell genug reagieren kann und nur mit veralteten Plänen gearbeitet werden könnte. Es ist daher darauf zu achten, daß die Abhängigkeit von technischen Hilfsmitteln nicht zu hoch ist, weil bei Ausfall dieser Geräte die Planung zum Erliegen kommt und die Flexibilität der Verfahren leiden würde. Die personelle Eignung überprüft das System nach der Handhabung, den Informationsanforderungen, den Ausbildungsanforderungen sowie nach dem Automatisierungsgrad. 119 Die Handhabung eines Systems wird beschrieben durch die Benutzerfreundlichkeit und die Nachvollziehbarkeit der Systemschritte (Grundsatz der Transparenz). Der letztgenannte Grundsatz zeigt sich darin, ob ein System oder Verfahren einfach organisiert ist. Positiv für ein anwenderfreundliches System sind zum Beispiel die Menü-Technik sowie Hilfsfunktionen bei Einsatz von Softwareprogrammen. Weiterhin soll ein Verfahren für die Mitarbeiter motivationsfördernd wirken. Dies bedeutet einerseits, daß das Verfahren die Erfolge, die in der Produktion erzielt werden, deutlich machen soll, andererseits soll das Verfahren zur Planung und Steuerung der Produktion auch den dezentralen Stellen in der Produktion Handlungsfreiheit lassen und deren Aufgaben nicht auf das Umsetzen von Anweisungen beschränken und damit Monotonie hervorrufen. Dies ist insbesondere bei der Lenkung der Produktion von außerordentlicher Wichtigkeit, weil die dezentralen Stellen bei Störungen schneller eingreifen können. Außerdem würde das Streben nach Selbstverwirklichung der Arbeiter unterdrückt werden, was wiederum auf die Motivation einen negativen Einfluß ausübt. Eine sinnvolle Maßnahme bei einer zentralen Planung ist daher die Einbeziehung der Produktionsmeister in die Planung der Aufträge, zumal sie mit den Produktionsverhältnissen ihres Zuständigkeitsbereichs am besten vertraut sind. 1 2 0 Nicht nur für die in der Produktion tätigen Personen soll Handlungsfreiheit verbleiben, sondern auch die direkt an dem Planungs- und Steuerungssystem beschäftigten Mitarbeiter erwarten von dem Verfahren eine Erweiterung ihrer Handlungs- und Entscheidungskompetenzen. Dies bedeutet, daß ein Verfahren die Entscheidungsfindung nicht automatisieren, sondern lediglich die Entscheidungskonsequenzen auf-

119

120

Vgl. Ellinger / Wildemann, Merkblatt 1, S. 8.

Vgl. Wiendahl , H.P.: Kurze Lieferzeit und hohe Termintreue sind mitentscheidend für den Markterfolg, in: Industrieanzeiger, 103. Jg., Nr. 104 v. 30.12.1981, S. 41.

I. Ziele der Produktionsplanung und -Steuerung

123 1

zeigen und den Mitarbeiter von Routinetätigkeiten entlasten soll. Neben den bereits erläuterten personellen Eignungsfaktoren läßt sich noch eine Vielzahl weiterer Faktoren nennen, welche die Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung in personeller Hinsicht erfüllen sollten. Durch die Systeme sollte der Arbeitsinhalt vergrößert, ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, die Kommunikation bei der Arbeit verbessert und soziale Kontakte 117.

gefördert werden. Busch hat einen Kriterienkatalog entwickelt, bei dem die inhaltlichen und technischen Anforderungen an ein PPS-System aufgezählt werden. Anhand dieser Anforderungen soll ein Softwarepaket zur Produktionsplanung und -Steuerung ausgewählt werden können. Er stellt neben den in dieser Arbeit angesprochenen Anforderungen Kriterien auf, wie etwa den Produktentwicklungsstand, den er unter anderem an der Verbreitung der Software mißt. Weitere Kriterien sind die Sicherheit des Konzeptes und der Software und die Vertragskonditionen. In der vorliegenden Untersuchung ist die Überprüfung dieser Anforderungen nicht sinnvoll, weil einerseits nicht die Software, sondern die Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung überprüft werden, andererseits die Inhalte der Verfahren im Vordergrund stehen. Daher wird auf einen vollständigen Anforderungskatalog verzichtet, und es werden nur diejenigen Kriterien in die Betrachtung miteinbezogen, anhand derer sich die Inhalte der Verfahren bewerten lassen. Diejenigen Anforderungen, die sich nur auf die Hard- oder Software beziehen, wie zum Beispiel die Anpassungsfähigkeit der Software an verschiedene Hardware, die Bedienerfreundlichkeit der Benutzeroberfläche oder die Softwareerweiterungsmöglichkeiten, bleiben außer acht. Der verwendete Anforderungskatalog kann demnach wie folgt zusammengefaßt werden:

121 Vgl. Esser, U. / Krings, K.: PPS-Einführung mit Benutzerteams, in: io Management Zeitschrift, 60. Jg. 1991, Nr. 9, S. 73. 122 Vgl. Zäpfel, G.: Produktionswirtschaft - Operatives Produktions-Management, Berlin / New Y o r k 1982, S. 31. 123 Vgl. Busch, U.: Entwicklung eines PPS-Systems: Praktische Anleitung für die Auswahl und Realisierung von Produktions-, Planungs- und -steuerungssystemen, 2., durchgesehene Aufl., Berlin 1989, S. 128 ff.

-Hilfsmittel

-Flexibilität hinsichtlich: * Veränderungen *Anwendung

+

technologisch

^

+

personell

-Informationsanforderungen -Ausbildungsanforderungen -Automatisierungsgrad

-Handhabung *Benutzerfreundlichkeit *Nachvollziehbarkeit *Praktikabilität

^^^^^

Abb.C.l: .Anforderungen an die Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssvsteme

-Genauigkeit -Richtigkeit der Daten -Störungsrisiko -wirtschaftliche Nutzungsdauer -Investitionshöhe

+

systembezogen

^^^^ ^^J^

C. Ziele und Funktionen

II. Notwendige Funktionen

125

IL Notwendige Funktionen zur Erfüllung der Sach- und Formalziele Zur Erfüllung der Sach- und Formalziele sind bei der Produktionsplanung und -Steuerung bestimmte Funktionen zu durchlaufen. Sie bilden die Inhalte eines PPS-Systems. Die neueren Verfahren lassen sich nicht nur an den Zielen messen; sinnvolle Aussagen besonders im Hinblick auf die Frage der Neuheit der neueren Verfahren kann auch ein Vergleich der herkömmlichen PPS-Systeme mit den neueren Verfahren bezüglich der umgesetzten Funktionen erbringen. Dazu ist es erforderlich, ein herkömmliches PPS-System als Untersuchungsgrundlage festzulegen. Für die vorliegende Untersuchung wird, wie bereits erwähnt, als herkömmliches System ein Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungskonzept ausgewählt, das möglichst alle konzeptionellen Aufgaben der Produktionsplanung und -Steuerung umfaßt, sich in seinen Grundzügen für möglichst alle Industriebetriebstypen durchgesetzt hat und in dieser Form weit verbreitet ist. Ein solches PPS-System stellt also ein Manufacturing Requirements Planning System (MRPS / MRP Τ) amerikanischen Urspungs dar. 1 2 4 Derartige herkömmliche PPS-Systeme wurden ursprünglich für den Maschinenbausektor konzipiert und in den siebziger und achtziger Jahren bevorzugt in den Unternehmen verwendet. Obwohl zur Beurteilung der Methode eines Verfahrens die Art der Hilfsmittel bei der Durchführung von untergeordneter Bedeutung ist, soll innerhalb dieser Arbeit als herkömmliches PPS-System ein Konzept vorgestellt werden, wie es sich in den gängigen Softwareprogrammen im Grundaufbau wiederfindet. 125 Der Vorteil der gewählten Vorgehensweise liegt darin, daß ein in seinem Umfang abgeschlossenes, streng sukzessiv aufgebautes System generiert werden kann. In dem Basiskonzept werden die Inhalte der einzelnen Funktionen und die Schwächen der PPS-Systeme dargestellt, um aufzeigen zu können, wo die neueren Verfahren ansetzen. Des weiteren kann aus einem Vergleich des Grundkonzeptes mit den neueren Ansätzen erkannt werden, ob bei den neueren Ansätzen wegen einer be-

124

Die Auswahl des MRPS als traditionelles System entspricht der Einstufung, wie sie in

den meisten Veröffentlichungen als traditioneller Aufbau eines PPS-Systems vorgenommen wird; vgl. u.a. Hackstein,

R.: Produktionsplanung und -Steuerung (PPS) - Ein Handbuch für

die Betriebspraxis, Düsseldorf 1984, S. 4 f.; Zäpfel / Missbauer, Traditionelle Konzepte, S. 74 und Eberhardt, 125

S. 17.

Dennoch sollen die Gedanken der Arbeitsvorbereitung, die nicht in rechnergestützte PPS-Systeme umgesetzt wurden, beachtet und bei der Untersuchung der neueren Verfahren als Vergleichsgrundlage wieder aufgegriffen werden.

126

C. Ziele und Funktionen

stimmten Planungslogik oder einer Anwendungseigenschaft eines Verfahrens eventuell ganze Funktionsgruppen entfallen können. Bei der Vorstellung der Funktionen des herkömmlichen PPS-Systems ist zu beachten, daß wegen der zahlreichen Modifikationen der in der Praxis eingesetzten Systeme kein einheitliches genormtes PPS-System existiert. Sie unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Zahl und Differenziertheit der im Paket enthaltenen Module. In überwiegender Mehrheit enthalten sie allerdings die in dieser Arbeit vorzustellenden Funktionen. Die bekanntesten Standardsysteme sind COPICS von I B M , ISI von Siemens, R M von SAP und UNIS von Sperry Univac. Je nach Entwicklungszeitpunkt unterscheiden sich die Systeme in der Art der Verarbeitung (Dialog oder Stapelbetrieb) und nach den Aktualisierungsmöglichkeiten der Daten. 1 2 7 Die Inhalte eines herkömmlichen PPS-Systems können hinsichtlich der Planungsmethode grundsätzlich auf zwei Arten festgelegt werden. I m Hinblick auf die angewendete Planungsmethode können Planungs- und Steuerungssysteme in simultane und sukzessive Ansätze unterteilt werden, wobei sich die sukzessive Vorgehensweise für die herkömmlichen Systeme aus Praktikabilitätsgründen durchgesetzt hat. Im folgenden wird daher auf die simultane Vorgehensweise lediglich kurz eingegangen.

1. Simultane Verfahren der Produktionsplanung und -Steuerung U m die Teilaufgaben innerhalb der Produktionsplanung und -Steuerung sowie die Verbindung zu anderen Teilbereichen der Unternehmung zu einem System zusammenzufassen, bedarf es Koordinationsmechanismen. Ein solcher Koordinationsmechanismus ist die Simultanplanung. Bei ihr werden sämtliche Aufgaben gleichzeitig geplant, wobei alle Interdependenzen zwischen den Teilaufgaben zu berücksichtigen sind. Dadurch, daß alle Restriktionen und Verflechtungen innerhalb des Modells abzubilden sind, läßt sich das Oberziel der Produktionsplanung und -Steuerung, die Minimierung der

126 Dies bedeutet, daß die Programme nach Teilaufgaben aufgebaut sind, wodurch die einzelnen Aufgaben eines PPS-Systems leicht erkennbar sind. Der modulare Aufbau ermöglicht weiterhin, die Software auf bestimmte Unternehmenstypen zuzuschneiden und Funktionen für den bestimmten Typ vom Grundaufbau abzuändern sowie Schnittstellen zu den Programmpaketen der angrenzenden Unternehmensbereiche zu definieren. Auch erleichtert es der modulare Aufbau für ein Unternehmen, nur Teile eines PPS-Systems rechnergestützt zu planen und zu steuern. 127

Vgl. Kistner, K.P. / Steven, M.: Produktionsplanung, Heidelberg 1990, S. 254 ff.

II. Notwendige Funktionen

127

entscheidungsrelevanten Kosten, theoretisch erreichen. Die zieloptimale Lösung bei der Simultanplanung soll durch eine gleichzeitige Abstimmung aller Bereiche der Produktionsplanung und -Steuerung und Einflußgrößen auf diese Bereiche möglich werden. Dabei werden alle Teilbereiche in Beziehung zum Gesamtziel gebracht. Hiernach erfolgt die Optimierung der aufgestellten Zielgleichung, in der alle Variablen der Teilbereiche enthalten sind. 1 2 8 Voraussetzung für eine simultane Planung ist, daß alle betroffenen Teilbereiche mit in die Modellbildung einbezogen werden und alle gegenseitigen Abhängigkeiten und Beziehungen erfaßt und verarbeitet werden. 1 2 9 Schon in kleinen Unternehmen wird ein solches Modell auch bei alleiniger Betrachtung des Produktionsbereichs bei Abstimmung der jeweiligen Termine, Endprodukte, der benötigten Einzelteile, Kapazitäten und verschiedenen Arbeitsgänge derart komplex, daß der Rechenaufwand für dieses Programm nicht zu vertreten ist. Wird dazu eine Abstimmung mit den übrigen Unternehmensteilplänen und Kundenaufträgen angestrebt, ist die Softwareprogrammierung durch die Vielzahl der möglichen Beziehungen derzeit unmöglich. 1 3 0 Daher wird auf eine optimale Lösung hinsichtlich der Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten meist verzichtet und eine befriedigende Lösung mit Hilfe der Sukzessivplanung angestrebt. Ein weiteres Problem der simultanen Planung besteht in der Berücksichtigung unterschiedlicher Fristigkeiten. Bereits langfristige Pläne müssen einen hohen Genauigkeitsgrad aufweisen, damit alle Interdependenzen erfaßt und die Teilbereiche simultan abgestimmt werden können. Langfristig ungenaue Pläne führen bei einer simultanen Abstimmung zu kurzfristig nicht vollziehbaren Plänen. 1 3 1 Eine Trennung in langfristige, aggregierte Pläne und kurzfristige Detailpläne ist wegen der simultanen Aufstellung der Pläne und der gleichen Datenbasis nicht möglich. Damit läßt sich auch nur ein Gesamtplan mit einem Planungshorizont erstellen. 132 Es ist daher sinn128 129

Vgl. Zäpfel / Gfrerer, S. 235. Vgl. Bergner, Zur betrieblichen Planung, S. 14. Schon Beste weist darauf hin, daß jeder

Teilplan mit anderen Plänen in Verbindung steht, indem er von ihnen Daten empfängt, aber auch an sie Daten abgibt. Nur ein Gesamtplan, bei dem alle Teilpläne aufeinander abgestimmt sind, ist vollkommen. Vgl. Beste, Th.: Planung in der Unternehmung, Kongreß-Archiv 1938 des V . Internationalen Prüfungs- und Treuhand-Kongreß, Berlin 1938, Band B, Nationalberichte, Thema 2, Deutschland (Land 6), S. 72. 130 131

Vgl. Pfohl, S. 130 und Zäpfel / Gfreret , S. 235. Vgl. Switalski, M.: Hierarchische Produktionsplanung, Heidelberg 1989, S. 12 und Gei-

ger, W.: Computergestützte Produktionsplanung und -Steuerung im Mittelstand, Diss., Wiesbaden 1991, S. 35. 132

Vgl. Häfner, S. 12.

128

C. Ziele und Funktionen

voll, nur die wichtigsten Bereiche simultan zu planen und die sonstigen Bereiche sukzessiv abzuarbeiten. Ferner besteht bei simultaner Planung aller Funktionen der Produktionsplanung und Produktionssteuerung die Notwendigkeit, daß bei Planungsbeginn alle Informationen der zu planenden Periode bereits vorhanden sein müssen. Damit der Produktionsplan nicht schon mit Produktionsbeginn hinfällig ist, sind deshalb Informationen wie Maschinenausfälle, Mitarbeitererkrankungen oder kurzfristige Auftragsänderungen miteinzukalkulieren. Dies ist nur annäherungsweise durch Verwendung geschätzter Größen möglich. 1 3 3 Trotz dieser Schwierigkeiten wurde seit den sechziger Jahren versucht, mathematische Modelle und Lösungsalgorithmen zur simultanen Abstimmung der einzelnen Funktionen zu entwickeln, die oft mit vereinfachenden Annahmen arbeiten. 134 Hierfür werden in zunehmenden Maße Methoden des Operations Research eingesetzt. Inzwischen beschäftigt sich das Schrifttum zusammen mit der Industrie intensiv mit dem Thema Simultanplanung. Dabei wird versucht, einzelne PPS-Systeme zu entwickeln, bei denen wenigstens Teilfunktionen der Produktionsplanung und Produktionssteuerung, die auf gleicher Planungsebene liegen, simultan geplant und abgestimmt werden können. 1 3 5 Ihr Einsatz beschränkt sich weitgehend auf Simulationen oder auf Industrien mit geringer Endproduktzahl, wie das etwa für die chemische Industrie und die Grundstoffindustrie zutrifft. Auch hierbei treten aufgrund der zahlreichen Variablen und Nebenbedingungen bereits große Probleme auf. 1 3 6

2. Sukzessive Verfahren der Produktionsplanung und -Steuerung (herkömmliche PPS-Systeme) Ein sukzessives PPS-System zeichnet sich dadurch aus, daß die einzelnen Teilaufgaben nacheinander erledigt werden und eine gleichzeitige Abstim133 134

Vgl. Kern, industrielle Produktionswirtschaft, S. 280.

Vgl. Jacob, H.: Produktionsplanung und Kostentheorie, in: Koch, H. (Hrsg.): Z u r Theorie der Unternehmung, Wiesbaden 1962, S. 238 ff.; Dinkelbach, W.: Zum Problem der Produktionsplanung in Ein- und Mehrproduktunternehmen, Würzburg / Wien 1964, S. 58 ff.; Adam, Produktionsplanung bei Sortenfertigung, S. 91 ff. und 152 ff. sowie Scheer, A.W.: Produktionsplanung auf der Grundlage einer Datenbank des Fertigungsbereichs, München / Wien 1976. 135 Vgl. Wittemann, N.: Produktionsplanung mit verdichteten Daten, Berlin u.a. 1985, S. 191 ff.; Häfner, S. 97 ff. Innerhalb des Kapitels D.IV. sollen derartige Ansätze vorgestellt werden. 136

Vgl. Scheer, A.W.: Stand und Trends der computergestützten Produktionsplanung und -Steuerung (PPS) in der Bundesrepublik Deutschland, in: ZfB, 53. Jg. 1983, S. 141.

II. Notwendige Funktionen

129

mung unterbleibt. Dies hat zur Folge, daß die Ergebnisse der bereits erledigten Teilschritte als Vorgabewerte für die nachfolgenden Planungsschritte herangezogen werden und damit rückwirkende Dependenzen zwischen den Planungsaufgaben vernachlässigt werden müssen. Bei der sukzessiven Produktionsplanung und -Steuerung muß wegen der nicht berücksichtigten Beziehungen die Zielgröße "Minimierung der Kosten" vernachlässigt und auf Ersatzzielgrößen zurückgegriffen werden, die teilweise aber in Konkurrenz miteinander stehen. 137 Ein Vorteil eines sukzessiven Verfahrens gegenüber der simultanen Planung liegt in der Sichtbarmachung und Strukturierung der Planungs- und Produktionsabläufe. Neben einer streng zeitlichen Einteilung der Planungsabläufe werden auch die Planungsaufgaben innerhalb eines Zeitrasters in eine strenge Reihenfolge gebracht, so daß die einzelnen Planungsschritte nachvollziehbar werden. Dies hat gleichzeitig zur Folge, daß auch die Produktionsabläufe transparent werden. 1 3 8 Die PPS-Systeme lassen sich in die Teilgebiete Produktionsplanung und Produktionssteuerung teilen. Die Systeme können dann nach verschiedenen Kriterien gegliedert werden, wobei die Gliederung nach "Funktionen" und "Zeit" am sinnvollsten erscheint.

a) Gliederung nach der Fristigkeit Obwohl sich die Gliederung nach Funktionen in Literatur und Praxis 1 ^Q

durchgesetzt hat, soll in dieser Arbeit auf die Gliederung nach der "Zeit" eingegangen werden, zumal auch bei der Gliederung nach Funktionen der Zeitaspekt (oder die Fristigkeit der Planung) implizit berücksichtigt wird. Wird die Produktionsplanung und -Steuerung nach ihrer Fristigkeit gegliedert, so kann weiter die langfristige, mittel- bis kurzfristige Produktionsplanung sowie die Produktionssteuerung unterschieden werden (siehe Abbildung C.2). 1 4 0

137 Vgl. Glaser, H.: EDV-gestützte PPS-Systeme und simultane Ansätze zur Produktionsplanung, in: Fandel, G. / Gehring, H. (Hrsg.): Operations Research, Beiträge zur quantitativen Wirtschaftsforschung, Tomas Gal zum 65. Geburtstag, Berlin u.a. 1991, S. 422 f. und vgl. Kap. C.I.2.b). 138 Vgl. Scheer, Stand und Trends, S. 142. 139

140

Vgl. Hackstein, S. 9 ff. Vgl. hierzu O'Grady,

Weinheim 1988, S. 14 ff. 9 Schwarzmaier

P.J.: Automatisierte Fertigungssysteme - Entwurf und Betrieb,

C. Ziele und Funktionen

130

Fristigkeit

1-5 Jahre Planungshorizont; monatliche bis jährliche Untergliederung:

wöchentlich untergliederte Pläne; rollierend von einem Monat bis zu einem Jahr im voraus:

eine Woche bis ein Tag; täglich bis stündlich untergliederte Pläne:

Hauptfunktion

langfristige Produktionsplanung

Teilfunktionen -langfristige Produktionsprogrammplanung nach Art und Menge -langfristige Personalund Betriebsmittelausstattung -Festlegung der Betriebsorganisation -langfristige Terminpläne

-mittelfristige Produktionsprogrammplanung -Bestellplanung mittel- bis kurzfristige -Mengenplanung Produktionsplanung -Termingrobplanung -Kapazitäts- und Reihenfolgeplanung mit Kapazitätsabgleich fur Betriebsmittelgruppen

Produktionssteuerung

-Auftragsfreigabe -kurzfristige Reihenfolgeplanung, Terminund Kapazitätsplanung mit maschinengenauer Festlegung -Bestell- und Fertigungsdurchfiihrung und Überwachung derselben

Abbildung C.2: Gliederung der Produktionsplanung und -Steuerung nach der Fristigkeit

II. Notwendige Funktionen

131

Die langfristige Produktionsplanung wird als Teil der strategischen Unternehmensplanung angesehen und stellt damit ein Zwischenglied zur strategischen Absatzplanung einerseits und strategischen Beschaffungsplanung andererseits dar. Der langfristige Produktionsplan wird auf Jahre hinaus festgelegt und kurzfristig nicht verändert. Er umfaßt zum Beispiel die Bestimmung der Produktarten, den Forschungsumfang, die Auswahl der Fertigungsverfahren 141 und die Ausstattung mit Betriebsmittel. Anhand dieser strategischen Entscheidungen vollzieht sich die ökonomisch ausgerichtete mittel- bis kurzfristige Produktionsplanung. Nur sie wird in ein EDV-gestütztes PPS-Systems einbezogen, während die langfristigen Planungen nur als Vorgabewerte zu berücksichtigen sind. Z u den mittel- bis kurzfristigen Planungsaufgaben gehören die Bestimmung des in der Folgeperiode zu produzierenden Produktionsprogramms, eine grobe Maschinenbelegung, die Auftragsbildung und Auftragsterminierung, die innerbetriebliche Steuerung und Lagerung von Fertigungsmaterial, Zwischenprodukten und Betriebsstoffen sowie die Vorbereitung der Produktionslenkung. 142 Dabei werden anhand der mittelfristigen Programmpläne, die ungefähr für ein halbes bis ein ganzes Jahr ausgelegt sind, grobe Mengen- und Kapazitätspläne mit einem Horizont von einem Monat bis zu einem halben Jahr erstellt. Diese werden wiederum innerhalb des Planungslaufs durch Pläne mit wochenoder tagesweiser Gültigkeit verfeinert. 143 Die Durchsetzung und Kontrolle des Produktionsablaufs fällt der Produktionssteuerung zu und reicht von tages- und stundengenauen Planungen bis in den Gegenwarts- und Vergangenheitszeitraum, zum Beispiel bei Kontrolltätigkeiten.

b) Gliederung nach Funktionen Die Systeme zur Planung und Steuerung der Produktion teilen sich unter funktionalen Gesichtspunkten in die Datenverwaltung sowie die Planungsund die Steuerungsfunktionen auf. Der Übergang zwischen Planung und Steuerung der Produktion ist dabei oft fließend.

141

Vgl. hierzu Schäfer, E.: Der Industriebetrieb, Betriebswirtschaftslehre der Industrie auf typologischer Grundlage, Bd. 2, Opladen 1971, S. 207 ff. Schäfer bezeichnet dabei das langfristige als Fertigungsrepertoire. 1 4Produktionsprogramm 2 Vgl. Laßmann, Sp. 3105. 143

Vgl. Hahn, D.: Produktionsprozeßplanung, -Steuerung und -kontrolle - Grundkonzept und Besonderheiten bei spezifischen Produktionstypen, in: Hahn, D. / Laßmann, G. (Hrsg.): Produktionswirtschaft, Controlling industrieller Produktion, Bd. 2, Produktionsprozesse, Grundlegung zur Produktionsprozeßplanung, -Steuerung und -kontrolle und Beispiele aus der Wirtschaft, Heidelberg 1989, S. 15.

132

C. Ziele und Funktionen

Bei der Gliederung nach Funktionen bezieht sich die Datenverwaltung sowohl auf die Produktionsplanung als auch die Produktionssteuerung, die zusammen die beiden Hauptbereiche des Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssystems (PPS-Systems) bilden. Der Produktionsplanung sind die Funktionen der Produktionsprogrammplanung, der Mengenplanung sowie die Termin- und Kapazitätsplanung 144 zuzuordnen. Die Produktionssteuerung befaßt sich mit der Auftragsveranlassung und der Auftragsüberwachung (siehe Abbildung C.3). 1 4 5 Die Inhalte und Zusammenhänge dieser Funktionen sind im folgenden genauer zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, daß die gewählte Abfolge der einzelnen Funktionen nicht allgemeingültig ist, sondern in Abhängigkeit vom Produktionstyp variiert. Beispielsweise wird bei Großprojekten in der Baustellenfertigung vor der Mengenplanung zuerst eine Terminplanung erfolgen, während im Maschinenbau als erstes eine Mengenplanung und eine Bildung von Fertigungsaufträgen notwendig i s t . 1 4 6 Die Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung bezieht sich daher überwiegend auf den Maschinenbau, bei dem hauptsächlich der Leistungswiederholungstyp der Serienfertigung und der Organisationstyp der Werkstattfertigung anzutreffen ist, weil für diese Typen die herkömmlichen Konzepte entwickelt wurden. Daher kann auch die Darstellung und Zuordnung der einzelnen Funktionen zur Produktionsplanung oder Produktionssteuerung in diesem Kapitel keine Allgemeingültigkeit besitzen. Aufbauend auf der Produktionsprogrammplanung, die das Produktionsprogramm einer Periode (oft monatsweise) grob festlegt, werden die einzeln zu beschreibenden folgenden Funktionen sukzessive durchlaufen. Dabei wird die Planung zunehmend konkreter und kurzfristiger. Bis zu Beginn der Fertigung werden in den Steuerungsfunktionen die Aufträge tagesgenau auf ganz bestimmte Maschinen und Maschinengruppen eingelastet. Hierbei spielt die Datenverwaltungsfunktion eine wichtige Rolle, weil sie die Informationen für die einzelnen Planungsschritte und Steuerungsmaßnahmen bereitstellt.

144

Gutenberg nennt diese Funktionen Prozeß- und Bereitstellungsplanung. Vgl. Guten-

berg, Produktion, 18. Aufl., S. 171 ff. / 199 ff. Vgl. u.a. Glaser / Geiger / Rohde, S. 2 ff. Z u den Besonderheiten der Produktionsplanung und Produktionssteuerung bei be-

146

stimmten Industriebetriebstypen siehe Kap. E.

Unterstützungsfunktion:

Funktionen im Beschafliingsbereich

Funktionen im Fertigungsbereich:

Funktionsgruppen:

Teilgebiete:

*

Ablaiifriclming der Planung und Steuerung der Produktion

Abbildung C.3: Die Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung

*

*—

-Qualitätsprüfling

-Erstellung -Pflege von Struktur- und -Verwaltung und Stammdaten Bereitstellung -

-—Datenverwaltung

Auftragsüberwachung

"""""""

-terminüberwachung

-Wareneingangs-

-Verfügbarkeitsprüfung -Werkstattauftrags-Feinterminierung und fortschrittserfassung maschinenbezogene -Mengenüberwachung Reihenfolgeplanung -Terminüberwachung -Werkstattauftrags-Qualitätsprüfung -Kundenauftragsbezug -Belegerstellung -Arbeitsverteilung -Bereitstellung von Werkzeugen und Werkstoffe n

- B est ell au ft ragsfreigäbe erfassung -Bestellmengen- und

-Durchlaufterminierung -Kapazitätsbedarfsermittlung -Kapazitätsangebotsfreigäbe -Kapazitätsabstimmung -grobe Reihenfolgeplanung

^

Auftragsveranlassung

±

| Produktionssteuerung"~| Termin- und Kapazitätsplanung

^

-Beschaffungsrechnung -Bestellauftragsbildung -Bestellschreibung

-Bedarfsermittlung -Bestandsrechnung -Losgrößenbildung -Werkstattauftragsbildung ermittlung

Symbolik:

-grobe Beschafliingsrechnung -Lieferantenauswahl -Eigenfertigung/ Fremdbezug

-Prognoserechnung -Grobplanung -Lieferterminbestimmung -Vorlaufsteuerung -KundenauftragsVerwaltung

Mengenplanung

±

| Produktionsplanung

Produktionsprogrammplanung

^^^

Mittel- bis kurzfristige Produktionsplanung und -Steuerung

II. Notwendige Funktionen 133

134

C. Ziele und Funktionen

aa) Die Datenverwaltung Die Datenverwaltung wird von den beiden anderen Teilbereichen des PPS-Systems, der Produktionsplanung und der Produktionssteuerung, in Anspruch genommen. Ihre Aufgaben bestehen in der Erstellung von Struktur· und Stammdaten, in der Verwaltung, Verarbeitung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten. Die Struktur- und Stammdaten liefern Informationen über die Erzeugnisse, die Kunden, die Betriebsmittel, die verwendeten Technologien und Materialien, Lagerbestände, Planzeiten und Arbeitskräfte. 1 4 7 Bei den Strukturdaten lassen sich insbesondere die Erzeugnis- und Arbeitsgangstrukturdaten anführen. Die Strukturdaten zeigen dabei die Beziehungen zwischen den einzelnen Stammdaten auf. In den Erzeugnisstrukturdaten werden die Beziehungen zwischen den einzelnen Bestandteilen eines Erzeugnisses abgebildet, indem die verschiedenen Stücklistenarten oder Teileverwendungsnachweise wiedergegeben werden. 1 4 8 Beispielsweise enthalten die Stücklistenstrukturdaten Angaben über die stoffliche Zusammensetzung der Produkte. Die Arbeitsgangstrukturdaten bilden die in den Arbeitsplänen enthaltenen Beziehungen zwischen den Arbeitsgängen und Arbeitsplätzen. 149 Die in Datensätzen gespeicherten Stammdaten können erstens nach auftragsabhängigen und auftragsunabhängigen Stammdaten gegliedert werden. Dies hat den Vorteil, daß die auftragsabhängigen Daten entweder nach Beendigung des Auftrages wieder gelöscht werden können. Oder es wird von vornherein auf den Aufbau umfangreicher Dateien für die auftragsabhängigen Daten verzichtet. Zweitens können die Stammdaten nach Herkunft der Daten in Teilestammdaten, Produktionsstammdaten, Verkaufsund Beschaffungsstammdaten unterteilt werden. Während die Teilestammdaten Informationen über die Produkte und deren Elemente enthalten, sind in den Produktionsstammdaten die Arbeitsplan- und Arbeitsplatzdaten sowie Daten über die Betriebsmittel gespeichert. 150 Schließlich können im Rahmen der Stammdaten noch Verkaufs- und Beschaffungsstammdaten

147

Vgl. Hübner, H.: Informationsmanagement, Strategie - Gestaltung - Instrumente, München / Wien 1984, S. 190. 14Î 1

149

150 150

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 13 f. Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 32. Vgl. Glaser, Programmkomplexe, S. 954.

II. Notwendige Funktionen

135

aufgeführt werden. Darunter sind Kunden- und Lieferanteninformationen abgespeichert. 151 Die gesamten Erzeugnisdaten setzen sich aus den Erzeugnisstruktur- und den Erzeugnisstammdaten zusammen. Für die Erstellung der Erzeugnisdaten in Form von Stücklistenstruktur- und Teilestammdaten sind die Produktionsbereiche Konstruktion und Arbeitsplanung zuständig. Die Produktionsdaten hingegen werden aus den Arbeitsgangstrukturdaten und den Produktionsstammdaten gebildet, für die die Produktions- und Arbeitsplanung zuständig sind. Die Datenverarbeitung und -aufbereitung als weitere Aufgaben der Datenverwaltung sind dafür verantwortlich, daß die jeweils benötigten Daten zweckgerecht geordnet, gegebenenfalls verknüpft und bei Veränderungen angepaßt werden. Darüber hinaus zeigen die beiden Aufgaben Rationalisierungspotentiale auf. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, anhand von Sachnummern Gegenstände durch Verwendung einer einheitlichen Systematik rasch zu identifizieren, wodurch eine einfache Erfassung von Wiederholteilen und eine Teilefamilienbildung möglich wird. Voraussetzung für Rationalisierungserfolge ist aber eine vollständige, fehlerfreie und zweckgerechte Speicherung der Daten. 1 5 2 Die Datenerfassung und -Verwaltung erfolgt mit Hilfsmitteln, die sich in konventionelle und EDV-gestützte Hilfsmittel unterscheiden lassen. In der Praxis werden oft Kombinationen dieser Hilfsmittel eingesetzt. Von den nicht-EDV-gestützten Hilfsmitteln dienen zur Informationserfassung insbesondere Blätter, Karteikarten und Mikrofilme. Der Informationstransport wird meist durch Boten, Funk- und Wechselsprechanlagen sowie Datenübertragungsgeräte bewerkstelligt. Zur Informationsspeicherung werden Registriersysteme - zum Beispiel Karteien - und zur Verarbeitung werden Plantafeln, oft innerhalb von Leitständen, eingesetzt. Die Informationsausgabe erfolgt häufig durch Vervielfältigungsmaschinen oder durch Mikrofiche-Lesegeräte. 153 Hauptbestandteil eines EDV-Systems, also eines programmgestützten Hilfsmittels ist der Prozessor, zusammengesetzt aus Rechenwerk und Leit151

Vgl. Schneeweiß, S. 241.

152

Vgl. Ellinger,

T h / Wildemann,

H.: Schriftenreihe "Produktionsplanung und Produkti-

onssteuerung", Merkblatt 3, Systemalternativen und Einflußgrößen in der Produktionsplanung und Produktionssteuerung, 2. Aufl., Eschborn 1980, S. 11. 153

Vgl. hierzu im einzelnen Hackstein, S. 36 ff.

136

C. Ziele und Funktionen

werk, sowie der Hauptspeicher. Weiterhin kommen periphäre Geräte wie zum Beispiel weitere Speicher, Ein- und Ausgabegeräte, Drucker, Bildschirmgeräte, Kartenleser und Disketten, die über Kanäle und Steuereinheiten mit der Zentraleinheit verbunden sind, als Unterstützung zur Informationserfassung, -Verarbeitung, -speicherung und -weitergäbe zum Einsatz. Die EDV-Systeme unterstützen nicht nur die Datenerfassung und -Verwaltung, sondern erleichtern auch mit Hilfe von Software, in Form von Übersetzungs- und Rechenprogrammen, die übrigen Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung. In der Praxis werden beim Einsatz großer EDV-Anlagen die Daten oft zentral in einer Betriebsdatenerfassungszentrale gespeichert. Diese stellt die erforderlichen Daten für betriebliche Planungs- und Steuerungszwecke zur Verfügung. Auch dezentrale Netzverbunde von Personalcomputern sowie einzelne Personalcomputer befinden sich infolge der zunehmenden Dezentralisierung der Aufgaben zur Produktionsplanung und -Steuerung im Einsatz. 1 5 4 Die Bereitstellung der Daten als weitere Unterfunktion der Datenverwaltung erfolgt durch Stücklisten oder Rezepturen sowie durch Arbeitspläne. Hierbei können aus der Urstückliste Material-, Fertigungs- und Terminstücklisten herausgefiltert werden. Die Urstückliste wiederum wird aus der Konstruktionszeichnung abgeleitet. Ein Arbeitsplan enthält die Arbeitsgänge in technisch bedingter Reihenfolge sowie die Angabe der zugehörigen Kostenstelle, die benötigten Maschinen, die Arbeitskräfte, nach Lohngruppen gegliedert, die Werkzeuge und Materialien sowie die Standardzeiten jedes Arbeitsgangs. Arbeitspläne werden in verschiedenen Abteilungen benötigt. Beispielsweise verwendet die Arbeitsvorbereitung die Arbeitsplanung zur Ermittlung von Zeitvorgaben, die Produktionsabteilung als Montageplan, die Kostenrechnung entnimmt ihnen Informationen zur Planung von Kostenstellenkosten und die Terminplanung verwendet die geplanten Arbeitsgangzeiten zur Durchlaufzeitermittlung. 15 Die Daten werden der Produktionsplanung und der Produktionssteuerung bereitgestellt, mit deren Hilfe im folgenden die Aufträge gebildet und eingeplant werden.

bb) Die Produktionsplanungsfunktionen Die Produktionsplanung hat die Aufgabe, den Produktionsablauf möglichst in der Art zu planen, daß alle Teile eines Fertigungserzeugnisses oder 154 155

Vgl. hierzu im einzelnen Hackstein, S. 57 ff. Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 342, 456.

II. Notwendige Funktionen

137

eines ganzen Fertigungsauftrags gleichzeitig und spätestens zum festgelegten Auslieferungstermin erstellt und / oder montiert werden. 1 5 6 Zur Erfüllung dieser Planungsaufgabe werden in einem PPS-System nacheinander die Funktionen Produktionsprogramm-, Mengen- und Termin· und Kapazitätsplanung durchlaufen.

(1) Die Produktionsprogrammplanung Unter Berücksichtigung der feststehenden langfristigen Produktionsprogrammplanung, in der die Betriebsmittelausstattung und die langfristige Produktionsliste festgelegt ist, wird in der kurz- bis mittelfristigen Produktionsprogrammplanung die Planung des Produktionsprozesses und der dazu benötigten Produktionsfaktoren durchgeführt. Ein Produktionsprogramm ist eine für längere Zeit geltende Aufstellung der zu produzierenden Erzeugnisse. In der mittel- bis kurzfristigen Produktionsprogrammplanung als erste Funktion eines PPS-Systems werden unter Berücksichtigung der Absatzprogramme, der langfristigen Kapazitätspläne und der Beschaffungsmarktgegebenheiten grobe Angaben über die zukünftige Produktion gemacht. 15 Dies geschieht durch Bestimmung des Primärbedarfs, der die Zahl der zum Verkauf bestimmten Fertigerzeugnisse oder Ersatzteile ohne genaue Variantenspezifikation angibt. Die Bestimmung des Primärbedarfs erfolgt deterministisch aus den Kundenaufträgen und den internen Aufträgen oder bedarfsorientiert. 1 5 8 Die bedarfsorientierte Mengenbestimmung ist eine stochastische Methode. Der Bedarf an Erzeugnissen wird dabei anhand von Prognoserechnungen, die auf Basis von Vergangenheitswerten durchgeführt werden, ermittelt. Die bekanntesten Prognoserechnungen sind die Methoden der Mittelwertrechnung, der Regressionsanalyse und der exponentiellen Glättung. Aus dem Primärbedarf kann in der folgenden Funktion "Mengenplanung" der Sekundärbedarf, zum Beispiel aus Teilestammdateien oder Stücklisten, abgeleitet werden. Weiterhin erfolgt innerhalb der Funktion Produktionsprogrammplanung eine grobe Kapazitäts- und Terminplanung, die in einem Kapazitätsbelegungsplan beziehungsweise im Terminplan festgehalten werden. Hierbei handelt es sich um eine Planung der Eck- und Endtermine der gesamten Aufträge und um eine grobe und in aggregierter Form vollzogene Abstim156

Vgl. Beste, Produktionsplanung, S. 352.

157

Vgl. Refa (Hrsg.), Teil 3, Steuerung, S. 24. Es handelt sich hierbei meistens um eine

monatsweise unterteilte Planung. 158 Vgl. Kurrle, S. 63 und Hackstein, S. 10 f.

138

C. Ziele und Funktionen

mung mit den vorhandenen Kapazitäten. 159 Als letzte Aufgabe hat die Produktionsprogrammplanung eine Vorlaufsteuerung der Konstruktion und der Arbeitsplanung einzuleiten. Diese beiden Bereiche sind der auftragsorientierten Planung und Steuerung der Produktion vorgelagert. Zumeist ist die Produktionsprogrammplanung stark aggregiert, und sie wird monatsgenau oder quartalsweise im Sinne einer rollierenden Planung für einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren durchgeführt. 160 Je länger der Planungshorizont gewählt wird, desto mehr müssen die Aufträge prognostiziert werden und ist eine vorausschauende Planung erschwert. Andererseits gilt: Je kürzer der Zeitraum bis zum Fertigungsbeginn ist, desto mehr sind Kundenaufträge schon eingegangen, die Planung vereinfacht, dafür aber der Gestaltungsspielraum bereits eingeengt. Zwischen den Planwerten und den tatsächlichen Kundenaufträgen muß als Folge eines längerfristigeren Planungszeitraumes ein Abgleich stattfinden, weil sonst mit falschen oder veralteten Planwerten in den nächsten Stufen des PPS-Systems weitergeplant wird und unter Umständen falsche Mengen zu nicht benötigten Zeitpunkten produziert werden. Findet ein solcher Abgleich nicht oder nur unzureichend statt, ist die Gefahr hoch, daß bereits vor Beginn der Fertigung der Plandurchlauf veraltet und ein Neuaufwurf der gesamten Planung erforderlich ist. Die Produktionsprogrammplanung bezieht nicht nur die Meldungen der eingegangenen Kundenaufträge für die Planung der Primärbedarfe mit ein, sondern sie muß in gleicher Weise die noch offenen Planaufträge an die Kundenauftragsabwicklung mitteilen, damit für diese noch Kundenaufträge aquiriert werden können. 1 1 Damit bleibt festzuhalten, daß die Produktionsprogrammplanung die Aufgabe der Vorplanung hat. Eine Konkretisierung der dabei erstellten Vorgaben erfolgt in der Feinplanung, die in den weiteren Funktionen eines PPS-Systems stattfindet.

159

Vgl. Heß-Kinzer, D.: Termingrobplanung, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 1980. 160

Vgl. Schneeweiß, S. 122 f.

161

Vgl. Kurrle, S. 63.

II. Notwendige Funktionen

139

(2) Die Mengenplanung Die Mengenplanung ist kommt dort bevorzugt zum Einsatz, wo eine große Anzahl verschiedener Produkte erzeugt oder ausgesprochen wertvolle Ressourcen verwendet werden. Ziel der Mengenplanung ist die mengen- und termingerechte Materialbereitstellung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen und Baugruppen unfertiger Erzeugnisse. Hierzu werden unter Berücksichtigung der festgelegten Produktionsprogramme, in denen die aggregierten Primärbedarfe ermittelt werden, die bereitzustellenden Sekundärbedarfe an Materialien deterministisch mit Hilfe der Stücklistenauflösung für einen vorgegebenen Zeitrahmen festgestellt. 162 Unter dem Sekundärbedarf sind die Mengen an Baugruppen, Einzelteilen und Rohmaterialien, aus denen der Primärbedarf zusammengebaut ist, zu verstehen. 163 Weiterhin wird in der Mengenplanung der Tertiärbedarf zumeist stochastisch geplant. Der Tertiärbedarf gibt den Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen sowie von Verschleißwerkzeugen a n . 1 6 4 Primär-, Sekundär- und Tertiärbedarfe bilden die Bruttobedarfe einer Periode. Bei der Bruttobedarfsermittlung werden die Mengen aus dem direkten Primärbedarf, wie zum Beispiel den direkt vertriebenen Ersatzteilen, und den Sekundärbedarfen gewonnen. Der Bruttobedarf gibt den Gesamtbedarf an Erzeugnissen, Teilen und Baugruppen einer Periode an und wird durch die deterministische Bedarfsermittlung oder durch die stochastische Bedarfsschätzung festgestellt. 165 I m Fall der deterministischen Bedarfsermittlung handelt es sich um ein programmorientiertes Verfahren mit analytischer oder synthetischer Vorgehensweise. 166 Bei dem analytischen Verfahren wird aus dem Enderzeugnis 162 Die Stücklistenauflösung erfolgt stufenweise vom Endprodukt über die Baugruppen bis zur untersten Dispositionsstufe. Dabei ist zu berücksichtigen, daß zur Produktion der Baugruppen, die wiederum zur Erstellung der Primärbedarfe benötigt werden, eine ausreichende Vorlaufzeit eingeplant wird. A n dieser Stelle ist eine Abstimmung zwischen Mengen- und Terminplanung notwendig. Vgl. Kilger, W.: Industriebetriebslehre, Bd. 1, Wiesbaden 1986, S. 309. 163 Vgl. Refa (Hrsg.): Methodenlehre der Planung und Steuerung, Teil 2, Planung, München 1974 / 75, S. 174.

164

Vgl. Steinbuch, P.A. / Olfert, K.: Fertigungswirtschaft, Kompendium der praktischen Betriebswirtschaftslehre, 4., Überarb. und erw. Aufl., Ludwigshafen 1989, S. 293. 165 Vgl. Hoitsch, H.J.: Produktionswirtschaft, Grundlagen einer industriellen Betriebswirtschaftslehre, 2., völlig überarb. und erw. Aufl., München 1993, S. 355. 166 Vgl. hierzu Golle, H.: So optimieren Sie Ihre Materialwirtschaft, Leitfaden für Praktiker, Köln 1991, S. 82 ff.; Hoitsch, S. 366 ff.

140

C. Ziele und Funktionen

die Stückliste schrittweise aufgelöst und aus ihr die für ein Erzeugnis benötigten Einsatzteile gewonnen. Die synthetische Bedarfsermittlung vollzieht sich mit Hilfe von Teileverwendungsnachweisen in umgekehrter Weise von den benötigten Einsatzstoffen zu den zu produzierenden Enderzeugnissen. Für beide Vorgehensweisen sind eine gut organisierte Datenverwaltung sowie verschiedene Arten an Stücklisten und Teileverwendungsnachweisen, wie zum Beispiel Termin-, Fertigungs- und Materialstücklisten oder Mengenübersichts-, Struktur- und Baukastenteileverwendungsnachweise, von Vorteil.167 Das Verfahren der stochastischen Bedarfsschätzung kann sowohl Verbrauchs· als auch erwartungsorientiert erfolgen. Es ist insbesondere bei kleinwertigen Teilen mit gleichbleibendem Bedarf sinnvoll. Bei der verbrauchsorientierten Bedarfsschätzung wird der Bedarf anhand von vergangenheitsorientierten Statistiken und Methoden, wie zum Beispiel der Mittelwertbildung, der gleitenden und gewogenen Mittelwertbildung und dem Verfahren der exponentiellen Glättung, bestimmt. 1 6 8 Die stochastische Planung ist bei der Ermittlung des Tertiärbedarfs ratsam, da es sich bei diesen Stoffen meist um geringwertige Einsatzfaktoren handelt, für die ein gleichbleibender Bedarf unterstellt wird. Für welche Einsatzteile im Einzelfall eine stochastische oder deterministische Bedarfsermittlung vorzuziehen ist, kann mit Hilfe der ABC-Analyse geklärt werden. 1 6 9 Eine stochastische Bedarfsermittlung ist dabei für C-Teile, teilweise für B-Teile empfehlenswert. Für die Ermittlung des Sekundär- und Tertiärbedarfes werden bei Fremdbezug Bestellungen getätigt oder bei Eigenfertigung Fertigungsaufträge ausgegeben. Bevor ein Fertigungsauftrag gebildet wird, ist die Verfügbarkeit von benötigten Einsatzstoffen festzustellen. Bei Verfügbarkeit der Teile werden diese für bestimmte Primärbedarfe reserviert. Zuvor sind aber noch die zu bestellenden und produzierenden Mengen zu bestimmen. Innerhalb der Mengenplanung werden aus den Bruttobedarfen die Nettobedarfe an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Teilen und Baugruppen 167 Z u den verschiedenen Stücklisten und Teileverwendungsnachweise, die in einem PPSSystem eingesetzt werden, vgl. Reichwald / Sievi, S. 382 ff. Als weiteres Hilfsmittel dient bei der Mengenplanung der Herstellungsplan, der die Beschreibung des Erzeugnisses, seiner Teile sowie die maximalen Verzehrsmengen an Stoffen und Kräften angibt. Der Herstellungsplan ist damit für die Kostenplanung und die Mengenplanung von Bedeutung. Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 204. 168

169

Vgl .Hoitsch, S. 372 ff. Z u r Bedarfsermittlung beim Sekundär- und Tertiärbedarf siehe z.B. Czap, H.: Produk-

tionsplanung und Produktionssteuerung im Wandel, V o m klassischen System der PPS hin zu einem modernen Computer-Integrated-Manufacturing (CIM)-Konzept, in: WiSt, 20 Jg. 1991, S. 486; siehe auch Refa (Hrsg.), Teil 2, Planung, S. 174 ff.

II. Notwendige Funktionen

141

zu einem bestimmten Termin abgeleitet. Der Nettobedarf gibt die tatsächlich zu produzierende Menge bei Eigenfertigung oder die wirklich zu beschaffende Menge bei Fremdbezug an und wird aus dem Bruttobedarf unter Berücksichtigung des verfügbaren Lagerbestandes ermittelt. 1 7 0 Hierzu wird der Bruttobedarf in einem ersten Schritt um Mehrverbrauchszuschläge, basierend auf Erfahrungswerten, ergänzt. Es handelt sich beispielsweise um Prozentzuschläge für Ausschuß, der bei Umrüstprozessen anfällt, oder für bestimmte Sonderbedarfe, wie zum Beispiel den Bedarf für Forschungszwecke. In einem zweiten Schritt wird der modifizierte Bruttobedarf um den verfügbaren Bestand vermindert. Hieraus ergibt sich der Nettobedarf, der die insgesamt zu produzierenden Mengen anzeigt. Der verfügbare Bestand einer Arbeitswoche ergibt sich aus dem tatsächlichen, nicht reservierten Lagerbestand zuzüglich den zukommenden Beständen aus offenen Betriebsaufträgen und abzüglich des Sicherheitsbestandes. 171 Ist ein verfügbarer Bestand vorhanden, wird dieser für die Fertigungsaufträge reserviert. Bei der Prüfung des Lagerbestandes wird bei Unterschreiten eines bestimmten Mindestlagerbestandes eine bestimmte Losgröße für die Bestellung vorgeschlagen und der Bestellvorgang eingeleitet. Die aus Bedarfsschätzungen und Kundenaufträgen resultierenden Nettobedarfe der Produktion und Bestellung werden im folgenden durch Bildung von Losgrößen in Bestell- und Fertigungsaufträge umgewandelt. Die Losgrößenbildung ist dort besonders erforderlich, wo die Fertigung und Beschaffung nicht bedarfssynchron erfolgt, was bis auf den Fall der Just-intime-Produktion nicht gegeben ist. 1 7 2 Eine Fertigungslosgröße wird durch die Zahl der produzierten Einheiten auf einer Kapazitätseinheit bestimmt, ohne daß ein Umrüstvorgang die Fertigung unterbricht. U m die Rüstkosten pro Produktionseinheit gering zu halten, sollte die Losgröße möglichst groß gewählt werden. Dies hat im Fall der Vollbeschäftigung aber zur Folge, daß meist die Wartezeiten sich verlängern und damit die Durchlaufzeiten und die Zwischenlagerkosten ansteigen. Bei der Wahl der Losgröße ist also mithin ein Zielkonflikt zu bewältigen. 173 In Theorie und Praxis werden verschiedene Vorschläge zur Losgrößenbildung und damit zur Lösung dieses Zielkonfliktes angeführt. Die bekannteste ist die Andler'sche Formel zur Bildung einer unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimalen Losgröße, bei der die optimale Losgröße über die Minimierung der Gesamtkosten be170

Vgl. Hoitsch, S. 360.

171

Vgl. Schneeweiß, S. 181.

172

Vgl. Beste, Zwischenlager, S. 88. Die Losgröße eines perfekten Just-in-time-Systems wäre eine Mengeneinheit. Vgl. Jeziorek, O.: Lean Production - Vergleich mit anderen Konzepten zur Produktionsplanung und -Steuerung, Braunschweig / Wiesbaden 1994, S. 24. 173 Vgl .Koffler, S. 47.

142

C. Ziele und Funktionen

stimmt w i r d . 1 7 4 Als weiteres Beispiel für ein Optimierungsmodell sei ein dynamisches Losgrößenbildungsverfahren nach Wagner und Within angeführt. 1 7 5 Weil die Ermittlung einer optimalen Losgröße in der Praxis wegen der Ungenauigkeit der zu Verfügung stehenden Daten und einer Vielzahl zu berücksichtigender Nebenbedingungen, wie zum Beispiel Kapazitätsbeschränkungen, nur schwer möglich ist, werden dort vereinfachende Methoden zur Losgrößenermittlung eingesetzt. Hierbei ist freilich zu beachten, daß eine Abweichung von der optimalen Losgröße nach Andler nicht zur Kostenminimierung führt. Ein weiterer bekanntester Typus an Losgrößen ist die Richtlosgröße, bei der immer bei Bedarf einer bestimmten Mindestmenge eine Losgröße aufgelegt wird. Diese Losgrößenbildung bietet sich insbesondere bei Chargenfertigung an. Andere Typen sind die Eindeckzeitlosgröße, bei der ein Teil oder eine Baugruppe für eine bestimmte Zeit als Vorrat produziert wird, und die "Los für Los" Losgröße, wo der jeweilige Nettobedarf einer Periode als Fertigungsauftrag zusammengefaßt wird. 6 I n diesem Fall erfolgt die Fertigung weitgehend bedarfssynchron. Neben diesen auf Mengen basierenden Heuristiken kommen in der Praxis noch das Stückkostenverfahren oder das Kostenausgleichsverfahren zur Anwendung. 1 7 7 Nach Ermittlung der Fertigungslose werden vorläufige Betriebsaufträge erteilt, wobei die Vorlaufzeiten der Vorprodukte zu berücksichtigen sind. Diese Betriebsaufträge werden noch nicht den Betriebsmittelgruppen zugeteilt, da bis dahin keine Kapazitätsprüfung stattgefunden hat. Diese erfolgt erst bei der Termin- und Kapazitätsplanung. Durch die Mengenplanung werden neben der Fertigungsauftragsbildung die Beschaffungsvorgänge mit der Beschaffungsrechnung und der Lieferantenauswahl eingeleitet. Die Beschaffungsvorgänge werden dann innerhalb der Produktionssteuerung durch die Bestandsführung, mittels derer die Lagerzu- und Lagerabgänge zu erfassen sind sowie die per Inventur ermit-

174

Vgl. Andler, K.: Rationalisierung der Fabrikation und optimale Losgröße, München 1929, S. 48 ff. Es handelt sich bei diesem Grundmodell um ein statisches Verfahren. Z u r Losgrößenoptimierung vgl. auch Oberhoff, W.D.: Integrierte Produktionsplanung, Deterministische Entscheidungsmodelle zur Planung optimaler Losgrößen und des optimalen Produktionsprogrammes, Bochum 1975, S. 41 ff. Vgl. Wagner , H.M.: Principles of Operations Research with Applications to Managerial Decisions, 2nd Ed., London 1975, S. 314 / 350 und Wagner, H.M. / Within , T.M.: Dynamic Version of the Economic Lot Size Model, in: Management Science, Vol. 5 1958, S. 89 ff. 176 177

Vgl. Schneeweiß, S. 184 f.

Vgl. hierzu Glaser, H.: Computergestützte Verfahren der Materialdisposition, in: WiSu, 16. Jg. 1986, S. 490 ff.

II. Notwendige Funktionen

143

telten Lagerbestände fortzuschreiben sind, und durch die Bestellschreibung und -Überwachung weiter verfolgt. Bei der Beschaffungsrechnung werden fremdbezogene Artikel zu optimalen Bestellmengen und -terminen unter Berücksichtigung der Kundenauftragstermine und Lagerkosten zusammengefaßt. Bei der Ermittlung der optimalen Bestellosgröße tritt das Problem auf, daß die Lagerhaltungskosten und die bestellfixen Kosten bei wachsender Bestellmenge gegensätzliche Kostenverläufe aufweisen. Eine Optimierung der Bestellmenge mittels Algorithmen weist neben der für die Praxis meist nicht gegebenen Voraussetzung eines kontinuierlichen Lagerabgangs die gleichen Probleme auf wie bei der Bestimmung der optimalen Losgröße. Deshalb sind für Bestellungen oft, insbesondere für B- oder C-Teile ebenfalls Heuristiken anzuwenden. Die Beschaffungsrechnung unterteilt sich in die Bestellmengen- und Bestellterminrechnung, wobei beide Rechnungen voneinander abhängig sind. Bei der Bestellmengenrechnung wird die Bestellosgröße festgelegt, bei der Bestellterminrechnung der Bestellzeitpunkt. Die Beschaffungsrechnung wird oft nach der Bestellpunkt- oder der Bestellrhythmusmethode durchgeführt, 1 7 8 wobei erstere aus der Bestellmengenrechnung hervorgeht und bei letzterer der Bestelltermin die entscheidende Variable darstellt. Anders das Bestellpunktverfahren: Hier wird der Lagerbestand bei jedem Lagerabgang oder in periodischen Abständen auf seine Mindestmenge hin überprüft. Die Unterschreitung der Mindestmenge löst eine Bestellung in gleichbleibenden Mengen aus. Diese Mindestmenge, der sogenannte Sicherheitsbestand, ist während der einmaligen Planung für einen längerfristigen Zeitraum festzulegen. Dabei ist zu beachten, daß ein zu hoher Sicherheitsbestand viel Kapital bindet, ein zu niedrig gewählter Sicherheitsbestand die Aufrechterhaltung der Produktion gefährden kann. Bei der Bestellrhythmusmethode sind dagegen die Bestellzeitpunkte festgelegt, während die Bestellmengen variieren. Zum Bestellzeitpunkt wird diejenige Materialmenge bestellt, die das Lager auf eine bestimmte Obergrenze auffüllt. Bei dieser Methode wird demnach weniger die optimale Bestellmenge bestimmt, sondern der langfristig festzulegende optimale Bestellrhythmus. 180

178

170

Vgl. Hoitsch, S. 415 ff. Vgl. Brief U. / Kittel, Th. / Speith, G.: PPS-Systeme auf dem Prüfstand, in: Arbeitsvor-

bereitung, 20. Jg. 1983, S. 71. 180 Vgl. Wicharz, S. 88 ff.

144

C. Ziele und Funktionen

Die Mengenplanung erfährt im Vergleich zur Produktionsprogrammplanung eine sachliche und zeitliche Disaggregation, indem die Sekundärbedarfe ermittelt werden und der Monatsbedarf auf den Wochenbedarf heruntergebrochen wird. Dabei werden die zu produzierenden Einheiten konkretisiert, weil schon die zu produzierenden Erzeugnistypen anzugeben sind. Beispielsweise werden in der Automobilindustrie in der Mengenplanung nicht nur die Primärbedarfe der jeweiligen Fahrzeugmarken angegeben, sondern auch die jeweilige Produktionszahl an Typen einer Marke. Wie die Produktionsprogrammplanung wird die Mengenplanung gleichfalls rollierend durchgeführt, wenn auch veränderte Primärbedarfe, die innerhalb der laufenden Periode festgestellt werden, die Mengenplanung nicht mehr beeinflussen.

(3) Die Termin- und Kapazitätsplanung In der Termin- und Kapazitätsplanung werden die in der Mengenplanung gebildeten Fertigungsaufträge unterteilt nach den jeweiligen Arbeitsgängen und Bearbeitungszeiten und zu bestimmten Terminen den verfügbaren Kapazitäten zugeordnet. 181 Als Ergebnis verbleiben die Arbeitsverteilungsvorschläge. Darüber hinaus wird die Auftragsreihenfolge an den einzelnen Maschinengruppen festgelegt. Hiernach findet ein Abgleich statt, ob genügend Kapazitäten vorhanden sind, und ob die Aufträge hinsichtlich ihres SollEndtermins fertiggestellt werden können. 1 8 2 Innerhalb der Termin- und Kapazitätsplanung sollen so verschiedenartige Zielsetzungen wie die Minimierung der Durchlaufzeiten und Bestände sowie die Maximierung der Kapazitätsauslastung und der Termintreue berücksichtigt werden. Bei der Termin- und Kapazitätsplanung handelt es sich um eine relativ grobe, wochenweise Zuordnung der Fertigungsaufträge zumeist nur auf Maschinengruppen. Eine detaillierte Einplanung der Aufträge auf ganz bestimmten Maschinen zu festen, tages- oder stundengenauen Zeitpunkten erfolgt oft erst bei der Auftragsfreigabe. Die Grenzen zwischen Planung und Steuerung sind von der Fristigkeit abhängig und fließend. Beispielsweise rechnet Glaser diese Feinterminierung als letzten Planungsschritt noch zur Planung, während Hackstein und Zäpfel die Feinterminierung der Steuerung zuordnen. 1 8 3 Obwohl die Einteilung von nachgeordneter Bedeutung ist, weil es sich hier um eine Überlappung zwischen Planung und gegen181 182

183

S. 194.

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 136. Vgl. Hackstein, S. 176 ff. Vgl. Glaser, Programmkomplexe, S. 956; Hackstein,

S. 13 und Zäpfel, Strategisches,

II. Notwendige Funktionen

145

wartsbezogener Steuerung handelt, setzt sich die Zuordnung der Feinterminierung zur Fertigungssteuerung durch, da die neueren Verfahren, die an der Funktion Feinterminierung ansetzen, wie zum Beispiel das Verfahren der belastungsorientierten Auftragsfreigabe, als "neuere Verfahren der Fertigungssteuerung" bezeichnet werden. 1 Bei einer Zuordnung der Feinterminierung zur Planung oder Steuerung ist zu beachten, ob die Feinplanung zentral von einer übergeordneten Abteilung oder dezentral vom Meister der Produktionsabteilung durchgeführt wird. Im ersten Fall ist sie der Planung zugeordnet, im zweiten Fall wird die Feinterminierung erst mit Beginn oder kurz vor der Fertigung vorgenommen, so daß es sich weitgehend um Steuerungsaktivitäten handelt. I m ersten Schritt der Funktion Termin- und Kapazitätsplanung hat die Durchlaufterminierung die Aufgabe, unter Berücksichtigung der Kundenauftragstermine die Start-, End- und Durchlaufzeiten der Produktion festzulegen, die Aufträge den Betriebsmittelgruppen zuzuordnen und Ablaufpläne zu erstellen. Kapazitätsbeschränkungen werden dabei noch nicht berücksichtigt. 185 Die Durchlaufzeiten werden mit Hilfe von standardisierten Durchlaufzeiten anhand der aus den Arbeitsplänen ersichtlichen Dauer für die einzelnen Arbeitsgänge ermittelt. 1 8 6 Dort sind die Stückbearbeitungszeiten ergänzt um die Erhol- und Verteilzeiten der Arbeiter angegeben, 8 7 die anhand von messenden, orientierenden Zeitaufnahmen 188 , zum Beispiel durch Refa-Mitarbeiter, und rechnenden Systemen vorbestimmter Zeiten, wie etwa dem Work-Faktor oder dem MTM-Verfahren, festgelegt wurden. 1 8 9 Der Einsatz der rechnenden Verfahren eignet sich wegen des hohen Aufwandes nur in der Serien- oder Massenfertigung. Die Bearbeitungszeiten für die einzelnen Arbeitsgänge werden aufsummiert, und es werden

184

Vgl. Wiendahl , H.P.: Belastungsorientierte Fertigungssteuerung, Grundlagen, Verfahrensaufbau, Realisierung, München / Wien 1987, S. 42 f. / 320 ff. 185 Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 136. 186

187

Vgl.Kurrle, S. 67. Z u r Zeitgliederung vgl. Refa, Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation

e.V. (Hrsg.): Methodenlehre des Arbeitsstudiums, Teil 2, Datenermittlung, München 1978, S. 42 188ff. Z u den Zeitaufnahmeverfahren vgl. Refa, Arbeitsstudium, Teil 2, S. 79 ff. und Kirchner, S.: Vorgabezeitermittlung mit Zeitaufnahmeverfahren, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart189 1979, Sp. 2209 ff. Z u derartigen Verfahren vgl. Brink, H.J. / Fabry , P.: Die Systeme vorbestimmter Zeiten und ihre Bedeutung für die betriebliche Planung in deutschen Unternehmen, in ZfB, 40. Jg. 1970, S. 535 ff.; Quick, J.H. / Duncan, J.H. / Malcom, 5Λ.: Das Work-Faktor-Buch, Ein System vorbestimmter Zeiten zur Arbeitsermittlung und Arbeitsgestaltung, München 1965, 26 ff. und 37 ff.; Brink, H.J.: Vorgabezeitermittlung mit Systemen vorbestimmter Zeiten, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 2188 ff. 10 Schwarzmaier

146

C. Ziele und Funktionen

durchschnittliche Zuschläge für Warte-, Transport-, Kontroll- und Liegezeiten hinzugerechnet, wobei der Liegezeit meist der größte Anteil zukommt. Der Ablauf für einen Auftrag wird häufig in Netzplänen, Strukturplänen oder Balkendiagrammen abgebildet, wodurch vorläufige Start- und Endtermine von allen Aufträgen ersichtlich werden. 1 9 0 Start- und Endtermine der Fertigung lassen sich nach der Vorwärts- und der Rückwärtsterminierung errechnen. 191 Bei der Rückwärtsterminierung wird ausgehend vom letzten Arbeitsgang der spätmöglichste Startzeitpunkt ermittelt, mit dem Nachteil, daß schon die kleinste Produktionsverzögerung die Gefahr einer Nichteinhaltung des Auftragstermins nach sich zieht. Daher ist zusätzlich zu dieser Methode eine Vorwärtsterminierung, das heißt eine Einplanung des Auftrags zum frühest möglichen Startzeitpunkt auf die Betriebsmittel, vorzunehmen. Anhand dieser Methode kann der frühest mögliche Liefertermin ermittelt werden. Als Nachteil der Vorwärtsterminierung ist eine hohe Kapitalbindung in Kauf zu nehmen. Bei Einsatz sowohl der Rückwärts- als auch der Vorwärtsterminierung ist das Vorhandensein von Pufferzeiten innerhalb des Fertigungslaufes erkennbar, die in der Produktion eine wertvolle Hilfe für Steuerungsmaßnahmen sein können. Bei der retrograden Terminierung kann eine zusätzliche Pufferzeit zwischen dem Gegenwartsdatum und dem geplanten Fertigungsbeginn entstehen. I m Rahmen der progressiven Terminierung kann eine Pufferzeit zwischen dem geplanten Fertigstellungstermin und dem Liefertermin auftreten. Bei kombiniertem Einsatz beider Verfahren sind sowohl der Puffer hinsichtlich des Fertigungsbeginns als auch der am Fertigungsende erkennbar. Neben den Start- und Endterminen werden auch die jeweiligen Ankunfts- und Endzeiten an den durch den Auftrag benötigten Bearbeitungsstationen sichtbar, so daß innerhalb der Pläne Orte und Zeiten der Aufträge festgelegt sind. Wird aus den Terminplänen ersichtlich, daß bereits bei der Durchlaufterminierung die Auftragstermine nicht mehr eingehalten werden können, sind geeignete Maßnahmen zur Verkürzung der Durchlaufzeiten, wie zum Beispiel die Übergangszeitreduktion, das Splitten von Auftrag oder Arbeitsgang sowie Überlappen der Aufträge, oder Maßnahmen zum Ausweichen und Vorverschieben von Aufträgen einzuleiten. 192 Aus den terminierten Arbeitsvorgängen wird mit Hilfe der Kapazitätsbedarfsrechnung in einem zweiten Schritt der Auslastungsbedarf der einzelnen Kapazitäten ermittelt, indem unter Berücksichtigung derjenigen Aufträge, die noch Vorstufen der Fertigung zu durchlaufen haben, die Kapazitätsbe190

101

Vgl. Hoitsch, S. 444 ff. / 455 ff.

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 139 ff.

192

Vgl. Steinbuch / Olfert,

S. 318 ff.; Hoitsch, S. 449 ff.

147

II. Notwendige Funktionen

darfe der verschiedenen Aufträge einer Periode je Betriebsmittelgruppe aufaddiert werden. 1 9 3 Dadurch wird für jedes Betriebsmittel die Belastung oder Sollkapazität erkennbar. Durch Gegenüberstellen von Sollkapazität der Betriebsmittelgruppe und Kapazitätsangebot der Maschinen zeigen sich Überlastungen und Leerzeiten. Als Hilfsmittel kommen hierbei Kapazitätsbelastungsübersichten zum Einsatz, in denen bei Überlastung die Säulen des Kapazitätsgebirges eine Kapazitätsgrenze überschreiten (siehe Abbildung C.4). 1 9 4 Kapazitätsangebot Kapazitätsnachfrage /N

65"

Nr. 12 Kapazitätsangebot

4 r

Nr. 8

Nr. 16

Nr. 10

Nr. 15

Nr. 19

Nr.2

21-

Nr.l

Nr. 5

Nr.4

Nr.7

Nr. 3

Nr.6

Kapazitätsnachfrage Nr.25

Nr.9 Nr. 13

Nr.21 Nr. 17

unterteilt in Fertigungsaufträge

Nr. 18 Nr. 14

Nr.l

Nr.22

Nr.20

Nr.24 Nr.23 Werktag

Abbildung C.4: Gegenüberstellung von Kapazitätsangebot und -nachfrage In Anlehnung an: Glaser / Geiger / Rohde, S. 174.

Überlastungen werden darüber hinaus oft in einer Überbelegungsliste je Kapazitätsteilbereich festgehalten. Das Kapazitätsangebot wird durch die optimale oder maximale Kapazität pro Zeiteinheit, die auf die Planperiode umgerechnet wird, bestimmt. Zusätzlich ist die Maximalkapazität um Nutzungsverluste, wie zum Beispiel Stillstandszeiten durch Zweischichtbetrieb, Personalmangel in Urlaubszeiten, defekte Betriebsmittel und Maschinenwartungszeiten, zu vermindern. Die Kapazitätsabstimmung soll die Ma193

Vgl. Hackstein, S. 14 f.

194

Vgl. Hoitsch, S. 451 / 460. Vgl. Kap. C.I.2.bb).

195

148

C. Ziele und Funktionen

schinen gleichmäßig auslasten, ohne daß Aufträge in Terminschwierigkeiten geraten. Hierbei wird bei Überlastungen oft ein Kapazitätsabgleich oder eine Kapazitätsanpassung durchgeführt (siehe Abbildung C.5). 1 9

KAPAZITATSABSTIMMUNG

^^^Kapazitätsabgleich^^^^

-Lossplitting -Losverschiebung -Fremdvergabe von Aufträgen -Ablehnung von Aufträgen

^^^apazitätsanpassung^^

-Überstunden oder Zusatzschichten (zeitliche Anpassung) -Intensitätserhöhungen -Einsatz von Ersatzkapazitäten (quantitative Anpassung) -Springereinsatz

Abbildung C.5: Möglichkeiten der Kapazitätsanpassung und des Kapazitätsabgleichs bei Überlastung der Arbeitsstation Quelle: In Anlehnung an Glaser / Geiger / Rohde, S. 175 ff.

Bei der Kapazitätsanpassung wird die Kapazität an die Belastung angepaßt. Die Maßnahmen führen in Abbildung C.4 zu einer Parallelverschiebung der Angebotskurve nach oben. Bei Überlastungen können zum Beispiel zeitliche Anpassungsmaßnahmen, etwa Überstunden, ergriffen werden. Neben den zeitlichen Variationen besteht auch die Möglichkeit einer intensitätsmäßigen Anpassung durch Variation der Maschinengeschwindigkeit oder einer Betriebsgrößenvariation durch Inbetriebnahme von Reservemaschinen oder durch Einstellung und Verlagerung von Arbeitskräften, etwa durch den Einsatz von Springern. 197

196 Z u den verschiedenen Möglichkeiten vgl. zum Beispiel Brankamp, K.: Kapazitätsbelegun&, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 889.

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 176 f.

II. Notwendige Funktionen

149

Beim Kapazitätsabgleich wird dagegen die Belastung an die Kapazität angepaßt. 19 Beispiele hierfür sind bei Überbelegung der Betriebsmittel das Lossplitting, die Losverschiebung oder -Überlappung und die Fremdvergabe von Betriebsaufträgen. Unter Losplitting wird die Zerlegung eines Fertigungsauftrags in mehrere Teilaufträge verstanden. In Abbildung C.4 könnte der Auftrag Nr. 8 gesplittet und ein Teil des Auftrags auf Werktag 2 vorverlegt werden. Durch das Lossplitting verkürzt sich die Gesamtdurchlaufzeit eines Gesamtloses, weil die Teillose gleichzeitig an verschiedenen Arbeitsstufen bearbeitet werden können und somit die Wartezeiten der einzelnen Teile vor dem folgenden Arbeitsgang vermindert werden. Derselbe Effekt tritt auch bei der Überlappung von Losen auf. Bei ihr werden Teilmengen eines Auftrags an die folgende Arbeitsstufe weitergegeben, bevor die Bearbeitung des gesamten Loses an der vorangehenden Fertigungsstufe beendet ist. Bei der Losverschiebung wird das gesamte Los durch Vorziehen oder Hinausschieben neu terminiert. Sind diese Maßnahmen nicht durchführbar, verbleibt die Möglichkeit, Aufträge einer Fremdfirma zu übertragen, wodurch ebenfalls Kapazitätsüberlastungen abgebaut werden können. 1 9 9 Die Möglichkeit der Fremdvergabe bietet sich für das Kapazitätsgebirge in Abbildung C.4 am Werktag 4 bei Auftrag Nr. 12 und eventuell Auftrag Nr. 11 an. Ein Kapazitätsabgleich wird in der Praxis meist seltener möglich sein als eine Kapazitätsanpassung, weil eine Verschiebung von Betriebsaufträgen in die Zukunft nur bei terminlichen Spielräumen möglich ist und eine Verlagerung von Aufträgen in die Gegenwart oft wegen der nicht rechtzeitigen Bereitstellung von Vorprodukten unterbleiben muß. Die Fremdvergabe wird häufig an der fehlenden Technologie der Fremdfirmen oder aus betriebspolitischen Gesichtspunkten scheitern. Das Lossplitting wird bei den meisten eingesetzten PPS-Systemen nur mit erheblichem Aufwand zu bewerkstelligen sein, weil ein vollständiger Plandurchlauf erforderlich wird. Wie ein Kapazitätsabgleich sind auch die Möglichkeiten der Kapazitätsanpassung häufig mit hohen zusätzlichen Kosten, wie zum Beispiel Überstundenzuschlägen, verbunden. Bei Unterauslastung können gegenteilige Maßnahmen ergriffen werden. 2 0 0 I m Unterschied zur Überlastung der Kapazitäten kann bei Unterauslastung der Kapazitäten entweder auf Lager produziert werden, was aber hohe Kapitalbindungs- und Lagerhaltungskosten verursacht, oder es kann versucht werden, den Verkauf durch Sonderaktionen zu steigern, so daß 198

Vgl .Hackstein, S. 15.

199

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 175 f.

200

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 177.

150

C. Ziele und Funktionen

neue Aufträge akquiriert werden. Weiterhin können Methoden der quantitativen und zeitlichen Anpassung wie Kurzarbeit oder Stillegung von Maschinen angewendet werden. Als dritter Schritt innerhalb der Funktion Termin- und Kapazitätsplanung erfolgt eine grobe Reihenfolgeplanung, bei der die Bearbeitungsreihenfolge der Betriebsaufträge oft wochenweise pro Betriebsmittelgruppe festgelegt wird, so daß am Ende der Produktionsplanung die Betriebsaufträge zeitlich und mengenmäßig festgelegt sind. 2 0 1 Als organisatorische Hilfsmittel dienen in der Phase der Termin- und Kapazitätsplanung verschiedene Arten von Plänen, welche die einzelnen Planungsschritte erleichtern und deren Ergebnisse festhalten. Bei der Durchlaufterminierung kommt der Arbeitsplan 2 0 2 , der kombinierte Arbeitsfolgeoder Produktionsablaufplan 203 und der Durchlaufzeitenplan, bei der Kapazitätsangebotsermittlung dahingegen der Monats-Kannleistungsplan und bei der Reihenfolgeplanung der Maschinenbesetzungsplan sowie der Terminfeinplan zur Anwendung. 2 0 4 Weitere organisatorische Hilfsmittel bei der Planung der Produktion, sowohl auf Basis der E D V als auch konventionell einsetzbar, sind neben den angesprochenen Plänen die Serienaufträge, Termingrobpläne und Fertigungsaufträge. 205

cc) Die Produktionssteuerungsfunktionen Die Produktionssteuerung umfaßt alle operativen Maßnahmen der Konkretisierung des in der Planung aufgestellten Fertigungs- und Produktionsprogrammes sowie der zielorientierten Veranlassung, Überwachung und Sicherung der Fertigung. 2 0 6 Sie unterteilt sich in die Funktionen der Auftragsveranlassung und Auftragsüberwachung. 201 Vgl. hierzu Junghanns, W.: Terminfeinplanung, in: Kern, W. (Hrsg.): HwProd, Stuttgart 1979, Sp. 1973.

202

E r leitet sich aus dem Herstellungsplan ab und präzisiert diesen, indem im Arbeitsplan die einzelnen Verrichtungen und die Reihenfolge der Arbeitsgänge angegeben sind. Vgl. Beste,2 Fertigungswirtschaft, S. 205. 03 E r kristallisiert sich aus dem Arbeitsplan heraus und gibt die Betriebsmittel, A r beitsplätze oder Abteilungen an, die das Produkt zu durchlaufen hat. Vgl. Beste, Fertigungswirtschaft, S. 205. 204

Z u den verschiedenen Plänen und ihrem Einsatz innerhalb der Planung und Lenkung der Produktion vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 457 / 468 ff. 2ns Vgl. Mellerowicz, Betriebswirtschaftslehre, 1981, S. 450 ff. 206

Vgl. Troßmann, S. 249. Zur Produktionssteuerung vgl. auch Strack, M.: Organisatorische Gestaltung einer zentralen Werkstattsteuerung, Berlin u.a. 1987, S. 8 ff., wobei in der

II. Notwendige Funktionen

151

I m Bereich der Produktionssteuerung tritt das Problem der zentralen oder dezentralen Organisation auf. I n einer zentralen Produktionssteuerung ist die Koordination zwischen den einzelnen Produktionsabteilungen sowie die Abstimmimg mit der Produktionsplanung erreichbar. Nachteilig sind die langen Informationswege, wodurch Entscheidungen oft erst verspätet getroffen werden und eine Vielzahl von Informationen, die dem Meister und der Belegschaft zur Verfügimg stehen, verloren gehen. Zudem wird eine zentrale Steuerung, welche die kurzfristige Arbeitsverteilung durchführt, negative Auswirkungen auf die Motivation der in der Produktion Beschäftigten nach sich ziehen. Umgekehrt werden in einer dezentralen Steuerung zwar die Motivation verbessert und die Informationsbeschaffung erleichtert, aber die Koordination zwischen den Abteilungen wird erschwert. A m sinnvollsten ist deshalb der kombinierte Einsatz von zentraler und dezentraler Steuerung. Grundsätzlich sind in den herkömmlichen PPS-Systemen beide Steuerungsformen möglich, doch findet sich bei ihrer Anwendung vorwiegend eine zentrale Steuerung der Produktion.

(1) Die Auftragsveranlassung I n der Funktion Auftragsveranlassung erfolgen die zusätzlich zu den Planungsaufgaben notwendigen Schritte, um einen Auftrag für die Produktion freizugeben, wie etwa die Zusammenstellung der Auftragspapiere sowie die Bereitstellung der Werkzeuge und bereits reservierter Materialien. 2 0 7 Werden bei den Werkzeugen oder Einsatzmaterialien Fehlmengen erkannt, sind sie den betroffenen Fertigungsabteilungen zu melden und es sind geeignete Steuerungsreaktionen einzuleiten. Beispielsweise können nicht betroffene Fertigungsaufträge vorgezogen werden oder bei teilweisem, aber nicht ausreichendem Materialbestand können Teillose gebildet werden. Eine andere Möglichkeit bei Materialfehlbeständen ist der substitutionale Faktoraustausch, was zu einer Änderung der Stückliste und der geplanten Kosten führt. Zudem ist dadurch die Gefahr einer Qualitätsverminderung der Endprodukte gegeben. Sind die benötigten Materialien und Werkzeuge verfügbar, werden die Werkstattbelege wie Laufkarte, Terminkarte, Betriebsauftrag, Lohn- und Materialkarte sowie die Rückmeidescheine erstellt und der Fertigungsauftrag zur Produktion freigegeben. Innerhalb der Funktion Auftragsveranlassung werden auch die physischen Vorbereitungsprozesse wie die Umrüstvorgänge eingeleitet. Untersuchung von Strack unter Werkstattsteuerung nur die Steuerung der Eigenfertigung zu verstehen ist und damit die Steuerung von fremdbezogenen Teilen außer acht bleibt. 207 Vgl. Hackstein, S. 16.

C. Ziele und Funktionen

152

Ziel der Auftragsveranlassung ist die kurzfristige Durchsetzung der Planung in konkrete Produktionsaktivitäten. 208 Dabei werden die Pläne weiter detailliert, indem bei der Auftragsfreigabe die Aufträge tages- und stundengenau zu bestimmten Terminen und einzelnen Maschinen im Rahmen von Reihenfolgeplanung und Feinterminierung zugeordnet werden. Bei der Reihenfolgeplanung tritt dabei beim Organisationstyp der Werkstattfertigung das Dilemma der Ablaufplanung auf, bei dem sich die Ziele Maximierung der Kapazitätsauslastung und die Minimierung der Durchlaufzeiten und Zwischenlagerbestände miteinander kollidieren. M i t Hilfe von heuristischen Methoden, wie zum Beispiel den Prioritätsregeln, wird dieses Dilemma unter Verzicht auf eine kostenoptimale Produktion zu lösen versucht. Dabei beeinflussen die jeweiligen Prioritätsregeln einige Sachziele positiv, andere wiederum negativ. Sie sind daher je nach der Gewichtung der verfolgten Sachziele auszuwählen und anzuwenden. Hoss unterscheidet ortsgebundene und wirksamkeitsgebundene Grundarten von Prioritätsregeln. 209 Unter den ortsgebundenen Prioritätsregeln werden Regeln verstanden, die auf einzelne Maschinen, auf mehrere Maschinen und auf die gesamte Werkstatt anzuwenden sind. 2 1 0 Zur ersten Gruppe sind die First-ComeFirst-Served-Regel (FCFS) 2 1 1 , bei der derjenige Auftrag als nächstes bearbeitet wird, der an der Maschine als erstes eingetroffen ist, oder die Kürzeste-Operationszeitregel 212 zu zählen. Zur zweiten Kategorie gehört die Fertigungsrestzeitregel, bei der die Priorität eines Auftrages nach der restlichen Bearbeitungsgesamtzeit vergeben w i r d . 2 1 3 Unter die dritte Kategorie sind die Regeln mit Prioritäten des frühesten Fälligkeitstermins (die LieferterA4 i

minregel) , des höchsten Produktwertes die Kundenregel 2 1 7 einzuordnen.

208 209 210 211

212

A4 Ç

/

, die Schlupfzeitregel

oder

Vgl. Hackstein, S. 15. Vgl. Hoss, S. 157 f. Vgl. Hoss, S. 157. Vgl Hoitsch, S. 480.

Hier erhält der Auftrag mit der kürzesten Bearbeitungszeit den Vorzug vor den anderen 2wartenden Aufträgen. Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 187. 13 Vgl. Hoss, S. 157.

II. Notwendige Funktionen

153

Weiterhin werden die Prioritätsregeln nach ihrer Wirksamkeit hinsichtlich der Zielerfüllung eingeteilt. Hier können die Prioritätsregeln zur Verbesserung der Kapazitätsauslastung, wie zum Beispiel die kritische Maschinenregel 1 8 oder die Rüstzeitregel, 1 9 Regeln zur Verbesserung der Durchlaufzeit wie die Kürzeste-Operationszeitregel, Regeln zur Verringerung der Zwischenlagerbestände wie die Wertregeln, Zufallsregeln wie die FCFS-Regel und Regeln, die Terminüberschreitungen verhindern sollen, unterschieden werden. 2 2 0 Zum Beispiel erhält dann der Auftrag mit der frühesten Fälligkeit die höchste Priorität. Die vorgestellten Regeln lassen sich in Kombination miteinander anwenden. Zahlreiche Untersuchungen beschäftigen sich anhand von Simulationen mit der Wirkungsweise der einzelnen Prioritätsregeln und den kombinierten Anwendungen, weil bei Auswahl einer Regel zwar bestimmte Ziele positiv beeinflußbar sind, andere Ziele dagegen aber nicht ausreichend erfüllt werden. Sie kommen daher zu dem Ergebnis, daß es nicht eine optimale Prioritätsregel gibt, sondern die Wahl einer Regel von den jeweiligen Zielen diktiert wird. Damit läßt sich auch die Reihenfolgeplanung nicht optimieren. Neben den heuristischen Verfahren finden sich in der Literatur auch sukzessive und simultane Ansätze zur Lösung der Ablaufplanungsproblematik. Die simultanen Ansätze erlangen in der Praxis wegen ihrer Komplexität und der vereinfachenden Annahmen nur wenig Relevanz. 222

214

Vgl. Hoitsch, S. 480. Vgl. Hoitsch, S. 480. 216 Die Schlupfzeitregel verteilt die Prioritäten nach der Differenz zwischen Fertigungsendtermin und Fertigungsrestzeit. Je geringer diese Differenz ist, desto höher ist die Prioritätszahl. Vgl. Glaser, H.: Verfahren zur Fertigungssteuerung in alternativen PPS-Systemen - Eine kritische Analyse, in: Scheer, A.W. (Hrsg.): Fertigungssteuerung, Expertenwissen für die Praxis, München / Wien 1991, S. 25. 215

217

Bei der Kundenregel werden die Prioritäten nach der Bedeutung der Kunden verteilt. Vgl. Glaser, Eine kritische Analyse, S. 25. 218

Bei ihr werden die Aufträge als erstes weiterverarbeitet, die schlecht ausgelastete A r beitsstationen zu durchlaufen haben. Vgl. Hoss, S. 157. 219 Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 188. 220 Z u r Erläuterung dieser Regeln vgl. Hoss, S. 157 f. 221

Vgl. Koch, R.: Wirkung von Prioritätsregeln, Eine kritische Betrachtung, in: V D I - Z e i tung, 131 Jg. 1989, S. 37 ff. und die dort angegebene Literatur sowie Hauk, W.: Einplanung von Produktionsaufträgen nach Prioritätsregeln, Berlin u.a. 1973, S. 20-92.

154

C. Ziele und Funktionen

Parallel zur Auftragsveranlassung der Fertigung findet die Auftragsveranlassung des Einkaufs statt, die auf Art-, Mengen- und Zeitvorgaben der Termin- und Mengenplanung beruht. Die Bestellauftragsfreigabe ist für einen einzelnen Auftrag oder für eine Sammlung von Aufträgen möglich. I m ersten Fall wird jeder Bestellauftrag einzeln freigegeben, im zweiten Fall genügt eine Freigabe zusammengehöriger Positionen für den gesamten Bereich. Nach Freigabe der Bestellaufträge sind geeignete Lieferanten auszuwählen und zuzuordnen. Im letzten Schritt erfolgt die Bestellschreibung. 223 M i t ihr schließen die veranlassenden Aufgaben, weil die Produktion begonnen hat und die Bestellungen getätigt sind, so daß im folgenden produktionsbegleitende, überwachende Tätigkeiten anfallen.

(2) Die Auftragsüberwachung In einem letzten Schritt ist die Steuerung während der Fertigung für die planmäßige Durchführung der Fertigungsaufträge verantwortlich, das heißt, sie hat Störungen zu erkennen und geeignete Maßnahmen bei Störungen einzuleiten. Die Auftragsüberwachung erfaßt Änderungen in den Kapazitäten und den Fertigungsaufträgen und überwacht die Aufträge nach Qualität, verbrauchter Menge und zeitlicher Durchführung sowie die Kapazitäten und Mitarbeiter nach Lauf- beziehungsweise Anwesenheitszeiten. Weiterhin wird der Arbeitsfortschritt überprüft, indem erledigte Arbeitsgänge rückgemeldet werden. Für eine exakte Durchführung der Auftragsfortschrittskon-

222

Z u den Sukzessiwerfahren, die wie die heuristischen Näherungsverfahren meist nur Näherungslösungen erreichen, vgl. etwa Akers, F.B. / Friedman, J.: A Non-Numerical A p proach to Production Scheduling Problems, in: Operations Research, Vol. 3 1955, S. 429 ff.; Heller , J. / Logemann, G.: A n Algorithm for the Construction and Evaluation of Feasible Schedules, in: Management Science, Vol. 8. 1960, S. 168 ff.; Giffler , Β / Thompson , L.: Algorithms for Solving Production-Scheduling Problems, in: Operations Research, Vol. 8 1960, S. 487 ff. und Piehler , J.: Ein Beitrag zum Reihenfolgeproblem, in: Unternehmensforschung, 4. Jg. 1960, S. 138 ff. Z u den Simultanverfahren vgl. im einzelnen Bowman , E.H.: The ScheduleSequencing Problem, in: Operations Research, Vol. 7 1959, S. 621 ff.; Krelle, W.: Ganzzahlige Programmierungen; Theorie und Anwendungen in der Praxis, in: Unternehmensforschung, 2. Jg. 1958, S. 161 ff.; Wagner, H.M.: A n Integer Linear-Programming Model for Machine Scheduling, in: Naval Research Logistics Quarterly, Vol. 6 1959, S. 131 ff.; Manne, A.S.: O n the Job-Shop Scheduling Problem, in: Operations Research, 8. Jg. 1960, S. 219 ff. 223 Vgl. Miessen / von Loeffelholz / Roos, S. 62 f.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

155

trolle werden Informationen über den Bearbeitungsstand jedes Auftrags sowie des Bearbeitungsortes, der voraussichtliche Fertigstellungstermin, der Kapazitätsbelegungsgrad und der verbleibende Kapazitätsbedarf benöt i g t . 2 2 4 Der Kundenauftragsbezug verbindet die Losbildung und die dazugehörigen Kundenaufträge. Mit dessen Hilfe kann bei Störungen in der Produktion sofort überprüft werden, welcher Kundenauftrag betroffen ist. Fallen bei der Überwachung der Arbeitsvorgänge Unregelmäßigkeiten auf, müssen geeignete Maßnahmen zur Steuerung ergriffen werden. Auch die Wareneingangsüberprüfung, die Bestellauftragsüberwachung, die Qualitätsprüfung und die Lagerbestandsüberwachung fallen unter diese Kategorie. 2 2 5 Diese Teilfunktionen sind eng miteinander verbunden und sind laufend aufeinander abzustimmen, weil bei Wareneingängen sowohl die Bestelldatei als auch die Lagerbestandsdatei zu aktualisieren ist und dabei auch die Wareneingänge zu überprüfen sind. Fehl- oder Ausschußmeldungen sind wiederum an die Bestell- und die Lagerbestandsdatei weiterzumelden. M i t der Funktion Auftragsüberwachung, welche die Fertigungsaufträge bis zur Auslieferung der Fertigerzeugnisse an den Kunden verfolgt und die bestellten Einsatzteile bis zur Anlieferung an die Produktionsstellen begleitet, wird das System der Produktionsplanung und Produktionssteuerung abgeschlossen, und es beginnt ein neuer Planungslauf für die Folgeperiode.

I I I . Erfüllung wichtiger Anforderungen und Ziele durch die herkömmlichen PPS-Systeme Nach der Darstellung der Funktionen eines herkömmlichen PPS-Systems sollen nun in diesem Kapitel die Schwächen eines solchen Systems analysiert werden hinsichtlich der Fragestellung: In welchem Grad wird es den Zielen und Anforderungen gerecht und wo liegen gegebenenfalls Ansatzpunkte für verbesserte neuere Verfahren?

7. Schwächen der herkömmlichen PPS-Systeme in bezug auf die Zielerfüllung Die herkömmlichen PPS-Systeme erlauben durch ihren sukzessiven Aufbau keine Abstimmung der Systeme mit anderen Unternehmensbereichen zu einem Gesamtmodell. Dies bewirkt ebenso wie die einseitige Ausrich224

Vgl. Roos, E. / Förster, U. / von Löffelholz, F.: Marktspiegel, PPS-Systeme auf dem Prüfstand: Leistungsbeschreibung von Standardsystemen zur Produktionsplanung und -Steuerung, 3., aktualisierte Aufl., Köln 1988, S. 85 ff. Vgl. Miessen / von Loeffelholz / Roos, S. 64 f.

156

C. Ziele und Funktionen

tung auf die Sachziele sowie die Verwendung von Heuristiken und standardisierten Daten in der Planung, daß das Hauptziel der Produktionsplanung und Produktionssteuerung, die "Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten", nicht oder nur unzureichend erreichbar ist.

a) Schwächen durch den sukzessiven Aufbau der Verfahren Ein wesentlicher Mangel der herkömmlichen PPS-Systeme ist also deren streng sukzessiver Aufbau. Die in einer Planungsstufe festgelegten Daten dienen der folgenden Planungsstufe als unveränderliche Grundlage. Sie können bei Störungen (zum Beispiel bei kurzfristigen Ausfällen von Betriebsmitteln) oder bei Nicht-Erreichbarkeit der Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsziele nur durch eine völlige Neuplanung, den sogenannten Neuaufwurf, geändert werden. Rückkopplungen, also Rückschritte in einen vorherigen Planungsschritt bei unzulässigen, von der vorherigen Planungsstufe vorgegebenen Mengen- und Termindaten während eines Planungslaufes, sind innerhalb eines herkömmlichen PPS-Systems nicht vorgesehen. 2 2 6 Wenn zum Beispiel innerhalb der Reihenfolgeplanung erkannt wird, daß ein bestimmter Auftrag wegen bereits belegter Kapazitäten nicht termingerecht fertiggestellt werden kann, können zwar Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung oder Kapazitätsabstimmung eingeleitet werden, die Neubestimmung einer wirtschaftlichen Losgröße unter Berücksichtigung der Kapazitätsbeschränkung muß jedoch unterbleiben. Dadurch sind die Systeme starr, und die Daten sind oft schon zu Beginn der Feinplanung oder bei Auftragsfreigabe veraltet. Zudem bewirkt der sukzessive Aufbau, daß die Materialauflösung und die Materialverfügbarkeitsprüfung die wichtigsten Faktoren für die Freigabe eines Auftrags sind, weil diese Schritte der Terminplanung, Kapazitätsplanung und -prüfung vorgelagert sind. Damit entfällt eine gleichzeitige Abstimmung von Mengen, Terminen und Kapazitäten, so daß die Kapazitätsabstimmung nur aus terminierten Fertigungsaufträgen und somit nur anhand von festgelegten Losgrößen durchgeführt wird. Weiterhin besteht durch die sukzessive Planung die Gefahr, daß bei der Mengenplanung der für die Primärbedarfe benötigten Werkstoffe und Bauteile für nicht vorrätige Materialien kurzfristig eine Bestellung getätigt werden muß. Dies kann dazu führen, daß die in der Produktionsprogrammplanung festgelegten Kundenauftragstermine entweder nicht mehr einge226

Vgl. u.a. Corsten, H.: Produktionswirtschaft - Einführung in das industrielle Produkti-

onsmanagement, München 1990, S. 417.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

157

halten werden können oder durch eine notwendige Eilbestellung der Materialien erhöhte Kosten in Kauf zu nehmen sind. Auch in diesem Fall unterbleibt eine notwendige Koordination zwischen der Mengenplanung und der Produktionsprogrammplanung, weil die Mengenplanung nur die festen Kundenauftragstermine zu erfüllen h a t . 2 2 7 Eine Rückkopplung in die Produktionsprogrammplanung bei Nichteinhalten der Kundentermine ist nicht möglich. Allein schon durch diese fehlende Berücksichtigung von Interdependenzen entstehen Suboptimalitäten hinsichtlich der Planungsgenauigkeit und der Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten. Ferner unterbleibt eine Abstimmung der Kapazitäten mit der tatsächlich aktuellen, das heißt kurzfristig verfügbaren Kapazitätssituation, weil oft nur auf Basis der theoretisch vorhandenen Kapazitäten geplant wird. Weil vorhandene und verfügbare Kapazitäten wegen kurzfristiger Betriebsmittelstörungen oder Personalausfällen häufig voneinander abweichen, ist eine längere Durchlaufzeit der Aufträge zu erwarten. Insbesondere bei zentralen Planungen wird dieses Problem wegen langer Informationswege zwischen den Produktionsabteilungen und der zentralen Planungsstelle auftreten. Durch die sukzessive Vorgehensweise führen darüber hinaus fehlerhafte Daten und Planungsfehler in den ersten Planungsschritten zu Folgefehlern in den weiteren Planungsschritten. Eine fehlerhafte Lagerbestandsführung zieht beispielsweise eine falsche Nettobedarfsrechnung nach sich und bestimmt somit auch nicht bedarfsgerechte Losgrößen. 228 Eine weiterer Nachteil durch den sukzessiven Aufbau der Produktionsplanung und Produktionssteuerung zeigt sich bei der Losgrößenbildung. Hier kann unter Umständen durch die Zusammenfassung mehrerer Nettobedarfe auf einer unteren Stücklistenebene die rechtzeitige Bereitstellung dieser Teile auf einer höheren Stücklistenebene für die dort gebildeten Fertigungslosgrößen nicht garantiert werden, wenn bei der Bildung der Losgröße von Vorprodukten keine Vorlaufzeit für den Bedarf auf der höheren Ebene berücksichtigt w i r d . 2 2 9 Dies geschieht deswegen meist nicht, weil die Vorlaufzeiten häufig nicht oder erst nach der Bildung von Fertigungslosgrößen betrachtet werden. Als Konsequenz verschiebt sich der Fertigungsbeginn der auf der höheren Stücklistenebene zu produzierenden Teile wegen fehlender Vorprodukte nach hinten. Dies hat weiterhin zur Folge, daß während der Terminierung die in der Produktionsprogrammplanung festgelegten Kundenauftragstermine nicht einzuhalten sind, weil sich der Ferti227

Vgl. Scheer, Stand und Trends, S. 141.

228

Vgl. O'Grady,

229

Vgl. Zäpfel, Strategisches, S. 217.

S. 20.

158

C. Ziele und Funktionen

gungsbeginn in den nachgelagerten Dispositionsstufen verzögert. Dadurch wird dem Ziel Termineinhaltung nicht Rechnung getragen und auch die Liege- und Durchlaufzeiten der sonstigen, für die Produktion auf der oberen Stücklistenebene, etwa von Enderzeugnissen oder Fertigbauteilen, benötigten Vorprodukte erhöhen sich. Die in diesem Abschnitt durch den sukzessiven Aufbau der Produktionsplanung und Produktionssteuerung auftretenden Schwächen entstehen durch die fehlende Abstimmung der einzelnen Planungsstufen innerhalb des PPS-Systems. Es zeigen sich aber nicht nur durch die fehlende Abstimmung zwischen den Planungsstufen, sondern auch durch die fehlende Gesamtbetrachtung aller Aufträge Kostensuboptimalitäten. Die einzelnen Aufträge werden getrennt voneinander betrachtet und geplant. Ein koordinierter Gesamtplan über alle Aufträge fehlt weitgehend. Hierdurch würden sich zum Beispiel Umrüstkosten einsparen lassen. 230 Neben einer gemeinsamen Betrachtung der Aufträge fehlt auch eine koordinierte Zusammenarbeit aller mit der Leistungserstellung direkt oder indirekt in Verbindung stehender dispositiver und physischer Tätigkeiten.

b) Schwächen durch die Abgeschlossenheit der Systeme Ein weiterer Kritikpunkt an den herkömmlichen PPS-Systemen bezieht sich auf die fehlende Abstimmung des PPS-Systems zu den sonstigen Unternehmensbereichen. Begründet wird die Kritik mit der Abgeschlossenheit der Systeme und der fehlenden Verbindung zu weiteren Abteilungen, wie zum Beispiel der Kostenrechnung, Konstruktion, Arbeitsplanung, Qualitätssicherung und dem Vertrieb. In der Produktionsplanung werden Daten und Hilfsmittel dieser Abteilungen zwar als Vorgabewerte verwendet, eine Abstimmung der Produktionsplanungsstellen mit den sonstigen Abteilungen unterbleibt jedoch.

aa) Die Abstimmung mit der Konstruktion Bei der Produktionsprogrammplanung werden Vorlaufzeiten der Konstruktionsabteilung berücksichtigt, ohne daß eine Abstimmung der Produktionsplanung mit der Konstruktion vorgenommen wird. Eine solche wird nur auf allgemeiner und längerfristiger Basis in der strategischen Planung durchgeführt. Genaue Vorlaufzeiten der Konstruktion, zum Beispiel bei kundenspezifischer Anpassung eines Normproduktes in bezug auf einen be230

Vgì.Adam , Aufbau und Eignung, S. 18.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

159

stimmten Auftrag, werden nicht miteinkalkuliert. Es wird allenfalls eine geschätzte durchschnittliche Vorlaufzeit geplant. Dies kann dazu führen, daß schon bei Planungsbeginn von unrealistischen Anfangsterminen der Fertigung ausgegangen wird. Somit ist eine möglichst genaue Abstimmung zwischen Konstruktion und Produktionsplanung zu wünschen, weil unter Kostengesichtspunkten nur dann ein möglichst kostenoptimaler Produktionsplan erstellt werden kann, wenn alle Entscheidungen der miteinander verbundenen Bereiche koordiniert werden. 2 3 2 Durch eine gute Zusammenarbeit mit der Produktionsabteilung würde gleichfalls die Konstruktionsabteilung profitieren, indem die Produktionsbelegschaft durch ihre praktischen Erfahrungen Verbesserungsvorschläge für die Konstruktion einreichen könnte. Die Meister in den Produktionsabteilungen erkennen oft besser als die Konstrukteure, ob eine kundenspezifische Anforderung mit den vorhandenen Betriebsmitteln durchführbar ist. Überdies ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Konstruktion und Produktion allein wegen der Vielzahl der gemeinsam benötigten Daten erforderlich. Der Aufbau mehrerer umfangreicher Datenbanken führt zu großen Redundanzen bei Speicherung, Erstellung und Pflege der Stamm- und Strukturdaten und damit zu vermeidbaren Kosten. Dies gilt aber nicht nur für die Konstruktion und die Produktion, sondern auch für alle weiteren Unternehmensbereiche, die in jeglicher Form gemeinsame Daten zu verwenden haben.

bb) Die Abstimmung mit der Arbeitsplanung und der Kostenrechnung Die mangelhafte Abstimmung zwischen der Arbeitsplanung und der Produktionsplanung und -Steuerung zeigt sich in der häufig festzustellenden fehlenden Rückmeldung der tatsächlichen Durchlaufzeiten in der Produktion an die Arbeitsplanung. Während bei der Planung der Produktion die Auftragsdurchlaufzeiten aus den von der Arbeitsplanung erstellten Arbeitsplänen - in denen standardisierte Durchlaufzeiten für einzelne Arbeits231 2 3 2Vgl.

Adam, Aufbau und Eignung, S. 18. Diese Abstimmungsnotwendigkeit greift das zur Zeit häufig diskutierte Konzept des lean production" auf, bei dem unter anderem alle Produktions-, Konstruktions- und Forschungstätigkeiten innerhalb eines Unternehmens und mit den externen Unternehmen in einer Zulieferkette koordiniert werden sollen, um doppelte Tätigkeiten und Fehler zu vermeiden. Vgl. u.a. Steinmetz, O.: Die Strategie der integrierten Produktentwicklung - Softwaretechnik und Organisationsmethoden zur Optimierung der Produktentwicklung im Unternehmen, Braunschweig / Wiesbaden 1993, S. 46 f.; Pfeiffer, W. / Weiss, E.: Philosophie und Elemente des Lean Management, in: Corsten, H. / Will, Th. (Hrsg.): Lean Production - Schlanke Produktionsstrukturen als Erfolgsfaktor, Stuttgart / Berlin 1993, S. 38 f. H

160

C. Ziele und Funktionen

gänge sowie durchschnittliche Warte- und Liegezeiten angegeben sind - entnommen werden, unterbleibt oft die Rückmeldung der tatsächlichen Durchlaufzeiten an die Arbeitsplanung. Dies hat zur Folge, daß Korrekturen der Arbeitspläne, insbesondere bezüglich der geschätzten Warte- und Liegezeiten, nicht vorgenommen werden können, wodurch die in der Produktionsplanung verwendeten durchschnittlichen Durchlaufzeiten oft veraltet sind und nicht mehr der Realität entsprechen. Hierdurch entsteht die Schwäche des Durchlaufzeitsyndroms, die in Punkt d) dieses Abschnittes noch umfassend erläutert werden soll. Nicht nur die Produktionsplanung benötigt die Arbeitspläne als Grundlage, sondern auch die Kostenrechnung bedarf ihrer bei der Erzeugniskalkulation. 2 3 3 Somit wirken sich fehlerhafte und veraltete mittlere Durchlaufzeiten auf die Kalkulation und damit indirekt auf das Produktionsprogramm aus. Weiterhin ist, um Datenredundanzen zu vermeiden, eine zentrale Datenbank, auf die sowohl Arbeitsplanung, Kostenrechnung als auch Produktionsplanung zurückgreifen können, empfehlenswert. Deren Aufstellung setzt eine Koordination aller mit der Produktion und deren Planung in Beziehung stehender Abteilungen voraus. Insbesondere die unbefriedigende Einbeziehung von Kosteninformationen in die Produktionsplanung und -Steuerung ist ein wesentlicher Nachteil der herkömmlichen PPS-Systeme. Kosteninformationen werden nur teilweise in den einzelnen Funktionsbereichen der Produktionsplanung und -Steuerung eingesetzt. Eine wirksame Abstimmung mit der Kostenrechnung unterbleibt. Das zeigt sich darin, daß trotz Vorgabe von festgelegten Mengen in der Produktionsprogrammplanung und trotz Ermittlung von geplanten Kosten in einer Plankostenrechnung eine simultane Abstimmung der beiden Planungen häufig nicht vorgenommen wird oder zumindest innerhalb der Systeme nicht vorgesehen ist. Damit werden den Produktionsabteilungen zu bestimmten Terminen Kosten vorgeschrieben; nur auf Anfrage werden - soweit dies möglich ist - weitere Kosteninformationen bereitgestellt, zum Beispiel Informationen für die Wahl des Produktionsprogramms oder die Auswahl der kostengünstigsten Seriengröße. 234 Bei den PPS-Systemen wird zwar formal das Kostenminimierungsziel verfolgt, tatsächlich werden aber nur Sachziele, die bei den vorgestellten Zielkonkurrenzen nicht zwingend das Kostenminimierungsziel erfüllen, betrachtet. Abstimmungs233

234

Vgl. Scheer, CIM, S. 21.

Es handelt sich hierbei um dispositive Entscheidungen innerhalb der Produktionsplanung und -Steuerung, die nur mit Hilfe von Informationen einer Teilkostenrechnung getroffen werden können. Vgl. Kilger, W.: Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung, 9., verb. Aufl., Wiesbaden 1988, S. 61 ff.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

161

Probleme mit der Kostenrechnung zeigen sich insbesondere darin, daß nicht die gesamten Kosten über alle Stufen der Produktionsplanung und Produktionssteuerung und über alle zu fertigenden Aufträge beachtet und minimiert werden, sondern nur die Kosten der Teilfunktion in den anstehenden Entscheidungsprozeß einließen. Ferner wird die Kapazitätsterminierung in den meisten Systemen nicht unter Kostengesichtspunkten durchgeführt, sondern es steht lediglich die Erreichung eines zulässigen Planes im Vordergrund. Beim Kapazitätsabgleich oder bei der Kapazitätsanpassung werden damit Belegungsverschiebungen nicht hinsichtlich ihrer Kosten- und Erlöswirkungen überprüft. Das Programmpaket sieht keine Kostenvergleiche zwischen den einzelnen Abgleiche- und Anpassungsmöglichkeiten vor. Beispielsweise muß bei Kapazitätsengpässen die Entscheidung, ob ein Auftrag fremdvergeben, ob mit Hilfe von Überstunden eigenerstellt, oder ob eine Losteilung vorgenommen wird, anhand der zusätzlich entscheidungsrelevanten Kosten getroffen werden. Bei der Losteilung sind solche Kosten zusätzliche Rüst- und Transportkosten. Sie müssen geringer sein als die zu zahlenden Überstundenzuschläge, um sich für die Losteilung und nicht eine andere Kapazitätsabgleichs- oder -anpassungsalternative zu entscheiden. Die hierzu benötigten Informationen kann eine Teilkostenrechnung bereitstellen. Selbst wenn eine derartige Teilkostenrechnung in den Unternehmen vorhanden ist, herrschen zwischen der Kostenrechnung und der Produktionsplanung und -Steuerung darüber hinaus häufig Informationsaustauschdefizite, was teilweise in den verschiedenen eingesetzten und nicht kompatiblen Softwarepaketen seinen Grund hat. Oft vermag die Kostenrechnung die von den PPS-Systemen benötigten Informationen nicht zu liefern. Häufig werden die Informationen zwar bereitgestellt, aber nicht oder falsch interpretiert. Dies liegt darin, daß der in der Literatur schon früh geforderte Ausweis bestimmter Kostenarten in Form von Sonderrechnungen bislang kaum in der Praxis beachtet wird. Kosten, wie zum Beispiel die Rüstkosten, Transportkosten und Liegekosten

235

236

Vgl. Reichwald / 57m, S. 412.

2 3 7Vgl.

Schmalenbach, Kostenrechnung, S. 268. Vgl. Helfrich, Chr.: PPS-Praxis, Fertigungssteuerung und Logistik im CIM-Verbund, München 1989, S. 36; Becker , H.P.: Einsatz der Kostenrechnung in mittelgroßen Industrieunternehmen - Eine empirische Untersuchung, in: ZfbF, 37. Jg. 1985, S. 601 ff.; Weber, J.: Logistik-Controlling, 3. Überarb. und erw. Aufl., Stuttgart 1993, S. 115; Weber, J.: Change Management für die Kostenrechnung - Zum Veränderungsbedarf der Kostenrechnung, in: Controlling, 2. Jg. 1990, S. 124 f. 11 Schwarzmaier

162

C. Ziele und Funktionen

bei verlängerten Durchlaufzeiten sowie die Kapitalbindungskosten und Strafkosten für Terminüberschreitungen, sind häufig nicht genau ermittelbar oder werden in erforderlichen Sonderrechnungen nicht erfaßt, wodurch zielgerechte Entscheidungen nach Kostengesichtspunkten bei der Losgrößenplanung, der Kapazitätsabstimmung und Kapazitätsbelegung häufig unterbleiben müssen. Von einigen Autoren wird deshalb ein Ausbau von Partialkostenrechnungen vorgeschlagen, wie etwa die Durchführung einer Logistik-, 2 3 8 Qualitäts-, 2 3 9 Umweltschutz- 240 oder Verwaltungskostenrechnung. 2 4 1 Genau genommen läßt sich der Ausbau von Partialkostenrechnungen durch eine differenzierte Kostenstellenbildung, durch den Ausbau einer differenzierten Bezugsgrößenhierarchie und verschiedener Kostenartensystematiken der traditionellen Kostenrechnungssysteme erreichen. 242 Die fehlende Abstimmung zwischen Produktionsplanung und Kostenrechnung zeigt sich weiter darin, daß das PPS-System keine systemimmanente Abstimmung mit der Kostenrechnung bei kundenwunschorientierter Fertigung vorsieht. Hierzu benötigt die Kalkulationsabteilung zur Vorkalkulation von der Produktionsplanung die Grunddaten der Fertigung, während die Produktionsplanung und Vertriebsplanung anhand der in der Kostenrechnung ermittelten Vorkalkulation die Auftragsannahme und Auftragsfestlegung zu bestimmen haben. 2 4 3 Darüber hinaus müssen die Fertigungsabteilung und Konstruktionsabteilung mit Hilfe der kostenrechnerischen Daten Möglichkeiten der Rationalisierung wahrnehmen. Rationalisierungspotentiale können zum Beispiel durch Substitutionsentscheidungen bei Einsatzstoffen wahrgenommen werden. In neuerer Zeit wurde im Hinblick auf diese Abstimmung zwischen der Konstruktion und der Kostenrechnung das Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation vorgestellt. 244 M i t 238

Vgl. zur Notwendigkeit und Ausgestaltung einer Logistikkostenrechnung Weber, J.: Logistikkostenrechnung, Berlin / Heidelberg / New York / Tokio 1987, S. 141 ff. und Ihde, Transport, 1984, S. 230; Reichmann, Th.: Logistik-Controlling, Wie man seine Lager-, Transportund Handlingkosten in den Griff bekommt, in: Controlling, 1 Jg. 1989, S. 18 ff. 239 Vgl. Hahner , Α.: Qualitätskostenrechnung als Informationssystem zur Qualitätslenkung, München / Wien 1981, S. 11 ff. und die dort angegebene Literatur. 2A0 Vgl. Roth, U.: Umweltkostenrechnung - Grundlagen und Konzeption aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Diss., Wiesbaden 1992, S. 73 ff. 241 Vgl. Görnas, J.: Grundzüge einer Verwaltungskostenrechnung - Die Kostenrechnung als Instrument zur Planung und Kontrolle der Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung, Baden-Baden 1976 und Gaitanides, M.: Ansätze zur kostentheoretischen und rechnungstechnischen Erfassung von Verwaltungsleistungen, in: ZfB, 50. Jg. 1980, S. 680 ff. 242 Vgl. Schehl, S. 377 ff. 243 Vgl. Scheer, C I M , S. 21. 244

Vgl. Gröner, L.: Entwicklungsbegleitende Vorkalkulation, Berlin u.a. 1991, S. 112 ff. und Scheer, A.W.: Einführung von Vorkalkulationen in CAD-Systemen, in: Scheer, A.W. / Kilger, W. (Hrsg.): Rechnungswesen und E D V , 6. Saarbrücker Arbeitstagung 1985, Kostenrechnung

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

163

seiner Hilfe sollen die in der Konstruktion begründeten Folgekosten minimiert werden. Auch innerhalb der Produktionssteuerung treten Koordinationsschwächen mit der Kostenrechnung auf. Bei der Überwachung und dem Ergreifen von Steuerungsmaßnahmen ist das einzige Kriterium der Auftragsendtermin. Derjenige Auftrag mit dem frühesten Endtermin ist im Normalfall als erster fertigzustellen. Dies kann aber aus kostenrechnerischer Sicht falsch sein. Sind mehrere Aufträge in Verzug, so ist es sinnvoller, den Auftrag zuerst fertigzustellen, bei dem die Summe aus Konventionalstrafe und Kapitalbindungskosten sowie eventueller weiterer zusätzlicher Kosten, wie etwa der Rüstkosten, am höchsten ist.

cc) Die Abstimmung mit der Qualitätssicherung Probleme treten auch hinsichtlich der Abstimmung der PPS-Systeme mit der Qualitätssicherung auf, wenn diese in einer von der Produktionsplanung und -Steuerung abgetrennten Abteilung oder als Aufgabe innerhalb der Fertigung vollzogen wird. Substitutionsentscheidungen von Einsatzstoffen in der Fertigung sind nicht nur anhand von Kostengesichtspunkten zu treffen, weil eine Substitution von Einsatzstoffen Auswirkungen auf die Qualität der Fertigerzeugnisse haben kann, sondern es sind auch Aspekte der Qualitätssicherung ebenfalls in die Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen. Die Gefahr, die von erkannten Fehlerteilen ausgeht, wird umso größer, je später die Qualitätsprüfung einsetzt, da Produktionsschritte, die durch eine Früherkennung von Mängeln vermeidbar wären, bereits abgeschlossen sind. Damit sind erstens unnötige Kosten für Ausschüsse entstanden, zweitens sind die Fehlteile nachzuproduzieren, was die Produktionsstätten zusätzlich belastet. Als Folge geraten bei Nachproduktion des Ausschusses die nachfolgenden Aufträge in Verzug, und die Produktionspläne sind zu revidieren. Qualitätssicherung und Produktionsplanung- und Produktionssteuerung sind demnach als Einheit zu betrachten. Weil aber die Qualitätsprüfung häufig erst nach Fertigstellung der Erzeugnisse einsetzt, werden durch die fehlende Einbindung der Qualitätsprüfung in die Lenkung der Produktion Kostensteigerungen in Kauf genommen.

und Controlling - Forschung und Entwicklung - Personal Computing, Würzburg / Wien 1985, S. 258 ff.

164

C. Ziele und Funktionen

Weiterhin hat die Qualitätsprüfung die Meldung der durchschnittlichen Fehlerteile an die Produktionsplanung in unregelmäßigen Abständen zur Aufgabe, damit während der Nettobedarfsermittlung aus den Bruttobedarfen innerhalb des Moduls "Mengenplanung" die aktuellen durchschnittlichen Verschnitt- oder Fehlteilezuschläge auf aktuellen Zahlen basieren. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß insbesondere eine Abstimmung von Konstruktion, Qualitätssicherung, Produktionsplanung und Produktionssteuerung notwendig ist, wobei jeder Bereich sich darüber hinaus mit der Kostenrechnung abzustimmen hat.

dd) Die Abstimmung mit dem Vertrieb Die Abstimmung zwischen Vertrieb sowie Produktionsplanung und -Steuerung weist ebenfalls Schwächen auf. Die Vertriebsdaten in Form von Kundenaufträgen oder Absatzprognosen sind für die Produktionsplanung und -Steuerung bindend, ohne daß der hieraus ermittelte Primärbedarf hinsichtlich seiner termingerechten und kapazitätsmäßigen Produzierbarkeit im vorhinein überprüft wird. Fehler und Fehlschätzungen bei der Bestimmung des Primärbedarfes wirken sich auf alle folgenden Dispositionsstufen aus. Vor Annahme eines Kundenauftrages müßte geklärt werden, ob dieser zu dem festgelegten Endtermin auch tatsächlich auf den vorhandenen Kapazitäten erstellt werden kann. Treten Engpässe durch Kapazitätsbeschränkungen auf, dürften nur Aufträge mit den höchsten Deckungsbeiträgen angenommen werden. 2 4 6 Damit ergibt sich nicht nur die Forderung, Vertriebsplanung und Produktionsplanung aufeinander abzustimmen, sondern zusätzlich auch noch die Kostenrechnung in die Entscheidung der Produktionsprogrammbestimmung mit einzubeziehen. 247 Zudem ist eine Abstimmung von Produktionsplanung und -Steuerung sowie Vertrieb im Fall der Unterbeschäftigung erforderlich. Sind für die Produktion Leerkapazitäten zu erwarten, kann der Vertrieb etwa durch geeignete Werbemaßnahmen oder Sonderaktionen zusätzliche Aufträge aquirieren. Dabei müssen kurzfristig nicht die vollen Kosten abgedeckt werden, sondern es können auch zusätzliche Aufträge zur Deckung der Kosten der Betriebsbereitschaft angenommen werden. 2 4 8 245

Vgl. Scheer, A.W.: EDV-orientierte Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., Berlin / Heidel-

berg / New Y o r k 1987, S. 87. Vgl. hierzu Venitz, U.: CIM-Rahmenplanung, Heidelberg 1990, S. 124. 247 248

Vgl. Gutenberg, Produktion, 24. Aufl., S. 200. Z u r Produktionsprogrammplanung bei freien Kapazitäten vgl. u.a. Jehle, Müller,

Michael, S. 43; Kilger, Flexible Plankostenrechnung, S. 62 f.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

165

ee) Die Abstimmung mit sonstigen Bereichen des Unternehmens Neben den aufgezeigten Abstimmungsdefiziten unterbleibt ebenso häufig eine Abstimmung der operativen PPS-Systeme mit der strategischen Planung. Zumindest sind wechselseitige Abstimmungen innerhalb des herkömmlichen PPS-Systems nicht vorgesehen. Die Sollvorgaben der strategischen Planung gilt es in der mittel- bis kurzfristigen Produktionsplanung, die zum Aufgabenbereich eines PPS-Systems zählt, zu berücksichtigen und ihre Erreichung zu unterstützen. Besondere Umstände, die innerhalb der kurzfristigen Produktionsplanung auftreten, müßten zu Veränderungen der langfristigen, strategischen Pläne führen. Dies ist wegen des sukzessiven Ablaufs der Planung häufig nicht möglich, zumal die operativen Kurzfristpläne auf einer tieferen Hierarchieebene erstellt werden als die strategischen Pläne. Folglich werden die operativen Produktionspläne solange verändert, bis die kurzfristigen Produktionspläne die Ziele des strategischen Planes erfüllen und gleichzeitig als zulässige Pläne gelten. Neben den bereits angeführten Bereichen lassen sich noch weitere Unternehmensteile aufführen, die sich mit der Produktionsplanung und -Steuerung abzustimmen haben, wie etwa die Finanzabteilung, mit der Liquiditätspläne und Investitionspläne zu koordinieren sind. Beispielsweise sind die in der Folgeperiode geplanten Investitionen für die Planung des Kapazitätsangebots innerhalb der Produktionsplanung relevant. Auch sind von der Produktionsplanung dringend benötigte Ersatzinvestitionen in der Investitionsplanung rechtzeitig zu berücksichtigen. Unterbleibt eine Abstimmung der beiden Planungsbereiche, besteht die Gefahr von Finanzierungsengpässen. So können durch Einsatzteilbestellungen zur Produktion von Lageraufträgen, die der Kapazitätsauslastung dienen, Finanzierungsprobleme entstehen, wenn sich die Produktionsplanung und die Beschaffungsstelle nicht mit der Finanzabteilung abstimmen. Bei nahezu allen innerhalb der vorliegenden Untersuchung angeführten Koordinationsmängeln ist zu beachten, daß sie nur deshalb im PPS-System auftreten, weil innerhalb der herkömmlichen PPS-Systeme derartige Abstimmungen nicht vorgesehen sind. Ein Großteil der Mängel kann durch zusätzliche, über die systemimmanenten Bestandteile des PPS-Systems hinausgehende Abstimmungen zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Abteilungen behoben werden. Sie werden jedoch oft unterbleiben, weil das EDV-gestützte System als sogenanntes integriertes System Vollständigkeit und damit die Lösbarkeit aller Entscheidungen im Bereich der Planung in der Produktion suggeriert. Dabei wird oft vergessen, daß die hier vorge-

166

C. Ziele und Funktionen

stellten Abstimmungsaufgaben außerhalb des EDV-gestützten Systems vorzunehmen sind.

c) Schwächen durch die einseitige Ausrichtung auf die Sachziele Die Schwäche der herkömmlichen PPS-Systeme, die Sachziele einseitig hervorzuheben, ist eng verbunden mit dem Kritikpunkt der fehlenden Abstimmung der PPS-Systeme mit der Kostenrechnung. Jedes Verfahren ist an den verfolgten Zielen und Anforderungen zu messen. Die oberste Maxime, nach der ein Unternehmen handeln sollte, ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip. Aus seiner Auslegung als Minimalprinzip läßt sich für die Unternehmung das produktionswirtschaftliche Oberziel "Kostenminimierung" ableiten. Weil das Kostenminimierungsziel nicht operabel ist - wie schon in Kapitel C.I.2 erläutert -, sind innerhalb der Produktion Sachziele als Ersatzzielgrößen heranzuziehen. Doch ist das Kostenminimierungsziel als den Sachzielen übergeordnetes Formalziel weiterhin anzustreben. Dabei ist zu beachten, daß durch die Erfüllung eines Sachzieles nicht gleichzeitig dem Kostenminimierungsziel entsprochen wird, sondern das Verfolgen eines Sachzieles wirkt sich nur im Hinblick auf eine oder mehrere Kostenkategorie(n) positiv aus. Andere Kostenkategorien können durch die Sachzielerfüllung derart beeinflußt sein, daß die Gesamtkosten steigen. 249 Dies bedeutet: Gerade bei Auftreten von Zielkonkurrenzen zwischen den Sachzielen sind Entscheidungen mit Hilfe des Kostenminimierungsziels aller Kostenkategorien für alle Aufträge gemeinsam zu treffen. Bei den herkömmlichen Systemen zur Planung und Steuerung der Produktion geschieht dies nicht im erforderlichen Maße. Die einzelnen Entscheidungen, wie zum Beispiel die Bestimmung der Reihenfolge der Aufträge in der Reihenfolgeplanung, werden zu wenig hinsichtlich ihrer Kostenauswirkungen überprüft. Statt dessen werden Sachziele wie die Kapazitätsauslastung in den Vordergrund gerückt. Häufig werden dabei die Auswirkungen auf die gesamten Kosten zu wenig beachtet. Auch trägt der Einsatz von heuristischen Reihenfolgeregeln überwiegend nicht dem Kostenminimierungsziel Rechnung, weil dann wiederum nur die Kosten bestimmter Kostenkategorien sinken. Insgesamt läßt sich feststellen, daß ökonomische Wertgrößen zu wenig beachtet werden und nahezu nur bei der Bestimmung der Bestellmengen und Bestellzeitpunkten und bei einigen Heuristiken zur Fertigungslosgrößenbildung in Betracht gezogen werden.250

249

Vgl. Glaser, Gehalt, S. 348.

250

Vgl. Adam, Aufbau und Eignung, S. 18.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

167

Darüber hinaus wird oft nicht geprüft, in welchem Ausmaß die Sachziele innerhalb des PPS-Systems erreicht werden, mit der Folge, daß nicht erkannt werden kann, ob und inwieweit sich der Zielerreichungsgrad im Vergleich zu den Vorperioden verbessert hat. Derartige Prüfungen sind daher von den Mitarbeitern wenigstens stichprobenartig und sorgfältig vorzunehmen. Innerhalb der Sachziele liegt die Dominanz der Ziele, die von einem herkömmlichen PPS-System verfolgt werden, bei der Auslastung der Kapazitäten. Dies zeigt sich insbesondere in den Funktionen Kapazitätsbelegung und Kapazitätsabgleich, wo auf dieses Ziel direkt eingewirkt werden kann. Weiterhin wird das Sachziel Termineinhaltung über alle Planungs- und Steuerungsstufen hinweg von der Termin- und Kapazitätsplanung an verfolgt. Dagegen werden Ziele wie die Minimierung der Bestände und die Minimierung der Durchlaufzeiten in den herkömmlichen PPS-Systemen zu sehr außer acht gelassen. Das Ziel Minimierung der Durchlaufzeiten als Ergebnis der Planung und Realisation kann nicht erreicht werden, weil die Durchlaufzeiten innerhalb der Funktion Durchlaufterminierung als geplante, standardisierte Durchlaufzeiten als Fixum eingehen und somit innerhalb der Periode nicht beeinflußbar sind. Auch die Bestände, überwiegend in den Zwischenlägern, sind zum Teil ein gegebene Determinante des Planungsprozesses und scheiden als Planungsvariable weitgehend aus. Es bleibt festzuhalten, daß eine Steuerung der Produktion in bezug auf die Sachziele der Durchlaufzeit- und der Bestandsminimierung nur unzureichend möglich i s t . 2 5 1 Da für eine große Zahl von Unternehmen das Ziel Kapazitätsauslastung, zum Beispiel wegen fehlender Konkurrenz oder großer Marktnachfrage, Vorrang hat, reicht für sie der Einsatz eines herkömmlichen PPS-Systems aus. Damit wird die Schwäche der einseitigen Gewichtung von Sachzielen nur für einen Teil der Unternehmen von Bedeutung sein. Diejenigen Unternehmen, die hauptsächlich ihre Zwischenlagerbestände und ihre Durchlaufzeiten senken wollen, können bei Einsatz eines herkömmlichen PPS-Systems zwar verhindern, daß über die geplanten Durchlaufzeiten hinaus noch zusätzliche, ungeplante Liege- und Wartezeiten auftreten, eine Minimierung der Durchlaufzeiten und Bestände ist jedoch kaum zu erreichen. Ferner wird bei der Planung der Produktion mit Hilfe von standardisierten Durchlaufzeiten, gerade bei Störungen im Produktionsprozeß, der Einsatz von Steuerungsmaßnahmen erschwert, so daß auch die Flexibilität in der Produktion leidet.

251

Vgi.Adam, Aufbau und Eignung, S. 7.

168

C. Ziele und Funktionen

d) Schwächen durch den Einsatz von Heuristiken und standardisierten Durchlauf- und Vorlaufzeiten Der Einsatz von Heuristiken läßt sich in der Praxis oft nicht vermeiden, weil eine Optimierung von Planungsrechnungen durch die Zahl der zu berücksichtigenden Daten zu komplex ist. Bei Verwendung von Heuristiken ist darauf zu achten, daß die Kostenauswirkungen, zumindest der einzelnen Kostenkategorien, überprüft und alle Wirkungen auf die Sachziele erkannt werden. Anhand von Simulationen ist die Wirkung der einzelnen Heuristiken, insbesondere der in der Reihenfolgeplanung angewandten Prioritätsregeln, auf die Sachziele und die daraus abzuleitenden Kostenkategorien überprüft worden. 2 5 2 Die Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen zeigen keine einheitlichen Wirkungen einzelner Prioritätsregeln auf die Sach- und Formalziele. Vielmehr ist die Auswirkung einer Prioritätsregel, insbesondere beim Einsatz von kombinierten Prioritätsregeln, auf die einzelnen Sachziele nicht zweifelsfrei bestimmbar, wobei allerdings Tendenzen auszumachen sind. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Wirkung einer Prioritätenänderung im Hinblick auf die Sachzielerfüllung oder auf die Formalziele für den Planer oft nicht erkennbar ist, wodurch ihm eine gezielte Wahl einer Prioritätsregel als Steuerungsmittel erschwert ist. 2 5 3 Weiterhin bleiben bei den meisten Prioritätsregeln einzelne Kostenkategorien, wie zum Beispiel die Rüstkosten, zu sehr außer acht. Werden die bei der Funktion Reihenfolgeplanung zum Einsatz kommenden Prioritätsregeln untersucht, zeigt sich, daß mit Ausnahme der Rüstzeitregel 254 bei nahezu keiner Prioritätsregel die Rüstkosten mit ins Kalkül genommen und minimiert werden. Von den gängigen Prioritätsregeln vermindert lediglich noch die LOZ-Regel, nach welcher der Auftrag mit der längsten Bearbeitungszeit die höchste Priorität erhält 2 5 5 , die Anzahl der Rüstvorgänge. Bei beiden die Rüstzeiten vermindernden Regeln ist noch kein abschließendes Urteil über die Höhe der Rüstkosten möglich, weil die Auswirkungen bei Anwendung der Rüstzeit- und der LOZ-Regel auf den Teil der Rüstkosten, der durch 252

Vgl. Wiendahl, H.P. / Lüssenhop, Th.: Wirkung von Prioritätsregeln - Eine kritische Betrachtung, in: VDI-Zeitschrift, 131. Jg. 1989, Nr. 1, S. 37 / 39 ff.; Dörken, W.: Simulationsmodelle und ihre Anwendung bei der Analyse von Prioritätsregeln zur Maschinenbelegungsplanung, in: Arbeitsvorbereitung, 10. Jg. 1973, S. 89 ff.; Hoss, S. 158 ff. und die jeweils dort angegebene 2 5 3 Literatur. Vgl .Adam, Aufbau und Eignung, S. 14. 254 Bei ihr werden die Aufträge nach der Rüstzeit sortiert, vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 188. Bei der Rüstzeitregel werden dafür die Kapitalbindungskosten vernachlässigt. 255

Vgl. Wiendahl / Lüssenhop, S. 41.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

169

die Wechselschwere entsteht, noch zu berücksichtigen ist. Durch die unzureichende Einbeziehung der Rüstkosten kann die "Minimierung der Kosten" nicht erreicht werden. Darüber hinaus wird durch die Auswahl oder Änderung einer Prioritätsregel zwar die Erfüllung eines einzigen Sachziels gefördert, andere konkurrierende Sachziele können aber negativ beeinflußt werden, wodurch Rückschlüsse auf die Höhe der Gesamtkosten erschwert werden. Die Auswahl der einzusetzenden Prioritätsregel muß folglich alle Kostenkategorien und die gleichzeitigen Minimierung der Gesamtkosten im Blick haben. Ein weiterer Kritikpunkt an den herkömmlichen PPS-Systemen ist die Erkenntnis, daß in der Praxis die Durchlaufzeiten und Bestände vor den Maschinen durch zu frühes Freigeben von Aufträgen immer länger bzw. größer werden. Dieser Vorgang wird als Durchlaufzeit-Syndrom 6 oder Fehlerkreis der Fertigungssteuerung 257 bezeichnet (siehe Abbildung C.6). Es ist interessant ferner zu klären, woher die verfrühte Freigabe von Aufträgen rührt. Betrachtet man bei dem herkömmlichen PPS-System die Funktionen Kapazitätsterminierung und hier die Aufgabe Terminierung der Aufträge mit Durchlaufzeiten, läßt sich feststellen, daß die Aufträge in dieser Funktion mittels geplanter Durchlaufzeiten, die anhand der Arbeitspläne abgeleitet werden, oder in Form von durchschnittlich angefallener Durchlaufzeiten von gleichen oder ähnlichen Fertigungsaufträgen der Vergangenheit eingeplant werden. Diese Vorgehensweise der Verwendung standardisierter Durchlaufzeiten ist schon deshalb kritisch zu beurteilen, weil die Durchlaufzeiten, insbesondere die darin enthaltenen Warte- und Liegezeiten, von der tatsächlichen Auslastung der Werkstätten abhängen und damit ein Ergebnis der Planung sind und nicht eine festgelegte Größe für die Planung. Diese geschätzten Werte stimmen mit den tatsächlichen Durchlaufzeiten meist nicht überein, sondern führen bei Störungen in der Fertigung, wie bei überhöhtem Fehlteileausstoß oder unvorhergesehenen Maschinenstillständen, dazu, daß die realen Durchlaufzeiten die geplanten Durchlaufzeiten übersteigen. 258 Die geplanten Durchlaufzeiten können nur 256

Vgl. Zäpfel, G. / Missbauer, H.: Bestandskontrollierte Produktionsplanung und -Steuerung, in: Adam, D. (Hrsg.): Fertigungssteuerung I, Systeme zur Fertigungssteuerung, Wiesbaden 1988, S. 27 f. 257 Vgl. Wiendahl, H.P. / Lorenz, W. / Holzkämper, R.: Sichere Fertigungstermine ... durch einen neuen Ansatz der Fertigungssteuerung, in: io Management-Zeitschrift 52. Jg. 1983, Nr. 1, S. 36 ff. 258

Die Standard-Durchlaufzeiten können außer durch Schätzung oder Rückgriff auf Erfahrungswerte auch durch Studien ermittelt werden. Insbesondere die Systeme vorbestimmter Zeiten können hierbei angewendet werden. Der Einzelfertiger ist in einer schlechteren Situation, weil er nicht auf geplante Durchlaufzeiten zurückgreifen kann. Da für ihn Erfahrungs-

170

C. Ziele und Funktionen

solange genau sein wie es sich um reine Bearbeitungszeiten handelt. Doch auch bei der Planung der Bearbeitungszeiten sind, weil es sich bei den Zeiten aus Studien um Optimalzeiten handelt, Abweichungen von den SollZeiten zu erwarten, die aber durch einen Zeitzuschlag vermindert werden können. Der größte Teil der Durchlaufzeit besteht aus Warte- und Liegezeiten, die größtenteils, wenn sie nicht ein notwendiger Fertigungsbestandteil sind, nur geschätzt werden können. Die Ursache dafür liegt darin, daß die Warte- und Liegezeiten sich erst aus der Kapazitätssituation in der Fertigung ergeben.

Abbildung C.6: Das Durchlaufzeit-Syndrom Quelle: In Anlehnung an Zäpfel, G. / Missbauer, H.: PPS-Systeme mit Bestandsregelung zur Senkung von Durchlaufzeiten und Beständen, in: Information Management, 2. Jg. 1987, H. 1, S. 68.

werte gleicher Aufträge meist nicht vorhanden sind, kann er die Durchlaufzeiten lediglich mit Hilfe ähnlicher, schon produzierter Aufträge schätzen.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

171

Aus dem bisher gesagten kann geschlossen werden, daß eine Durchlaufzeit nicht genau geplant werden kann. Die Ist-Durchlaufzeiten werden somit von den geplanten Durchlaufzeiten abweichen und sich höchstens im Durchschnitt über einen längeren Zeitraum gesehen an den geplanten Wert annähern. Man spricht in diesem Fall von einer Streuung der Ist-Durchlaufzeiten um die geplanten Durchlaufzeiten. 259 Die Streuung der Durchlaufzeiten kann auch durch zu große Losgrößen verursacht sein. Je größer eine Losgröße gewählt wird, um so länger und um so weniger vorhersehbar werden die Wartezeiten vor den Betriebsmitteln sein, wodurch die geplanten Durchlaufzeiten als Summe der Bearbeitungszeiten zuzüglich von Liegezeitzuschlägen nicht mehr eingehalten werden können. 2 6 0 Die Streuung der Durchlaufzeit umfaßt sowohl Überschreitungen als auch Unterschreitungen der geplanten Durchlaufzeiten. Die Überschreitung der geplanten oder standardisierten Durchlaufzeiten bewirkt, daß sowohl der in Bearbeitung stehende Auftrag als auch die folgenden Aufträge in Verzug kommen. Wenn ein Auftrag die geplante Durchlaufzeit an einer der Arbeitsstationen überschreitet, können Abhängigkeiten zu anderen Betriebsaufträgen in den herkömmlichen PPS-Systemen nicht beachtet werden. Zwar kann der die geplante Durchlaufzeit überschreitende Auftrag die verlorene Zeit unter Umständen wieder aufholen, der nachfolgende, an der Arbeitsstation zu bearbeitende Auftrag hat diese Chance nicht. Als .

.

261

Ergebnis sind die Terminpläne nicht realistisch. U m aber Terminschwierigkeiten zu umgehen, werden die Aufträge bei Einsatz herkömmlicher PPS-Systeme noch früher freigegeben. Dies geschieht, indem den geplanten Durchlaufzeiten zusätzliche Pufferzeiten hinzugerechnet werden. 6 2 Die frühere Freigabe führt zur Steigerung der in die Fertigung freigegebenen Aufträge. Durch die zusätzliche Zahl der freigegebenen Aufträge steigt die Belastung an den Maschinen, und mithin die Durchlaufzeiten der wartenden Aufträge und die Bestände an unfertigen Erzeugnissen. Dies hat wiederum zur Folge, daß geplante und tatsächliche Durchlaufzeiten noch weiter voneinander abweichen und neuerdings Terminprobleme auftreten, wodurch wiederum die weiter anstehenden Aufträge verfrüht freigegeben werden.

259

Vgl. Häftter, S. 51. Die These der Sreuung der Durchlaufzeiten wurde ferner auch anhand von empirischen Untersuchung belegt. Vgl. Wiendahl, Grundlagen, Verfahrensaufbau, S. 19 ff. und Stommel, Kunz, S. 12, Stommel, S. 143. 260 Vgl. Helberg,, C I M Baustein, S. 155. 261 Vgl. Häfner, S. 49 ff. 262

Vgl. Glaser, H.: Computergestützte Verfahren zur Grobterminierung von Fertigungsaufträgen, in: WiSu, 17. Jg. 1987, S. 201.

172

C. Ziele und Funktionen

Die gleiche Wirkung läßt sich auch bei der Losgrößenbestimmung beobachten. Hier werden die durchschnittlichen Vorlaufzeiten, welche die Vorprodukte zur Fertigstellung in Anspruch nehmen, eingerechnet. Die durchschnittlichen Vorlaufzeiten werden nicht eingehalten, weil erstens eine Streuung dieser Zeiten zu erwarten ist und zweitens die Vergangenheitswerte oft veraltet oder ungenau sind und mit der tatsächlichen, augenblicklichen Situation nicht übereinstimmen. Folglich sind die für die Losgrößen später festzulegenden Termine schon wegen fehlender Vorprodukte unrealistisch. Dies bedeutet, daß die Vorlaufzeiten immer weiter verlängert werden, wodurch die Bestände in den für diese Teile zuständigen Werkstätten ansteigen. Damit verlängern sich wiederum die Durchlaufzeiten, und als Folge werden die Betriebsaufträge für Vorprodukte verfrüht freigegeben. Durch das Heranziehen von Heuristiken zur Losbildung, können die Lose die wirtschaftliche Losgröße übersteigen. Zwar werden in diesem Fall Rüstkosten eingespart, andererseits verlängern sich durch lange Auftragszeiten und damit lange Kapazitätsbelegungszeiten die Wartezeiten und Durchlaufzeiten sowohl des Fertigungsauftrages, dessen Losgröße die wirtschaftliche Losgröße übersteigt, als auch weiterer wartender Aufträge. 2 6 3 Die entstehenden größeren Zwischenlagerbestände verursachen steigende Kapitalbindungskosten, welche die eingesparten Rüstkosten unter Umständen kompensieren. Auch durch die hierdurch wachsenden Zwischenlagerbestände verlängern sich die Durchlaufzeiten.

e) Schwächen durch fehlende Steuerungsmechanismen I m herkömmlichen PPS-System sind bei Auftreten von Unstimmigkeiten geeignete Steuerungsmaßnahmen einzuleiten. Vorschläge hierfür fehlen allerdings im Schrifttum weitgehend. Bei Störungen zeigt sich nämlich, daß die Produktionspläne nicht mehr durchführbar sind, weil Produktionstermine nicht einzuhalten sind und sich die Kapazitätssituation durch Belegungsverschiebungen ändert. Dies bedeutet bei auftretenden Engpässen, daß die Produktionspläne völlig neu zu erstellen oder, wenn möglich, an die geänderte Situation anzupassen sind. Da solche Abweichungen und Störungen nahezu täglich auftreten, müßte jeden Tag ein Neuaufwurf der Planung stattfinden. Aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten wird dies aber unterbleiben, so daß anhand der vorhandenen Pläne zu improvisieren ist. Die Improvisation wird dabei nicht unter Kostengesichtspunkten durchgeführt, 263

Vgl. Brankamp, K. / Dammler, L.: Einfluß der Losgröße auf die Fertigungssteuerung,

in: Arbeitsvorbereitung, 21. Jg. 1984, S. 102; Helberg, P.: Anforderungen an PPS-Systeme für die CIM-Realisierung, in: C I M Management, 2. Jg. 1986, H. 4, S. 24 f.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

173

weil Maßnahmen, die aus der Zeitnot getroffen werden, wie Überstunden oder Überbeanspruchung der Betriebsmittel, zu stark steigenden Kosten führen. Zwar sind hierdurch Kosten durch Verkürzen der Kapitalbindung einzusparen, insgesamt übertreffen die progressiven Kosten der Überbeanspruchung die Kosteneinsparungen durch die verminderte Kapitalbindungsdauer. Zusätzlich sind in Engpaßsituationen noch Qualitätseinbußen zu erwarten. Auch sie führen zu steigenden Kosten. 2 6 5 Die Kosten können insgesamt derart ansteigen, daß ein Auftrag nur noch einen negativen Deckungsbeitrag erbringt. Daher sind die Steuerungsmaßnahmen mit der Kostenrechnung unter Kostengesichtspunkten abzustimmen. U m dies zu erreichen, sollten die Systeme bei der Ursachenforschung der Störung behilflich sein oder wenigstens die Auswirkungen einer Störung aufzeigen. 266 Auch eine Liste möglicher Störungsbeseitigungsmittel ist wünschenswert. Ausgehend von den zur Auswahl stehenden Alternativen lassen sich fertigungsnahe Simulationen durchführen, bei denen Parameteränderungen vorgenommen werden können. Als Ergebnis der Simulationen können die Auswirkung einer Produktionsänderung, Produktionsstörung oder Umweltveränderung auf die einzelnen Ziele erkannt werden. Diese sind aber bisher in einem herkömmlichen PPS-System nicht oder nur ansatzweise vorgesehen, was mit dem hohen Programmieraufwand der verschiedenen Störungsmöglichkeiten und der Auswirkungen auf die einzelnen Betriebsteile begründet ist. Eine Voraussetzung für Simulationen ist die Abbildung des Gesamtbetriebs in einem Betriebsmodell. Geeignete Steuerungsmaßnahmen können darüber hinaus oft nicht eingeleitet werden, weil Pufferzeiten bei auftretenden Engpässen nicht mehr existieren. Somit führen Engpässe zu Terminverzügen, weil die in der Durchlaufterminierung eingeplanten Pufferzeiten für Störungen in der Kapazitätsterminierung beseitigt werden, indem beim Kapazitätsabgleich die Arbeitsgänge an einem Arbeitsplatz innerhalb des bereitstehenden Puffers solange verschoben werden, bis ein lückenloser Kapazitätsbelegungsplan entstanden i s t . 2 6 7 Da dieser Vorgang für alle folgenden Arbeitsstationen ebenso durchgeführt wird, entfallen die Pufferzeiten, so daß ein Ausfall eines Betriebsmittels gleichzeitig eine Produktionsterminverschiebung an diesem und den folgenden Betriebsmitteln nach sich zieht. Aus diesem Grund wird in vielen Produktionsbetrieben mittlerweile auf einen genauen Kapazitätsabgleich verzichtet. Die Feinterminierung und Kapazitätsbelegung er264 265

Vgl. Gutenberg, Produktion, 18. Aufl., S. 367 ff. Vgl. Bergner, Filmwirtschaftslehre Bd. l / I I I , S. 164.

266

Vgl. Refa (Hrsg.), Teil 3, Steuerung, S. 297.

267

Vgl. Wiendahl , H.P.: Belastungsorientierte Fertigungssteuerung, in: technologie & ma-

nagement, 36. Jg. 1987, H. 2, S. 29.

174

C. Ziele und Funktionen

folgt dezentral in den Werkstätten, wo die Meister die dringlichen Aufträge zuerst einplanen. 268 Dies bedingt wiederum die Improvisation mit der Folge, daß nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten keine optimalen Ergebnisse zu erreichen sind. Insgesamt bleibt die Feststellung, daß die dargestellten PPS-Systeme ihren Schwerpunkt im Bereich der Planung bilden. Die eigentliche Steuerung ist nur rudimentär ausgebildet und wird meist den dezentralen Stellen überlassen. In Zeiten, in denen rasch wechselnde Marktveränderungen eine hohe Produktionsflexibilität erfordern, fällt aber gerade die Steuerung der Produktion ins Gewicht. 2 6 9 Auch fehlt durch die starke Trennung in zentral organisierte Planung und dezentrale Steuerung eine wirkungsvolle Abstimmung zwischen den beiden Regelkreisen.

2. Die Erfüllung wichtiger Anforderungen durch ein PPS-System Ein PPS-System muß ausreichend Flexibilität besitzen, um auf veränderte Umweltbedingungen, und zwar veränderten externen und internen Gegebenheiten, wie etwa Eilaufträgen, reagieren zu können und Störungen entsprechend zu behandeln. Ferner sollte es Flexibilität hinsichtlich der Anwendbarkeit für den jeweiligen Betriebstyp aufweisen und zur Motivation der Mitarbeiter beitragen. 2 Dabei sollte das System überschaubar und handhabbar bleiben. In diesem Kapitel wird zu analysieren sein, inwieweit diese Anforderungen durch das dargestellte herkömmliche PPS-System erfüllt werden können.

a) Die Flexibilität der eingesetzten Systeme aa) Die mangelnde Abstimmung auf die Gegebenheiten des Betriebstyps Die herkömmlichen PPS-Systeme sind überwiegend rechnergestützt. Ziel der Programmierung von Software zur Unterstützung der Planungs- und Steuerungsabläufe war ein System, das für alle Industriebetriebstypen, ob 268 2 6 9Vgl.

Wiendahl, Grundlagen, Verfahrensaufbau, S. 40. Vgl. Schomburg, E.: Aspekte zur Gestaltung EDV-gestützter PPS-Systeme unter Be-

rücksichtigung humaner Gesichtspunkte, in: Below, F.v. /

Borges, A . /

Hildebrandt, F.

(Hrsg.): Moderne Fabrikorganisation, Stand und Tendenzen, Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Rolf Hackstein, Berlin u.a. 1985, S. 255. 270

Vgl. Kap. C.I.3.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

175

für Einzel-, Serien- oder Massenfertigung, Fließ-, Baustellen- oder Werkstattfertigung anwendbar ist. Weil je nach Betriebstyp gesonderte Anforderungen an ein PPS-System gestellt werden, ist hier eine Vielzahl von Restriktionen zu berücksichtigen. Diese Anforderungen kann ein PPS-System für ein großes Anwendungsspektrum nicht bieten, so daß für die jeweiligen Anforderungen eines Betriebstyps Zusatzprogramme bereitzustellen sind. 2 7 1 Auch durch Zusatzprogramme sind nicht alle Anforderungen zu befriedigen, weil bestimmte Betriebstypen einen grundsätzlich anderen Programmaufbau erfordern. Beispielsweise kann ein Einzelfertiger seine Durchlaufzeiten nicht als standardisierte Durchlaufzeiten aus dem Arbeitsplan entnehmen, weil diese wegen spezifischer Kundenwünsche oft nicht existieren. Bei Einsatz eines herkömmlichen PPS-Systems ist unter den gegebenen Voraussetzungen durch Schätzen von Durchlaufzeiten die Improvisation gefragt. In der Baustellenfertigung wird, um ein weiteres Beispiel zu nennen, vor einer Mengenplanung eine Termin- und Kapazitätsplanung durchzuführen sein. Dies führt zu einer völligen Veränderung eines PPSSystems. Bei der Massenfertigung ist, wenn sie im Fließprinzip durchgeführt wird, eine ausführliche Losgrößenplanung nicht besonders wichtig. Ebenso ist eine Reihenfolgeplanung der Betriebsmittelfolgen zur Fließabstimmung nur einmal zu leisten. Die laufende Kapazitätsplanung, insbesondere Reihenfolgeplanung, ist unproblematisch, da die Kapazitäten aufeinander abgestimmt und Zwischenläger nur beschränkt vorhanden sind. Bedeutende Teile eines herkömmlichen PPS-Systems werden demnach in dem vorgesehenen Umfang nicht benötigt. Dagegen liegt bei Massenfertigung der Schwerpunkt auf der Bereitstellungsplanung der Einsatzteile und der Steuerung der Produktion. Gerade aber im Bereich der Steuerung kann ein herkömmliches PPSSystem zu wenig Unterstützung bieten. Als Fazit kann festgehalten werden, daß ein solches System nicht für alle Industriebetriebstypen gleichermaßen einsetzbar ist, sondern sein Anwendungsbereich hauptsächlich in der Serienfertigung mit Standarderzeugnissen, wie sie in der Maschinenbaubranche anzutreffen ist. konzipiert ist. Dort sind diese Systeme auch zuerst zum Einsatz gekommen.

271

Vgl. Becker, J.: Stand und Tendenzen der Weiterentwicklung von DV-gestützten Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssystemen, in: Ellinger, Th. / Wildemann, H. (Hrsg.): Praktische Fälle zur Produktionssteuerung, Wiesbaden 1978, S. 509 f. Vgl .Adam, Aufbau und Eignung, S. 16.

176

C. Ziele und Funktionen

bb) Die mangelnde Einbeziehung von Umweltveränderungen Die starren Verfahren innerhalb des herkömmlichen PPS-Systems verhindern den Aufbau eines gesamtkostenoptimalen Planes bei einer Veränderung externer Daten, wie etwa konjunkturabhängiger Rohstoffpreise. Die Programme sehen in diesem Fall keine Veränderung der Bestellmengen und Bestellhäufigkeiten vor. Beispielsweise geben sie durch ihre festen Auswahlmöglichkeiten von Heuristiken keine Entscheidungshilfen, ob es sich bei fallenden Rohstoffpreisen lohnt, Lagervorräte aufzubauen. Aber auch in Hochzinsphasen, in denen die Bestände möglichst niedrig zu halten sind, oder in Rezessionszeiten, in denen den Kapazitätsbeschränkungen wegen der schlechten Auslastung der Betriebsmittel nur ein geringes Gewicht beizumessen ist, leiste das dargestellte PPS-System keine Hilfestellung. 2 7 3 Dies liegt daran, daß auf die einzelnen zu verfolgenden Ziele durch die zur Auswahl stehenden Entscheidungsparameter nur unzureichend eingewirkt werden kann.

cc) Mangelnde Flexibilität bei Eilaufträgen Eilaufträge sind bei der Planung in den herkömmlichen PPS-Systemen nicht einzuschieben. Sie verändern den gesamten Produktionsplan, wenn nicht Terminprobleme bei den Folgeaufträgen in Kauf genommen werden. Zudem sind Veränderungsrechnungen durch den Einschub eines Eilauftrages nicht vorgesehen, so daß entweder eine völlige Neuplanung vorzunehmen ist - was wegen des zusätzlichen Aufwandes oft unterbleiben muß -, oder es dem Meister überlassen wird, wie er den Zusatzauftrag produzieren und den Produktionsplan erfüllen kann, ohne Termine zu überschreiten und Wartezeiten zu verlängern. Darüber hinaus werden für den Eilauftrag benötigte und noch zu produzierende Einsatzteile nicht getrennt produziert, sondern in den dafür vorgesehenen Losgrößen hergestellt, mit der Konsequenz, daß noch nicht benötigte Einsatzteile den Status "Eilauftrag" bekommen. Ein Lossplitting für diesen Fall ist nicht vorgesehen. Die Folge sind überhöhte Bestände von noch nicht benötigten Teilen und Terminrückstände bei anderen hinausgezögerten Aufträgen für Einsatzteile, die durch den Eilauftrag liegengeblieben sind. Sie erhalten dann in der nächsten Periode den Status "Eilauftrag". 274 273

Vgl. Mertens, P. / Heigl, M.: Neuere Entwicklungen der computergestützten Produktionsplanung, Eignung - Verbindung - Entwicklungspfade, 2. Überarb. Aufl., Erlangen 1984, S. 4. 274 Vgl. Helberg,, CIM-Baustein, S. 164.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

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dd) Mangelnde Flexibilität bei Störungen Das System schlägt bei Störungen innerhalb der Produktion keine Lösungsmöglichkeiten vor. In diesem Fall muß manuell gesteuert werden. Sofern die verlorene Produktionszeit nicht aufholbar ist, sind die Produktionspläne nicht mehr erreichbar, wenn nicht innerhalb der Pläne ausreichend Pufferzeiten geschaffen werden. Dies wird aber meist nicht der Fall sein, weil sich sonst die Durchlaufzeiten verlängern, die Kapazitätsauslastung der Betriebsmittel abnimmt und die Lagerbestände steigen. Hier ergeben sich für den Meister eventuell Möglichkeiten, Aufträge auf andere Betriebsmittel zu verlagern, sofern diese nicht ausgelastet sind und technisch als Ersatzkapazitäten in Frage kommen, obwohl sie im PPS-System nicht vorgesehen sind. I n den rechnergestützten Systemen wird nur eine der möglichen Maschinengruppen als verbindlich eingeplant. Störungen und Engpässe sind vom System zur Planung und Steuerung der Produktion durch das Halten von Puffern aufzufangen. Die bei der Durchlaufterminierung eingeplanten Pufferzeiten werden aber bei der Kapazitätsbelegung beseitigt. Darüber hinaus können die tatsächlichen durch Störungen bedingten Ausfallzeiten nicht vorhergesehen werden, so daß bestenfalls durchschnittliche Ausfallzeiten der Vergangenheit anzusetzen sind. Bei ihrem Ansatz ist zu bedenken, daß durchschnittliche und tatsächliche Ausfallzeiten einer Periode nicht übereinstimmen, wodurch bei störungsanfälliger Fertigung eine Feinplanung wegen unrealistischer Pläne oft nicht sinnvoll ist. Abschließend läßt sich feststellen, daß alle nicht eingeplanten Einflüsse, ob Eilauftrag, Störung innerhalb des Produktionsprozesses oder von außen einwirkende Einflüsse, Probleme bringen, die das PPS-System nicht oder kaum zu bewältigen in der Lage ist.

b) Die Motivation der Belegschaft Der Einsatz eines zentralen PPS-Systems gibt vor, daß alle Entscheidungen von einer zentralen, koordinierenden Stelle getroffen werden sollen, weil nur ihr die Daten und Kompetenzen zur Verfügung stehen. Dies führt zu Motivationsverlusten in den dezentralen Produktionsabteilungen, da hier nur die festen Vorgaben umzusetzen sind. 2 7 5 Lediglich bei auftretenden Stö-

275

Hierzu auch Hamacher, W. / Pape, D.: Wollen Sie ihre Produktion an die E D V anpassen? in: Arbeitsvorbereitung, 29. Jg. 1992, S. 45 und Glaser, H.: Verfahren zur Fertigungs12 Schwarzmaier

178

C. Ziele und Funktionen

rungen und Engpässen ist das Improvisationsvermögen der in den dezentralen Stellen Beschäftigten gefragt, weil geeignete Steuerungsmechanismen fehlen und eine zentrale Steuerung, wie sie im System ursprünglich vorgesehen ist, für die Unternehmen zu aufwendig ist. Die mit Steuerungsaufgaben betrauten Personen müssen wegen der verlangten Improvisation qualifiziert sein und bei veränderten Bedingungen selbständig Lösungswege finden, was wiederum ein gewisses Maß an Flexibilität erfordert. Darüber hinaus sind die zentralen Abteilungen oft nicht informiert, welche Verhältnisse und Bedingungen in der Produktion vorherrschen. Die zentrale Steuerung besagt, daß nur an den Stellen eines PPS-Systems, bei denen Schwächen auftreten, das Handeln der Meister und Arbeiter gefragt ist. Daher ist es notwendig, daß wenigstens die Meister der Produktionsabteilung an dem zentralen Planungsprozeß beteiligt werden, weil sie einerseits hohe Fachkompetenzen im Produktionsbereich besitzen und andererseits eine Beteiligung am Entscheidungsprozeß motivationsfördernd ist. Nicht nur bei den in den Produktionsabteilungen Tätigen findet eine Einengung des Arbeitsaufgabenfeldes in Richtung der ausführenden und kontrollierenden Tätigkeiten statt, sondern auch die Mitarbeiter der zentralen Planungsabteilung werden durch die starren Systeme in ihren dispositiven Aufgaben eingeengt, da ein PPS-System nur bestimmte Handlungsalternativen vorsieht und nur innerhalb dieser Alternativen ein Entscheidungsspielraum besteht. Somit werden dort die Routinetätigkeiten zunehmen. Etwaige Systemverbesserungen können nur im Zusammenhang mit dem Programmierer durchgeführt werden, was wiederum Motivationsverluste nach sich ziehen kann. PPS-Systeme, die auf diesem herkömmlichen System aufbauen, lassen dem Planer auch Entscheidungsspielräume, indem das System zwar Entscheidungsvorschläge unterbreitet, der Disponent aber die Entscheidung trifft und die Planungsausführung veranlassen kann. Somit wandelt sich das Verständnis eines PPS-Systems von einem Entscheidungssystem zu einem Informationssystem. 276

Steuerung in alternativen PPS-Systemen - Eine kritische Analyse, in: C I M Management, 8. Jg. 1992, H. 2, S. 6. 276 Vgl. Schomburgy Aspekte zur Gestaltung, S. 251 ff.

III. Erfüllung der Anforderungen und Ziele

179

c) Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und Übersichtlichkeit Hier sind insbesondere die Wirtschaftlichkeit des eingesetzten Systems sowie die Handhabbarkeit und Übersichtlichkeit der Systeme zu erläutern. Die Wirtschaftlichkeit eines eingesetzten Systems zur Planung und Steuerung der Produktion ist unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten zu bewerten. Diese Bewertung muß fallbezogen durchgeführt werden, so daß sich für das dargestellte PPS-System keine allgemeingültigen Aussagen treffen lassen. Wegen der gravierenden Schwächen läßt sich jedoch in der Praxis eine Tendenz zur Unzufriedenheit mit den sich im Einsatz befindenden herkömmlichen System erkennen. Hinsichtlich der Handhabbarkeit und der Übersichtlichkeit der PPS-Systeme kann festgestellt werden, daß sie sich durch ihren sukzessiven Aufbau nach einer Einarbeitungsphase gut nachvollziehen lassen. Mit zunehmender Komplexität des Produktionsprozesses und zunehmender Datenfülle werden die Mitarbeiter nur noch Teilaufgaben des Gesamtsystems zu erfüllen haben, so daß die Zusammenhänge meist verloren gehen. Dieselbe Wirkung ist bei wachsender Abstimmung mit weiteren Unternehmensteilsystemen zu erwarten. Zusätzlich können Programmbausteine, die Wahlmöglichkeiten für bestimmte Industriebetriebstypen vorsehen, den Disponenten verwirren. Die Folge steigender Wahlmöglichkeiten und Parameter ist ein komplexer Aufbau des Systems, den nur wenige Mitarbeiter durchschauen. 277 Von daher sollten diese Wahlmöglichkeiten aus dem allgemeinen Programmpaket herausgehalten und nur im Bedarfsfall hinzuprogrammiert werden. Das wird die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit der Systeme steigern. Aus Handhabbarkeitsgesichtspunkten und wegen der Schwächen eines herkömmlichen Systems zur Planung und Steuerung der Produktion ist außerdem zu überlegen, ob der Einsatz eines PPS-Systems nicht auf die wichtigsten Funktionen sowie die Routinetätigkeiten beschränkt sein sollte. Die übrigen Aufgabengebiete können dagegen ohne Rechnerunterstützung von qualifizierten Kompetenzträgern durchgeführt werden, wodurch zugleich die Motivation der operativen Planer durch größere Kompetenz gefördert wird. Abschließend bleibt festzuhalten, daß die herkömmlichen PPS-Systeme trotz der Schwächen, die sie aufweisen, einen wertvollen Beitrag zur Lösung der Probleme im Bereich der Produktion geleistet haben. Ihr Verdienst ist es, daß sich die Planung und Steuerung der Produktion in einem logischen, 277

S. 236.

Vgl. De Jong, H.: PPS - Nein Danke? in: F + H Fördern und Heben, 42. Jg. 1992, Nr. 4,

180

C. Ziele und Funktionen

streng gegliederten Aufbau vollzieht, und daß auch eine große Menge an Daten verarbeitet und Restriktionen berücksichtigt werden können. Zudem bildet dieser Grundaufbau einen sinnvollen Ansatz für weitere Verbesserungen. I m folgenden soll gezeigt werden, inwieweit die neueren Verfahren die Schwächen der herkömmlichen Systeme vermeiden, auf diesem Konzept aufbauen oder auf einem völlig neuem Aufbau der Produktionsplanung und Produktionssteuerung basieren.

D. Kritischer Vergleich der neueren Konzepte der Produktionsplanung und -Steuerung mit herkömmlichen PPS-Systemen

Nachdem die Funktionen und Schwächen eines herkömmlichen PPS-Systems erläutert sind, wird in diesem Abschnitt gezeigt, an welchen Funktionen der herkömmlichen PPS-Systeme die neueren Verfahren ansetzen, und wie sie aufgebaut sind. Im Rahmen der anschließenden kritischen Analyse der neueren Verfahren hinsichtlich ihrer Ziele und Anforderungen ist zu erörtern, ob und inwieweit neuere PPS-Systeme gegenüber dem Grundkonzept Vorteile aufweisen und einem Neuheitsanspruch gerecht werden. Als Basis der Analyse ist zunächst zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen von einem neueren Verfahren auszugehen ist und welche Anforderungen ein Verfahren erfüllen muß, damit diese Bezeichnung gerechtfertigt ist.

I. Die Neuheit eines Verfahrens In der Literatur werden solche Ansätze zur Produktionsplanung und -Steuerung als neue Verfahren bezeichnet, die in den letzten Jahren programmiert oder theoretisch entwickelt worden sind. Glaser setzt die Ausdrücke "neuere" und "modernere Verfahren" in Anführungszeichen und weist darauf hin, daß diese "neueren" Ansätze alle auf die MRP-Systeme zurückgreifen. 1 In der vorliegenden Untersuchung soll die Neuheit eines Verfahrens differenzierter als im Schrifttum betrachtet werden. Der Forderung nach Neuheit wird in Anlehnung an das Patentrecht, wo bestimmte Anforderungen zur Patentierbarkeit eines Erzeugnisses gestellt werden, 2 Rechnung getragen, wenn das Verfahren zur Produktionsplanung

1

Vgl. Glaser, Eine kritische Analyse, 1991, S. 21. Obwohl nach dem Patentgesetz wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden nicht patentierbar sind, sollen in der vorliegenden Untersuchung das Patent- sowie das Urhebergesetz - soweit möglich - zur Begriffsfestlegung der neueren Verfahren herangezogen werden. Vgl. § 1 Abs. 2, Nr. 1 Patentgesetz 1981 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. 2

D. Kritischer Vergleich

182

und -Steuerung über den Stand der Wissenschaft hinausgeht und es sich um eine geistige Leistung handelt. Zudem soll ein neues Verfahren gewerblich einsetzbar und wiederholbar sein. 3 Dem Stand der Wissenschaft entsprechen diejenigen Verfahren, die eine Umsetzung bekannter Erkenntnisse in Datenverarbeitungsprogramme darstellen oder durch "schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind". 4 Als neu sollen im Umkehrschluß Ideen bezeichnet werden, die der allgemeinen Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich sind. Neu sind demnach Verfahren, deren Konzepte erstmalig "in einer äußerlich wahrnehmbaren Form an die Außenwelt gelangen, sei es durch mündliche oder schriftliche Mitteilung (z.B. anläßlich eines Vortrags durch eine Skizze oder Beschreibung in der Fachliteratur)" 6 oder durch eine Programmveröffentlichung. Weiterhin soll es sich bei den neueren Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung um eine geistige Leistung zum Finden von Neuerungen innerhalb der Planung und Steuerung der Produktion handeln. 7 Eine geistige Leistung muß dabei eine ausreichende Erfindungshöhe aufweisen. Für die Verfahren zur Planung und Steuerung der Produktion bedeutet das, daß die Entwicklung des neuen Verfahrens auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, die sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Wissenschaft ergibt. 8 Die Neuerungen, die aus individuellen Fähigkeiten hervorgegangen sind, erfüllen die Anforderung der Erfindungshöhe, wenn die Inhalte, der Ablauf sowie die Anordnung oder Zusammenstellung der Aufgaben der Produktionsplanung und -Steuerung erheblich verändert werden. 9 Außerdem wird einem Verfahren eine ausreichende Erfindungshöhe zugesprochen, wenn es nicht nur punktuell, das heißt nur an einer bestimmten Funktion der Produktionsplanung und Produktionssteuerung, ansetzt und die dort auftretenden Schwächen verbessert, sondern

Dezember 1980, in: BGBl. 11981, S. 1 mit allen späteren Änderungen, im folgenden abgekürzt als PatG. 3 Vgl. § 5 Abs. 1 PatG. 4 5

§ 3 PatG. Vgl. Bernhardt,

W. / Kraßer,

R.: Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., München 1986, S.

151. 6 Bergner, H.: Das System des deutschen Findungsschutzes, in: Zahn, E. (Hrsg.): Technologie· und Innovationsmanagement, Festgabe für Gert von Kortzfleisch zum 65. Geburtstag, Berlin 1986, S. 209. 7

Vgl. Bergner, H.: Einführung in das Patentrecht, in: WiSt, 16. Jg. 1987, S. 425.

8 9 Vgl. § 4, Satz 1 PatG. Vgl. Hubmann, H.: Urheber- und Verlagsrecht - ein Studienbuch, 7. Aufl., München

1991, S. 29.

I. Die Neuheit eines Verfahrens

183

wenn es den gesamten Aufbau eines anderen, zum Beispiel herkömmlichen Systems, verändert. Demnach sollte ein Verfahren, das als neuer Ansatz anzunehmen ist, im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren das ganze System oder zumindest einen größeren Teil des Systems im Aufbau oder in der Funktionsweise verbessern. Ansonsten ist von einer Weiterentwicklung des herkömmlichen PPS-Systems und nicht von einem neuen Verfahren auszugehen. In begründeten Ausnahmen können Teilansätze nach der Neuheitsprüfung, obwohl sie nur an bestimmten Punkten des herkömmlichen PPS-Systems ansetzen, als neue Verfahren bezeichnet werden. Dies ist der Fall, wenn die Änderungen gegenüber den herkömmlichen PPS-Systemen und den Vorgehensweisen der traditionellen Arbeitsvorbereitung eine grundsätzlich neue Idee darstellt, und der Aufbau oder Ablauf der Produktionsplanung und -Steuerung nachhaltig verändert wird. In diesem Fall ist eine ausreichende Erfindungshöhe anzunehmen. Neben den in der Literatur veröffentlichten Entwicklungsvorschlägen der Produktionsplanung und -Steuerung sind "neuere Verfahren", die der Öffentlichkeit über Softwareprogramme zugänglich sind, auf ihre Neuheit zu untersuchen. Bei der erstmaligen Veröffentlichung eines neuen Verfahrens in einem Datenverarbeitungsprogramm ist für die Erstellung des Programms zu fordern, daß die tägliche Arbeit eines Durchschnittsprogrammierers deutlich zu übertreffen ist. 1 0 Dies ist der Fall, wenn der Algorithmus oder das Programm einen grundsätzlich veränderten Aufbau der Produktionsplanung und -Steuerung aufzeigt. 11 Wie im Urheberrechtsgesetz, wo der Algorithmus selbst keinen Schutz genießt, 12 werden in der vorliegenden Untersuchung nicht die Software, sondern die Ideen, die hinter einem neueren Verfahren stehen, beurteilt. Werden lediglich bekannte Methoden in Software umgesetzt, wird nicht von einem neuen Verfahren, sondern von einer Weiterentwicklung gesprochen. Da für die Beurteilung der Methode das eingesetzte Hilfsmittel unerheblich ist, steht der konzeptionelle Gesichtspunkt im Mittelpunkt. Ansätze, die lediglich auf der höheren technischen Leistung von Informations- und Kommunikationssystemen basieren, sind desgleichen nicht als neue Verfahren zu werten.

10

Vgl. Bergner, Patentrecht, S. 428.

11

Vgl. Bergner, Patentrecht, S. 428. Dies wird nur für solche Softwareprogramme gelten, in denen neue Ideen hinsichtlich der Auswahl, Sammlung, Einteilung, Anordnung und Verarbeitung von Informationen enthalten sind. Vgl. Ulmer, E.: Urheber- und Verlagsrecht, 3., neu bearb. Aufl., Berlin u.a. 1980, S. 1. 12

Vgl. Bergner, Patentrecht, S. 428.

184

D. Kritischer Vergleich

Eine weitere Anforderung an ein neues Verfahren ist seine gewerbliche Anwendbarkeit: Ein Unternehmen muß das jeweilige Verfahren zur Planung und Steuerung der Produktion wirtschaftlich einsetzen können. 1 3 Theoretische, in der Praxis nicht zu verwendende Ansätze sollen nicht weiter betrachtet werden. Ist eine praktische Anwendungsmöglichkeit nicht gegeben, handelt es sich nicht um ein neues Verfahren, sondern um ein Modell oder um ein Konzept. "Gewerblich einsetzbar" wird dabei nicht in der Weise verstanden, wie sich eine bestimmte Software an andere Unternehmen verkaufen läßt, sondern das Kriterium der gewerblichen Einsetzbarkeit gilt bereits als erfüllt, wenn eine Methode in mehreren Unternehmen zur Produktionsplanung und -Steuerung anwendbar ist. Unternehmensspezifische Modifikationen als individuell zugeschnittene Anwendungen scheiden damit aus der vorliegenden Untersuchung aus. Als letzte Anforderung an ein neues Verfahren ist die Wiederholbarkeit bestimmter Planungsläufe und Steuerungsmaßnahmen anzuführen. Demnach werden zufällig getroffene, einmalige Maßnahmen, die dem Bereich des Zufalls oder der Improvisation zuzuordnen sind, 14 nicht als Verfahren, sondern als Improvisations- oder Zufallsmaßnahmen bezeichnet. Aus den vorangehenden Ausführungen ergibt sich für die weitere Untersuchung der PPS-Systeme folgende Grobeinteilung, nach der die Verfahren hinsichtlich ihrer Neuheit zuzuordnen und zu überprüfen sind: Falls alle vier Anforderungen - die geistige Leistung mit einer ausreichenden Erfindungshöhe, das Übertreffen des Wissenschaftsstandards, die Wiederholbarkeit und die wirtschaftliche Anwendbarkeit des Verfahrens - gegeben sind, wird von einem neuen Verfahren gesprochen. Ist die Wiederholbarkeit nicht gegeben, handelt es sich um Improvisations- oder Zufallsmaßnahmen. Liegt die wirtschaftliche Anwendbarkeit nicht vor, wird von einem Modell oder einem Konzept gesprochen. Eine fehlende Erfindungshöhe oder ein Verfahren, das dem Stand der Wissenschaft entspricht, führt zur Klassifikation als Weiterentwicklung. Hierunter fallen unter anderen die Verfahren, die alte Ideen wiederaufgreifen und in Software umsetzen. Vor der Einteilung der neueren Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung nach obigen Kategorien sind für die Untersuchung weitere Einteilungskriterien zur Ordnung der im folgenden vorzustellenden neueren Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsansätze zu verwenden. Dabei sollen der Bedarf und die Schwierigkeiten einer solchen Einteilung deutlich werden. 13

14

Vgl. § 5 Abs. 1 PatG. Vgl. Bergner, Findungsschutz, S. 215.

II. Einteilung der neueren Verfahren

185

II. Einteilung der neueren Verfahren Die zunehmende Auseinandersetzung mit der Anpassung der Produktionsplanung und -Steuerung an ein geändertes Umfeld, betriebliche Anpassungen sowie die veränderte Zielgewichtungen hat zu einer Vielzahl von Lösungsansätzen geführt, die es zu systematisieren gilt. U m eine Einteilung der neueren Verfahren anhand bestimmter Kriterien für die vorliegende Arbeit aufstellen zu können, sind zuvor die im Schrifttum verwendeten Kategorien der neueren Verfahren sowie die dazu verwendeten Kriterien hinsichtlich einer Verwendungsmöglichkeit zu prüfen.

1. Einteilungen im Schrifttum Für die zahlreichen Entwicklungstendenzen existiert im Schrifttum nach vorliegendem Kenntnisstand keine allgemeingültige umfassende Einteilung. Weil folglich auf eine allgemeingültige Einteilung der Verfahren zur Produktionsplanung und -Steuerung nicht zurückgegriffen werden kann, werden im Schrifttum die neueren Verfahren nur selten mit Hilfe von Kriterien unterteilt. Sofern überhaupt verschiedene Ansätze zur Produktionsplanung und -Steuerung in einer Veröffentlichung gleichzeitig diskutiert werden, handelt es sich meist um eine unsystematische Aneinanderreihung der Entwicklungstendenzen. Als Beispiele hierfür seien die Veröffentlichungen von Glaser et al. 1 5 , Pape 1 6 und Schweitzer 17 angeführt. Die wenigen Unterteilungsvorschläge gehen auf die Kriterien "Ausgangsgröße der Planung", "Zentralität" und "Umfang der Konzeptionen" zurück. Nach dem Kriterium der Ausgangsgröße der Planung werden die Verfahren nach engpaßorientierten Verfahren mit einer Engpaßplanung und bestandsorientierten Verfahren mit einer Bestandsregelung unterteilt. Als Beispiele für Verfahren der Bestandsregelung werden das Verfahren der belastungsorientierten Auftragsfreigabe, das Input- / Output-Control und das KANBAN-Verfahren genannt. Für Verfahren der Engpaßplanung wird das OPT-Verfahren angeführt. 18 Hinsichtlich der Einteilung ist festzustellen,

15

Vgl. Glaser / Geiger /Rohde, S. 196 ff.

16

Vgl. Pape, D.F.: Logistikgerechte PPS-Systeme, Konzeption, Aufbau, Umsetzung, Köln 1990, S. 38 ff. 17 Vgl. Schweitzer, Fertigungswirtschaft, S. 664 ff. 18 Vgl. Zäpfel, G. / Missbauer, H.: Neuere Konzepte der Produktionsplanung und -Steuerung in der Fertigungsindustrie, in: WiSt, 17. Jg. 1988, S. 127. Corsten übernimmt diese

D. Kritischer Vergleich

186

daß alle Verfahren bis auf das OPT-Verfahren und die engpaßorientierte Disposition als bestandsorientiert oder bestandsgeregelt zu bezeichnen sind. Das OPT-Verfahren und die engpaßorientierte Disposition setzen darüber hinaus auch an den Zwischenlagerbeständen an, wodurch beide Ansätze streng genommen beiden Kategorien zurechenbar sind. Die Ursache für die mangelnde Eindeutigkeit der Zuordnung liegt darin, daß die Bestandssenkung ein Ziel ist, das alle Verfahren anzustreben haben. Weiterhin werden die Verfahren im Schrifttum nach dem Zentralisierungsgrad der zu treffenden Entscheidungen in zentrale und dezentrale Verfahren eingeteilt. 19 Z u den zentral organisierten Systemen zählen das herkömmliche MRP-System, das MRP Ii-System und das OPT-Verfahren; den dezentralen Systemen können die belastungsorientierte Auftragsfreigabe, das KANBAN-Verfahren und das Fortschrittszahlensystem zugeordnet werden. 2 0 Die Frage der Zentralität und Dezentralität stellt sich hauptsächlich bei der taggenauen Einplanung und der Lenkung der Produktion, weil längerfristige Produktionsplanungen in allen Verfahren zentral durchzuführen sind. Gleichermaßen ist bei den zentral zugeordneten herkömmlichen PPS-Systemen (also den M R P I Systemen) und den M R P Ii-Systemen eine dezentrale Produktionssteuerung im gewissen Umfang möglich. Obwohl dieses Kriterium nicht für den gesamten Bereich der Produktionsplanung und -Steuerung gilt, sondern überwiegend für den Teil der Produktionssteuerung relevant ist, und innerhalb der Produktionssteuerung eine eindeutige Zuordnung zu den Kategorien "zentral" und "dezentral" wegen vieler möglicher Zwischenformen nicht zweifelsfrei möglich ist, kann das Merkmal der Zentralität eine weitergehende Einteilung sinnvoll unterstützen, wenn von einer typischen Anwendung ausgegangen wird. 21

Schröder bildet zwei Gliederungsebenen, indem er das Kriterium des "Umfangs der Konzeptionen" und das Merkmal "Ausgangspunkt der Planung" nacheinander anwendet. Im einzelnen unterteilt er auf der ersten Gliederungsebene nach dem Merkmal des Umfangs die jeweiligen in Frage kommenden Konzepte in eine zusammengesetzte Kategorie mit ModifikaEinteilung und führt als weiteres Beispiel für engpaßorientierte Verfahren die engpaßorientierte Disposition auf. Vgl. Corsten, Produktionswirtschaft, S. 419 und 433 ff. 19

Vgl. Glaser, Eine kritische Analyse, 1991, S. 21. Er weist nach, daß diese Unterscheidung sich überwiegend auf die Fertigungssteuerung bezieht, während Zäpfel, der dieses Kriterium zusätzlich zu seiner Einteilung mitheranzieht, von der Dezentralität und der Zentralität des gesamten PPS-Systems ausgeht. Vgl. Zäpfel, Strategisches, S. 197. 20

Vgl. Glaser / Geiger / Rohde, S. 227, 246, 269. Vgl. Schröder, Entwicklungsstand und -tendenzen bei PPS-Systemen, Arbeitsbericht Nr. 26 des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Industriebetriebslehre und Produktionswirtschaft, Köln 1989, S. 10,18. 21

II. Einteilung der neueren Verfahren

187

tionen oder Weiterentwicklungen des herkömmlichen PPS-Konzeptes sowie in die Kategorie der neuen Konzepte. Während die Modifikationen an ganz bestimmten Stellen eines PPS-Systems punktuell ansetzen, betreffen die neuentwickelten Konzepte das ganze System der Produktionsplanung und -Steuerung. Sie besitzen gegenüber dem herkömmlichen Konzept einen grundsätzlich anderen Aufbau oder Ablauf. Nach dem Ausgangspunkt der Planung unterteilt er die Weiterentwicklungen auf der zweiten Ebene in belastungs- und engpaßorientierte Ansätze, während er die Modifikationen nicht weiter untergliedert. A n dieser Systematisierung ist zu kritisieren, daß die als neu bezeichneten Verfahren trotz der Einteilung in Weiterentwicklungen und neue Konzepte nicht zusätzlich hinsichtlich der Neuheit überprüft werden. Sinnvoll an der Unterteilung ist die implizite Verwendung des Kriteriums "Umfang der Konzeptionen". In der zu leistenden Analyse wird darüber hinaus als Ergebnis der Neuheitsprüfung eine Zuordnung angestrebt, die weitgehend der von Schroeder verwendeten Einteilung in Weiterentwicklungen und neue Verfahren entspricht, wobei zunächst die jeweiligen Ansätze hinsichtlich der Neuheitsanforderungen zu prüfen sind. Dabei ist zu prüfen, ob es sich bei den Entwicklungsvorschlägen um Weiterentwicklungen oder um neue Verfahren handelt und ob die Vollansätze tatsächlich neue Verfahren darstellen. Trotz der vorgestellten Unterteilungen bleibt festzuhalten, daß bislang keine allgemeingültige Systematik vorliegt, auf die in der vorliegenden Untersuchung zurückgegriffen werden kann. Dies verwundert nicht, weil bei Anwendung der vorgestellten Kriterien Abgrenzungsprobleme zwischen den einzelnen Kategorien bestehen. Trotz der bestehenden Problematik soll im folgenden eine Unterteilung angestrebt werden. Der Versuch, die Entwicklungstendenzen zu systematisieren, kann dabei weder Überschneidungen vermeiden noch einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

2. Die Einteilung der neueren Verfahren in der vorliegenden Untersuchung Wie aus Abbildung D . l zu entnehmen ist, werden bei der Einteilung der neueren Verfahren in der vorliegenden Untersuchung zwei Gliederungskriterien nacheinander angewendet. Auf der obersten Unterteilungsebene wird als erstes das Kriterium "Umfang der Konzeptionen" angewendet. Ihm ist

188

D. Kritischer Vergleich

als zweites Merkmal die Art des Material- und Informationsflusses untergeordnet. Bei dem Kriterium des Umfangs der Konzeptionen wird der Ganzheitscharakter eines Verfahrens untersucht. Hierbei stellt sich die Frage, ob die neueren Verfahren prinzipiell vollständige Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsansätze anbieten, oder ob sie nur einen Teilbereich der Planung und Steuerung abdecken und für die übrigen Teilbereiche das herkömmliche PPS-Grundkonzept herangezogen werden muß. I n der vorliegenden Untersuchung sind nach diesem Merkmal des Umfangs einmal Ansätze zu unterscheiden, die nur ganz bestimmte Teilfunktionen der Planung und Steuerung verbessern und erweitern, und Ansätze, die entweder eine ganz andere Organisation der Produktion als bei Anwendung der herkömmlichen PPS-Systeme verwirklichen und damit weitreichende Veränderungen des Aufbaus und der Abläufe bei der Planung und Steuerung der Produktion hervorrufen oder mehrere Funktionen der Planung und Steuerung erweitern oder verbessern (siehe Abbildung D . l ) . Die neueren Verfahren mit Ganzheitscharakter stellen Totalmodelle dar. Die nur an bestimmten Teilfunktionen der Produktionsplanung und -Steuerung ansetzenden Verfahren sollen als Partialmodelle bezeichnet werden. Hierzu zählen die belastungsorientierte Auftragsfreigabe, die bestandsgeregelte Durchflußsteuerung und die retrograde Terminierung. Sie alle setzen an der Funktion "Auftragsveranlassung" bei der Auftragsfreigabe an. Ihr Ziel ist es, die kurzfristige Reihenfolgeplanung unter Berücksichtigung der Terminsituation der Aufträge und der vorhandenen Kapazitäten zu verbessern, um die Bestände zu senken und die Durchlaufzeiten zu verkürzen. Zur Kategorie der Partialmodelle zählen weiter das Input- / OutputControl, die kapazitätsorientierte Materialwirtschaft, die Planung mit verdichteten Daten sowie Expertensysteme, wie beispielsweise das PEPS- und das ISIS-Expertensystem. Auch sie modifizieren eine oder wenige Funktionen der Produktionsplanung und -Steuerung.

22

stem.

PEPS: Prototyp Expert Priority

Scheduler, ISIS: Intelligent Scheduling and Informatio

nach der Zentralitât der Planung und Steuerung:

nach der Weitergabe von Materialien und Informationen:

nach dem Umfang:

Kriterium:

MRPI

II

MRP II

/uberwiegend\

/

überwiegen a\ zentral )

/

freigäbe

Terminierung

Control

I

Fortschritte RANBAN

dezentral )

^

Λ

konzept

Hol.Prinzip