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German Pages [434] Year 2015
Evangelische Hochschulschriften Freiburg
Band 4
Herausgegeben von Wilhelm Schwendemann, Dirk Oesselmann, Jürgen Rausch und Kerstin Lammer
Wilhelm Schwendemann / Bernhard Goetz / Kerstin Lammer (Hg.)
Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei Polizeiseelsorge und Berufsethik der Polizei
In Zusammenarbeit mit Susanne Fiesel, Mareike Götz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Isabel Kimmer, Doris Klett, Elvira Leskowitsch, Friederike Schilka, David Schmitz
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-5340 ISBN 978-3-8471-0468-1 ISBN 978-3-8470-0468-4 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0468-8 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Landeskirche in Baden. Ó 2015, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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0. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0.1 »Unterwegs in den Welten der Polizei« – Kirche »in« der Polizei – eine Begegnung der anderen Art (Bernhard Goetz) . . . . . . 0.2 Vorwort Wilhelm Schwendemann . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Theoretischer Referenzrahmen (Susanne Fiesel, Mareike Götz, Bernhard Goetz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Isabel Kimmer, Doris Klett, Kerstin Lammer, Elvira Leskowitsch, Friederike Schilka, David Nicolas Schmitz, Wilhelm Schwendemann) 1. Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz . . . . . . . . . .
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2. Seelsorge und seelische Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Der Begriff »Seelsorge« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Modelle und Konzepte evangelischer Seelsorge . . . . . . . . . . 2.3 Geschichte der Polizeiseelsorge in Deutschland . . . . . . . . . 2.4 Theologische Grundlagen der Polizeiseelsorge . . . . . . . . . . 2.5 Selbstverständnis der Polizeiseelsorge . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Aufgaben der Polizeiseelsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Polizeiseelsorge als Notfallseelsorge und Unterstützung in belastenden Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Polizeiseelsorge als Seelsorge »zwischen Tür und Angel« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Polizeiseelsorge in der Badischen Landeskirche . . . . . 2.6.4 Spirituelle Angebote der Polizeiseelsorge . . . . . . . .
33 33 38 43 45 47 48 49 51 52 53
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Inhalt
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4. Motivation und Forschungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Methodische Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Forschungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Die Qualitative Forschung . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Die Quantitative Forschung . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Vorgehensweise bei der vorliegenden Studie . . . . 5.3 Auswahl der Interviewpartner_innen und Kontaktaufnahme 5.3.1 Auswahl der Interviewpartner_innen in der vorliegenden Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Kontaktaufnahme mit den Interviewpartner_innen . 5.4 Interviewsituation und Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Definition Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Interviewform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Narratives Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Problemzentriertes Interview . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Fokussiertes Interview . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Ethnografisches Interview . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.5 Experteninterview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.6 Gruppendiskussionsverfahren . . . . . . . . . . . . 5.5.7 Leitfadeninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Interviews mit den Proband_innen . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Interviews mit den Projektteilnehmenden . . . . . .
3. Berufsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Ethik und Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Normen und Werte . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ethik im Polizeiberuf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Ethisches Handeln in der Polizei . . . . . . . . . 3.2.2 Die Berufsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Berufsethikunterricht in der Polizei . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Inhalte des Berufsethikunterrichts . . . . . . . . 3.3.3 Curriculum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Daseinsberechtigung des Berufsethikunterrichts
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II. Das Forschungsprojekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« (Bernhard Goetz, Katrin Hagen, Isabel Kimmer, Friederike Schilka, Wilhelm Schwendemann)
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Inhalt
5.6.2
Interviews mit den Beamt_innen in Führungspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Interviews mit den Polizeibeamt_innen in der Bereitschaftspolizei Dachau . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Erwartungen an die Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.1 Erwartungen an die Interviews der Projektteilnehmer_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 Erwartungen an die Interviews mit den Beamt_innen in Führungspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.3 Erwartungen an die Interviews der Polizeibeamt_innen in der Bereitschaftspolizei Dachau . . . . . . . . . . . . 5.8 Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Die fünf moderaten Grundregeln des Transkribierens . . . . . . 5.10 Analyse der Transkripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.1 Prinzip der Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.2 Sequenzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.3 Fremdverstehen: Problematik . . . . . . . . . . . . . . 5.10.4 Grundprinzipien der rekonstruktiven Analyse . . . . . 5.11 Kodierung und Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12 Die Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13 Erstellung eines Leitfadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13.1 SPSS- Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Theoretischer Referenzrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Kontaktaufnahme und Zusammensetzung der Gruppe . . . . 6.2 Forschungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Dissemination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Auswahl der Interviewpartner_innen . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Entwicklung der Leitfäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Auswahl der Fragen auf der Basis der SPSS- Methode 6.6 Generierung der Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Entwicklung der Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Der Begriff des Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Gesundheitsmanagement & Copingstrategien . . . 7.1 Exkurs – Salutogenese . . . . . . . . . . . . . 7.2 Transaktionales Stressmodell . . . . . . . . . 7.3 Was ist Bewältigung? . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Ergebnis der Interviews . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Belastende Faktoren im Polizeidienst 7.4.2 Beratungsmöglichkeiten . . . . . . . .
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Inhalt
7.4.3 7.4.4 7.4.5
Polizeipsycholog_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriseninterventionsteams . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Aussagen zur Polizeiseelsorge und Seelsorge im Allgemeinen . . . 9.1 Innerpolizeiliches Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Beziehungsarbeit, Nähe und Distanz und Ansprechbarkeit von Polizeiseelsorger_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10. Verhältnis der Polizei zur Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11. Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Subkategorie »Existenzielle Betroffenheit« . . . . . . . . . . . . 11.2 Subkategorie »Theologische Themen« . . . . . . . . . . . . . .
153 153 155
12. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13. Überleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik 8.1 Subkategorie Ethik im Beruf . . . . . . . . . . . 8.1.1 Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Subkategorie Ethik in der Ausbildung . . . . . . 8.2.1 Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . .
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III. Das Forschungsprojekt »Untersuchung zur Berufsethik in der Polizei« (Susanne Fiesel, Bernhard Goetz, Mareike Götz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Doris Klett, Elvira Leskowitsch, David Nicolas Schmitz, Wilhelm Schwendemann) 14. Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Bezugnahme auf das Forschungsprojekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Wahl der Forschungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Definition: Qualitative Sozialforschung . . . . . . . 14.2.2 Definition: Quantitative Sozialforschung . . . . . . 14.2.3 Warum Qualitative Sozialforschung? . . . . . . . . . 14.3 Methodologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Art der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
14.4 Vorgehen bei den Interviews . . . . . . . . . . 14.4.1 Exemplarische Entwicklung des ersten Interviewleitfadens . . . . . . . . . . 14.4.2 Vorbereitung der Interviews . . . . . 14.4.3 Durchführung der Interviews . . . . . 14.4.4 Transkription . . . . . . . . . . . . . 14.4.5 Auswertung der Daten . . . . . . . . . 14.4.6 Detailliertes Vorgehen . . . . . . . . . 14.4.7 Zweite Interviewreihe . . . . . . . . . 14.5 Grenzen, Reichweite, Reflexion . . . . . . . .
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15. Ergebnisse des Forschungsprojektes »Untersuchung zur Berufsethik in der Polizei« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Erläuterung der Kategorientafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Makrokategorie I – Berufsethik und kommunikatives Handeln . 15.2.1 Subkategorie 1: Überbringen einer Todesnachricht . . . 15.2.2 Subkategorie 2: Umgang mit dem Tod . . . . . . . . . . 15.2.3 Subkategorie 3: Umgang mit Unfällen . . . . . . . . . . 15.2.4 Subkategorie 4: Umgang mit Anderen . . . . . . . . . . 15.2.5 Subkategorie 5: Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . 15.2.6 Subkategorie 6: »Misshandlung« . . . . . . . . . . . . . 15.2.7 Subkategorie 7: Innere Konflikte . . . . . . . . . . . . . 15.2.8 Subkategorie 8: Christliches Leitbild . . . . . . . . . . . 15.3 Makrokategorie II – Berufsethikunterricht . . . . . . . . . . . . 15.3.1 Subkategorie 1: Berufsethikunterricht . . . . . . . . . . 15.3.2 Subkategorie 2: Beziehung Lehrperson/ Ausbilder . . . 15.3.3 Subkategorie 3: Vorurteile . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.4 Subkategorie 4: Themenwünsche . . . . . . . . . . . . . 15.4 Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf . . . . . . . . . . 15.4.1 Subkategorie 1: Privatheit und private Interessen . . . . 15.4.2 Subkategorie 2: Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3 Subkategorie 3: Persönlichkeit und professioneller Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.4 Subkategorie 4: Gefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.5 Subkategorie 5: Ängste, Sorgen, Befürchtungen . . . . . 15.4.6 Subkategorie 6: Hoffnungen und Erwartungen/ Wünsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.7 Subkategorie 7: Familiäre Sozialisation . . . . . . . . .
183 183 185 185 189 192 193 196 200 206 213 216 217 238 246 248 256 257 261 264 271 275 288 298
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Inhalt
15.5 Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen und Bewältigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5.1 Subkategorie 1: Fach- und Sachlichkeit: Professionsverständnis von Seelsorger_innen . . . . . 15.5.2 Subkategorie 2: Gespräche führen mit… . . . . . . . . 15.5.3 Subkategorie 3: Wahrnehmung eigener Ängste, Versagensängste, Erwartungen . . . . . . . . . . . . . 15.5.4 Subkategorie 4: Reflexion der Berufswahl . . . . . . . 15.5.5 Subkategorie 5: Bewältigungsstrategie Sport . . . . . . 15.5.6 Subkategorie 6: Bewältigungsstrategie Musik . . . . . 15.5.7 Subkategorie 7: Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . 15.5.8 Subkategorie 8: Umgang auf dem Revier . . . . . . . . 15.5.9 Subkategorie 9: Sonstige Strategien . . . . . . . . . . 15.5.10 Subkategorie 10: Ziel der Verarbeitung . . . . . . . . 15.6 Makrokategorie V – Praktikum . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.1 Subkategorie 1: Umgang mit Konflikten . . . . . . . . 15.6.2 Subkategorie 2: Umgang mit potenziell traumatischen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.3 Subkategorie 3: Umgang mit besonderen Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.4 Subkategorie 4: Anforderungen an das eigene Ich . . 15.6.5 Subkategorie 5: Erwartungen an Anleitende, Lehrer_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6.6 Subkategorie 6: Theorie-Praxis-Problem . . . . . . . 15.6.7 Subkategorie 7: Habitus- und Statusfragen . . . . . . 15.7 Makrokategorie VI – Polizeiberuf/Profession/ Ausbildung . . 15.7.1 Subkategorie 1: Schultheorie, Schulwissen . . . . . . . 15.7.2 Subkategorie 2: Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . 15.7.3 Subkategorie 3: Reflexion der Praxis . . . . . . . . . . 15.7.4 Subkategorie 4: Negative Begleitumstände des Berufes 15.7.5 Subkategorie 5: Alltägliche Herausforderungen . . . . 15.7.6 Subkategorie 6: Professionelle Haltung . . . . . . . .
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301 312
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386 394
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396 402 408 412 412 415 417 418 420 423
16. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Danksagung
Wir bedanken uns bei allen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Zunächst gilt unser Dank allen Polizeischüler_innen, die sich für die Teilnahme an den Interviews bereit erklärt haben. Ohne ihre Bereitschaft, uns im Rahmen der Befragungen ehrliche und aufschlussreiche Antworten auf unsere Fragen zu geben, hätten die vorliegenden Studien nicht durchgeführt werden können. Wir danken der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg, Institut für Ausbildung und Training, Institutsbereich Ausbildung Lahr, für ihre Kooperationsbereitschaft. Insbesondere haben Herr Thomas von Ey und Frau Claudia Schaller durch die Organisation der Interviews, die Ermöglichung der Teilnahme der Forschungsgruppe an Unterrichtsstunden der Polizeischule und die herzliche Aufnahme an der Polizeischule Lahr einen entscheidenden Beitrag zu unserem Forschungsprojekt geleistet. Des Weiteren gilt unser Dank Herrn Polizeioberrat Paul Hörl und Herrn Polizeiobermeister Manfred Schilka in Dachau sowie den Polizeirevieren Freiburg-Nord und Freiburg-Süd. Die Möglichkeiten zur Hospitation und Begleitung bei der alltäglichen Polizeiarbeit haben uns einen wichtigen Einblick in die Herausforderungen des beruflichen Alltags von Polizist_innen eröffnet und unsere Perspektiven erweitert. Wir bedanken uns bei Herrn Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann und Herrn Landes- und Bundespolizeipfarrer Bernhard Goetz für die Initiierung dieses Projektes sowie die intensive und aufschlussreiche Begleitung und Unterstützung. Herzlichen Dank an Frau Katrin Hagen für ihr Engagement, ihren zeitlichen Einsatz und ihre Ausdauer beim Lesen und Redigieren unserer Arbeiten und der Rohmanuskripte sowie für die vielen anregenden Anmerkungen, die dieses Buch vervollständigt haben. Außerdem danken wir ihr für ihre aufbauenden und motivierenden Worte. Für die finanzielle Unterstützung danken wir der Evangelischen Landeskirche
12
Danksagung
in Baden. Unser Dank gilt auch Kirchenrätin Dr. Monika Zeilfelder-Löffler, landeskirchliche Beauftragte für den Dienst in der Polizei, die das Projekt über drei Jahre hinweg tatkräftig unterstützt hat. Sie schreibt: »Als Kirchenrätin und landeskirchliche Beauftragte für den Dienst in der Polizei freue ich mich über die erstmalig entstandene Zusammenarbeit der Evangelischen Hochschule Freiburg, der Polizei und der Polizeiseelsorge unter der Fragestellung »Wirklichkeiten in der Polizei«, die ihren Anfang in der »Ökumenischen Jahrestagung 2012 in Heidelberg hat. Ich danke für die Unterstützung der Hochschule für Polizei, dem Präsidium Bildung, Präsidenten Prof. Alexander Pick, Institutsbereich Ausbildung in Lahr. Die Intensivierung dieser Kontakte wird der Berufsethik gut tun.« Zuletzt danken wir allen, die uns bei der Transkription der Interviews und bei den zahlreichen anderen Arbeitsschritten auf dem Weg zu den vorliegenden Studien unterstützt haben. Besonderer Dank gilt auch unseren Familien und Freunden, die uns stets motiviert und beigestanden haben. Freiburg, im Mai 2015 Das Team (die Autorinnen und Autoren): Susanne Fiesel, Bernhard Goetz, Mareike Götz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Isabel Kimmer, Doris Klett, Kerstin Lammer, Elvira Leskowitsch, Friederike Schilka, David Nicolas Schmitz, Wilhelm Schwendemann Für das Forschungsprojekt I: Bernhard Goetz, Katrin Hagen, Isabel Kimmer, Friederike Schilka, Wilhelm Schwendemann Für das Forschungsprojekt II: Susanne Fiesel, Bernhard Goetz, Mareike Götz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Doris Klett, Kerstin Lammer, Elvira Leskowitsch, David Nicolas Schmitz, Wilhelm Schwendemann
0.
Einleitung
0.1
»Unterwegs in den Welten der Polizei« – Kirche »in« der Polizei – eine Begegnung der anderen Art (Bernhard Goetz)
1. – »Hamm mer sonscht kei Problem?« fragte die baden-württembergische Polizei 2013 so kurz vor dem Startschuss zur Reform »Neue Welt« beim Bekanntwerden unseres Projekts. Nach der »Seelsorge-Synode 2012 der Evangelischen Kirche Baden« fragte zwar niemand mehr »Polizeiseelsorge – was ist das?«, doch die Nähe von Polizei und Kirche, von Gewaltalltag und kirchlichem Leben blieb spannend. Solche Aussagen waren typisch, als die erste Präsentation des Projektes »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« die Runde in Baden machte. Die zehn lebensgroßen, ausdrucksstarken Polizeifiguren forderten die Betrachter_innen der Wanderausstellung in vielen Polizeidirektionen Badens und auch in kirchlichen Räumen heraus, Stellung zu beziehen, ja, sich der eigenen und beruflichen Erfahrungen und Ansichten über die Polizeibeamt_innen bewusst zu werden. Sichtbar für alle Betrachter_innen wurden die von zehn Künstlern und Künstlerinnen aus Nordrhein-Westfalen gestalteten Figuren als Zeugen für die besonderen Belastungen und Anforderungen der Arbeitswelt in der Polizei. Dass Kunst die Gefahren für die seelische Gesundheit von Polizistinnen und Polizisten mit ganz anderen Augen betrachtet, war vorauszusehen – nicht aber so heftig, bitte! Zitat eines Heidelberger Bürgers: »Des isch abartige Kunscht!« Die unterschiedlichsten Techniken, mit denen die zehn gleichen Rohlinge aus Kunstharz bearbeitet wurden, sind absolut unkonventionell und äußerst kreativ, unerwartet. Jede Figur ist eine echte Überraschung für den Betrachtenden. Kunst und Polizei sind in diesem Zusammenhang schwer zu begreifen. Die Figuren drängen sich erbarmungslos in die Erinnerungen und Erfahrungen mit der Polizei und öffnen gleichzeitig Ausblicke auf die Wirklichkeit des Berufs der
14
Einleitung
Menschen in Uniform. Die besonderen Arbeitsbedingungen und Herausforderungen werden durch die unerwartet verfremdete Plastik sichtbar und nachvollziehbar. Die hervorragenden Arbeiten der zehn Künstler_innen begeistern. 2. Dass Kirche so etwas veranstaltet – »Kirche in der Polizei«, »Kirche mit Kunst in der Polizei« – wurde von der Öffentlichkeit aufmerksam und positiv begleitet. Das Sonderseelsorgefeld »Polizeiseelsorge« gab es in Baden wie andere Sonderseelsorgefelder auch. Doch wie sehr Polizeibeamt_innen jeden Tag grenzwertige, oft menschenunwürdige, Situationen erleben, aushalten und auch verarbeiten müssen, machte diese Kunstausstellung penetrant augenfällig. Die Medien sind voll von Berichten von Übergriffen gegen Polizeibeamt_innen, doch mit welcher Reaktion bei Politik und Bürgern? Haben wir weggesehen? Nach der Begegnung mit den Figuren war dies nicht mehr möglich. Mit großem Interesse war auch die Vernissage im Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe aufgenommen worden. Das war für viele Besucher_innen in der Aktualität neu, wurde aber sehr positiv bewertet und für »gut« geheißen. »Polizeiseelsorge« als wichtiges Seelsorgefeld wurde so bewusst gemacht. In den vielen Jahren meiner Polizeiseelsorgearbeit war es mein Wunsch, nicht immer nur »mit« oder »über« oder »von« der Polizei zu sprechen und zu lesen. Und so wuchs bei mir der Gedanke, nach den vielen Gesprächen, Seminaren und Begegnungen in der Polizei »in« den Wirklichkeiten zu forschen. Während sich die Wissenschaft in den letzten Jahren stark um die polizeiliche Praxis, z. B. die Gewalt gegen Polizei oder die Polizei als Opfer von Straftaten, um Sicherheitsgefühl, Hierarchie und Reformen usw. bemühte, vermisste ich die wissenschaftliche Aufarbeitung der wirklichen Arbeitsbedingungen, Arbeitssorgen, Wünsche und Highlights der einfachen Polizeibeamt_innen. Vielleicht war es zufälliger Kunstgriff oder eben doch ein persönliches Anliegen, dieses Projekt dann in aller Öffentlichkeit in Heidelberg zu platzieren. Finden Sie einmal in einer recht »linken« Universitätsstadt Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die sich einen Morgen lang in aller Öffentlichkeit – in der Fußgängerzone! – im Schatten einer Polizeifigur von den vielen Passanten ansprechen lassen und ihnen ihr Verhältnis zu der jeweiligen Figur zu erklären versuchen. Sie alle hatten keine Einführung in das WIE und WAS in Bezug auf die Figuren. Kein Verhaltenskodex wurde formuliert. Ich bat darum, dass die Polizist_innen die Figuren »beaufsichtigen«, sie »schützen«; ein Anliegen, das ich entsprechend fand, denn es war ja eine Veranstaltung der Polizei (-seelsorge) für die Polizei.
»Unterwegs in den Welten der Polizei«
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Unvorhersehbar schnell erklärten sich viele Kollegen und Kolleginnen aus der Heidelberger Polizeidirektion dazu bereit, an dem Projekt teilzunehmen. Ebenso unvorhersehbar war auch die Selbstverständlichkeit, mit der den Betrachtenden der Figuren in Heidelberg ein ganz anderer Blick auf die Risiken im Alltag, das persönliche Befinden sowie die Gefahren für die seelische Gesundheit mitgeteilt wurde. Die Verfremdung durch die künstlerische Gestaltung ließ dies zu und die Begegnungen wurden von der Bevölkerung mit Erstaunen, Verständnis und Betroffenheit aufgenommen. Ob Zeitung, Rundfunk oder Fernsehen, alle Medien griffen bei diesem Thema zu. – Polizei und Kunst? – Polizei und Kirche? Zusammen war das für viele Betrachtende eine neue, ganz andere Sichtweise von Polizei und deren Wirklichkeiten: also der Einblick in die Wirklichkeiten der Polizei. Beamtinnen und Beamte selbst waren die Anstifter_innen, auch in den darauf folgenden interessanten Workshops im Rahmen einer Ökumenischen Jahrestagung der Polizeiseelsorge Baden-Württemberg. Es gelang, den Fokus der Gespräche zwischen Politik, Kirche und Polizeiführung in der Wirklichkeit zu belassen, in der die beteiligten Polizistinnen und Polizisten leben und arbeiten müssen. Unerwartet intensiv und vielseitig wurden die Anliegen der Polizeiwelt kritisch und betroffen diskutiert. 3. So entstand bei mir der Gedanke, ein Forschungsprojekt im Rahmen meines Dienstauftrages in der Landeskirche Baden anzugehen. Dabei stand die Frage im Vordergrund, ob Kollegen und Kolleginnen aus der Polizei mit Hilfe des künstlerischen Mediums der verschiedenen Figuren in die Lage versetzt werden können, ihre innere Wirklichkeit besser wahrzunehmen und zu versprachlichen. Was bedeutet diese Übernahme von ganz unbekannten Sichtweisen auf ihren Beruf hinsichtlich ihrer jeweiligen Identität, ihres Selbst-Bewusstseins, ihres Bewusstseins? Oft sind sich Beamtinnen und Beamte ihrer selbst so bewusst, dass sie die eigene Person zum Maßstab machen. Die zweite Forschungsfrage war, inwieweit dieses Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« nachhaltig einen noch selbstverständlicheren Zugang zu belasteten Polizist_innen bewirken könnte.
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Einleitung
Dem Forschungsteam gehörten Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann, Vertreter der Evangelischen Hochschule in Freiburg, Fachbereich II Theologische Bildungs- und Diakoniewissenschaft, sowie die Studentinnen Isabel Kimmer und Friederike Schilka an. Als Projektleiter und Begleiter war ich als Landespolizeiseelsorger der Evangelischen Landeskirche in Baden initiativ. Als Forschungsmethode entschieden wir uns für die empirisch-qualitative Methode des leitfadengestützten, semistrukturierten und fokussierten Interviewverfahrens. Das Wirklichkeitsverständnis sollte so in einzelnen Gesprächen verstanden und ausgearbeitet werden. Es war richtig und nötig, Interviews wirklich in der Polizei durchzuführen. Die Erkenntnisse für die Polizeiführung, wie die Betreuung der seelischen Gesunderhaltung der Kolleg_innen hervorragend klappt, und wo sie auch »reformbedürftig« ist, ja neu, zeitgemäß gedacht werden muss, sind gut herausgearbeitet worden. Für die Verantwortlichen der Polizeiseelsorge in der Landeskirche Baden erschloss sich die Notwendigkeit, sich als vordringliche kirchliche Aufgabe noch stärker dieser speziellen, wichtigen, »Not – wendenden« gesellschaftlichen Berufsgruppe anzunehmen. Nur einfach Aushalten und Zuwarten ist möglicherweise der falsche Ansatz, mehr persönliche Begleitung und Sorge um die seelische Gesundheit der Beamt_innen wären wichtig. In der Zusammenfassung der Ergebnisse aus den aufgestellten Kriterien der Forschungsarbeit sollte klar werden, dass die Erkenntnisse über die seelische Befindlichkeit der Betroffenen nicht im leeren Raum enden dürfen. Wie werden wir dem seelsorglichen Auftrag gerecht, dem, was die Polizist_innen für uns persönlich leisten, aushalten und manchmal erleiden müssen? 4. So bemühten wir uns 2014 um ein Folgeprojekt. Welche aufgezeigten Aspekte des ersten Projektes sind für die Berufsethik und den Berufsethikunterricht von Bedeutung? Unsere Forschungsfragen waren: – Welche Themen werden im Ethikunterricht rezipiert? – Was ist nach dem Besuch des Ethikunterrichts an Ressourcen und Möglichkeiten der ethischen Urteilsbildung bei den Polizeibeamt_innen vorhanden? – Wie verhält sich die curriculare Struktur des Ethikunterrichts zu den Wahrnehmungen der Polizeibeamt_innen und welche Inhalte sind notwendig und ergänzungsbedürftig?
»Unterwegs in den Welten der Polizei«
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Fünfundzwanzig Auszubildende der Hochschule für Polizei, Institut für Ausbildung und Training, Institutsbereich Ausbildung in Lahr, wurden vor und nach ihrem ersten Praktikum interviewt. Wiederum entschieden wir uns, semistrukturell zu arbeiten, um die geführten Interviews im Nachhinein miteinander vergleichen zu können und bestimmte, sich dabei herauskristallisierende Zusammenhänge herauszuarbeiten, wie z. B.: Wo im Curriculum der Polizeiausbildung werden die Polizeibeamt_innen dazu befähigt, professionell über existenzielle Problemlagen zu sprechen? Ist der Ethikunterricht der geeignete Ort, um sich über existenzielle Probleme zu verständigen? Die Studierenden Susanne Fiesel, Mareike Götz, Sandra Jayakodi, Doris Klett, Elvira Leskowitsch und David Nicolas Schmitz der Evangelischen Hochschule Freiburg versuchten, diesen Fragen in ihren Examensarbeiten nachzugehen. Besonders auffällig wurde, dass der Untericht im Fach Berufsethik dazu geeignet ist, existenziellen Fragen in einer Weise Raum zu bieten, wie dies in keinem anderen Unterrichtsfach erreicht werden kann. Den Kompetenzen von Seelsorger_innen als Ethiklehrende muss viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden – eine Aufgabe für Kirche und für Polizei. Durch die Teilhabe und Mitverantwortung am Fach Berufsethik in der Polizeiausbildung erkennt die Kirche ihre Verantwortung an. Die Lehrpersonen im Fach Berufsethik müssen entsprechend fachlich, pädagogisch und seelsorglich qualifiziert werden, um dieser Verantwortung gerecht werden zu können. Es ist sicher eine große Herausforderung im Hinblick auf die aktuellen sozialen Brennpunkte, in denen die Polizei arbeitet. Wir sind alle eingebunden in die zerrüttenden und heillosen Prozesse unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die Polizeiseelsorge dient nicht nur der Polizei, sondern auch der Kirche und ihrem Ansehen, wenn sie die Forschungsergebnisse der beiden vorgelegten Studien ernst nimmt und damit zur Partnerin auf Augenhöhe für die Polizistinnen und Polizisten wird. In vielen Gesprächen öffnet sich da auch ein Weg für die Botschaft der Kirche. Wir hoffen, dass die Anregungen, die aus den Ergebnissen der beiden Projekte gerade im Blick auf die seelische Gesundheit und die Verarbeitung existenzieller Fragen im Ethikunterricht hervorgegangen sind, in der Kirche wie auch bei der Polizei aufgenommen werden. Allen Ideengebenden, Interviewpartner_innen, Teilnehmenden und Unterstützer_innen gilt unser herzlicher Dank! Badenweiler im Mai 2015
Bernhard Goetz, Pfr.
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0.2
Einleitung
Vorwort Wilhelm Schwendemann
Die vorliegende Studie umfasst zwei empirische Forschungsprojekte, die zwischen 2011–2014 im Auftrag der Evangelischen Hochschule in Freiburg an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, Institut für Ausbildung und Training, Institutsbereich Ausbildung Lahr, durchgeführt wurden. Insgesamt wurden 8 wissenschaftliche Teilstudien in diesen Forschungsprojekten erarbeitet. Das erste Projekt untersuchte die Bedeutung der Polizeiseelsorge am Beispiel des Cop-Art-Projektes (Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei); das zweite Projekt untersuchte den Berufsethikunterricht (Erkundungen zum Berufsethikunterricht) am Institut für Ausbildung in Lahr/Schw. Beide Projekte waren empirisch-qualitative Projekte, die zum Ziel hatten, subjektive Perspektiven von Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen auf ihren beruflichen Alltag und ihr jeweiliges Selbstverständnis in den Blick zu nehmen. Beide Projekte hatten je auch einen Schwerpunkt in der Polizeiseelsorgearbeit; zudem ging es im zweiten Projekt um Bewältigungsstrategien und Themen im Berufsethikunterricht, der regulär von Polizeiseelsorger_innen unterrichtet wird. Auch diesem Projekt liegt wieder eine empirische Erhebung zugrunde, die Ende Mai 2014 in Lahr vor Beginn eines dreimonatigen Praktikums der Polizeischüler_innen durchgeführt wurde; nach Abschluss des Praktikums erfolgte die zweite Befragung am 8./ 9. September 2014 in Lahr, sodass eine klassische Vorher-Nachher-Situation erzeugt wurde. In den empirischen Teilstudien wurden die Zusammenhänge der Inhalte des Ethikunterrichts mit dem Selbstverständnis der Polizeibeamtinnen, -beamten in deren Alltagshandeln rekonstruiert, um einerseits Erkenntnisse zum Selbstverständnis der Polizeiarbeit gewinnen zu können, und andererseits, um Dimensionierungen des Curriculums des Ethikunterrichts in den Blick zu bekommen. Befragt wurden im ersten Projekt annähernd 40 Personen und im zweiten Projekt insgesamt 25 Personen am Ende der Theoriephase 1 der Ausbildung zum mittleren Dienst und nach der ersten Praxisphase. Methodisch wurden beide Forschungsprojekte im Bereich der empirisch-qualitativen Sozialforschung durchgeführt. Der in beiden Projekten grundlegende (pastoralpsychologisch-kommunikative) Seelsorgebegriff wurde auf den Bereich der Polizeiseelsorge hin fokussiert. Hierbei spielten die Geschichte und die Aufgaben der Polizeiseelsorge, die definitorisch von der Notfallseelsorge zu trennen ist, eine wesentliche Rolle. In den Blick kam dabei auch die theologische Grundlegung der Polizeiseelsorge, die für das Selbstverständnis und auch die Beschreibung der Aufgabenfelder der Seelsorge in der Polizei wesentlich ist. Zu unterscheiden sind seelsorgliche Gespräche im Berufsalltag von der Seelsorge nach belastenden Ereignissen und Erlebnissen; beide Formen der Seelsorge dienen der seelischen Gesunderhaltung der Polizeibeamtinnen und -beamten, auch wenn sie nicht darin aufgehen. Zur Polizeiseelsorge gehören darüber
Vorwort Wilhelm Schwendemann
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hinaus spirituelle Angebote, Gottesdienste, Teilnahme und Gestaltung von Feiern u. a.m. Im Forschungsprojekt I »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« wurden das sog. Cop-Art-Projekt in seiner Wirkung auf Polizeibeamtinnen und -beamte untersucht und Schlussfolgerungen für die Bedeutung und Wichtigkeit der Polizeiseelsorge gezogen. Im Kapitel Berufsethik ging es zuerst einmal um begriffliche Unterscheidungen von Moral und Ethik, wobei der Ethik eher der reflexive Part zukommt; die Professionsethik der Polizei wurde unter dem Stichwort des ethischen Handelns in der Polizei thematisiert und die Daseinsberechtigung des Berufsethikunterrichts untersucht. Das Forschungsdesign wurde ganz klar als empirisch-qualitatives Projekt charakterisiert, und das spezielle Design lässt sich als leitfadengestütztes, semistrukturelles und fokussierendes Interviewverfahren einordnen. Die allgemeinen Forschungsfragen im zweiten Projekt waren folgende: 1. Wo im Curriculum der Polizeiausbildung werden die Polizeibeamt_innen dazu befähigt, professionell über existenzielle Problemlagen zu sprechen? 2. Wo im Curriculum wird den Polizeibeamt_innen Raum dafür gegeben? 3. Ist der Ethikunterricht der geeignete Ort, um sich über existenzielle Problemlagen zu verständigen? Die speziellen Forschungsfragen waren: Welche Themen werden im Ethikunterricht rezipiert? Was ist nach dem Besuch des Ethikunterrichts an Ressourcen und Möglichkeiten der ethischen Urteilsbildung vorhanden? Werden diese Ziele qualitativ erreicht? Wie verhält sich die curriculare Struktur des Ethikunterrichts zu den Wahrnehmungen der Polizeibeamt_innen und welche Inhalte sind notwendig und ergänzungsbedürftig? Die Forschungsgruppe traf sich regelmäßig und diskutierte die Leitfragen der Interviews, wertete gemeinsam die Interviews aus und erstellte eine Kategorientafel zur Analyse der Interviews. Die Ergebnisse wurden diskutiert und präzisiert. Alle Interviews in beiden Projekten wurden zuerst nach den Regeln der an der Evangelischen Hochschule Freiburg geltenden Normen der Transkription transkribiert, hierbei wurde auf das von Jan Kruse (2014) vorgeschlagene Transkriptionsverfahren rekurriert. In dieser Erstkommentierung wurden besondere Wahrnehmungen des Interviewenden herausgearbeitet, im zweiten Projekt die Antworten vor dem Praktikum mit Antworten nach dem Praktikum verglichen und die jeweiligen Aussagen der Interviewten gewürdigt. Danach wurden einzelne Interviewpassagen der ausgewählten Interviews auf die Makro- und jeweiligen Subkategorien appliziert: Die einzelnen Texte wurden paraphrasiert und präzise zusammengefasst und mit Ankerbeispielen zu den jeweiligen Subkategorien versehen. Im gleichen Verfahren wurden dann alle Interviewtexte einer Sichtung bezüglich ausgewählter Makro-und Subkategorien unterzogen, zusammengefasst und interpretiert, sodass sich in der Studie auf der Ebene der sechs Makrokategorien ein
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Einleitung
vielschichtiges Bild der Polizeiarbeit ergeben hat. Dieses diente wiederum der Schärfung des kirchlich-seelsorglichen Auftrags der Polizeiseelsorge und der Konturierung der Inhalte des Berufsethikunterrichts. Freiburg, im Frühjahr 2015
Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann
I.
Theoretischer Referenzrahmen (Susanne Fiesel, Mareike Götz, Bernhard Goetz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Isabel Kimmer, Doris Klett, Kerstin Lammer, Elvira Leskowitsch, Friederike Schilka, David Nicolas Schmitz, Wilhelm Schwendemann)
1.
Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
Im Jahr 2008 erfuhr Polizeiseelsorger Bernhard Goetz im Rahmen seiner Mitgliedschaft der »Konferenz Evangelischer Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer Deutschlands« von dem Jubiläumsprojekt »Cop-Art Polizei mit anderen Augen« der Landesstiftung Polizeiseelsorge Nordrhein-Westfalen.
Im Rahmen dieses Projektes hatten zehn Künstler_innen aus NordrheinWestfalen sich kreativ mit dem Thema »der Polizei« auseinandergesetzt. Claudia Kiehn, ehemalige leitende Landespfarrerin für Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland und Mitbegründerin der Landesstiftung Polizeiseelsorge Nordrhein-Westfalen, beschreibt die Arbeit der Künstler_innen wie folgt:
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Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
»Sie haben genau hingesehen und zehn lebensgroße Polizeifiguren mit unterschiedlichen Techniken gestaltet: Bunt, gespenstisch, geheimnisvoll, martialisch, immer aber anrührend wirken die Figuren auf den Betrachter und ziehen ihn in ihren Bann.«1
Aus zehn zunächst identischen Rohlingen aus Kunstharz schufen die Künstler_innen mit unterschiedlichen Mitteln eindrückliche Polizeifiguren, die die Belastungen des beruflichen Alltags von Polizist_innen und die Gefahren für die seelische Gesundheit der Beamt_innen erkennbar werden lassen. Sie alle sind dazu geeignet, einen Blick auf den Menschen hinter der Uniform zu werfen. So beschreibt beispielsweise die beteiligte Künstlerin Sabine Kroggel ihre Figur mit dem Titel »Mensch«: »In der Polizistenfigur, die außer durch Uniform verhüllt, auch noch mit mehreren Schichten von Gesetzestexten und Zitaten / Schlagworten zugekleistert ist, steckt ein Mensch. Lebendig. Verletzlich. Sterblich.«2
Die Figur »Spiegelungen«, schwarz bis auf die Partie der Augen, die durch einen Spiegel ersetzt sind, wird durch ihren Schöpfer Berthold Rodd wie folgt erläutert:
1 Stiftung Polizeiseelsorge der EKiR (2009): Cop- Art Polizei mit anderen Augen, Katalog zum Kunstprojekt der Stiftung Polizeiseelsorge, Wuppertal: EKiR- Pressestelle, S. 5 2 Stiftung Polizeiseelsorge der EKiR (2009): Cop-Art Polizei mit anderen Augen, Katalog zum Kunstprojekt der Stiftung Polizeiseelsorge, Wuppertal: EKiR-Pressestelle, S. 10.
Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
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»Die Augen sind das Tor zur Seele […]. Bei der Auseinandersetzung mit der Polizeifigur ging es mir um die Darstellung der erlebten Gefühle: Zorn, Wut, Angst oder Trauer drücken wir mit Worten, Gesten oder mit unserer Mimik aus. Wir sehen sie aber auch in den Augen des Anderen und können uns in ihnen spiegeln, und vielleicht erkennen wir etwas von uns selbst.«3
3 Stiftung Polizeiseelsorge der EKiR [Hg.] (2009): Cop-Art Polizei mit anderen Augen, Katalog zum Kunstprojekt der Stiftung Polizeiseelsorge, Wuppertal: EKiR-Pressestelle, S. 16.
26
Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
Polizeiseelsorger Bernhard Goetz befand die entstandenen Figuren für außergewöhnlich wertvoll und entschloss sich, diese auch in Baden zu nutzen. Hierfür ließ er sich Zeit, er wollte die richtige Gelegenheit und die passende Idee abwarten. Er sah in der Arbeit mit den Figuren die Chance, viele verschiedene Menschen auf die Thematik »Mensch in der Uniform« aufmerksam zu machen und wollte sie nicht ungenutzt lassen. 2012 ergab sich dann die passende Gelegenheit. Die zehn Figuren der Ausstellung »Cop-Art Polizei mit anderen Augen« wurden nun als Wanderausstellung in verschiedenen Polizeidienststellen in Baden präsentiert. Der Titel der Ausstellung lautete »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei. Ich bin Polizist – Wie siehst du mich?«. An jedem neuen Ausstellungsort fand eine feierliche Eröffnung in den Polizeidienststellen statt, um der Ausstellung einen angemessenen Rahmen zu verleihen. Am 10. 05. 2012 wurden drei der Figuren im Evangelischen Oberkirchenrat vorgestellt, am 31. 05. 2012 wanderten sie dann weiter in die Bereitschaftspolizei Lahr und wurden dort den Polizeischüler_innen zugänglich gemacht. Am 05. 06. 2012 reisten die Figuren in die Polizeidirektion Waldshut, um auch auf die dortigen Beamt_innen wirken zu können. Von Waldshut ging es am 08. 06. 2012 weiter in die Polizeidirektion Konstanz. Am 11. 06. 2012 waren die Figuren in der Akademie der Polizei in Freiburg ausgestellt, von dort ging es gleich am 12. 06. 2012 weiter in die Polizeidirektion in Mosbach und einen Tag später nach Baden-Baden, wo die Figuren im Amtsgericht ausgestellt wurden. Am 14. 06. 2012 war die Wanderausstellung in Offenburg zu sehen, am 15. 06. 2012 in Mannheim und am 18. 06. 2012 kamen die Figuren in die Heidelberger Polizeidirektion.
Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
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Vom 19. 06. 2012 bis einschließlich 21. 06. 2012 waren alle Figuren schließlich im Internationalen Wissenschaftsforum im Rahmen der »Ökumenischen Jahrestagung der Polizeiseelsorger und Polizeiseelsorgerinnen« in Heidelberg ausgestellt. Bernhard Goetz organisierte in enger Zusammenarbeit mit Beamt_innen aus und um Heidelberg eine Installation in der Innenstadt, die für Furore sorgte. So schlicht das Konzept war, so wirkungsvoll war es auch.
Ein oder zwei Beamt_innen stellten sich mit einer der Figuren an einen gut besuchten Platz in der Innenstadt. Den beteiligten Beamt_innen wurde lediglich aufgetragen, die von ihnen gewählte Figur zu beaufsichtigen und zu schützen, auf weitere Verhaltensanweisungen wurde verzichtet. Was dann in der Heidelberger Innenstadt geschah, entwickelte sich aus der Situation heraus. Die Figuren erregten Aufmerksamkeit bei den Passanten. Die Beamt_innen wurden auf ihre »Streifenpartner« aus Kunstharz angesprochen, und es entwickelten sich Gespräche, in denen die Polizist_innen ihre eigene Wahrnehmung der von ihnen beaufsichtigten Figur mit den Wahrnehmungen der Passanten austauschen konnten. Die beteiligten Polizist_innen brachten sich dabei auch in hohem Maße selbst mit ein. Einige Beamt_innen nutzten ihre »Streifenpartner« aktiv, um Passanten auf sich aufmerksam zu machen. Die Stimmen in der Presse lobten den Event zu Recht als großen Erfolg und immense Bereicherung für all jene, die daran teilhaben durften.
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Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
»Das Interesse hätte kaum größer sein können: Am Ende waren es wohl hunderte Anwohner, Studenten und Touristen die am Mittwoch in der Altstadt die Ausstellung »Cop-Art« (Polizei-Kunst) bestaunten.«4
So beginnt ein Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung zu der Aktion.
An allen Präsentationsorten der Wanderausstellung hatten die eingeladenen Polizist_innen mittels dafür bereitgelegter Rückmeldebögen die Möglichkeit, ihre Eindrücke, Wahrnehmungen und Meinungen festzuhalten. Dabei bewiesen die zahlreichen, teils bis zum äußersten Rand beschriebenen Rückmeldungen bereits die Wirksamkeit dieser Ausstellung. Die folgenden Ausführungen sind der Sichtung dieser Verschriftlichungen entnommen. Die Figuren lösten in den Betrachter_innen etwas aus. Bedrückend, bewusst, beeindruckend, interessant, bedrohlich, störend und aggressionsauslösend – dies sind einige Stichworte, mit denen die Erfahrungen bei dem Projekt beschrieben wurden. Einige der Polizeibeamt_innen stellten fest, dass sie Teile von sich in jeder Figur wiederfanden. Die Figur »Spiegelungen« löste sehr unterschiedliche Gefühle bei den Betrachter_innen aus. Für manche beeinflusste die Farbe stärker ihre Wahrnehmung der Figur, sie fühlten sich an ihre Ängste, die Einsamkeit nach einem Einsatz oder auch an Kolleg_innen erinnert. Für andere rückten die Spiegel in den Vordergrund: Der Betrachtende sieht sich in der Figur. Dadurch wird begreiflich, dass auch in der Uniform ein Mensch wie du und ich steckt, ein Mensch mit Ängsten, Schwächen und Stärken. 4 Rhein-Neckar-Zeitung Nr. 142 vom 22. 06. 2012.
Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
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Ein häufiger Kritikpunkt an den Ausstellungsfiguren war, dass keine eindeutig weibliche Figur vorhanden gewesen sei. Im Unterschied zur Ausstellung gibt es aber in der Ausübung des Polizeiberufs geschlechterspezifische Proble-
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Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
me, Sorgen und Wahrnehmungen. Im Jahr 2010 arbeiteten 23.963 Polizeibeamt_innen bei der Polizei Baden-Württemberg, davon 3409 Frauen (ohne Beamt_innen in Ausbildung).5 Polizistinnen werden regelmäßig mit sexistischen Äußerungen und geschlechterspezifischen Vorurteilen konfrontiert. Die Intention der Ausstellung war jedoch genereller Art, sodass die vorhandenen Alltagsproblematiken nicht in Gänze dargestellt werden konnten. Das Problem liegt auf der Hand: Geschlechtsspezifische Probleme in der Alltagsarbeit der Polizei müssen wahrgenommen und benannt werden, ohne dass es zur Diskriminierung eines Geschlechts kommt. Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen ist auch in der Institution Polizei die Gendergerechtigkeit noch nicht umfänglich erfüllt.
Die Figur »inside is outside is inside« der Künstlerin Michaela Kuhlendahl, die den Rohling aus Kunstharz der Länge nach zweiteilte und so das Innere der Figur sichtbar machte, fand großen Anklang, da sie in den Augen der teilnehmenden Polizist_innen ein wichtiges Thema auszudrücken vermochte, nämlich, 5 Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): »Die Polizei Baden-Württemberg// Menschen-Daten-Zahlen«, Fischbach Druck GmbH, Ausgabe 2011, S. 10.
Das Projekt von Polizeiseelsorger Bernhard Goetz
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dass man als Polizist_in in vielfacher Hinsicht zweigeteilt sei. Manche erkannten in den zwei Teilen das Berufs- und das Privatleben, andere sahen darin die innere Zerrissenheit, der man im Dienst ausgesetzt ist. Eine Rückmeldung war, dass die Ränder der beiden Hälften der Figur viel zu gerade und klar seien. Es entspräche dagegen eher der Realität der Erfahrung der Zerrissenheit im Polizeiberuf, wenn sie Ecken, Kanten und Unregelmäßigkeiten hätten. Die Zerrissenheit würde so noch intensiver nachvollziehbar. Die Beamt_innen, die am Projekt in der Innenstadt teilnahmen, besuchten danach auch die Workshops zu Themenbereichen des Projekts »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« der Ökumenischen Jahrestagung und beteiligten sich auf diese Weise an der Konferenz. Besonders hervorzuheben ist der Mut der beteiligten Polizeibeamt_innen, sich an diesem Projekt zu beteiligen und sich in bislang ungewohnte Rollen zu begeben. Im Unterschied zum sonstigen Verhalten im Kontakt mit Bürger_innen thematisierten die uniformierten Beamt_innen ihre eigene Selbstwahrnehmung.
2.
Seelsorge und seelische Gesundheit
Seelsorge gehört zu den Grundaufgaben der Evangelischen Kirche und ist somit innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch in der badischen Landeskirche vielfach und professionell vertreten. Nikolaus Schneider, der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, formuliert zum Thema Seelsorge treffend: »Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen sehen in der Seelsorge eine der Kernaufgaben kirchlichen Handelns. Sie nimmt den Menschen umfassend in seiner Lebenssituation wahr, spricht ihn an, begleitet ihn. In dieser unmittelbaren Nähe entfaltet die ›Muttersprache der Kirche‹ ihre Wirkung. Sie bezieht ihre ursprüngliche Sprachkraft, ihre Weisheit und ihren Geist aus dem Evangelium Jesu Christi. Sie tritt in Dialog mit dem Menschen, der Sorge um seine Seele trägt, und ringt im gemeinsamen Prozess nach dem Wort, das tröstet und befreit, das heilt und erneuert und neue Zugänge zu Gott, zum Mitmenschen und zu sich selbst erschließt. Ihre Grundmotivation obliegt dabei nicht etwa einem missionarischen Eifer, sondern vielmehr der bedingungslosen Zuwendung zu allen Menschen, freilich ohne dabei den Ursprung und die Wurzel der eigenen Sprachfähigkeit zu leugnen.« (Dr. Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland)6
2.1
Der Begriff »Seelsorge«
Der Begriff »Seelsorge« lässt zunächst an ein Angebot denken, das im kirchlichreligiösen Kontext verortet ist. Über diesen Kontext hinaus existieren jedoch vielfältige Formen kontextuell-institutioneller Seelsorge, wie sie zum Beispiel im 6 Zentrum für Seelsorge der evangelischen Landeskirche in Baden (Hrsg.):«Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden«, Gesamtkonzeption-Seelsorge in der evangelischen Landeskirche Baden. Zum Download unter : http://www.zfs-baden.de/html/aktuell/ak tuell_u.html?t=b7f0d7b06a2e1f50fe10998f6098aeda& tto=6ed0add1& & cataktuell=& m= 9259& artikel=4258& stichwort_aktuell=& default=true [abgerufen am 4.12.14; 9.24 Uhr], S. 6.
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Seelsorge und seelische Gesundheit
Krankenhaus oder im vorliegenden Fall in der Polizei Baden-Württemberg stattfindet. Grundsätzlich stellt Seelsorgearbeit Praxis des Evangeliums dar, der man in Gesprächen innerhalb eines geschützten Rahmens nachkommt. Dabei sind die Übergänge zwischen Alltagsgesprächen und Seelsorgegesprächen zuweilen fließend: »Wo Menschen bewusst miteinander leben und kommunizieren, wird sich auch mehr oder weniger wahrnehmbar so etwas wie Seelsorge ereignen«.7
Jede Begegnung mit einem anderen Menschen und jedes informelle Gespräch impliziert die Möglichkeit der Seelsorge.8 Menschen benötigen kommunikative und gelingende Beziehungen und können so in ihrem Selbstverständnis und in ihrer Sinnsuche unterstützt werden9 : »Seelsorge ist eine unverzichtbare und grundlegende Weise menschlichen Miteinanderseins.«10
Es wäre an dieser Stelle ein zu umfangreiches Unterfangen, der Frage nachzugehen, wie der Begriff »Seele« definiert werden kann. Folgt man der Definition des Praktischen Theologen Jürgen Ziemer, kann die Seele als eine nichtstoffliche Steuerungsinstanz im Menschen verstanden werden. So könnte man die Seelsorge als »[…] ›Arbeit an der Seele‹ unter kommunikativen, nicht manipulativen Bedingungen […]«11
beschreiben, was aber in Bezug auf die vorgelegte Studie nicht hinreichend scheint. Der Begriff »Seelsorge« klingt zunächst etwas altertümlich, denn die Sorge um die »Seele« des Menschen setzt ein anderes Menschenbild voraus als das, welches dem utilitaristischen, an Nützlichkeiten und Effizienz/Effektivität orientierten und bevorzugten, gegenwärtigen Mainstream-Menschenbild entspricht. In der Seelsorgesamtkonzeption der Evangelischen Landeskirche heißt es zum Begriff der Seele lakonisch: »›Seele‹ wird hier verstanden als das, was den Menschen menschlich macht, als das Humanum des Menschen. Seele und Körper bilden dabei eine Einheit. So gesehen leuchtet der verbreitete Sprachgebrauch ein, der Gemeindeglieder als »Seelen« bezeichnet. Die biblischen Begriffe für Seele (alttestamentlich ›näfäsch‹ und neutestamentlich ›psyche‹) schillern in ihrer Bedeutung. Sie können für das ganze Leben eines Menschen stehen, dann wieder für Atem und Kehle, für das, was den Menschen ange7 8 9 10 11
Ziehmer 2004, S. 41. Vgl. a. a. O., S. 16. Vgl. a. a. O., S. 14. Vgl. ebd. Vgl. a. a. O., S. 42.
Der Begriff »Seelsorge«
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wiesen sein lässt auf Gott und die Mitmenschen, für Bedürftigkeit ebenso wie für die Fülle der Beziehungen. »Seele« beschreibt das Geheimnis und das Unverfügbare eines Menschen, das ebenso wie das göttliche Geheimnis unter das Bilderverbot fällt, also niemals endgültig zu definieren und festzulegen ist.«12
Seelsorge gehört zur christlich-kirchlichen Praxis (eine Form der Praxis des Evangeliums)13, das Evangelium ins Leben der Glaubenden zu ziehen und dem göttlichen Zuspruch der frohen Botschaft, die den sündigen Menschen annimmt und ihn im Glauben rechtfertigt, in humaner Praxis der Mitmenschlichkeit und Zuwendung zu entsprechen. Die allgemeine Sorge um die Seele (cura animarum generalis), so Kerstin Lammer, sei die verbindliche Aufgabe »alles kirchlichen und pastoralen Handelns«14. Kerstin Lammer formuliert für den Bereich der speziellen individuellen Seelsorge (cura animarum specialis), zu der auch die in dieser Studie hervorgehobene Polizeiseelsorge zählt, treffend: »Die cura animarum specialis bezeichnet den Auftrag, die allgemeine kirchliche Sorge um die Seele zu konkretisieren und sie individuellen Menschen zuteilwerden zu lassen, wenn sie sie brauchen: in besonderen Lebenslagen und in den üblichen Wechselfällen des Lebens.«15
Ein Charakteristikum der kirchlichen Seelsorgepraxis besteht darin, dass jeder Mensch Seelsorge in Anspruch nehmen kann, ohne Vorbedingungen erfüllen zu müssen. In der Seelsorge wird auch primär kein therapeutischer oder sonstiger Zweck verfolgt, insofern ist Seelsorge in diesem Verständnis sowohl bedingungs-, voraussetzungs- als auch zweckfrei.16 Wenn jedoch Seelsorge in der Selbstzwecklichkeit des Menschen bezugsfähig und in der Praxis des Evangelium und des Glaubens begründbar wird, können sich aus der Erfahrung des MitSeins, der Mit-Menschlichkeit, der Anteilnahme und Teilhabe auch heilsame, mitunter therapeutische Folgen einstellen: »Sie (= therapeutische Effekte, WS) versetzen Menschen besser in die Lage, die Möglichkeiten ihres gottgegebenen Mensch- und Personseins zu ergreifen.«17 Seelsorge begründet sich im christlichen Glauben an die Rechtfertigung des Sünders/der Sünderin allein aus Gnade und im Glauben. Kerstin Lammer schreibt zur Begründung von Seelsorge: »Seelsorge ist Repräsentanz und Kommunikation christlicher Theologie (d. h. Gotteslehre) sowie Vollzug christlicher Anthropologie (d. h. Lehre vom Menschen). Die Inhalte 12 Seelsorgegesamtkonzeption der Ev. Landeskirche in Baden 2013, S. 9. 13 Vgl. Grethlein 2012, S. 137ff. 14 Lammer 2012, S. 20–24; Kirchenamt der EKD [Hg.] (2010): Seelsorge – Muttersprache der Kirche, Dokumentation eines Workshops der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover, 16. November 2009, Frankfurt a. M.: epd-Dokumentation 17/2010; Steiger 2000, S. 7–31. 15 Lammer 2012 ebd. 16 Ebd. 17 A. a. O., S. 21.
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Seelsorge und seelische Gesundheit
des christlichen Glaubens thematisieren SeelsorgerInnen teils explizit, teils machen sie sie implizit durch die seelsorgliche Beziehung erfahrbar.«18
Seelsorge setzt einen menschenfreundlichen Gott voraus, dessen Zuwendung und Liebe erfahrbar ist, und der sich im Leiden-Sterben-Auferstehen Jesu Christi dem Menschen bedingungslos zugewandt hat. Das fördert auf der Seite der Seelsorgenden eine Haltung, die sich dem suchenden und leidenden Menschen zuwendet und so geschwisterliche Sorge für den Mit–Menschen praktiziert: »Weil ChristInnen an einen Gott glauben, der Trost, Heil und Erlösung bringt, lassen sie Mitmenschen nicht allein, denen Trostlosigkeit, Unheil und Leid widerfährt. Seelsorge bietet bedingungslos Zuwendung, Gemeinschaft und solidarische Beziehung an. Sie repräsentiert und kommuniziert dadurch die von Christen geglaubte Zuwendung des menschenfreundlichen und solidarischen Gottes zum Menschen.«19
Seelsorge lässt sich in diesem Sinn als eine beziehungsreiche Kommunikation der Mitmenschlichkeit verstehen, die dem Hilfesuchenden hilft, sich besser zu verstehen und seine/ihre Grenzen und damit auch die eigene Abgründigkeit und Sündhaftigkeit und Anfälligkeit für Beziehungsbrüche zu akzeptieren: »Seelsorge bietet Beziehung an und stärkt Menschen in ihrer Beziehungsfähigkeit und in ihrem Vertrauen in Gott, der das Leben selbst ist.«20
Zu den Gesten der Mitmenschlichkeit und der Solidarität als Ausdruck der Sorge um den Anderen ist grundsätzlich jeder Mensch fähig (vgl. auch die Schmalkaldischen Artikel Luthers21), und jeder sollte auch dazu bereit sein; wenn es jedoch um professionelle Seelsorge geht, so sind mehrere Kernkompetenzen zu erwerben, um auch professionelle Qualitätsstandards zu gewährleisten: – personale und soziale Kompetenz des Seelsorgers / der Seelsorgerin22 – kommunikative Kompetenz23 – poimenisch-hermeneutische Kompetenz24 – systematisch-theologische Kompetenz25 – liturgisch-rituelle Kompetenz26 – spirituelle Kompetenz27 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
Ebd. Ebd. Ebd. http://www. ekir.de/hilden/schmalkalden.pdf[.] Gesamtkonzeption Seelsorge 2013, S. 19. Ebd. Lammer 2012; dito 2010, S. 234–258. Lammer 2012; Gesamtkonzeption Seelsorge 2013, S. 19. Ebd. Gesamtkonzeption Seelsorge 2013, S. 19.
Der Begriff »Seelsorge«
37
So könnte jetzt Seelsorge nach dem Verständnis der EKD (2009) wie folgt verstanden werden: »Seelsorge […] ist aus dem christlichen Glauben motivierte und im Bewusstsein der Gegenwart Gottes vollzogene Zuwendung. Sie gilt dem einzelnen Menschen unabhängig von dessen Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit. Seelsorge ist für diejenigen, die sie in Anspruch nehmen, unentgeltlich.« […] Seelsorger_innen sind dazu beauftragt, »[…] andere Menschen zu unterstützen, zu begleiten, ihnen Lösungswege in seelischen Krisen aufzuzeigen und ihnen Trost und Hoffnung zu vermitteln.«28
Im Fall der professionellen Polizeiseelsorge, um die es in der vorliegenden Studie geht, sind die genannten Professionsstandards wesentlich und Seelsorge wird hier als Ausübung des kirchlichen Amtes verstanden29, aus dessen Selbstverständnis kirchliche Polizeiseelsorger_innen agieren. Grundsätzlich gilt auch für sie folgende Haltung in der Ausübung ihres Amtes: »Christliche Seelsorge begegnet ihrem Gegenüber in Ehrfurcht und Respekt, sie rechnet mit der Anwesenheit Gottes im Gespräch, selbst wenn das Gegenüber diese Perspektive nicht teilt, selbst wenn der Kontext der Begegnung ein gänzlich säkularer ist. So ist Seelsorge immer eine Dreier-Beziehung: Sowohl der/die Seelsorgepartner/-partnerin, wie auch der Seelsorger/die Seelsorgerin stehen vor Gott. Sie rechnet damit, dass in, mit und unter allem notwendigen eigenen Bemühen Gottes Geist die Beziehung trägt und leitet.«30
Seelsorge, auch institutionelle Seelsorge, geschieht in einem geschützten Raum von Vertraulichkeit und Verschwiegenheit, was unter den Begriff der seelsorglichen Schweigepflicht und des amtlichen Seelsorgegeheimnisgesetzes fällt.31 Seelsorge in der Bibel Im evangelischen Seelsorgeverständnis lässt sich Seelsorge in der Bibel von Seelsorge mit der Bibel unterscheiden.32 Eine präzise Rekonstruktion der seelsorglichen Handlungen Jesu und seiner Jünger_innen auf der Basis des biblischen Zeugnisses ist nicht möglich, da die biblischen Texte keine historischen, sondern verkündigende kerygmatische Texte darstellen. Die heutige Praxis der Seelsorge steht in einem direkten Bezug zum diakonisch-kerygmatischen Gehalt der Bibeltexte.33 Sie beinhaltet den
28 29 30 31 32 33
Seelsorgegeheimnisgesetz der EKD (2009): § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 1. Gesamtkonzeption Seelsorge 2013, S. 10. A. a. O., S. 16. Vgl. § 3 Abs. 2 PfDG; EKD; § 30 PfDG. EKD. Vgl. Ziehmer 2004, S. 42. Vgl. a. a. O., S. 45.
38
Seelsorge und seelische Gesundheit
»[…] kommunikativen Vorgang zwischenmenschlicher Hilfe mit dem Ziel einer konkreten Stärkung und Hilfe für Glauben und Leben«34.
Betrachtet man das biblische Zeugnis, finden sich im Alten wie auch im Neuen Testament zahlreiche Verben, die seelsorgliche Vorgänge beschreiben und eine entsprechende Praxis implizieren. Beispielhaft für die Umschreibung der Praxis des Evangeliums seien Verben wie »trösten« (Hiob 2, 11; Jer 31,15; Mt 5,4; 2 Kor 1,3f) (…) »einen Weg weisen« (1 Kor 12,31) (…) »barmherzig sein« (Lk 6,36; Kol 3.12; Lk 15, 10)35 genannt.
2.2
Modelle und Konzepte evangelischer Seelsorge
Die Vielfalt der spezifischen Angebote zur Seelsorge spiegelt die hohe Priorität des Themas »seelische Gesundheit« im kirchlich-diakonischen Selbstverständnis wider. Seelsorge möchte dem Menschen geistig-geistliche, spirituelle Begleitung in allen Lebenslagen sein, angefangen bei alltäglichen Sorgen bis hin zu akuten Krisensituationen. So gibt es Seelsorgeangebote in der Kirchengemeinde, über Telefon und Internet, in der Schule, Hochschule und Universität und auch besondere Angebote für Blinde, Hörgeschädigte und Gehörlose. Seelsorger_innen sind tätig in Krankenhäusern, Kureinrichtungen und Gefängnissen, bei der Bundeswehr und auch bei der Polizei. Ein weiteres Angebot stellt die Notfallseelsorge dar, welche ihren Ort dort hat, wo auch immer es zu traumatisierenden Ereignissen gekommen ist. Diese fortschreitende Differenzierung an Angeboten zeigt deutlich, dass die Evangelische Kirche um eine weit- und weitergehende Professionalisierung bemüht ist. Für alle Bereiche seelischer Gesundheit sollte den hilfesuchenden Menschen ein breites Spektrum an Beratung, Unterstützung und Hilfe zur Verfügung stehen. Hinter der Vielzahl an seelsorglichen Angeboten stehen als Referenzrahmen vielfältige Seelsorgekonzepte.36 Im Nachfolgenden werden verschiedene relevante Konzepte in Kurzform dargestellt. Grundsätzlich lassen sich Konzepte mit theologisch-biblischer Perspektivendominanz37, interkonfessionelle Konzepte, Seelsorgekonzepte mit theologisch-psychologischer Perspektivendominanz 34 Ebd. 35 Ebd. 36 Ein Seelsorgemodell ist ein konstruktives Modell zur Beschreibung des methodischen Vorgehens in der Seelsorgepraxis und dient dem Selbstverständnis des Seelsorgenden. Die Seelsorgepraxis selbst ist Praxis des Evangeliums. 37 Von biblisch-theologischer Perspektivendominanz spricht man in diesem Kontext, wenn der Schwerpunkt des Konzeptes auf den Inhalten der Bibel, also den Geschichten der Beziehungen zwischen Menschen und Gott, liegt.
Modelle und Konzepte evangelischer Seelsorge
39
und beispielhaft ein kombinatorisches Konzept auf Basis theologisch-philosophischer Perspektivenpluralität unterscheiden.38 Ein klassisches evangelisches Konzept mit theologisch-biblischer Perspektivendominanz stellt die sogenannte kerygmatische Seelsorge39 dar, welche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Eduard Thurneysen und Hans Asmussen begründet wurde. In dieses bis heute viel diskutierte Konzept sind Ansätze der Dialektischen Theologie Karl Barths integriert. Das Fundament dieses Konzepts sehen Theologen wie Barth und Thurneysen in der reformatorischen Rechtfertigungslehre, die soteriologisch und christologisch (Versöhnungsgeschehen durch Christus) interpretiert wird. Die Verkündigung des Wortes Gottes ist essenzieller Bestandteil der kerygmatischen Seelsorge, die Dogmatik ist an der Dialektischen Theologie40 ausgerichtet. Eduard Thurneysen41 betrachtet die Wortverkündigung in der Seelsorge als individuelle Predigt des Evangeliums für Einzelne. Ihm geht es darum, Bibeltexte in Orientierung an Karl Barths fundierter Dogmatik so zu rezipieren, dass dynamische Prozesse der Selbstreflexion in theologischer Perspektive initiiert werden. Die Hoffnung Thurneysens lag darin begründet, dass die Aufbereitung biblischer Texte der seelischen Gesundheit zu Gute käme. Die Dynamik des Erkennens des unverfügbar transzendenten Gottes und des weltimmanenten Menschen bildet den Grund- und Angelpunkt dieses christologischen Ansatzes. Die Christologie ist der hermeneutische Schlüssel, der das gleichzeitige Denken von Gott als unbegreifliche Größe und eingeborenem Sohn ermöglicht.42 Eine ganz andere Richtung in der biblisch-theologischen Seelsorge schlägt die charismatische Seelsorge ein. Sie ist ein interkonfessionelles Konzept, lässt sich aber methodisch als klares Modell nur schwer systematisch einordnen. Die biblisch-theologische Seelsorge entstand in der charismatischen Bewegung, der 38 Vgl. Nauer 2001, S. 5ff. 39 »Kerygmatik« bedeutet Verkündigung; in Bezug auf das Thema Seelsorge ist damit also Seelsorge als Verkündigung im Gespräch gemeint. Vgl. Ziemer 2000, S. 81. 40 Bei der Dialektischen Theologie handelt es sich weniger um eine theologische Schule mit verbindlichem Programm als vielmehr um eine eher lockere Kampfverbindung mit zum Teil großen inneren Differenzierungen. Folgt man den Gedankengängen Karl Barths, so gibt es drei Wege der theologischen Aufgabe vom Wort Gottes zu sprechen, nachkommen kann. Den dialektischen bezeichnet Barth aufgrund seiner inhaltlichen Überlegenheit als den besten. Vgl. Härle, Wilfried (1981): Art. »Dialektische Theologie«, in: TRE 8, Berlin: de Gruyter, S. 683–696. 41 Eduard Thurneysen wurde am 10. Juli 1888 in Walstadt in der Schweiz geboren. Seine Werke spiegeln die Nöte, die er innerhlab seiner Tätigkeit als Pfarrer erfahren hat. Ob Predigt, Aufsatz, Traktat oder Monographie, in all seinen Werken stehen die Praxis von Kirche und deren theologische Fundierung im Fokus. Die Verbindung beider zu einer neuen Einheit stellt möglicherweise seine größte Leistung dar. Vgl. Raschzok, Klaus (2002): Art. »Thurneysen Eduard«, in: TRE 33, Berlin: de Gruyter, S. 524–527. 42 Vgl. Nauer 2001, S. 21–29.
40
Seelsorge und seelische Gesundheit
»Geistlichen Gemeinde Erneuerung«, hat deutlich ökumenischen Charakter und gibt einer Vielzahl von Frömmigkeitsformen und Spiritualitätsformen Raum. Ein einheitliches Bild der sogenannten charismatischen Seelsorge gibt es nicht. Es kann lediglich der Versuch unternommen werden, sich anhand einer Vielzahl von Facetten einen groben Überblick zu verschaffen. Dass auf ein klares Konzept von ihren Vertreter_innen kein großer Wert gelegt wird, ist Wesensausdruck der charismatischen Seelsorge, denn die Führung durch den Heiligen Geist, auch in der Gesprächssituation selbst, ist der Referenzpunkt dieses Ansatzes. Als wesentliche Grundlage der charismatischen Seelsorge lassen sich des Weiteren die biblische Tradition und charismatische Literatur benennen. In den reformatorischen Kirchen und Konfessionen wird dem Wort Gottes in der Bibel höchste normative Autorität zugesprochen. In der charismatischen Theologie wird hingegen der semantische Wortlaut des Bibeltextes als höchste normative Instanz gesehen. Durch den als »wahr« angenommenen Wortlaut der Bibel wird Gottes Gegenwart erfahrbar. Unzählige charismatische Theoretiker_innen veröffentlichen Werke mit ihren jeweils eigenen Schwerpunkten. Es sind Themen wie »dämonologische Fragestellungen« oder »Innere Heilung«, die sie aus ihrer jeweiligen Perspektive erörtern. Ihnen allen gemeinsam ist die geistliche Erfahrungs-Dimension, offensive Evangelisation und Missionierung. Der charismatische43 Ansatz geht davon aus, dass Gott selbst wunderhaft-handelnd aktiv wird. Doch damit Menschen diesen Vorgang erleben können, müssen sie unterwiesen und belehrt werden. Auf diese Weise soll die ratsuchende Person befreit werden von allem »Satanischen«, »Gottlosen«, »Dämonischen« und sich ganz in Gottes Hände begeben. Grundsätzlich steht bei der charismatischen Seelsorge die Pneumatologie44 im Mittelpunkt, und eine starke eschatologische Ausrichtung45 ist klar zu erkennen. Weitere Inhalte lassen sich angesichts der vielfältigen und sehr unterschiedlichen Ausprägungen kaum allgemeingültig bestimmen. Einige Vertreter_innen lehnen die Psychologie vollkommen ab, andere halten sie zumindest partiell mit dem Christentum vereinbar, wiederum andere versuchen, eine eigenständige christliche Psychologie zu etablieren.46 Die Lehre von der biblischen Anrede als Wort Gottes geht auf die von Martin 43 Vgl. Biblisch Historisches Handwörterbuch (2003): Art. Geistesgabe (H. Clavier) (»Charisma«) im systematisch-theologischen Sinn kann als »geistgegebene, partikulare Gabe einer auf spezifischer Anlage beruhenden Haltung, die zur Ausübung einer Funktionsposition der Gemeinschaft befähigt« definiert werden, S. 538ff. 44 »Pneumatologie« bedeutet im theologischen Kontext »Lehre vom Heiligen Geist« (gr. pneuma hagion) Vgl. Leonhardt 2009, S. 310–313. 45 »Eschatologie« ist die »Lehre von den letzten Dingen«. Damit sind jene Dinge gemeint, die im Rahmen der von Gott gelenkten geschichtlichen Entwicklungen zuletzt geschehen. Glaubende haben bereits im Jetzt Anteil am Heil Gottes, vollendet wird dieses jedoch in der Zukunft. Vgl. Leonhardt 2009, S. 388–390. 46 Vgl. Nauer 2001, S. 65–74.
Modelle und Konzepte evangelischer Seelsorge
41
Luther in der Rechtfertigungstheologie formulierten fünf Soli zurück.47 Die Charismatik hält das Studium der Heiligen Schrift im Unterschied zu Luther nicht für ausreichend, sondern verlangt regelmäßige Unterweisung von einer geistbegabten Person. Im reformatorischen Verständnis wird die Rechtfertigung des sündigen Menschen in der Predigt des Evangeliums zugesprochen. Diese aber bedarf keiner besonders geistbegabten Person, weil das WORT creatura verbi divini (Geschöpf des Heiligen Geistes) ist. Die diakonische Seelsorge ist ein Konzept mit theologisch-soziologischer Perspektivendominanz. Das Besondere an diesem Konzept ist die Wahrnehmung des Individuums in seinem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext. Sie sieht das Individuum und seine Problemlagen in der Gesamtheit seiner sozialen und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge. Der Fokus liegt hier konzeptionell auf einer Rückbesinnung auf Jesu Reich-Gottes-Botschaft und auf dem Dienst am Mitmenschen ganz im Sinne der Nachfolgerschaft Jesu. In dieser Perspektive wird in einem gewissen Rahmen eine christliche Weltverantwortung wahrgenommen, insofern nicht ausschließlich auf die Hilfesuchenden geblickt, sondern auch nach den Ursachen für diese spezifische Hilfsbedürftigkeit gesucht wird. Über die konkrete Ausgestaltung der Hilfe gibt es unterschiedliche Ansichten. Das diakonische Seelsorgekonzept kann trotz der vielfältigen Unterscheidungen als eine Einheit wahrgenommen werden. Solidarischer Beistand ist ein Charakteristikum dieses Konzepts. Diakonie bewegt sich stets an den Rändern der Gesellschaft mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen in Not geraten sind. Hier ist die diakonische Seelsorge eng verwandt mit befreiungstheologischen Ansätzen und einer entsprechenden, am Evangelium orientierten Praxis.48 Ein weiterer Ansatz von Seelsorge ist die wenig bekannte Künstlerische oder auch Transversale Seelsorge. Attraktiver Inhalt dieses Konzepts ist die Wahrnehmung des Menschen in seiner spezifischen Lebenswelt. Die Seelsorge soll es dem Menschen ermöglichen, seine eigenen Erlebnisse so zu reflektieren und zu verarbeiten, dass sie identitätsstiftend wirken. Das Konzept ist für die heutige erlebnisorientierte Gesellschaft entworfen worden, es birgt aber auch ein großes Potenzial für die Seelsorge an Polizist_innen. Identitätsstiftung soll dadurch stattfinden, dass Erlebtes differenziert wahrgenommen und reflektiert wird.49 Fokussierend lässt sich sagen:
47 Die fünf Soli lauten: »solus Christus« (allein Christus), »sola gratia« (allein aus Gnade), »solo verbo« (allein im Wort), »sola scriptura« (allein aufgrund der Schrift), »sola fide« (allein durch den Glauben). Die fünf Begriffe führen hin zu »soli Deo gloria« (allein Gott sei Ehre) und erfassen inhaltlich die Kernelemente der Rechtfertigungslehre. Online unter : http:// www.ekd.de/EKD-Texte/93091.html [abgerufen am 12. 10. 2014; 10.26 Uhr]. 48 Vgl. Nauer 2001, S. 262–266. 49 A. a. O., S. 353–354.
42
Seelsorge und seelische Gesundheit
»Im seelsorglichen Gespräch geht es aber nicht um die Festschreibung von scheinbar objektiven Sachverhalten, sondern um das Aufspüren von oft paradoxen Facetten des Lebens, die zugelassen, erkannt und ausgehalten werden müssen.«50
Die Evangelische Landeskirche in Baden beschreibt Seelsorge als »[…] Glaubens- und Lebenshilfe, also die Umsetzung des Evangeliums in den konkreten Alltagsfragen des Hilfesuchenden«51.
Das Wissen, dass es eine Person gibt, welcher man alles Belastende zumuten kann, bedeutet unter Umständen bereits eine Erleichterung für den Hilfesuchenden, die Hilfesuchende. Die Evangelische Seelsorge möchte den Menschen in allen Bereichen des Lebens, in all seinen komplexen Zusammenhängen begleiten. »Der Mensch braucht ein Du, ein Gegenüber«52, heißt es auf der Internetseite der Evangelischen Landeskirche in Baden. In einem Gegenüber, das dem Individuum Aufmerksamkeit schenkt, das mit einem ins Gespräch tritt – helfend, stärkend, herausfordernd, ratend, ermutigend – wird Gottes Nähe und Zugewandtheit für den Menschen erfahrbar.53 Für die vorliegende Studie haben wir uns für den pastoralpsychologischen Ansatz der Seelsorge entschieden, weil in der Seelsorge-Ausbildung und auch Praxis der Seelsorge »[…] konsequent psychologische Paradigmen und psychotherapeutische Verfahren angewendet werden.«54
Damit werde, so Kerstin Lammer, eine »[…] methodisch kontrollierte Qualität der Beratung gesichert. Frühe pastoralpsychologische Seelsorgeentwürfe betonen therapeutische Qualitätsansprüche (vgl. z. B. Dietrich Stollbergs These, Seelsorge sei »Psychotherapie im kirchlichen Kontext«) und empfehlen größte Zurückhaltung beim Einbringen christlicher Verkündigungsinhalte oder Traditionsformen (wie Bibelgeschichten und -lesungen, Gebet, Segen oder anderen Ritualen).«55
Gerade im Kontext des Evangeliums als bedingungslose Annahme des Menschen werde eine entsprechende Gesprächsatmosphäre vorausgesetzt, in der durch die Atmosphäre selbst, aber auch durch die Haltung der Seelsorger_innen das Evangelium als befreiender Prozess wirken kann. Es könne, so Kerstin Lammer, 50 A. a. O., S. 354. 51 Internetauftritt der Evangelischen Kirche in Baden: Seelsorge – was ist das? Online unter : http://www.ekiba.de/html/content/seelsorge_was_ist_das.html?t= [abgerufen am: 05. 12. 2013; 15.16 Uhr]. 52 Ebd. 53 Vgl. ebd. 54 Lammer 2012, S. 15. 55 Ebd.
Geschichte der Polizeiseelsorge in Deutschland
43
nicht sein, »dass Not und Anliegen der Ratsuchenden zum missionarischen Zweck der Vermittlung christlicher Traditionen benutzt«, ja sogar missbraucht und instrumentalisiert würden.56 Stattdessen sollten Klient_innen, in unserem Fall also Polizeibeamtinnen und –beamte, in ihrem Beratungsanliegen sorgfältig wahr- und angenommen und ihnen nach allen Regeln psychotherapeutischer Beratungskunst geholfen werden.57 Sinnvoll ist auch, die vorhandene theologische, spirituelle und liturgische Kompetenz der Seelsorger_innen und Pastoralpsycholog_innen behutsam einzusetzen. »Theologisches und Religiöses galten als implizit enthalten: in befreienden und heilsamen Beratungsprozessen, in Rolle, Wirklichkeitsauffassung und Glauben der Beratenden. Heute gilt es, die Seite der theologischen resp. religiösen Kompetenz für die pastoralpsychologische Seelsorge wieder zu entdecken und stärker auszugestalten […]«58
Die Symbol-, Ritual- und Auslegungskompetenzen seien, so Kerstin Lammer, besondere Stärken in diesem Seelsorgekonzept und damit auch als Expertise für Sinn- und Bedeutungsgebungsprozesse gegeben. »Auch was die christlich-theologische Tradition materialiter einzubringen hat, kann in Beratungsprozessen hilfreich sein – z. B. wenn ethische Fragen oder Fragen des Menschenbildes zum Thema werden; oder wenn man KlientInnen einladen will, ihre Perspektive über gewohnte, private Denkfiguren hinaus zu erweitern und zu diesem Zweck biblische Geschichten oder theologische Denkfiguren als alternative Betrachtungsweisen anbietet.«59
2.3
Geschichte der Polizeiseelsorge in Deutschland
Die Geschichte der Polizeiseelsorge in Deutschland reicht bis in die Reformationszeit zurück. Nachweisbar ist Polizei- bzw. Militärseelsorge aber erst im 19. Jahrhundert in Preußen. Diese erste institutionalisierte Seelsorgeform stand jedoch zunächst unter staatlicher, nicht-kirchlicher Aufsicht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bat ein Schutzmann um die Gründung eines institutionellen Vereins der Polizeiseelsorge auf christlichem Hintergrund. Begründet wurde seine Anfrage damit, dass sich die Schutzmänner von den restlichen Bürgern und Bürgerinnen aufgrund ihrer beruflichen Sonderstellung isoliert fühlten. Die daraufhin entstandene, überkonfessionelle und selbstorganisierte »christliche Versammlung von Schutzmännern« bot eine Möglichkeit, sich auf 56 57 58 59
A. a. O., S. 16. Ebd. Ebd. Ebd.
44
Seelsorge und seelische Gesundheit
der Grundlage des christlichen Menschenbildes gegenseitig Beistand zu gewähren. 1906 ging daraus der »Bund christlicher Polizeibeamter«60 hervor. Aufgrund der großen Nachfrage erstellte die Kirche schon bald seelsorgliche Angebote, die in der Einrichtung von Polizeiseelsorge mündeten.61 In der Weimarer Republik erachteten Vertreter sowohl der Kirche als auch der Polizei eine seelsorgliche Begleitung der Schutzmänner (!) als sinnvoll und notwendig. Der Artikel 141 der Weimarer Reichsverfassung spiegelt das Interesse wider.62 Zunächst standen jedoch die politischen Umbrüche dieser Zeit einer flächendeckenden Umsetzung der Polizeiseelsorge in den deutschen Ländern entgegen. Nach und nach wurden allerdings besoldete Stellen für Seelsorger im polizeilichen Zusammenhang geschaffen. Dabei bildete die Gestaltung von Gottesdiensten und die Beratung von Personen im Polizeidienst zunächst das vorrangige Tätigkeitsfeld der Polizeiseelsorger_innen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten unter Hitler wurden die Strukturen der Polizeiseelsorge zerstört. Die polizeiliche Führungsebene wurde paramilitärisch organisiert, eingeschränkt und überwacht und die kirchliche Seelsorge ihrer Aufgaben enthoben.63 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Zuge des Wiederaufbaus der Polizei in einem demokratischen Staat auch die Polizeiseelsorge wieder eingeführt und neu organisiert. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Einführung des Grundgesetzes 1949 wurden die Rechte der Religionsgemeinschaften aus der Weimarer Verfassung wörtlich übernommen, sodass eine Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat wieder möglich wurde.64 Dennoch erlangte die Polizeiseelsorge erst in den frühen 1960er Jahren wieder eine größere Bedeutung. Besonders prägende Rollen in diesem Prozess kamen dabei den Pfarrern Hans Dörr und August Ernst König zu, die das Gesicht der Polizeiseelsorge in entscheidendem Maße geprägt haben. Dörr unterrichtete in einer neugegründeten
60 Vgl. Hinz 2012, S. 50f. 61 Vgl. ebd. 62 Artikel 141 der Weimarer Reichsverfassung: »Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.« Vgl. online unter : http://www.documentarchiv.de/wr/ wrv.html [abgerufen am: 1. 04. 2015; 13.31 Uhr]. 63 Vgl. Hammermeister-Kruse & Röper 2012, S. 2f. Online unter: http://www.ekir.de/www/down loads/20120702_PT_Grundinformationen_und_Geschichte.pdf [abgerufen am: 25.11.14; 10.37 Uhr]. 64 Artikel 140, Grundgesetz, online unter: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [abgerufen am: 1.04.2015; 13.33 Uhr].
Theologische Grundlagen der Polizeiseelsorge
45
Polizeischule in Rheinland-Pfalz und war im Rahmen dieser Tätigkeit seelsorglich tätig.65 Die politischen und gesellschaftlichen Problem- und Konfliktlagen zwischen den 1960er und 1990er Jahren waren von der politischen Umbruchsituation nach 1968 und der Neugestaltung einer demokratischen, multikulturellen Zivilgesellschaft geprägt. Diese Prozesse nötigten die Polizei, ihre Strukturen den gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen und ihre personellen und kommunikativen Kompetenzen zu stärken und zu erweitern. Auch die Polizeiseelsorge musste ihre Angebote neu abstimmen und der gesellschaftlichen Entwicklung nachkommen. Die Polizeiseelsorgeausbildung wurde unter Aufnahme soziologischer, ethischer und psychologischer Aspekte professionalisiert. Darüber hinaus etablierte sich in den 1990er Jahren die Notfallseelsorge als neues kirchliches Aufgabenfeld.66 Um die Arbeit der Polizeiseelsorge besser vernetzen zu können, wurde auf evangelischer Seite 1972 die Konferenz für »Kirchliche Arbeit in nichtmilitärischen Verbänden« ins Leben gerufen. Die katholische Kirche zog 1975 mit der Gründung einer Bundesarbeitsgemeinschaft nach. Somit wurde auch die Zusammenarbeit mit Polizeipsycholog_innen und weiteren polizeilichen Diensten verbessert und die Angebote konnten zielgruppenoptimiert erstellt werden.67
2.4
Theologische Grundlagen der Polizeiseelsorge
Polizeiseelsorge geschieht an einer Schnittstelle zwischen staatlicher Aufgabe und kirchlichem Auftrag. Besonderen Raum nimmt dabei die Vorstellung einer christlichen Mitverantwortung an der Gestaltung der demokratischen Gesellschaft ein. Dieser theologische Aspekt wird in der Demokratiedenkschrift der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) von 1985 formuliert, deren Grundlage die Idee einer Kirche bildet, zu deren Aufgaben es gehört, den Staat bzw. das Gemeinwesen zu unterstützen, eine lebensdienliche Ordnung einzuhalten und »[…] Recht zu schützen [und] Friede zu wahren«68.
65 Vgl. Hinz 2012, S. 54ff. 66 Vgl. Hammermeister-Kruse & R ö per 2012, S. 4. Online unter : http ://www.ekir.de/ www/downloads/20120702_PT_Grundinformationen_und_Geschichte.pdf [abgerufen am : 25.11.14 ; 10.52 Uhr] . 67 Vgl. Hinz 2012, S. 59. 68 Schiewek 2012a, S. 31.
46
Seelsorge und seelische Gesundheit
Christinnen und Christen engagieren sich aufgrund ihres christlichen Glaubens und Menschenbildes für das demokratische Gemeinwesen und zeigen so ihre Mitverantwortung (»kritische Solidarität«69). Die Aufgabe der Kirchen ist es, sich kritisch-solidarisch zu Grundfragen des Gemeinwesens zu äußern und Position zu beziehen, Orientierung und Halt anzubieten sowie gesellschaftliche und politische Prozesse zu begleiten.70 Die heutige Arbeit der Polizeiseelsorge lässt sich in biblisch-reformatorischer Perspektive als Verantwortung und Engagement von Christ_innen für ein gelingendes gesellschaftliches Miteinander umschreiben. Der Rahmen für staatliches Handeln wird biblisch in Apostelgeschichte 5,29 und Römer 13,1–7 abgesteckt, indem der Schutz des Rechtes, die Bewahrung des Friedens und die Erhaltung einer gelingenden lebensfördernden Ordnung als Maßstab dieses Handelns formuliert werden. Den Kirchen kommt die Funktion des Wächteramts zu, indem sie dazu aufgerufen sind, den Staat immer wieder an diese Aufgaben zu erinnern und solidarisch bei ihrer Erfüllung zu begleiten. Dieses Wächteramt findet sich bereits in der Barmer Theologischen Erklärung vom 31. Mai 1934 in These IV wieder.71 Werner Schiewek, Landespfarrer im kirchlichen Dienst für die Polizei der Evangelischen Kirche von Westfalen und Lehrbeauftragter des Rates der EKD für Ethik im Polizeiberuf an der PolizeiFührungsakademie Hiltrup, stellt hinsichtlich des Verhältnisses von Kirche und Staat einen Bezug zu den kirchlichen Diskussionen in den 50er und 60er Jahren her. Vor allem das »Darmstädter Wort« und die »Erklärung der solidarischen Kirche in Westfalen« wiesen die Kirchen darauf hin, ihre Wächterfunktion vernachlässigt zu haben. Im Selbstverständnis der Polizeiseelsorge wurde das Wächteramt aufgenommen und ausgestaltet.72 Als biblische Texte, die das Verhältnis von Staat und Kirche thematisieren, seien hier beispielhaft Römer 13 und Offenbarung 13 genannt. In Römer 13,1 ist zu lesen:
69 Ebd. 70 Vgl. a. a. O., S.30ff. 71 Die Barmer Theologische Erklärung umfasst die zentralen theologischen Aussagen der bekennenden Kirche unter der nationalsozialistischen Kirche. These IV: Jesus Christus spricht: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener. (Mt 20, 25.26) Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von diesem Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben und geben lassen. Online unter : http://www.ekd.de/glauben/bekenntnisse/barmer_theologische_er klaerung.html [abgerufen am 4.03.15; 9.32 Uhr]. 72 Vgl. Schiewek 2012a, S. 32ff.
Selbstverständnis der Polizeiseelsorge
47
»Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.«73
In der lutherischen Tradition führte die Rezeption von Römer 13,1–7 zu einer Vorstellung des Staates als ein von Menschen organisiertes und verwaltetes Gebilde innerhalb einer übergeordneten Ordnung Gottes.74 Das Eingreifen Gottes in unsere Welt und somit in weltliche Staatsformen hat einen erhaltenden Charakter, da der Mensch vor der Gefahr gewarnt wird, im Chaos zu versinken. Daraus resultiert im seelsorglichen Kontext, dass das staatliche Handeln auch der Mitverantwortung von Menschen bedarf.75 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Polizeiseelsorge aus einer theologisch begründeten politischen (Mit-)Verantwortung der Kirchen resultiert.
2.5
Selbstverständnis der Polizeiseelsorge
Die Konferenz Evangelischer Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer in Deutschland (KEPP) formulierte im April 2004 in einer Standortbestimmung ihr eigenes Selbstverständnis, das die Grundlage der beiden vorliegenden Studien darstellt. Die Polizeiseelsorge bildet eine Verbindungsstelle zwischen kirchlicher Arbeit und staatlicher Aufgabe. Sowohl der Staat als auch die Kirche verpflichten sich, ein friedliches, freiheitliches und gerechtes Zusammenleben der Bürger_innen zu ermöglichen.76 Die Polizist_innen sind in ihrem Arbeitsalltag immer wieder mit belastenden und herausfordernden Situationen konfrontiert77 und daher physisch und psychisch in besonderer Weise gefährdet. Zu den Hauptaufgaben der Polizeiseelsorger_innen gehören sowohl eine aufsuchende Präsenz als auch seelsorgliche Handlungen und eine wertebezogene Handlungsorientierung im Berufsethikunterricht der jeweiligen Polizeischulen. Die aufsuchende Präsenz meint »[…] die sowohl von Kirche als auch von Polizei/Staat gewollte Anwesenheit kirchlicher Amtsträger im Handlungsfeld der Polizei«78. Römer 13,1, Übersetzung nach Martin Luther (Lutherbibel 1984). Schiewek 2012a, S. 35. Vgl. a. a. O., S. 34ff. Vgl. Grützner 2004. Online unter : http://www.polizeipfarramt.de/archiv_text_display.php 5?20336,259 [abgerufen am 25.11.14; 13.05]. 77 Darunter sind beispielsweise das Auffinden einer Leiche, insbesondere von Kinderleichen, sowie häusliche Gewalt, Kindesmisshandlungen oder die Sorge um das eigene Leben innerhalb von Gewaltsituationen zu verstehen. 78 Grützner 2004. Online unter: http://www.polizeipfarramt.de/archiv_text_display.php5?20336,259 [abgerufen am 25.11.14; 13.14].
73 74 75 76
48
Seelsorge und seelische Gesundheit
Ihre Aufgabe sieht die Polizeiseelsorge darin, Menschen im polizeilichen Kontext und in der Polizeiarbeit solidarisch und kritisch zu begleiten. Dabei geht es um eine langfristige Begleitung im beruflichen und privaten Umfeld, in dem die Polizeiseelsorger_innen nicht nur in Krisensituationen ein beratendes Gespräch anbieten, sondern grundsätzlich an den Prozessen des polizeilichen und gegebenenfalls privaten Alltags beteiligt sind.79 Um eine professionelle Begleitung von Polizist_innen gewährleisten zu können, ist eine spezifische Ausbildung der Polizeiseelsorger_innen notwendig. Die Rechtfertigung der Polizeiseelsorge als kirchlicher Auftrag kann von verschiedenen Seiten her geschehen. Zum einen ist der Staat dazu verpflichtet, seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Polizist_innen nachzukommen. Da er selbst innerhalb des Gewaltmonopols diese Fürsorgepflicht nicht leisten kann, muss er gemäß dem Subsidiaritätsprinzip gewährleisten, dass ihr von anderer – in diesem Fall kirchlicher – Seite nachgekommen wird. Zum anderen sind die kirchlichen Polizeiseelsorger_innen aufgrund der seelsorglichen Schweigepflicht und des Zeugnisverweigerungsrechts in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben professionell zu erfüllen. Die Kirchen argumentieren zusätzlich mit der Anerkenntnis der Notwendigkeit polizeilicher Arbeit innerhalb der Demokratie sowie der besonderen Belastungen im polizeilichen Arbeitsalltag.80
2.6
Aufgaben der Polizeiseelsorge
In der Evangelischen Landeskirche in Baden richtet sich die Polizeiseelsorge an Polizeibedienstete und deren Angehörige, unabhängig von deren Konfession: »Die kirchliche Arbeit der Polizei geschieht im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols. Die seelsorgliche Aufgabenerfüllung erfolgt unter Berücksichtigung der einsatztaktischen Erfordernisse bzw. des notwendigen polizeilichen Handelns. Im Rahmen der Seelsorge sind die Polizeiseelsorgenden nicht an staatliche Weisungen gebunden.«81
Eine große Zahl der Sonderseelsorgen verdankt sich der Notwendigkeit, Menschen in ihren pluralen Lebensbereichen angemessen zu begleiten. Die Evangelische Kirche in Deutschland möchte Menschen professionell begleiten, daher ist eine großangelegte Ausdifferenzierung der konsequente Schluss. So entstand 79 Vgl. Grützner 2012a, S. 41. 80 Vgl. ebd. 81 Zentrum für Seelsorge der evangelischen Landeskirche in Baden (Hrsg.):«Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden«, Gesamtkonzeption-Seelsorge in der evangelischen Landeskirche Baden. Zum Download unter: http://www.zfs-baden.de/html/aktuell/aktuell_u. html?t=b7f0d7b06a2e1f50fe10998f6098aeda& tto=6ed0add1& & cataktuell=& m=9259& arti kel=4258& stichwort_aktuell=& default=true [abgerufen am 4.12.14; 10.28 Uhr], S. 63.
Aufgaben der Polizeiseelsorge
49
die Polizeiseelsorge wie auch viele weitere nicht-parochiale Ämter und Amtsbereiche.82 Die Polizeiseelsorge zeigt die aktive Wahrnehmung der Mitverantwortung, die die christliche Kirche als ihre wesentliche Aufgabe ansieht.83 Wenn hier von Polizeiseelsorge gesprochen wird, muss zunächst geklärt werden, welche Aufgabenbereiche sich hinter diesem Begriff verbergen.
2.6.1 Polizeiseelsorge als Notfallseelsorge und Unterstützung in belastenden Situationen Polizeiseelsorge umfasst ein breites Spektrum an Tätigkeiten und Einsatzgebieten. Sie beinhaltet den Bereich der Notfallseelsorge, also der Seelsorge an Beamt_innen, Opfern, Rettungshelfer_innen und Zeug_innen angesichts eines traumatisierenden Ereignisses. Daneben umfasst Polizeiseelsorge aber auch die Unterstützung von Beamt_innen, die sich belastenden Erfahrungen oder Aufgaben gegenübersehen. Belastende Situationen gehören zum Berufsalltag von Polizist_innen. Beispiele dafür sind das Auffinden von Leichen, das Führen von Gesprächen mit Suizidanten und das Überbringen von Todesnachrichten. Nur in wenigen Fällen ist die Zusammenarbeit der Polizei mit Notfall- beziehungsweise Polizeiseelsorger_innen so eng wie bei der Überbringung der Todesnachricht.84 Obwohl die Polizist_innen grundsätzlich auf belastende Situationen eingestellt sind und darin von Seelsorger_innen auch begleitet werden, können diese die Beamt_innen dennoch überfordern und psychische Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Auch Polizist_innen müssen Situationen wie das Überbringen einer Todesnachricht nach einem letalen Unfall verkraften und verarbeiten. Dabei wird oftmals unreflektiert vorausgesetzt, dass Polizist_innen in der Lage sein müssten, solche Situationen ertragen zu können. Hier wird deutlich, welch große Bedeutung der Fähigkeit der Polizist_innen zukommt, mit sich selbst und ihrer Life-Work-Balance achtsam umzugehen. Polizeiseelsorge stellt dabei eine Möglichkeit des Gesundheitsmanagements dar.85 Gleichsam ist die Polizeiseelsorge ein freiwilliges und kein Pflichtangebot für die Polizeibeamt_innen. Bei polizeilichen Großeinsätzen kann es zu unterschiedlichen Einschätzungen über die Notwendigkeit der Seelsorge vor Ort kommen.86 Aus der Sicht der Polizeiseelsorge liegt der Sinn des Einsatzes von Polizei- und 82 83 84 85 86
Vgl. Schiewek 2006, S. 29. Vgl. a. a. O., S. 30. Vgl. Kiehn & Trappe 2006, S. 138f. Vgl. Rutkowsky 2012, S. 89ff. Vgl. Steinmann & Knubben 2012, S. 166.
50
Seelsorge und seelische Gesundheit
Notfallseelsorger_innen bei Großeinsätzen darin, dass die Beamt_innen sowie auch andere in das Geschehen involvierte Personen, beispielsweise Zeug_innen oder auch Opfer, einen »[…] helfenden Charakter der Seelsorge nach traumatisierenden Erlebnissen spüren und erleben müssen«87.
Auch sind die Seelsorger_innen in Baden-Württemberg, laut der Verwaltungsvorschrift, feste Mitglieder der Krisenberatung der jeweiligen Landespolizeidirektion.88 Wichtig ist, dass die seelsorglichen Einsatzkräfte vorbereitet zu den Einsatzorten erscheinen. Dies ist zum einen obligatorisch, um die Arbeitsabläufe der Polizei sowie auch der Feuerwehr und anderer Einsatzkräfte nicht zu stören, aber auch um für alle Anwesenden durch Dienstausweise und gekennzeichnete Jacken erkennbar zu sein. Dadurch kann eine möglichst gute Kommunikation und Kooperation der polizeilichen Einsatzkräfte unterstützt werden.89 Polizeibeamt_innen müssen in Notfallsituationen professionell und regelgeleitet agieren, was oft auf Kosten der eigenen Emotionen geschieht. In derartigen Situationen ist von Seiten der Polizeiseelsorger_innen Empathie und Professionalität gefragt. Zu beachten ist dabei, dass weder zu viele Krisenberater_innen vor Ort sind, noch auf vorhandene Emotionen der Polizist_innen während eines laufenden Einsatzes eingegangen wird, da ansonsten die polizeiliche Arbeit gestört ist.90 Hingegen sollten Polizeiseelsorger_innen durch die Wahrnehmung der Ereignisse am Einsatzort räumliche (wie beispielsweise umliegende Kirchen) und methodische Möglichkeiten schaffen, um Opfer und deren Angehörige professionell zu begleiten. Daraus folgt, dass diese aufgrund ihrer Anliegen und Bedürfnisse die Einsatzkräfte nicht behindern.91 Hoffnungen und Gottesnähe sind in Notsituationen oft nicht anzutreffen, weshalb es Aufgabe der Polizeiseelsorge ist, den betroffenen Menschen ein Du zu geben und dafür zu sorgen, dass in ihnen diese positiven Emotionen wieder entstehen können.92 »Sie tut dies in seelsorgerlicher Kompetenz, indem sie den vom Schrecken gebannten Blick ernst nimmt und befreit für die blühende, die früchtebringende, bunte Seite des Lebens. Dadurch werden die Erfahrungsbereicherungen, die im Durchleiden des
87 88 89 90 91 92
A. a. O., S. 167. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. a. a. O., S. 168. Vgl. a. a. O., S. 168f. Vgl. a. a. O., S. 172ff.
Aufgaben der Polizeiseelsorge
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Schrecklichen gemacht worden sind, nicht vergessen oder verdrängt, sondern bleiben als Erfahrungsreichtum abrufbar und für das Wohl der Menschheit wieder einsetzbar.«93
2.6.2 Polizeiseelsorge als Seelsorge »zwischen Tür und Angel« Ein bedeutsamer Teil der Polizeiseelsorge ist neben den genannten Formen jene, die zu Recht mit den Worten »Seelsorge bei Gelegenheit« wirbt. Diese Spielart der Seelsorge richtet ihren Blick auf den Alltag der Polizist_innen und auf die Gesamtheit der Umstände, die dieser Berufsstand mit sich bringt. Sie bewegt sich innerhalb der Lebenswelt der Beamt_innen. Die Polizei ist ein eigenes System mit eigenen Strukturen und Regeln. Wer mit Polizist_innen arbeiten möchte, muss deren Lebenswelt begreifen, das Spannungsfeld, in welchem sie sich bewegen. Wie in der gemeindlichen Seelsorge oder in anderen seelsorglichen Kontexten, kann auch die polizeiliche Seelsorge spontan und »nebenbei« geschehen. Diese Art der Alltagsseelsorge in Form eines Kurzgesprächs wird vor allem aufgrund des niederschwelligen Charakters oft gewählt. In vielen Fällen ist es der aufsuchenden Person nicht zwingend bewusst, dass es sich bereits um ein seelsorgliches Gespräch handelt.94 Der Polizeiseelsorger, die Polizeiseelsorgerin ist der aufsuchenden Person zugewandt, baut eine Vertrauensbeziehung auf und sucht gemeinsam mit der betreffenden Person nach Lösungen.95 Das spontane Gespräch ist in der Polizeiseelsorge bedeutsam. Allerdings ist hierbei wichtig, dass die Polizeiseelsorger_innen in ihrer Funktion und Rolle bereits wahrgenommen worden sind. Anlässlich des seelsorglichen Kurzgesprächs ist ihre Rolle bereits geklärt. Im informellen Gespräch müssen sie sich ihrer Rolle bewusst sein. Das Vertrauen der Polizeibeamt_innen in die Polizeiseelsorge wird durch die Begleitung in schwierigen und belastenden Situationen geweckt und gestärkt. Dieses Vertrauen ist Grundlage dafür, ob Polizist_innen das Angebot der Seelsorger_innen in Anspruch nehmen oder sich ihnen gegenüber distanziert verhalten.96 Für die Arbeit der Polizeiseelsorger_innen bedeutet das, dass sie nicht nur in seelsorglichen Situationen kontaktiert werden, sondern an der alltäglichen polizeilichen Arbeit teilhaben und präsent sein müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Ein weiterer, wichtiger Aspekt professioneller Polizeiseelsorge ist das grundlegende Wissen um polizeiliche Strukturen, Organisation und adminis-
93 94 95 96
A. a. O., S. 174. Vgl. Lohse 2003, S. 145f. Vgl. ebd. Vgl. Grützner 2012b, S. 90f.
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Seelsorge und seelische Gesundheit
trative Abläufe der polizeilichen Arbeit. Dabei geht es um das empathische Wahrnehmen stresserzeugender, belastender Situationen, auch wenn dies nur im kleineren Rahmen möglich ist.97 Bedeutsam für die Polizeiseelsorge ist, dass diese kirchlich organisiert und nicht dem Innenministerium des jeweiligen Landes unterstellt ist, was grundsätzlich für die Persönlichkeitsentwicklung und die Kommunikationsfähigkeit der Polizeibeamt_innen wichtig und förderlich ist.98
2.6.3 Polizeiseelsorge in der Badischen Landeskirche Die Polizeiseelsorge ist zu Recht eine eigene Größe in der Evangelischen Landeskirche in Baden. In der kirchlichen Gesamtkonzeption zur Seelsorge ist als Auftrag und Ziel von Polizeiseelsorge zu lesen: »Die Polizeiseelsorge hat Teil am Gesamtauftrag der Kirche, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen und alles Handeln daran auszurichten. Sie geschieht auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen den 4 Kirchen in Baden-Württemberg und dem Innenministerium. Die kirchliche Arbeit in der Polizei umfasst berufsethischen Unterricht, Seelsorge und Tagungs- bzw. Fortbildungsarbeit.«99
In dieser Gesamtkonzeption wird auch ein weiterer charakteristischer Punkt benannt, weshalb Polizeiseelsorge ein sehr spezielles Feld kirchlicher Arbeit darstellt: »Polizeiseelsorge ist Berufsbegleitung an der gesellschaftlich sensiblen Schnittstelle von Kirche und Staat.«100
Dem »Handbuch Polizeiseelsorge« sind Themen zu entnehmen, die den Rahmen der Polizeiseelsorge abstecken. Dieser Rahmen umfasst Umgang mit Gewalt, Tod und Trauer, Lebensgefahr, Gerechtigkeit, Respekt und dem Menschen in Uniform.101 Polizist_innen bewegen sich untereinander in einem eigenen System mit eigenen Verhaltensregeln und eigenem Jargon. Polizeiseelsorger_innen können ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie dieses System verstehen und sich darauf 97 Vgl. a. a. O., S. 92f. 98 Vgl. a. a. O., S. 93ff. 99 Zentrum für Seelsorge der evangelischen Landeskirche in Baden (Hrsg.):«Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden«, Gesamtkonzeption-Seelsorge in der evangelischen Landeskirche Baden. Zum Download unter: http://www.zfs-baden.de/html/aktuell/aktuell_u. html?t=b7f0d7b06a2e1f50fe10998f6098aeda& tto=6ed0add1&& cataktuell=& m=9259&arti kel=4258& stichwort_aktuell=&default=true [abgerufen am 4.12.14; 10.34 Uhr], S.61. 100 A. a. O., S.62. 101 Vgl. Grützner & Kiehn 2006, S. 22ff.
Aufgaben der Polizeiseelsorge
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einlassen. Zweck der Polizeiseelsorge ist die seelische Gesunderhaltung der Beamt_innen, welche sich stets im Spagat zwischen Pflicht und persönlicher Einstellung befinden.102 Um diese Spannung dauerhaft auszuhalten, bedarf es kontinuierlicher professioneller Begleitung. Die stabile Beziehung zur seelsorgenden Person ist wichtig, denn in seelsorglichen Gesprächen werden komplexe Fragestellungen verhandelt, auf die es häufig keine eindeutige Antwort gibt.
2.6.4 Spirituelle Angebote der Polizeiseelsorge Die Pfarrerin der Evangelischen Militärseelsorge, Claudia Kiehn, beschreibt die Notwendigkeit eines Wandels der Polizeiseelsorge hinsichtlich spiritueller Angebote. »Eine Folge der stetigen Säkularisierung unserer Gesellschaft ist die Beobachtung, dass die Suche nach spirituellen Erfahrungen wächst- auch und gerade in der Polizei.«103
Hintergrund der Sehnsucht nach Spiritualität ist die Suche nach »[…] Halt und Geborgenheit, nach Zugehörigkeit und Hoffnung […]«104,
die auch Polizeibeamt_innen bewegt. Hier ist es die Aufgabe der Polizeiseelsorger_innen, ein Angebot für diejenigen zu schaffen, die einen Ausgleich durch spirituelle Handlungen benötigen und auch wünschen. Gleichwohl müssen Polizeiseelsorger_innen auch mit Ablehnung religiöser bzw. spiritueller Inhalte rechnen.105 Als spirituelle Angebote bieten sich »[…] Gottesdienste, Räume der Stille und spirituelle Seminare […]«106
usw. an. Nach Großeinsätzen wird von Seiten der Polizeibeamt_innen vielfach der Wunsch geäußert, Gedenkgottesdienste zu begehen.107 Solche Gottesdienste eröffnen die Möglichkeit, sich inhaltlich auf die spezifischen Bedürfnisse der Polizeibeamt_innen auszurichten. Von Bedeutung kann dabei die Wahl des Gottesdienstortes sein: Ein stimmiger Ort kann dem Inhalt dienlich sein und eventuell vorhandene Emotionen aufnehmen.108 102 103 104 105 106 107 108
Vgl. Grützner & Schiewek 2006, S. 207. Kiehn 2012, S. 232. A. a. O., S. 233. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. Werneburg 2012, S. 223. Vgl. a. a. O., S. 233ff.
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Seelsorge und seelische Gesundheit
Im Gottesdienst nehmen die Polizeiseelsorger_innen zunächst in besonderer Weise ihre Aufgabe als Verkündiger wahr. »Der Polizeiseelsorger ist hier eben nicht nur Zuhörender (wie in der Seelsorge) und Lehrender (wie in der Berufsethik), sondern eben auch als Verkündiger und in seiner priesterlichen Aufgabe gefragt.«109
Doch über die Verkündigung hinaus kann der Gottesdienst noch mehr leisten. So liegt eine Hauptaufgabe der Polizeiseelsorge darin, Polizist_innen bei der Bewältigung von Herausforderungen des Polizeiberufs zu unterstützen. Häufig ist zu beobachten, dass es den Polizeibeamt_innen schwer fällt, ihre persönlichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Diese Sprachlosigkeit kann von Polizeiseelsorger_innen im Gottesdienst thematisiert werden. Dabei ist es wichtig, sensibel und mit Bedacht Methoden auszuwählen, die es allen Menschen – auch kirchenfernen oder nicht gläubigen – ermöglichen, sich durch die verwendeten Symbole, Medien und Worte angesprochen zu fühlen.110 Über die passenden Räumlichkeiten hinaus ist zu beachten, dass die Predigt anschlussfähig an das Leben und Arbeiten der Polizist_innen ist. Auch Rituale können den Beamt_innen bei der Aufarbeitung und Bewältigung belastender Situationen helfen.111 Die Polizeiseelsorger_innen sind jedoch nicht nur in liturgisch-gottesdienstlichen Handlungen präsent, sondern werden oft auch gebeten, bei polizeiinternen Feiern ein Grußwort zu sprechen oder einfach nur anwesend zu sein.112
109 110 111 112
Kiehn 2012, S. 22. Vgl. a. a. O., S. 226. Vgl. a. a. O., S. 227. Vgl. ebd.
3.
Berufsethik
3.1
Ethik
3.1.1 Ethik und Moral Aristoteles verwendete den Begriff Ethik zuerst als »Name für eine philosophische Beschäftigung«113. Das Wort selbst leitet sich vom griechischen Wort »ethos« ab, was so viel bedeutet wie »Brauch«, »Sitte« und »Gewohnheit«. Weiter geht aus seinen Schriften hervor, dass für ihn stets das »Gute im Allgemeinen« im Zentrum steht, dieses aber hinterfragt werden müsse. Diese Vorstellung steht ganz im Gegensatz zu den üblichen Denkweisen. Ein Mensch tut etwas, weil es wichtig ist und weil es als das Gute betrachtet wird. Die Frage hierbei ist jedoch, ob das Gute naturgegeben sei oder auf Absprachen von Menschen basiere. Und eben jene »[…] grundlegende Unsicherheit über die menschliche Handlungsweise […]«
bietet die Begründung für die Ethik als »philosophisches Unternehmen«114. Bedeutend werden die Vorstellungen über das Gute dann, wenn unter den Menschen kein Konsens besteht und dieser herbeigeführt werden muss.115 Arno Anzenbacher, Professor für christliche Anthropologie und Sozialethik, setzt genau hier an. Er geht davon aus, dass die Menschheit ein gewisses Maß an Vorverständnis über das Moralische besitzen müsse. Dies zeige sich unter anderem in Konversationen, die Menschen untereinander betreiben, welche gefüllt seien mit moralischen Begriffen. Aspekte des Vorverständnisses, so Arno Anzenbacher, seien die moralische Bewertung, das Gewissen, die Freiwilligkeit, die Verantwortung, der soziale Bezug und der Selbstwert. Wenn Menschen moralische Urteile fällen, ziele dies hauptsächlich auf Handlungen anderer Menschen 113 Andersen 2005, S. 1. 114 A. a. O., S. 2. 115 Vgl. a. a. O., S. 1–3.
56
Berufsethik
ab. Weil aber Einrichtungen, soziale Gefüge und Apparate Ergebnis menschlichen Handelns seien und auch von diesen geleitet würden, maße sich der Mensch an, hier ebenfalls eine moralische Bewertung vorzunehmen.116 Was von der Allgemeinheit als das »Gewissen« beschrieben wird, beschreibt Arno Anzenbacher durch das »[…] allgemeine Wissen um Gut und Böse«117.
Es wird dabei zugrunde gelegt, dass das menschliche Gegenüber einerseits den Unterschied zwischen Gut und Böse kenne, und andererseits auch versuche, das Gute zu bestärken und das Böse zu vermeiden. Des Weiteren wird bei einer moralischen Bewertung vorausgesetzt, dass das Tun der Menschen aus freien Stücken und ohne Zwang geschehe. Dies bezeichnet Arno Anzenbacher als Freiwilligkeit, die er zum kategorischen Imperativ Kants in Beziehung setzt. Ein weiterer Aspekt des Vorverständnisses des Moralischen ist die Verantwortung. Hierbei geht er davon aus, dass Menschen die Handlungen anderer dann respektieren, wenn die Gründe dafür durchdacht und vernünftig erscheinen. Dies wiederum zeige, dass nicht immer eine eindeutige Differenzierung zwischen Gut und Böse möglich sei, sondern die Grenze zwischen beiden vielfach diskutiert werden müsse. Maßstab für diese Grenzziehung sei die Frage nach der Möglichkeit der Rechtfertigung einer Handlung, denn das Böse lasse sich »[…] nicht vernünftig rechtfertigen«118.
Unter dem sozialen Bezug erläutert Anzenbacher, dass in unserer Vorstellung von moralischer Bewertung oft die Gerechtigkeit eine maßgebliche Rolle spiele.119 »Dennoch ist unser alltägliches Vorverständnis des Moralischen vor allem bestimmt durch den zwischenmenschlich-sozialen Bezug.«120
Er verbindet dies mit der Goldenen Regel, denn »[…] das moralische Urteil betrifft häufig das Verhältnis der eigenen Bedürfnisse und Interessen zu den Bedürfnissen und Interessen anderer.«121
Als sechstes Element des Vorverständnisses des Moralischen nennt Arno Anzenbacher den Selbstwert. Er bringe die Würde eines Menschen vor sich selbst und vor anderen in Zusammenhang mit seiner Moral. Um es mit seinen Worten zu sagen: 116 117 118 119 120 121
Vgl. Anzenbacher 1992, S. 11f. A. a. O., S. 12. A. a. O., S. 14. A. a. O., S. 12ff. A. a. O., S. 14. Ebd.
Ethik
57
»Die moralische Qualifikation betrifft in einzigartiger Weise den Wert und die Würde eines Menschen als Mensch.«122
Der Schweizer Philosoph und Schriftsteller Peter Bieri beschreibt den Begriff der moralischen Würde. Seiner Meinung nach ist Würde eine »Lebensform«, da wir diese in Beziehung miteinander erfahren. »Dadurch, daß [sic!] ich andere in ihren Bedürfnissen achte und mein Tun danach ausrichte, erwerbe ich eine Form der Würde, die man moralische Würde nennen könnte.«123
Daraus resultiert für ihn, dass wir im Zuge der Brüskierung der Würde anderer unsere eigene Würde angreifen.124 Etymologisch betrachtet Arno Anzenbacher das »Sittliche«, das »Moralische« und das »Ethische«. Diese Bezeichnungen haben drei verschiedene Ursprünge. Das Wort »ethos« aus dem Griechischen, das Svend Andersen übersetzt hat mit den Worten »Brauch« und »Sitte«, erläutert Anzenbacher weitergehend. Er beschreibt es als »[…] Ort des Wohnens und insofern auch alles das, was im Rahmen gemeinsamen Wohnens Brauch und Sitte ist«125.
Dies schließt die Handlungen der Personen mit ein. Die Moral ist zurückzuführen auf das lateinische Wort »mos« und heißt »Wille«.126 Darunter ist aber mehr der Wille zu verstehen, der durch Regeln erlassen wird, »[…] und dann die herkömmlichen Sitten und Gebräuche«127.
Es zielt somit, wie auch das Wort »ethos«, auf das Individuum und dessen Einstellungen, Grundhaltung und Wesensart. Das Wort Sitte kommt aus dem Lateinischen und Griechischen und bedeutet so viel wie »[…] sich zu eigen machen« oder »nach eigener Art leben«.128
Beim Blick auf die Herkunft der Wörter wird deutlich, dass sie erst im Laufe der Zeit zu ihrer individuellen Bedeutung kamen. Davor waren sie mehr bezogen auf »[…] die gemeinsame Sitte, als Herkommen, Brauch, Gewohnheit und Gesetz der Gemeinschaft«.129 122 123 124 125 126 127 128 129
A. a. O., S. 15. Bieri 2013, S. 269. Ebd. Anzenbacher 1992, S. 15. A. a. O., S. 15f. A. a. O., S. 16. Ebd. Ebd.
58
Berufsethik
3.1.2 Normen und Werte Die Gesellschaft ist geprägt von Normen. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet »Kenner«, »Beurteiler« und »Maßstab«. Normen verfolgen den Sinn, zum »richtigen« Handeln in bestimmten Situationen anzuleiten. »Richtig« bezeichnet hierbei den allgemeinen Konsens der Gesellschaft bezüglich einer bestimmten Entscheidung. Normen helfen dabei, angesichts mehrerer Handlungsmöglichkeiten nicht immer wieder neu nach der angemessenen Entscheidung suchen zu müssen. Den Normen liegen dabei Wertvorstellungen zugrunde. Diese beeinflussen das Handeln der Menschen und helfen, in bestimmten Situationen eine Entscheidung zu treffen.130 Ernst-Heinrich Ahlf, Experte für Kriminalprävention, sagt hierzu: »Werte sind an der Schnittstelle zwischen dem Individuum und den gesellschaftlichen/ staatlichen Institutionen angesiedelt. Sie sind für die gesellschaftlichen/ staatlichen Institutionen eine der wichtigsten Legitimationsgrundlagen.«131
Das gilt in besonderem Maße für die Institution Polizei. Ihre Wertvorstellungen beeinflussen die öffentliche Meinung über die Polizei und deren Anerkennung durch die Bürger_innen. Außerdem verdeutlicht ihr Handeln die ihnen zugrunde liegenden Wertvorstellungen.132 »Werte besitzen mithin sowohl einen individuellen als auch einen sozial-integrativen Aspekt.«133
3.2
Ethik im Polizeiberuf
3.2.1 Ethisches Handeln in der Polizei »Ethisches Handeln ist Antwort auf Lebenssituationen.«134
So definiert Hermann Möllers, Lehrbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland für Ethik im Polizeiberuf, ethisches Handeln im Kontext der Polizei und begründet dies damit, dass hier ein Mensch in Entscheidungssituationen Stellung beziehen müsse. Er verweist dabei auf Trutz Rendtorff, der feststellt, dass der Mensch im Laufe seines Lebens verschiedene Rollen annehme, die die Lebensart lenken und prägen. Das führe dazu, dass die persönliche Lebensart 130 131 132 133 134
Vgl. Ahlf 2000, S. 28f. A. a. O., S. 29. Vgl. a. a. O., S. 29f. A. a. O., S. 30. Möllers 1991, S. 76.
Ethik im Polizeiberuf
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und das damit zusammenhängende Selbst eingebettet werden in die Gesellschaft.135 »Als Funktionszusammenhang bestimme die Rolle in der Regel nicht die Erwartungen an die Person, wie sie sich selbst versteht, sondern an die Leistungen, die sie kraft ihrer Rolle […] für andere erbringt. Der Funktionszusammenhang der Rolle wirke sich auf die Person aus […].«136
Da jeder Mensch aber viele Rollen habe, bestimme nicht eine allein die Identität der Person.137 In Bezug auf die Polizeiarbeit kann jedoch nicht nur das ethische Handeln des Einzelnen betrachtet werden, sondern die Institution muss in den Blick genommen werden. Dazu unterscheidet man, nach Ernst-Heinrich Ahlf, zwischen der Mikro-, Meso- und Makroebene. Die Mikroebene nimmt das Individuum in den Blick, die Mesoebene betrachtet die Institutionen und in der Makroebene steht das Allgemeine im Fokus, das die vorangegangenen Ebenen tangiert. Die Mikroebene bezieht sich auf das Individuum bzw. das ethische Handeln des Individuums innerhalb der Institution. Wichtig hierbei sind die persönlichen Werte, die in Relation zur Institution stehen. Die Institution mit ihren Beweggründen und Präferenzen, und weniger die der Arbeitnehmer, sind auf der Mesoebene zu verorten. Auf dieser Ebene wird deutlich, dass ethische Handlungen ihren Ursprung nicht allein vom Individuum her nehmen, sondern auch die Institution einen entscheidenden Beitrag dazu leistet. Es zählen die Werte, die die Organisation bzw. Institution innehat.138 Ernst-Heinrich Ahlf bezeichnet Institutionen als »moralische Akteure«, die »[…] über kollektive Werte und damit auch über das ethische Verhalten einzelner Mitglieder der Organisation […]«139
entscheiden. Die Mesoebene führt demnach über die Individualethik hinaus. Die Makroebene wirkt auf die Mikro- und Mesoebene ein, denn auf der Makroebene werden ethische Urteile verortet, die kollektive Strukturen tangieren. Es geht um systemübergreifende Werte wie zum Beispiel die der Grundrechte und der Nachhaltigkeit.140
135 136 137 138 139 140
Vgl. Rendtorff 1981 in: Möllers 1991, S. 76f. A. a. O., S. 77. Vgl. ebd. Vgl. Ahlf 2000, S. 41ff. A. a. O., S. 42. Vgl. a. a. O., S. 43.
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Berufsethik
3.2.2 Die Berufsethik Der Berufsethikunterricht der Polizei im Land Baden-Württemberg findet aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Innenministerium Baden-Württemberg und den Evangelischen und Römisch-Katholischen Kirchen in Baden und Württemberg (Evangelische Landeskirche in Baden, Evangelische Landeskirche in Württemberg, Erzdiözese Freiburg, Diözese Stuttgart-Rottenburg) statt. Die Leitungen der genannten Kirchen arbeiten dabei zusammen.141 »Polizeilich notwendiges Handeln bis hin zu Eingriffen in die Grund- und Menschenrechte kann mit Konflikten zwischen den persönlichen Entscheidungskriterien der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei und den rechtlichen und organisatorischen Vorgaben verbunden sein. Berufsethik und Seelsorge tragen dazu bei, einen ethischen und spirituellen Orientierungsrahmen zu schaffen und Hilfestellungen in Konfliktfällen anzubieten.«142
Die hier geschilderten möglichen Konflikte in der Polizeiarbeit können in den bereits geschilderten Mikro-, Meso- und Makroebenen verortet werden. Die Berufsethik soll neben den rechtlichen Grundlagen, die Polizeischüler_innen in ihrer Ausbildung vermittelt bekommen, die ethische Dimension des Handelns in den Mittelpunkt rücken. Im Vordergrund steht dabei die »[…] unantastbare Würde des Menschen«.143
Sinn und Zweck der Berufsethik ist, dass Mitarbeiter_innen »[…] ihre ethische Verantwortung in der täglichen Arbeit erkennen, wahrnehmen und kritisch reflektieren«.144
Die Grundlage dafür wird im Berufsethikunterricht gelegt. Es handelt sich jedoch um ein »berufslebenslanges Lernen«145. Auf der Internetseite der Polizeiseelsorge in Baden-Württemberg wird die Berufsethik der Polizei dargestellt. Dort werden verschiedene Aspekte aufgezeigt, die für die Berufsethik von Bedeutung sind. An dieser Stelle findet man auch eine Beschreibung des Auftrages des Berufsethikunterrichts:
141 Vgl. Geltendes Recht der Evangelischen Landeskirche in Baden: 310.710 Kirchliche Polizeiarbeit (2002). Online unter : http://www.kirchenrecht-ekiba.de/showdocument/id/4339 [abgerufen am: 1. 04. 2015; 13.53 Uhr]. 142 Ebd., Präambel. 143 Ebd., 3.2 Berufsethik. 144 Ebd., 3.3 Berufsethik. 145 Ebd., 3.4 Berufsethik.
Berufsethikunterricht in der Polizei
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»Aufgabe der Berufsethik in der Polizei ist es, über berufliche Erfahrungen nachzudenken mit dem Ziel, jetzt und in Zukunft bewusst und verantwortlich handeln zu können.«146
Dies soll in der Ausbildung und in darüber hinausgehenden Fortbildungen stattfinden.147
3.3
Berufsethikunterricht in der Polizei
3.3.1 Geschichtliche Entwicklung Moralische Anforderungen des Polizeiberufs Der Polizeiberuf bevollmächtigt und verpflichtet jeden Polizisten und jede Polizistin, mit diversen Handlungsvollmachten zu agieren. Sie haben damit die Vollmacht und sind gegebenenfalls auch dazu gezwungen, in die Grundrechte von Bürger_innen einzugreifen.148 »Deswegen werden bis heute besonders hohe moralische Anforderungen an die Polizei als Ganze und an deren einzelne Mitglieder gestellt.«149
Die Reflexion der moralischen Anforderungen, die Beschäftigung mit Normen und Werten und die täglichen Herausforderungen des Polizeiberufs bilden die Inhalte des sogenannten polizeilichen Berufsethikunterrichts, dessen geschichtliche Entwicklung gleichzeitig eine »Ausdifferenzierung und Professionalisierung«150 darstellt. Die Entwicklung des Fachs Berufsethik spiegelt die »Zusammenarbeit von Staat und Kirchen«151 wider sowie die »[…] gesellschaftlichen Krisen und Herausforderungen, die immer wieder zu neuen Bestimmungen der moralischen Grundlagen und des moralischen Selbstverständnisses der polizeilichen Arbeit geführt haben und die auch in Zukunft immer wieder neu gewonnen und reflektiert werden müssen.«152
146 Kirchliche Arbeit in der Polizei: Polizeiseelsorge in Baden-Württemberg: Berufsethik. Online unter : http ://baden-wuerttemberg.polizeiseelsorge.org/hp445/Berufsethik.htm [abgerufen am: 1. 04. 2015; 13.55 Uhr]. 147 Vgl. ebd. 148 Vgl. Schiewek 2012, S. 61. 149 Ebd. 150 Ebd. 151 Ebd. 152 Ebd.
62
Berufsethik
Der Polizeiberuf und die Institution Polizei werden von einer Spannung beherrscht, die von dem englischen Philosophen und Staatstheoretiker Thomas Hobbes, wie folgt dargestellt wird: »Denn der, welcher Macht genug hat, alle zu schützen, hat auch die Macht, alle zu unterdrücken.«153
Um mit dieser Spannung verantwortungsvoll umgehen zu können, ist es für jeden Polizeibeamten und jede Polizeibeamtin vonnöten, ihr Handeln auf die Basis gemeinsamer moralischer Grundlagen zu stellen. In der Polizeigeschichte des Nationalsozialismus zeigt sich allerdings, dass die moralischen Grundprinzipien der Polizei, die in der Weimarer Republik erarbeitet wurden, nur allzu schnell über Bord geworfen wurden. Denn ohne das Zutun und Mitwirken der Polizei hätte das nationalsozialistische System seine menschenverachtenden Ziele nicht derart verfolgen können.154 Entwicklung des Fachs Berufsethik in der Nachkriegszeit Beim Wiederaufbau der Polizei in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Polizeiausbildung besonders auf die Fertigkeiten »[…] Taktgefühl, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Entschlossenheit und die Pflichten der Polizeibeamten […]«155
geachtet. Dieses geschah insbesondere, um das Vertrauen und die Achtung gegenüber der Polizei seitens des »Volkes« wiederzugewinnen. Ab 1949 tauchte in der Polizeiausbildung erstmals die Unterrichtsfachbezeichnung Berufsethik auf. Hierfür wurden nicht selten Gastdozierende eingeladen, die berufsethische Themen in den verschiedenen Ausbildungsstätten der Polizei erörterten. Im Jahr 1950 hielt der damalige Polizei-Institutsleiter, Herbert Kalincinski aus Hiltrup156, einen Vortrag über das Problem des Erziehungsauftrages der Polizei für die Bürger_innen. Er erörterte die Relevanz der ethischen Grundprinzipien für Polizist_innen, denn nur auf der Grundlage dieser könne den Bürger_innen der Stellenwert der Grundsätze und Gesetze für sich selbst und für das Zusammenleben aller Menschen verdeutlicht werden.157 Nur kurze Zeit später fand die erste Arbeitstagung für Berufsethik statt. 153 Hobbes Thomas: Über den Bürger [de cive] VI, 13, zit. nach Hobbes, Menschen 139 in: Schiewek, 2012b, S. 61f. 154 Vgl. Schiewek 2012b, S. 62. 155 A. a. O., S. 63. 156 In Hiltrup wurde am 2. 07. 1945 eine Zentral-Polizeischule gegründet. Vgl.Schiewek 2012, S. 63. 157 Vgl. Kalicinski, Problem, 54. Zur Geschichte der politischen Bildung seit 1945 in der deutschen Polizei. In: Schiewek 2012, S. 63f.
Berufsethikunterricht in der Polizei
63
Daraus resultierten zwei Ergebnisse für die Fortentwicklung des Unterrichtsfachs Berufsethik in der Polizeiausbildung. Zum einen sollten unter Beteiligung beider Konfessionen Leitsätze zur Bedeutung und Umsetzbarkeit des Berufsethikunterrichts formuliert werden. Zum anderen resultierte daraus die Aufgabe, einen Lehrplan mit Vorschlägen zur konkreten Umsetzung entstehen zu lassen. Dieser wurde nur ein Jahr später unter dem Namen »Entwurf eines Lehrplans für das Fach ›Grundfragen des Lebens und Berufs‹ an Polizeischulen«158
veröffentlicht. Die Veröffentlichung des Lehrplans schien der Grundstein für die Einführung und Weiterentwicklung des Berufsethikunterrichts in Bayern zu sein.159 Berufsethik als systematischer Unterricht in den 60er und 70er Jahren In den darauffolgenden Jahren wurde der Berufsethikunterricht in der Polizeiausbildung immer weiter institutionalisiert. Zunächst wurde entschieden, dass die »berufsethische Erziehung«160 Aufgabe der Vorgesetzten sein solle und für Fragen der Religiosität die Seelsorger_innen verantwortlich seien. Des Weiteren wurde der Umfang des »systematische(n) berufsethische(n) Unterricht(s)«161, der von den Polizeiseelsorger_innen erteilt wurde, festgesetzt und entschieden, dass Berufsethik in der Fort- und Ausbildung der Polizei einen festen Platz haben solle. In den darauffolgenden Jahren wurden die berufsethischen Fragen und Aufgaben vor allem durch die gesellschaftliche Entwicklung dominiert. Die jeweiligen Herausforderungen des Unterrichts speisten sich aus den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, die Studentenunruhen der 60er Jahre, die Gründung der Roten Armee Fraktion (RAF) und weiteren gesellschaftlichen Unruhen.162 Um auf die dargestellten gesellschaftlichen Entwicklungen antworten zu können, erhöhte die Polizei ihre Personalstärke und achtete besonders auf die Qualität der Aus- und Weiterbildung ihrer Beamt_innen. Von diesen Konsequenzen war auch der Berufsethikunterricht betroffen, der bis dahin hauptsächlich improvisiert und dessen Gestaltung vom persönlichen Geschick und Interesse des jeweiligen Seelsorgers/der jeweiligen Seelsorgerin abhängig war. Des Weiteren entwickelte sich in der Gesellschaft eine zunehmend kritische Haltung gegenüber der Kirche und ihrer gesellschaftlichen Rolle. Als Reaktion 158 159 160 161 162
A. a. O., S. 64. Vgl. a. a. O., S. 63f. A. a. O., S. 64. Ebd. Vgl. a. a. O., S. 65f.
64
Berufsethik
darauf wurde der Berufsethikunterricht in Folge verschiedener Konferenzen der Polizeipfarrer_innen weitestgehend systematisiert, strukturiert und reflektiert. Im Anschluss an eine Konferenz von evangelischen Polizeipfarrer_innen und der Katholischen Polizeiseelsorge, die am 12. Juli 1983 stattfand, konnte ein ökumenischer »Lehrplanentwurf für den berufsethischen Unterricht (mittlerer Polizeivollzugsdienst)«163 entwickelt werden, der, wenn auch mit kleinen Änderungen, in mehreren Bundesländern umgesetzt wurde.164 Berufsethik als kritische Reflexion in den 80er und 90er Jahren Dank des großen Engagements von Seiten der Kirche erhielt der Berufsethikunterricht fachlichen Aufschwung in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Sukzessive erschienen mehrere Veröffentlichungen, die das Unterrichtsfach professionell und kritisch betrachteten, Themenhefte, die sich mit verschiedenen berufsethischen Themen auseinandersetzten, sowie Unterrichtsmaterialien und Lehrbücher für Berufsethiklehrende. Neben dem polizeilichen Berufsethikunterricht veränderte sich auch die Polizei selbst. Es herrschte fortan ein neues Leitbild, welches die Kommunikationsfähigkeit und –bereitschaft nicht mehr nur von der Institution, sondern von den einzelnen Beamt_innen selbst einforderte.165 »Die Förderung moralischer Urteilsfähigkeit durch die Entwicklung vor allem kognitiver und kommunikativer Fähigkeiten trat deswegen in den Vordergrund vieler berufsethischer Bemühungen. Kritische Reflexion und Theoriefähigkeit wurden zu entscheidenden moralischen Ressourcen.«166
Die Polizist_innen wurden angehalten, ihre Verhaltensmuster in Einsätzen kritisch zu hinterfragen, um diese reflektiert begründen zu können.167 Berufsethik zwischen Theorie und Praxis (Akademisierung des Faches Berufsethik) Seit 1990 gestaltet sich die Polizeiausbildung als zweigliedriges System. Es kann der Ausbildungsweg des mittleren Dienstes gewählt oder durch ein Hochschulstudium der höhere Dienst angestrebt werden. Die Einrichtung eines Lehrstuhls für Berufsethik an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen wie auch weiterer Professuren in anderen Bundesländern spiegelt die Bedeutung 163 164 165 166 167
A. a. O., S. 66. Vgl. ebd. Vgl. a. a. O., S. 67ff. A. a. O., S. 69. Vgl. ebd.
Berufsethikunterricht in der Polizei
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des Faches Berufsethik wider und belegt zugleich, dass die Kooperation und das Zusammenspiel von Staat und Kirche funktionieren und von entscheidender Bedeutung sind. Das Unterrichtsfach Berufsethik ist dazu verpflichtet, auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren und diese in curricularer und didaktischer Hinsicht weiterzuentwickeln.168 »All diese Entwicklungen dienen letztlich dem wichtigsten Ziel berufsethischer Arbeit, nämlich Polizistinnen und Polizisten darin zu unterstützen, aus tiefster eigener Überzeugung für die unbedingte Achtung und für den unaufgebbaren Schutz der Menschenwürde auch in schwierigsten beruflichen Konstellationen einzustehen und einzutreten. Denn das ist die entscheidende Grundlage, die Zivilität unserer Gesellschaft auf Dauer sichern. Ein Ziel, das jede Anstrengung von Staat und Kirche wert ist.«169
3.3.2 Inhalte des Berufsethikunterrichts Im Folgenden werden die Inhalte des Berufsethikunterrichts vorgestellt. Zunächst soll erläutert werden, inwiefern die Berufsethik helfen kann, »[…] verantwortbare Entscheidungen zu treffen und dementsprechend zu handeln.«170
Im Anschluss daran soll eine Darstellung des Lehrplans im Fach Berufsethik und der darin enthaltenen Themen erfolgen. Für die Erörterung der Frage nach der Bedeutung des Berufsethikunterrichts für verantwortliches Handeln bildet der Internetauftritt der Polizeiseelsorge Baden-Württemberg die Grundlage. Hier wird der berufsethische Kodex der Polizei dargestellt. Die Kirchen des Landes arbeiten in diesem Bereich ökumenisch zusammen.171 Der Berufsalltag von Polizist_innen ist geprägt von außergewöhnlichen Ereignissen. Bei der Bewältigung ihrer Aufgaben treten die Privatperson in den Hintergrund und der uniformierte Mensch in seinem Beruf als Polizeibeamt_in in den Vordergrund. Polizist_innen müssen täglich neu Entscheidungen treffen, die sie nicht nur vor sich selbst rechtfertigen müssen, sondern auch gegenüber dem Staat, der Institution Polizei und der Gesellschaft. Es werden vier Aspekte genannt, die den Berufsalltag prägen. Der erste ist die Frage nach der Legitimation und der Legalität. Hierbei wird erwogen, ob die individuellen Vorstel168 Vgl. a. a. O., S. 70ff. 169 A. a. O., S. 72. 170 Kirchliche Arbeit in der Polizei: Polizeiseelsorge in Baden-Württemberg: Berufsethik. Online unter : http://www.kirchenrecht-ekiba.de/showdocument/id/4339 [abgerufen am: 1. 04. 2015; 14.03 Uhr]. 171 Vgl. ebd.
66
Berufsethik
lungen von Gerechtigkeit mit dem bestehenden Recht äquivalent sind, was zwar dem Ideal entspricht, jedoch nicht immer der Fall ist. Oft müssen Polizist_innen ihre eigenen Ideale zugunsten des Rechtes, dem Polizist_innen als Vertreter des Gesetzes bei ihrer Arbeit strikt verpflichtet sind, zurückstellen.172 »Ihr persönlicher Standpunkt spielt bei vielen Konflikten keine Rolle.«173
Zweiter Gesichtspunkt ist das Prüfen. Es wird die Problematik geschildert, dass man sich als Polizist_in oft aufgrund des eigenen Instinkts oder persönlicher Gewohnheiten entscheidet. Dies kann selbstverständlich eine gute Entscheidung sein, muss jedoch fortwährend reflektiert werden. Im Berufsethikunterricht kann dies anhand von Leitlinien ermittelt werden. »Die Gewissheit über die Ansprüche, an denen sich das Handeln ausrichten muss, ist Ziel der berufsethischen Diskussion.«174
Die Autorität des Staates und somit auch der Polizei wird als dritter Aspekt genannt. Diese Autorität steht als Garant eines geordneten Zusammenlebens der Menschen. Um ein solches aber herbeiführen zu können, muss das bestehende Recht in einer Weise angewandt werden, dass es »[…] zum Wohle aller Menschen […]«175
dienen kann. Vierter und letzter Aspekt, Entscheiden – Handeln, wird wie folgt beschrieben: »Die Berufsethik bildet ein Forum für die Meinungs- und Urteilsbildung; die Teilnahme daran ist Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins beim Dienst in der Polizei.«176
Dieser Aspekt will deutlich machen, dass nicht nur ein breites Wissen und spezifische Fertigkeiten für die Arbeit als Polizist_in notwendig sind, sondern die Fähigkeit zu ethischer Reflexion und entsprechendem Handeln eine ebenso bedeutsame Rolle spielt.
3.3.3 Curriculum In der Ausbildung zum mittleren Dienst bildet das Fach Berufsethik zusammen mit den Fächern Psychologie und Führungslehre den Bereich der Gesellschaftslehre. Dabei ist es bezüglich der Stundenanzahl kaum mehr vertreten als 172 173 174 175 176
Vgl. ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.
Berufsethikunterricht in der Polizei
67
die Führungslehre. Dem Fach Psychologie werden dagegen einige Stunden mehr zugestanden. Gegliedert ist der Lehrplan in vier Teile: den Grundkurs Teil 1, den Grundkurs Teil 2, den Aufbaukurs und den Abschlusskurs. Der Abschlusskurs ist, was die Stunden anbelangt, mit dem Grundkurs Teil 1 gleichgestellt. Für den Grundkurs Teil 2 und den Aufbaukurs sind weniger Stunden vorgesehen. Jeder Kurs hat Richtziele, die sich wiederum untergliedern in die Lernziele und den Lerninhalt.177 Der erste Teil des Grundkurses hat folgende Richtziele: »Der Polizeibeamte soll die Grundbegriffe der Ethik kennen und in seinem beruflichen Handeln anwenden können, aufgrund ethischer Vorstellungen und den Erfahrungen polizeilichen Alltags persönliche Leitlinien zur Berufsausbildung entwickeln und aus den Vorstellungen des Diensteides und den Gefährdungen im polizeilichen Alltag persönliche Leitlinien entwickeln.«178
Der Lerninhalt ergibt sich aus den übergeordneten Richtzielen und wird in Lernzielen weiter ausdifferenziert. So ist der erste Lerninhalt der Diensteid179, den die Polizeischüler_innen zu Beginn ablegen. »Die Thematik wird vor der Einführung in die Berufsethik behandelt, da kurz nach der Einstellung die Vereidigung erfolgt!«180
Die Polizeischüler_innen sollen die Formulierung des Eides kennen und sich der Gefahren in ihrem Berufsalltag bewusst sein. Auf diese Weise sollen sie zu einer reflektierten Einschätzung ihrer individuellen Maxime, welche ihr Handeln als Polizist_in leitet, kommen. Außerdem soll durch die Redewendung »… so wahr mir Gott helfe«181 177 Vgl. Lehrplan (03/2014), Stundenübersicht. (siehe Lit.VerZ. ) 178 Lehrplan (09/2012), Grundkurs Teil 1, Richtziel, S. 1. (siehe Lit. VerZ. ). 179 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg: § 71 Diensteid (1)Der Beamte hat folgenden Diensteid zu leisten: »Ich schwöre, daß ich mein Amt nach bestem Wissen und Können führen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Landesverfassung und das Recht achten und verteidigen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.« (2)Der Eid kann auch ohne die Worte »So wahr mir Gott helfe« geleistet werden. (3)Erklärt ein Beamter, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so kann er statt der Worte »ich schwöre« die Worte »ich gelobe« oder die nach dem Bekenntnis seiner Religionsgemeinschaft oder nach der Überzeugung seiner Weltanschauungsgemeinschaft an die Stelle des Eides tretende Beteuerungsformel sprechen. ? (4)In den Fällen, in denen nach § 6 Abs. 3 eine Ausnahme von § 6 Abs. 1 Nr. 1 zugelassen worden ist, kann von einer Eidesleistung abgesehen werden; der Beamte hat, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu geloben, daß er seine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen wird. http://www.besoldung-baden-wuerttemberg.de/baden_wuerttemberg_lan desbeamtengesetz_paragraf_71 [abgerufen am: 18. 12. 2014; 11.09 Uhr]. 180 Lehrplan (09/2012), Grundkurs Teil 1, Hinweise, S. 2. 181 Dies muss kritisch auf multikulturelle Tragfähigkeit hinterfragt werden.
68
Berufsethik
den Polizeischüler_innen das Wissen vermittelt werden, »[…] dass aus dem christlichen Glauben ethische Orientierung und persönlicher Halt wachsen kann«.182
Zweiter Teil dieses Grundkurses ist die Einführung in die Berufsethik. Neben der Diskussion ethischer Grundbegriffe soll hier eine Reflexion der persönlichen Motivation, den Polizeiberuf zu ergreifen, angeregt werden. Darüber hinaus wird ein Lernziel formuliert, welches neben der Kenntnis des Rechts, das ein Schwerpunkt der Ausbildung ist, von entscheidender Bedeutung ist: »Der Polizeibeamte soll wissen, dass Berufsethik die Aufgabe hat, alles polizeiliche Handeln an ethischen Grundsätzen auszurichten.«183
Der Grundkurs Teil 2 hat im Gegensatz zum ersten Teil nur ein Richtziel und ist im Vergleich zu den anderen Kursen mit den wenigsten Stunden vertreten.184 »Der Polizeibeamte soll verstehen und bejahen, dass er in seinem an Recht und Gesetz orientierten Denken und Handeln den Bezug zum Menschen und seine unantastbare Würde als eigentlichen Sinn seines Dienstes stets im Auge behalten muss.«185
Dieses Richtziel wird mit gleichem Wortlaut auch als einzelnes Lernziel formuliert. Zweites Lernziel stellt im Grundkurs Teil 2 die Menschenwürde dar. Dabei soll zum einen über Menschenwürde und -rechte gesprochen und zum anderen zum Ausdruck gebracht werden, dass es Ziel der Polizeiarbeit ist, die Menschenwürde zu schützen. Der Aufbaukurs findet nach dem ersten Praktikum der Polizeischüler_innen statt.186 Daher stellt die Auseinandersetzung mit den Erlebnissen im zurückliegenden Praktikum und die Reflexion der gesammelten Erfahrungen eines der Richtziele dieses Kurses dar. Dabei soll herausgearbeitet werden, dass die Erfahrungen, die im Laufe der Dienstzeit gemacht werden, Eingang finden in individuelle Handlungsmuster.187 Ein weiteres Ziel dieses Kurses ist, dass die Polizeischüler_innen »[…] lernen, mit Tod und Trauer im Dienst respektvoll umzugehen.«188
Zur Erreichung dieses Ziels wird das Doppelte an Unterrichtszeit anberaumt wie für die Praxisreflexion. Zentrales Thema in diesem Zusammenhang ist das 182 183 184 185 186
Lehrplan (09/2012), Grundkurs Teil 1, Lernziel, S. 2. Ebd. Vgl. Lehrplan (03/2014), Stundenübersicht. Lehrplan (09/2008), Grundkurs Teil 2, Richtziel, S. 1. Zu Beginn dieses Kurses hat das Forschungsteam im Berufsethikunterricht der Polizeischule Lahr hospitiert. 187 Vgl. Lehrplan (09/2012), Aufbaukurs, S. 1–2. 188 Lehrplan (09/2012), Aufbaukurs, Richtziel, S. 1.
Berufsethikunterricht in der Polizei
69
Überbringen von Todesnachrichten. Die angehenden Polizist_innen sollen lernen, dass Angehörige verschiedene Phasen der Trauer durchlaufen und jeder Mensch unterschiedlich auf das Thema Tod reagiert und dies bewältigt. Persönliche Bewältigungsstrategien für die Polizeischüler_innen in Bezug auf das Thema Tod werden hier nicht behandelt.189 Der Abschlusskurs findet nach dem zweiten Praktikum statt. Deshalb soll auch hier wieder eine Praxisreflexion durchgeführt werden. Außerdem sehen die Richtlinien vor, dass die Themen Kollegialität innerhalb der Dienstgruppe und Randgruppierungen behandelt werden.190 »Randgruppen der Gesellschaft unter ethischen Aspekten kennen lernen«191
ist als einziges Lernziel zu diesem Thema formuliert. Das Thema der Kollegialität hingegen nimmt mehr Raum ein. Neben der Behandlung von unabdingbaren Grundvoraussetzungen für eine gute Gemeinschaft soll den Polizeischüler_innen außerdem vermittelt werden, dass ein gutes Miteinander auch Resultat eines dynamischen Prozesses der Aushandlung und Bearbeitung von Spannungen und Auseinandersetzungen innerhalb der Dienstgruppe ist. Deshalb sollen Polizeischüler_innen »[…] Regeln der Konfliktlösung kennen«192.
Der Kurs schließt mit einer Übung, bei der die Teilnehmenden das Gelernte praktisch umsetzen sollen.193
3.3.4 Daseinsberechtigung des Berufsethikunterrichts Kurt Grützner und Werner Schiewek, evangelische Theologen, die bei der Polizei als Ethiklehrer und Seelsorger tätig sind, beschreiben, dass der Berufsethikunterricht von Schüler_innen und Lehrenden anderer, so genannter »harter Fächer«194, meist als »weiches Fach«195 deklariert wird. Begründet wird das mit der fehlenden Prüfungsrelevanz des Fachs sowie damit, dass Pfarrer_innen als Lehrpersonen auftreten. Der Beruf des Pfarrers, der Pfarrerin sei ein »weicher Beruf«196, bei dem Gefühle, Zwischenmenschliches und überweltliche Sachver189 190 191 192 193 194 195 196
Vgl. Lehrplan (09/2012), Aufbaukurs, Lernziele, S. 2. Vgl. Lehrplan (09/2012), Abschlusskurs, Richtziel, S. 1. Ebd. Lehrplan (09/2012), Abschlusskurs, Lernziele, S. 3. Vgl. Lehrplan (09/2012), Abschlusskurs, Lernziele, S. 2–3. Grützner & Schiewek 2012, S. 204. Ebd. Ebd.
70
Berufsethik
halte eine große Rolle spielen. Die Polizeischüler_innen bereiten sich jedoch auf einen »harten Beruf« vor, bei welchem vor allem »Sachlichkeit und Rationalität«197 erwartet werden. Gleichzeitig wird die Lehrperson, die selbst nicht Polizeibeamt_in ist, im Gegensatz zu anderen Lehrer_innen nicht zwingend als Vorbild angesehen. Aufgrund dieser und anderer Gründe wird Berufsethik häufig in Randstunden gelegt und ihr im Vergleich zu den »harten Fächern« vielfach die Daseinsberechtigung abgesprochen.198 Ähnliche Aussagen lassen sich auch in den Interviews mit derzeitigen Polizeischüler_innen im ersten Ausbildungsjahr der Ausbildungsstätte Lahr/ Schwarzwald wiederfinden. Zum Curriculum, welches im Kapitel Inhalte des Berufsethikunterrichts dargestellt wird, und zur Einführung des Berufsethikunterrichts als Lehrfach äußert sich Kurt Grützner : »Aus fachlicher Sicht bedauerlich empfand ich die Tatsache, dass dies keine Auswirkung auf die inhaltliche Gestaltung des Curriculums hatte. Die ethischen Zielvorgaben und Inhalte, die im ersten Entwurf unter Führungslehre und Pädagogik aufgeführt waren, wurden nun unter der Überschrift ›Berufsethik‹ schlicht zusammengeführt. Dem Sinn […] für ein eigenständiges Fach Ethik entsprach diese Vorgehensweise eher nicht.«199
Die Lehrperson des Berufsethikunterrichts hat, nach Grützner und Schiewek, vielseitige Aufgaben zu bewältigen. Eine Aufgabe sei, den Polizeischüler_innen die Bedeutung und Notwendigkeit der Ethik für sie als Beamt_innen und für ihren Beruf, der sie stets mit Menschen in Kontakt bringt, deutlich werden zu lassen.200 Es gelte den Polizeischüler_innen verständlich zu machen, dass »[…] Ethik […] etwas mit meinem Leben zu tun [hat]«201, »Ethik […] was mit meinem Beruf zu tun [hat] […]«202
und »[…] Ethik […] mir im Leben und im Beruf [hilft]«203.
Des Weiteren müsse die Lehrperson der Institution Polizei und den Kolleg_innen stets die Bedeutsamkeit und den Nutzen des Unterrichtsfachs in der Ausbildung aufzeigen. 197 198 199 200 201 202 203
Ebd. Vgl. ebd. Grützner Kurt, Ethik, S. 146, in: Grützner & Schiewek 2012, S. 205. Vgl. a. a. O., S. 206ff. A. a. O., S. 205. Ebd. Ebd.
Berufsethikunterricht in der Polizei
71
Die Institution Polizei sei auf eine kritische Reflexion angewiesen, da sie selbst »[…] für die grundlegenden Werte des Rechtssystems in unserer Gesellschaft eintritt und sie gleichzeitig repräsentiert.«204 »Berufsethik in der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hat das Ziel, den Lernenden das ethische Handwerkszeug für diesen Reflexionsprozess an die Hand zu geben. Sie muss entsprechend mit ihrer eigenen Fachtheorie und Fachdidaktik den Zusammenhang aufdecken zwischen der geltenden Ordnung des Grundgesetzes, der persönlichen Wertentscheidung, der Wertentscheidung der Institution Polizei im demokratischen Staat und der daraus resultierenden Wertentscheidung in der Praxis als Vollzugsbeamter.«205
Darüber hinaus müsse der Gesellschaft der Vorzug vermittelt werden, von ethisch ausgebildeten Polizist_innen begleitet zu werden. Ebenfalls müsse eine Lehrperson der Berufsethik stets begründen, was das Wirken und Handeln von Polizisten und Polizistinnen sowie das der Lehrkraft mit dem Evangelium zu tun habe.206 »Eine gute berufsethische Ausbildung bietet die Grundlage dafür, dass die Polizei das Gewaltmonopol nicht nur nach Recht und Gesetz ausübt, sondern dass sie darüber hinaus in der Lage ist, die dahinter stehenden ethischen Ansprüche und deren Durchsetzung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu reflektieren und auf hohem Niveau zu kommunizieren.«207
Aufgrund dessen sei es für die Polizei unumgänglich, sich mit ethischen Themen auseinanderzusetzen und ihre Bedeutung anzuerkennen. Die Teilnahme am ethischen Diskurs gehöre zu den Hauptaufgaben der Polizei. »Sie sichert das der Polizei von Seiten der Gesellschaft entgegengebrachte Vertrauen, auf das eine erfolgreiche Arbeit der Polizei unausweichlich angewiesen ist.«208
Die Teilhabe und Mitverantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland am Fach Berufsethik in der Polizeiausbildung stehe für die Anerkenntnis ihrer Verantwortung für die Gesellschaft.209
204 205 206 207 208 209
A. a. O., S. 212. Grützner, Ethik, S. 145f. in: Grützner & Schiewek 2012, S. 212. Vgl. a. a. O., S. 206ff. A. a. O., S. 213. Ebd. Vgl. ebd.
II.
Das Forschungsprojekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« (Bernhard Goetz, Katrin Hagen, Isabel Kimmer, Friederike Schilka, Wilhelm Schwendemann)
4.
Motivation und Forschungsinteresse
»Sie haben Bereitschaft, stehen seit Stunden auf einem Fleck, 30 Grad, pralle Sonne und das volle Gepäck, Ganzkörperschutzausstattung und der erste Stein fliegt, der Helm ist der Grund, warum er heute Nacht noch neben ihr liegt Privat gerade Papa geworden, und er liebt sein kleines Kind, Der Auftrag plötzlicher Kindstod, als er das Weinen beginnt Sie ist Mutter von 3 Kindern, in der Nachtschicht hält sie an, Routinekontrolle, als der Fahrer zu schießen begann […]«210
Diese Zeilen aus dem Lied »Auch nur ein Mensch« von Chri Be, einem Polizisten aus Mannheim, treffen den Nerv der Menschen und seiner Kollegen und Kolleginnen. Chri Be beschreibt den Arbeitsalltag von Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen im Dienst und will damit die Bürger_innen in Deutschland über die ständigen Belastungen des Polizeialltags und des Polizeiberufs aufklären. Er will der Zivilgesellschaft zeigen, dass hinter dem Helm und der Rolle des Polizisten, der Polizistin ein Mensch steckt – ein Mensch mit einer Geschichte und Gefühlen. Das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« hat einen ähnlichen Ansatz: Es will den Menschen hinter der Uniform entdecken. Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz führte im Jahr 2012 dieses einzigartige KunstProjekt in der Heidelberger Innenstadt durch. Mit dem Titel »Ich bin Polizist – Wie siehst du mich?« begann der erste Schritt in Richtung einer Sensibilisierung. Nach zahlreichen positiven Rückmeldungen der Passant_innen, wie der Polizeibeamt_innen selbst, konnte man unmöglich dieses Projekt in der Versenkung verschwinden lassen, welches so viel bei den einzelnen Beteiligten bewirkte. Daher sah er sich veranlasst, ein Forschungsprojekt an der Evangelischen
210 Der gesamte Text zu dem Lied »Auch nur ein Mensch« von Chri Be ist im Anhang beigefügt.
76
Motivation und Forschungsinteresse
Hochschule Freiburg zum Thema »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« ins Leben zu rufen. Die Forschungsgruppe »Polizeiseelsorge – Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« war vom ersten Moment an durch die positiven Aussagen der Polizeibeamt_innen gefesselt. Sie sprachen von der Möglichkeit der Reflexion ihrer inneren Wahrnehmung und Wirklichkeit durch die gestalteten Skulpturen, eine Möglichkeit, die sonst in ihrer professionellen Arbeit keinen Raum findet. Dieser Befund motivierte die Forschungsgruppe, besagten Reflexionsvorgang der Polizeibeamt_innen und das dazugehörige Kunsterleben zu untersuchen. Zielgedanke der Forschung war hierbei, herauszufinden, was dieses Projekt bei den Beteiligten bewirkt hat und ob diese Möglichkeit der Reflexion mit Hilfe von künstlerisch gestalteten Figuren bei den Beteiligten mit einer Versprachlichung der Belastungen einherging. Diesbezüglich interessierte die Forschungsgruppe, ob diese Versprachlichung eine Bewältigungsstrategie für die Polizeibeamt_innen darstellen und somit die Polizeiseelsorge eine relevantere Position in deren Wahrnehmung einnehmen könne. Eine Bestätigung dieser Annahme würde eine Vielzahl von Folgen nach sich ziehen. Wenn die Polizeiseelsorge Gelegenheiten zur Reflexion und Versprachlichung bietet und somit den seelischen Gesundheitszustand und auch die Berufsmotivation von Polizeibeamt_innen verbessern würde, müsste es doch im Interesse der Polizei und der Institution Kirche liegen, diese Dienstleistung weiter auszubauen, um die Lebensqualität der Menschen zu erhalten oder gar zu verbessern. Die Besonderheit vorliegender Studie besteht darin, dass die Forschungsgruppe bei ihrem Forschungsansatz allseitig in den Dimensionen der Polizei und bei den Wahrnehmungen der Polizist_innen geblieben ist und nicht von außen auf die Institution Polizei gesehen hat. Den Forschenden war wichtig, am Alltagsleben der Polizeibeamt_innen beobachtend teilzunehmen und nicht wie ein Fremdkörper an der Oberfläche zu kratzen. Die Tatsache, dass sich die Mitglieder der Forschungsgruppe in die Gedankenwelt der Polizei begaben und die Proband_innen dort aufsuchten, wo sie wirken und handeln, machte den Forschungsansatz zu etwas Besonderem. Im Allgemeinen hatte die Forschungsgruppe den Eindruck, dass die Polizeiseelsorge kirchlicherseits, aber auch in der Wahrnehmung der Polizei als Institution, stiefmütterlich behandelt würde und mehr Wertschätzung verdiene. Die vorliegende Studie will somit auch auf die ehrenvolle und gute Arbeit der Polizeiseelsorger_innen in Baden aufmerksam machen und die Notwendigkeit von Polizeiseelsorge betonen. Diese Arbeit am und mit Menschen hat die einzelnen Mitglieder der Forschungsgruppe bewogen, an der Forschungsgruppe »Polizeiseelsorge – Unter-
Motivation und Forschungsinteresse
77
wegs in den Wirklichkeiten der Polizei« teilzunehmen, weil dieser Dienst Praxis des Evangeliums darstellt. In vorliegender Arbeit erteilen die Autor_innen Auskunft darüber, wie die Forschungsgruppe »Polizeiseelsorge – Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« methodisch vorgegangen ist und welche Ergebnisse aus den Interviews hervorgegangen sind. Darüber hinaus werden mögliche Konsequenzen für die Polizei und die Institution Kirche formuliert.
5.
Methodische Reflexion
Die Forschungsmethoden der empirisch-qualitativen und empirisch-quantitativen Erhebungsmöglichkeiten sind zahlreich und lassen eine konkrete Ausdifferenzierung der zu erarbeitenden Thematik, zugeschnitten auf das jeweilige Feld, zu. Im folgenden Kapitel werden Forschungsfragen, Forschungsdesign, Herangehensweisen und methodische Schritte vorliegender Studie beschrieben, reflektiert und wissenschaftlich begründet.
5.1
Forschungsfrage
Das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« gab Anlass zu fragen, ob Polizeibeamt_innen mit Hilfe eines künstlerisch gestalteten Mediums in die Lage versetzt werden, ihre innere Wirklichkeit besser wahrzunehmen und zu versprachlichen. Was bedeutet dieser Rezeptionsprozess hinsichtlich der Identitätskonstruktionen von (jungen) Erwachsenen? Die zweite Forschungsfrage zielte auf die Methodik der Polizeiseelsorge, indem gefragt wurde, ob das Projekt »Ich bin Polizist – Wie siehst du mich?« einen Zugang von Polizeiseelsorger_innen zu Polizeibeamt_innen in prekären und belastendenden Lebenssituationen eröffnen könne.
5.2
Forschungsmethoden
Nachdem das Forschungsteam den Ablauf und die wesentlichen Inhalte des Projekts »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« kennengelernt hatte, wurde die Notwendigkeit erkennbar, mit den beteiligten Polizist_innen in persönlichen Kontakt zu treten. Daher wurde entschieden, die empirisch-qualitative Methode des leitfadengestützten, semistrukturierten und fokussierten Interviewverfahrens zu präferieren. Diese bewährte Methode eröffnete die Möglichkeit, dem Erleben, Wahrnehmen und Bewältigen von konfligierenden
80
Methodische Reflexion
Situationen der Polizeibeamt_innen auf den Grund zu gehen und deren Wirklichkeitsverständnissen auf die Spur zu kommen. Das seelsorgliche Gespräch – im Unterschied zu therapeutischen und psychologischen Gesprächen – eröffnet den Menschen einen Raum, in dem sie authentisch ihre Gefühle und inneren Bewegungen versprachlichen können, jeder in seiner eigenen Grammatik des Lebens und unbelastet von strategischer oder taktischer Kommunikation. Deshalb kam eine empirisch-quantitative Untersuchung für das Projekt in diesem Feld nicht in Frage. Das persönliche und individuelle Erleben der am Kunstprojekt Beteiligten stand im Vordergrund und war Basis der Forschungsstudie, die vor allem subjektive Erlebnisse fokussierte und rekonstruieren wollte. Quantitative und qualitative Forschungsmethoden sind zwar miteinander verschränkt und verhalten sich zueinander komplementär, müssen aber sachlogisch unterschieden werden. Im Folgenden werden kurz die beiden Grundansätze empirischer Arbeit vorgestellt.
5.2.1 Die Qualitative Forschung Qualitative Forschungsmethoden kommen dann zur Anwendung, wenn es um Forschungsfragen geht, die sich nicht quantitativ oder statistisch erfassen und beantworten lassen. Wenn es um Darstellungen von Zusammenhängen und Hintergründen aus subjektiver Sicht der Akteure und Akteurinnen geht, sind qualitative Methoden der Erhebung und Analyse angemessen, um die Tiefenstrukturen von Aussagen, Erlebnissen, Haltungen und Habitusrollen verstehen zu können. Mit Hilfe der qualitativen Forschungsmethoden lassen sich darüber hinaus soziale Sachverhalte verstehen und subjektive Deutungsmuster rekonstruieren. Dabei ist jedoch besonders darauf zu achten, dass das eigene Vorverständnis geklärt und nicht in die Auslegung von Texten eingetragen wird.211
5.2.2 Die Quantitative Forschung In quantitativen Forschungsfeldern werden im Gegensatz zur qualitativen Forschung Sachverhalte geklärt und für diesen Bereich der empirischen Forschung objektive Befunde und Definitionen vorgeschlagen. 211 Vgl. Kruse 2014, S. 45ff.
Forschungsmethoden
81
Die empirisch-quantitative Forschung eignet sich deshalb besonders gut zur Generierung von Zusammenhängen und Häufigkeiten. Daher werden eher geschlossene Fragen gestellt.212
5.2.3 Vorgehensweise bei der vorliegenden Studie Mittels qualitativer sozialwissenschaftlicher Erhebungsverfahren wurden die beteiligten Beamt_innen befragt, um so die verschiedenen Zugänge zu den Wirklichkeiten der Menschen hinter der Uniform und der Institution zu rekonstruieren. Das dabei erhobene Datenmaterial wurde einer systematischen Kodierung und Kategorisierung unterzogen und eine Theorie der subjektiven Wirklichkeitswahrnehmung der beteiligten Personen generiert. In einem zweiten Schritt wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in spezifischen, beruflichen Anforderungssituationen und privaten Lebenslagen herausgearbeitet. Bei den qualitativen Interviews stand das individuelle Erleben der beteiligten Personen im Mittelpunkt. Die befragten Beamt_innen haben alle eine je unterschiedliche und ganz individuelle Sozialisation erfahren und die verschiedensten Erfahrungen im Privatleben oder im Berufsalltag gemacht. Jede Person muss deshalb zuerst auch je für sich verstanden werden. Auf der Basis dieser je eigenen Erfahrungen und der individuellen Entwicklung und Sozialisation verfügt jeder Mensch über ein eigenes Bezugssystem. Wenn er einen Sachverhalt verstehen und ihm einen Sinn verleihen will, gelingt das nur, indem dieser Sachverhalt in das vorhandene Bezugssystem eingebettet wird und so neue Verstehensleistungen ermöglicht werden, wie Jan Kruse treffend beschreibt.213 Um die Gültigkeit, Validität und Reliabilität der generierten Ergebnisse überprüfen und gewährleisten zu können, wurde eine Kontrollgruppe in Bayern gebildet, die nicht am Kunstprojekt teilgenommen hatte. Die Aussagen dieser Beamt_innen zum Erleben des Polizeialltages wurden mit den Aussagen der am Kunstprojekt beteiligten Beamt_innen verglichen. In beiden Proband_innengruppen ging es um Fragen nach dem Umgang mit dem Tod, dem Überbringen von Todesnachrichten an Angehörige, der Alltagsbelastung durch Stress und Schichtdienst, dem Umgang mit traumatischen Erlebnissen im Polizeidienst sowie um allgemeine berufsethische Fragen.
212 Vgl. ebd. 213 Vgl. a. a. O., S. 91f.
82
5.3
Methodische Reflexion
Auswahl der Interviewpartner_innen und Kontaktaufnahme
Die Auswahl der Proband_innen bei empirischen Studien ist vielfach dem Zufall geschuldet. Im Falle des hier dokumentierten Forschungsprojekts war jedoch ein Auswahlkriterium bereits durch das Forschungsanliegen vorgegeben. Es wurden in erster Linie Polizeibeamt_innen befragt, die an dem Projekt im Vorjahr teilgenommen hatten, da nur sie allein Auskunft über ihre Erlebnisse mit den gestalteten Figuren geben konnten. Bei der Gewinnung von Proband_innen kann bei herkömmlichen Untersuchungen sowohl bei der qualitativen als auch bei der quantitativen Interviewforschung auf verschiedene Möglichkeiten zurückgegriffen werden. Einige dieser Möglichkeiten werden im Folgenden beschrieben. Beim Schneeballsystem werden mögliche Interviewpartner_innen angesprochen, die wiederum andere potenzielle Proband_innen ansprechen und rekrutieren.214 Bei der Gatekeeper- bzw. Multiplikatoren-Strategie geht es darum, dass bestehende Beziehungen genutzt werden, um passende Interviewpartner_innen zu finden. Die sogenannten »Gatekeeper« fungieren als Vermittler_innen, die zu beiden Parteien, also zu den Proband_innen und zu den Interviewenden, ein Vertrauensverhältnis pflegen.215 Beide Strategien zur Gewinnung von Proband_innen können miteinander kombiniert werden.216
5.3.1 Auswahl der Interviewpartner_innen in der vorliegenden Studie Da als Proband_innen des Forschungsprojekts »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« die Polizist_innen vorgesehen waren, die am Projekt teilgenommen hatten, lag es nahe, die Strategie des »Gatekeepers« zu nutzen. Die Rolle des Multiplikators übernahm hierbei Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz. Zudem war es ein Anliegen, mit Beamt_innen in Führungspositionen im Polizeidienst zu sprechen und deren Einschätzungen der Belastungsfaktoren von Polizeibeamt_innen zu hören. Bei der Auswahl der Proband_innen für die Kontrollgruppe entschied sich das Forschungsteam für Polizeibeamt_innen aus der Polizeikaserne Dachau in Bayern. In diesem Bundesland wurden schon vor einiger Zeit die bereits angesprochenen strukturellen Veränderungen in der Polizeiorganisation durchge214 Vgl. a. a. O., S. 255. 215 Vgl. ebd. 216 Vgl. a. a. O., S. 257.
Interviewsituation und Setting
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führt, die in Baden-Württemberg 2013/14 folgten. Bezüglich der Kontrollgruppe war es von Bedeutung, Repräsentant_innen verschiedener Dienstgrade und Altersgruppen mit den Interviews zu erreichen. Auf diese Weise sollte ein möglichst breites Spektrum an Erfahrungen und Einschätzungen des Polizeialltages erfasst werden, da davon auszugehen ist, dass junge Beamt_innen, die gerade die Ausbildung beendet haben, diesen anders erleben als solche, die bereits auf langjährige Berufserfahrung zurückblicken. Bei der Auswahl der Interviewpartner_innen wurde auch hier die Strategie des »Gatekeepers« oder »Multiplikators« erfolgreich angewandt.
5.3.2 Kontaktaufnahme mit den Interviewpartner_innen Die Kontaktaufnahme zu den Polizeibeamt_innen geschah per E-Mailverkehr, die Polizeibeamt_innen in Führungspositionen wurden auf telefonischem Wege kontaktiert.
5.4
Interviewsituation und Setting
Entscheidend für ein Interview sind die Rollenverhältnisse zwischen den Interviewpartnern sowie ein dezentes und zielgruppenorientiertes Setting.
5.4.1 Definition Setting Der Begriff des Settings kommt aus dem Englischen und beschreibt die Umgebung und den Rahmen einer Situation. Bezogen auf das Forschungsprojekt umfasst das Setting unter anderem die Räumlichkeiten, in denen die Interviews stattfinden sollten, aber auch den Zeitpunkt und die Gestaltung der Interviewsituation. Die Polizeibeamt_innen haben in der Regel keinerlei Erfahrung mit empirischer Forschung und sind derartige Settings nicht gewohnt. Aufgrund allgemeiner empirischer Erfahrung lässt sich sagen, dass Proband_innen gelöster und offener sprechen, wenn sie sich wohl fühlen. In fremder Umgebung kann eine Interviewsituation schnell verkrampft und steif werden, wodurch es dem Interviewten erschwert wird, sich zu öffnen und persönliche Empfindungen preiszugeben. Da es aber Forschungsanliegen war, genau diese persönlichen Empfindungen ans Licht zu bringen, entschied sich die Forschungsgruppe, die Interviews in einer den Polizeibeamt_innen vertrauten Umgebung durchzuführen.
84
Methodische Reflexion
Darüber hinaus ist es von inhärenter Relevanz, in den Wirklichkeiten der Polizei zu sein und dort zu bleiben.
5.5
Interviewform
Je nach Zielgruppe und zu untersuchendem Thema kann man verschiedene Interviewformen anwenden. Diese sollen im Folgenden vorgestellt werden.
5.5.1 Narratives Interview Bei der narrativen Interviewform wird eine Spontanerzählung beim Interviewpartner, der Interviewpartnerin initiiert. Die klassische Form des narrativen Interviews verzichtet auf Leitfäden, allerdings gibt es Abwandlungen, die mit Leitfäden geführt werden können. Diese bezeichnet man als »teilnarrativ«. Narrative Interviews werden meist in Verbindung mit biografischen Fragen geführt, sind jedoch vom reinen biografischen Interviewverfahren abzugrenzen. Das Verfahren des narrativen Interviews zeichnet sich durch starke Hörerorientiertheit aus, ebenso wird die Fremdstrukturiertheit weitgehend außer Acht gelassen.217
5.5.2 Problemzentriertes Interview Das problemzentrierte Interview nach Witzel fokussiert soziale Problemstellungen aus der Sicht der Proband_innen. Es wird leitfadengestützt durchgeführt und lässt den Befragten Freiraum für eigene Führung. In der Regel wird es nicht dialogisch geführt.218
5.5.3 Fokussiertes Interview Das fokussierte Interview kommt ursprünglich aus der Kommunikations- und Medienforschung. Es orientiert sich an festen Gesprächsregeln und wird mit Leitfäden durchgeführt. Der Begriff »fokussiert« verdankt sich der Tatsache,
217 Vgl. a. a. O., S. 153. 218 Vgl. a. a. O., S. 158.
Interviewform
85
dass sich die beiden Parteien zu Beginn auf eine Thematik verständigen, die dann im Fokus des folgenden Interviews steht.219 Der Inhalt der Interviewfragen ist eher geschlossen formuliert und impliziert den Verlauf und den Inhalt des nachfolgenden Interviews. Dennoch soll der Interviewte die Möglichkeit haben, das Gespräch inhaltlich zu steuern und seine Befindlichkeiten zu äußern, auch wenn diese zunächst nicht mit der primären Thematik im Zusammenhang stehen.
5.5.4 Ethnografisches Interview Diese besondere Interviewform wird hauptsächlich bei ethnografischen und ethnomethodologischen Feldstudien verwendet. Grundsätzliches Problem beim ethnographischen Interview ist der Umgang mit Fremdheit beziehungsweise fremder Kultur. Das erfordert seitens des Interviewenden eine besondere Sensibilität im Umgang mit dem Gegenüber und der eigenen Selbstwahrnehmung.220
5.5.5 Experteninterview Im engeren Sinne ist diese Befragungsstruktur keine eigene Interviewform, jedoch beschreibt sie eine »[…] anwendungsfeldbezogene Variante von Leitfadeninterviews«221.
Die Bezeichnung des Experteninterviews bezieht sich dabei nicht auf die Methodik, sondern auf die Zielgruppe des Interviews. Es werden Expert_innen auf dem Gebiet des zu untersuchenden Themas befragt. Dabei werden bevorzugt direkte Fragen gestellt.222
5.5.6 Gruppendiskussionsverfahren Das Gruppendiskussionsverfahren ist eine autonome qualitative Methode. Wie der Name sagt, ist der Methode zu eigen, dass sie in Gruppen angewendet wird mit dem Ziel, innerhalb dieser einen Diskurs zu einem Thema anzuregen. 219 220 221 222
Vgl. ebd. Vgl. a. a. O., S. 160. A. a. O., S. 168f. Vgl. ebd.
86
Methodische Reflexion
5.5.7 Leitfadeninterviews Der Ausdruck »Leitfadeninterview« ist ein Überbegriff für eine spezifische Art von qualitativer Interviewführung. Der Verlauf solcher Interviewleitfäden kann in der Gesprächsführung mehr oder weniger strukturiert sein, auch die Hörerorientierung ist hier nicht festgelegt.223 In allen Fällen wird aber vor der Durchführung der Interviews ein roter Faden für die Gesprächsführung erarbeitet. Vorteile dieser Methode sind, dass der Interviewer, die Interviewerin durch den klaren Fragenkatalog konkrete Fragen stellen kann, die interviewten Personen jedoch in ihren Antworten immer offen bleiben. So können die Befragten den Inhalt des Interviews steuern und sogar erweitern.
5.6
Interviews mit den Proband_innen
5.6.1 Interviews mit den Projektteilnehmenden Die Interviews mit den Projektteilnehmer_innen fanden in der Polizeidirektion Heidelberg statt, die der Forschungsgruppe freie Räume für Einzelgespräche zur Verfügung stellte. Bei der Befragung der Projektteilnehmer_innen fiel die Entscheidung auf eine Kombination der einzelnen Interviewformen. Hierbei handelte es sich um fokussierte, semistrukturelle und teilnarrative Leitfadeninterviews. Außerdem war es wichtig, dass die Interviews mit den Projektteilnehmenden in Einzelgesprächen geführt wurden, um das individuelle Erleben der Polizeibeamt_innen zu ermitteln, da Gruppeninterviews in sensiblen Situationen aufgrund ihrer Dynamik Druck auf den Einzelnen ausüben können.
5.6.2 Interviews mit den Beamt_innen in Führungspositionen Die Interviews mit Beamt_innen in Führungspositionen fanden in Form von Tandeminterviews statt. Dabei traten Verteter_innen des Forschungsteams den Beamt_innen zu zweit gegenüber. Hierbei konzentrierte sich ein_e Interviewer_in auf das Gespräch mit dem Probanden, der Probandin und schenkte der Person die volle Aufmerksamkeit. Die zweite Interviewperson notierte sich währenddessen wichtige Inhalte des Interviews. Auf diese Weise konnte leichter auf die Äußerungen der befragten Person eingegangen werden. Die Interviews mit den Beamt_innen in Führungspositionen wurden als 223 Vgl. a. a. O., S. 206.
Erwartungen an die Interviews
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erstes durchgeführt, da sich das Forschungsteam hier erhoffte, Informationen zu erhalten, die dann bei der Erstellung der Leitfäden für die Projektteilnehmer_innen nutzbar gemacht werden könnten.
5.6.3 Interviews mit den Polizeibeamt_innen in der Bereitschaftspolizei Dachau Die Beamt_innen der Bereitschaftspolizei Dachau stellten die zufällig zustande gekommene Kontrollgruppe dar. Das Forschungsteam interviewte die zu befragenden Personen nicht zu dem Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei«, sondern allgemein zur Thematik der Polizeiseelsorge, um ein umfassendes Bild der Polizeiseelsorger_innen in Bayern zu gewinnen. Die Interviews fanden im Gruppendiskussionsverfahren statt. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass in den Interviewgruppen unterschiedliche Dienstgrade vertreten waren, um Aussagen zu einem möglichst breiten Spektrum an Belastungsverhältnissen und -situationen zu erhalten. Die Forschungsgruppe ging davon aus, dass Beamt_innen mit längerer Berufserfahrung über berufsbezogene Traumata und Stressbelastungen andere Aussagen machen können als Beamt_innen in der Ausbildung. Methodologisch muss man sich an dieser Stelle hüten, Aussagen von berufserfahrenen Beamt_innen zu überbewerten. Jede im Interviewprozess erhobene Aussage ist gleichwertig.
5.7
Erwartungen an die Interviews
In der Regel bestehen im Vorfeld bestimmte Erwartungen an die zu führenden Interviews. Die Beschäftigung mit dem Forschungsthema erhebt die interviewende Person in einen Expertenstatus. Sie entwickelt Hypothesen, die sie hofft, durch die Befragungen bestätigen zu können. Die interviewende Person darf aber nicht der Versuchung erliegen, zu diesem Zweck die eigenen Hypothesen über die Aussagen der Proband_innen zu stellen, sondern muss vielmehr versuchen, mit ihrer unvermeidbaren Subjektivität professionell umzugehen und die Fragen so frei und objektiv wie möglich zu stellen. Darüber hinaus muss sie darauf achten, dass die Aussagen der Befragten nicht auf der Basis eigener Hypothesen ausgelegt werden und so eine Bedeutung zugewiesen bekommen, die seitens der Proband_innen nicht intendiert oder legitimiert ist. Dies wird später noch in dem Abschnitt 4.10.3 »Fremdverstehen: Problematik« ausführlicher beschrieben.
88
Methodische Reflexion
Die Forschungsgruppe muss sich daher ihrer Erwartungen an die zu untersuchende Thematik bewusst sein und diese regelmäßig reflektieren. Ebenso ergaben sich Erwartungen an die Interviews mit den Projektteilnehmenden, den Beamt_innen in Führungspositionen und die Kontrollgruppe in Dachau. Diese sollen im Folgenden erläutert werden.
5.7.1 Erwartungen an die Interviews der Projektteilnehmer_innen Die Forschungsgruppe erhoffte sich unter anderem detaillierte Aussagen über das individuelle Erleben und belastende Erlebnisse der Polizist_innen in ihrem Berufsalltag. Sie sollten offenbaren, was es für sie bedeutet, in der heutigen Zeit Polizist_in zu sein. Dazu gehören auch persönliche Erlebnisse aus dem Polizeialltag, die sie bereits an ihre Grenzen gebracht haben. Zudem erwartete sich die Forschungsgruppe positive Aussagen über das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« und die daraus resultierenden positiven Auswirkungen für die einzelnen Polizist_innen.
5.7.2 Erwartungen an die Interviews mit den Beamt_innen in Führungspositionen Bei den Interviews mit ausgewählten Führungspersönlichkeiten der Freiburger Polizei erwartete das Forschungsteam konkrete Aussagen über die kommenden strukturellen Veränderungen in der Landespolizei in Baden-Württemberg (die im Kapitel Berufsethik beschrieben werden) sowie darüber, wie diese Veränderungen bewertet werden. Außerdem erhoffte sich das Forschungsteam Aussagen über die Einbettung der Polizeiseelsorge in die künftigen Organisationsstrukturen der Polizei.
5.7.3 Erwartungen an die Interviews der Polizeibeamt_innen in der Bereitschaftspolizei Dachau Eine Kontrollgruppe diente der Überprüfung der vorläufigen Ergebnisse der primären Proband_innengruppe. Die Forschungsgruppe erwartete sich von den Gruppeninterviews Aussagen, die die Äußerungen der Interviewpartner_innen in Heidelberg bestätigten. Darüber hinaus baute die Forschungsgruppe darauf, Aussagen über Belastungen jeglicher Art und Möglichkeiten der Reflexion im Arbeitsalltag zu erhalten. Außerdem erwartete das Forschungsteam Aussagen der befragten Po-
Die fünf moderaten Grundregeln des Transkribierens
89
lizeibeamt_innen über gesundheitsbelastende Stressfaktoren, deren grundsätzliche Kenntnis von Bedeutung ist, um Verbesserungen zur Gesunderhaltung von Polizeibeamt_innen anzuregen. Ein Ziel wäre hierbei, die Polizeiseelsorge mit den Ansätzen des polizeilichen Gesundheitsmanagements wesentlich zu verbinden.
5.8
Aufbau der Untersuchung
Die Reihenfolge der Interviews verlief wie folgt: – Die Interviews mit ausgewählten Führungspersönlichkeiten der Polizei. – Die Interviews mit den projektteilnehmenden Polizeibeamt_innen. – Die Interviews mit Polizeibeamt_innen der Bereitschaftspolizei in Dachau. Nach Abschluss der Interviews mussten diese transkribiert und verschriftlicht werden. Nach der Transkription wurde das Datenmaterial insgesamt gesichtet, kodiert und kategorisiert. Jan Kruse schreibt einem guten Transkript hohe Bedeutsamkeit zu, dazu formuliert er fünf moderate Grundregeln:
5.9
Die fünf moderaten Grundregeln des Transkribierens
Bei der folgenden Aufzählung handelt es sich um wörtliche Zitate aus dem Buch »Einführung in die qualitative Interviewforschung« von Jan Kruse.224 »1. Verschrifte weitgehend all das, was du hörst, weitgehend so, wie du es hörst.« »2. Verschrifte alles kleingeschrieben. Großgeschrieben werden nur die Wörter bzw. Silben, die der/ die Sprecher/in betont. Und markiere die Pausen.« »3. Betonungen und Pausensetzungen sind für die gesamte Transkription konstitutiv, weitere prosodische Merkmale sollen oder müssen nur dann transkribiert werden, wenn es für die Interpretation der jeweiligen Textstelle erforderlich scheint bzw. ist.« »4. Jedes Transkript stellt eine Konstruktion dar. Sie ist kein reales Abbild des zu verschriftenden Gesprächs. Insofern sollte der konstruktive Charakter von Transkriptionen nicht unnötig verstärkt werden durch unnötige oder sogar verfälschende Notationen.« »5. Transkribiere den Diskursverlauf bzw. die Gesprächsorganisation so klar wie möglich.«
224 Kruse 2014, S. 359ff.
90
Methodische Reflexion
5.10 Analyse der Transkripte Nach der Erstellung eines Transkripts musste das Material gesichtet und analysiert werden. Jan Kruse beschreibt die rekonstruktive Interviewanalyse, die den im Folgenden erläuterten Grundprinzipien unterworfen ist.
5.10.1 Prinzip der Offenheit Das Prinzip der Offenheit besagt, dass die eigenen Hypothesen und Gedanken nicht in das erhaltene Interviewmaterial hineingetragen werden dürfen. Der Sinn des Textes muss frei von eigenem Gedankengut erfasst werden.225
5.10.2 Sequenzanalyse Die Sequenzanalyse oder auch der sequenzanalytische Auswertungsansatz ist eine Methode, die das schrittweise Vorgehen bei der Analyse eines Interviewtextes beschreibt. Hierbei werden chronologisch ein Wort nach dem anderen und ein Satz nach dem anderen hermeneutisch erfasst und analysiert.226
5.10.3 Fremdverstehen: Problematik Eine der großen Herausforderungen der allgemeinen empirischen Sozialforschung stellt die Problematik des Fremdverstehens dar. Die Lebenswelt und die Themen des Befragten müssen »verstanden« werden. Doch was heißt hier »verstehen«? Verstehen wird als ein Vorgang der Relevanzzuschreibung bezeichnet, der Teil subjektiver Konstruktion von Wirklichkeit ist. Essenziell ist dabei die Bedeutung des Begriffs des Sinns,227 also die Frage, was man selbst als sinnhaft empfindet und welche Bedeutung man dem Sinn zuschreibt.
225 Vgl. a. a. O., S. 372. 226 Vgl. a. a. O., S. 393. 227 Vgl. a. a. O., S. 60f.
Kodierung und Kategorisierung
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5.10.4 Grundprinzipien der rekonstruktiven Analyse228 1. Man sollte sich nicht mit der naheliegenden Bedeutung eines Wortes oder Begriffs begnügen, sondern weitere Interpretationsmöglichkeiten öffnen. In der Analyse der Interviews geht es nicht nur um eine semantische Analyse, sondern auch um Textpragmatik, das heißt kontextuelle Bedeutung von Begriffen und ihrer Wirkung, sowohl in der Rezeption des Interviewten als auch beim Interviewenden. 2. Interviewte Personen sprechen nicht nach den Regeln der Schriftsprache. Ihre Aussagen spiegeln in besonderer Weise persönliche Relevanzen wider. Was zuerst gesagt wird, wurde subjektiv am intensivsten erlebt. Diese symbolische Vorstrukturierung muss von den Interviewenden wahrgenommen und reflektiert werden. 3. Der belegbare Sinngehalt der Aussagen lässt sich durch valide Analysemethoden rekonstruieren. 4. Es muss ganz klar unterschieden werden zwischen den Begriffen »Analyse« und »Interpretation«. Die Analyse ist der gesamte Prozess, die Interpretation ist lediglich das Ergebnis des Gesamtprozesses. 5. Die Analyse muss sich stets eng auf das erhobene Datenmaterial beziehen und muss immer belegbar damit in Verbindung gebracht werden können. 6. Die Grundhaltung des Forschenden ist eine Haltung der Offenheit. Persönliche Interpretationen und Erwartungshaltungen müssen aus der Analyse herausgehalten werden. 7. Der Forschende muss sich stets bewusst sein, dass die Aussagen des Befragten »Sinn machen«, auch wenn es im ersten Moment nicht so scheint. Für den Befragten macht die Aussage in dem Moment des Aussprechens Sinn. Es geht also nicht um die Wirklichkeit an sich, sondern um die persönlichen, zentralen Motive des Befragten, die im Moment des Aussprechens wirklich sind. 8. Die Deutung der Aussagen muss zu jeder Zeit transparent sein. Das bedeutet, dass die Argumentationsführung plausibel sein muss.
5.11 Kodierung und Kategorisierung Der Prozess dieser Analyse wird in der Literatur als Kodieren bezeichnet. Beim Kodieren werden Textbausteine des Gesamttextes sogenannten Kategorien zugeordnet. Es werden also verschiedene Themengebiete oder auch zentrale Motive aus dem Gesamten herausgearbeitet. 228 Vgl. a. a. O., S. 60f.
92
Methodische Reflexion
5.12 Die Auswertung Grundlegend bei der Auswertung ist, dass die Forschungspersonen immer wieder bewusst in der Dimension der Zielgruppe bleiben. Der Schlüssel hierzu ist die Unterscheidung von Wahrheit und Realität. In der Wahrnehmung der Befragten kann ein Vorgang oder ein Ereignis im individuellen Erleben des Befragten als »wahr« gelten, obwohl Zahlen und Daten die Realität anders darstellen. Das Bewusstsein für diese Tatsache hilft den Interviewenden, so weit wie möglich in der Verstehenswelt des Befragten zu bleiben.
5.13 Erstellung eines Leitfadens Bei der Erstellung des Gesprächsleitfadens ist besonders auf Formulierungen und Fragestile zu achten. Beispielsweise dürfen keine geschlossenen oder wertenden Fragen gestellt werden. Darüber hinaus soll vermieden werden, die eigenen Erwartungen in den Fragen anzudeuten. In diese Kategorie gehören auch die Suggestivfragen. Bei dem Befragten sollen durch das Interview keine Scham- oder Schuldgefühle geweckt werden. Sensible Themen müssen behutsam und wenn möglich erst gegen Ende des Interviews angesprochen werden. Außerdem ist Wert darauf zu legen, dass den Fragen keine Präsuppositionen zu Grunde liegen oder in ihnen Deutungsangebote gemacht werden. Auch die Nachfragen dürfen nicht geschlossen gestellt werden. Bei der Auswahl der Fragen und der Zusammenstellung des Gesprächsleitfadens orientierte sich die Forschungsgruppe an der bewährten SPSS-Methode von Cornelia Helfferich.
5.13.1 SPSS- Methode Die SPSS-Methode von Cornelia Helfferich ist eine Hilfestellung für das Erstellen von Interviewleitfäden. Es handelt sich dabei um ein methodisches Verfahren, welches die einzelnen Schritte von der Forschungsidee bis zu den fertigen Fragen des Leitfadens begleitet. Das erste »S« steht für den Begriff »Sammeln«. Gemeint ist hier das erste Brainstormen zu dem zu erforschenden Thema. Das »P« steht für den Terminus »Prüfen« und umschreibt den Vorgang des Überprüfens der gesammelten Fragen und Ideen. Was ist wirklich zielführend? Was ist überflüssig? Passen die Themen für die gewünschte Zielgruppe?
Erstellung eines Leitfadens
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Das zweite »S« steht für den Ausdruck »Sortieren«, in diesem Arbeitsschritt werden die übrig gebliebenen Fragen inhaltlich sortiert. Das letzte »S« ist der Bezeichnung »Subsumierung« zuzuordnen und bedeutet, dass die Fragen in das Gesamtthema eingeordnet werden müssen.229
229 Vgl. Kruse 2014, S. 230ff.
6.
Theoretischer Referenzrahmen
Die Annäherung an derart persönliche und emotionale Inhalte, wie sie in diesem Projekt begegneten, erforderte ein behutsames und intentionales, strukturiertes Vorgehen. So ist zum Beispiel in den Gesprächen mit Polizeibeamt_innen, die traumatische Situationen geschildert haben, eine zuhörende, empathische, achtsame Haltung und Vorgehensweise auf Seiten der interviewenden Person unabdingbar. Diese zum Teil hochsensiblen Gespräche fordern einen empfindsamen Umgang mit den existenziellen Themen der Proband_innen, was auch eine Frage der Forschungsethik ist. Eine qualitative, empirische Studie bedarf einer anteilnehmenden und menschlich-transparenten Forschungsethik, die gerade in sensiblen Gesprächssituationen als orientierender Referenzrahmen der Gesprächsführung dient. Um ethische Standards zu gewährleisten, war es sinnvoll, die seelsorgliche Kompetenz von Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz in der Forschungsgruppe supervisorisch zu nutzen. Nachfolgend wird erläutert, wie verschiedene theoretische Ansätze in der vorliegenden empirischen Studie zur Anwendung gekommen sind.
6.1
Kontaktaufnahme und Zusammensetzung der Gruppe
Polizeiseelsorger Bernhard Goetz beschloss im Jahre 2012, eine Forschungsgruppe mit Studierenden zu installieren, die sich mit den Inhalten und Auswirkungen des Projektes »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« beschäftigen sollte. Er war Ansprechpartner der Evangelischen Hochschule Freiburg und stellte zusammen mit dem verantwortlichen Dozierenden, Prof. Dr. Wilhelm Schwendemann, ein Forschungsteam zusammen. Das Forschungsprojekt wurde als empirisches Projekt an den Fachbereich 2 (Theologische Bildungs- und Diakoniewissenschaft) zurückgebunden. Isabel
96
Theoretischer Referenzrahmen
Kimmer und Friederike Schilka, Studierende der Religionspädagogik und Gemeindediakonie, führten im Rahmen ihrer Examensarbeiten die empirische Studie durch und sind auch Mitautorinnen der vorliegenden Veröffentlichung. Bei der ersten offiziellen Zusammenkunft der Forschungsgruppe stellte Bernhard Goetz den Studierenden zunächst das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« vor und unterrichtete die Forschungsgruppe über Interna, Abläufe, Pressemitteilungen und bisherige Erkenntnisse über dieses Projekt. Ebenso wurden ein Forschungsdesign230 und eine gemeinsame Strategie erarbeitet, das Ziel der Forschungsarbeit/ Forschungsentwicklung geklärt, die Dissemination der Ergebnisse sowie ein zeitlicher Ablaufplan für die empirische Forschung erstellt.
6.2
Forschungsentwicklung
Die erste Begegnung mit den Inhalten des Projektes »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« führte uns zu den folgenden Fragestellungen: – Was sind die Wirklichkeiten der Polizei? – Wieso wird der Begriff der Wirklichkeiten im Plural verwandt? – Inwieweit steht die ethische Reflexion der Polizeibeamt_innen in Zusammenhang mit deren subjektiven Empfindungen im Gesamtkontext der Polizeiarbeit? In diesem Kontext stellte sich die Forschungsgruppe auch Fragen nach dem Verhältnis der Gruppenmitglieder selbst zum Begriff der Professions- und Berufsethik, nach den ethischen Grundsätzen, die in der Profession der Polizei vorausgesetzt werden müssen, und danach, wie die eigene Konstruktion von Wirklichkeit und ethisch-moralisch vertretbarem Handeln in den Arbeitsalltag integriert werden kann. Darüber hinaus beschäftigte sich die Forschungsgruppe damit, wie Polizist_innen polizeischulisch auf ethische Konflikte im Berufsalltag vorbereitet werden, und vor allem, wie die Polizeiseelsorge in diesem Kontext zum Tragen kommen kann. Eng damit verbunden erwies sich die Frage nach der Definition von Menschenwürde. Hintergrund dieser Fragestellung war die Überlegung, ob es eine positive Definition von Menschenwürde geben könne, oder ob sie sich lediglich negativ aus der Perspektive ihrer Verletzung heraus bestimmen ließe. Die Beschreibung des Projektes durch Bernhard Goetz führte die Forschungsgruppe darüber hinaus zu einer weiteren Fragestellung, die sich mit dem 230 Zu weiteren Details sei auf Kapitel 4 »Motivation und Forschungsinteresse« verwiesen.
Forschungsentwicklung
97
Stichwort der religiösen Dimension von Wirklichkeit fassen lässt. Es erschien den Mitgliedern der Gruppe wichtig, der Frage nachzugehen, inwiefern diese den Polizeibeamt_innen im Verlauf des Projektes in Heidelberg präsent gewesen sei und welche Auswirkungen das auf den einzelnen Teilnehmer, die einzelne Teilnehmerin gehabt habe. Diese Überlegungen bewogen die Forschungsgruppe, sich mit den Zusammenhängen der erlebten Wirklichkeit und der Realität zu beschäftigen. Nachdem diese ersten Fragestellungen zusammengetragen waren, stellte sich die Forschungsgruppe zunächst die Aufgabe, die Gesamtheit der Polizeiseelsorge in ihren Strukturen zu erfassen und Polizeiseelsorge im Alltag der Polizeiarbeit zu bedenken. Im Fokus stand dabei die Polizeiseelsorge in Abgrenzung zur Notfallseelsorge und anderen Formen der Seelsorge. Dabei ging es darum, die spezifischen Merkmale der Polizeiseelsorge im Unterschied zu anderen Arten der Seelsorge und den Aufbau ihrer Arbeit herauszuarbeiten.231 Nach Klärung dieser Fragen, wobei einige zunächst offen gelassen werden mussten, beschäftigte sich die Forschungsgruppe mit den Motivationen und Intentionen der an der Polizeiseelsorge beteiligten Personen. Das Interesse der Gruppe lag darin, zu ergründen, warum Polizeiseelsorge praktiziert wird, aus welchen Gründen sie durch die Evangelische Landeskirche in Baden angeboten wird und weshalb die Polizei dieses Angebot unterstützt. Nicht zuletzt sollten auch die polizeispezifischen Intentionen der Seelsorger_innen geklärt werden. Auch die rechtlichen Grundlagen der Arbeit der Polizeiseelsorger_innen wurden von der Forschungsgruppe näher betrachtet. Ein Beispiel im Rahmen dieses Themenfeldes stellt das Zeugnisverweigerungsrecht des Seelsorgers, der Seelsorgerin dar. Des Weiteren beschäftigte sich die Forschungsgruppe mit der Genderthematik im Polizeialltag und den verschiedensten Beziehungskontexten. Innerhalb der Forschungsgruppe wurden die Hierarchien in der Polizei und der Umgang mit Schwächeren kontrovers diskutiert. Besonders anregend in der Diskussion war die Auseinandersetzung mit dem Buch »Die erste Leiche vergisst man nicht«232. Im Zusammenhang mit diesen Themen eröffnete sich der Forschungsgruppe 231 Hier sei auf Kapitel 2 »Seelsorge und seelische Gesundheit« verwiesen, in dem die spezifischen Seelsorgebereiche benannt werden. 232 »Die erste Leiche vergisst man nicht – Polizisten erzählen« ist das erste Buch aus der Reihe der »Polizei-Poeten«, herausgegeben von Volker Uhl. Volker Uhl ist Kriminalhauptkommissar und stellvertretender Leiter der Koordinierungsstelle für Konflikthandhabung und Krisenmanagement an der Akademie der Polizei in Freiburg. Das Buch entstand aus dem Internet-Projekt »Polizei-Poeten«, welches Volker Uhl ins Leben rief, um Polizist_innen eine Plattform für ihre außerordentlichen Alltagsgeschichten zu geben. Es enthält eine Sammlung von 37 kurzen, persönlichen Geschichten aus dem herausfordernden Alltag von Polizist_innen.
98
Theoretischer Referenzrahmen
ein Problemfeld, das für den außenstehenden Beobachter der Polizeiarbeit zunächst nicht evident sein dürfte. Es handelt sich um die Frage nach den unterschiedlichen Rollen, die an Polizist_innen herangetragen und von ihnen erwartet werden. Polizist_innen sollen zugleich Beschützer_innen, Sozialarbeiter_innen, Freund_innen und Helfer_innen aber auch Vertreter_innen des Gesetzes sein. Gleichzeitig sind sie auch noch Privatmenschen und haben im familiären Umfeld ihre Rollen als Partner_in, Vater, Mutter oder Freund_in auszufüllen. Angesichts dieser Vielfalt an Rollenzuweisungen ist zu fragen, welche Strategien die Polizist_innen haben, um mit den unterschiedlichen Rollenerwartungen umzugehen und dabei noch ein Gefühl für die eigene Identität zu bewahren. Die Erkenntnisse über die Strategien der Polizist_innen im Umgang mit Rollenkonflikten sollten im Folgenden für die Praxis nutzbar gemacht werden, indem sie in die Ausbildung der Polizeibeamt_innen im mittleren Dienst eingebracht werden sollten. Nach Abschluss der thematischen Vorüberlegungen stellte sich der Forschungsgruppe die Aufgabe, sich auf eine Forschungsmethode zu verständigen. Die Forschungsgruppe entschied sich für die Methode des problemzentrierten und fokussierenden Interviews mit semistrukturierten Leitfäden. Wie bereits im Kapitel »Methodische Reflexion« beschrieben, fiel die Entscheidung auf die qualitativ-empirische Forschung, da das Forschungsinteresse sich vor allem auf den Sinn der dargestellten Wirklichkeit der Polizist_innen richtete. Die qualitative Forschung erschien als beste Möglichkeit, diese komplexen, sozialen Sachverhalte einzufangen und die subjektiven Deutungsmuster der Beteiligten zu rekonstruieren.
6.3
Dissemination
Es sollten zwei forschungsorientierte Bachelorthesen und Dokumentationen auf sozialwissenschaftlicher Basis erstellt sowie eine Implementierung von Ergebnissen in Schulungs- und Bildungsprozessen der Polizeischule herausgearbeitet werden. Darüber hinaus sollten weitere Forschungsinhalte näher betrachtet werden, wie die Prävention von »Burn-Out« und ähnlichen psychosomatischen Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis im Polizeidienst sowie die Qualifizierung von Polizeiseelsorger_innen in der Evangelischen Landeskirche in Baden. Der nächste Arbeitsschritt widmete sich der Auswahl der Interviewpartner_innen.
Auswahl der Interviewpartner_innen
6.4
99
Auswahl der Interviewpartner_innen
Bei der Auswahl der Interviewpartner_innen kamen unterschiedliche Gruppen in Betracht. Auf jeden Fall sollten die Polizeibeamt_innen, welche am Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« teilgenommen hatten, befragt werden. Darüber hinaus entschied die Forschungsgruppe, die Künstler_innen des Projektes »Cop-Art Polizei mit anderen Augen«, die die Polizeifiguren hergestellt hatten, per E-Mail oder Telefon zu befragen. Außerdem sollte ein Polizeipsychologe interviewt werden sowie ausgewählte Führungsbeamt_innen der Freiburger Polizei. In Verbindung mit dem Interview des Polizeipsychologen plante die Forschungsgruppe auch ein Interview mit Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz. Die Interviewfragen sollten ihm im Vorfeld nicht mitgeteilt werden, um die Spontaneität der Antworten zu gewährleisten. Um Allgemeines über die Polizeiseelsorge und ihre Stellung zu erfahren, wurde eine Kontrollgruppe installiert, die nicht in das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« involviert war. Die Entscheidung fiel auf eine Kontrollgruppe in Dachau. Im Zentrum der Befragung der Projektteilnehmer_innen sollten deren Erfahrungen in der Heidelberger Innenstadt stehen sowie ihre Einschätzung, was dieses Projekt für sie persönlich bewirkt habe. Von den Künstler_innen wollte die Forschungsgruppe erfahren, welches Bild diese von Polizist_innen haben und wie sie deren Belastungen im Berufsalltag einschätzen. Der Polizeipsychologe nahm insofern eine gesonderte Stellung ein, als die Forschungsgruppe ihn zu Fragen der Relevanz der Polizeipsychologie interviewen wollte und darüber hinaus eine subjektive Einschätzung der Polizeiseelsorge erfragt werden sollte. Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz sollte nach seiner Motivation und seinen persönlichen Eindrücken zu dem Projekt befragt werden. Hierbei sollte der Entstehungsprozess des Projekts von der Grundidee bis zur konkreten Umsetzung in Erfahrung gebracht werden. Das beinhaltete Fragen zum auslösenden Moment, der zur Projektidee geführt hat, ebenso wie die Frage, warum gerade das Medium der Kunst gewählt wurde, um mit den Beamt_innen in Kontakt zu treten. Die ausgewählten Polizeibeamt_innen in Führungspositionen sollten zu den kommenden strukturellen Veränderungen in der Landespolizei Baden-Württemberg und den vermeintlich größeren Belastungen, die damit für die einzelnen Polizeibeamt_innen verbunden sein könnten, befragt werden. Die Kontrollgruppe in der Dachauer Polizeikaserne sollte aus Polizeibeamt_innen bestehen, die in keiner Weise Kontakt zum Projekt »Unterwegs in den
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Theoretischer Referenzrahmen
Wirklichkeiten der Polizei« hatten. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass sie unvoreingenommene Aussagen zur Polizeiseelsorge machen können. Im Arbeitsprozess der Forschungsgruppe kristallisierten sich thematische Prioritäten heraus, was dazu führte, dass sich die Zahl der zu befragenden Gruppen reduzierte. Die Interviews mit den Künstler_innen, dem Polizeipsychologen und Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz wurden aus forschungsinternen Gründen letztlich nicht geführt. Hintergrund dieser Entwicklung war, dass die Forschungsgruppe aus der Fülle der potenziellen Forschungsthemen der Überschaubarkeit halber eine engere Auswahl treffen musste. Als wesentlich stellte sich für die Gruppe die Dimension des Erlebten heraus, auf die sich die Forschungsarbeit im Folgenden konzentrieren sollte. Die endgültige Auswahl der Interviewpartner_innen gestaltete sich daher wie folgt: – Die Projektteilnehmer_innen – Die ausgewählten Polizeibeamt_innen in Führungspositionen – Die Kontrollgruppe
6.5
Entwicklung der Leitfäden
Bei der Formulierung der Interviewfragen achtete die Forschungsgruppe darauf, dass offene Fragen gestellt wurden und thematische Vorerwartungen keinen Eingang in die Leitfäden finden konnten. Die Auswahl der Fragen erfolgte nach dem Kriterium, dass sie dazu geeignet sein sollten, die Tiefendimensionen der Befragten zu erschließen. Grundsätzlich galt es, Suggestivfragen zu vermeiden. Darüber hinaus mussten die Fragen zielgruppenorientiert gestellt werden. Der erste Schritt zur Erstellung der Leitfäden bestand darin, Themengebiete, Impulse und Fragen zu den einzelnen Zielgruppen zu sammeln. Aus dem ersten Brainstorming gingen folgende Fragestellungen an Polizeiseelsorger_innen und Psycholog_innen hervor : – Beschreiben Sie bitte die Anforderungen an die Polizeiarbeit aus Ihrer Sicht! – Welchen Sinn hat Polizeiseelsorge? – Was sind die Anforderungen an die Polizeiseelsorge? – Welchen Sinn hat die Polizeipsychologie? – Was ist das Ziel Ihrer Arbeit? – Welche Unterschiede gibt es zwischen der Arbeit von Polizeipsycholog_innen und der von Polzeiseelsorger_innen Ihrer Meinung nach? – Wie ergänzt sich die Arbeit von Polizeiseelsorger_innen und Polizeipsycholog_innen?
Entwicklung der Leitfäden
101
Jedoch fanden diese Fragen keinen Eingang in die Leitfäden, da – wie bereits beschrieben – die Polizeipsycholog_innen und Polizeiseelsorger_innen als Zielgruppen der Interviews ausschieden. Auch bei der Zusammenstellung der Fragen an die Polizeibeamt_innen der Freiburger Führungsetage wurde zunächst ein erstes Brainstorming durchgeführt. Polizeipräsident Bernhard Rotzinger, der ehemalige Freiburger Polizeichef Heiner Amann und der Leiter der Polizeidirektion Freiburg Alfred Oschwald sollten mit dem gleichen Leitfaden befragt werden. Das Ergebnis des Brainstormings stellte sich wie folgt dar : – Welchen Sinn hat Polizeiseelsorge? – Was sind Ihrer Meinung nach die Grundlagen der Berufsethik der Polizei? – Was ist Ihrer Meinung nach das Verbindungsstück zwischen Berufsethik und Polizeiseelsorge? – Benennen Sie die Vorbereitung der Polizist_innen auf die alltäglichen Belastungen! – An welcher Stelle kommt die Polizeiseelsorge ins Spiel? – Bei welchen Fortbildungsmodulen wäre die Einbindung der Polizeiseelsorge sinnvoll? Dem ehemaligen Freiburger Polizeichef Heiner Amann sollte darüber hinaus noch eine weitere Frage gestellt werden: – Beschreiben Sie Ihre Motivation, dem Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« zuzustimmen! Für die Künstler_innen des Projektes »Cop-Art Polizei mit anderen Augen« wurden folgende Fragen und Gesprächsimpulse entwickelt: – Lassen Sie ihre Gedanken schweifen und geben Sie uns ein paar Stichworte, was Ihnen zu dem Thema Polizei einfällt! – Beschreiben Sie die ersten Assoziationen, die Sie hatten, als die Stiftung Polizeiseelsorge mit dem Projekt »Cop-Art Polizei mit anderen Augen« auf Sie zukam! – Was denken Sie, welche Belastungen auf Polizisten einwirken? Die erste Sammlung für die Kontrollgruppe ergab folgende Fragen: – Was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an Seelsorge denken? – Haben Sie bereits Erfahrungen mit Polizeiseelsorger_innen gemacht? – Haben Sie die Polizeiseelsorge schon einmal in Anspruch genommen? – Wenn ja, welche Erfahrung hatten Sie damit? – Sind Sie während der Ausbildung mit dem Thema Seelsorge in Berührung gekommen? – Nutzen Sie das Angebot der Polizeipsycholog_innen?
102
Theoretischer Referenzrahmen
– Was sind Ihre Strategien, um gesund zu bleiben? – Spielt die Polizeiseelsorge in Ihren seelischen Gesundheitsstrategien eine Rolle? (Nachfrage: Wenn Ja: Inwiefern trifft dies zu? Beschreiben Sie dies bitte! Wie sieht das konkret aus? Wenn Nein: Was tun Sie stattdessen? Benennen Sie eventuelle Alternativen!) – Und für was wäre in Ihren Augen die Polizeiseelsorge dann sinnvoll? Für die Gruppe der Projektteilnehmer_innen stellte die Forschungsgruppe folgende Interviewfragen zusammen: – Warum wollten Sie sich an dem Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« beteiligen? – Wie war Ihre erste Reaktion auf die von Ihnen ausgewählte Skulptur? – Welche Erwartungen hatten Sie an den Ablauf des Tages? – Wie war es rückblickend tatsächlich? – Wie waren die Reaktionen von Außenstehenden auf die Skulpturen? – Benennen Sie ihre Erfahrungen mit Seelsorger_innen! Neben diesen Fragen wurden Aufrechterhaltungsfragen und konkrete Nachfragen erarbeitet. Zudem wurden Erläuterungen bereitgestellt für den Fall, dass die Fragen für die Proband_innen unverständlich sein sollten. Die Einstiegsfrage sollte dazu geeignet sein, einen Zugang zu den Proband_innen zu erhalten. Die Forschungsgruppe kam zu dem Entschluss, dass sich hierzu eine Frage nach der Motivation der Beamt_innen, in den Polizeidienst einzutreten, am ehesten eignet. Ebenso könnte auch die Frage nach den Beweggründen der Teilnahme am Projekt als Einstiegsfrage dienen. Die Befragung sollte bewusst »langsam« begonnen werden, da die Interviewsituation voraussichtlich für die meisten Proband_innen eine neue und fremde Erfahrung sein würde. Es sollte auf jeden Fall vermieden werden, dass die Interviewten sich aus diesem Grund in der Situation unwohl fühlen. Um jedoch an die Tiefendimension dieser Menschen zu gelangen, war es vonnöten, das Vertrauen der Proband_innen zu gewinnen.
6.5.1 Auswahl der Fragen auf der Basis der SPSS- Methode Die Polizeibeamt_innen des Projektes »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« Die im Brainstorming gesammelten Themen, Impulse und vorläufigen Fragen (Vgl. Kapitel 4.5) mussten in einem nächsten Schritt auf ihre Relevanz überprüft werden, um dann eine abschließende Auswahl treffen zu können.
Entwicklung der Leitfäden
103
Nachdem die endgültigen Fragen feststanden, galt es, diese zu sortieren und zuzuordnen: – Was hat Sie dazu bewogen, an dem Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« teilzunehmen? – Beschreiben Sie Ihre Gefühle bei der Zuordnung zu Ihrer Figur! – Erzählen Sie mir von Ihren Erfahrungen während des Projekts! (Nachfrage: Was war dabei Ihre beste oder schlechteste Erfahrung?) – Inwiefern ist das Medium der künstlerischen Figur eine Möglichkeit, die Wirklichkeit als Polizist_in zu reflektieren? – Welche Rolle spielt der Seelsorger, die Seelsorgerin in diesem Kontext? – Welche Möglichkeiten der Reflexion hatten Sie vor dem Projekt mit den Figuren?
Die Polizeibeamt_ innen der Kontrollgruppe in Dachau Da die Interviews mit der Kontrollgruppe als Gruppendiskussionsrunde geplant waren, entschied die Forschungsgruppe, die Fragen auf wenige zu reduzieren, um den zeitlichen Rahmen der Interviews überschaubar zu halten und gleichzeitig ausreichend Raum für ihre Beantwortung zu bieten. Bei der Auswahl der relevanten Fragen für die Kontrollgruppe stand im Mittelpunkt, inwieweit die Polizeiseelsorge im Arbeitsalltag der Beamt_innen eine Rolle spielt. Daraus resultierten die drei folgenden Fragen: – Uns würde interessieren, was Sie damals motiviert hat, in den Polizeidienst zu treten? – Was sind Ihre Strategien, um gesund zu bleiben? – Spielt die Polizeiseelsorge in Ihren Gesundheitsstrategien eine Rolle? (Nachfrage: Wenn Ja: Inwiefern trifft dies zu? Beschreiben Sie dies bitte! Wie sieht das konkret aus? Wenn Nein: Was tun Sie stattdessen? Benennen Sie eventuelle Alternativen!)
Die ausgewählten Polizeibeamt_innen in Führungspositionen Die Forschungsgruppe einigte sich darauf, aus den gesammelten potenziellen Fragen an die Gruppe der Polizeibeamt_innen der Freiburger Führungsetage maximal sechs Fragen auszuwählen. Die Wahl fiel zugunsten der folgenden Fragen aus: – Uns würde interessieren, was Sie damals motiviert hat, in den Polizeidienst zu treten? – Stimulus/Erzählaufforderung: Aktuell laufen eine Menge struktureller Ver-
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– – – –
Theoretischer Referenzrahmen
änderungen in der Polizei ab. Erzählen Sie uns doch bitte etwas dazu! (Nachfrage: Wie steht es dabei um die Gesundheitsfürsorge?) Inwiefern wurde die seelische Gesunderhaltung der Polizist_innen bei dieser Umstrukturierung bedacht und nicht nur die Vermeidung von Krankheiten? Was wird dafür konkret unternommen? (Nachfrage: Was tun Sie konkret dafür?) Wo taucht in diesem System die Polizeiseelsorge auf ? (Nachfrage: Wo ist die direkte Einbindung in die Polizeiseelsorge?) Wir nehmen an, es besteht ein Zusammenhang zwischen der Berufsethik und Polizeiseelsorge und der seelischen Gesunderhaltung. Können Sie benennen, wo diese Schnittstellen sind?
Für alle Interviews formulierte die Forschungsgruppe Aufrechterhaltungsfragen: – Gibt es sonst noch was? – Und dann? – Und sonst? – Was meinen Sie damit? Zum Abschluss der Interviews sollte den Proband_innen die Gelegenheit eröffnet werden, weitere für sie bedeutsame Aspekte des Besprochenen zu formulieren, die sie anhand der gestellten Fragen bisher nicht einbringen konnten. Daher sollte allen Interviewten die gleiche Abschlussfrage gestellt werden: – Wir haben nun Einiges besprochen. Gibt es noch etwas, was Ihnen wichtig ist, aber bisher nicht zur Sprache kam? Die endgültigen, formatierten Leitfäden für die Interviews sind dem angefügten Anhang zu entnehmen.
6.6
Generierung der Kategorien
Bei der ausführlichen Analyse des erhaltenen Datenmaterials nach Abschluss der Interviews zeichneten sich folgende Hauptthemen ab: – Motivationen der einzelnen Polizist_innen für den Eintritt in den Polizeidienst und den weiteren Verbleib in diesem Berufsfeld. – Die strukturellen Veränderungen in der Landespolizei in Baden-Württemberg und die hiermit verbundenen subjektiven Einschätzungen in Form von emotionaler Wertung und Folgen. – Allgemeine Aussagen zur Polizeiseelsorge, dem Verhältnis des Seelsorgers,
Der Begriff des Subjekts
– – –
–
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der Seelsorgerin zu den einzelnen Polizist_innen und der damit einhergehenden Beziehungsarbeit sowie der allgemeinen Verortung der Seelsorge in der Polizeiwelt. Äußerungen über das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« von Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz. Das Verhältnis von Religion und Seelsorge im Allgemeinen und damit zusammenhängend das Verhältnis von Polizei und der Institution Kirche. Gesundheitsmanagement in Bezug auf Stress als Belastungsphänomen, traumatische Erlebnisse, Dilemmata und deren Prävention. Damit verbunden sind die Copingstrategien der Beamt_innen. Der Großbegriff der Ethik in seiner reinen Form und in Verbindung mit der Problematik der ethischen Urteilsfindung im Berufs- und Privatleben.
Die Aussagen der Beamt_innen ließen sich nach Häufigkeiten ordnen und strukturieren. Auffällig dabei waren die Themengebiete Berufsethik und Gesundheitsmanagement/Copingstrategien, nicht nur aufgrund der Quantität ihres Auftretens, sondern auch durch ihre Intensität.
6.7
Entwicklung der Thesen
Noch vor der Kategorisierung der Interviews entwickelte die Forschungsgruppe drei Thesen zur Polizeiseelsorge: Anhand des Projekts »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« lässt sich zeigen, dass spirituelle, religiöse Dimensionen persönlichkeitsbildend sind. Ein Bedürfnis nach Subjektivität ist bei jedem vorhanden, ihm wird aber nicht immer Raum gegeben. Es mangelt an Gelegenheit zur Versprachlichung. Polizeiseelsorge schafft Raum zur Versprachlichung von subjektiven Empfindungen. Es müssen mehr Räume zur Versprachlichung geschaffen werden, was durch mehr Gelegenheiten für Polizeiseelsorge geschehen kann. Der Forschungsgruppe wurde bewusst, dass der Titel des Projekts »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« seiner Bedeutung nach »Unterwegs in den subjektiven Wirklichkeiten der Polizei« lauten müsste.
6.8
Der Begriff des Subjekts
Was ist unter dem Begriff der »subjektiven Wirklichkeit« beziehungsweise der Subjektivität des Individuums zu verstehen? Subjektivität wurde in vorliegender Studie bisher nur als Abgrenzung zur ständig gewünschten wissenschaftlichen Objektivität verwendet.
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Theoretischer Referenzrahmen
Der Begriff des Subjekts hat in der Philosophie und Pädagogik eine tiefe Bedeutung. So beschreibt der Göttinger Theologe Bernd Schröder die Förderung der Subjektwerdung als Maxime für das reflektierte Handeln im humanwissenschaftlichen Kontext bzw. im direkten Interaktionszusammenhang zwischen Menschen. Um die Subjektwerdung in ihrer Komplexität zu verstehen, muss ein allgemeiner Konsens über den Begriff des Subjekts hergestellt werden. Dieser bezieht sich auf einen einzelnen Menschen. Synonym wird er oftmals für die Worte »Individuum«, »Einzelner« oder »Selbst« verwendet. Der Begriff wird demnach normativ angewandt. Diese Beschreibung ist abzugrenzen von dem häufig umgangssprachlichen Gebrauch des Begriffes »subjektiv«, der deskriptiver Natur ist.233 So darf bei der Subjektivität aber nicht das Subjekt selbst verloren gehen. Das Individuum spielt eine elementare Rolle. Schon Martin Luther spricht von Freiheit und Identität im Zusammenhang mit dem Begriff Subjektivität. (Siehe Martin Luthers Schrift von 1520, De libertate christiana / Von der christlichen Freiheit).234 Die persönliche Freiheit und die Entwicklung der eigenen Identität sind entscheidende Faktoren in Entscheidungsprozessen und den eigenen Wahrnehmungsmustern. Die Wahrnehmungsmuster von Polizeibeamt_innen sind aufgrund der Vielzahl an organisatorischen, juristischen und verwaltungstechnischen Vorgaben und Strukturen sehr eng gefasst und weitestgehend vorbestimmt, sodass für persönliche Handlungsoptionen wenige Freiräume bleiben und persönliche Freiheit begrenzt ist. Ebenso ist der Begriff der Identität zu betrachten. Durch was definiert sich das Individuum und nimmt der Beruf einen großen Stellenwert ein, wenn es um die Definition des Selbst geht?
233 Vgl. Schröder, 2012, S. 223. 234 Vgl. a. a. O., S. 234.
7.
Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
Die Kategorie »Gesundheitsmanagement und Copingstrategien« umfasst thematisch verschiedene Subkategorien, die im Folgenden näher charakterisiert werden. Inhaltlich zielt die Kategorie auf die seelische und körperliche Gesundheit des Menschen ab. In diesem Falle liegt das Hauptaugenmerk auf der seelischen Gesundheit der Polizeibeamt_innen in Baden. Wenn der Fokus auf die körperliche und seelische Gesundheit gelegt werden soll, dann muss zunächst eine Definition des Gesundheitsbegriffs erfolgen. Hierzu soll Bezug genommen werden auf das Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky.
7.1
Exkurs – Salutogenese
Bei dem Begriff der Salutogenese, der von dem Soziologen Aaron Antonovsky geprägt wurde, handelt es sich um ein Gesundheitskonzept. Er definiert Gesundheit nicht über die Abwesenheit von Krankheit, sondern konzentriert sich bei dem Gesundheitsbegriff auf die Herstellung von Bedingungen, in denen sich der Mensch gesund fühlt235 und ist somit an den menschlichen Ressourcen orientiert. Zentrales Thema in der salutogenetischen Betrachtungsweise ist das sogenannte Kohärenzgefühl oder auch SOC.236 Die drei Kernpunkte des SOC sind die Verstehbarkeit, die Handhabbarkeit und die Bedeutsamkeit. Sie sollen Auskunft darüber geben, wie stark der SOC bei einem Menschen ausgeprägt ist. Bei der Verstehbarkeit oder dem sense of comprehensibility handelt es sich um 235 Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.) (2001): Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert. Eine Expertise von Jürgen Bengel, Regine Strittmatter und Hildegard Willmann im Auftrag der BZgA, Köln, S. 9. 236 SOC ist die Abkürzung für den englischen Begriff sense of coherence.
108
Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
eine Fähigkeit des Menschen, bei der bekannte und unbekannte Einflüsse oder Impulse als strukturiert und sinnergebend verarbeitet werden können.237 Die Handhabbarkeit oder der sense of manageability beschreibt die Fähigkeit des Menschen, seine eigenen Ressourcen als ausreichend einzuschätzen, um mit auf ihn einwirkenden Stressoren umzugehen.238 Als letzter der drei Punkte nennt Antonovsky die Bedeutsamkeit oder den sense of meaningfulness. Damit ist das Gefühl der Sinnhaftigkeit gemeint sowie die Fähigkeit, das Leben als sinnvoll zu empfinden.239 Antonovsky stellt die These auf, dass der Mensch umso flexibler auf Aufgaben, Widerstände und Impulse reagieren kann, je stärker sein SOC ausgeprägt ist. Demnach ist ein hohes Kohärenzgefühl für jeden Menschen erstrebenswert, besonders für Menschen, die im Berufs- und Alltagsleben hohem Stress ausgesetzt sind. Zu solchen Menschen zählen zweifellos auch Polizeibeamt_innen. Viele Aussagen der Beamt_innen belegen, dass der Arbeitsalltag der Polizei durchzogen ist von zahlreichen Ereignissen und Stressfaktoren, die ihren Alltag belasten.240 Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit dem Tod. Polizist_innen sind täglich mit Menschen und deren Problemen und Konflikten konfrontiert. Polizeistreifen kommen zum Einsatz, wenn eine Situation nicht mehr zwischen den Bürger_innen alleine geklärt werden kann, oder wenn eine Ordnungswidrigkeit oder gar ein Verbrechen vorliegt.241 Bei ihren Einsätzen treffen die Polizeibeamt_innen also regelmäßig auf angespannte Situationen. Immer, wenn die 110 gewählt wird, müssen sich die Beamt_innen auf eine ihnen noch unbekannte Situation einstellen und im Notfall das Schlimmste erwarten. Beispielsweise kann eine scheinbar harmlose
237 238 239 240
Vgl. Antonovsky 1997, S. 34. Vgl. a. a. O., S. 35. Vgl. ebd. Eine Aussage dieser belastenden Ereignisse wäre beispielsweise: Interview 1, Z. 175–179: »nein, weil äh die belastungen werden einfach immer sehr viel größer, äh ich hab auch äh in den letzten jahren immer äh schon für mich bewusst so festgestellt, äh nur nichts äh mit entsprechenden aussagen erreicht, ((lacht)) dass wir mit dem, WAS wir den kolleginnen und kollegen aBVErlangen, sie krank machen.« 241 PolG 1, 3 Baden-Württemberg, § 1 Allgemeines, (1) Die Polizei hat die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Sie hat insbesondere die verfassungsmäßige Ordnung und die ungehinderte Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte zu gewährleisten., (2) Außerdem hat die Polizei die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben wahrzunehmen., §3 Polizeiliche Maßnahmen, Die Polizei hat innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen.
Exkurs – Salutogenese
109
Führerscheinkontrolle außer Kontrolle geraten, wenn der Fahrzeughalter alkoholisiert ist und aggressiv oder gar gewalttätig reagiert. Auch wenn es sich um vermeintlich harmlose Vorfälle handelt, wie eine Ruhestörung, bei der die Polizei intervenieren soll, oder auch einen kleinen Auffahrunfall – die Polizeibeamt_innen wissen nie, wie die Situation ausgehen wird und wie die Menschen vor Ort reagieren. Bestenfalls kann die Situation friedlich geklärt werden, aber ebenso ist es möglich, dass die betroffenen Menschen aggressiv reagieren. Dabei sind Polizist_innen menschliche Wesen, die eigene Empfindungen haben. Sie sind Menschen in einem Bezugssystem mit Gefühlen und Erfahrungen. Also kann es auch dazu kommen, dass sie in Gewissens- oder Loyalitätskonflikte geraten. Immer wieder müssen Polizeibeamt_innen sich in ungewisse Situationen begeben und die Ruhe bewahren, den Überblick behalten und sich emotional distanzieren, um den begegnenden Situationen neutral gegenüberstehen zu können. In aggressionsgeladenen Situationen müssen die Beamt_innen streitschlichtend tätig werden, vermitteln und dabei auf die Äußerung der eigenen, persönlichen Meinung verzichten. Dabei müssen sie stets die rechtlichen Grundlagen ihres Handelns kennen und in ihrer Arbeit berücksichtigen. Persönliche Ansichten dürfen sie nicht mit in die Arbeit einfließen lassen. Beispielhaft sei hier die Debatte um Stuttgart 21 genannt. Auch Polizeibeamt_innen, die sich im privaten Rahmen gegen dieses Bauprojekt aussprechen würden, müssen bei den Demonstrationen um den Stuttgarter Bahnhof auf der Seite der Polizei stehen und gegen die Demonstranten vorgehen. Dieses Beispiel zeigt, wie zerrissen die Polizeibeamt_innen zwischen ihren Rollen als Privatmensch und Polizist_in sein können. Hier ist also die Frage zu stellen, wie bei diesen inneren Konflikten seelische Gesundheit bei den Polizeibeamt_innen zu gewährleisten ist. Die innere Zerrissenheit und die entsprechenden Loyalitätskonflikte zeigen sich auch in weiteren Bereichen, wie z. B. den Stressbelastungen, die man nicht einfach abschütteln kann und die in Folge mit in den privaten Bereich des Lebens genommen werden und diesen beeinflussen. Diese weiteren Aspekte beschäftigten die Forschungsgruppe im Vorfeld der Untersuchung und wurden nach den Interviews bestätigt. Gleichzeitig war es für das Forschungsteam wichtig, nicht nur das Problem zu analysieren, sondern auch die individuellen Lösungswege der Menschen zu erfahren. Von Interesse war dabei, was ihre eigenen Strategien sind, um gesund zu bleiben, und wie sie den täglichen Stress bewältigen. Demnach steht Stress immer in Beziehung zu dessen Bewältigung. In diesem Kapitel soll unter anderem auf die Entstehung von Stress einge-
110
Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
gangen und anhand des »Transaktionalen Stressmodells« von Richard Lazarus dessen Ansätze zur Bewältigung näher betrachtet werden.
7.2
Transaktionales Stressmodell
Richard Lazarus beschreibt Stress als eine Wechselwirkung zwischen einer konkreten Situation und dem betroffenen Individuum. Vordergründig betrachtet man hierbei die kognitiven Bewertungen des Einzelnen. Es geht also um die persönliche Einschätzung der begegnenden Situation durch den betroffenen Menschen. Die Beziehung zwischen Individuum und Situation wird bei Lazarus als Transaktion bezeichnet.242 Auf Seiten des Individuums sind drei Aspekte zu beachten: – Anforderungen (Was wird von dem Individuum erwartet?) – Beschränkungen (Was behindert oder erschwert dem Individuum den Umgang mit der Situation?) – Ressourcen (Was steht dem Individuum an internen und externen Möglichkeiten zur Bewältigung der Situation zur Verfügung?) Nach Lazarus kann Stress entstehen, wenn das Individuum eine Situation einschätzt und ihr eine Bedeutung zuweist. Die Bedeutung wird eingestuft und die Situation wird entweder als positiv, irrelevant oder stressreich empfunden. Wird eine Situation als stressreich eingeordnet, sind wiederum drei Intensitätsstufen zu unterscheiden. Diese lassen sich mit den Stichworten Schädigung oder Verlust, Bedrohung und Herausforderung überschreiben. Diese erste Bewertung einer Situation nennt Lazarus »primary appraisal«.243 Im nächsten Schritt, dem sogenannten »secondary appraisal«, befasst sich das Individuum mit der Frage, wie es die Belastung verringern kann, oder welche Ressourcen es hat und nutzen kann, um mit der Belastung umzugehen. Stress entsteht dann, wenn die Ressourcen als gering und die Bedrohung als stark eingeschätzt werden.244 Wenn das Individuum dagegen im »primary appraisal« die Bedrohung als niedrig und die eigenen Ressourcen als ausreichend einstuft, kommt es zu einem wesentlich niedrigeren Stresslevel. Das Gefühl von Stress ist für das Individuum ein negatives Gefühl, dessen es sich entledigen möchte. Um mit diesem Stress umzugehen, muss er oder sie eine individuelle Strategie entwickeln. Doch was heißt es, Stress zu bewältigen? Was ist für diese Bewältigung notwendig? 242 Vgl. Allwinn 2012, S. 62. 243 Vgl. a. a. O., S. 62f. 244 Vgl. a. a. O., S. 63.
Was ist Bewältigung?
7.3
111
Was ist Bewältigung?
»In streßreichen [sic!] Auseinandersetzungen mit der Umwelt sind psychische Vorgänge permanent im Fluß und im Wandel. […] Ein streßreiches [sic!] Ereignis ist nicht ein augenblicklicher statischer Zustand, auf den die Person mit einer einfachen Reaktion (mit einem Gedanken, einer Handlung oder einer physischen Reaktion) antwortet. Vielmehr ist es ein ständiger Strom von Ereignissen über die Zeit hinweg, manche sind nur von kurzer Dauer (z. B. der Streit mit einer Person), manche stellen einen langen, mühsamen, komplizierten und sich wiederholenden Prozeß [sic!] dar.«245
Lazarus beschreibt hier Stress nicht als ein eigenständiges Erlebnis, welches sich im luftleeren Raum befindet, sondern als einen dynamischen Prozess, der in ein System eingebunden ist. Wie geht man nun strategisch mit einer Stresssituation um? Jedes Individuum muss eine individuelle Strategie entwickeln, die darauf zielt, entweder mehr Ressourcen zu erlangen oder die persönliche Situationseinschätzung zu verbessern. Anwendungsbezogen würde dies bedeuten, dass Polizeibeamt_innen mit einer Situation, die eine geringe Bedrohung für sie darstellt, aufgrund ihrer Ausbildung umgehen können. Konkret: Ein Polizeibeamter oder eine Polizeibeamtin trifft auf eine polizeibekannte alkoholisierte Gruppe in einem öffentlichen Park und soll die Anwesenden des Ortes verweisen und die Situation klären. Zur Klärung der Situation gehören beispielsweise das Aufnehmen von Personalien und das Aufklären über Richtlinien, die an dem Ort herrschen, bis hin zum Aussprechen eines Platzverweises. Diese Arbeitsschritte lernen die Beamt_innen in ihrer Ausbildung, zusammen mit den dazugehörigen rechtlichen Grundlagen, und können mit ihrem Wissen dieser »geringen Bedrohung« mit einem niedrigen Stresslevel begegnen. Wenn die Bedrohung jedoch auf einer anderen Wahrnehmungsebene stattfindet, beispielsweise bei einem Gewissens- oder Loyalitätskonflikt, benötigt der Beamte oder die Beamtin ein anderes Instrumentarium, um damit umzugehen. Der Polizeibeamte oder die Polizeibeamtin muss auf etwas zurückgreifen können, um hier mit einem möglichst niedrigen Stresslevel zu reagieren. Hilfe bei der Stärkung der Persönlichkeit können die verschiedenen Beratungsmöglichkeiten liefern. In diesem konkreten Fall bieten sich im Rahmen der Beratungsmöglichkeiten in der Polizei beispielsweise Polizeipsycholog_innen, Kriseninterventionsteams oder Konfliktberater_innen an. Eine u. E. sehr wichtige Rolle in der Beratung und Begleitung der Polizist_innen spielen darüber hinaus die Polizeiseelsorger_innen. Sie können die Ressourcen der Polizeibe245 Lazarus 1995, S. 206.
112
Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
amt_innen stärken und somit einen gelingenden Umgang mit Stress unterstützen. Die ständige Belastung durch Stress im Arbeitsalltag kann schwerwiegende Folgen für den Einzelnen haben. Nicht umsonst steigen jährlich die Zahlen an Burnout-Patienten, besonders in jenen Berufsgruppen, die unter erhöhtem Stresspegel leiden. Um die seelische Gesundheit ihrer Beamt_innen zu erhalten, hat die Polizei bereits eine Vielzahl an Beratungsmöglichkeiten geschaffen. Dennoch stellt sich die Frage, ob die bereits vorhandenen Beratungsmöglichkeiten ausreichend oder überhaupt angemessen sind.
7.4
Ergebnis der Interviews
Die Ergebnisse der Interviews lassen sich zusammenfassend auf folgende Dimensionen beziehen: – Belastende Faktoren im Polizeidienst – Beratungsmöglichkeiten – Polizeipsycholog_innen – Kriseninterventionsteams – Alternative Strategien
7.4.1 Belastende Faktoren im Polizeidienst Interview 1 beschreibt krankmachende Faktoren in der täglichen Polizeiarbeit. Darüber hinaus verweist dieses Interview auch auf die Tendenz zu dauerhafter Erkrankung, wenn aktive Bewältigungssysteme nicht greifen.246 Dazu kommen Faktoren wie aggressives Verhalten von Bürger_innen gegenüber uniformierten Polizeibeamt_innen oder auch existentielle Situationen. Diese belastenden Situationen zeichnen sich aus durch die mitunter deutliche Aggressivität auf der Straße und den zehrenden Schichtdienst.247 Hier ist zu unterschieden zwischen dem 3-Schicht-, dem 4-Gruppen-Schicht- und dem 5-Gruppen-Schichtmodell. 246 Interview 1, Z. 175–179: nein, weil äh die belastungen werden einfach immer sehr 176 viel größer, äh ich hab auch äh in den letzten jahren 177 immer äh schon für mich bewusst so festgestellt, äh nur 178 nichts äh mit entsprechenden aussagen erreicht, ((lacht)) 179 dass wir mit dem, WAS wir den kolleginnen und kollegen 180 aBVErlangen, sie krank machen. 247 Interview 1, Z. 187–191: weil se natürlich auch die chance für zusammenhängende 188 freizeitblocks hat, äh und dann aber mit dem was 189 tatsächlich auf der straße abgeht. Also diese 190 aggressivität, die intoleranz, in vielen bereichen 191 da isch, die isch für viele wirklich sehr sehr belastend.
Ergebnis der Interviews
113
Diese Modelle sind oft individuell an die Einzugsbereiche angepasst. In jedem Fall wechseln jedoch Früh-, Spät- und Nachtdienst. Dabei empfinden die Beamt_innen nicht nur den Schichtdienst als solchen als belastend. Auch die Tätigkeiten, die von ihnen gefordert werden, stellen eine tägliche physische und psychische Herausforderung dar. Sei es bei einem harmlos wirkenden Auffahrunfall oder einem Tötungsdelikt, der Streifendienst wird als erstes geschickt. Nie wissen sie, wie diese Situationen enden, was sie vorfinden und wie die Menschen vor Ort reagieren. Immer in Alarmbereitschaft und dem ständigen Stress ausgesetzt zu sein, zeichnet den Arbeitsalltag von Streifenpolizist_innen aus.248 Den Entscheidungsträgern in der Polizei sind diese belastenden Faktoren bekannt und rücken immer mehr in den Vordergrund.249 Zusätzlich zu den Extremsituationen sind es die kleinen alltäglichen Stressoren, die die Polizeibeamt_innen, so wie jeden Arbeitnehmer, belasten.250 Im Interview mit den Entscheidungsträgern in der Polizei wird deutlich, dass es Diskrepanzen zwischen der Strukturänderung und der Gesunderhaltung des Einzelnen im System gibt.251 Durch die kommenden strukturellen Veränderungen und den Abbau der Polizeistellen verlagern sich die Tätigkeiten auf immer weniger Beamt_innen.252 248 Interview 5, Z. 141–151: schichtdienst wissen wir ist ne sehr anstrengende 141 körperliche und psyische aufgabe der schichtdienst als solches ist belastend und dann 142 auch noch die tätigkeit die dort gemacht wird ist auch belastend den die tätigkeit das 143 sind bei uns die jenigen die überall wenn eins eins null gerufen wird zu allem 144 kommen als erste interventionstruppe als erster eingreiferkomponente wenn man so 145 will ob da der hausstreit gemeint ist der verkehrsunfall gemeint ist ob ein 146 tötungsdelikt vorliegt obs brennt ob a kind vergewaltigt oder missbraucht wurde 147 immer der streifendienst kommt zu erst um zu guckn was ist da was muss man tun 148 und dann werden die spezialiesten nachgeführt aber nicht nur im schichtdienst 149 sondern auch im alltag ne belastende Tätigkeit hat da ist das thema 150 gesundheitsvorsorge schon lange n thema. 249 Interview 5, Z. 154f.: das thema ehm (2) traumatisierung von 154 polizeibeamten in EXTREMsituationa ist seit ein paar jahren ein sehr zentrales thema… 250 Interview 6 (1. Teil), Z. 475–477: ich glaub, dass, äh, wenn man sich mal so umhört, * äh, sind nicht diese einzelnen 475 (jemand hustet, ein Wort unverständlich) Situationen, die viele Polizisten, Kollegen * äh, belasten, sondern * kleine Stressoren im täglichen Alltagsleben, * was belastet. 251 Interview 1, Z. 240f.; 250–253: (3) ich geh NICHT da:von aus ((lacht)), dass die 240 gesunderhaltung ((lachend)) oder auch die verMEIDung von 241 zukünftigen erkrankungen im fokus stand.. Äh also ich hab in der URsprungsfassung oder im 250 entwurf des thema gesundheit dort nie gehört. Ich glaub 251 auch niemand geglaubt ((I1 lacht)) außer 252 vielleicht dem, der’s gsagt hätt. 252 Interview 1, Z. 214–234: und zwar sowohl intellektueLL, des ischs eine, wie auch 215 gesundheitlich. Die folGEN spüren wir jetzt aus meiner 216 sicht recht deutlich. So bei der generation (.) um die 217 vierzig rum, vierzig, fünundvierzig ham mer 218 ÜBerproportional vielE kranke drin. 119 I ok. 220 P: Das führt wieder dazu, dass genau dieser bereich, der 221 eigentlich der st-staMM für die SCHICHTdienste isch, dort ausfällt, weil er gesundheitlich nicht mehr 223 schichtdiensttauglich ist und a:uch nicht für einsätze. 224 Die folge isch ganz einfach, wir konzentrIERen die bil- 225 die sehr stArk belastenden tätig-
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Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
Den Entscheidungsträgern ist bewusst, dass es bei dieser starken Einzelbelastung nicht verwunderlich ist, wenn einzelne darunter zusammenbrechen und andere deren Tätigkeiten noch mit auffangen müssen, was bei Letzteren ebenfalls zu Überbelastung führen kann.253 Ein antizyklisches Einstellungsverfahren neuer Polizeibeamt_innen wäre von Vorteil, da die Polizeibehörden nach Qualifikation und Kompetenz einstellen könnten. Es dürfte durchaus sinnvoller sein, Einstellungsverfahren nach transparenten Qualitätsstandards durchzuführen, als jeden nehmen zu müssen, der sich bewirbt.254 Um dem Stress und den Alltagsbelastungen des Polizeiberufs standhalten zu können und dabei die eigene seelische und körperliche Gesundheit zu bewahren, ist eine gute körperliche und seelische Konstitution vonnöten. Daher muss auch bei der Einstellung neuer Polizeibeamt_innen die Möglichkeit eröffnet werden, gezielt diese benötigten seelischen und körperlichen Voraussetzungen zum Entscheidungskriterium zu machen.255 Einen weiteren Stressfaktor stellen die Bedenken der älteren Beamt_innen dar, die fürchten, nicht mehr leistungsfähig genug zu sein. Dahinter steht die Sorge, ob man noch mit den »jungen, aufstrebenden« Kollegen mithalten könne.256
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keiten auf immer weniger. 226 I1: mhm. P: , wir haben nicht die summe 100 %, die mer dafür 228 einsetzen können, sondern mir liege vielleicht noch bei 229 35 %. I1: oje. P: die MÜsse ABer dann alles abdecke. die wirkung daraus isch 232 für mich so wie=ichs vorher gsagt hab. I1: ja. P: Wir mache die sehenden auges krank. Interview 7, Z. 487–496: großes problem, wir haben kollegen, 487 die sich als opfer darstellen, IN! situationen, wo ich 488 eigentlich nur lachen kann.[mhm] stellen sich als 489 opfer daR, ähm (2) die arbeitsbelastung wird dann an 490 andere kollegen abgewälzt, sie empfinden sich als 491 opfer und sind es, sind es nach meinem maßstab gAr 492 nicht. diese=diese jokerkarte, ich bin ja eigentlich 493 SO krank und seid ihr mir eigentlich dankbar, dass ich 494 da bin äh die wird in meiner dienststelle zunehmend 495 ständig gezogen. ähm (2). Interview 1, Z. 192–198: 192 Äh und dann kommt dazu, dass wir auch fehler in der 193 vergangenheit gemacht haben, die mer in der zukunft AUch 194 wieder machen werden. Äh weil mer n falsches system haben 195 zum thema einstellung. Wir stellen immer das ein, was in 196 ruhestand geht, im vorgriff darauf. Wir müssten aber 197 komplett anti-zyklisch einstellen. Wir müssten dAnn 198 einstellen, wenn der mARKt gute kräfte hergibt. Interview 11, Z. 357–366; 398–402: führungskraft kompetent ist, dann isch sie sicher, wenn sie sicher isch dann isch se, kann sie den mitarbeiter zugewandt sein, dann hat sie wesentlich weniger stress, also stress in dem ma subjektiv überfordert ist. so ne unfähige führungskraft hat stress bis zum abwinken… ungeheuerlich viel stress, da kommen fehlervermeidungsverhalte, des is immer so die spirale abwärts.. qualifizierte souveräne führungskraft.. (störung) des is die spirale aufwärts. des strahlt ja immer aus dann ufs team natürlich. (…)wie gesagt auch da isch es so, dass en beamter der sicher isch in seiner dienstausübung, der gut ausgebildet, gut fortgebildet isch.. souverän in de dienstausübung, wesentlich weniger stress hat. Interview 9, Z. 159–169: M: also wenn jemand lange Zeit erkrankt ist wenn jemand über längere Zeit krank war wieder zurück ins betriebliche eingliederungsmanagement wieder eingegliedert werden soll (räuspern) wenn wir auch sehen die der die demographischen
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Belastende Ereignisse oder Sorgen im dienstlichen Alltag werden mit in die Freizeit und nach Hause genommen. Zur Sprache werden diese Bedenken aber nicht gebracht. Die Polizeibeamt_innen erleben belastende Ereignisse, dürfen aber außerhalb des Polizeisettings und vor allem im familialen Kontext nicht darüber sprechen, was Polizeiseelsorge an dieser Stelle notwendig macht. Um aber überhaupt zum Gesprächspartner zu werden, muss der Polizeiseelsorger, die Polizeiseelsorgerin präsent und bekannt sein. Auch wenn diese belastenden Gedanken die Beamt_innen verfolgen, sind doch vielfach die Befürchtungen zu stark, dass sie als Schwäche angesehen werden. Und Schwäche wird nicht akzeptiert,257 weder bei den Vorgesetzten, noch bei den Kolleg_innen. Zu groß ist die Angst davor, dass sich diese vermeintliche Schwäche negativ auf die eigene Karriere auswirkt.258 Demzufolge werden angebotene Hilfestellungen nicht in Anspruch genommen, da die Regel gilt: Wer sich Hilfe sucht, ist schwach! Außerdem gibt es Menschen, die ihre Familie nicht mit ihren Sorgen belasten möchten259 und auch nicht können, so bleibt sich jeder selbst überlassen260.
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Entwicklung bei der Polizei also insbesondere ab dem Jahr 2018 bis 2022 /23 gibt’s ne riesen Pensionierungswelle äh über uns wo auch viel viel Personal alt erfahrenes Personal fehlt aber auch die Polizei in Gänze äh immer älter wird und die gesamtgesellschaft im übrigen logischerweise auch ja des sind dann auch so Dinge wo wo sich der Einzelne äh mitunter Gedanken macht kann ich da noch mithalten (einatmen) kann äh und um äh des auch wieder am Praxisbeispiel festzumachen äh ein kann ich als 50 jähriger noch dem 18 jährigen Bankräuber hinterherrennen . fiktives Beispiel aber des sind dann so Gedanken die gehen mit einem schwanger. Interview 2 (1. Teil), Z. 516–518: P. ich denk des thema wird äh von=von vielen einfach, weil=weil 516 polizei immer noch bei=bei vielen kollegen so, ich MUSS stark sein 517 ich BIN stark (.) un schwäche wird nich akzeptiert. Interview 2 (Teil1), Z. 484–488; 492–497: 484 weil ma muss halt GANZ ehrlich sagen äh (.) poli=polizei mitn 485 beförderungen is numal so äh, wenn ma schwäche (.) eingesteht un 486 irgendwas dann zum beispiel sagt ich bin überfordert, dann heißts 487 halt irgendwann mal nee du wirst jetz NET befördert (…)und dann is natürlich die 492 frage gesteht er sichs ein und gesteht ers au offen den andern 493 gegenüber ein (.) oder frisst ers in sich rein bis er befördert wird 494 un dann wird’s im zweifel dann noch schlimmer. (2) also ich denk da 495 spielt des beFÖRderungssystem zum teil ne rolle dass des einfach 496 nicht (.) offen gehandhabt wird. Interview 8, Z. 161–168: , des ist dann auch ein stück so des männliche denken ja, im sinne der familie, meine probleme trag ich nicht in die familie, dass es meiner familie nicht schlecht geht ja {mhm} deswegen macht so der einsame wolf alles mit sich aus und das belastet, des weiß ich net, aber des belastet die frau, für die wäre es einfacher sie wüsste um was es ginge wahrscheinlich ((belustigt)). (ähm) und so entsteht dann auch, ich sag mal klumpen im bauch klumpen im herzen (ähm)die mitgeschleift werden, die irgendwann aufbrechen {mhm}. Interview 3, Z. 305–311: PM : also praktisch was ich bei mir mitbekomme im ersten praktikum wenn du mit kollegen darüber redest dann wenn was die so machen (.) wenn sie was schlimmes erlebt haben (.) die sagen nicht gehen sie zum psychologen oder so sondern dann steht man vor den kollegen als (1) ja (1) verweichlicht sage ich jetzt mal in anführungszeichen da und wozu brauchst du den und warum wie gesagt dann kriegst du gleich einen stempel draufgedrückt (3) tja so frisst es eben jeder für sich hinein (1) (2) (3).
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Diejenigen, die es wagen, ihre Sorgen zu verbalisieren, sprechen oft mit den eigenen Konfliktberater_innen. Ein offenes Gespräch mit diesen ist jedoch durch die Tatsache erschwert, dass diese Konfliktberater_innen, anders als Seelsorger_innen, keinem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen. Konfliktberater_innen sind rechtlich dazu verpflichtet, gewisse Informationen an Vorgesetze weiterzugeben.261 Daher lässt eine solche Beratungssituation nur strategisches Reden zu, um die Loyalität zu den Kolleg_innen aufrecht zu erhalten, zum Beispiel wenn man Kolleg_innen nicht als Mitwisser qualifizieren und dadurch in schwierige Situationen bringen möchte.
7.4.2 Beratungsmöglichkeiten Die Beamt_innen haben viele Möglichkeiten, über die Geschehnisse des Tages zu sprechen, dies muss nicht gleich den Charakter einer Beratung haben. Beispielsweise werden häufig Gedanken zwischen den Kolleg_innen ausgetauscht.262 Thematisch gehören dazu vorwiegend ethische Fragen oder Fragen nach Gesetz und Gerechtigkeit.263 Wenn die Arbeitskolleg_innen als Gesprächspartner_innen nicht mehr ausreichen, werden meist als nächste Ansprechpartner_innen Familienmitglieder gewählt.264 Die Lebenspartner_innen der betroffenen Personen sind diejenigen, die das größte Vertrauen genießen,
261 Interview 8, Z. 205–210: die kollegen denken immer erst rechtlich bevor se in die praxis gehen {mhm} und für die kollegen ist es so, wenn ich sag zu wem kann ich gehen (.) (ähm) kann ich zum konflikberater gehen, sag er prima den kenn ich, den mag ich auch ja. dann muss der konfliktberater sagen ja du ich kann mit dir reden und wenn du bestimmte dinge sagst dann hast du keinen schutz, dann bin ich zeuge {mhm} also müssen wir so reden dass ich dinge nicht höre. 262 Interview 3, Z. 187f.: man so über einsätze redet (1) die so ein bisschen problematisch waren oder wo 187 man sich jetzt gegenseitig helfen will wo der eine jetzt nicht weiter weiß oder (1). 263 Interview 3, Z. 675–684: also klar jeder denkt darüber nach wir reden ja auch in einsätzen darüber das es 675 vielleicht jezt nicht so gut war wie es dem das dem (1) JAaa so erwischt hat (1) 676 aber es ändert nichts daran dass wir es tun müssen also (1) irgendwie müssen wir uns damit arangieren ((Pause)) das wir das so machen ansonsten wäre das ja (1) 678 sage ich mal relativ subjektive verfahrensweise was auch nicht von uns erwartet 679 wird ((Pause)) 680 PM: es will ja jeder gleich gehandelt werden 681 PM: eben 682 I1: mhmh 683 PM: uns wird ja schon ein keiner spielraum gegeben jetzt was weiß ich. 264 Interview 6 (2. Teil), Z. 221–227: I2: und was ist mit ethisch-moralischen fragen diese perspektive wenn man sagt okAY ich 221 mach hier meinen job aber gleichzeitig frag ich mich vielleicht ging das auch anders (.) geht 222 da auch der kollege oder die frau oder 223 P5: die person des vertrauens 224 P4: ja würd ich auch sagn 225 P5: kollege freund freundin partner würd ich sagn des is wahrscheinlich wirklich das 226 effektivste 227 P3: das is ja das was er gemeint hat dass.
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was sie als die Personen qualifiziert, denen am ehesten die eigenen Sorgen und Fragen an das Leben anvertraut werden. Es sind zwar viele Ansprechpartner_innen im beruflichen Bereich vorhanden, anscheinend sind diese aber, subjektiv gesehen, nicht relevant für die Betroffenen.265 Die wirklichen, bedeutsamen Stressoren werden nicht besprochen. Die Konfliktberater_innen oder die Polizeipsycholog_innen erreichen oben genanntes Vertrauensverhältnis zu den Beamt_innen nur schwerlich. Polizeiseelsorger_innen unterstehen dem Zeugnisverweigerungsrecht266 und agieren auf einer sehr niederschwelligen Ebene. Polizist_innen beschreiben, dass sie die gezielte Kontaktaufnahme zu einem Seelsorger, einer Seelsorgerin als denkbar empfinden, wenn sie zu dieser Person ein Vertrauensverhältnis haben.267 Dies bedeutet also im Umkehrschluss, dass die Polizeiseelsorger_innen viel Zeit dafür aufbringen müssen, um zu den Polizeibeamt_innen ein solches Verhältnis aufzubauen. Darüber hinaus ist der Seelsorger, die Seelsorgerin in der Position, neue Sichtweisen aufzuzeigen268, und kann als Außenstehender andere Blickwinkel nahebringen.269 Der Blick von außen wird gerade bei größeren Problemstel265 Interview 4, Z. 26–29: P: Ja gut, bei uns gibt’s jetzt auch im Haus, sag ich mal, spezielle Ansprechpartner, 26 äh, an die man sich wenden kann. Logisch. Wenn ich jetzt mit irgendwas ein 27 Problem hätte, wo ich allein nicht klarkomme oder bewältigen kann, * [I: Mhm.] 28 kann ich mich auch an die wenden. Natürlich. Aber oftmals, [..thematisch zurück zu Gesprächen innerhalb des Freundeskreises). 266 PfDG.EKD: § 30 Beichtgeheimnis und seelsorgliche Schweigepflicht, (1) Pfarrerinnen und Pfarrer sind verpflichtet, das Beichtgeheimnis gegenüber jedermann unverbrüchlich zu wahren., (2) Pfarrerinnen und Pfarrer haben auch über alles zu schweigen, was ihnen in Ausübung der Seelsorge anvertraut worden oder bekannt geworden ist. Werden sie von der Person, die sich ihnen anvertraut hat, von der Schweigepflicht entbunden, sollen sie gleichwohl sorgfältig prüfen, ob und inwieweit sie Aussagen oder Mitteilungen verantworten können., (3) Soweit Pfarrerinnen und Pfarrern Nachteile aus der Pflicht zur Wahrung des Beichtgeheimnisses und der seelsorglichen Schweigepflicht entstehen, hat die Kirche ihnen und ihrer Familie Schutz und Fürsorge zu gewähren., Online im Internet: www.ekd.de/download/pfarrdienstgesetZ. pdf [abgerufen am: 29.11.14, 20.45 Uhr]. 267 Interview 1, Z. 528–532: des isch klar. und äh wenn besondere situationen da waren, 528 dann kann auch dARaus der kontakt entstehen. äh auch in 529 der form, dass der kollege anschließend hingeht und ihn 530 ANruFt. aber jetzt n problem auf der dienststelle zu lösen 531 wird äh nur in ausnahmefälle gelingen. 268 Interview 4, Z. 29–32: Würd ich schon sagen, ja. Weil halt die äh, * ich sag einmal, da könnt ich ja jetzt 29 einfach auch hingehen und sagen: »Ich * will einfach mal um ein Gespräch bitten.« 30 Man setzt sich mal zusammen, spricht mal über das Ganze, ja, holt sich auch mal 31 eine andere Meinung. 269 Interview 4, Z. 30 (S.6)-3 (S.7): Wenn man jetzt zum Beispiel im 30 Freundeskreis und so irgendwas was * [I: Mhm.] erzählt oder äh, einfach über 31 irgendwas spricht, dann ist es * sogar manchmal wirklich hilfreich, wie andere 32 Leute, das ist genau das Gegenteil zu dem, was ich eben gesagt hab, die 33 eigentlich gar keine Einblicke haben, jetzt in die Organisation Polizei, aber die 34 sehen das nochmal unter einem ganz anderen Blickwinkel, * [I: Mhm.] wo man 35 selber gar nicht im Stande ist, das so zu sehen. Und das hilft einem ja
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lungen von den Beamt_innen geschätzt.270 In der Polizei gilt eine strenge und klar strukturierte Denkweise, manchmal hilft allein schon eine fremde Sichtweise auf ein Problem, um sich an dessen Lösung anzunähern.271 Zuzüglich haben Seelsorger_innen immer noch die Möglichkeit, den Betroffenen weiter zu vermitteln.272 Eine weitere Qualifikation, die unter Seelsorgern und Seelsorgerinnen weit verbreitet ist, ist die Supervision. Diese zusätzliche Kompetenz kann für die Seelsorger_innen eine sinnvolle Weiterbildung darstellen, um sich weiter zu qualifizieren. In den Interviews 6 und 7 wird Supervision bei den Polizeibeamt_innen sehr positiv bewertet273, sie wird als neuer Ausgangspunkt beschrieben, um eigene Bewältigungsstrategien zu entwickeln und auszutauschen.274 Demnach ist die
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manchmal 36 auch, * weil das rela//relativiert [I: Mhm.] ja manche Sachen, die man wunderweiß, 37 zum Beispiel für schlimm hält oder * irgendwie denkt, na ja, das war jetzt komisch 38 oder * ich weiß nicht, ich kapier’s irgendwie nicht. Dann äh, * ja, sagen die einem 39 7 eigentlich mal, *2* hm, sie sehen es zum Beispiel so oder so. Und dann denkt man 1 drüber nach und denkt: »Ja, stimmt. So hab ich das noch gar nicht gesehen.« [I: 2 Mhm.] Also, * das kann einem auch helfen. Interview 3, Z. 271–275; 294–296: das ist bestimmt 271 nicht schlecht wenn es leute gibt die das ganze halt von außen ein bissle 272 betrachten können und das objektiv mal sehen wenn man praktisch mal richtig tief 273 drinsteckt (.) so burnout mäßig wenn man mal jemand hat der kein kollege ist 274 oder so (1) der sich damit auskennt mit dem Thema.(…) der kennt sich ja schon mit dem thema zum beispiel burnout besser aus wie alle 294 von uns (.) ihm fallen vielleicht vorher schon einmal so signale auf und dass er 295 dass dann schon ansprechen kann wenn er bei uns sitzt (1) (2). Interview 6 (1. Teil), Z. 291–299;314–316: das sind Mädels, 291 die sind nicht bei der Polizei, und mir tut das richtig gut, dass die nicht bei der Polizei 292 sind. Also nicht, * äh, also mein * äh, Lebenspartner ist jetzt auch bei der Polizei und 293 das hat auch seine Vorteile, * dass man sagt, man kann sich jetzt austauschen und 294 der weiß, worüber ich rede, aber mir tut’s richtig gut, dass die eben nicht bei der 295 Polizei sind und ich einmal das ganz objektiv ähm, * (schnalzt mit der Zunge) oder 296 die das ganz objektiv mir widerspiegeln können, wie sie die Situation sehen * und äh, 297 von ner ganz anderen Seite, weil man hat ja doch ne andere Sichtweise, wenn man 298 selber bei der Polizei arbeitet. * (…)vielleicht gar nicht von Nachteil, wenn er nicht in der Materie drinnen ist, * wenn er 314 einfach das als Außenstehender betrachten kann * und dann * vielleicht ähm, * der 315 (schnalzt mit der Zunge), die auch eine andere Sichtweise bietet. Interview 4, Z. 34 (S.8) – Z. 2 (S.9): wenn jetzt da einer irgendwie ein Problem hätte, dann wäre das zum 34 Beispiel eine Variante gewesen, die man dem auch raten kann. * »Hey, nimm doch 35 hier mal Kontakt auf, ja, und da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit.« [I: Mhm.] 36 9 Das * war jetzt so was für mich, wo ich halt mir so, *2* oder wo jetzt so im 1 Bewusstsein war. Interview 6 (2. Teil), Z. 536–541: I2: und wenn man dann zusammensitzt und des bespricht (unverständlich) dann sagt ja des 536 is halt so dass man da vielleicht auch lachen muss und kein gänseblümchensong braucht 537 P: ((unverständlich) ja..gänseblümchen)) 538 I: vielleicht hilft das ja dann vielleicht auch anderen wenn man sich zu sowas trifft oder so 539 P5: dann hörsts dir an und geht’s nach hause 540: dann kann man ja auch mal bewältigungsstrategien austauschen. Interview 9, Z. 217–221: auch so ne Art Supervision äh mit Sicherheit sehr sehr sinnvoll. wo man im geschlossenen Benutzerkreis einfach mal sagen kann die des äh xyz des Ereignis der
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Supervision selbst eine Strategie, um Belastungen zu bewältigen.275 Die Supervision wird nach mehreren Interviewaussagen der Beamt_innen als »lehrreich« und »interessant« empfunden.276 Sie fördere die Reflexion und sei daher für die Betroffenen ein großer Gewinn.277 Viele kennen das Prinzip der Supervision noch nicht und sind daher skeptisch gegenüber supervisorischer Praxis.278 Aber auch hier steht das Zeugnisverweigerungsrecht des Seelsorgers/der Seelsorgerin im Vordergrund. Seelsorgliche, supervisorische Praxis gewinnt gegenüber Konfliktberater_innen und ist daher klar im Vorteil im Bewältigungskontext.279
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Sachverhalt den man kurz darlegt hat mich in der Art und Weise belastet äh und sich einfach ein Feedback holt äh Handlungsm1uster holt äh Strategien holt wie ma damit möglicherweise besser umgehen kann (2) des wär mit Sicherheit sehr sehr sinnvoll. Interview 6 (2. Teil), Z. 487–497: auch 487 wenns sie vorher mit ner negativen einstellung hingehen dann isses wie a gesprächsrunde 488 die vielleicht so nicht zammkommen WÜRDE und so kommt se dann zusammen und dann 489 steigt ma scho ein weil ma doch wieder was äh erst da vielleicht auch merkt hey jetzt brauch 490 i des jetzt hau i des noch naus und des noch und des noch 491 P3: des hat ja diesen therapeutischen charakter 492 P2: ja 493P3: es heißt ja net umsonst sich etwas von der seele reden 494 P2: ja 495 P3: und insofern (2) find ich des also absolut gewinnbringend 496 P2: (lacht). Interview 9, Z. 248–251: und dann gibt es und da durfte ich einmal dran Teilnehmen als derjenige der hier von seiten der Dienststellenleitung ehm äh auch Suchtfälle betreut (räuspern) auch mal auf so ne Supervision und äh . für mich war des sehr sehr äh lehrreich. und sehr sehr interessant . mal so was zu erfahren. Interview 11, Z. 835–844; 848–851: und dann wer mir da auch noch ganz wichtig dieser spiegel. und zwar spiegel vorhalten im sinne von.. reflektiert ihr, was ihr macht? also die schon länger in der polizei sind… und dann schwebt mir vor ein projekt, aber des isch aber, ham ma noch nicht. des ist supervision für dienstgruppen. die supervision ist ja eine eingeführt methode in der ganzen sozialwissenschaft selbstverständlich quasi, also weiß ja nicht wie selbstverständlich, das wird so geschrieben, bin ja net dabei (lacht). (…)und des glaub ich würde sehr viel bringen, immer mal wieder zu reflektieren.. sind wir noch im ziel, laufen wir noch in der richtigen spur? oder gibts fehlentwicklungen?. Interview 6 (2. Teil), Z. 474–476; 478–481: P6: ich kenns aus dem privatbereich des is absolut gewinnbringend die polizei hat damit 474 noch keine erfahrungen groß gmacht des is ABSOlut gewinnbringend und würde viele 475 sachen aufarbeiten (…)P3: ich seh des genauso und äh ich kenns aus vielen anderen berufen ob jetzt 478 sozialpädagogen oder (unverständlich) alle eigentlich die so belAStende berufe haben das 479 die supervisionen machen des is und wobei ma typisch unser beruf an der einstellung 480 arbeiten muss dass die kollegen des au wirklich annehmen. Interview 10, Z. 268–274; 284–287: P: ääh wir gehen halt somit um dass die des vorher wissen (1) ja? [und wenn die jetzt trotzdem erzählen] ja dann [wie geh ich dann als] (2) wir sagen haupt- [wie geht ihr dann damit um] ja also wir sagen (.) äh dann immer äh: wenn ihr dann drüber reden WOLLT dann dürft ihr nur SO da drüber reden, dass wir ÜBERhaupt keinen [mhm] ansatz haben wenn die wollen dass da was passiert (.) hamma keine probleme ja? [mhm] also (.) dann (2) des wolln ma schon (.) wir wollen ja auch, dass die richtigen signale gesetzt werden in dem (.) bereich (2) weil nix tun is des falsche signal (…) also isch sag immer wir sind die schlechtesten berater weil wir kein schweigerecht haben ja? des is halt so nä? n pfarrer der(.) braucht nix erzählen wenn er was (.) erfährt (.) ja? [ja] is halt (.) des is halt wirklich n spannungsfeld nä? [mhm] aber man kanns ganz gut händeln [mhm].
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Nach Aussagen des Freiburger Polizeipräsidiums sollen die sozialpsychologischen Angebote ausgebaut280 und aktiver beworben werden.281 Gewünscht würden Angebote, die den Menschen ganzheitlich in den Blick nehmen.282 Unserer Meinung nach hat hier die Seelsorge einen großen Vorsprung durch ihre theologische, spirituelle Dimension.
7.4.3 Polizeipsycholog_innen Polizeipsycholog_innen stehen nach traumatisierenden Ereignissen für die Polizeibeamt_innen jeder Zeit zur Verfügung. Allerdings kommen sie auch zum Einsatz, wenn Beamt_innen durch ihre Vorgesetzten aufgrund von Auffälligkeiten an sie verwiesen werden. Nach Aussagen von Polizist_innen hat der Besuch bei einem Polizeipsychologen, einer Polizeipsychologin einen negativen Beigeschmack, da es schnell so wirken kann, als habe man ein ernsthaftes psychisches Problem. Damit geht die Angst einher, als nicht mehr »tauglich« angesehen zu werden. Der Besuch bei einem Polizeiseelsorger, einer Polizeiseelsorgerin ist dagegen wesentlich niederschwelliger. Die Kontaktaufnahme ist dadurch erleichtert, vor allem auch wenn man mit seinen Problemen oder Sorgen nicht die Familie oder das nähere private Umfeld belasten möchte. Der Gang zum Polizeipsychologen, zur Polizeipsychologin wäre dann erst der zweite Schritt.283 280 Interview 11, Z. 269–272: Also wir versuchen jetzt, das was wir für richtig erachten umzusetzten und dazu gehört eben, dass wir diese betreuungsangebote, die unterstützungsund hilfsangebote für polizeibeamte ausbauen. 281 Interview 11, Z. 285–295: Bisher ist es so, wir haben viele hilfsangebote, haben sie wahrscheinlich schon festgestellt, aber bisher war der beamte darauf angewiesen, entweder er geht zu unserer gewerkschaft oder er hat en klugen chef gehabt.. hoffentlich der ihn unterstützt hat, oder kollegen die ihn unterstützt haben, aber im ergebnis läuft es darauf hinaus, gucken sie mal im intranet da gibt es ein formular in diesem verzeichnis und dann laden sie es mal runter, füllen sie es mal aus.. des isch nicht die philosophie, die philisophie zukünftig im präsidium freiburg ist, dass wir die aktiv unterstützen. 282 Interview 11, Z. 312–316: des is net so dass der wo sport macht nur sport macht. Der wo gesundheitsmanagement macht, nur das macht, sondern des soll en ganzheitliches herangehen sein. Ein unterstützungsangebot für die mitarbeiterinnen und mitarbeiter. 283 Interview 3, Z. 387–416: PM: ja das hat halt so was negativs so ein psychologe weißt du. (1) (2) weil dann 387? hast? du ein nervliches vielleicht nervliches in ein psychisches problem (1) (2) 388 uunnndd das hat halt immer so ein negativen (1) beigeschmack ((Pause)). Es ist 389 auch draußen so, wo ich halt mitbekommen haben (1) ist also 390 (1) (2) wird man denn gleich ja (1) bist du polizeidiensttauglich oder bist du es 391 nicht (1) dann wird halt da einem dieser stempel aufgedrücket. ((Pause)) 392 IM : ich denke dass es (1) also ich denke dass es auch leichter ist zu einem 393 seelsorger zu gehen (1) gerade aus dem aspekt, dass halt wenn man zum 394 psychologen geht das man gleiche ein psychisches problem hat und dann bin ich 395 krank und sich dann das selber einzugestehen und sich zu sagen ich (1) ich
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Zu bedenken ist, dass Polizeipsycholog_innen zwar eine ärztliche Schweigepflicht haben, aber dennoch verpflichtet sind, die Dienstelle zu informieren, wenn es sich um prekäre Situationen handelt, die den Umgang mit den betreffenden Kolleg_innen erheblich erschweren.284 Der Vorgesetzte steht dann in der Verantwortung, seine Kolleg_innen an weitere Beratungen zu verweisen, wenn sich bei diesen auffällige Verhaltensmuster zeigen, die unbewältigte Probleme oder Sorgen vermuten lassen. Er fungiert auf diese Weise als eine Art »Schaltfigur« und Vermittler.285 Einige der befragten Beamt_innen haben sich bereits an Psycholog_innen gewandt, allerdings außerhalb der Polizeistrukturen. Dabei handelt es sich aber um externe Psycholog_innen; auf der Arbeit werden die Probleme verschwiegen.286 Auf diese Weise fallen sie polizeiintern statistisch nicht auf. habe 396 wirklich schwierigkeiten (1) UUNNd (1) bin nicht mehr gesund und komme 397 darauf selber nicht mehr zurecht (1) und das muss man ja machen, wenn man zum 398 psychologen geht (1) und sich dem dann da komplett öffnen und so ((nimmt 399 Luft)) da finde ich dann so ist es schon leichter zum Seelsorger zu gehen(1) weil 400 dem kann ich dann mal am anfang mal nur so viel erzählen wie ich möchte und 401 (1) mal probieren und dann kann ich ja mal vielleicht schon sehen ob ich das 402 möchte und ob er mir weiterhielft und ob es dann noch notwendig ist äähhh noch 403 zur nächste Instanz zum psychologen zu gehen überhaupt (1) (2) wenn ich mit 404 14 jemandem spreche vorallem wenn ich es jemandes fremdes ist ist es für mich 405 persönlich so ((Pause)) äh ähm dass ich mich frem= fremden (1) mit wirklich 406 schwieri= mit wirkliche großen schwierigkeiten oder bei einem bestimmten 407 problem BESer öffnen kann als solten sie mir zu nahe stehen. ((Pause)) Weil ich 408 finde es ist so (1) (2) nicht weil ich Angst davor habe dass die Leute das nicht so 409 verstehen oder (1) es sie nicht so interessierte (1) (2) aber es ist ganz einfach so, 410 weil ich die leute damit nicht belasten möchte UUnd (1) ich denk dass auch 411 derjenige der micht dann weniger kennt (1) auch weniger belastet ist, weil der 412 freiliche hört mir dann zu aber im endeffelkt kann ihm ja mein Problem egal sein 413 weil er hat ja sonst mit mir nix zu tun und umgekehrt ist es halt genauso deswegen 414 finde ich halt auch wir müssen ((Pause)) ääh dass die Leute öfter fremd sind find 415 ich persönliche gar nicht so schlecht. ((Pause)). 284 Interview 4, Z. 34 (S.7)- Z. 3 (S.8): so ein Polizeipsychologe ist ja immer, oder, ich denk, da haben 34 viele Kollegen auch ein Problem damit, * die dann, ja, doch irgendwie auch 35 8 gewisse Pflichten hat, an die vorgesetzte Dienststelle vielleicht was heranzutragen 1 und und und und und, alles, was da dahinter stehen könnte, deswegen ist das 2 eigentlich ein guter Weg. 285 Interview 6 (1. Teil), Z. 163–166; 175–180: Der eine kann’s gut verarbeiten, der andere kann’s 163 nicht gut verarbeiten. Ich hab festgestellt, dass man * , als Vorgesetzter, dass der 164 eigentlich gefragt ist, das ist so ne Schaltfigur * zwischendrin, und der muss seine 165 Leute kennen und * dann die dementsprechenden * Maßnahmen einleiten. (…)Und dann hat mein Chef damals, * find 175 ich gut, äh, einen Polizeipsychologen zu mir kommen lassen. Und der ist dann, am 176 übernächsten Tag ist der bei mir mit dagehockt und hat einfach mal gefragt: »Wie 177 geht’s dir?« Ich hab jetzt das Bedürfnis auch nicht gehabt, dass ich da großartig mit 178 jemandem rede, aber letztlich, muss ich sagen, im Nachhinein hat’s mir gut getan. 179 Das war ein Viertelstundengespräch * und nicht länger. 286 Interview 6 (1. Teil), Z. 237–239: und es gibt ne Menge Kollegen, die Probleme haben, und gehen aber zu 237 externen Psychologen. * Dami-, und teilweise verschweigen sie es auch, dass sie in 238 psychotherapeutischer Behandlung sind.
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7.4.4 Kriseninterventionsteams Es gibt eine Vielzahl von Anlaufstellen für Polizeibeamt_innen. Sei es nach einem traumatischen Erlebnis, einer stressigen Nachtschicht oder bei privaten Problemen, die sie beschäftigen und belasten. Diese professionellen Anlaufstellen werden laut Interview 5 auch rege genutzt.287 So werden die Beamt_innen beispielsweise bei schwierigen Einsätzen durch sogenannte Kriseninterventionsteams begleitet. Als Teil dieser Teams sind ein Psychologe, eine Psychologin wie auch ein Seelsorger, eine Seelsorgerin vor Ort und bilden einen festen Bestandteil solcher Einsätze, wie aus dem Interview 5 deutlich wird.288 Von Konfliktberater_innen wird Unterstützung bei belastenden Ereignissen aktiv angeboten. Es handelt sich dabei um Polizist_innen aus den eigenen Reihen mit einer zusätzlichen Ausbildung. Mit ihnen können sich die Beamt_innen unverbindlich unterhalten. Dieses Angebot wird jedoch nur vereinzelt genutzt, da immer noch das traditionelle Bild des Polizisten, der Polizistin vorherrscht: Ein Ereignis nicht einfach verarbeiten zu können, wird als Schwäche gesehen.289 Beispielhaft wird in Interview 5 beschrieben: 287 Interview 5, Z. 170–177: ehm wenn so ein 170 ereingis war das sie sich mit anderen kollegen mit PSYchologen aber auch mit 171 SEELsorgern da kommt man auf den punkt die davon eine vorstellung haben was 172 passiert und wissen was passiert bei einem solchen ereignis wenn unser sachverstand 173 nicht mehr ausreicht dann gehen wir mit diesen kollegen und kolleginnen zu in in 174 proffesionelle beratung beratungsstrukturen wir halten bei der polizei strukturen vor 175 die erstintervention machen wenn man so will die da zu seite stehen die parat stehen 176 und es kommt eigentlich auch schon oft vor das diese strukturen genutzt werden. 288 Interview 5, Z. 182–192: wenn wir so ein gewisses ereignis haben das wir aktiv die komponenten vor ort 182 bringen und aktiv um diejenigen kümmern als beispiel grad wieder die 183 brandkatrastropohe in titisee-neustadt standart bei solchen ereignissen halten wir 184 einen einsatzabschnitt betreung vor das sind polizisten sind psychologen sind 185 seelsorger Drin und die werden automatisch aufgerufen wenn wir einen solchen 186 aufruf haben und gehen auch auch vor ort das wissen alle einsatzkräfte da gibt es 187 einen einsatzabschnitt betreuung und wenn jemand ein problem hat kann er über die 188 straße gehen oder die psychologen sind au unterwegs im einsatzraum und erkennen 189 da isch jemand grad völlig ausgebrannt völlig überfordert dann nehmen die den ab 190 zur seite und reden mit dem wir machen das als aktive komponente nicht nur auf 191 abfrage sondern das ist bestandteil von solch schwierigen einsätzen ehm. 289 Interview 5, Z. 193–208: aber jetzt auch einsätzte aus dem alltag wir verfolgen jeden tag und das machen wir 193 landesweit was passiert wenn beispielsweise in unserem zuständigkeitsbereich sobald 194 ein belastendes ereignis war wird unser konfliktberaterin berater am nächsten tag 195 anrufen und sagen ich komm zu dir dann sitzen die mal ne halbe stunde zusammen 196 und reden mal darüber also die gehen aktiv auf den jenigen oder die jenige zu wenn 197 dann merkt keine betreuung notwendig dann zwingen wir die niemand auf aber das 198 aktiv aufsuchen auf jemand zugehen ist notwendig weil sich noch nicht alle traua ich 199 hab mit ihnen ein problem weil da spielt sich wieder das klassische und ?dradierte? 200 Gradierte? Radierte? bild eines polizisten man kann alles man will alles tut
Ergebnis der Interviews
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»[…] bild eines polizisten man kann alles man will alles tut alles und nichts haut einen um ist doch noch in einigen köpfen leider wir haben sehr lange dran gearbeitet und des tun wir heute noch das es keine schwäche oder gar versagen […]«290
Natürlich werden die Polizeibeamt_innen präventiv auf die verschiedenen Situationen und Einsätze vorbereitet. Dies geschieht meist in den Einsatztrainings.291 Von den Polizist_innen werden bei Einsätzen mit Verletzten auch Sanitäter_innen als kompetente Gesprächspartner identifiziert.292 Auffällig ist nach Interview 6, dass von den Polizeibeamt_innen bei Einätzen mit Verletzten eher Sanitäter_innen als Berater oder kompetente Gesprächspartner aufgesucht werden, obwohl Traumabewältigung nicht zu deren Einsatzgebiet gehört, als dass sie sich an die eigenen Konfliktberater_innen wenden, um einen seelisch belastenden Einsatz zu bearbeiten.
7.4.5 Alternative Strategien Seelsorgliche Gespräche können eine Strategie sein, um die seelische Gesundheit zu erhalten. In den Interviews interessierten die Forschungsgruppe aber auch die bereits vorhandenen Strategien der Polizist_innen, mit denen sie für ihre Gesundheit sorgen. Aus den Befragungen ging hervor, wann diese Strategien gebraucht und angewandt werden. Es kommt nicht selten vor, dass Polizeibeamt_innen eine Todesnachricht an Angehörige überbringen müssen. Dieses Ereignis wird von den Betroffenen als bedrückende und belastende Situation bewertet, die den weiteren Arbeitsablauf des Tages beeinflusst. Die Begegnung mit dem Tod ist auch für Polizist_innen
alles und 201 nichts haut einen um ist doch noch in einigen köpfen leider wir haben sehr lange dran 202 gearbeitet und des tun wir heute noch das es keine/kein schwäche oder gar versagen 203 ist wenn man sagt ich habe mit einer bestimmten sache stelle ein problem da sind wir 204 weit davon entfernt aber in manchen Köpfen steckt dieses dradierte bild noch im kopf 205 aber da arbeiten wir ständig dran aber es ist derzeitig standard das man diese 206 komponente aktiv anbietet und auf nachfrage sowieso anbietet so möcht ichs 207 zusammen fassen. 290 Interview 5, Z. 200–202. 291 Interview 5, Z. 232–237: dieses vorbereiten auf 232 die situation das geschieht regelmäßig im einsatztraining und im diesem vorbereiten 233 auf die situation leisten wir schon auch ein stück vorsorge aber wenn dann diese 234 situation tatsächlich zu so etwas kommen soLLTE das ist das traumatisierende 235 ereingis da und da muss man spätestens dann mal intervenieren also isch a mischung 236 aus beiden. 292 Interview 6 (2. Teil), Z. 323–326: 5: man darf ja nicht vergessen wenn du heute ein einsatz draußen hast wenn irgendwas ist 323 du hast ja meistens auch sanitäter da die sich einem auch sehr gut annehmen können (3) 324 oder das kriseninterventionsteam da gibt’s ja so viele (5).
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Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
kein Ereignis, das sich einfach abhaken lässt und das nach Erledigung Vergangenheit ist.293 Oft werden hier die Dienste des Polizeiseelsorgers, der Polizeiseelsorgerin genutzt. Sie fungieren dann als Unterstützer im Umgang mit Angehörigen der Verstorbenen. Die Polizist_innen selbst fühlen sich in dieser belastenden Situation nicht kompetent und überlassen den Umgang mit der Thematik »Tod« den ausgebildeten Seelsorger_innen.294 Doch wenn die Unterstützung durch die seelsorgliche Kraft wegfällt, stellt sich die Frage, wie die Beamt_innen mit solchen Situationen umgehen und das belastende Erlebnis verarbeiten können. Es ist zu fragen, wie es ihnen gelingt, in einem solchen Fall ihre Gesundheit zu erhalten. Von Polizist_innen wird erwartet, die eigenen Gefühle in einer Weise beherrschen zu können, die es ihnen ermöglicht, immer souverän, gerecht und stark zu sein, in jeder Situation das Richtige zu tun und sich nie von den eigenen Gefühlen lenken zu lassen. Ein »guter« Polizist, eine »gute« Polizistin – so scheint es – ist jemand, der »hart« ist und sich nicht von seinen Gefühlen übermannen lässt. Die Autor_innen sind der Meinung, dass nicht das Bild eines Polizisten, einer Polizistin vorherrschen darf, bei dem, der die Fähigkeit, die eigenen Gefühle auszuschalten zum Qualitätsmerkmal dieses Berufsstandes wird, so wie es ein Polizeibeamter in Interview 7 beschreibt.295 Es muss vielmehr eine Möglichkeit gefunden werden, mit den aufkommenden Gefühlen umzugehen. Betrachtet man die in den Interviews genannten Strategien hierzu, zeigt sich, dass der Versuch der strikten Trennung von Privatleben und Berufsalltag eine zentrale
293 Interview 2 (1. Teil), Z. 32–142: P: ja genau, weil des der,(.) des is ja genau des, was derjenige 132 dann nie sieht, heißt äh man (.) kommt zum beispiel grad von=von 133 irgend nem TOdesfall oder musste grad ne todesnachricht überbringen 134 un im nächsten moment kontrolliert ma einen, (.) ne stunde später, 135 und der wird dann n bisschen (.) doof, sieht die situation nich ein, 136 wieso er jetz da kontrolliert wird, und dann kanns natürlich au bei 137 manchem kollegen dann passieren, ich will nich sagen dass es mir nie 138 passieren kann, äh dass ma dann (1) auch entsprechend sich dem 139 gegenüber verhält, heißt wenn er (.) blöd wird, wird ma AU n 140 bisschen blöder. un so machen die leute dann die negativen 141 erfahrungen mit der polizei. 294 Interview 6 (2. Teil), Z. 239–246: P5: also ich fand den dachauer albert wenniger einfach super weil den hast angerufen 239 wenns a todesnachricht zu überbringen ist oder irgendwie oder irgendwas was sagst ICH 240 möcht das nicht tun ich MUSS dabei sein aber das hass ich halt ruf ich ihn an albert seh ma 241 uns später steht er auf der matte ähm und dann fahrt ma do hin der macht des und du sagst 242 es tut mir leid ich geh jetzt 243 P3: ja aber gut du brauchst ihn ja dann letztlich für für 244 P5: aber für andere an sich 245 P3: das er dich a bisserl unterstützt aber net dich persönlich unterstützt. 295 Interview 7, Z. 171–175: (4)ich hab da emotionen immer gehabt ich konnte da 171 auch in den armen meiner frau weinen, wenn da einer 172 dieser schüsse besonders weh getan hat ähm=ähm 173 insofern ähm bin ich kein typischer polizist und werd 174 auch nie ein richtig guter polizist an dem punkt da.
Ergebnis der Interviews
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Rolle spielt.296 Was auf der Arbeit passiert ist, bleibt auch dort und wird nicht gedanklich mit nach Hause genommen.297 Die Verdrängung gelingt zuerst ohne negative Folgen.298 Doch der Schein trügt. Dies kann einige Jahre gut gehen, aber die belastenden Ereignisse werden die Betroffenen irgendwann einholen. Das zeigt sich in Interview 10 deutlich.299 296 Interview 2 (1. Teil), Z. 152–176 u. 196–199: ja natürlich; au privat; weil=weil ich mein äh (2) ich hab jetz 152 noch=NOCH kein kind, kommt jetzt dann, aber ähm man is auf der 153 straße, hat n widerstand äh, oder irgendwie: ähm dann wieder n 154 todesfall oder irgendwas anders n schlimmen verkehrsunfall mit 155 schwerverletzten, und dann kommt ma nach hause un is dann der 156 familienvater. heißt ma muss ja praktisch ARBEITSleben und 157 priVATleben komplett (.) trennen. 158 I: funktioniert das? 159 P: ja. also bei MIR schon. wobei ich au konsequent sag, ich hab sehr 160 sehr wenige f- äh (.) ich will nich sagen FREUNde in der polizei, 161 aber FREUNde in der polizei, mit denen ich priVAT was mache. 162 I: und {{gleichzeitig} spricht man da über die arbeit?} 163 P: {{gleichzeitig} und so trenn ich un so trenn ich des} äh ich hab 164 die erfahrung gemacht äh wenn ma mit kollegen unterwegs isch spricht 165 ma sehr viel über die arbeit, un deswegen versuch ich des zu 166 trennen, [okay] indem ich sag mein freundeskreis besteht 167 grundsätzlich (.) oder HAUPTsächlich aus andern bereichen. 169 P: {{gleichzeitig} dadurch dass ich} vorher studiert hab, is’s halt 170 für mich au einfacher [okay],(.) weil dadurch, damals hab ich schon 171 leute kennengelernt, während m studium, und des is eigentlich 172 hauptsächlich immer noch heutzutage mein freundeskreis. un dadurch 173 kann ichs recht gut trennen. 174 I: des is so deine strategie. 175 P: ja. (…)P: aber ich versuchs eben dadurch zu trennen, dass ich äh privat so 196 wenig wie möglich, natürlich hab ich au meine freunde in der poliZEI 197 un: mit kollegen unterhält ma sich ja au im DIENST, aber privat mach 198 ich so wenig wie möglich. 297 Interview 6 (1. Teil), Z. 131–135: P1: Nein. Das ist also privat teilweise auch. Also ich pfft, gelte da ein bissel als 131 EisklotZ. Also äh, ich mach schon viel, aber * ähm, * es geht einfach. Also ich 132 versuch’s zu verdrängen und äh, habe nicht das Bedürfnis, * drüber reden zu 133 müssen. Also das ist einfach wie weg. * Und, ich hab jetzt da auch noch nie nen-nen 134 Alptraum gehabt, ich hab nie schlecht geschlafen deswegen. 298 Interview 6 (1. Teil), Z. 112–128: P1: Hm, ja, ich bin in der Luxussituation, dass ich Berufliches eigentlich nicht am 112 mich heranlasse. Deswegen war ich auch noch nie, ich hab’s aufgeschrieben: * Ich 113 hab noch nie einen Polizeiseelsorger gebraucht. Ich hab mit Toten zu tun gehabt, wir 114 haben * Leute verbrennen sehen, wir haben alles Mögliche gesehen * und das war, 115 also für mich, überhaupt kein Problem. Also ich, in dem Moment, wo ich äh, * mich 116 umdrehe und in den Streifenwagen steige, ist das Thema wieder erledigt. Also ich 117 muss auch nicht drüber reden. I: Auch nicht mit Kollegen oder…? 119 P1: Nö. * Also wenn jetzt ein Kollege sagt, er möchte drüber sprechen, danndann 120 öh, beteilige ich mich schon, (jemand hustet) * ähm, * pfft, *2* meine erste äh, 121 Reanimierte, das Einzige, was uns da wirklich dran erinnert, was heißt, wir erinnern uns eigentlich an alles. * Wir machen uns noch ab und zu Gedanken über ihre 123 SnoopyUnterwäsche, * aber das ist dann mehr einfach so des Spaßes wegen. Das 124 ist also, wirwir sagen: »Hey, weißt das noch? * Damals die 16-Jährige…«, * aber *2* 125 also ich * bin Gott sei Dank in dem Luxus, dass ich nicht * äh, es verarbeiten muss 126 auf eine Art und Weise. Also in dem Moment, wo ich mich umdrehe, ist das Thema 127 für mich gegessen. 299 Interview 10, Z. 241–249: P: (2) also s (.) lange lange zeit isch würd so (.) circa 20 jahre schätzen [mhm] hab isch die türe zugemacht im geschäft und des war (.) dort. [mhm] und dann hats plötzlisch NIMMER funktioniert. Ja? [mhm] also da dass du dinge (.) mit nach
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Gesundheitsmanagement & Copingstrategien
Um die beruflichen Belastungen zu verarbeiten, wird Sport als ein beliebtes Mittel genannt300, der Sport fungiert hier als eine Art Ventil.301 Generell kann festgestellt werden, dass die Beamt_innen eine enge Verbindung sehen zwischen der körperlichen und der seelischen Gesundheit.302 Körperliche Fitness gilt für sie als Garant für Gesundheit303 ; gesunde, »richtige« Ernährung, regelmäßige Entspannung304 und soziale Kontakte305 sind bei den
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hause nimmsch. Grad so jetzt in diesen kursen [ja:] hast du oft frauen drin, die gewalterfahrungen äh in ihrem leben gemacht haben (1) [mhm] (1) und wenn du dann n kurs mit 12 frauen hasch und da sitzen sechs drin (1) die die dann auch so viel vertrauen schöpfen, dass sie dir sagen (.) was da passiert is [ja] dann gehst du nicht unbelastet (1) ach hause ja? Also da: hab isch misch schon so mansche nacht (1) gewälzt auch, ja? [mhm] des krieg isch dann nimmer (1) äh (?geordnet?) Und kann sagen da is dein platz und da bleibst du ruhen sondern des beschäftigt mich dann schon. Interview 4, Z. 33–39: Und * ich hab aber 33 eher immer gesagt: »Ja, wenn ich dann nach Hause gehe, dann will ich da 34 eigentlich nicht mehr groß * mich damit beschäftigen müssen.« Und bei mir hat das 35 eigentlich auch immer ganz gut geklappt. Ich denk, jeder braucht auch so ne Art 36 Ventil, * was weiß ich, bei mir ist dann halt dann, ich geh dann ne Stunde laufen 37 oder geh zum Sport und dann * geht mir’s wieder gut zum Beispiel, egal, was 38 dann war. Interview 6 (1. Teil), Z. 101–103: P6: Dem würd ich mich fast anschließen, * nur dies, die Sache mit der gesunden 101 Ernährung, hab ich noch nicht auf die Reihe gebracht. Sport zum Abschalten, wie er 102 auch immer ausschaut, * das ist ne sehr gute Strategie. Interview 3, Z. 170–173: und viele von uns achten hier auch auf die 170 richtige ernährung ((lachen von außen)) ich jetzt nicht ((husten von außen)) ich 171 ess halt, was mir schmeckt und worauf ich lust habe aber ja die Julia zum beispiel 172 die schaut schon so ((lachen von außen)) ja die achtet sehr auf die ernährung. Interview 6 (1. Teil), Z. 84–97: P4: Also bei mir, ich hab äh, versucht, dass meine Ernährung auch, seit Jahren 84 (Mikrofon wird manipuliert) versuch ich das, allerdings äh, mit der Familie, das 85 Gemeinschaftliche ist halt am Abend, wenn man da abends warm isst, wenn man 86 zusammensitzt, *dann *(zieht Luft durch die Zähne) ähm, *2* bleibt man, bleibt’s nicht 87 aus, dann * nimmt man halt auch mal irgendwas zu sich, was äh, einem vielleicht 88 nicht gut tut. *Aber ich treib dennoch sehr viel Sport, hier bei der 89 Bereitschaftspolizei ist es * Gott sei Dank möglich. Hab ähm, * Crossfit für mich 90 entdeckt, das ist na ja, so ne Art, * äh, von allem ein bisschen was *2* und ich * würd 91 sagen, ich fühl mich relativ fit * seitdem wieder, * ja, und äh, kann es eigentlich jedem 92[I: Mhm.] Aber ich treib dennoch sehr viel Sport, hier bei der 89 Bereitschaftspolizei ist es * Gott sei Dank möglich. Hab ähm, * Crossfit für mich 90 entdeckt, das ist na ja, so ne Art, * äh, von allem ein bisschen was *2* und ich * würd 91 sagen, ich fühl mich relativ fit * seitdem wieder, * ja, und äh, kann es eigentlich jedem 92 empfehlen, * Sport und gesunde Ernährung, * in der Kombination ähm, ist es auch 93 so, dass ich geistig * na ja, abschalten kann und sozusagen den Stress, den ich * , 94 viele sagen immer : »Bei der BePo keinen Stress.«, aber doch, es entsteht auch schon 95 mal Stress, dass, wenn man den hat, auch äh, gut abbauen kann, beziehungsweise 96 mal den Kopf freischalten kann. Interview 3, Z. 166–170: (3) ((nimmt Luft)) und mein gott der sportliche aspekt gehört natürlich auch dazu, 166 weiiil nachdem man sport gemacht hat ist man ja meistens ziemlich entspannt (1) 167 und äh kommt dann runter (1) heiße dusche so ein bissel relaxen (1) und dann 168 eben noch ein bisschen zusammensitzen (1) (2) (3) das kann man alles hier 169 miteinander verbinden. Interview 3, Z. 183: PM : ja oder pflegen soziale aktivitäten untereinander, (1) sowohl im dienst wenn.
Ergebnis der Interviews
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meisten Beamt_innen unverzichtbar für ihre seelische Gesundheit. Vor allem auch die Nähe zu Menschen, die ihnen viel bedeuten, gibt den Betroffenen nach eigenen Angaben viel Kraft.306 Als eine weitere Bewältigungsstrategie wird Humor genannt – Lachen als Strategie.307 Ob jedoch Humor eine dauerhaft tragfähige Bewältigungsstrategie sein kann, ist in Frage zu stellen. Es besteht die Gefahr, dass ein gesunder und gesunderhaltender Humor in ungesunden Sarkasmus und Ironie umschlägt. Es gibt auch durchaus Polizist_innen, die angeben, keine spezielle Strategie im Umgang mit belastenden Situationen oder dem Alltagsstress zu haben.308 Als weitere negative oder ungesunde Bewältigungsstrategien sind Alkoholkonsum zu nennen,309 wie auch die Neigung, den aufgestauten Gefühlen in Kleinkonflikten Luft zu machen.310 Als weitere Bewältigungsstrategie wird der Glaube als Kraftquelle genannt. Die Gewissheit, dass Gott ihnen Zuversicht gibt, hält diese Menschen seelisch gesund.311
306 Interview 6 (1. Teil), Z. 311–313: aber da sucht man 311 auch irgendwie die Nähe von den Menschen, die * einem wirklich ähm, * was 312 bedeuten. Und das denk ich bei schwierigen Situationen auch. 307 Interview 6 (2. Teil), Z. 510–515; 524–528: P5: weißt du was ich witzig finde wenn du sagst auf arbeiten der wolf mario hat ähm hat da 510 sein sein persönliches lied ich bin ein gänseblümchen im sonnenschein ja ich lass die sonne 511 über die blüten in mich hinein ähm wenn du des hörst also ich denk wenn mich irgendwas 512 aufregt dann denk ich bin ein gänseblümchen und schon lach ich (.) also des des bringt fast 513 mehr 514 P: (lachen) P5: ja aber man lacht gleich 524 (lachen) 525 P5: ja des is genau der punkt 526 I: ja das ist auch eine bewältigungsstrategie 527 P5: ja dann denkst dir gänseblümchen und dann denkst dir ah scheißbürger passt scho. 308 Interview 6 (1. Teil), Z. 104: P1: Ich hab gar keine Strategie, ich mach’s einfach. [Essen und Sport]. 309 Interview 6 (1. Teil), Z. 230–233: ich sag noch, (unverständlich, vermutlich: wir schauen halt noch) in viele 230 Schattenseiten des Lebens rein. *2* Und nicht umsonst haben auch die 231 Rechtsmediziner ihren Sarkasmus, ihre Ironie und ihren leichten Hang zum Alkohol, 232 (einige lachen) * na, weil irgendwie muss man das verarbeiten. 310 Interview 6 (1. Teil), Z. 138–144: [I: Mhm.] Und da bräuchte ich dann eher 138 jemanden zum Reden, weil dann brauch ich irgendjemanden, wo ich die Wut 139 auslassen kann, wenn mich was nervt. * Aber jetzt so ein polizeiliches 140 Einsatzgeschehen,… *4* Gut, der Bürger, du warst drei Jahre auf der Straße, der 141 bringt einen so zur Weißglut, dass-dass du da sagst: »Ich hau ihm jetzt die Kauleiste 142 raus, * wenn er sich nicht sofort umdreht und geht.« (lacht) Du lachst auch, * es ist 143 leider manchmal so, aber *2* na ja, dass man in die Bredouille kommt. 311 Interview 10, Z. 124–127: Genau. ja also des is ääh (1) so MEINE quelle der kraft nä? Is schon so mein glaube muss man sagen also isch bin christ (1) und ääh (.) auch net nur nachm (.) bekenntnis sondern isch kuck auch das isch (.) ääh äh (2) FAST jede woche in den GOTTESdienst komme ja? (.) Äh (.) weil isch mir da meine kraft hole ja? [ok] ja. isch bin neuapostolisch, wenn du des kennst [ja].
8.
Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
8.1
Subkategorie Ethik im Beruf
Das Forschungsteam ging von der Annahme aus, dass die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen im Berufsalltag der Beamt_innen eine feste Größe darstellt. Wann und in welchem Maße diese Auseinandersetzung bewusst geschieht oder eher unbewusst abläuft, ob eine einheitliche Meinung dazu herrscht oder die Meinungen individuell sehr unterschiedlich ausfallen, diesen und anderen Fragen wollte das Forschungsteam nachgehen. Die Aussagen der Proband_innen bezüglich der Professionsethik konnten in zwei Subkategorien zusammengefasst werden: »Berufsethik/Ethik im Beruf« und »Ethik in der Ausbildung«. Folgende Inhalte markieren die wesentlichen Themen der Subkategorie »Ethik im Beruf«: Der Polizeiberuf bringt es mit sich, dass man für die geltende Rechtsordnung eintreten müsse, auch wenn diese von der persönlichen Einstellung abweiche.312 Es kommt vor, dass Polizist_innen rechtliche Schritte gegen Personen einleiten müssen, die sich eigentlich anständig verhalten haben.313 Auch im Austausch mit 312 Interview 7, Z. 194–206: »(…) und ähm für diese rechtsordnung den kopf hinzuhalten und gerade zu stehen? äh däs tu ich und auch aL=s wIr vor vielen jahren in (ortsangabe)mit der atomkraft besondere probleme hatten, da hab ich definitiv, sO gehandelt und so gewirkt, dass ich einerseits auf der seite vom zaun stand und andererseits auf dER als bürger der an keiner kernkraft in seiner unmittelbaren heimat gefallen hat und als polizischt (2) ä=hm musste ich auch keine […]wahrnehmen ähm damit habe ich die rechtsordnung oder so en status confessionis [mhm] wie luther hier steh ich und kann nicht anders [mhm]ähm schon auch versucht ganz praKTISCH zu leben.« 313 Interview 3, Z. 692–704: (…) und zwar (1) war ich letztens mit dem MArtin (1) in Rosenheim unterwegs und da (1) ähm hatten wir einen fall da hat einer zivilcourage gezeigt (1) und hat (1) ähm verhindert dass ein MAnn seine frau schlägt in so einem park, (1) dann haben wir den mitgenommen (1) uuund (1) also ((pause)) ähm im ersten moment war er so der beschuldigte von der körperverletzung und dann haben wir ihn durchsucht und dann haben wir bei ihn eine drogenfaltwaage bei ihm gefunden im endeffekt war es dann so er hat eben halt zivilcourage gezeigt (1) hat einer frau geholfen (1) und dann haben wir ihm das
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Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
Kolleg_innen wird erörtert, dass immer wieder ethisch fragwürdige Aktionen ausgeführt werden müssen, jedoch herrscht Konsens, dass stets eine objektive Verfahrensweise erforderlich ist.314 Polizeibeamt_innen sind immer an die geltenden Gesetze gebunden und haben wenig eigenen Entscheidungsspielraum.315 Ein Beispiel für eine Situation, in der Polizeibeamt_innen zumindest einen geringen Ermessensspielraum innehaben, sind geringfügige Ordnungswidrigkeiten im Verkehr. Keinen Ermessensspielraum haben sie hingegen bei Straftaten.316 Berufsethische Themen und Fragestellungen werden während der Ausbildung theoretisch aufgearbeitet, jedoch nicht im weiteren Verlauf des Berufslebens.317 Hier sind die Gespräche mit den Kolleg_innen der eigenen Schicht das tragende Element.318 Professionelle Begleitung zu ethischen Fragestellungen wäre hier jedoch erforderlich, da Fragen zu Werten und Normen im Berufsalltag omnipräsent sind.319
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zimmer verwüstet ((Pause)) weil wir es durchsucht haben da denkt man auch ja ok und danach hat er dann gesagt ja das mache ich dann wohl lieber nicht mehr dann habe ich ja nur ärger am hals (1) dann haben wir auch gedacht ja da hat er eigentlich recht das war ein bischen daneben aber was sollen wir denn da machen (1) man ist halt daran gebunden ((Pause)). Interview 3, Z. 675–704: also klar jeder denkt darüber nach wir reden ja auch in einsätzen darüber das es vielleicht jezt nicht so gut war wie es dem das dem (1) JAaa so erwischt hat (1) aber es ändert nichts daran dass wir es tun müssen also (1) irgendwie müssen wir uns damit arangieren ((Pause)) das wir das so machen ansonsten wäre das ja (1) sage ich mal relativ subjektive verfahrensweise was auch nicht von uns erwartet wird ((Pause)). Interview 3, Z. 670–674: (…) grundsätzlich ist es ja so dass ich nicht so viel freiheiten habe auch wenn es mir wiederstrebt hebe ich ja trotzdem gesetze an die ich mich halten kann ich kann ja nicht einen auf selbstjustiz machen (1) und (1) (2) für mich selbst entscheiden was ich mit den Leuten vor mir passieren soll nur weil ich einen mag und einen nicht. Interview 3, Z. 686–691: bei vobis verkehrsordnundswidrigkeiten kann ich ja bis fünfundreißig euro (1) (2) entscheiden ob ich den jehnigen mündlich verwahne oder ob ich ihn zahlen lasse (1) (2) da gibt es noch mal einen besonderen spielraum (1) und da (1) kann man natürlich abwägen ja aber es ist halt einfache ab da die grenze ich kann jetzt bei straftaten jetzt nicht abwägen dass ich jetzt nicht jemanden nichts mache das geht halt einfach nicht. Interview 5, Z. 400–406: (…) sind das da auch berufsethische aspekte nochmal diskutiert werden im extremfall den gebrauch der schusswaffe wenn wir uns da gibt es fortbildungsseminare zum beispiel jetzt wird’s arg polizeifachlich wie beende ich eine geiselnahme bei einer geiselnahme ist die wahrscheinlichkeit ehm (2) das es auch um fragen von leben und tot geht sehr wahrscheinllich leben und tot nicht nur für die geiseln sondern auch für den täter und in diesem seminaren ist auch regelmäßig ist auch immer ein part berufsethik mitdrin (…). Interview 6 (Gruppeninterview), Teil 2, Z. 198–202: (…) na das gibt’s ja mittlerweile diese untersuchung oder zig sachen halt ma spricht von polizeikultur was in der ausbildung vermittelt wird und polizistenkultur des was vor ort vermittelt wird (.) und das des eigentlich in der schicht sogar die schicht zusammengesetzt ist das des von den wertenormen her viel prägender is als des was in der ausbildung theoretisch abstrakt vermittelt wird. Interview 6 (Gruppeninterview), Teil 2, Z. 268–270: (…) in der ausbildung findets ja statt
Subkategorie Ethik im Beruf
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8.1.1 Erläuterungen Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes lautet: »Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.«320
Es gilt das Rechtsstaatsprinzip für die ganze Staatsgewalt. Aus diesem Prinzip ergibt sich auch die in unserem Land herrschende Trennung der drei Staatsgewalten321 Legislative (Gesetzgebung), Judikative (Rechtsprechung) und Exekutive (Vollziehung). Das Grundgesetz ist der Rahmen, in welchem Bund und Länder Gesetze verfügen können. In Deutschland ist zwischen der Bundes- und der Landespolizei zu unterscheiden. Für die Bundespolizei legt der Bund die Gesetze vor, für die Landespolizei sind entsprechend die Länder zuständig. Die Bundespolizei (vor 2005: Bundesgrenzschutz) agiert aufgrund der Polizeihoheit der Länder in einem begrenzten Rahmen von Möglichkeiten. Nach dem Bundespolizeigesetz sind Aufgaben und Verwendungen der Bundespolizei Grenzschutz, Bahnpolizei, Luftsicherheit, Sicherheitsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen, Schutz von Bundesorganen, Aufgaben auf See, Aufgaben im Notstands- und Verteidigungsfall, Verwendung im Ausland, Verwendung zur Unterstützung anderer Bundesbehörden, Verwendung zur Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik, Verwendung zur Unterstützung eines Landes, Verfolgung von Straftaten sowie Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.322 Da sich das Forschungsprojekt auf die landespolizeiliche Ebene beschränkte, soll im Folgenden der Bereich der Bundespolizei nicht weiter ausgeführt werden. Die Organisation der Polizei in Baden-Württemberg umfasst die Polizeibehörden und den Polizeivollzugsdienst mit seinen Beamt_innen. Polizeibehörden sind gegliedert in allgemeine Polizeibehörden und besondere Polizeibehörden (§47 Abs. 1 f PolG). Zu den allgemeinen Polizeibehörden gehören die zuständigen Ministerien als oberste Landespolizeibehörden, die Regierungspräsidien als Landespolizeibehörden, die unteren Verwaltungsbehörden als Kreispolizeibehörden und die Bürgermeister als Ortspolizeibehörde.323 Aktuell arbeiten
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die seelsorge und die ethikbildung und moralische grundlagenlegung des findet ja statt danach wie gsagt findets nicht statt (unverständlich) des MÜSSTE aber eigentlich stattfinden weils do eigentlich wichtig is (…). Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Online unter : http://www.gesetze-im-in ternet.de/gg/art_20.html [abgerufen am: 16. 12. 2013; 14.17 Uhr]. Vgl. Artikel 1 III Grundgesetz, Online unter : http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art _20.html [abgerufen am: 16. 12. 2013; 14.25 Uhr]. Vgl. Bundespolizeigesetz. Online unter : http://www.gesetze-im-internet.de/bgsg_1994/ BJNR297900994.html [abgerufen am 16. 12. 2013; 15.23 Uhr]. Vgl. Reichert & Röber 1983, S. 27f.
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Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
31.800 Personen, davon 24.600 Polizeibeamt_innen, bei der Polizei BadenWürttemberg. Strukturell befindet sich derzeit einiges im Umbruch, denn im Jahr 2012 wurde eine Neu-Organisation zur besseren Abdeckung der polizeilichen Tätigkeitsfelder beschlossen. Im organisatorischen Aufbau sollen Neuerungen eingeführt werden. So werden beispielsweise die bisher vier Regierungspräsidien Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen und Freiburg mit den 37 Polizeipräsidien und Polizeidirektionen zu zwölf regional verantwortlichen Polizeipräsidien umstrukturiert und direkt dem Innenministerium nachgeordnet. Außerdem wird es ein Polizeipräsidium Einsatz und ein Präsidium Technik, Logistik, Service der Polizei geben. Für die Neu-Aufteilung von Verantwortungsbereichen wurden umfangreiche Datenerhebungen genutzt: Quantitative und qualitative Kriminalitätsdaten, Verkehrsunfallzahlen, Einsatzschwerpunkte, regionale Strukturdaten, personal- und organisationsspezifische Faktoren.324 Die Polizeijuristen Ruder und Schmitt nehmen eine Untergliederung des Begriffs Polizei in den institutionellen, den materiellen und den formellen Polizeibegriff vor. Sie behaupten, dass diese begriffliche Unterscheidung wichtig sei, da sich der jeweilige Polizeibegriff auf unterschiedliche Strukturen und unterschiedliche Situationen beziehe. »Polizei« im institutionellen Sinn umfasse alle Behörden und Dienststellen, die der Institution Polizei zuzurechnen sind.325 In Baden-Württemberg trifft dies auf Polizeibehörden326 und den Polizeivollzugsdienst327 zu. Der materielle Polizeibegriff hingegen sei im ersten Paragrafen des Polizeigesetzes Baden-Württemberg als der Teil der hoheitlichen Verwaltungstätigkeit benannt, dessen Aufgabe in der Abwehr von Gefahren und der Beseitigung von Störungen der öffentlichen Ordnung liege. Hier könne man also den Begriff »Polizei« durch den Begriff »Gefahrenabwehr« ersetzen.328 Der formelle Polizeibegriff umfasse alle Tätigkeitsfelder der Polizeiarbeit und sei im Sinne eines Oberbegriffs zu verwenden. Er bezeichnet den Zuständigkeitsbereich der Behörden, die verwaltungsrechtlich zur Polizei gehören.329 Problematisiert wird diese Unterscheidung dadurch, dass Polizist_innen in Ausübung ihrer Profession oftmals in die Situation geraten, sich zwischen Polizeigesetz und Gewissenseinstellung und letztlich für polizeiliche Professionalität entscheiden zu müssen. Polizist_innen, die Atomkraftgegner_innen von 324 Vgl. Internetpräsenz der Polizei Baden-Württemberg. Die Polizei Baden-Württemberg organisiert sich neu – für Ihre und unsere Zukunft! Online unter : http://www.polizei-bw. de/polizeireform/Seiten/default.aspx [abgerufen am: 17. 12. 2013; 17.31 Uhr]. 325 Vgl. Ruder & Schmitt 2005, S. 44. 326 Vgl. §§ 61ff. PolG. 327 Vgl. §§ 70ff. PolG. 328 Vgl. ebd. 329 Vgl. Ruder & Schmitt 2005, S. 45.
Subkategorie Ethik im Beruf
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besetzten Gleisen tragen, sind ein aus den Medien bekanntes Bild, ebenso wie Beamt_innen, die bei Demonstrationen den schwarzen Block der Linksradikalen von den gleichzeitig marschierenden Rechtsextremisten trennen. Einsätze dieser Art stellen für Polizist_innen keine Besonderheit dar, sie sind vielmehr Polizeialltag. Dieser Alltag ist nicht selten eine hohe Belastung für das Individuum. Angestellte im Polizeidienst sollten bereits in der Ausbildung effektive Bewältigungsstrategien erlernen, um für zukünftige Belastungen gewappnet zu sein. Aber auch nach der Ausbildung darf eine Fort- und Weiterbildung der Beamt_innen nicht vernachlässigt werden. Selbstreflexion ist ein fortlaufender Prozess, der immer wieder neue Anstöße braucht. Es kommt immer wieder vor, dass eine Person in Konflikt mit dem Gesetz gerät, obwohl sie sich ethisch einwandfrei verhalten hat. In einem der Interviews wurde eine solche Situation geschildert: Ein Passant greift ein, als ein Mann auf offener Straße seine weibliche Begleitung verprügelt. Die Polizei wird gerufen und vor Ort sind die ausgerückten Beamt_innen damit konfrontiert, dass der Schläger gegen den Passanten Anzeige wegen Körperverletzung erstatten möchte. Das ist nach Aussagen der Beamt_innen keine seltene Vorgehensweise von an körperlichen Auseinandersetzungen beteiligten Personen. Sie versuchen, das Gegenüber anzuzeigen, um aus der Rolle des Täters in die des Opfers zu gelangen und so einer möglichen Anzeige der eigenen Person zu entgehen. In dieser speziellen Situation fanden die Beamt_innen jedoch bei dem couragierten Passanten eine Drogenwaage und mussten daher rechtliche Schritte gegen seine Person einleiten. Die Beamt_innen machte es besonders betroffen, dass der Passant daraufhin deutlich machte, dass er sich zukünftig nicht mehr in fremde Angelegenheiten einmischen würde. Er hatte also aufgrund dieser Erfahrung beschlossen, zukünftig keine Zivilcourage mehr zu zeigen. Was löst eine solche Situation in den Polizist_innen aus? Welche inneren Prozesse werden dadurch angestoßen und wie kann konstruktiv mit einer derartigen Erfahrung umgegangen werden? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten und sollten mit professioneller Begleitung bearbeitet werden. Polizeiseelsorger_innen besitzen die nötigen Kompetenzen, um die Spannung eines solchen Erlebnisses aufzulösen. Die Beamt_innen können im Gespräch mit ihnen die Situation aufarbeiten und gestärkt durch den Austausch mit einem nicht-urteilenden Gegenüber mit neuer Motivation in den Arbeitsalltag zurückkehren, bestenfalls mit einer Idee, wie sie sich das nächste Mal in einer vergleichbaren Situation verhalten können. Als Polizist_in muss man jeden Tag mit dem Bewusstsein arbeiten, dass schon im nächsten Moment etwas Dramatisches geschehen könnte. Hinter jeder Tür könnte eine Leiche gefunden werden, ein misshandeltes Kind auf Hilfe warten oder sich ein bewaffneter Gewaltstraftäter oder Drogenabhängiger verbergen.
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Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
Bei jeder Fahrzeugkontrolle muss mit verbaler oder physischer Gegenwehr gerechnet werden. Hinter jeder Meldung über eine Ruhestörung könnte ein Fall häuslicher Gewalt o.Ä. stecken. Es ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Stressfaktoren, die den Polizeiberuf so belastend machen. Zu diesen Stressfaktoren zählen ethische Dilemmata ebenso wie körperlich anstrengende Schichtarbeit und Verletzungen der Menschenwürde, sowohl der eigenen wie auch der Opfer von Gewaltdelikten. Ethische Dilemmata ergeben sich häufig auch schon im Rahmen geringfügiger Vergehen. Menschen, deren Leben aus den Fugen geraten ist und die existenzielle Nöte haben, können leicht in eine Abwärtsspirale geraten. In einer solchen Situation begegnen ihnen dann die Polizist_innen. Von ihnen wird hier einerseits von Staats wegen die Ausübung ihrer Pflicht erwartet, andererseits müssen Polizist_innen über soziale und kommunikativ-empathische Kompetenzen verfügen, um mit solchen Situationen und Begegnungen angemessen umgehen zu können. Soziale und kommunikative Kompetenzen stellen sich jedoch nicht von selbst ein, sondern müssen in der Polizeiausbildung gesondert erworben werden. Derartige kommunikative und soziale Konfliktsituationen müssten jedoch unter supervisorischer Begleitung aufgearbeitet werden; eine kollegiale Zustimmung zu »richtigem« Verhalten ist nicht professionell genug und lässt letztlich den einzelnen Polizeibeamten, die einzelne Polizeibeamtin allein. Eine der interviewten Personen erzählte von ihren Bewältigungsstrategien, beziehungsweise äußerte, dass sie keine brauche, weil sie einfach ihren Job mache und danach wieder Privatperson sei. Keine zehn Minuten später jedoch erlebten die Interviewer_innen einen emotional aufgeladenen Wutausbruch, in welchem sich die Person von den angestauten Gefühlen lautstark befreite. Sie berichtete dabei nicht von einem traumatisierenden Ereignis, vielmehr waren es unreflektierte Alltäglichkeiten im Kontakt mit den Bürger_innen, die zu dieser heftigen Reaktion führten. Das ist möglicherweise der Kernpunkt der Belastung dieser Berufsgruppe: die Last der unzähligen, immer wieder gleichen Kleinigkeiten. Es gibt eine Geschichte, welche die Auswirkungen dieser kleinen, alltäglichen Belastungen verdeutlicht: Man stelle sich ein Glas mit etwas Flüssigkeit darin vor. Diesmal ist die Frage nicht, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, die Frage lautet: Wie schwer ist das Glas mit der Flüssigkeit? Die Antwort dazu: Wenn ich das Glas nur eine Minute in der Hand halte, ist es sehr leicht, nach einer Stunde ist es schon anstrengend. Wenn ich das Glas tagelang halten muss, dann ist es kaum auszuhalten. Dieses Beispiel zeigt deutlich die Dynamik, mit der sich Belastungen auf die Gesundheit auswirken und so langfristig zu Burnout und anderen Erschöpfungserscheinungen führen. Eine fortlaufende Begleitung durch eine feste Bezugsperson, die sowohl Außenstehender als auch »Kolleg_in« ist, bietet ideale Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Zusammenarbeit. Seelsorge ist zu einem guten Teil ab-
Subkategorie Ethik in der Ausbildung
135
hängig vom Vertrauensverhältnis zwischen Seelsorger_in und der zu betreuenden Person. So können gemeinsam Strategien entwickelt werden, um dauerhaft die Spannung der täglichen Herausforderungen aushaltbar zu machen.
8.2
Subkategorie Ethik in der Ausbildung
Der Einstellungstest zum Polizeidienst hinterlässt bei den Bewerber_innen den Eindruck, dass auch die persönlichen Werte und Normen in einem gewissen Rahmen in diesem Test abgefragt werden.330 Gedanken über Themen wie Verantwortung, Gerechtigkeit, Ordnung und Fürsorge (prosoziales Verhalten) sind Beweggründe, aus welchen sich Menschen für den Polizeiberuf entscheiden.331 Die geltende Rechtsordnung ist dergestalt, dass Menschen sich befähigt sehen, Gutes zu tun, indem sie für diese eintreten.332 Die polizeiliche Ausbildung müsste nach Ansicht der Forschungsgruppe diese Motivationslage der Bewerber_innen für den Polizeiberuf didaktisch und in kommunikativen Handlungssituationen aufnehmen, was aber aufgrund der vorliegenden Studie nicht ausgesagt werden kann. Allein im Fach Berufsethik beziehungsweise in Gesprächen mit den jeweiligen Polizeiseelsorger_innen kommen die Beweggründe, sich für den Polizeiberuf zu entscheiden, zur Sprache.333 Die Institution Polizei sollte sich aber als lernende Institution verstehen und im Bereich des Wissensmanagements anders mit den Ressourcen ihrer Mitarbeiter_innen umgehen. Zu den Ressourcen der Polizist_innen gehören auch Habitus und Sinnein330 Interview 3, Z. 630–636: (.) was man denn so denn so für ein bissle gerechtigkeitsempfinden hat da wurde halt so ein bissle ausgelotet (1) hatte ich so das gefühl im gespräch wie (.) was ich so für eine einstellung ich so generell habe wie ich denn so arbeiten würde (1) das ging schon so in die richtung werte und normen der polizei die wurden einem jezt nicht vorgesetzt aber so (1) grundsätzlich glaube ich dass in dem gespräch geschaut wird ob man in die rolle passen oder nicht. Und: Interview 3, Z. 615–618: I2: es ist vorauszusetzen wenn jemand sich für den polizeidienst entscheidet dass er einen gesunden menschenverstand bereits mitbringt PM: grundsätzlich sollten wir ihn haben ja ((…) durcheinander geredet (lachen)) deswegen machen wir ja den einstellungstest. 331 Interview 5, Z. 38–49: (…) Hab ich gemerkt das da etwas in mir ist ehm . was dann letzlich dann dazu geführt hat, es doch durchzuziehen bei der Polizei. ABER ich kann das gefühl ganz schlecht beschreiben. das GEfühl ehm (1) dreht sich um VERantwortung dreht sich um GErechtigkeit . sich um für ORDnung sorgen so MEine Gedanken dazu (…) Dann hats letztlich auch dazu geführt dass Aufgrund dieser Gedanken die ich gerade formuliert habe die POLizei im Fokus gekommen ist den rest hab ich dann ausgeblendet. 332 Interview 7, Z. 192–194: (…) wo ich verwachsen bin ist die triebfeder ähm etwas gUTes zu tun? (2) u=nd dieses gute seh ich auch in unserer rechtsordnung verwirklicht?. 333 Interview 2 (1. Teil), Z. 407–409: es=es wird erWÄHNTun=un wir ham ja berufsethik auch in der (.) ausbildung da wirds äh wird n bisschen näher drauf eingegangen aber ansonsten nicht.
136
Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
stellungen, wie zum Beispiel Religionszugehörigkeit oder persönliche Religiosität. Religionszugehörigkeit oder Religiosität werden aber auch im Berufsethikunterricht nicht hinreichend thematisiert, auch wenn die Auszubildenden mit der Behandlung dieser Themen rechneten.334 Demgegenüber werden besondere Situationen, wie zum Beispiel das Überbringen einer Todesnachricht, zur Sprache gebracht.335 Als im Zuge der Ausbildung behandelte Bewältigungsstrategien werden von den Befragten Selbstreflexion und Gespräche über Erlebtes genannt.336 Ob spezifisch über ethische Dilemmata gesprochen wurde, ist aus den Interviews nicht ersichtlich, da die Befragten sich diesbezüglich nicht mehr an die Inhalte des Unterrichtes erinnern.337 Positiv wird bewertet, dass dieses Fach nicht abgeprüft wird.338 Jedoch ergibt sich hieraus auch eine Schwierigkeit, da es dadurch bei einigen zu Einbußen bezüglich der Motivation für das Fach kommt.339 Das Fach Berufsethik wird grundsätzlich als sinnvoll erachtet, das Erleben der einzelnen Stunden weicht jedoch oftmals von dieser grundsätzlichen Einschätzung ab.340 Als sehr negativ wurde erlebt, wenn der Berufsethikunterricht an den Religionsunterricht der Pflichtschuljahre erinnerte, zum Beispiel aufgrund der Anwendung nicht-adäquater Methoden durch 334 Interview 5, Z. 388–393: weil ehm wir wollten uns eigentlich über berufsethik unterhalten nicht über religion ehm bis man dann ich habs auf jeden fall relativ schnell gemerkt das ehm das des kein ersatz kirche gibt sondern das des jetzt tatsächlich hier um berufsethik geht sondern auch um philosophie in aller erster linie geht und in Zweiter richtung mit religion zu tun haben (…). 335 Interview 2 (1. Teil), Z. 415–416: un=un da hat ma dann zum beispiel solche themen wie übermittlung einer todesnachricht und solche sachen. 336 Interview 2 (1. Teil), Z. 472–475: ja ok des wurd schon in berufsethik angesprochen. (…) aber=aber hauptsächlich eben dass=dass meistens hilft darüber zu reden. 337 Interview 3 (Gruppeninterview), Z. 659–666 I1: JJAa so ihr denkt ja aber ich ist das auch mal so ein konflikt dass man sagt ok sollte ich tun aber eigentlich sagt mir mein kopf das ist nicht richtig ((Pause)) habt ihr auch mal so was im berufsfach gemachtPM: ((atmet aus)) betimmt ((…)ducheinander gerdet)PW: NeeePM: das kann ich jetzt auch nicht so genau sagen PW: also ich kann mich nicht ganau erinnern PM: (…) dialekt ?sagt mir nix so gar nix?. 338 Interview 3 (Gruppeninterview), Z. 644–645: und das das thema in irgendwelchen prüfungsarbeiten aufzunehmen das finde ich auch irgendwie ziemlich daneben mh. 339 Interview 2, Teil 1, Z. 442–447:: aber es is schwierig zu vermitteln. weil viele sehn halt au im=in villingen is berufsethik oder war bei UNS kein prüfungsfach (…) un dann saßen halt viele auch drin un (.) ham im grunde ihr nickerchen gemacht. 340 Interview 4, Z. 19–23: Hm, *2* also ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht mehr genau, wie d-, (lacht) wenn ich jetzt mal an meine Ausbildung zurückdenk, wie das so war. [I: (lacht) Schon so lang her!] Ja, ja. * Äh, * aber ich denk, * logischerweise äh, * wär das zum Beispiel ein Ansatz, dass man da in der Ausbildung schon mal halt so kommuniziert auch, oder sagt: »Hey, *2*…« [I: Wie geh ich wann * wie um.] Genau. Interview 5, Z. 343–348: Als wir dann in den ersten stunden in berufsethik über den beruf gesprochen haben . ist mir klar geworden das es ne ganz wichtige thematik ist die mich vermutlich mein ganzes berufsleben lang begleiten wird und das war dann auch so also sich über zentrale fragestellung gedanken zu machen ethischer natur auszutauschen und mit anderen drüber zu diskutieren was bedeutet (…).
Subkategorie Ethik in der Ausbildung
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die Lehrperson.341 Im Gespräch erzählten die Beamt_innen von Singspielen zur Begrüßung, Kennenlernspielen und anderen Methoden, durch die sich die jungen Beamt_innen nicht ernst genommen fühlten. Diese Empfindsamkeit der jungen Polizist_innen bezüglich des Umgangs mit ihnen, steht mit Sicherheit in Zusammenhang mit der ihnen noch neuen Rolle als Polizist_in. Die Polizeiseelsorger Kurt Grützner und Claudia Klein sprechen von der Prägekraft der Organisation.342 Damit meinen sie die Veränderungen, die mit den jungen Menschen geschehen, die ihre Ausbildung bei der Polizei beginnen. Sie vollziehen sich in Verhalten, Auftreten und Sprache der angehenden Polizist_innen. Mit dem Eintritt in den Polizeidienst betreten sie Neuland, was ihre Rolle in der Gesellschaft angeht. Ideen, wie ein guter Polizist, eine gute Polizistin zu sein habe, schweben jedem und jeder vor. Gesang und Spiele, wie man es aus der eigenen Schulzeit noch kennt, lassen sich mit diesen Vorstellungen nicht vereinbaren. Ob die Inhalte des Faches nachhaltig vermittelt werden, hängt von der Kompetenz der Lehrperson ab.343 Diese soll den Unterricht so gestalten, dass die Auszubildenden damit die gesetzten Lernziele erreichen können.344 Als sehr relevanter Faktor diesbezüglich wird authentische Praxisnähe empfunden.345 Dazu ist es notwendig, dass die unterrichtenden Seelsorger_innen über Praxiserfahrungen verfügen. Eine Streife eine komplette Schicht zu begleiten, ist ein guter Anfang, um einen ersten Einblick in den Alltag der Polizist_innen zu
341 Interview 3 (Gruppeninterview), Z. 571–578: (…) das langweilige fach berufsethik das ging mir voll krass auf die nerven (…) und irgendwann ist man immer so in ein gerede reingekommen wie damals schon im religionsunterricht mit gott und der welt und so und da habe ich direkt auf durchzug geschalten (1) das war mir so egal dann (1) der hätte dann lieber noch was sinnvolles gemacht (…). und: Interview 2 (1. Teil), Z. 424–427: die dozentin war GRAUsam ((lacht))(…) ja sie war = sie warn bisschen ZU penetrant. also äh es=es warn bisschen zu sehr (.) kindergarten teilweise. (…)also dass ma zum beispiel am anfang, wir ham uns alle gekannt und dann so (.) jetz werfen wir uns den ball zu un müssen sagen wie wir heißen und dann müssen wir : äh mit unserm nachnamen jeweils ein adjektiv bilden des uns beschreibt, (…) (?mann?) also (.) des fand ich dann doch n bisschen ZU kindisch. 342 Vgl. Grützner & Kiehn 2006, S. 16f. 343 Interview 1, Z. 453–456: Ich sag des mit=mit aller vorsicht, weil (…) ich hab sehr gUte referenten in berufsethik erlebt, hab au s gegenteil erlebt. 344 Interview 1, Z. 456–463: (…) aber auch dort isch die geFAHr da, dass über theoretische darstellungen der funke nicht überspringt. (…) sprich, es muss schlicht und einfach ä:h im theoretischen bereich gelingen, s gegenüber anzusprechen. Ich muss n, ne TREFFERwirkung, um des so zusagen, haben, äh en aha-moment, dass es rüberkommt. 345 Interview Nr. 1, Z. 466–473: Hunderttausende reden davon (…) äh, dass es schlicht und einfach zunächst mal voraussetzt, dass mer sich mit m gegenüber, mit m menschen befassen muss. Des kapiere se oft(???) auch nach zwanzig jahren vorträge nicht. Und da seh ich oftmals gefahren drin, äh und des kann jemand der in der materie drin isch und des dann lEBt und nach innen voll bringt, der kann dort sehr viel machen.
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Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
gewinnen. Die Polizeischüler_innen wünschen sich eine gelingende Verknüpfung von Theorie und Praxis, Religion und Ethik.346 Wie diese Verknüpfung genau auszusehen hat und welche Themen schwerpunktmäßig behandelt werden sollten, das sollte für jede Klasse individuell im Dialog mit der Lehrperson geklärt werden.
8.2.1 Erläuterungen Der Einstellungstest für die Aufnahme in den Polizeidienst ist im Allgemeinen ein Persönlichkeitstest, in dem möglichst viele Dimensionen und Kompetenzen der sich bewerbenden Person überprüft werden. So werden kognitive und physische Grenzen ausgetestet und im Rahmen der Möglichkeiten die ethische und moralische Bildung der Bewerber_innen abgefragt. Diese Abfrage geschieht im Rahmen eines persönlichen Gespräches. In den Interviews zeigte sich, dass diese »moralische Überprüfung« zur Folge hat, dass die jungen Polizist_innen sich in ihren Alltagseinstellungen bestärkt sehen. Dies ist insofern positiv zu bewerten, als dass die Beamt_innen das Gefühl haben, ihr Dienstherr stehe hinter ihnen und ihren ethischen und moralischen Einschätzungen. Das vermittelt zwar in gewisser Weise Selbstsicherheit, bleibt aber, sofern diese Einstellungen nicht einer moralischen Urteilsfindung unterzogen werden, im leeren Raum stehen und könnte nach Ansicht der Forschungsgruppe kontraproduktiv wirken. Das Unterrichten ist eine Kunst mit vielen Kritikern. In den Ergebnissen der Interviews zeigt sich dies deutlich. Zwar herrscht einstimmig die Meinung, dass das Fach Berufsethik sinnvoll sein kann, doch welche Faktoren diese Sinnhaftigkeit beeinflussen, dazu existieren sehr unterschiedliche Ansichten. Und nicht nur die Meinungen sind sehr verschieden, einige äußere Begebenheiten sind sowohl als begünstigend als auch gleichzeitig als störend einzuordnen. Ein Beispiel hierfür ist, dass das Fach Berufsethik kein Prüfungsfach ist. Positiv daran ist zu bewerten, dass die Polizeischüler_innen eher dazu tendieren, ihre Meinungen und Ansichten ganz frei zu äußern, wenn sie sicher sein können, 346 Interview 3 (Gruppeninterview), Z. 344–345: (…) ist immer auf das thema glauben gekommen, da schalten die Leute dann halt ab (…). Und: Interview 3 (Gruppeninterview), Z. 330–336 das war schon im ?B? unterricht so (1) ich finds Ok dass wir so über das thema tod diskutieren (…) AABer die diskussion drüber ob ich der meinung bin dass ich nach dem tod ein leben habe oder sonst was sage ich mal gehören in (1) me mein beruf definitiv nicht, weil ich ein objektiver beamter bin es ist mir ganz egal wer an was glaubt,an welchen gott der vor mir glaubt (1) es sind für mich alle gleich. Und: Interview 3 (Gruppeninterview), Z. 368–370 also zum teil war gott und religion ein thema was eigentlich alle gelangweilt hat oder auch nicht angenommen wurde wo das interessa auch nicht wirklich da war.
Subkategorie Ethik in der Ausbildung
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dass diese nicht in eine Benotung einfließen. Natürlich sollen nie persönliche Meinungen bewertet werden, doch aus der Praxis ist bekannt, dass diese Befürchtung die meisten Schüler_innen begleitet. Problematisch ist demgegenüber die Tatsache, dass Schüler_innen im Allgemeinen leichter zu motivieren sind, wenn der Erfolg der Vermittlung der Inhalte sich in einer Note manifestiert. Die Meinungen mögen hier seitens der unterrichtenden Personen auseinandergehen, das Forschungsteam ist jedoch der Ansicht, dass gerade in dem Themenfeld Ethik Prüfungen und Benotungen eher hinderlich für einen nachhaltigen Erfolg des Unterrichts sind. Lehrende im Fach Berufsethik sind meist Pfarrer_innen, was bei kirchenfernen Schüler_innen anfänglich einen gewissen Widerwillen und Erinnerungen an negative Erfahrungen mit dem schulischen Religionsunterricht auslösen kann. Schon vor der ersten Unterrichtsstunde können dadurch Vorurteile im Raum stehen, wie beispielsweise die Erwartung, dass das Ziel des Fachs die Vermittlung biblisch-theologischer Inhalte sei. Diese wiederum werden für den angestrebten Beruf als irrelevant beurteilt. Befürchtungen können sich auch an die Erwartung knüpfen, dass in diesem Fach eine Konfrontation mit den unschönen Seiten des Berufs stattfindet. Die Schüler_innen wissen, dass der von ihnen gewählte Beruf sehr belastend sein kann. Immer wieder begegnete der Forschungsgruppe das Beispiel des Überbringens einer Todesnachricht. Diese Nachrichten müssen nicht nur in Folge eines Mordes oder Selbstmordes überbracht werden, am häufigsten müssen sich die Polizist_innen vielmehr im Zusammenhang mit schweren Verkehrsunfällen dieser belastende Aufgabe stellen. Dass solche Tätigkeiten in Zukunft zum Alltagsgeschäft im Beruf gehören werden, ist kein schöner Gedanke. Umso wichtiger ist es, dass die angehenden Polizist_innen intensiv darauf vorbereitet werden. Dazu ist von Seiten der Lehrenden Feingefühl vonnöten. Erwachsene zu unterrichten stellt eine besondere Herausforderung dar. Im Verlauf ihrer Ausbildung werden die Polizeischüler_innen mehr und mehr an ihre zukünftige Rolle herangeführt. Als Polizist_in muss man sich behaupten können, man muss sich seiner Sache sicher sein, bestimmt auftreten, klare Ansichten vertreten, eine Autoritätsperson sein. Um langfristig bestehen zu können, reicht es nicht, lediglich innerhalb der Arbeitszeit in diese Rolle zu schlüpfen. Vielmehr müssen diese Eigenschaften zu einem Teil der eigenen Persönlichkeit werden. Autoritäres Auftreten bedeutet noch nicht, Autorität zu haben. Nur wer sich selbst und seiner Sache sicher ist, strahlt echte Autorität aus und muss diese nicht erst beweisen. Autoritäres Verhalten ist demgegenüber ein Zeichen von Unsicherheit und äußert sich in unverhältnismäßigem Umgang mit den Mitmenschen. Im Fach Berufsethik werden die Schüler_innen mit sozialen, menschlich abgründigen Themen konfrontiert, die beim Lernenden Widerstand erzeugen
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Ergebnisse der Studie in Bezug auf Professionsethik
können. Der Lernprozess kommt aber erst dann zu einem Ergebnis, wenn diese Widerstände produktiv im Lern- und Bildungsprozess bearbeitet werden. Gelingende Lernprozesse vermitteln den Lernenden eine Basis des Selbstvertrauens und der Selbstsicherheit im Umgang mit Bürger_innen. Es obliegt der didaktischen Kompetenz der Lehrperson, dass sie durch einen entsprechenden Unterricht und eine geeignete Gestaltung der Lernprozesse das Selbstvertrauen der Lernenden stärkt. Die Lernenden müssen ihre eigenen Gefühle und Haltungen wahrnehmen, um zwischen professioneller Rolle und persönlicher Haltung und Motivation unterscheiden zu können. Der Berufsethikunterricht ist deswegen in erster Linie ein Forum der Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsbildung. Um diesen hohen Ansprüchen zu genügen, sollte sich die Lehrperson in der Polizei auskennen. So kann sie dem Wunsch der Schüler_innen nach Verknüpfung von Theorie und Praxis und dem beispielhaften Einbringen eigener Erfahrungen und Erlebnisse in der Polizei gerecht werden. Bereits früh in ihrer Ausbildung verinnerlichen die angehenden Polizist_innen, dass nur eine Person aus ihren eigenen Reihen verstehen kann, welche Themen sie in welcher Weise bewegen. Seelsorger_innen und Lehrkräfte können ihre Möglichkeiten nur dann voll ausschöpfen, wenn sie von den Beamt_innen als Kolleg_innen betrachtet werden.
9.
Aussagen zur Polizeiseelsorge und Seelsorge im Allgemeinen
Im zweiten Kapitel wurden bereits die Grundzüge und die Struktur der Polizeiseelsorge beschrieben. Im Folgenden sollen nun die Aussagen der Beamt_innen zur Polizeiseelsorge näher betrachtet werden. Sie lassen sich in folgende Subkategorien untergliedern: – Innerpolizeiliches Verhältnis (Hier sind die Beziehungen zwischen den Polizeibeamt_innen innerhalb der Polizeistrukturen gemeint.) – Beziehungsarbeit (Hier wird die Beziehung zwischen den Seelsorger_innen und den Polizeibeamt_innen im laufenden Dienst thematisiert.) – Das Verhältnis von Nähe und Distanz zwischen den Kolleg_innen und Polizeibeamt_innen und den Bürger_innen – Die Ansprechbarkeit von Polizeiseelsorger_innen während der Dienstzeit und bei außerdienstlichen Veranstaltungen – Verschiedene Gütekriterien Dieses Kapitel beleuchtet anhand der Aussagen der befragten Beamt_innen, wie sie sich zur Polizeiseelsorge positionieren und welche Erwartungen sie an diese haben. Von Bedeutung sind dabei die Vorstellungen der Beamt_innen über ein gelungenes Verhältnis zum Seelsorger, zur Seelsorgerin und darüber, welche Faktoren ein solches begünstigen oder behindern können. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert die Polizeiseelsorge in der Polizei hat, wo sie verortet ist und wie präsent sie ist. Die Frage der Präsenz steht in engem Zusammenhang mit der Ansprechbarkeit der Seelsorger_innen. Denn als präsent kann ein Seelsorger, eine Seelsorgerin nur dann empfunden werden, wenn sie für den einzelnen Beamten, die einzelne Beamtin im Bedarfsfall auch ansprechbar ist. Die tatsächliche Ansprechbarkeit wird aber in dem Maße geringer, je größer das zahlenmäßige Missverhältnis zwischen zu betreuenden Beamt_innen und verfügbaren Seelsorger_innen ist.
142
9.1
Aussagen zur Polizeiseelsorge und Seelsorge im Allgemeinen
Innerpolizeiliches Verhältnis
Die strukturellen Veränderungen in der Landespolizei Baden-Württemberg beeinflussen auch seelsorgliche Gespräche. Die Polizeiseelsorger_innen beobachten in ihren Gesprächen immer wieder, dass Strukturveränderungen von den Gesprächspartner_innen thematisiert werden. Auf der individuellen Ebene lösen die durchgeführten und noch geplanten Strukturveränderungen persönliche Ängste und Befürchtungen aus, die auf die professionelle Haltung der Polizeibeamt_innen zurückwirken. Notwendig wäre aber auch außerhalb seelsorglicher Kommunikation der polizeiinterne Diskurs über die Folgen der Strukturreform.347 Diese »neue Polizei« fordert die einzelnen Beamt_innen individuell dazu auf, sich als Teil des Reformprozesses zu betrachten und aktiv daran teilzunehmen, um der Gefahr einer Entfremdung zu entgehen.348 Wenn immer weniger Polizeibeamt_innen für ein immer größeres Gebiet zuständig sind, fällt eine Identifikation mit der Region und der dort ansässigen Kultur und Lebensweise immer schwerer.
9.2
Beziehungsarbeit, Nähe und Distanz und Ansprechbarkeit von Polizeiseelsorger_innen
Die Arbeit von Polizeiseelsorger_innen ist geprägt von Beziehungsarbeit. Empathie, Anteilnahme und Verständnis bilden die Grundlage der Arbeit der Seelsorger_innen im polizeilichen Dienst. Unabdingbare Voraussetzung für diese Arbeit ist, dass ein Vertrauensverhältnis zu den Beamt_innen hergestellt werden kann. Zu klären ist in diesem Zusammenhang, wie ein solches Vertrauensverhältnis durch einen Außenstehenden aufgebaut werden, wie also 347 Interview 1, Z. 74–81: ja, äh, ich denk äh im deteil sind oschwald und rotzinger darauf eingegange, des sind sind ja auch mACHer in dem bereich, äh, ich bin in dem, bei dem thema außen vor=weil= i=au im ruhestand bin. Äh, ich selbst halt strukturelle veränderungen für nOtwendig, in dieser form halt ich’s NI:cht für notwendig. Äh, auch nicht für SINNvoll, weil es sind für mich keine strukturveränderungen. Es gibt=ne=neue, in meiner bewertung, ne neue polizei. 348 Interview 1, Z. 92–105: aber nICHt an der polizeiseelsorge. ((alle lachen)) kritikpunkte ja:, also ich bin äh, wie gesagt n, war die ganzen jahre n verfechter davon, dass wir uns verändern mÜSsen, weil mer einfach zu gravierende unterschiede drin haben, äh, aber diese dimension äh mein=ich=geht auf ne entFREMDung des einzelnen hin und da seh ich riesen probleme=und zwar schlicht und einfach deswegen, weil die polizei und damit die gesellschaft (.) in weiten, in sehr weiten teilen von der motivation des einzelnen beamten lebt. Und desch etwas, was ich in den über vier jahrzehnten in der polizei iMmer miterlebt hab, SELBst, obwohl ich meine die polizei GUT zu kennen, immer wieder überrascht war, was die kolleginnen und kollegen lEisten, WENn’s drauf ankommt.
Beziehungsarbeit, Nähe und Distanz und Ansprechbarkeit
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Beziehungsarbeit gelingen und gegenseitige Akzeptanz wachsen können, was in einigen Interviews thematisiert wird. Beispielsweise sollen Polizeiseelsorger_innen nicht in einem negativen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Dienstherren stehen. Dagegen ist ein positives Verhältnis zu den jeweiligen Dienststellenleiter_innen so gut wie unabdingbar und macht die Zusammenarbeit um vieles leichter.349 Von Vorteil ist die Offenheit der Führungspersönlichkeiten für interne Themen, Strukturen und Probleme innerhalb der Polizei.350 Diese Offenheit ist wichtig, da jede einzelne Dienstgruppe einen abgeschlossenen Kosmos darstellt, in den nur schwer hineinzukommen ist.351 Um aber eine gute Beziehung zu den einzelnen Polizeibeamt_innen aufzubauen, braucht es die Akzeptanz von Seiten der Dienstgruppe. Demnach muss die Führungsebene dem Seelsorger, der Seelsorgerin den Weg zu den unteren Organisationseinheiten bereiten. Dazu sind ein wechselseitiger offener Umgang und Geduld unabdingbar.352 Unterstützend ist die körperliche Präsenz der Polizeiseelsorger_innen auf den Dienststellen von größter Wichtigkeit.353 Der Besuch des Seelsorgers, der Seelsorgerin auf der Dienststelle kann die Grundlage für Vertrauen schaffen. Vertieft werden kann dieses Vertrauen jedoch nur durch regelmäßiges Aufeinandertreffen und persönliche Gespräche über den Alltag im Dienst und auch außerhalb des Berufs. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang sein, wenn die Seelsorger_innen Gelegenheiten wahrnehmen, an polizeiinternen Veranstaltungen teilzunehmen. 349 Interview 1, Z. 357–364: äh aber würde auch zu ner ja absoluten kollision zwangsläufig führe müsse äh und würde äh grad in der dienstlichen führung zu ner noCH größeren entfremdung führen. Sondern äh ZUSAmmen ist vielleicht der falsche ausdruck, also der polizeiseelsorger KAnn, DArf nicht der handlanger des dienstellenleiters {{gleichzeitig}}sein} Aber wenn die beide sich verstEHn, dann isch vieles leichter. 350 Interview 1, Z. 369–375: I1: Was wär des für ne hilfe? P: (2) die hilfe dass mer mit ihm im vorfeld sehr sehr OFFen über struktu:ren, über internas und über probleme spricht. I1:mhm. Also der dienstgruppenleiter oder was . P: äh ich seh’s zunächst sogar sehr viel wEiter oben. Der dien=der dienstgruppenleiter wird ihm wenn er ihn nicht kennt, zu beginn nix sagen. 351 Interview 1, Z. 377–378: also 90 % wird er ihm nicht sage. Weil da isch sowieso, die dienstgruppe desch n abgschlossener kosmos. 352 Interview 1, Z. 380–394: äh, äh da kommt n außenstehender net unbedingt äh rein. zumindest net innerhalb von vierzehn dag ((lachend)). äh sondern DORt muss ihm von der führung her der weg bereitet werden. Äh und des setzt voraus, dass die=die führung, ich betracht’s jetzt mal noch durch die NOch bestehende organisationsform, der pd-leiter n wirklich sehr offenen umgang mit ihm hat, ihm die aspekte, wie ER sie sieht, nur so kann mer se au dann äh auch mache, au offen darlegen, ihm auch die probleme aufzeigen und ihm DANN zunächst nadürlich mal äh über führung und äh andre bestehende strukturen bekannt macht, hineinbringt, die vertrauens – äh – grundlage dafür schafft und auf DEM weg dann ÜBer’s revier, über die jeweilige organisationseinheit weiter nach unten, bis zur schicht und bis zum posten. aber desch n langwieriger prozess. 353 Interview 1, Z. 525f: also nadürlich muss mer sich auf der dienststelle SEhen lassen.
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Aussagen zur Polizeiseelsorge und Seelsorge im Allgemeinen
Veranstaltungen wie das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« werden von den Polizist_innen nur wahrgenommen, wenn sie vertrauensfördernd wirken.354 Die Beziehung ist also der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Für sie ist natürlich auch die individuelle Persönlichkeit des Seelsorgers, der Seelsorgerin relevant.355 Er oder sie muss in Ausübung professioneller Seelsorge authentisch bleiben und in der Situation zugleich angemessen handeln.356 Ein Hilfeangebot, das den persönlichen Bezug vermissen lässt, ist in vielen Fällen 354 Interview 1, Z. 492–512: erfahrbar is s im=im persönlichen konTAKt und im regelfall (2) kann für mich da:bei der besuch auf der dienststelle nur die die grUNdlage schaffen. Der GROßteil fragt oder nee, nicht der großteil, ALles, was w-wirklich relevant isch, wird nie auf der dienststelle passieren. egal, ob gespräche oder sonst irgendwas, äh, da sind die, ich weiwie gsagt, ich weiss nicht wie des in anderen berufszweigen isch, ob’s dort dann einfacher geht, äh aber da hab ich’s immer so kenneglernt, da sind die kollegen noch zu=zu zurückhaltend. die=des thema motorradtouren, wie’s der bernd götz macht, äh glaub ich isch nicht, nee, da=bin=ich=mir=sicher, isch nicht mittel zum zweck, sondern isch ausdruck davon, wie sEHr er im KREIs der kollEGEn als person, als mensch geschätzt isch. sondern ich weiss nicht, gartenfeste oder was, also dass man die polizisten irgendwie auch privat animiert etwas zu unternehmen und dort dann diese situationen entstehen, in denen sie sich öffnen KÖNnen?. 355 Interview 1, Z. 338–355: also jetzt bin ich davon überzeugt, ne vertrauensbasis, wie se der bernd götz hAt, glaub ich gibt’s im lande kein zweits mal. Äh des hängt sicher (.) ausch-fast ausschließlich an seiner person und auch an dem, was er alles in der vergangenheit durchgmacht hat. Äh und dann nadürlich die ganze AR:t, aber ich geh jetzt mal davon aus, so waren alle polizeiseelsorger, die ich bisher erlebt hab, äh jeder isch bemÜHt und will sich einbringen und will die polizei auch verstEHEn. Desch manchmal ganz schön schwierig ((lacht)), hab ich festgestellt ((I1 lacht)) äh und dabei brauch er hilfe. und wenn DES gelingt, dann isch’s genau der richtige weg und dann kann’s nicht genug sein. nur EINES geht nicht, ich kann nicht hingehen und sagen, ok ich hab hier jetzt nen polizeiseelsorger, der deckt die seelischen menschlichen probleme der polizisten ab und des thema isch erledigt. DAS wÄre erstens au bei meinem führungsverständnis der absolut falsche weg und des isch führungsverantwortung. 356 Interview 1, Z. 556–580: äh es gab in der vergangenheit im ganze land nur zwei hauptamtliche konfliktberater in der polizei. also bei dienststellen, nicht jetzt an der akademie, und einen davon hab ich in freiburg installiert. (2) äh und DIE wirkung die in der FOLge, aber auch dort gilt’s selbe wie beim polizeiseelsorger, ja, wenn die person nicht pASSt, dann kann der vorträge halte, von dem wird nie jemand was wolle, da isch immer eitel sonnenschein, jetzt isch alles wunderbar. Äh wenn er gut isch, der in freiburg isch RICHtig gut ((P und I1 lachen)) äh dann passiert des, was ich ihm da mindestens jeden monat einmal gsagt hab. I=hab=gsagt mensch hör zu, tritt kürzer. es isch niemandem gedient, wenn du am schluss au kaputt bisch. weil dann isch wirklich rund um die uhr wo er mit ALlem mögliche dinger konfrontiert wird. und wenn DIese grundlage da isch und auch dort dann auch des zusammewirken auch DES hat bei uns auch mit den seelsorgern sehr gut geklappt, dann kann man wirklich sehr sehr vieles für den EINzelnen in der polizei aber auch für polizei im gsamte mache. und deswegen ((zieht luft ein)) hoff ich sehr stark, dass die institution kirche, BEIde konfessionen, äh den stellenwert und auch die chANchen, die für die kirche damit verbunden sind, erkenne und etwas stärker in den fokus rücke und in der führung der polizei wünsch ich mir des noch deutlich mehr.
Gütekriterien
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nicht ausreichend. Vertrauen entsteht nicht allein durch einen Namen und ein Bild im Intranet.357 Nur weil alle genannten Aspekte eines gelungenen Beziehungsaufbaus erfüllt waren, konnte eine Veranstaltung wie die von Landespolizeiseelsorger Bernhard Goetz überhaupt gelingen. Dieses Projekt war Ausdruck seiner guten Beziehungsarbeit.358
9.3
Gütekriterien
Wenn also die Qualität der Arbeit in diesem Maße an der Persönlichkeit des Seelsorgers, der Seelsorgerin hängt, muss es ein klares Anforderungsprofil für diese Arbeit geben. Als persönliche Voraussetzungen der Seelsorger_innen sind Eigenschaften wie Kontaktfreude, Kollegialität, Anteilnahme, Einfühlungsvermögen oder auch praktisches Mitdenken vonnöten.359 Allem voran brauchen Seelsorger_innen allerdings die Gabe, ein Vertrauensverhältnis zu den Beamt_innen herstellen zu können.360 Polizeiseelsorger_innen müssen Charisma haben sowie Leidenschaft für ihren Beruf.361 Sie sollten sich fürsorglich um die Personen bemühen, die ihnen 357 Interview 2, Z. 528–534: online dann de- der verweis äh polizeiseelsorge, aber dann is natürlich auch dann immer noch die HÜRDE, ruf ich da jetz zum beispiel an oder schreib ich da jetz ne Email. wenn der = wenn da ständiger kontakt WÄRE, un man die person vielleicht dann au schon KENNEN würde also jetz nicht an nen UNBEKANNTEN schreibt, I: des ganze ein gesicht hat, P: dann denk ich mal: äh würd es vielen leichter fallen. 358 Interview 1, Z. 1ff: …mit dem projekt von herrn götZ. Mit diesem »cop-art« was er in heidelberg durchgeführt hat. Des war so sein anstoß, dass er was machen möchte. (.). 359 Interview 1, Z. 492–505: erfahrbar is s im=im persönlichen konTAKt und im regelfall (2) kann für mich da:bei der besuch auf der dienststelle nur die die grUNdlage schaffen. Der GROßteil fragt oder nee, nicht der großteil, ALles, was w-wirklich relevant isch, wird nie auf der dienststelle passieren. egal, ob gespräche oder sonst irgendwas, äh, da sind die, ich weiwie gsagt, ich weiss nicht wie des in anderen berufszweigen isch, ob’s dort dann einfacher geht, äh aber da hab ich’s immer so kenneglernt, da sind die kollegen noch zu=zu zurückhaltend. die=des thema motorradtouren, wie’s der bernd götz macht, äh glaub ich isch nicht, nee, da=bin=ich=mir=sicher, isch nicht mittel zum zweck, sondern isch ausdruck davon, wie sEHr er im KREIs der kollEGEn als person, als mensch geschätzt isch. 360 Interview 1, Z. 325–336: ok. Uns wurde schOn von herrn rotzinger so gesagt, dass gerne mehr polizeiseelsorge P: mhm. I1: also er wüsste nicht dass es einen polizeiseelsorger gäb, der mal irgendwann freizeit hätt oder sagt, gebzt er was zum tun. Äh, könnten sie des so unterSTÜtzen? P: absolut. Desch keine frage. ABER es setzt voraus, dass es gelingt, den polizeiseelsorgern, auch da=dort gibt’s unterschiede, wie in jedem Bereich= I1: mhm. P: wirklich in der polizei zu implementieren. (.) es MUss die vertrauensbasis da sein. 361 Interview 1, Z. 556–580: äh es gab in der vergangenheit im ganze land nur zwei hauptamtliche konfliktberater in der polizei. also bei dienststellen, nicht jetzt an der akademie, und einen davon hab ich in freiburg installiert. (2) äh und DIE wirkung die in der FOLge,
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Aussagen zur Polizeiseelsorge und Seelsorge im Allgemeinen
anvertraut sind362 und stets Präsenz zeigen. Werden diese Kriterien erfüllt, kann ein Seelsorger, eine Seelsorgerin unersetzbar sein.363 Es zeigt sich, dass an die Seelsorger_innen hohe Ansprüche und Erwartungen herangetragen werden, mit denen sie in ihrer eigenen Seelsorgeausbildung umzugehen lernen müssen. Seelsorger_innen müssen auch negative Reaktionen ihres Klientels verarbeiten. Aus den Ergebnissen, zu denen die Befragung in Bezug auf das Thema Seelsorge im Allgemeinen und Polizeiseelsorge im Besonderen geführt hat, lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Bei der Ausbildung der Seelsorger_innen muss auf die genannten Bereiche der Persönlichkeitsbildung von Polizeibeamt_innen mehr Wert gelegt werden. Das kann auch bedeuten, dass Zusatzqualifikationen für die Arbeit in spezifischen Seelsorgebereichen erworben werden müssen. Davon ist nicht allein die Polizeiseelsorge betroffen, gleiches gilt auch in anderen Seelsorgebereichen, wie beispielsweise Krankenhaus- oder Notfallseelsorge.
aber auch dort gilt’s selbe wie beim polizeiseelsorger, ja, wenn die person nicht pASSt, dann kann der vorträge halte, von dem wird nie jemand waswolle, da isch immer eitel sonnenschein, jetzt isch alles wunderbar. Äh wenn er gut isch, der in freiburg isch RICHtig gut ((P und I1 lachen)) äh dann passiert des, was ich ihm da mindestens jeden monat einmal gsagt hab. I=hab=gsagt mensch hör zu, tritt kürzer. es isch niemandem gedient, wenn du am schluss au kaputt bisch. weil dann isch wirklich rund um die uhr wo er mit ALlem mögliche dinger konfrontiert wird. und wenn Diese grundlage da isch und auch dort dann auch des zusammewirken auch DES hat bei uns auch mit den seelsorgern sehr gut geklappt, dann kann man wirklich sehr sehr vieles für den EINzelnen in der polizei aber auch für polizei im gsamte mache. und deswegen ((zieht luft ein)) hoff ich sehr stark, dass die institution kirche, BEIde konfessionen, äh den stellenwert und auch die chANchen, die für die kirche damit verbunden sind, erkenne und etwas stärker in den fokus rücke und in der führung der polizei wünsch ich mir des noch deutlich mehr. 362 Interview 6, Z. 302–305: * Und wenn ich einen Kollegen an der Seite hab, mit dem ich was erlebt hab, und das passt nicht zwischen uns oder man sagt jetzt: »Das ist jetzt nicht meine Vertrauensperson Nummer Eins.«, dann weiß ich jetzt auch nicht, ob ich mich mit dem zusammensetzen würde und ähm *. 363 Interview 8, Z. 424–434: also wenn des, wenn er jetzt präsenter sein könnte oder wenn sag ich mal ihn als person sondern wenn ein polizeiseelsorger präsenter sein könnte. P: des wäre natürlich toll, wobei man immer man schauen muss, washeißt präsent sein. wenn ich jetzt hier, wenn ich jetzt hier für, also unseren polizeipfarrer nehm ja, (ähm) allein für den bereich der polizeidirektion heidelberg, ja {mhm} also von weinheim über eberbach bis nach sinsheim, ja {mhm} (ähm) und der polizeipfarrer sitzt hier in heidelberg ja. dann ist es ja regional in heidelberg. {mhm} und der macht bestimmt auch in eberbach gute arbeit nur da kommt er nicht hin. den sieht man net ja. also da ist auch die frage der wegzeit berechnung. was geht, was geht nicht, ja {mhm} wenn des alles ??.
10. Verhältnis der Polizei zur Religion
Begriffe wie Moral, Ethik und Pflichtgefühl fokussieren Dimensionen der moralischen Urteilsfindung, die Polizist_innen unterstellt werden und die von ihnen gefordert sind. Eine vergleichbare Wertebasis findet sich in professionellen Ethikdiskursen der Institution Kirche, was auch die Basis für die Profession und Praxis der Polizeiseelsorge darstellt. Verantwortliches Handeln, der Einsatz für Recht und Frieden, der Einsatz für die Benachteiligten der Gesellschaft und der Kampf für eine gerechtere Welt werden als Aufgaben sowohl der Polizei wie auch der Kirche als Institution und Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern (vgl. Theologische Erklärung von Barmen I–VI) verstanden. Es scheint, als bestünden zwischen den vordergründig so verschiedenen Institutionen mehr Gemeinsamkeiten als es zunächst erscheinen mag. Das Bild von Kirche hat in der Gesellschaft stark gelitten, was einerseits auch den medialen Aufregungen in den vergangenen Monaten (Missbrauchsvorwürfe, Geldverschwendung usw.) geschuldet sein mag. Andererseits existieren jedoch auch tiefergehende Umbrüche in der Gesellschaft, die mit Pluralisierungs- und Säkularisierungstendenzen zusammenhängen und tiefe Verunsicherungen und Orientierungsschwierigkeiten anzeigen. Die Institution Kirche hat ihre Vorbildfunktion in Bezug auf Nächstenliebe und gerechtes Handeln vielfach eingebüßt und steht in massiver Konkurrenz zu anderen Sinnagenturen dieser Gesellschaft; ein einfaches Dasein privilegiert nicht mehr, und Kirche muss sich in verschiedenen gesellschaftlichen Diskursen neu aufstellen und zeigen. Der Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst im Frühjahr und Sommer 2014 oder die zahlreichen Missbrauchsfälle seien hier nur beispielhaft genannt. Dabei wird meist nicht zwischen den christlichen Konfessionen differenziert. Die Ereignisse werden pauschal »der Kirche« zugeschrieben und nicht mehr handelnden Akteur_innen in der Kirche. Auf diese Weise ist die Kirche in den Augen der Kritiker_innen vom Vertreter der Gerechtigkeit und Vorbild für moralisch-ethisches Verhalten zum unglaubwürdigen »Moralapostel« und überflüssigen Relikt vergangener Zeiten avanciert. Die Leistungen der Kirche werden dabei kaum wahrgenommen, da die Skandale dazu geeignet sind,
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Verhältnis der Polizei zur Religion
die guten Taten zu überschatten. Ähnliche Auffassungen sind vermutlich auch unter den befragten Polizist_innen zu erwarten, ohne dass sich daraus eine Aussage über die konfessionelle Zugehörigkeit oder den Glauben derselben machen lässt. Ihre eigene Religiosität darf in ihrem Arbeitsleben allerdings keine Rolle spielen. Hier müssen sie professionell und neutral auf andere Konfessionen und Kulturen zugehen. In der heutigen Zeit kommen sie nicht umhin, offen gegenüber religiöser Vielfalt zu sein. Wir befinden uns in einer pluralen, globalisierten Gesellschaft. In Deutschland leben derzeit 10.758.000 Migranten364 aus unterschiedlichen Kulturen und mit verschiedenen Religionszugehörigkeiten. Auch das Thema der religiösen Vielfalt wurde von den Beamt_innen in den Interviews aufgegriffen. Sie betrachten es als selbstverständlich, fremden Kulturen und anderen Religionen mit Respekt entgegenzutreten.365 Dies begründen sie wiederum mit ihrem ethisch-moralischen Gewissen und ihrer polizeilichen Aufgabe. Ein offener und respektvoller Umgang mit diesen Menschen und ihren Lebensumständen ist daher unabdingbar. Auf ethisch korrektes Verhalten wird bereits in der Ausbildung der Polizeibeamt_innen viel Wert gelegt. Im Fach Berufsethik werden Diskurse über moralisch korrektes Verhalten und den Umgang mit dem Bürger thematisiert und ethisch sowie christlich begründet. Zugrunde liegen hier die etablierten Ethiker wie beispielsweise Niklas Luhmann und Lawrence Kohlberg. Polizeiseelsorge ist eine Dienstleistung der Kirche an den Polizist_innen. Durch sie tritt die Kirche in die Welt der Polizei und somit auch in ihre Strukturen ein. Seelsorger_innen treten als Vertreter der Kirche auf. Hier besteht die Gefahr, dass die Seelsorger_innen nicht als solche wahrgenommen, sondern als »Schachfiguren« der Institution Kirche und somit mit ihren Skandalen und den negativen Schlagzeilen in Verbindung gebracht werden. In diesem Falle haben die Seelsorger_innen zuerst mit den Vorurteilen gegen die eigene Person zu kämpfen, was den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses behindert, welches in ihrer Arbeit so wichtig ist. Doch wo ist der geeignete Ort für ein Zusammentreffen von Seelsorger_innen und Polizeibeamt_innen, um etwaige Vorurteile zu beseitigen? Meist findet das erste Aufeinandertreffen von Seelsorger_in und Polizist_in im Berufsethikun364 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Onlinelexikon zur politischen Bildung. Artikel »Migration«. Online unter : https://www.bpb.de/fsd/3D-GLOBUS/migration.html [abgerufen am: 01. 12. 2013; 9.14 Uhr]. 365 Interview 2, Z. 25–31: P. da brech ich mir doch dann keinen ab. aber ich erWEIS der religion und dem (2)[den menschen] moscheeverein (.) meinen reSPEKTun hab gleichn ganz andre verbindung. man hat = man kommt gleich GANZ anders ins gespräch un wird gleich GANZ anders behandelt. I: mhm P: un da is doch scheißegal welche religION, es kommt EINfach nur drauf an reSPEKT, NÄCHSTENliebe, FREUNDlich zueinander sein.
Verhältnis der Polizei zur Religion
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terricht statt. Dieses erste Aufeinandertreffen ist von großer Bedeutung für die weitere Arbeit des Seelsorgers, der Seelsorgerin. Wenn es nicht positiv in Erinnerung bleibt, wird der Zugang zu den Polizeibeamt_innen unter Umständen nachhaltig erschwert. Die meisten Polizeibeamt_innen formulieren die Befürchtung, dass bei einer Inanspruchnahme der Polizeiseelsorge die Themen »Gott« und »Bibel« im Mittelpunkt stehen könnten.366 Diese befürchtete Verknüpfung wirkt für viele abschreckend.367 Kirche wird aufgrund des entwicklungspsychologischen Status von Polizeianwärter_innen oft mit Konservatismus und rigider Moral gleichgesetzt368, was darauf schließen lässt, dass im Bereich moralischer Urteilsfindung in entwicklungspsychologischer Perspektive Nachholbedarf bei der Institution Polizei besteht und individuell, dass sich die meisten Polizeibeamt_innen auf einem prä- beziehungsweise konventionellen Niveau moralischen Urteilens eingerichtet haben. Die vermeintlich konservativen Ansichten passen ihrer Meinung nach nicht zu ihrem Berufsbild und dem von ihnen geforderten Umgang mit den Menschen. Der Berufsethikunterricht ist für viele der einzige Berührungspunkt mit der Polizeiseelsorge. Dieser wird von den Beamt_innen auch durchaus als relevant erachtet, jedoch kann in ihren Augen auf theologische Dimensionen verzichtet werden.369 366 Interview 2, Z. 675–678: un viele denken halt wenn sie kirche hören sofort an so festgefahrene dinger un dieses (.) sture un dann wieder dieses (.) bibeldenken un denken gar nich an so jemand wien bernhard der halt öh ja. 367 Interview 2, Z. 563–577: P: weil polizeiseelsorge, kirche denken halt viele dann auch, äh ja ich hab jetz keine lust da jetz mir irgendwas von: gott oder was weiß ICH anzuhören. dadrum GEHT’S mir net sondern s’geht mir jetz um ne bestimmte situaTION oder um die situation allgeMEIN (.) un ich will einfach mal dass mir vielleich jemand ZUhört oder au auch vielleich mal sagt hey des kannste machen, vielleich au mal nen kleinen RATschlag gibt. I: mhm P. un=un ich denk viele (.) glauben bei der polizeiseelsorge dann immer noch so, haja kirche, I: der will dann mit mir über gott reden P: er will dann mit mir über gott reden un sagen ja: und da in der bibel steht dass äh is=is so. I: mhm, aber es is DEfinitiv ne beziehungsarbeit, die da vorherrschen muss? Oder. 368 Interview 3, Z. 571–579: PM : ja das ist hauptsächlich ((…) dialekt) was wir mit dem Seelsorger verbinden das ist in der ausbildung gewesen das langweilige fach berufsethik das ging mir voll krass auf die nerven (1) (2) dieses ((nimmt luft)) (1) diese themen sind wie ich schon gesagt habe bei uns waren die seelsorger alle pfarrer (1) haupt oder nebenberuflich (1) keine ahnung (1) und irgendwann ist man immer so in ein gerede reingekommen wie damals schon im religionsunterricht mit gott und der welt und so und da habe ich direkt auf durchzug geschalten (1) das war mir so egal dann (1) der hätte dann lieber was sinnvolles gemacht wie nochmal sport oder keine Ahnung ((zwischenruf) scheiß) ((…) durcheinander geredet) = ?. 369 Interview 3, Z. 322–339: PM : ich weiß nicht grundsätzlich ist die durchführung schon fast unmöglich wenn wir ehrlich sind wenn wir uns anschauen wieviel dienst wir haben und wie groß wir in der verteilung sind (1) ein seelsorger hat gar nicht die zeit bei uns so präsent zu sein, dass wir ihn kennen aber sagen wir mal dass es funktioniert (1) (2) ähm stoß ich mich
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Verhältnis der Polizei zur Religion
Es ist zu vermuten, dass die Polizeibeamt_innen das Angebot der Polizeiseelsorge auch nicht aktiv nutzen, wenn die theologische Dimension bei den dort stattfindenden Gesprächen zu sehr in den Vordergrund gerückt wird.370 Es gibt jedoch auch Beamt_innen, die ein sehr positives Verhältnis zur Institution Kirche haben. Sie stellen eine Beziehung zwischen ihr und der Tugend der Nächstenliebe her.371 Diese kann als Vorbild für den Umgang mit den Mitmenschen gelten. Der Glaube der Polizeibeamt_innen beeinflusst auf diese Weise auch ihr Verhalten im Dienst.372 persönlich ich sag jetz nicht dass ich irgendwie nicht gläubig bin oder so an dem wort seelsorger ich hätte lieber, wenn ich ein burnout habe einen psychologen als einen seelsorger (1) weil ich nicht über gott oder so was reden möchte sondern wenn nuuur (.) definitif von meinen problemen und das beheben möchte ich möchte (.) das war schon im ?B? unterricht so (1) ich finds Ok dass wir so über das thema tod diskutieren und für die angehörigen und wie rede ich mit den Leuten und so das ist für mich so die objektive betrachtungsweise (1) AABer die diskussion drüber ob ich der meinung bin dass ich nach dem tod ein leben habe oder sonst was sage ich mal gehören in (1) me mein beruf definitif nicht, weil ich ein objektiver beamter bin es ist mir ganz egal wer an was glaubt,an welchen gott der vor mir glaubt (1) es sind für mich alle gleich deswegen ist es mir auch (1) (2) für mich auch kein wichtiges thema ob ich jetzt ((Pause)) über gott mit so leuten quatsch weil, das kann jeder für sich entscheiden aber es sollte objektiver sein sag ich jetzt mal ?bei der Hilfe? =. 370 Interview 4, Z. 305–325: isch//ist, denk ich, auch klar. I: Denkst du, dass die ähm, religiöse Dimension, die ja bei nem Seelsorger immer so mitschwingt [P: Mhm.], auch ein, ne Chance oder sogar vielleicht auch ne Hürde sein könnte? P: Hm, ich sag mal, wenn einer jetzt ähm, *2* also ein Kollege, der komplett *2* [I: Kirchenfern.] vonvornherein, ja, von vornherein so eingestellt ist, ja, [I: Mhm.] * der wird ja niemals das Angebot wahrnehmen. *4* I: Mhm. *4* Ja, der Bernhard Goetz ist ja auch niemand, der mit der Bibel dasteht und sagt: »Na ja, schönen guten Tag, wollen Sie mit mir über die Bibel sprechen?« P: Natürlich nicht, ja. Aber, *2* wenn jetzt jemand * eher gegen diese ganze Sache eingestellt ist, dann äh, denk ich, wird er vielleicht nen anderen *2* Kanal wählen. Was weiß ich, dann geht der halt, * es gibt ja auch nen Personalrat [I: Mhm.] * zum Beispiel im Haus oder es gibt, je nachdem, was es halt für ein Thema ist, eine Frauenbeauftragte oder oder oder, ja? Es gibt ja verschiedene *2* Anlaufstellen dann, ja. I: Mhm. *3* Okay. *3* Also, denkst du, es ist eigentlich sinnvoll für diejenigen, die jetzt * schon releg//religiös sozialisiert sind, die können da schon hingehen, aber für jemand, der jetzt weniger damit zu tun hat, ist das * Angebot weniger geeignet. P: Nee, so würd ich’s nicht sagen. Ich würd sagen, das Angebot ist für jedermann geeignet, [I: Mhm.] * nur ich weiß nicht, ob derjenige, der vornherein halt schon so ne Einstellung hat, [I: Okay.] * ob der das Angebot dann auch bereit ist, so anzunehmen. 371 Interview 2, Teil 2, Z. 37–53: P: jA; un (.)= un für MICH is halt wie gesagt äh kirche beziehungsweise (1) religion, glaube is für mich einfach diese NÄCHSTENAliebe. ich hab= ich bin überHAUPT nich bibelbelesen. (2) aba EIN satz in der bibel der is mir IMMER hängen geblieben (2) un= un im grunde is es au der= DER satz den ich aus der bibel wirklich mag. wo drinsteht,(1) heb einen stein und du wirst mich FINden. I: mhm P: wo im grunde in der bibel drinsteht man BRAUCHT KEIne KIRche zumindest des geBÄUde NICHT. I: mhm P: sondern skommt drauf an was man MACHT; wie mer HANdelt. I: dass es jeder EINzelne is der (.) zum HANdeln aufgefordert ist. (3) (?des?) is doch schön. P: weil da steht ja im grunde wortwörtlich drin man muss nich in die KIRCHE gehen um zu gott zu kommen. wenn man an gott als- I: mhm P: solcher glaubt. 372 Interview 7, Z. 121–123: identifikation liegt ein=mal im (.) ähm geschlossenen raum.
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Das bedeutet freilich nicht, dass allein der Rückbezug auf christliche Werte und ein christliches Menschenbild die Grundlage für gutes Handeln oder Verhalten im Dienst sein kann. So gibt es auch viele Polizist_innen, welche neutral zu der Institution Kirche stehen373 oder sich sogar gänzlich von der Kirche und dem Begriff der Religionsgemeinschaft distanzieren und sich selbst lediglich als »Menschenfreunde« betrachten. Das Bild von Kirche ist in der Polizei also zwiegespalten. Um für die Beamt_innen präsent zu bleiben, nehmen die Polizeiseelsorger_innen immer wieder auch an Veranstaltungen der Polizei, wie zum Beispiel Betriebs- und Weihnachtsfeiern, teil374 und pflegen so die kommunikativen Beziehungen zu den Polizeibeamt_innen.375 Aufgrund der Leistungen der Seelsorger_innen bei solchen Veranstaltungen und im laufenden Polizeidienst wird die Polizeiseelsorge seitens der Polizei als sehr wertvoll und wichtig wahrgenommen. Trotz dieser hohen Relevanz und Bedeutsamkeit wird sie leider von Seiten der Institution Kirche und Institution Polizei stiefmütterlich behandelt.376 Ihre Arbeit ist wichtig und für viele Polizeibeamt_innen eine Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags. Zu hoffen ist, dass dies vor allem auch auf Seiten der Kirche wahrgenommen wird.377 Die Polizei sieht darin eine Chance für alle
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[mhm] ich bin sehr fromm, sehr gläubig und das ist der geschlossene raum dann wo die sache miCH birgt. Interview 8, Z. 243–257: I: sehen sie die religiöse dimension als eine chance die (ähm) die polizeiseelsorge da hat oder eher. als hinderdnis? P: sowohl als auch. also für den einzelnen menschen sehe ich es als chance ja {mhm} (ähm) für die organisation sehe ich es manchmal als hemmschwelle, ja {mhm} weil des dann so, müssen wir uns da mit was ??unwissenschaftlichen?? oder was auch immer beschäftigen{mhm} oder gibts da menschen die uns reinreden wollen in die organisation ja, also kirche ja {mhm} (ähm) (1) wobei des sich natürlich sich in der form ??nivelliert?? ja das, das ist so mein erleben im bereich der führungskräfte ja (ähm) also wie se jetzt vorhin den herrn ??Amann? genannt haben ja, also wirklich die oder unser direktionsleiter ja {mhm} wenns da um polizeiseelsorge geht, da reden wir nicht über gott und religion ja, sondern da reden wir darüber was zukünftig menschen tun in der organisation ja {mhm} u:nd dieses tun wird getragen durch die polizeiseelsorger durch den glauben ja, also von daher gibts sagen wir mal nicht so wie die religion in der ersten klasse, sondern da trägt das menschenbild und das ist wichtig. Interview 5, Z. 319–321: beispielsweise beamtenweihnachtsgottesdienste und ähnliche veranstaltungen gelungen wo polizei und kirche auch sehr eng miteinanderzusammen arbeiten das isch aber eigentlich nicht mehr polizeiseelsorge. Interview 5, Z. 303–306: dienstversammlungen dabei sind vorallem regelmäßig bei sonstigen veranstaltungen zum beispiel weihnachtsfeiern dabei machen a kirchlichen part oder seelsorgerlichen part zum beispiel diese figur die da aus der austellung aus heidelberg stammt Paul heißt er glaub ich (mehrfach nennung von allen). Interview 1, Z. 540–545: P: (2) ja gut, wir habbe’s in=in bei jeder frage und bei=bei jeder antwort im prinzip drin, äh für wie wichtig ich die polizeiseelsorge halt. äh und äh für mEIine einschätzung äh wird se sowohl IN der polizei aber auch von der=n kirchen als organisaTION äh nach wie vor zu stiefmütterlich behandelt. Interview 1, Z. 570–580: und wenn DIese grundlage da isch und auch dort dann auch des
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Verhältnis der Polizei zur Religion
Beteiligten und begrüßt jegliche Intensivierung und Ressourcenerweiterung auf dem Gebiet der Polizeiseelsorge.378 Aus diesem Grund setzt sich die Polizei aktiv für die Seelsorge ein und bittet um mehr Stellenanteile von Seiten beider christlicher Konfessionen.379
zusammewirken auch DES hat bei uns auch mit den seelsorgern sehr gut geklappt, dann kann man wirklich sehr sehr vieles für den EINzelnen in der polizei aber auch für polizei im gsamte mache. und deswegen ((zieht luft ein)) hoff ich sehr stark, dass die institution kirche, BEIde konfessionen, äh den stellenwert und auch die chANchen, die für die kirche damit verbunden sind, erkenne und etwas stärker in den fokus rücke und in der führung der polizei wünsch ich mir des noch deutlich mehr. 378 Interview 8, Z. 461–468: und von daher find so jetzt zum projekt gibts nix mehr zu sagen {mhm} (3) zur polizeiseelsorge (3) des was ich jetzt schon mehrfach hab anklingeln lassen. ist natürlich ne personelle frage und ich finde es schade, dass die institution kirche ja {mhm} ob jetzt evangelisch oder katholisch ist ganz egal (ähm) für mein verständnis mit zu wenigen ressourcen reingeht, ja {{mhm}}. ((es klopft)) und das einfach ne individuelle und regionale und zwar ne gute regionale betreuung stattfinden kann ((kollege tritt ein, das gespräch wird danach beendet und formalia geklärt)). 379 Interview 1, Z. 587–599: P: {{gleichzeitig}} ja gut. Ich ich} müsst äh zunächst äh von kirchlicher seite her bereits=äh seite bereit sein, den entsprechenden stellenanteil und net fünf oder zehn prozent (.) äh zu schaffe. also auch dort geht’s schlussendlich natürlich um’s geld. äh, des wäre für mich schritt EINs, einfach damit offen zu sein und auf diesem weg dann ja polizeiliche seelsorgeeinheiten im überschaubaren BEreich zu schaffe, also dort äh wo dann auch n regionaler, n örtlicher und en persönlicher bezug da ischd äh und dann äh isch dabei die jeweilige polizeiliche führung massiv gefordert, alles zu unternehmen und des dann in der polizei zu implementieren, zu ermöglichen und die grundlagen dafür zu schaffen.
11. Religion
11.1 Subkategorie »Existenzielle Betroffenheit« Existenziell betroffen sind Menschen, wenn sie so tief von etwas berührt werden, dass es ihnen schwer fällt, Worte dafür zu finden. Situationen, die bei den meisten Menschen für eine solche Sprachlosigkeit sorgen, sind für Polizist_innen Alltag. Was für den »Durchschnittsmenschen« eine Ausnahmesituation ist, ist für Polizist_innen alltäglich. Das Überbringen einer Todesnachricht stellt wohl eines der eindrücklichsten Beispiele für eine Situation im Dienst dar, bei der existenzielle Betroffenheit ausgelöst wird.380 Ein tödlicher Unfall ist mit einem großen organisatorischen Aufwand für die Polizeibeamt_innen verbunden. Sie sind mit einem berührenden Einzelschicksal konfrontiert und müssen dennoch sofort Verwaltungsangelegenheiten regeln.381 Andere Menschen, die 380 Interview 2, Z. 132–146: P: ja genau, weil des der,(.) des is ja genau des, was derjenige dann nie sieht, heißt äh man (.) kommt zum beispiel grad von=von irgend nem TOdesfall oder musste grad ne todesnachricht überbringen un im nächsten moment kontrolliert ma einen, (.) ne stunde später, und der wird dann n bisschen (.) doof, sieht die situation nich ein, wieso er jetz da kontrolliert wird, und dann kanns natürlich au bei manchem kollegen dann passieren, ich will nich sagen dass es mir nie passieren kann, äh dass ma dann (1) auch entsprechend sich dem gegenüber verhält, heißt wenn er (.) blöd wird, wird ma AU n bisschen blöder. un so machen die leute dann die negativen erfahrungen mit der polizei, I: mhm P: un sehn aber halt nich dass dahinter, was daHINter steckt; heißt wieSO der polizist jetz vielleich in dem moment (.) [mhm) nich so gut drauf is. 381 Interview 7, Z. 439–465: seelsorge vor zwanzig jahren sO! nicht wie ich es jetzt kenne. (2) ähm dass zum beispiel, ich könnte viele beispiele nehmen, ich überbringe eine todesnachricht und die frau bricht zusammen. und du mUST rein=rein in deine dienststelle und musst einen unfallbericht schreiben. die landespolizeidienststelle erwartet EIGNTlich schon vor dem unfall, dass du den bericht vorgelegt hast. und der ruft an und der ruft an. was geben wir an die presse raus, was geben wir nicht raus. wie alt war der, wie alt war jener und du hast hier ein einzelschickSAL einen mensch den du zusammenbrechen siehst und noch in den arm nimmst. DU Must weiter? und des is schon hARTund ähm jetzt da nun eine telefonnummer zu haben eine pflegedienststelle wo jemand weiß wo man da anruft, dass da ne maschine anläuft eine verwaltung oder einen anderen mensch anwählt. des ist SEHr wichtig, des is SEHr wichtig und des hat es vor zwanzig jahren nicht gegeben. des kann ich
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Religion
keine Polizist_innen sind, können und müssen sich zur Verarbeitung eines solchen Erlebnisses eine Auszeit nehmen. Nicht selten erleiden Zeug_innen und Ersthelfer_innen bei Unfällen oder Gewaltverbrechen einen Schock. Hat man sich für den Polizeiberuf entschieden, bringt der geforderte professionelle Umgang mit solchen Situationen es aber mit sich, dass man seinen Gefühlen nicht nachgeben darf. Die Beamt_innen müssen sich stets der großen Verantwortung bewusst sein, die sie übernommen haben. Sie müssen in jeder Situation handlungsfähig bleiben. Dazu ist es notwendig, in Routinen zu handeln und die Auseinandersetzung mit aufkommenden Gefühlen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn die Schicht zu Ende ist. Meist bleibt jedoch auch dann keine Zeit oder es ist niemand da, dem sich der Beamte, die Beamtin öffnen kann. Seelsorger_innen stellen eine Option dar, die von den Beamt_innen in Erwägung gezogen wird, unabhängig davon, ob sie sich selbst als religiös bezeichnen oder nicht. Seelsorge bedeutet für sie, jemandem in einer herrschaftsfreien Situation zu begegnen, dem sie sich vorbehaltlos anvertrauen können.382 Häufig brauchen sie keine Ratschläge, oft hilft es schon, wenn etwas ausgesprochen werden kann mit der absoluten Sicherheit, dass das Gesagte vertraulich behandelt wird. Dabei zeigt sich, dass es vielfach leichter ist, mit einer außenstehenden Person zu sprechen, als mit Kolleg_innen, Familienangehörigen oder Freund_innen.383 Grund dafür ist die Sorge um die Verletzlichsagen aus BErufserfahrung? da bist du dann alleine abgezogen und hast ihr gesagt, da haben sie keinen bekannten, wo kann ich anrufen? ähm=ähm dass jemand bei ihnen sitzt. äh=äh=ähm soll ich einen arzt für sie rufen oder ist etwas mit ner tablette möglich wo dann menschen in einem äh=ähm verfassungszu=gemütszustand zu bringen? und des ist jetzt beSSEr. jetzt sind menschen da, sind sachen da, des ist schon wichtig [mhm]. 382 Interview 2, Z. 610–619: P: im grunde jemandem anvertrauen, s- seelsorge soll ja genau des sein; dieses AUFfangen, diese WEGE zeigen, diese HELFEN (4) is im grunde nix anderes alsn AUFFANGEN., I: mhm, P: bei dem einen mehr, bei dem andern weniger. der eine hatn kleines problem,(3) da genügts- der lässt sich nich RICHTIG fallen und der andre hat RIESENprobleme; der lässt sich RICHTIG fallen., I: wenn ers Zulässt, P: bei wem LÄSSTma sich richtig fallen? bei jemandem dem ma vertraut.« 383 Interview 6, Z. 28–72: P1: also ich hab jetzt noch keine situation erlebt wo i mi wo ich vor dieser frage gestanden bin aber (Räuspern) bis dato die situationen oder privat oder dienstlich wenn mi was belastet dann war des vom ausmaß her so dass a gespräch mit denen die mir am meisten bedeuten also partner eltern freunde ähm absolut der erste anlaufpunkt war aber ich glaube mei so wies der jason gsagt hat wenn ma jetzt wirklich was traumatisches oder was erlebt hat ähm dann isses ja oft so dass ähm dass vielleicht eben dass ma des als geheimnis wahrn will weil der mensch hat ja immer irgendwie angst dass er angreifbar is dass er schwächer is das is einfach glaub i in ganz ganz vielen drinnen und vielleicht möcht ma au net dass des jemand im nähern umkreis weiß au vielleicht aus dem grund weil ma net anders behandelt werden möcht oder ma kennt des ja oft bei bei krankn menschn das sie sagn sie sagn des vielleicht net jedem weil dann sieht ers ja mit andren augen und behandelt se anders (.) ob so is oder net ma hat angst davor und dann is glaub i so a unabhängige äh polizeiseelsorge wo i weiß da is das geheimnis gehütet und äh der umgibt mich ja net jeden tag wie freunde familie und partner ähm glaub ich schon schon n wichtiger äh aspekt den ma immer so im hinterhalt hat sollte so eine situation auf einen zukommen (.) ja.
Subkategorie »Theologische Themen«
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keit der eigenen Person wie auch der Menschen, denen man sich anvertraut. Es ist leichter, jemanden zu belasten, der professionell geschult ist. Die Interviews zeigen deutlich, dass sich Polizist_innen der zahlreichen psychischen Gefährdungen, die ihr Beruf mit sich bringt, sehr bewusst sind.384 Auch sind sie sich darüber im Klaren, dass es Erfahrungen gibt, über die es sinnvoll ist, mit einer dafür geschulten Person ins Gespräch zu treten.385 Als konkretes Beispiel für solche Erfahrungen wurde in den Interviews der Schusswaffengebrauch386 genannt. Betrachtet man die Gesamtheit der Interviews, so lässt sich beobachten, dass bei den befragten Beamt_innen eine Art Sprachlosigkeit in Bezug auf persönliche Themen und existenzielle Betroffenheit existiert.
11.2 Subkategorie »Theologische Themen« Die Forschungsgruppe hat versucht, in den Interviews gleichermaßen kirchennahe und kirchenferne Beamt_innen zu erreichen. Rückblickend scheint das gut gelungen zu sein. Aussagekräftig war vor allem die Selbsteinschätzung 384 Interview 5, Z. 154–177: thema ehm (2) traumatisierung von polizeibeamten in EXTREMsituationa ist seit ein paar jahren ein sehr zentrales thema bei uns da zwei drei beispiele ich werd zu einer kindstötung ich werde zu einer bahnleiche gerufen ich werd als polizist ehm muss ich von der schusswaffe gebrauch machen muss im schlimmst denkbaren fall nen menschen erschießen das sind alle sehr sehr traumatisierende und belastende ereignisse und ein polizist wirft des auch net einfach aus der uniform wenn er sie auszieht sondern des belastet sehr ehm ich könnt noch zwei drei ander beispiele ehm nemma die brandkatrastropohe in titisee neustand mit vierzehn toten des isch richtig anstrengend des kann sehr traumatisierend wirken oder wenn mal ein flugzeug abstürzt wie wir mal vor jahren in überlingen hatten, wo wo wo 18 menschen zu tote kammen das nehmen Polizistinnen und Polizisten mit nach hause das sin MENschen aus FLEISCH und BLUTund mit solchen ereignissa muss ma mal erschmal selber klar kommen FRÜher hat man das eher nicht so im fokus gehabt und seit einigen vielen jahren kümmern wir uns darum weil wir haben intern mechanismen vorhalten halten wir strukturen vor bei der konflikthandhabung in der betreuung traumatisierender ereignisse wo wir den kolleginnen und kollegen ermöglichen ehm wenn so ein ereingis war das sie sich mit anderen kollegen mit PSYchologen aber auch mit SEELsorgern da kommt man auf den punkt die davon eine vorstellung haben was passiert und wissen was passiert bei einem solchen ereignis wenn unser sachverstand nicht mehr ausreicht dann gehen wir mit diesen kollegen und kolleginnen zu in in proffesionelle beratung beratungsstrukturen wir halten bei der polizei strukturen vor die erstintervention machen wenn man so will die da zu seite stehen die parat stehen und es kommt eigentlich auch schon oft vor das diese strukturen genutzt werden. 385 Interview 3, Z. 422–425: PM: ist es so ein gravierende sache wieee (1) keine ahnung ((Pause)) du hast jetzt ein schusswaffengebrauch gehabt oder so was (1) dann würde ich vielleicht auch mal schauen wenn ich (1) jetzt wirklich sage ok (1) das nimmt mich irgendwie mit (1) da schau ich mal schon dass ich zwischendurch zum seelsorger gehe. 386 Allgemein lässt sich bei dem Gebrauch der Dienstwaffe zwischen Schußwaffengebrauch gegen Personen, Tiere oder Sachen unterscheiden. Jeweils gelten spezifische Regeln, die im Polizeigesetz genau benannt sind. Vgl.Ruder & Schmitt 2005, S. 400ff.
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Religion
der befragten Personen in Bezug auf ihre Religiosität, die häufig deutlich von der Fremdeinschätzung durch die Interviewer_innen abwich. Relevant sind hierbei die Faktoren, welche die Interviewten und im Unterschied dazu die Interviewer_innen als aussagekräftig einschätzen. Es obliegt demzufolge der subjektiven Wahrnehmung der Einzelnen, ob sie sich für religiös halten, weil sie regelmäßig Gottesdienste besuchen, oder für kirchenfern, weil sie nur im privaten Gebet ihren Glauben leben.387 Große Themen sind Fragestellungen zu Macht und Ohnmacht, innerer Zerrissenheit und der eigenen Begrenztheit.388 Ob zu deren Beantwortung theologische Inhalte nötig oder hilfreich sind, wird sehr unterschiedlich wahrgenommen.389 Die Interviewten zeigten hier deutlich, dass sie von persönlichen religiösen Erfahrungen beeinflusst sind, die sich auf ihr Handeln auswirken.390 Haben sie einmal den Schritt gewagt und sich einem Seelsorger, einer Seelsorgerin geöffnet und wurden dann enttäuscht, so ist eine zukünftige Kontaktaufnahme zwar nicht ausgeschlossen, wird aber sicherlich nicht begünstigt. Die 387 Interview 10, Z. 123–131: P: (lacht) isch erschreck als immer gern herrman ne [isabel] (.) du warst? Isabell (.) genau. du warst im ? Genau. ja also des is ääh (1) so MEINE quelle der kraft nä? Is schon so mein glaube muss man sagen also isch bin christ (1) und ääh (.) auch net nur nachm (.) bekenntnis sondern isch kuck auch das isch (.) ääh äh (2) FAST jede woche in den GOTTESdienst komme ja? (.) Äh (.) weil isch mir da meine kraft hole ja? [ok] ja. isch bin neuapostolisch, wenn du des kennst [ja], ja und ä=äh isch war auch äh 25 jahre äh (.) in dieser kirche in (.) als AMTSträger tätig und des is so wenn du wegziehst [mhm] ä=ähm (2) isch=isch war in so ner kleinen gemeinde so wir waren 40 leute nä? [das is ?] awa lebendig ja mit chor, mit kindern mit- aufm boxberg kennst du des? Wo kommst du her?. 388 Interview 2, Z. 517–518: P.: ich denk des thema wird äh von=von vielen einfach, weil=weil polizei immer noch bei=bei vielen kollegen so, ich MUSS stark sein ich BIN stark (.) un schwäche wird nich akzeptiert. 389 Interview 3, Z. 326–339: (2) ähm stoß ich mich persönlich ich sag jetz nicht dass ich irgendwie nicht gläubig bin oder so an dem wort seelsorger ich hätte lieber, wenn ich ein burnout habe einen psychologen als einen seelsorger (1) weil ich nicht über gott oder so was reden möchte sondern wenn nuuur (.) definitif von meinen problemen und das beheben möchte ich möchte (.) das war schon im ?B? unterricht so (1) ich finds Ok dass wir so über das thema tod diskutieren und für die angehörigen und wie rede ich mit den Leuten und so das ist für mich so die objektive betrachtungsweise (1) AABer die diskussion drüber ob ich der meinung bin dass ich nach dem tod ein leben habe oder sonst was sage ich mal gehören in (1) me mein beruf definitif nicht, weil ich ein objektiver beamter bin es ist mir ganz egal wer an was glaubt,an welchen gott der vor mir glaubt (1) es sind für mich alle gleich deswegen ist es mir auch (1) (2) für mich auch kein wichtiges thema ob ich jetzt ((Pause)) über gott mit so leuten quatsch weil, das kann jeder für sich entscheiden aber es sollte objektiver sein sag ich jetzt mal ?bei der Hilfe?. 390 Interview 3, Z. 342–348: in der ausbildung waren alle seelsorger pfarrer und die haben dementsprechend so ein bisschen den den glaubensstempel durch irgend was ((…) durcheinandergerde bemerkungen) ist immer auf das thema glauben gekommen, da schalten die Leute dann halt ab da sagt ein Teil ((Pause)) ich bin zwar gläubig aber das ist für mich jetzt kein solcher einstieg vorallem brauche ich mich nicht rechtfertigen was ich denke was jetzt (1) (2) nach nach dem tod ist es ist so (1) (2) jedem seine sache sag ich jetzt mal.
Subkategorie »Theologische Themen«
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Konfession spielt hingegen anscheinend für einen großen Teil der Interviewten eine untergeordnete Rolle.391
391 Interview 6, Z. 407–411: P3: also ich bin aus bayern strenggläubig katholisch muss aber ganz ehrlich sagn bei dem angebot des mir ham das pp münchen ich würd zur evangelischen gehen (.) weil so wie dus sagst es is a sache der der beziehung der erste eindruck wie is er kann ich mit dem hab ich das gefühl das ich da aufgehoben bin oder nicht und da is mir muss ich jetzt ehrlich sagen der glaube sekundär.
12. Fazit
Polizist_innen sind durch die Ausübung ihres Berufs besonders stark gesundheitlich gefährdet. Die Belastungen sind sowohl körperlicher als auch seelischer Art. Um die physische Gefährdung nachhaltig zu vermindern, wäre ein essenzieller gesellschaftlicher Wandel nötig. Da es höchst unwahrscheinlich ist, dass ein derart radikaler Wandel in nächster Zeit geschehen wird, bleibt den Polizist_innen aktuell nur die Option einer immer hochwertigeren Ausbildung und Ausrüstung. Doch es gibt keine Schutzweste für die Seele. Was jedoch unternommen werden kann, ist eine Aus- und Fortbildung, die es den Beamt_innen ermöglicht, psychisch, physisch und emotional gesund und in moralischen Fragen urteilsfähig zu bleiben. Eine derart fundamentale ethische Bildung müsste so gestaltet sein, dass Berufsanfänger_innen vom ersten Tag der Berufsausübung an von dem Gefühl getragen werden, für den Polizeiberuf befähigt zu sein. Nur so können Beamt_innen langfristig auch seelisch gesund bleiben. Psychosomatische Erkrankungen sind zu einem großen Thema unserer Gesellschaft geworden. Zahlreiche Berufsgruppen, darunter auch der Polizeiberuf, sind aufgrund der Dichte menschlicher Beziehungen besonders gefährdet. Die Beamt_innen haben auch eigene Bewältigungsstrategien, sie kommen nicht als unbeschriebene Blätter an die Polizeischulen, aber da der Beruf besonders herausfordernd ist, ist eine Professionalisierung ihrer Gesunderhaltungsstrategien unbedingt sinnvoll, zu denen als Ergebnis vorliegender Studie auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Polizeiseelsorge gehört. Im Polizeiberuf gibt es berufsspezifische Besonderheiten, die beachtet werden müssen, wenn man sich seriös mit seelischer Gesundheit und Gesunderhaltung auseinandersetzen möchte. Hier findet sich der Forschungsansatz der vorliegenden Studie wieder : »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei«.392 392 So heißt es beispielhaft in Interview 6, Z. 401–405: des is persönlichkeitsabhängig also mir ist es wurscht ich bin bekenntnislos ich äh mir is egal was fürn pfarrer wenn ich den brauchen würde dann geh ich auch zum evangelischen oder zum katholischen is mir egal
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Fazit
Ist der Polizeiberuf ein Beruf für »harte Kerle« oder »taffe Frauen«, die nichts an sich heranlassen, immer wissen, was richtig ist, nie an sich zweifeln? Recht und Ordnung ist ihr Lebensinhalt und deren Verwirklichung ihr Lebenszweck? Dass diese Klischees immer noch in den Köpfen vieler existieren, machen die Interviews deutlich, auch wenn es professionstheoretisch an der Zeit ist, sich von ihnen zu verabschieden. Im Polizeiberuf ist diese klischeehafte, traditionelle Einstellung immer dann problematisch, wenn sie unreflektiert bleibt und tabuisiert wird. Gerade ältere und männliche Polizeibeamte sind zuweilen noch von dem Fantasiebild des heldenhaften, starken Polizisten fasziniert. Im Sinne seelsorglicher Wegbegleitung der Polizeibeamt_innen ist es unbedingte Aufgabe der Kirche, den Polizist_innen ganz nahe zu bleiben. Die Polizeiseelsorge bedarf weiterer Professionalisierung und vor allem, das ist in der Studie deutlich geworden, mehr Personals. Sie ist schon sehr nah an den Beamt_innen, schöpft aber noch nicht gänzlich ihre Möglichkeiten aus. Durch das Forschungsprojekt konnten Arbeitsfelder identifiziert werden, in denen Seelsorge noch mehr Raum einnehmen könnte und sollte. Dazu gehört das Feld »Kunst«. Das Projekt in der Heidelberger Innenstadt ist ein herausragendes Beispiel für die Möglichkeiten, die Seelsorge zu eröffnen in der Lage ist. Natürlich müssen auch Seelsorger_innen befähigt werden, solche Gelegenheiten zu initiieren oder zu suchen. Eine deutliche Konsequenz ergibt sich aus vorliegender Studie: Die Fort- und Weiterbildung von Polizeiseelsorger_innen tut Not und ist von wesentlicher Bedeutung für den Polizeialltag und die Institution Kirche, um im Polizeialltag das Evangelium als Praxis der Seelsorge umzusetzen. Ein weiterer Punkt ist die Schulung der Beamt_innen, damit diese von Anfang an gerüstet sind für die Herausforderungen ihres Berufsalltags. Dazu gehört auch die Vermittlung eines realisierbaren Selbstbildes, weit weg von dem »harten Kerl« oder der »taffen Frau« der Vergangenheit. Stark ist, wer seine Schwächen einschätzen kann und mit ihnen umzugehen weiß. Dies ist eine Kompetenz, die sich erlernen lässt. Nicht von jetzt auf gleich, aber als langfristiger, durch Seelsorge und Beratung begleiteter Prozess. Um einen solchen Prozess anzuregen, eignet sich der Unterricht im Fach Berufsethik. Als dritte Konsequenz der Studie wird daher die Notwendigkeit der Professionalisierung des Faches Berufsethik in den Polizeischulen für den mittleren Dienst in Baden festgestellt. Im Zuge ihrer Forschung stieß die Forschungsgruppe auf die unerfreuliche Tatsache, dass es weder einen kompetenzorientierten Lehr- noch Bildungsplan gibt. Problematisch ist diese Tatsache, weil so aber ich denke dass dass es gibt auch krasse leute die wirklich nur die katholischen hier in bayern sind auch wirklich alle katholisch ja übertrieben gesagt jetzt ähm nein zum evangelischen gehe ich nicht ja gibt’s eventuell auch.
Fazit
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den jungen Polizist_innen einheitliche und verbindliche Inhalte des Fachs vorenthalten werden. Verstärkt wird diese Problematik noch dadurch, dass die Lehrenden sich oft selbst behelfen müssen oder nicht über professionelle religionspädagogische Kompetenzen verfügen. Von den unterrichtenden Pfarrer_innen zu erwarten, dass sie jeweils eigene, gut konzipierte Curricula erarbeiten, hält die Forschungsgruppe für unangebracht und überfordernd. Aus gutem Grund gibt es Bildungspläne mit vorgegebenem Kompetenzrahmen für alle regulären Fächer in allen Schulformen. Die Erarbeitung eines sinnhaften, kompetenzorientierten Bildungsplans ist eine dringliche Aufgabe. So könnten sich die Lehrkräfte auf die Gestaltung der Inhalte konzentrieren, statt diese vorab noch selbst festlegen zu müssen. Ein klarer Rahmen gibt Sicherheit und sichert Professionalität. Die letzte Schlussfolgerung aus der vorliegenden Studie beinhaltet gleichzeitig eine Forderung. Die Forschungsgruppe hat festgestellt, dass die Anforderungen an Polizeiseelsorger_innen sehr spezifisch sind. Polizeiseelsorger_innen müssen nicht nur professionell in der Seelsorge, sondern auch professionell religionspädagogisch für den Berufsethikunterricht ausgebildet sein. Dazu gehört das Verständnis der Institution Polizei ebenso wie das Verständnis des Individuums Polizist. Damit Polizeibeamt_innen grundlegendes Handwerkszeug zum Umgang mit Stress erwerben können, braucht es pädagogisches Geschick. Daher sieht die Forschungsgruppe in ausgebildeten Religionspädagog_innen geeignete Lehrkräfte für das Fach Berufsethik. Der Erwerb pädagogischer, methodischer und didaktischer Kompetenzen nimmt einen großen Teil der Ausbildung von Religionspädagog_innen ein. Schüler_innen professionell zu unterrichten und in ihrer Entwicklung zu begleiten, ist ein Schwerpunkt im Bachelorstudiengang Religionspädagogik/ Gemeindediakonie an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Im geplanten Masterstudiengang Religionspädagogik liegt dann der absolute Schwerpunkt auf dem zielgruppenorientierten Unterrichten. Auch sind Religionspädagog_innen durch ihre pädagogischen Fähigkeiten besonders geeignet, Projekte zu planen und durchzuführen, die Möglichkeiten zur Versprachlichung von Erfahrungen schaffen, denn auch die Projektplanung nimmt einen nicht unwesentlichen Teil der Studiengänge ein. Die Chance, von der Profession der Religionspädagogik zu profitieren, sollte den Polizist_innen nicht vorenthalten werden.
13. Überleitung
Das erste empirisch-qualitative Forschungsprojekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei – Cop-Art-Ausstellung – Überlegungen zum Handlungsfeld der Polizeiseelsorge« ist Grundlage des zweiten, ebenfalls empirisch ausgerichteten Projekts: »Untersuchung zur Berufsethik in der Polizei«. Wurden im ersten Projekt Polizeibeamt_innen, die am Cop-Art-Projekt teilgenommen hatten und einige andere Beamte aus dem baden-württembergischen Polizeidienst in narrativ-fokussierten Interviews befragt, so sind die Interviews im zweiten Projekt ausschließlich mit Schülern und Schülerinnen des Instituts für Ausbildung und Training in Lahr/Schw. durchgeführt worden. Im ersten Projekt stellten sich Polizist_innen am 20. 06. 2012 mit den Figuren aus dem Cop-Art-Projekt an gut besuchte Orte der Heidelberger Innenstadt und führten angeregte Gespräche mit Bürgern und Bürgerinnen. Ziel dieser Veranstaltung war es, auf die physischen und psychischen Gefahren der Ausübung des Polizeiberufs aufmerksam zu machen. Auch sollte so auf die Arbeit der kirchlichen Polizeiseelsorge hingewiesen werden. Ziel des ersten Projektes war, Seelsorge im Kontext des Polizeidienstes zu professionalisieren und auf neue Entwicklungen im Feld einzustellen. Auch sollte das subjektive Erleben und Darstellen des Polizeidienstes im Vordergrund stehen. In der Dissemination der Ergebnisse des ersten Projekts sollen die Ergebnisse in Schulungs- und Bildungsprozessen der Polizeischulen verwendet werden; ebenso ist gedacht, dass Seelsorge durchaus zur Prävention von Burn-Out und ähnlichen psychosomatischen Erkrankungen im Polizeidienst sinnvoll ist. Ein Ziel beider Projekte besteht darin, Professionalisierungsund Qualifizierungsangebote für Seelsorger_innen bei der Polizei zu entwickeln. Projekt 1: Mittels qualitativer sozialwissenschaftlicher Empirie wurden bis Februar 2014 die beteiligten Beamten und Beamtinnen befragt, um so die verschiedenen Zugänge zur Wirklichkeit der Menschen hinter der Uniform zu rekonstruieren; dabei wurde das entstandene Datenmaterial einer systematischen Kodierung und Kategorisierung unterzogen und eine Theorie der subjektiven Wirklichkeitswahrnehmung der beteiligten Personen generiert, um so in einem
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Überleitung
zweiten Schritt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in spezifischen beruflichen und privaten Lebenslagen herauszuarbeiten. In einer bayerischen Kontrollgruppe wurden Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen im gleichen Alter befragt und überraschende Differenzen festgestellt. Insgesamt lässt sich als herausragendes Ergebnis formulieren, dass die seelsorgliche Arbeit an Polizeibeamten und -beamtinnen massive Rückwirkungen auf Selbstverständnis und Einschätzung der professionellen Arbeit der Polizei hervorruft, die in der bayerischen Kontrollgruppe (ohne Polizeiseelsorge) nicht feststellbar war. Projekt 2: Aufgrund dieser ersten empirischen Forschungsarbeit zur Polizeiseelsorge auf baden-württembergischem Gebiet wurde das zweite empirischqualitative Forschungsprojekt angeregt. In diesem Nachfolgeprojekt wurde die Wirkung von Unterricht, speziell Berufsethik, in der Polizeischule Lahr untersucht. Die Struktur des Forschungsansatzes lässt sich als Vorher-Nachher-Untersuchung beschreiben und geht der Forschungsfrage nach, ob und inwieweit der Berufsethikunterricht Auswirkungen auf die Reflexion des ersten berufsorientierten Praktikums (im Laufe der Ausbildung zum mittleren Dienst) bei den Polizeibeamten und -beamtinnen hat. Befragt wurden 25 Personen in einer Zufallsstichprobe vor dem Praktikum und nach dem Praktikum (Mai/September 2014). Es wurden 50 Interviews geführt, die nach einem semistrukturellen, leitfadengestützten und fokussierten Interviewverfahren aufgebaut waren; ausgewertet wurden die Interviews nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING und dem Kodierverfahren der GROUNDED THEORY nach STRAUSS/GLASER. Ziel dieser zweiten Untersuchung war die qualitative und curricular-kompetenzorientierte Verbesserung und Standardisierung des Berufsethikunterrichts in den Blick zu nehmen. Am Ende der Präsentation der Ergebnisse des zweiten Projekts stehen eine Zusammenschau beider Untersuchungsreihen beider Projekte und eine Würdigung des Gesamtergebnisses.
III.
Das Forschungsprojekt »Untersuchung zur Berufsethik in der Polizei« (Susanne Fiesel, Bernhard Goetz, Mareike Götz, Katrin Hagen, Sandra Jayakodi, Doris Klett, Elvira Leskowitsch, David Nicolas Schmitz, Wilhelm Schwendemann)
14. Forschungsdesign
14.1 Bezugnahme auf das Forschungsprojekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« Das Forschungsprojekt »Untersuchung zur Berufsethik der Polizei« ist ein Folgeprojekt, welches sich aus den Ergebnissen des Projekts »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« entwickelte. Die vorangegangene Forschungsarbeit eröffnete einen Blick auf die Wirklichkeitswahrnehmung der Polizeibeamt_innen, in der vor allem die innere Sicht auf Wirklichkeit im Vordergrund stand. In der ersten Studie problematisierten Polizeibeamt_innen das Verhältnis zwischen professioneller Rolle und Wahrung der eigenen menschlichen Integrität. Im Anschluss an diese Ergebnisse stellten sich die folgenden, daran anknüpfenden Fragen: – Werden die Polizeibeamt_innen im Curriculum ihrer Ausbildung dazu befähigt, über existenzielle Problemlagen zu sprechen? – An welchen Orten des Curriculums wird den Polizeibeamt_innen ein Raum dafür eröffnet? – Ist der Berufsethikunterricht der geeignete Ort, um sich über existenzielle Probleme zu verständigen? Das bestehende Curriculum offenbarte die Anforderungen an den Berufsethikunterricht der Polizei: Er sollte subjektorientiert und professionell sein und die Lernenden zur ethischen Urteilsbildung befähigen. Zu diesem Zweck müssen die Lehrenden dazu in der Lage sein, den Unterricht didaktisch und methodisch professionell zu gestalten, dabei existenzielle Fragen der angehenden Polizist_innen aufzugreifen und ihre Themenwahl an den Bedürfnissen der zukünftigen Beamt_innen zu orientieren. Auf dieser Basis generierten sich die Forschungsfragen für das Forschungsprojekt II »Untersuchung zur Berufsethik der Polizei«:
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Forschungsdesign
– Welche Themen werden im Berufsethikunterricht behandelt? – Welche Ressourcen und Fähigkeiten zur ethischen Urteilsfindung nehmen die Polizeibeamt_innen aus dem Berufsethikunterricht mit? – Werden die oben genannten Ansprüche an den Berufsethikunterricht qualitativ erreicht? – Sind die Inhalte des Lehrplans im Fach Berufsethik an sich dazu geeignet, die Bedürfnisse der angehenden Polizeibeamt_innen zu decken, oder ist der Lehrplan überarbeitungs- und ergänzungsbedürftig? – Ist die praktische unterrichtliche Umsetzung des Curriculums zielführend, um die Polizeischüler_innen auf ihre zukünftige berufliche Rolle vorzubereiten? Die Forschungsgruppe entschied, diesen Fragen in zwei Interviewreihen nachzugehen. In der ersten Interviewreihe sollten Polizeischüler_innen vor Beginn einer dreimonatigen Praxisphase befragt werden. In einem zweiten Durchgang sollten dieselben Proband_innen nach Abschluss der Praxisphase interviewt werden. Auf diese Weise sollte ein Vergleich der Einschätzungen und Meinungen
Wahl der Forschungsmethode
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der befragten Personen zum Berufsethikunterricht vor und nach der eigenen Erfahrung in der Praxis ermöglicht werden. Befragt wurden 25 Polizeischüler_innen jeweils im Mai und im September 2014 in der Polizeischule Lahr.
14.2 Wahl der Forschungsmethode 14.2.1 Definition: Qualitative Sozialforschung Mit Blick auf die Forschungsfrage dieser Arbeit galt es zunächst, das passende Forschungsmodell zu bestimmen. Die qualitative Forschung, Teil der empirischen Forschung,393 393 Vgl. König 2008, S. 13.
170
Forschungsdesign
»[…] hat den Anspruch, Lebenswelten von »innen heraus« aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben.«394.
Von Interesse sind hierbei die komplexeren Zusammenhänge, tiefergehenden Strukturmerkmale und die Abläufe innerhalb dieser Lebenswelten. Die qualitative Forschung eignet sich dazu, die sozialen Zusammenhänge eines Forschungsfeldes zu erkennen, zu benennen und anschließend zu deuten.395 Sie steht stets in einem kontextuellen Zusammenhang, also im Zusammenhang mit einer zuvor formulierten Forschungsfrage. In Abhängigkeit von Forschungsfeld und Forschungsfrage geschieht die Wahl der »[…] Erhebungs-, Analyse- und Interpretationsverfahren […]«396. Dabei orientiert sich die qualitative Forschung am Alltagsgeschehen der Menschen und legt eben auf diesen Punkt ihren kontextuellen Fokus.397 Sie verfolgt das Ziel, Zusammenhänge in ihrer Komplexität und in möglichst vielen Facetten zu veranschaulichen und nicht durch »[…] die Isolierung einer einzelnen Beziehung […]«398 eine möglichst eindeutige Statistik zu erheben. In Anbetracht dieser Tatsache kann das Ergebnis einer qualitativen Untersuchung nie ein gänzlich objektives sein, da stets die Perspektiven der Beteiligten, also der Proband_innen sowie der Forscher_innen, darin einfließen. »Qualitative Forschung greift […] auf die (methodisch kontrollierte) subjektive Wahrnehmung des Forschers als Bestandteil der Erkenntnis zurück.«399
14.2.2 Definition: Quantitative Sozialforschung Anders als bei der Qualitativen Sozialforschung wird in der Quantitativen Forschung »[…] der Unabhängigkeit des Beobachters vom Forschungsgegenstand ein zentraler Stellenwert«400
beigemessen. Quantitative Forschung beruht auf einer standardisierten Form der Datenerhebung. Diese ist notwendig, da die Analyse der gesammelten Daten für vergleichende Statistiken und repräsentative Zahlenwerte verwendet wird.401 394 395 396 397 398 399 400 401
A. a. O., S. 14. Vgl. ebd. A. a. O., S. 23. Vgl. ebd. A. a. O., S. 25. Ebd. Ebd. Vgl. ebd.
Wahl der Forschungsmethode
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Anwendung findet die Quantitative Sozialforschung bei der Verarbeitung großer Datenmengen »[…] wenn man etwa an ein Politbarometer oder andere Befragungen von Bevölkerungspopulationen denkt.«402 »Bei der Suche nach Gesetzmäßigkeiten und bei der Erklärung sozialer Phänomene kann die quantitative Sozialforschung also durch große Erhebungen strukturierten Befragungen und größeren Stichproben helfen. Wie bereits angedeutet, werden bei dem quantitativen Paradigma subjektive und kontextuelle Faktoren soweit wie möglich standardisiert und minimiert oder – sofern möglich – komplett ausgeschaltet.«403
14.2.3 Warum Qualitative Sozialforschung? »Qualitative und quantitativ-standardisierte Forschung haben sich parallel zu zwei eigenständigen Bereichen empirischer Sozialforschung entwickelt.«404
Zur Beantwortung der Forschungsfrage hat sich die Forschungsgruppe für die Methode der qualitativen Sozialforschung entschieden, da ihr Ergebnis sich nicht in einer repräsentativen Statistik erschöpfen, sondern die Hintergründe des Berufsethikunterrichts und dessen individuellen Nutzen für die Polizeibeamt_innen erhellen sollte. Durch die qualitative Sozialforschung »[…] werden subjektiv bedeutsame individuelle und milieutypische Lebenshaltungen und Lebensweisen erkennbar und verstehbar […] und idealtypisch beschreibbare Bedeutungen verstehbarer […] und damit individuelle und kollektive Einstellungen und Handlungen erklärbar.«405
Ziel der Forschungsgruppe war es nicht, bereits bestehende Hypothesen durch größere Datenmengen zu bestätigen, sondern durch tiefgehende offene Fragen und Ansätze komplexe Zusammenhänge offenzulegen, zu verarbeiten und zu verstehen. Dadurch sollten unter Umständen auch Grundlagen für weitergehende Forschungsarbeiten und für ein überarbeitetes Curriculum des Berufsethikunterrichts der Polizei geschaffen werden.
402 403 404 405
Brüsemeister 2008, S. 28. Dehnen 2012, S. 151. König 2008, S. 24. A. a. O., S. 21.
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Forschungsdesign
14.3 Methodologie Unter den gängigen Forschungsmethoden erschien der Forschungsgruppe die Form des semi-fokussierenden, semi-strukturellen, leitfadengestützten Interviews am geeignetsten. Zunächst wurde sowohl die Möglichkeit von Einzel- wie auch von Gruppeninterviews in Erwägung gezogen. Ausschlaggebend für die Entscheidung war letztlich, dass die Fragen der zu führenden Interviews den Bereich der Ethik und Moral ansprechen, individuelle Bedürfnisse und Wünsche der Proband_innen erfragen und somit einen sehr persönlichen und intimen Bereich der interviewten Personen berühren würden. Um über dergestalt persönliche Themen offen sprechen zu können, bedarf es eines geschützten Rahmens und eines gewissen Maßes an Anonymität, die unter Anwesenheit von Arbeitskolleg_innen kaum herzustellen sind. Daher entschied sich die Forschungsgruppe, von der Methode der Gruppeninterviews Abstand zu nehmen und stattdessen Einzelinterviews zu führen.
14.3.1 Art der Interviews Innerhalb der möglichen Varianten der Einzelinterviews hat sich die Forschungsgruppe für die eines semi-strukturellen, semi-fokussierenden, leitfadengestützten Interviews entschieden. Die Entscheidung, semi-strukturell zu arbeiten, zielte darauf, die geführten Interviews im Nachhinein miteinander vergleichen und sich dabei herauskristallisierende Zusammenhänge herausarbeiten zu können.406 Um sicherzustellen, dass es sich bei den Interviews nicht um »[…]›Leitfadenbürokratie‹ und ›Pseudoexploration‹ […]«407 im Sinne der Soziologin Christel Hopf handelt, wurde bewusst ein Schwerpunkt auf die subjektiven Relevanzsysteme der Proband_innen gelegt. Die Qualitätsmerkmale von fokussierenden Interviews nach Merton besagen, dass die Interviews so gestaltet sein müssen, dass sie den Proband_innen ein offen gestaltetes Spektrum an Antwortmöglichkeiten bieten. Dazu müssen die Fragestellungen so formuliert sein, dass die Proband_innen »[…] eine maximale Chance haben, auf die »Stimulus-Situation« […] zu reagieren […]«408.
Andererseits sollte den Befragten die Möglichkeit gegeben werden, auch auf konkretere Zusammenhänge, »[…] Erinnerungen und Gefühle […]«409 eingehen 406 407 408 409
Vgl. Hopf 1978, S. 97–115; nach Kruse 2014, S. 213. Kruse 2014, S. 214. Hopf 2008, S. 354. Ebd.
Methodologie
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zu können. Inhaltliche Tiefe und personaler Kontext stellten ebenfalls Gründe für die Entscheidung zugunsten einer semifokussierten Interviewgestaltung dar. So sollte sichergestellt werden, dass die »[…] Befragten […] bei der Darstellung der affektiven, kognitiven und wertbezogenen Bedeutung, die bestimmte Situationen für sie haben, unterstützt […]«410
und der »[…] persönliche Kontext, in dem die analysierten Deutungen und Reaktionen stehen, […] in ausreichendem Maß erfasst werden.«411
Die genannten Qualitätsansprüche sollten für die Interviews als Maßstab gelten. In Kombination mit einem semistrukturierten Interviewleitfaden sollten sie durch größtmögliche Offenheit bei gleichzeitig kleinstmöglicher Strukturierung zu möglichst präzisen Ergebnissen führen. »Eine grundsätzliche Anforderung an Interviewende besteht darin, den Interviewverlauf als einen Kommunikations- und Interaktionsprozess mit bewussten, kontrollierten und verabredeten Signalen so handhaben zu können, dass die Kommunikation gefördert und das jeweilige Interviewziel erreicht wird.«412 »Der Begriff des Leitfadeninterviews ist ein Oberbegriff für eine bestimmte Art und Weise der qualitativen Interviewführung […]«413,
bei der durch vorgegebene Themenbereiche und Fragen der »[…] Interviewverlauf [einem] bestimmten vorgegebenen Themenweg bzw. einer bestimmten Phasendynamik folgt[…]«414,
jedoch »[…] die Befragten den Gesprächsfluss selbst steuern können.«415
Um den Interviewverlauf positiv zu beeinflussen und somit möglichst viele verwertbare Informationen zu erlangen, wurden gezielt Stimuli in den Interviewleitfaden eingebaut. Darunter sind Nachfragen und Impulse zu verstehen, die dazu dienen, den Erzählfluss der Proband_innen zu einem Thema der Leitfragen aufrecht zu erhalten. Dabei wurde darauf geachtet, alle Fragen als offene Fragen zu formulieren. Hiermit sollte dem »[…] Spannungsfeld von Offenheit und Strukturierung[…]«416 410 411 412 413 414 415 416
Ebd. Ebd. Helfferich 2009, S. 51. Kruse 2014, S. 206. A. a. O., S. 207. Ebd. Ebd.
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Forschungsdesign
Genüge getan und ein erzählgenerierender Verlauf gefördert werden. Dabei orientierte sich die Forschungsgruppe an der Forderung Jan Kruses »[…] den Befragten weitestgehend das monologische Rederecht zu überlassen – damit sie so viel wie möglich von sich aus explizieren können.«.417
14.4 Vorgehen bei den Interviews 14.4.1 Exemplarische Entwicklung des ersten Interviewleitfadens Bei der Erstellung der Interviewleitfäden wurde darauf geachtet, dass die Formulierungen der Fragen sowie der Stimuli den Anforderungen von Jan Kruse entsprechen.418 Darüber hinaus wurde Wert auf eine klare und eindeutige Formulierung der Fragen und Stimuli gelegt und darauf geachtet, dass »[…] keine Fragealternativen oder Mehrfachfragen […]«419
verwendet werden und sich die sprachliche Ebene an den Proband_innen orientiert. Außerdem legte die Forschungsgruppe Wert darauf, »[…] keine Fachausdrücke, keine ungebräuchlichen Fremdworte etc. […]«420
bei der Formulierung der Fragen zu verwenden. Bei der Erstellung der Themenbereiche orientierte sich die Forschungsgruppe an dem Aufbauprinzip eines Leitfadens nach Jan Kruse. Er geht davon aus, dass in »[…] Forschungsprojekten, die mit Leitfadeninterviews arbeiten, […] sich der zu interessierende Forschungsgegenstand i. d. R. in verschiedene Themenblöcke […] [aufteilt], also in unterschiedliche Dimensionen des Forschungsgegenstandes, zu denen etwas in Erfahrung gebracht werden soll.«421
Um dies zu gewährleisten, wurden zunächst Themenbereiche festgelegt, die dann in eine logische Abfolge gebracht wurden. Die entstandenen Themenblöcke konnten den zwei Makrokategorien des Berufsethikunterrichts und des anstehenden Berufspraktikums der Polizeibeamt_innen zugeordnet werden. Diese Oberkategorien wurden im Folgenden in Subkategorien unterteilt. Im Feld des Berufsethikunterrichts sollte in einem ersten Schritt erfragt werden, welchen Themenbereichen des Unterrichts die Proband_innen beson417 418 419 420 421
A. a. O., S. 150. Vgl. a. a. O., S. 219. A. a. O., S. 221. Ebd. A. a. O., S. 217.
Vorgehen bei den Interviews
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dere Bedeutung beimessen. Diese Frage stellte den Gesprächseinstieg in den Interviews dar. Darauf folgte die Frage nach der Bedeutung und Relevanz des Berufsethikunterrichts aus persönlicher Sicht der Proband_innen. Im Anschluss daran wurde das Unterrichtsfach Berufsethik mit der anstehenden Praxisphase verknüpft. Zunächst wurden dazu die Erwartungen der Proband_innen im Blick auf die Praxisphase erfragt. Dabei sollte den Proband_innen ein größtmöglicher Spielraum eröffnet werden, um sowohl positive als auch negative Erwartungen zu äußern. Die darauf folgende Frage sollte zu einer Spezifizierung persönlich empfundener Stressoren führen. Die Befragten sollten sich zu einem Worst-Case Szenario äußern und negative Erwartungen und fiktive Belastungssituationen benennen. Diese fiktive Stresssituation sollte mit der letzten ausformulierten Frage verschärft werden, die auf eine Selbsteinschätzung der Proband_innen in Bezug auf ihre eigene Reaktion angesichts einer solchen Stresssituation zielte. Abschließend wurde den Proband_innen Raum dafür gegeben, all das zu äußern, was ihnen noch wichtig erscheint, aber im bisherigen Interview nicht zur Sprache kam. Im Rahmen der zweiten Interviewreihe wurde methodisch vergleichbar verfahren. Inhaltlich bezogen sich die Fragen auf die zuvor geführten Interviews, um bei der Auswertung einen direkten Vergleich zwischen beiden Interviewreihen ziehen zu können. Sowohl die Makro-, als auch die Subkategorien veränderten sich nicht wesentlich, wurden aber im Laufe des Forschungsprozesses weiter ausdifferenziert.
14.4.2 Vorbereitung der Interviews Neben der Erstellung der Leitfäden galt es, noch weitere Vorbereitungen zu treffen. »Da die potenziellen Interviewpersonen sich auf Kommunikationssituationen einlassen, die ihnen nicht so recht bekannt sind bzw. bei denen sie nicht wissen, was sie alles – mitunter sehr Persönliches – erzählen werden, müssen in der Erstkontaktaufnahme auch unmittelbar die Fragen des Vertrauens und der Gewährleistung des Datenschutzes geklärt werden.«422
Dieser Forderung Kruses folgend mussten in beiden Interviewreihen Anonymitätserklärungen an die Proband_innen ausgegeben werden, welche die Interessen der Teilnehmer_innen rechtlich schützen. Diese Anonymitätserklärungen wurden der Forschungsgruppe von der Evangelischen Hochschule 422 A. a. O., S. 262.
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Forschungsdesign
Freiburg durch den Projektleiter in standardisierter Form zur Verfügung gestellt. Durch sie wurde den Proband_innen die Anonymisierung der Ergebnisse zugesagt, sodass aufgrund des Datenmaterials keine Rückschlüsse auf ihre Identität möglich sind. Die Unterzeichnung einer Einverständniserklärung durch die Teilnehmenden stellte eine Bedingung des Projekts dar. Sie diente der rechtlichen Absicherung der Projektgruppe bei der Nutzung der erhobenen Daten für die Forschungsarbeit.423 Auch sie wurde in standardisierter Form von der Evangelischen Hochschule Freiburg zur Verfügung gestellt.
Schließlich wurden in Absprache mit dem Institut für Polizeiliche Bildung Termine für die Interviews vereinbart und mit Hilfe der Polizeihauptkommissarin Claudia Schaller freiwillige Teilnehmer_innen für das Projekt gesucht. Die Räumlichkeiten für die Interviews stellte die Hochschule für Polizei BadenWürttemberg, Institut für Ausbildung und Training, Institutsbereich Ausbildung Lahr, zur Verfügung. Sie übernahm auch die Organisation der zeitlichen Abläufe der Interviews. Pro Interview wurden 30 Minuten veranschlagt.
14.4.3 Durchführung der Interviews Die Durchführung der Interviews orientierte sich an Jan Kruses Leitfaden für die formalen Verfahrensregeln der Interviewdurchführung. Dieser besagt, dass »[…] bevor mit dem ersten eigentlichen inhaltlichen Stimulus eines Interviews begonnen werden kann […] der Interviewperson nochmals Einstiegsinformationen gegeben werden, damit sie sich in der beginnenden Interviewsituation orientieren kann.«424
423 Vgl. ebd. 424 A. a. O., S. 276.
Vorgehen bei den Interviews
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Dementsprechend wurde jedes Interview mit einer kurzen Zusammenfassung aller notwendigen Informationen für die Teilnehmenden eingeleitet. Das beinhaltete die Erläuterung und Unterzeichnung der Anonymitäts- und Einverständniserklärung. Den Proband_innen wurde zudem angeboten, nach Abschluss der Forschungsarbeit über die Ergebnisse der Studie informiert zu werden.
14.4.4 Transkription Nach Abschluss der Interviews erfolgte die Transkription der Audiodateien. Hierbei befolgte die Forschungsgruppe einheitlich die Transkriptionsregeln nach Jan Kruse: »Ziel der Transkription ist es, Audio-Daten in eine Form zu überführen, die eine zeitlich entlastete sowie methodisch systematische und umfassende Auswertungsarbeit ermöglicht.«425
425 A. a. O., S. 349.
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14.4.5 Auswertung der Daten »Ziel der Inhaltsanalyse ist, […] die Analyse von Material, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt.«426
Die transkribierten Interviews wurden für die weitere Auswertung in der Forschungsgruppe aufbereitet und einer ersten inhaltlichen Analyse unterzogen. Bedeutsam ist hierbei, dass die eigentliche Arbeit der Inhaltsanalyse über die reine Verarbeitung von Textinformationen hinausgeht: »Eine Definition des Begriffs hat jedoch mit einer großen Schwierigkeit zu kämpfen: Inhaltsanalyse beschäftigt sich längst nicht nur mit der Analyse des Inhalts von Kommunikation. […] Denn auch formale Aspekte der Kommunikation wurden zu ihrem Gegenstand gemacht.«427
Daher wurde jedes Interview durch die Forschungsgruppe zusätzlich kommentiert: Es wurden Mimik, Gestik, das Umfeld und die vermeintliche Stimmungslage der Proband_innen während des Interviews festgehalten. Diese Erkenntnisse wurden von den entsprechenden Interviewenden der Einzelinterviews im Transkript sowie in einem gesonderten Kommentar vermerkt.428 Neben der Bezugnahme auf inhaltliche Aspekte diente dieses Vorgehen außerdem der Würdigung jedes einzelnen Interviews, indem sichergestellt wurde, dass die Aussagen der angehenden Polizist_innen in vollem Umfang wahrgenommen wurden, auch wenn sie sich für die Erhebung letztlich als weniger relevant erweisen würden.
14.4.6 Detailliertes Vorgehen Bei der Inhaltsanalyse orientierte sich die Forschungsgruppe am Modell der Kontingenzanalyse nach Philipp Mayring429 sowie an den von ihm formulierten sechs wichtigen Forderungen, »[…] die Cicourel vom Standpunkt der Ethnomethodologie an die Inhaltsanalyse gestellt […]«430
hat, um einen möglichst hohen Standard der Qualitativen Inhaltsanalyse zu erreichen. Den ersten Arbeitsschritt der Inhaltsanalyse stellte das feingliedrige Kom426 427 428 429 430
Mayring 2010, S. 11. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. a. a. O., S. 16. A. a. O., S. 34.
Vorgehen bei den Interviews
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mentieren der einzelnen Interviews dar. Dies diente dem Herauslesen von Informationen aus dem Gesagten und dem Feststellen von Auffälligkeiten in der Formulierung, der Intonation und der Sprechweise. Außerdem war es dadurch möglich, Pausen im Erzählfluss, Stottern, Geräusche, Ablenkungen, Wortwiederholungen und sonstige Besonderheiten in den Äußerungen der Proband_innen zu interpretieren. Diese erste Kommentierung erfolgte in Form von Randkommentaren in den einzelnen Transkripten. Nach Abschluss dieser Randkommentierungen wurde zu jedem Interview ein weiterer Kommentar im Fließtext verfasst, in dem der Inhalt des Interviews wiedergegeben und die in den Randkommentaren festgestellten und gedeuteten Auffälligkeiten festgehalten wurden. In einem nächsten Schritt wurden die Inhalte der einzelnen Interviews in Themenbereiche zusammengefasst. Diese Inhalte wurden zunächst für jedes Interview gesondert herausgearbeitet und in eine entsprechende, tabellarische Form gebracht. Hierbei wurde darauf geachtet, möglichst alle inhaltlichen Aspekte aufzugreifen und zu benennen. Die Tabellen enthielten darüber hinaus Ankerbeispiele, d. h. exemplarische Zitate aus den Interviewtranskripten, die der Veranschaulichung der herausgearbeiteten Themenbereiche dienten. Die Ankerbeispiele wurden unter Nennung präziser Zeilenangaben des entsprechenden Transkripts festgehalten, um eine weitere, empirisch korrekte Verarbeitung der Informationen zu gewährleisten. Als Vorbereitung für die Anwendung der Kategorien und den Vergleich der Interviews wurden die Ankerbeispiele zum besseren Verständnis paraphrasiert. Im Anschluss wurde aus den Einzeltabellen eine zusammenfassende Kategorientafel erstellt, in welche die Inhalte aller Einzelinterviews der ersten Interviewreihe einflossen. Diese Kategorientafel wurde von der Forschungsgruppe in Makro- und Subkategorien ausdifferenziert, wobei inhaltlich verwandte Themen zusammengefasst wurden. Wurden thematisch ähnliche Aussagen mehreren Proband_innen getätigt oder ein Thema von mehreren befragten Personen angesprochen, entstand daraus eine Makrokategorie. Diese Makrokategorien wurden zunächst weit definiert. Im Anschluss daran wurden die Aussagen der Proband_innen zu den einzelnen Makrokategorien nach inhaltlichen Kriterien sortiert, was zu einer weiteren Ausdifferenzierung in einzelne Subkategorien führte. Innerhalb der Subkategorien wurden die Aussagen der angehenden Polizist_innen dann nochmals nach Themenbereichen geordnet. Eine Makrokategorie orientierte sich hierbei einerseits an den sechs Frageblöcken der Leitfadeninterviews, andererseits an den entsprechenden Inhalten der Aussagen der Proband_innen. Die Aussagen wurden in präzisierter Form herausgearbeitet und als Subkategorien der entsprechenden Makrokategorie zugeordnet. Somit ergab sich am Ende dieses Arbeitsschrittes eine Kategorienmatrix von sechs Makrokategorien, denen jeweils bis zu zehn Subkategorien
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zugeordnet waren.431 Der nächste Arbeitsschritt bestand aus einem Vergleich der Kategorien innerhalb aller Interviews der ersten Reihe um »[…] dabei festzustellen ob bestimmte Textelemente […] besonders häufig im gleichen Zusammenhang auftauchen, im Text [Transkript] auf irgendeine Art miteinander verbunden sind, kontingent sind. Durch viele solcher Kontingenzen will man aus dem Material eine Struktur miteinander assoziierter Textelemente herausfiltern.«432
Nach Abschluss dieser Arbeitsphase wurde die zweite Interviewreihe geführt.
14.4.7 Zweite Interviewreihe Die gleiche Vorgehensweise wurde bei der Analyse der Daten der zweiten Interviewreihe angewandt. Die Kategorien der ersten Reihe wurden dabei erweitert, überprüft und gegebenenfalls ergänzt. Diese neu entstandene Kategorienmatrix wurde daraufhin nochmals auf alle geführten Interviews angewandt, um einen Vergleich der Aussagen der Polizeischüler_innen vor und nach der Praxisphase zu ermöglichen. Abschließend wurden die Ergebnisse der Analyse interpretiert.
14.5 Grenzen, Reichweite, Reflexion Die Grenzen des Forschungsprojekts »Untersuchung zur Berufsethik der Polizei« waren klar gesetzt. Zum einen war das Projekt zeitlich begrenzt, da es die Grundlage von insgesamt sechs Examensarbeiten von Studierenden der Evangelischen Hochschule Freiburg bildete, deren Abgabefrist den zeitlichen Rahmen mitbestimmte. Zum anderen waren die personellen und finanziellen Ressourcen limitiert. Diese Studie nahm die Inhalte des Berufsethikunterrichts und indirekt auch das bestehende Curriculum in den Blick und richtete die Forschungsfragen daran aus. Gleichwohl wurde kein neues Curriculum erstellt, was als Desiderat für die Zukunft bleibt. Wichtig wäre für die Zukunft, eine Verbindung zwischen existenziell betreffenden Themen der Polizeibeamt_innen und den Inhalten des Curriculums herzustellen. Des Weiteren hat sich im Rahmen dieser Forschungsarbeit eine Vielzahl von Informationen zu Stressindikatoren, Stresskatalysatoren sowie zu Stressbewältigungsstrategien der Polizeibeamt_innen ergeben. Zwar bietet die Studie keine Antwort auf seelsorgliche Fragen oder Ansätze, die erarbeitete Datenbasis könnte jedoch eine 431 Vgl. Schmidt 2008, S. 448. 432 Mayring 2010, S. 16.
Grenzen, Reichweite, Reflexion
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Grundlage für weitere Forschungen im Bereich der Polizeiseelsorge darstellen. Der Forschungsgruppe ist bewusst, dass alle Teile der Forschungsarbeit einer konstanten Spannung zwischen Objektivität und Subjektivität ausgesetzt waren und stets subjektive Interpretationen bedeutsam wurden: »Der Interpret muß [sic!] sich über seine eigene Vormeinung, die er über den zu interpretierenden Textinhalt besitzt, klar werden; er muß [sic!] sich sein persönliches Vorverständnis und seine Fragestellung, mit dem er an den Text herangeht, bewußt [sic!] machen.«433
433 Danna 1979, S. 89f; nach Mayring 2010, S. 30.
15. Ergebnisse des Forschungsprojektes »Untersuchung zur Berufsethik in der Polizei«
15.1 Erläuterung der Kategorientafel Die folgenden Ausführungen stellen eine Erläuterung der von der Forschungsgruppe erarbeiteten Kategorientafel dar. In Makrokategorie I findet sich eine Bündelung aller Äußerungen der Proband_innen zum Thema der Berufsethik und des kommunikativen Handelns. Diese Kategorie unterteilt sich in sechs Subkategorien. Die Subkategorie Überbringen einer Todesnachricht setzt innerhalb dieses Themenbereichs einen Schwerpunkt auf diese besondere Aufgabe der Polizei sowie auf den Umgang mit Trauernden. Wie sich herausstellte, wurde von den Proband_innen darüber hinaus der Überbringung einer Todesnachricht im Falle zu Tode gekommener Kinder besondere Bedeutung beigemessen. Eine weitere Subkategorie wird durch das Thema Umgang mit dem Tod gebildet. Dieser lassen sich Aussagen über die persönliche Einstellung der Befragten zum Thema Tod zuordnen. Hier geht es um existenzielle Fragen nach der Begrenztheit des eigenen Lebens oder dem Umgang mit dem Tod nahestehender Personen. Daneben umfasst die Subkategorie Aussagen zum professionellen Umgang von Polizist_innen mit dem Tod. Als dritte Subkategorie konnte aus den Aussagen der Proband_innen der Umgang mit Unfällen herausgearbeitet werden. Die Äußerungen der Befragten zur Thematik des kommunikativen Handelns wurden der Subkategorie Umgang mit anderen Menschen zugeordnet. Weitere Aussagen der Proband_innen konnten in den Subkategorien Menschenwürde, Misshandlungen, innere Konflikte und christliches Leitbild gebündelt werden. Sie beinhalten eine Reflexion dieser Themen in Bezug auf die Frage nach der Professionalität des beruflichen Handelns als Polizist_in. Makrokategorie II beschäftigt sich ausschließlich mit Aussagen der Proband_innen zum Berufsethikunterricht der Polizei. Dabei handelt es sich um eine Bündelung von Aussagen sowohl zu den Themen und Inhalten des Unterrichts als auch zu den Lehrpersonen. Die Aussagen beinhalten einerseits allgemeine Einschätzungen des Berufsethikunterrichts bezüglich seiner Praxisrele-
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
vanz und des ihm eigenen Profils in Abgrenzung zu anderen Unterrichtsfächern. Andererseits nehmen die Proband_innen Bezug auf inhaltliche Aspekte des Unterrichts. Darüber hinaus finden sich in dieser Makrokategorie Aussagen zur Beziehung zu den Lehrpersonen, Einschätzungen bezüglich deren Kompetenzen sowie Formulierungen von Themenwünschen an den Berufsethikunterricht. Makrokategorie III umfasst Äußerungen der Proband_innen bezüglich ihrer eigenen Persönlichkeit. Dabei werden die eigenen Persönlichkeitsmerkmale in Beziehung gesetzt zu dem professionellen Selbstbild der angehenden Polizist_innen. Darüber hinaus enthält die Makrokategorie Aussagen zu den Ängsten, Sorgen, Hoffnungen und Wünschen, die sich für die Befragten an das anstehende Praktikum knüpfen. Die Bewältigung von beruflichen Problemlagen und die Frage nach probaten Bewältigungsstrategien sind Gegenstand der in Makrokategorie IV gesammelten Aussagen. Hierbei liegt ein Schwerpunkt auf der Gesprächsführung mit anderen Personen als möglicher Bewältigungsstrategie. Daneben treten Äußerungen zu weiteren individuellen Strategien des Umgangs mit Problemen und belastenden Situationen beziehungsweise Erfahrungen. Darüber hinaus finden sich in den Aussagen der Proband_innen Reflexionen zur Notwendigkeit gelingender Bewältigung im Polizeiberuf. Makrokategorie V beschäftigt sich mit Aussagen der Befragten in Hinblick auf das erste Berufspraktikum. Inhaltlich befassen sich diese Aussagen mit der Frage nach dem Umgang mit Konflikten im Polizeiberuf, mit potenziell traumatischen Situationen und mit besonderen Personengruppen. Darüber hinaus finden sich in dieser Kategorie Äußerungen der Proband_innen bezüglich ihrer Anforderungen an die eigene Person sowie ihrer Erwartungen an die Praxisanleiter_innen. Eine Reflexion der Rolle als Polizist_in spiegelt sich in der Auseinandersetzung der Befragten mit Habitus- und Statusfragen. Makrokategorie VI setzt sich aus Subkategorien zusammen, die bereits Eingang in die zuvor behandelten Makrokategorien gefunden haben, jedoch hier in einen anderen Kontext eingebunden sind. So werden hier Schultheorie und Schulwissen von den befragten Personen mit Blick auf den Polizeiberuf bzw. die Profession betrachtet. Die Erfahrungen der Praxisphase werden reflektiert, alltägliche Herausforderungen aufgelistet und professionelle Haltungen von den Interviewten selbst analysiert und reflektiert.
Makrokategorie I – Berufsethik und kommunikatives Handeln
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15.2 Makrokategorie I – Berufsethik und kommunikatives Handeln Die Makrokategorie I – Berufsethik und kommunikatives Handeln enthält Darstellungen der Polizeischüler_innen zu Themen, die im Berufsethikunterricht bezüglich des kommunikativen Handelns von Polizist_innen behandelt worden sind sowie zu Themenwünschen für das Fach. Die am häufigsten genannten Themen sind das Überbringen einer Todesnachricht und der Umgang mit dem Tod. Dabei werden Erwartungen an das Praktikum bezüglich der Aufgabe des Überbringens einer Todesnachricht formuliert, die sich zwischen der Hoffnung, sich einer solchen Herausforderung stellen zu dürfen, und Befürchtungen hinsichtlich des persönlichen Umgangs mit einer solchen Situation bewegen. Auch an das Thema Tod knüpfen sich Erwartungen und Befürchtungen, letztere vor allem im Hinblick darauf, mit verstorbenen Kindern konfrontiert zu werden. Die Proband_innen formulieren auch Gedanken bezüglich der eigenen Sterblichkeit. Des Weiteren beschäftigen sich die Aussagen der Befragten mit dem professionellen Umgang mit Trauernden, Suizidanten, Bürger_innen und Kolleg_innen. In Verbindung mit dem Tod wird auch das Thema Menschenwürde im Zusammenhang mit dem respektvollen Umgang mit Verstorbenen angesprochen. Das Stichwort Menschenwürde findet sich außerdem in Bezug auf den Umgang mit Personen mit Migrationshintergrund. Sowohl vor als auch nach der ersten Praxisphase messen die Interviewten dem Thema Misshandlung Bedeutung bei. Dabei beschäftigt sie die Misshandlung von Kindern und Frauen sowie die Vergewaltigung von Frauen und die häusliche Gewalt. Als vordringliche Befürchtung zeichnet sich die mögliche Konfrontation mit misshandelten Kindern ab. Erschreckend für die Polizeischüler_innen war darüber hinaus die Häufigkeit, mit der sie mit Fällen häuslicher Gewalt in Kontakt kamen. Ein weiteres Themenfeld wird durch die Auseinandersetzung mit inneren Konflikten eröffnet. Diese knüpfen sich vordringlich an die Arbeitsmoral beziehungsweise –einstellung, wobei sowohl die eigene Haltung als auch die der Kolleg_innen und Anleiter_innen bedacht wird, sowie an die Frage des Verhältnisses des Privatmenschen zu seiner Rolle als Polizist_in in Uniform.
15.2.1 Subkategorie 1: Überbringen einer Todesnachricht In den Interviews äußern sich achtzehn Befragte zum Thema Überbringen einer Todesnachricht. Es kommt einerseits als relevanter Inhalt des Berufsethikun-
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
terrichts zur Sprache, andererseits wird es im Zusammenhang mit Ängsten und Erwartungen an das anstehende Praktikum benannt.434 Die Interviewten sind einhellig der Meinung, dass dem Überbringen von Todesnachrichten im beruflichen Alltag von Polizist_innen eine besondere Bedeutung zukomme, da eine solche Aufgabe für die Beamt_innen eine besondere Herausforderung darstelle.435 Person_1 hofft, in ihrem Praktikum keine Todesnachricht überbringen zu müssen, da sie nicht wisse, ob ihre Gefühle sie hierbei überwältigen würden: »ich MÖCHT es und hoff auch das ichs kann aber wies dann da is mit meinen gefühlen ((lacht)) ob die mich überwältigen ((lacht)) weiß ich nich[.]«436
Einen Gefühlsausbruch wolle sie unter allen Umständen vermeiden. Sie habe zwar in der eigenen Familie bereits einen Todesfall erlebt, bei dem die Todesnachricht von einer Polizistin überbracht wurde, und ihr wurde zugetragen, dass diese dabei in Gegenwart der Angehörigen geweint habe, dennoch möchte sie Stärke zeigen, um den Hinterbliebenen in einer solchen Situation Halt und Kraft vermitteln zu können.437 Sie gehe allerdings – im Gegensatz zu ihren Mitschüler_innen438 – davon aus, dass vergleichbare Aufgaben den Polizeischüler_innen innerhalb des ersten Praktikums nicht übertragen würden.439 In der zweiten Interviewreihe gibt sie an, in dieser Einschätzung bestätigt worden zu sein. Die befragte Person_9 sowie vier weitere Proband_innen berichten demgegenüber, während ihres Praktikums bereits selbst Todesnachrichten überbracht zu haben.440 Dabei äußern sie sich unterschiedlich über ihre Vorstellungen einer angemessenen Herangehensweise an eine solche Aufgabe. Person_19 geht davon aus, dass eine sachliche Übermittlung im Vordergrund stehen solle und im Sinne der Angehörigen sei.441 Person_7 hingegen vertritt den Standpunkt, dass vor allem eine empathische Haltung den Angehörigen gegenüber eingenommen werden müsse und weist dieser die größte Bedeutung beim Überbringen einer Todesnachricht zu.442 Person_10 gibt an, das Überbringen einer Todesnachricht als emotionale Stresssituation einzustufen. Sie könne nicht abschätzen, wie sie in einer solchen Situation reagieren werde.443 Für befragte Person_5 erscheint es vor allem be434 435 436 437 438 439 440 441 442 443
Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 36–43. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 17–20. Interview 1a, Mai 2014, Z. 293–295. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 281–289. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 748–750. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 47–52; 62–64ff. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 241–263. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 435–442. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 19–22. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 40–45; 49–53; 57–60; 162–166.
Makrokategorie I – Berufsethik und kommunikatives Handeln
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deutsam, beim Überbringen einer solchen Nachricht auf das Gegenüber zu achten, um angemessen auf dessen Reaktionen eingehen zu können.444 Diese Einschätzung untermauert sie mit einem Bericht über ein Erlebnis ihres Streifenpartners, der in einer solchen Situation sogar von Hinterbliebenen tätlich angegriffen worden sei. Er habe so als Ventil für die Gefühle gedient, die sich bei den hinterbliebenen Angehörigen angesichts der erhaltenen Nachricht Bahn gebrochen hätten.445 Auch Person_22 gibt zu bedenken, dass die Reaktion trauernder Menschen im Vorfeld nicht einzuschätzen sei.446 Fünf der befragten Personen sagen aus, dass sie der Umgang mit den Trauernden selbst emotional bewegt habe.447 Person_ 6 schildert einen Einsatz, bei dem ein Familienvater während eines Ausflugs mit Frau und Kind an Herzversagen gestorben sei. Sie berichtet von der eigenen Sprachlosigkeit angesichts der Familie, die soeben Ehemann und Vater verloren habe.448 Die befragte Person_4 gibt zu bedenken, dass in solchen Fällen auf ein Kriseninterventionsteam zurückgegriffen werden könne, das dafür ausgebildet sei, sich um die Hinterbliebenen zu kümmern und sie bei den ersten Schritten nach dem erlittenen Verlust zu unterstützen.449 Zusammenfassung Subkategorie 1: Überbringen einer Todesnachricht Die meisten der angehenden Polizist_innen, die sich zum Überbringen einer Todesnachricht äußern, geben an, dieses Thema im Berufsethikunterricht behandelt zu haben.450 Drei Proband_innen betrachten dieses Thema im Zuge der ersten Interviewreihe als bedeutsam.451 Die hohe Praxisrelevanz des Themas konstatieren die angehenden Polizist_innen im Anschluss an das Praktikum, indem sie feststellen, dass die dort behandelten Inhalte für den polizeilichen Alltag fruchtbar gemacht werden konnten.452 Die Befragten gehen davon aus, dass sie bereits in ihrem ersten Praktikum in der Lage sein müssen, eine solche Aufgabe bewältigen zu können. Fünf der 444 445 446 447 448 449 450
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 65–71. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 185–191. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 63–67. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 31–39. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 611–623. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 127–132. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 8–10; Interview 3a, Mai 2014, Z. 8–9; Interview 4a, Mai 2014, Z. 11–15; Interview 5a, Mai 2014, Z. 60–68; Interview 7b, September 2014, Z. 11–16; Interview 9a, Mai 2014, Z. 8; Interview 10a, Mai 2014, Z. 9–11; Interview 11a, Mai 2014, Z. 5–7; Interview 12a, Mai 2014, Z. 6–9; Interview 13a, Mai 2014, Z. 62–66; Interview 16b, September 2014, Z. 120; Interview 18a, Mai 2014, Z. 4–7; Interview 19a, Mai 2014, Z. 4–6. 451 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 8–9; Interview 4a, Mai 2014, Z. 11–15; Interview 7a, Mai 2014, Z. 11–16. 452 Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 254–257; Interview 9b, September 2014, Z. 295–311.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
angehenden Polizist_innen berichten nach dem Praktikum, dass sie sich einer solchen Situation tatsächlich haben stellen müssen.453 Die Aussagen der Proband_innen spiegeln unterschiedliche Auffassungen über die Vorgehensweise beim Überbringen einer Todesnachricht. Während Person_19 die Ansicht vertritt, dass eine sachliche Konfrontation mit den Fakten den Hinterbliebenen bei der Verarbeitung des Verlustes helfen könne,454 legt Person_7 Wert auf eine einfühlsame Haltung gegenüber den trauernden Angehörigen.455 Mehrere Interviewte sind sich einig darüber, dass die Reaktion der Trauernden schwer abzuschätzen sei. Daher sei es beim Überbringen einer Todesnachricht vor allem von Bedeutung, diese Reaktionen genau zu beobachten.456 Interpretation Subkategorie 1: Überbringen einer Todesnachricht Die Häufigkeit, mit der das Thema des Überbringens einer Todesnachricht in den Interviews von den Polizeischüler_innen angesprochen wurde, ist ein Hinweis darauf, dass es in der Polizeiausbildung eine besondere Relevanz hat. Diese Relevanz wird dadurch untermauert, dass mehrere der Proband_innen in Bezug auf das Praktikum berichten, mit einer solchen Situation konfrontiert worden zu sein. Dass die Polizeischüler_innen in der ersten Interviewreihe mehrheitlich angeben, sich für diese Aufgabe gut vorbereitet zu fühlen, zeigt, dass diesem Thema im Unterricht der Polizeischule bereits einige Aufmerksamkeit zugekommen ist. Explizit verweisen sie darauf, dass es im Berufsethikunterricht thematisiert wurde. Im Angesicht der konkreten Situation jedoch, so zeigt sich in der zweiten Interviewreihe, bestehen dennoch Unsicherheiten darüber, wie die Nachricht angemessen überbracht und mit den Reaktionen der Angehörigen umgegangen werden kann. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass auf der Sachebene bereits eine gute Vorbereitung in den Polizeischulen geleistet wird, auf der affektiven Ebene aber noch Bedarfe bestehen. Mit besonderen Unsicherheiten ist für die angehenden Polizist_innen die Vorstellung behaftet, Eltern eines verstorbenen Kindes die Todesnachricht überbringen zu müssen. Dieser besonders sensiblen Situation sollte im Unterricht also verstärkte Aufmerksamkeit zukommen. Der Berufsethikunterricht ist u. E. ein geeigneter Ort, um in Vernetzung mit den anderen Unterrichtsfächern die auf der Sachebene eingeübte Vorgehensweise beim Überbringen der Todesnachricht einer weiteren Reflexion zu un453 Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 241–263; Interview 12b, September 2014, Z. 170–178; Interview 18b, September 2014, Z. 188f.; Interview 19b, September 2014, Z. 449–459. 454 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 435–442. 455 Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 19–22. 456 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 185–191.
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terziehen und dabei den Fokus auf die eigene Gefühlslage der Proband_innen, ihre Bewältigungsstrategien und das Thema Selbstsorge zu lenken. Außerdem verweisen die Interviews auf den Bedarf, den Umgang mit trauernden Hinterbliebenen stärker in den Mittelpunkt zu rücken und den angehenden Polizist_innen in diesem Bereich Handlungssicherheit zu vermitteln. In diesem Zusammenhang kann auch eine Klärung stattfinden, in welchem Maße es den Auszubildenden in ihrer Rolle als Polizist_innen und Überbringer der Todesnachricht überhaupt möglich ist, Angehörigen unterstützend zur Seite zu stehen, und ab welchem Punkt es sinnvoller ist, Kriseninterventionsteams zu Hilfe zu rufen, um sich selbst (auch psychisch) zu entlasten.
15.2.2 Subkategorie 2: Umgang mit dem Tod Elf der Befragten äußern sich zum Thema Umgang mit dem Tod. Sie geben an, dass dieses Thema im Berufsethikunterricht behandelt wurde.457 Unter diesen elf Personen berichten zehn davon, in ihrem Praktikum eine Leiche gesehen und diese Situation gut bewältigt zu haben.458 Jedoch räumt Person_11 ein, dass der Umgang mit Toten nicht pauschal verharmlost werden könne. Sie befürchtet, in bestimmten Fällen, beispielsweise bei der Begegnung mit einem toten Kind, an ihre persönlichen Grenzen zu stoßen.459 Befragter_ 13 geht davon aus, dass auch die Konfrontation mit jüngeren verstorbenen Personen ihm in der Regel keinerlei Probleme bereiten werde.460 Wenig später schildert er jedoch im gleichen Interview, dass ihn der Anblick eines verstorbenen Kleinkindes belastet habe. Dabei habe es sich um ein neun Monate altes Kind gehandelt, das von seinem Großvater versehentlich überfahren worden sei.461 Person_28 sagt von sich, keine Schwierigkeiten damit zu haben, mit verstorbenen Kleinkindern umzugehen oder eine entsprechende Todesnachricht an die Familie zu überbringen.462 Fünf der Befragten geben an, während des Praktikums mit suizidalen Handlungen oder Suizidenten konfrontiert worden zu sein.463 457 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 338–342; Interview 13b, September 2014, Z. 28f.; Interview 16b, September 2014, Z. 119f; Interview 15a, Mai 2014, Z. 13–14; 24–25. 458 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 230–231. 459 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 116–119. 460 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 86–89. 461 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 106–109. 462 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 575–585. 463 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 234–235; Interview 9b, September 2014, Z. 12–13; Interview 11b, September 2014, Z. 109–124.
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»suizid (1) [mh] hypokonta oder wie es heißt hypokonta leute die sich KRankheiten einbilden und ganz viele tabletten {ja mhm JA} nehmen ich glaub hypokonta ist das wort dafür {ja} (1), (2) der ist dann mal irgendwann halt (1) dann haben da mal irgendwelche medikamente nicht zusammengepasst und dann ist man da in die wohnung rein (1) UNd (1) dann dann lag sie halt da [mh][.]«464
Auch die eigene Sterblichkeit wurde nach Angaben der Polizeischüler_innen im Berufsethikunterricht thematisiert. Person_1 erinnert sich, ebenso wie die Befragten_13 und _14, dass das Thema der Patientenverfügungen im Unterricht besprochen worden sei.465 Person_5 beschäftigt sich auf einer persönlichen Ebene mit der eigenen Sterblichkeit. Sie gibt an, dass sie gelegentlich die Sorge beschäftige, bei einem Motorradunfall zu sterben.466 Person_2 geht davon aus, im Polizeidienst unvermeidlich in Situationen zu kommen, in denen sie um ihr eigenes Leben bangen müsse.467 Sorge um das eigene Leben, aber auch um das Leben der Kolleg_innen, äußert Person_12.468
Zusammenfassung Subkategorie 2: Umgang mit dem Tod Elf befragte Personen sprechen über den Umgang mit dem Tod und im Zusammenhang damit über die erste Konfrontation mit einem Leichnam. Es fällt auf, dass in der zweiten Interviewreihe bis auf eine Person alle dieser Proband_innen davon berichten, in ihrem Praktikum eine Leiche gesehen zu haben. Diese Konfrontation hat jedoch für keine der befragten Personen den Charakter einer Grenzerfahrung gehabt. Person_11, die einzige Person, die in ihrem Praktikum nicht mit einer Leiche konfrontiert wurde, gibt jedoch an, nicht abschätzen zu können, ob sie mit dem Anblick eines verstorbenen Kindes umgehen könne.469 Befragter_13 behauptet, keine Probleme mit dem Anblick von Kinderleichen zu haben, schildert jedoch im gleichen Interview eine Situation, in der ihn der Anblick eines zu Tode gekommenen Kleinkindes belastet habe.470 Fünf Personen wurden während des Praktikums mit suizidalen Handlungen oder Suizidenten konfrontiert. Seltener erwähnt wurde die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, damit zusammenhängend die Beschäftigung mit dem Thema der Patientenverfügungen und der Tod von Kolleg_innen, Freund_innen und Bekannten. 464 Interview 13b, September 2014, Z.109–116. 465 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 9–11; Interview 13a, Mai 2014, Z. 66–72; Interview 14a, Mai 2014, Z. 34–37. 466 Vgl. Interview 5b, Mai 2014, Z. 155–160. 467 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 84–86. 468 Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 187–191. 469 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 116–119. 470 Vgl. Interview 13b September 2014, Z. 106–109.
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Interpretation Subkategorie 2: Umgang mit dem Tod Die Aussagen der angehenden Polizist_innen lassen vermuten, dass die Konfrontation mit Leichen für sie mehrheitlich kein Problem darstellt. Lediglich der Tod von Kindern scheint bei den Auszubildenden Unsicherheiten auszulösen.471 Diese Unsicherheiten beziehen sich auf die eigene Fähigkeit, mit einer solchen Situation umzugehen und sie zu bewältigen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die widersprüchlich anmutenden Aussagen des Befragten_ 13, der einerseits behauptet, keine Probleme im Umgang mit verstorbenen Kindern zu haben, andererseits aber angibt, von einem konkreten Todesfall eines Kleinkindes emotional betroffen worden zu sein. Es stellt sich die Frage, wie dieser Widerspruch in den Aussagen des Befragten zu bewerten ist. Eine mögliche Erklärung könnte u. E. sein, dass er sich durch das Erlebnis der Konfrontation mit einem verstorbenen Säugling in einer emotionalen Grenzsituation wiedergefunden hat, deren Verarbeitung ihm nicht gänzlich gelungen ist. Um sich einer weiteren Beschäftigung mit dieser Situation zu entziehen, gibt er an, keine Schwierigkeiten mit dem Tod von Kindern zu haben. Dadurch wird eine Reflexion des Erlebten jedoch abgewehrt und eine tatsächliche Verarbeitung verhindert. Das Beispiel dieses Befragten, wenn auch in den Interviews das einzige seiner Art, offenbart dennoch eine Anforderung an den Berufsethikunterricht. Er muss für die Polizeischüler_innen den nötigen Raum eröffnen, in dem sie solche Erfahrungen reflektieren und sich über gesunderhaltende Bewältigungsstrategien austauschen können. Ein dergestalt offener Umgang mit den Erlebnissen der Auszubildenden kann auch Personen wie dem Befragten_13 den Weg ebnen, sich der Auseinandersetzung mit seinen Erlebnissen wieder zu stellen. Auch wenn offenbar nur wenige der angehenden Polizist_innen im ersten Praktikum einer Situation ausgesetzt waren, die sie nicht aus eigener Kraft verarbeiten konnten, ist ihre zukünftige Berufspraxis dadurch geprägt, dass sie zu jeder Zeit mit solchen Grenzsituationen konfrontiert werden können. Die exemplarische Bearbeitung solcher Situationen im Berufsethikunterricht kann zur Vorbereitung auf die Realität des beruflichen Alltags dienen und den Polizeischüler_innen Hilfen an die Hand geben, um auch in der Zukunft belastende Situationen aus eigener Kraft zu meistern oder sich an geeigneter Stelle Hilfe zu holen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit sowie die Gefahr für das eigene Leben und das der Kolleg_innen in der Ausübung des Berufs werden von den Interviewten nur vereinzelt angesprochen. Daher kann hieraus kein unmittelbarer Handlungsbedarf für den Berufsethikunterricht abgeleitet wer471 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 116–119.
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den. Möglicherweise ist den Polizeischüler_innen angesichts ihres jungen Alters mehrheitlich der Gedanke an den eigenen Tod noch zu fern, um in ihren Überlegungen eine allzu große Rolle zu spielen. Da eine Begegnung mit suizidalen Menschen durchaus eine Situation ist, mit der Polizeibeamt_innen häufiger konfrontiert sind, ist zu überlegen, ob dieses Thema im Berufsethikunterricht besonders zu berücksichtigen ist, auch wenn es von den Proband_innen nur vereinzelt in den Interviews aufgegriffen wurde. In jedem Fall handelt es sich bei einem versuchten oder gar vollzogenen Suizid um eine Begegnung mit einer besonderen Grenzsituation, bezüglich derer sich mutmaßen lässt, dass durchaus ein Reflexionsbedarf besteht. Eine präventive Auseinandersetzung mit diesem Thema könnte die Handlungssicherheit der angehenden Polizist_innen ebenso befördern wie ihre Fähigkeit, Begegnungen mit Suizidfällen zu verarbeiten.
15.2.3 Subkategorie 3: Umgang mit Unfällen Sieben der befragten Personen kommen auf Unfälle zu sprechen. Dabei werden Unfälle von Kolleg_innen und Bürger_innen mit und ohne Todesfolge thematisiert. Person_2 geht davon aus, dass sie in ihrer beruflichen Praxis zu vielen Verkehrsunfällen gerufen werden wird.472 Person_5 berichtet von einem Unfall mit Todesfolge, der ihr in ihrem Praktikum begegnet sei.473 Sie sei zwar nicht am Unfallort gewesen, habe sich aber freiwillig gemeldet, um den Angehörigen die Todesnachricht zu überbringen. Dadurch habe sie herausfinden wollen, ob sie in der Lage sei, eine solche Situation zu bewältigen.474 Person_11 äußert sich unsicher darüber, ob sie einen schweren Unfall oder aber einen Unfall mit kleinen Kindern verkraften könne.475 Person_2 spricht von derselben Sorge: »ICH hat angst (2) :dass ich ::unfälle mit Kindern tote kinder sehe davor hatte ich (.) hatte ich am anfang ganz arg angst (1) muss ich jetzt sagen war zum glück nicht [mhm] (2) hatte ich nicht gesehen: (2) bin auch recht froh drumm (.) =auch kindermisshandlung und so was (2) hab ich nicht erlebt[.]«476
Die befragte Person_ 13 gibt an, in ihrem Praktikum viele tödliche Unfälle erlebt zu haben, da ihre Einsatzstelle sich in der Nähe der Autobahn befunden habe. Sie könne jedoch mit diesen Erfahrungen umgehen.477 Jedoch sei ihr der Tod eines neun Monate alten Kindes sehr nahe gegangen. 472 473 474 475 476 477
Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 93–94. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 88–97. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 105–134. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 189–192. Interview 2b, September 2014, Z. 119–125. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 130–145.
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»das mit dem meun neun monat monate alten baby (1) das is halt traurig (1), (2), (3), da beschäftig man sich also =i ich (?des=war =so=i?) […] ich saß mal aufm revier und (1) ich hatts halt noch gar nicht so richtig mitbekommen und dann habe ich so die bilder durchgeklickt [mhm] und dann kommt halt so verkehrsunfälle und son zeug und dann lag da das baby aufm boden mit der mit (1) ich weiß halt nicht wie genau ich das beschreiben kann[.]«478
Zusammenfassung Subkategorie 3: Umgang mit Unfällen Sieben der befragten Personen gehen in den Interviews auf den Umgang mit Unfällen ein. Hierbei unterscheiden die Befragten zunächst nicht zwischen Unfällen mit und ohne Todesfolge. Person_5 spricht einen Unfall mit Todesfolge im Zusammenhang mit dem Überbringen einer Todesnachricht an.479 Die befragten Personen_11 und _2 vermuten, mit einem schweren Unfall, bei dem ein Kind zu Schaden käme, nicht umgehen zu können.480 Interpretation Subkategorie 3: Umgang mit Unfällen Auffällig ist an den Aussagen in Bezug auf Unfälle, dass die Erlebnisse mit Verkehrsunfällen eine dominante Rolle zu spielen scheinen. Unfälle im Haushalt oder Arbeitsunfälle werden nicht erwähnt. Fraglich ist hierbei, ob dies der besonderen Eindrücklichkeit von Verkehrsunfällen geschuldet ist oder die Polizist_innen diese in besonderer Weise gewichten, weil sie mit ihnen zahlenmäßig am häufigsten konfrontiert sind. Mit lediglich einer Ausnahme beschäftigen sich alle Aussagen der Proband_innen mit Verkehrsunfällen, infolge derer ein Mensch zu Tode gekommen ist. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass solche Unfälle für die angehenden Polizist_innen hohe Anforderungen bezüglich der Verarbeitung des Erlebten stellen. Explizit wird die Frage nach der Verarbeitung vor allem im Zusammenhang mit Unfällen, in deren Folge Kinder zu Tode kommen, gestellt. Die Aussagen der Proband_innen verweisen auf ein Themenfeld, dessen Behandlung im Berufsethikunterricht besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
15.2.4 Subkategorie 4: Umgang mit Anderen Insgesamt zehn Befragte äußern sich zum Umgang mit Bürger_innen. Person_1 erachtet, ähnlich wie einige ihrer Mitschüler_innen, eine gelingende Kommu478 Interview 13b, September 2014, Z. 148–156. 479 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 105–134. 480 Vgl. Interview 11b, September2014, Z. 189–192; Interview 2b, September 2014, Z. 119–125.
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nikation zwischen Polizei und Bürger_innen als besonders wichtig481, da die direkte Interaktion mit den Bürger_innen einen entscheidenden Teil der täglichen Arbeit von Polizist_innen ausmache, wie Person_7 zu bedenken gibt.482 Befragte Person_22 gibt an, dass das Thema Kommunikation bereits im Berufsethikunterricht behandelt worden sei.483 Person_13 und _14 geben zu bedenken, dass gelingende Kommunikation zuweilen eine hohe Herausforderung darstelle und dass sie bereits Erfahrungen des Scheiterns von Kommunikation gemacht haben.484 Person_22 äußert, dass es nicht immer gelinge, dem Gegenüber mit dem nötigen Respekt entgegenzutreten, lässt mögliche Gründe dafür aber offen.485 Die befragte Person_14 erzählt, mit Kolleg_innen diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Sie sei Zeuge geworden, wie Polizist_innen unangemessen mit Bürger_innen umgegangen seien. Von diesem Verhalten distanziert sie sich und gibt an, sich selbst niemals so verhalten zu wollen.486 Person_11 hat die Begegnungen mit Bürger_innen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten als besonders »interessant« empfunden. Sie habe diese Begegnungen dazu genutzt, ihr eigenes Verhalten gegenüber Menschen aus verschiedenen Milieus zu reflektieren.487 Unter den Befragten, die Aussagen zum Umgang der Kolleg_innen untereinander machen, geben nahezu alle an, diesen als positiv empfunden zu haben.488 Allein Person_5 erzählt davon, durch Äußerungen seines Vorgesetzten in unangenehme Situationen gebracht worden zu sein, ohne diese jedoch weiter zu spezifizieren. Die Tatsache, dass es sich um seinen Vorgesetzten gehandelt habe, habe sie jedoch daran gehindert, mit diesem über die Situation ins Gespräch zu treten.489 Die befragte Person_15 beschreibt die Begegnung mit Bekannten oder 481 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 45–51; 46–51; 218–231; Interview 1a, Mai 2014, Z. 84–89; Interview 5a, Mai 2014, Z. 130–137; Interview 29b, September 2014, Z. 387–395. 482 Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 63–64. 483 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 488–491. 484 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 207–214. 485 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 483–488. 486 Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 184–188. 487 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 32–41. 488 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 293–299; Interview 2b, September 2014, Z. 83–85; Interview 3b, September 2014, Z. 223–229; Interview 4b, September 2014, Z. 37–40; Interview 6b, September 2014, Z. 22–31; Interview 8b, September 2014, Z. 295–301; Interview 10b, September 2014, Z. 82–84; Interview 12b, September 2014, Z. 221–222; Interview 17b, September 2014, Z. 14–18; Interview 18b, September 2014, Z. 63–71; Interview 19b, September 2014, Z. 155–164; Interview 20b, September 2014, Z. 34–52; Interview 22b, September 2014, Z. 149–150; Interview 24b, September 2014, Z. 268–275; Interview 28b, September 2014, Z. 178–188; Interview 29b, September 2014, Z. 233–255. 489 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 241–247.
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Freund_innen während der Dienstzeit als seltsame Situation, begründet dies aber nicht näher.490 Zusammenfassung Subkategorie 4: Umgang mit Anderen Zehn Personen äußern sich im Rahmen der Interviews zum Thema Umgang mit Bürger_innen. Die Polizeischüler_innen halten eine gelingende Kommunikation mit Bürger_innen für den Polizeiberuf für unabdingbar.491 Auch beobachtete Beispiele misslingender Kommunikation zwischen Polizeibeamt_innen und Bürger_innen werden benannt.492 Die Befragten geben an, das Thema Kommunikation im Berufsethikunterricht behandelt zu haben.493 Der Umgang unter den Kolleg_innen wurde überwiegend als positiv dargestellt. Lediglich ein Negativbeispiel wurde genannt.494
Interpretation Subkategorie 4: Umgang mit Anderen Die Proband_innen legen beim Umgang mit Bürger_innen Wert darauf, dass dieser von Respekt getragen ist. Gleichzeitig geben sie aber zu, dass ein respektvoller Umgang nicht immer gleichermaßen leicht fällt.495 Sie berichten davon, in den Praktika beobachtet zu haben, wie erfahrene Kolleg_innen den gebührenden Respekt in der Begegnung mit Bürger_innen vermissen ließen. Grundsätzlich scheint den angehenden Polizist_innen ein respektvoller Umgang mit Bürger_innen und auch Kolleg_innen also wichtig zu sein. Gleichzeitig besteht jedoch das Bewusstsein, dass ein solcher Umgang in der konkreten Situation eine große Herausforderung darstellen kann. Er erfordert eine vorurteilsfreie Grundhaltung ebenso wie Geduld und die Fähigkeit, sich in die Situation und die Gefühlslage des Gegenübers einfühlen zu können. Die Proband_innen machen in der Praxis die Erfahrung, dass auch bei dienstälteren Kolleg_innen ein solcher Umgang misslingen kann. Bedeutsam erscheint hierbei, dass die Polizeischüler_innen keine Aussagen darüber machen, welche Ursachen das Misslingen respektvollen Umgangs im Allgemeinen und in den konkret beobachteten Situationen haben könnte. Dabei handelt es sich um eine Fragestellung, die in der Tat schwer zu beantworten ist 490 491 492 493 494 495
Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 177–187. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 45–51. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 184–188. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 488–491. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 241–247. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 207–214; 239–247; Interview 27b, September 2014, Z. 103f.; Interview 15b, September 2014, Z. 82–88.
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und nur über die Analyse der einzelnen Situationen und die Beobachtung der eigenen Haltung innerhalb dieser geklärt werden kann. Da der Umgang mit Menschen aber einen bedeutenden Teil der polizeilichen Arbeit ausmacht, ist es notwendig, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Grundhaltungen sich Polizeibeamt_innen aneignen müssen, um respektvoll mit Anderen umgehen zu können, und welche persönlichen und situationsbedingten Faktoren einen solchen Umgang erschweren oder unmöglich machen können. Diese Fragen zu thematisieren, stellt u. E. ein weiteres Handlungsfeld für den Berufsethikunterricht dar. Die Aussagen der Proband_innen zum Umgang mit Freund_innen und Bekannten während der Dienstzeit verweisen auf ein weiteres Themenfeld, dem im Berufsethikunterricht Raum gegeben werden sollte. Die Proband_innen berichten, dass sie solche Begegnungen als unangenehm empfunden haben, ohne jedoch Ursachen für diese Empfindung zu benennen.496 Denkbar wäre, dass hinter diesen Empfindungen ein Rollenkonflikt steht: Die angehenden Polizist_innen können den aus dem privaten Umfeld bekannten Personen während der Dienstzeit nicht in ihrer Rolle als Privatperson entgegentreten. Vielmehr müssen sie die professionelle Rolle des Polizeibeamten, der Polizeibeamtin aufrechterhalten. Diese wirkt aber in der Begegnung mit Menschen, die die betreffende Person aus dem privaten Rahmen kennen, fehl am Platz und wird so zu einem Fremdkörper für die Auszubildenden selbst. Auch wenn zu vermuten ist, dass Empfindungen dieser Art mit zunehmender Berufspraxis und dem Hineinwachsen in die Rolle des Polizisten, der Polizistin überwunden werden, kann der Berufsethikunterricht durch die Reflexion von Begegnungen mit bekannten Personen im Dienst den angehenden Polizist_innen für einen solchen, in der Berufspraxis nicht selten auftretenden Fall Verhaltenssicherheit vermitteln.
15.2.5 Subkategorie 5: Menschenwürde Mehrere Interviewte geben an, dass das Thema Menschenwürde im Berufsethikunterricht behandelt worden sei.497 Der Interviewte_9 verbindet mit diesem Thema vor allem,
496 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 177–187. 497 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 6–7; Interview 9a, Mai 2014, Z. 15–16; 39–40; 106–108; Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 420–422.
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»[…] dass wir selbst mit SOLCHEN MENschen die KEIN respekt mehr vor der uni=uniform haben oder vor den polizisten an sich dass man mit denen würdevoll umgehn[.]«498
Der Interviewte_22 stellt den Begriff der Menschenwürde in einen Zusammenhang mit dem Umgang mit Respektspersonen, indem er Menschenwürde als eine Form des Respekts im Umgang mit Menschen definiert.499 Wichtig ist für den Interviewten_25 im Hinblick auf das bevorstehende Praktikum, seinen Fokus auf die Menschlichkeit zu legen.500 Respekt vor Toten Zwei Interviewte gehen in den Befragungen auf das Thema des Respektes vor Toten ein. Der Interviewte_5 benennt das Thema zwar nicht explizit, beschreibt aber, bei seiner ersten Begegnung mit einem Verstorbenen im Praktikum die Leiche vorsichtig behandelt zu haben.501 Die Interviewte_24 hingegen spricht von der Erfahrung, dass sich die Theorie in Bezug auf den Umgang mit Toten stark von der Praxis unterscheide.502 Dabei nimmt sie Bezug auf ein Erlebnis in ihrem Praktikum, das ihr gezeigt habe, dass der angestrebte Respekt vor den Verstorbenen leicht von Ekel überlagert werden könne, vor allem wenn es um Menschen ginge, bei denen der Todeszeitpunkt bereits längere Zeit zurückliege.503 Migration Der Interviewte_25 gibt an, dass das Thema Migration und Menschenwürde dem Berufsethiklehrer besonders wichtig gewesen sei.504 Vier Proband_innen berichten, in ihren Praktika häufig mit Menschen anderer Nationalitäten beziehungsweise Menschen mit Migrationshintergrund in Kontakt gekommen zu sein. Daher schätzen sie die Behandlung des Themas Migration und Menschenrechte als für die Berufspraxis relevant ein.505 Die Interviewte_11 verweist auf die Erfahrung, dass
498 499 500 501 502 503 504 505
Interview 9a, Mai 2014, Z. 49–52. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 440–447. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 340–341; 344–347. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 215–224; 224–226. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 172–174. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 177–192. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 13–15. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 250–253; Interview 11b, September 2014, Z. 23–445; Interview 15b, September 2014, Z. 374–391; Interview 16b, September 2014, Z. 118–119.
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»[…] mANche KOllegen jez nich so: FREundlich; un nETT z=zu men: DUNKelhÄUTIgen jez BEispielsWEISe sin wie zu: (.) einem; wie uns; […]«506
Ihr selbst hingegen sei es nicht schwer gefallen, alle Menschen gleich zu behandeln. Dabei sei ihr das im Berufsethikunterricht erarbeitete theoretische Wissen eine Hilfe gewesen.507 Drei Interviewte geben außerdem an, dass sie nach dem Praktikum das Thema Migration und Menschenwürde gerne erneut im Unterricht aufgreifen würden. Dabei interessiere sie schwerpunktmäßig der Umgang mit Menschen verschiedener Religionszugehörigkeiten und kultureller Herkunft, für den sie sich gerne weitere Kenntnisse aneignen würden.508 Zusammenfassung Subkategorie 5: Menschenwürde Fünf Interviewte geben an, dass im Berufsethikunterricht das Thema Menschenwürde behandelt worden sei.509 Dabei sei das Thema Menschenrechte sowie der Umgang mit Respektspersonen angesprochen worden.510 Für einen Interviewten steht im Umgang mit Menschen vor allem eine Haltung der Menschlichkeit im Sinne der Achtung der Menschenwürde des Gegenübers im Vordergrund.511 Zum Thema des respektvollen Umgangs mit Toten äußern sich zwei Interviewte. Dabei berichtet eine Person von ihrem Umgang mit einem Toten in der Praxisphase, während die andere von der Erfahrung spricht, dass der respektvolle Umgang durch eigene Gefühle des Ekels erschwert werden könne.512 Sieben Interviewte sprechen in den Befragungen das Thema Migration an.513 Zwei geben an, dass es im Berufsethikunterricht behandelt worden sei, wobei einer der Interviewten eine hohe Praxisrelevanz des Themas festgestellt habe.514 Die Interviewte_11 hat im Praktikum die Erfahrung rassistischen Verhaltens von Seiten der Polizeibeamt_innen gemacht. Sie selbst – wie auch der Inter506 Interview 11b, September 2014, Z. 424–427. 507 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 427–445. 508 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 254–256; 259–261; 263–266; Interview 4b, September 2014, Z. 470–476; 490–495; Interview 27b, September 2014, Z. 291–301. 509 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 6–7; Interview 9a, Mai 2014, Z. 15–16; 39–40; 106–108; Interview 11b, September 2014, Z. 420–422; Interview 22b, September 2014, Z. 440–447; Interview 25a, Mai 2014, Z. 340–341. 510 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 420–422; Interview 22b, September 2014, Z. 440–447. 511 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 340–341. 512 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 215–226; Interview 24b, September 2014, Z. 172–174; 177–193. 513 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 250–256; 259–261; 263–266; Interview 4b, September 2014, Z. 470–476; 490–495; Interview 11b, September 2014, Z. 423–445; Interview 15b, September 2014, Z. 374–391; Interview 16b, September 2014, Z. 118–119; Interview 25a, Mai 2014, Z. 13–15; Interview 27b, September 2014, Z. 291–301. 514 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 14–15; Interview 16b, September 2014, Z. 118–119.
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viewte_15 – möchte hingegen alle Menschen gleich behandeln.515 Drei Interviewte äußern im Zusammenhang mit dem Thema Menschenwürde den Wunsch nach einer vertiefenden Behandlung im Berufsethikunterricht. Ihr Interesse bezieht sich auf den Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund sowie auf eine Ergänzung ihrer interkulturellen und interreligiösen Kompetenzen.516
Interpretation Subkategorie 5: Menschenwürde Die Themen Menschenwürde und Menschenrechte haben in der Ausbildung von Polizist_innen eine hohe Relevanz, da der Umgang mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher sozialer Schichten zum Berufsalltag von Polizeibeamt_innen gehört. Dass die Interviewten nicht nur angeben, das Thema im Berufsethikunterricht behandelt zu haben, sondern auch betonen, dass es dem Lehrer besonders wichtig gewesen sei, zeigt, dass dieser Relevanz bereits Rechnung getragen wird. Für den Interviewten_22 ist der Umgang mit anderen Menschen eng mit der Vorstellung verbunden, dass er sich als Polizist menschlich verhalten muss. Problematisch ist, dass Menschlichkeit nicht klar definiert ist. Der angehende Polizist scheint damit einen Umgang zwischen zwei Personen zu meinen, die sich ihrer wechselseitigen Menschlichkeit bewusst sind. Diese beinhaltet einerseits den Gedanken der Einzigartigkeit jedes Menschen sowie andererseits das Bewusstsein über die Unvollkommenheit des Menschen und somit auch der eigenen Person. Dadurch, dass die eigene Person und das Gegenüber als Menschen in diesem Sinne wahrgenommen werden, ist die Voraussetzung und Grundlage für einen menschenwürdigen Umgang geschaffen. In engem Zusammenhang mit dem Thema Menschenwürde steht auch die Auseinandersetzung mit der Frage des Umgangs mit Toten. Dem Menschen ist seine Würde auch über den Tod hinaus unbedingt zuzugestehen. Dieses Bewusstsein spiegelt sich in den Aussagen der Proband_innen. Dass auch und gerade im Umgang mit Verstorbenen ein respekt- und würdevoller Umgang nicht immer leicht fällt, zeigen die Aussagen der Interviewten_24. Hier erscheint es wichtig, den angehenden Polizist_innen die Sicherheit zu vermitteln, dass eine Leiche verschiedene Reaktionen und Gefühle hervorrufen kann und dass diese, selbst wenn es sich um Ekel oder Abscheu handelt, vollkommen legitim sind. Dadurch werden die Auszubildenden, die sich solcher Gefühle möglicherweise schämen und sie nicht mit dem gebotenen Respekt gegenüber der 515 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 423–445; Interview 15b, September 2014, Z. 371–391. 516 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 263–266; Interview 4b, September 2014, Z. 470–476; 490–495; Interview 27b, September 2014, Z. 291–301.
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verstorbenen Person in Einklang bringen können, emotional entlastet. In einem weiteren Schritt sollten den Polizeischüler_innen Strategien vermittelt werden, mit Hilfe derer sie Verstorbenen auch angesichts von Empfindungen der Abscheu und des Ekels das geforderte Maß an Respekt entgegenbringen und deren Würde post mortem bewahren können. Auch der Behandlung des Themas Migration im Berufsethikunterricht kommt laut den Aussagen der Proband_innen eine hohe Praxisrelevanz zu. Der Umgang mit Menschen anderer Nationalitäten oder Menschen mit Migrationshintergrund gehört zum Alltag von Polizist_innen. Allen Menschen gleichermaßen mit Respekt und Achtung entgegenzutreten und sie in ihrer unantastbaren Würde anzuerkennen, sollte selbstverständliche Aufgabe der Beamt_innen sein. Demgegenüber berichtet jedoch eine Interviewte, im Praktikum beobachtet zu haben, dass Kolleg_innen Menschen in Abhängigkeit von ihrer Hautfarbe unterschiedlich behandelt haben. Es ist eine notwendige Aufgabe des Berufsethikunterrichts, solche Erfahrungen zu thematisieren und zu problematisieren, auch wenn es sich nur um Einzelfälle handeln mag. Vor allem die unrühmlichen Erfahrungen im Umgang mit Menschen anderer Herkunft und anderen Glaubens in der deutschen Geschichte verpflichten dazu, den zukünftigen Vertretern des Gesetzes in aller Deutlichkeit die Notwendigkeit zur Gleichbehandlung aller Menschen aufzuzeigen.
15.2.6 Subkategorie 6: »Misshandlung« Die Interviewte_2 äußert Interesse daran, in der Ausbildung über Merkmale misshandelter Kinder zu sprechen. Ihr sei daran gelegen, frühe Warnsignale erkennen zu können, die darauf hindeuten, dass ein Kind vernachlässigt bzw. misshandelt werde: »WIE sieht man sowas WO kann einem sowas passieren vielleicht auch […] die !MERK!male woran erkennt man das jetzt ein kind […] wie man halt erkennt ob jetzt ein kind vom verHALTEN her ob des jetzt irgendwie merkmale hat (.) wo man merkt ok da muss was gemacht werden !OBWOHL! man vielleicht wegen nem anderen fall dort ist bei der familie […]«517
Der Interviewte_6 berichtet, dass er eine Person habe bewachen müssen, der durch Dritte der Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen worden sei. Diese Person habe er aus seiner Jugendzeit persönlich gekannt. Mit dem Opfer sei er jedoch nicht in Kontakt gekommen.518 517 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 63–72. 518 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 526–534.
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Die Interviewte_10 sieht die Praxisrelevanz des Berufsethikunterrichts vor allem in Bezug auf das Thema der Inobhutnahme von Kindern. Sie betrachtet die Inobhutnahme als eine Aufgabe, die einer besonderen Vorbereitung der angehenden Polizist_innen bedürfe, welche der Berufsethikunterricht leisten könne.519 Die Interviewte_11 berichtet in der zweiten Interviewreihe, dass sich im Praktikum ihre Befürchtung, sich der Situation einer Inobhutnahme stellen zu müssen, bewahrheitet habe. Sie habe ein Neugeborenes aus einer Wohnung holen müssen. Der Gedanke, dass damit dem Wohl des Kindes gedient sei, sei für sie bei der Bewältigung dieser Aufgabe hilfreich gewesen.520 Nach der Praxisphase berichtet der Interviewte_12 von dem Fall einer Mutter, die in betrunkenem Zustand ihren Ehemann und die Kinder beschimpft und geschlagen habe. Mutmaßlich habe die Frau psychische Probleme gehabt. Der Interviewte gibt an, dass ihn der Gedanke beschäftigt habe, dass die Kinder früher oder später wieder zur Mutter zurückkehren würden und sich ein solcher Vorfall wiederholen könne. Er habe angesichts der Tatsache, dass die Polizei die Situation nur vorübergehend habe lösen können, ein Gefühl der Hilflosigkeit empfunden.521 Der Interviewte_13 erzählt auf die Frage hin, ob es im Praktikum Situationen gegeben habe, mit denen er nicht gerechnet habe, von einem Fall einer Vergewaltigung eines Kindes durch den eigenen Vater. Der habe dem Kind im Anschluss an die Tat noch auf den Kopf uriniert. Er gibt an, dass Vergewaltigungen zu den Straftaten gehören, die Polizist_innen im Dienst häufiger begegnen. Als besonders widerwärtig empfinde er an diesem konkreten Beispiel jedoch, dass auf das Kind danach noch uriniert worden sei. Er sagt aus, dass eine solche Erfahrung dazu geeignet sei, den Glauben an die Menschheit zu verlieren.522 Auf die Frage, ob es im Praktikum Situationen gegeben habe, die die Interviewte_27 an ihre Grenzen gebracht haben, berichtet sie von einer Dreizehnjährigen, die von ihrem Vater geschlagen worden sei. Diese Situation habe sie persönlich beschäftigt: »un das hat dir halt AUCh LEId getan un das hat Dich schON auch mitgenommen; {{gleichzeitig}(I) mhm} wenn da so ne dreizehnja=jährige verschlagen ins REVier reinkommt, die totAl hEUlt[.]«523
519 520 521 522 523
Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 125–138. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 194–196; 203–212. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 226–252. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 219–228. Interview 27b, September 2014, Z. 156–160.
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Misshandlung von Frauen (auch Vergewaltigung) Befragte Person_17 erzählt von einer Vergewaltigung, bei der sie die Aufgabe gehabt habe, den Tatort zu bewachen: »was mir jetz bissn psychiSCH; nah gegangen is des war ähm; ne vergewalTIGUNG wo wir den tatort gefundn ham (1) Und un dann mussten wir dann auch im strömenden regen ((klingeln)) nachts ähm (.) an dem tatort bleiben bis die krimiNALpolizei, (.) kam (.) un. Des war dann auch schlimm weil=du (.) hast dann vorKOPF was da grad Passiert is=du hast grad eben noch die FRau gesehn wo um hilfe gerufen hat (.) un jetz stehsch dann am tatort siehst noch ihre SChuhe dort stehn und ihre handtasche un sie weiß ganz genau dass DA, jetz grad des passIERT Sein muss (.) un des war dann auch halt natürlich bissn bedrückend (1) des is so (.) Was, mich son bissn mitgenomm hat[.]«524
Häusliche Gewalt (auch eheliche Beziehungen) Interviewter_4 berichtet, einen Fall von häuslicher Gewalt erlebt zu haben, bei dem ein alkoholisierter Mann sein einjähriges Enkelkind als Schutzschild zur Abwehr der Polizei benutzt habe. Der Mann habe seine Frau geschlagen, woraufhin die Polizei gerufen worden sei. Am Ende sei es den Polizist_innen gelungen, ihn mit Pfefferspray niederzustrecken. Der Interviewte äußert trotz der Notwendigkeit zu einer solch drastischen Vorgehensweise der Polizei die Annahme, dass der Mann selbst in seinem alkoholisierten Zustand seinen Fehler eingesehen habe.525 Auch der Interviewte_5 blickt auf eine Erfahrung mit häuslicher Gewalt im Verlauf des Praktikums zurück.526 Dabei schildert er nicht den konkreten Vorfall, sondern geht auf die Reaktionen der Betroffenen auf das Eingreifen der Polizei ein. Diese seien von Dankbarkeit für das erfahrene Mitgefühl geprägt gewesen.527 Interviewte_9 gibt zu bedenken, dass die Polizeischule nicht in vollem Umfang auf den Umgang mit »Hausstreitigkeiten« vorbereiten könne, da das Verhalten der Menschen in den konkreten Situationen eine nicht vorhersehbare Größe darstelle.528 Der Interviewte_17 spricht im Zusammenhang mit der Frage nach Situationen im Praktikum, mit denen er nicht gerechnet habe, die Häufigkeit an, mit der Polizist_innen mit häuslicher Gewalt konfrontiert werden:
524 525 526 527 528
Interview 17b, September 2014, Z. 141–155. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 318–335. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 113–117. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 64–70. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 149–154.
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»ich hätt jetz (.) zum beispiel NIEmals gedacht dass in (Name des Ortes) So oft häusliche Gewalt, gibt; (1) u:n DaS hat mich halt schon noch relativ (.) SCHOckiert auch (.) Dass:: auf FAst jeder Runde, irgnwie (.) zu son=son=som Einsatz kam[.]«529
Interviewter_25 wurde nur in der ersten Interviewreihe befragt. Er geht auch auf das Thema häuslicher Gewalt ein und stellt es in einen Zusammenhang mit dem Begriff des »christlichen Leitbildes«. Diesem zu folgen, sei für ihn unmöglich, wenn er zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen werde. Eine inhaltliche Füllung erfährt der Begriff des christlichen Leitbildes in den Aussagen des Interviewten jedoch nicht.530 Tierquälerei Das Thema Tierquälerei wird explizit nur ein einziges Mal im Vorfeld des Praktikums angesprochen. Interviewter_9 erwähnt es im Zusammenhang mit seinen Befürchtungen in Bezug auf die Praxisphase. Er gibt an, einerseits im Praktikum keine toten Kinder sehen zu wollen und andererseits nicht Zeuge werden zu wollen, wie Tiere gequält werden.531 Die Interviewte_11 gibt innerhalb der Interviews in einem Nebensatz an, sehr tierliebend zu sein. Daher würde es ihr nahe gehen, wenn beispielsweise ein Hund überfahren würde. Weiter geht sie auf dieses Thema nicht ein, was die Vermutung nahelegt, dass es sich um eine allgemeine Aussage ohne Bezug auf eine konkrete Situation handelt.532 Zusammenfassung Subkategorie 6: »Misshandlung« Einige der Interviewten drücken im Hinblick auf das Praktikum Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Erleben von Misshandlungen aus. Vielfach werden die Befürchtungen dahingehend konkretisiert, dass die Misshandlung von Kindern in ihnen einen besonderen Stellenwert einnimmt. Eine der Interviewten formuliert den Umgang mit Fällen von Misshandlung explizit als Themenwunsch für die polizeiliche Ausbildung. Die Behandlung des Themas sollte in ihren Augen unter dem Fokus der Prävention und Früherkennung stehen.533 Unsicher ist sie sich darüber, ob der Berufsethikunterricht der geeignete Ort dafür sei.534 Einer der Interviewten berichtet von der Erfahrung, den Täter in einem Fall 529 530 531 532 533 534
Interview 17b, September 2014, Z. 28–32. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 59–85. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 156–163. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 266–267. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 119–125. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 51–53, 63–72.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
des Missbrauchs von Minderjährigen gekannt zu haben. Interessant ist hierbei die Beobachtung, dass das Problem, mit der Tatsache der persönlichen Bekanntschaft mit dem Täter umzugehen, offenbar die Beschäftigung mit der Tat selbst und mit den Opfern überlagert hat.535 Im Vorfeld es Praktikums wird von keinem der Interviewten die Angst vor Fällen von häuslicher Gewalt thematisiert. Lediglich ein Interviewter sorgt sich, mit einem schlimmen Fall konfrontiert zu werden, in den Kinder involviert seien, ohne seine Befürchtungen aber weiter zu konkretisieren.536 Ein Interviewter erzählt von einem Vergewaltigungsfall, bei dem er gemeinsam mit Kolleg_innen den Tatort habe bewachen müssen. Er beschreibt, dass ihm diese Situation nahe gegangen sei und dass der Aufenthalt am Tatort angesichts der dort immer noch vorfindlichen Spuren ihm die Tat in besonderer Weise real vor Augen geführt habe.537 Nach der Praxisphase zeigt sich, dass eine größere Anzahl der Befragten das Thema der Misshandlung bzw. Vernachlässigung von Kindern aufgreift als vor dem Praktikum. Ebenso verhält es sich mit dem Thema der häuslichen Gewalt. Der Themenwunsch, über Merkmale misshandelter Kinder zu sprechen, bleibt bestehen, obwohl während des Praktikums keine Erfahrungen damit gemacht wurden. Von Tierquälerei spricht vor dem Praktikum nur ein einziger Interviewter. Er fügt sie gemeinsam mit der Begegnung mit einem toten Kind in die Reihe der Situationen ein, die er im Praktikum nicht erleben möchte. Nach der Praxisphase geht er auf dieses Thema jedoch nicht mehr ein.538 Eine weitere Interviewte benennt nach dem Praktikum ebenfalls, dass sie sehr tierverbunden sei und ungern sehen möchte, dass ein Hund überfahren werde.539 Interpretation Subkategorie 6: »Misshandlung« Auffallend ist in den Aussagen der Proband_innen, dass die meisten Interviewten Misshandlung, Schändung oder Missbrauch thematisieren, den Begriff der Vernachlässigung jedoch nicht in ihre Aussagen einbeziehen. Hinter dieser Beobachtung lassen sich verschiedene Ursachen vermuten. Einerseits könnte dahinter stehen, dass Begriffe wie Misshandlung oder Missbrauch im allgemeinen Sprachgebrauch geläufiger sind als der Begriff der Vernachlässigung. Andererseits könnte auch die Tatsache, dass Misshandlung, Schändung oder Missbrauch eine aktive Täterschaft einschließen, während die Vernachlässigung 535 536 537 538 539
Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 526–534. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 235–237. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 141–155. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 156–163. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 266–267.
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zumindest vordergründig eher ein passives Verhalten impliziert, erstere als die gravierenderen Fälle escheinen lassen, die im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung zuerst ins Bewusstsein rücken. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die angehenden Polizist_innen wissen, dass Fälle der Vernachlässigung nicht zwingend im Zuständigkeitsbereich der Polizei liegen, sondern zunächst von Jugendämtern zu bearbeiten sind. Des Weiteren könnte die Aussparung des Begriffes der Vernachlässigung aber auch auf eine begriffliche Unschärfe in der Unterscheidung der verschiedenen Formen von Misshandlung liegen. Für den Fall, dass die genannten Bezeichnungen aus Unwissenheit über die begrifflichen Definitionen der einzelnen Formen des Missbrauchs genutzt werden, wäre es notwendig, im Unterricht auf die Begriffsdefinitionen einzugehen. Die Interviewte, die in beiden Interviewreihen zum Ausdruck bringt, dass ihr die Behandlung von Merkmalen misshandelter Kinder im Zusammenhang mit Prävention und Früherkennung ein Anliegen sei, hat vorher bereits im Rettungsdienst gearbeitet. Möglicherweise haben auch Erfahrungen aus dieser Zeit dieses Anliegen mit geprägt. In Gesprächen mit (auch diensterfahrenen) Polizist_innen zeigt sich, dass diese sich ihr Wissen in Bezug auf Misshandlung und Vernachlässigung weitgehend selbst angeeignet haben. Sie beklagen, in diesem Bereich unzureichend ausgebildet zu sein.540 Außerdem äußern die Polizist_innen vielfach ein Interesse daran, den Ausgang von Fällen misshandelter oder vernachlässigter Kinder zu erfahren. Diese Aussagen decken sich mit der Äußerung eines befragten Polizeischülers, der ebenfalls gerne wüsste, wie mit betroffenen Kindern weiter verfahren wird. Somit wäre abzuklären, inwiefern im Unterricht der Polizeischulen vorbereitend ein vermehrtes Augenmerk auf den Umgang mit misshandelten und vernachlässigten Kindern sowie auf den Bereich der Prävention und Früherkennung gelegt werden muss. Darüber hinaus ist zu fragen, ob ein Bedarf an Fort- und Weiterbildungsangeboten für bereits im Dienst befindliche Polizeibeamt_innen besteht. Auch eine Kooperation mit dem Jugendamt erscheint als denkbare Methode. Der Berufsethikunterricht könnte der Ort sein, um den angehenden Polizist_innen einerseits Handlungssicherheit zu vermitteln und andererseits offen gebliebene Fragen zur Vorgehensweise in Fällen von Misshandlungen und Vernachlässigungen zu klären. Dieses Wissen könnte die Beamt_innen im Berufsalltag entlasten, indem sie die Sicherheit gewinnen, dass die Fälle weiter verfolgt und die betroffenen Kinder nachhaltig begleitet und vor weiteren Übergriffen geschützt werden. Ein weiterer Gewinn könnte aus einer durch persönliche Kontakte zu Mitarbeitern des Jugendamtes entstehenden
540 Bezug auf das Praktikum im Streifendienst im September 2014.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Kooperation erwachsen, indem diese in der Zukunft als Ansprechpartner bei Fragen oder Problemen dienen könnten.
15.2.7 Subkategorie 7: Innere Konflikte Arbeitsmoral/-einstellung Der Interviewte_3 gibt vor dem Praktikum an, dass im Berufsethik- und Psychologieunterricht sowohl die eigene Einstellung zur Polizei, die auch die Arbeitsmoral beinhalte, als auch die Perspektive des polizeilichen Gegenübers behandelt worden sei. Er stellt fest, dass seine eigene Einstellung mit der Sicht der Bürger_innen auf die Arbeit von Polizist_innen kollidieren könne. Diese Inhalte stuft er als relevant für das bevorstehende Praktikum ein.541 Eine Vertiefung beziehungsweise Wiederaufnahme des Themas auf der Basis der Erfahrungen im Praktikum erachtet er als sinnvoll.542 Nach dem Praktikum reflektiert er seine eigene Arbeitshaltung am Beispiel von Alarmmeldungen: »bei ALARMmeldungen fährt man ja hin und des sin halt ÜBERwiegend FEHLalarmmeldungen und da geht man schon mit so=ner gewissen voreinstellung hin[.]« 543
Die genannte Voreinstellung bewertet er negativ, da sie in einem Ernstfall nicht angebracht sei.544 Bei den Einsätzen im Verlauf der Fußballweltmeisterschaft spricht er von einer besonderen persönlichen Herausforderung: »man selber [musste] halt immer konzentriert und SACHlich bleiben musste und äh (.) da jetzt nicht unbedingt mitfeiern konnte mhm obwohl es ja. doch n erfreuliches ereignis war[.]« 545
Die Interviewte_15 hat in ihrem Praktikum beobachtet, dass ihr Praxisanleiter gegenüber Bürger_innen häufig seine Macht ausgespielt und gleichzeitig keinerlei Respekt gegenüber Vorgesetzten gezeigt habe.546 Sie selbst habe sich ihm gegenüber dazu nur selten geäußert.547 Die Einstellung gegenüber den Vorgesetzen rechtfertigt sie damit, dass ihr Praxisanleiter seit längerer Zeit nicht befördert worden und daher frustriert sei.548 Die Interviewte_16 betrachtet es als Aufgabe des Berufsethikunterrichts, auf mögliche Konflikte zwischen persön541 542 543 544 545 546 547 548
Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 75–81. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 92–94. Interview 3b, September 2014, Z. 120–123. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 123–126; 129–135. Interview 3b, September 2014, Z. 143–148. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 348–349; 257–259. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 354–356; 361–363. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 342–346; 363–370.
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lichen Einstellungen und gesetzlichen Regelungen beziehungsweise polizeilichen Vorgaben vorzubereiten.549 Sie berichtet, dass sie einige Kolleg_innen in der Praxisphase bei Einsätzen als desinteressiert und unmotiviert erlebt habe. Über diese Haltung der Polizeibeamt_innen habe sie sich geärgert.550 Auch an der Arbeitshaltung ihres Anleiters habe sie Anstoß genommen. Dieser habe sich ihrer Ansicht nach Bürger_innen gegenüber oft unangemessen verhalten, in dem er beispielsweise ein übertriebenes Strafmaß einsetzte. Auf diese Weise habe er versucht, Anerkennung von den Vorgesetzen zu erhalten.551 Ihre Einschätzung der Arbeitshaltung von (Polizei-)Beamt_innen beschreibt sie wie folgt: »als BEAmter ist mans wahrscheinlich gewohnt dass man morgens erstmal ne stunde lang sein kaffee trinkt und wehe das funktioniert nicht dann is schon (2) dass punkt acht uhr gefrühstückt wird und dann wird dA einkaufen gefahren und wenn man also halt alle so viele private erledigungen wenn die halt einfach aufgrund der arbeitslage nicht möglich sind ist es für die beamten schon ein ganz furchtbarer tag[.]«552
Mensch und Uniform Der Interviewte_4 betont, dass es ihn sehr beruhigt habe, ohne Uniform nicht als Polizist erkannt worden zu sein.553 Vor dem Praktikum macht der Interviewte_8 die Bedeutung des Berufsethikunterrichts daran fest, dass dort der Unterschied zwischen dem Privatmenschen und dem Polizisten, der Polizistin in der Uniform thematisiert werde.554 Dabei sei ihm besonders wichtig, dass »[…] ma trotz UNIform doch noch MENsch isch […]«555. Mit dem Anlegen der Uniform sei die Übernahme von Verantwortung verbunden.556 Gleichzeitig sei es aber genauso wichtig, sich »[…] von der UNIform und dem GANze NICHT zu arg entMEnschliche [zu] lasse dass man nur noch Machtinstrument isch oda=oda irgendwie en Instrument des STAAts[.]«557
Dieses Menschsein beinhalte, auch Fehler machen und Pausen einfordern zu dürfen.558 Nach dem Praktikum erzählt der Interviewte_ 8, dass er bezüglich der 549 550 551 552 553 554 555 556 557 558
Interview 16a, Mai 2014, Z. 132–136. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 174–184. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 206–212. Interview 16b, September 2014, Z. 228–259. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 356–365. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 72–83; 10–14. Interview 8a, Mai 2014, Z. 109. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 109–112. Interview 8a, Mai 2014, Z. 115–118. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 112–115.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
eigenen Person einen großen Unterschied zwischen der Privatperson in Zivil und dem Polizisten in Uniform beobachtet habe. Dies habe er an den Reaktionen der Bürger_innen feststellen können.559 Jedoch gibt er zu bedenken: »KLAR die: LEUte sehn dich im erschte moment net als MENsch sondern: ALs LAUFende uniform[.]«560
Entsprechend könne er im Dienst auch mit gegen seine Person gerichteten Beleidigungen umgehen, da diese Beleidigungen nicht gegen ihn als Menschen gerichtet seien, sondern gegen den Polizisten in Uniform. Negative Erfahrungen der Bürger_innen mit der Polizei, so die Meinung des Befragten_8, können in solchen Beleidigungen münden, die dann aber eben nicht auf ihn als Person, sondern auf die Institution Polizei zielen.561 Ähnlich formuliert es der Interviewte_21 bereits vor der Praxisphase, indem er sagt, dass er bei Beleidigungen »[…] nich als MENSCH ANGEGIffen werde SONDERN ALS polizist an SICH[.]«562
Beleidigt werde also nicht er als Person, sondern der von ihm repräsentierte Vertreter des Staates.563 Die Interviewte_ 11 geht vor dem Praktikum davon aus, dass sie noch nicht in der Lage sei, nach Feierabend mit der Uniform auch das »Polizistinnen-Dasein« und somit die erlebten belastenden Situationen abzulegen.564 Nach dem Praktikum beschreibt sie, dass ihr durch das Tragen der Uniform viel Aufmerksamkeit und Respekt zugekommen sei.565 Vor der Praxisphase gibt der Interviewte_ 13 an, dass ihm Uniformen nicht stünden.566 Dennoch sei die Uniform als äußeres Erkennungszeichen wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden.567 Die Interviewte_16 äußert die Angst, von den Bürger_innen aufgrund der Uniform abgelehnt zu werden.568 Dabei beschreibt sie, dass sie in ihrem ehemaligen Beruf als Rettungssanitäterin von Bürger_innen stets als »der FREUndliche«569 angesehen worden sei. Dies werde sich nun möglicherweise ändern.570 Um nach Dienstschluss mit dem Ablegen der Uniform auch den beruflichen Alltag hinter sich lassen zu können, habe der In-
559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570
Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 136–140; 151–184. Interview 8b, September 2014, Z. 193–195. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 195–209. Interview 21a, Mai 2014, Z. 267–268. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 268–272. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 140–144. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 53–64. Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 290–291. Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 295–297. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 457–463. Interview 16a, Mai 2014, Z. 451. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 449–457.
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terviewte_17 auf diesbezügliche Ratschläge der erfahrenen Kolleg_innen zurückgegriffen.571 Dennoch sei es ihm nicht immer gelungen.572 Zusammenfassung Subkategorie 7: Innere Konflikte Insgesamt beschäftigen sich drei Interviewte mit inneren Konflikten hinsichtlich der Arbeitsmoral beziehungsweise Arbeitseinstellung. Der Interviewte_3 nennt als Unterrichtsthema die Unterschiede zwischen Polizist_innen und Bürger_innen bezüglich ihrer jeweiligen Perspektive auf die Polizeiarbeit. Er reflektiert seine Arbeitshaltung selbstkritisch und stellt fest, dass seine Einstellung im Falle einer Alarmmeldung durchaus kritikwürdig ist. Gleichzeitig geht er auf die Schwierigkeit ein, in gewissen Situationen als Polizist eine neutrale und professionelle Haltung zu bewahren. Als Beispiel nennt er die erlebten Einsätze im Zuge der Fußballweltmeisterschaft.573 Die Interviewte_15 kritisiert die Arbeitshaltung ihres Praxisausbilders, die von Machtmissbrauch gegenüber Bürger_innen und Respektlosigkeit gegenüber Vorgesetzten geprägt sei. Außerdem stört sie sich an der mangelnden Motivation und angestauten Frustration ihres Anleiters in der Praxisphase. Vor allem gegen Ende des Praktikums sei es ihr kaum gelungen, ihn für weitere Einsätze zu motivieren.574 Die Aussagen der Interviewten_16 vor der Praxisphase beziehen sich auf die Ambivalenz zwischen eigenen Einstellungen und gesetzlichen Vorgaben. Eine Vorbereitung innerhalb des Berufsethikunterrichts erachtet sie als sinnvoll. Nach dem Praktikum wirft sie ihrem Anleiter vor, Kleinigkeiten in übertriebener Weise geahndet zu haben, um sich dadurch zu Anerkennung bei den Vorgesetzen zu verhelfen. Dies habe sie mit sich selbst nicht vereinbaren können. Die anderen Kolleg_innen beschreibt sie mehrheitlich als faul, unmotiviert und desinteressiert.575 Sieben Interviewte beschäftigen sich mit dem Thema des Tragens der Polizeiuniform und mit der Rolle des Polizisten, der Polizistin im Dienst im Vergleich zur Rolle als Privatmensch. In vier Interviews wird der Uniform eine Schutzfunktion beigemessen. Der Interviewte_4 gibt an, dass man ihn ohne Uniform nicht erkenne und sein Privatleben auf diese Weise geschützt sei. Die Interviewten_8 und_21 können aufgrund des Tragens der Uniform Beleidigungen von Bürger_innen besser ertragen, da sie diese als gegen den Polizisten, 571 Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 164–177. 572 Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 177–184. 573 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 75–78; 92–94; Interview 3b, September 2014, Z. 120–126; 141–148. 574 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 306–321; 341–352; 354–370. 575 Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 128–138; Interview 16b, September 2014, Z. 174–199; 206–213; 61–63; 391–393; 224–235.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
die Polizistin in Uniform und nicht gegen die eigene Person gerichtet empfinden können. Der Interviewte_13 gibt an, dass die Uniform vor Missverständnissen schütze, weil dadurch Polizist_innen als solche erkennbar seien.576 Der Interviewte_8 berichtet, dass ihm die Unterscheidung zwischen privater Person und Polizist_in Uniform besonders wichtig sei, denn die Uniform implementiere einen gewissen Perfektionismus. Er sieht die Gefahr, dass das Tragen der Uniform einen entmenschlichenden Charakter annehmen könne, da vielfach vorausgesetzt werde, dass Uniformierte sich stets richtig verhalten und keine Fehler machen dürfen. Dabei werde vergessen, dass es sich bei dem uniformierten Polizisten, der uniformierten Polizistin um einen Menschen handle.577 In zwei Interviews wird das Ablegen der Uniform mit dem Eintreten ins Privatleben verbunden.578 Für eine Interviewte bringt das Tragen der Uniform mit sich, dass ihr mit mehr Respekt begegnet werde.579 Zwei Interviewte geben an, dass sie sich in der Uniform nicht wohlfühlen.580 Interpretation Subkategorie 7: Innere Konflikte Lediglich drei Interviewte beschäftigen sich mit dem Thema Arbeitsmoral beziehungsweise Arbeitseinstellung. Zwei dieser Proband_innen nehmen bereits in der ersten Interviewreihe Bezug auf dieses Thema. Alle drei blicken nach der Praxisphase auf Erfahrungen zurück, in denen ihnen ihre eigene Arbeitseinstellung oder die der Kolleg_innen fragwürdig erschien. Diese Ergebnisse verweisen auf zweierlei. Zunächst scheint die Frage nach der eigenen Arbeitseinstellung oder die der Kolleg_innen für die meisten angehenden Polizist_innen noch nicht von Bedeutung zu sein. Dies mag sich dadurch erklären lassen, dass sie noch mit unverbrauchtem Eifer und großem Interesse in das für sie neue Berufsfeld hineingehen. Erst die konkreten Erfahrungen in der Beobachtung der Arbeitshaltung der Polizeibeamt_innen in der Praxis können in dieser Phase der Ausbildung (wenn auch in seltenen Fällen) dazu führen, dass dieses Thema von den Auszubildenden einer genaueren Betrachtung unterzogen wird. Zweitens wird deutlich, dass die Frage nach der Arbeitshaltung und Arbeitsmoral im Laufe der zunehmenden Dienstjahre eine Rolle spielen kann. Interessant wäre zu wissen, ob die von den Proband_innen kritisierten Praxisanleiter_innen und Kolleg_innen in der Lage sind, ihre Arbeitshaltung selbst zu 576 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 356–365; Interview 8b, September 2014, Z. 188–209; Interview 21a, Mai 2014, Z. 264–272; Interview 13a, Mai 2014, Z. 295–299. 577 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 107–131; Interview 8b, September 2014, Z. 136–140; 151–184. 578 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 140–144; Interview 17b, September 2014, Z. 164–184. 579 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 53–64. 580 Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 190–191; Interview 16a, Mai 2014, Z. 449–463.
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reflektieren. Dass diese in jedem Fall im Laufe der Zeit Schaden nehmen kann, belegen die Erfahrungen der Proband_innen. Denkbar wäre daher für die Ausbildung der Polizist_innen, solche Erfahrungen zu thematisieren, gemeinsam mit den Schüler_innen Ursachenforschung zu betreiben und über Maßnahmen zu sprechen, die die angehenden Polizist_innen vor dem in ihren Aussagen beschriebenen Mangel an Motivation und Interesse in der Berufsausübung nachhaltig schützen können. Der innere Konflikt des Interviewten_3 bezieht sich auf das Problem, seine Einstellungen und Haltungen als Polizist mit den Ansichten der Bürger_innen hinsichtlich des Polizeiberufs in Einklang zu bringen. Er berichtet davon, dass während des Praktikums von ihm beispielsweise eine professionelle Haltung als Polizist erwartet wurde, obwohl er selbst lieber mit den Bürger_innen gefeiert hätte. Da er dies explizit als Thema benennt, lässt sich vermuten, dass ihm eine tragfähige Verbindung der beiden Perspektiven Schwierigkeiten bereitet hat. Diese Annahme verstärkt sich dadurch, dass er es erneut als Themenwunsch im Berufsethikunterricht benennt.581 Die Beschreibungen der Interviewten_15 beschäftigen sich mit dem Thema Autoritätsausübung und Machtmissbrauch gegenüber den Bürger_innen. Ihre Erfahrungen deuten darauf hin, dass zwischen beiden ein schmaler Grat zu verlaufen scheint, der zuweilen überschritten wird. Die Interviewte identifiziert sich mit den Bürger_innen und betont mehrfach, sich in Situationen, in denen ihr Anleiter seine Machtposition gegenüber Bürger_innen in unangemessener Art und Weise demonstriert habe, unwohl gefühlt zu haben. Auch die Interviewte_16 kritisiert ihren Praxisausbilder, der seine Machtposition zu Lasten der Bürger_innen dazu genutzt habe, sich Anerkennung bei den Vorgesetzten zu verschaffen. Insgesamt scheint sie in ihrem Praktikum das Gefühl gehabt zu haben, nicht ausreichend gefordert zu werden. Möglicherweise ist die Verbitterung über verpasste Gelegenheiten, Erfahrungen in der Berufspraxis zu sammeln, die Ursache für die pauschale Verurteilung der Kolleg_innen auf dem Praxisrevier als faul und unmotiviert. Weitere Aussagen verdeutlichen, dass der Uniform verschiedenste Funktionen beigemessen werden. Zum einen dient sie zum Schutz des Privatlebens, indem sie dafür sorgt, dass die Polizist_innen außerhalb der Dienstzeit nicht als solche erkannt werden. Zum anderen schützt sie die Privatperson aber auch vor Verletzungen durch verbale Angriffe von Seiten der Bürger_innen, indem sie eine klare Trennung zwischen der Privatperson und der Rolle als Polizist_in ermöglicht. Des Weiteren wird der Uniform die Funktion beigemessen, dass sie den angehenden Polizist_innen dazu verhilft, den Respekt der Bürger_innen zu erlangen. Dabei ist jedoch die weiterführende Frage zu stellen, welcher Stel581 Aussagen zur Fußballweltmeisterschaft.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
lenwert der Uniform als solche in diesem Zusammenhang wirklich beizumessen ist, beziehungsweise welche Rolle die Haltung und die Persönlichkeit des einzelnen Polizisten, der einzelnen Polizistin in Bezug auf die Wahrnehmung als Respektsperson zukommt. Von Erfahrungen, dass die Uniform zunächst negative Reaktionen bei den Bürger_innen hervorrufen kann, berichteten auch erfahrene Polizist_innen. Die ablehnende Haltung der begegnenden Menschen kann in solchen Fällen durch das Auftreten und Handeln der Polizist_innen jedoch auch in eine positive umschlagen.582 Die Sorge, die Menschlichkeit durch das Anlegen der Uniform zu verlieren, findet sich in einem Interview wieder. Hier stellt sich die Frage, ob diese Befürchtung durch die Behandlung des Themas Mensch in Uniform im Berufsethikunterricht erst hervorgerufen wurde, oder ob die Auszubildenden bereits im Vorfeld auf diese Problematik gestoßen sind. Dass das Tragen der Uniform von den angehenden Polizeischüler_innen nicht nur positiv bewertet wird, zeigen die Aussagen von zwei Interviewten, die angeben, sich in der Uniform nicht wohl zu fühlen. Dennoch gewichten sie die Notwendigkeit der Uniformierung von Polizeibeamt_innen höher als das persönliche Empfinden. Hier ist zu fragen und mit den Auszubildenden zu erarbeiten, wie angesichts dieser persönlichen Ablehnung trotzdem ein authentisches Auftreten in der Uniform gelingen kann. Zwei Interviewte beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit es möglich ist, belastende Situationen mit der Uniform ablegen zu können. Beide sagen aus, dass dazu Berufserfahrung notwendig ist. Dies verweist darauf, dass die angehenden Polizist_innen offenbar Erfahrungen und Belastungen aus dem beruflichen Alltag mit nach Hause genommen haben, die sie gerne im Revier gelassen hätten. Auffällig ist des Weiteren die Aussage der Interviewten_16, die annimmt, dass sie durch die Polizeiuniform von Bürger_innen weniger positiv wahrgenommen werden wird als in ihrer früheren Funktion als Rettungssanitäterin. Die Polizeiuniform scheint für sie gleichbedeutend zu sein mit Einbußen im gesellschaftlichen Ansehen. Darin spiegelt sich ein Bewusstsein dafür, dass Polizist_innen vielfach mit einem Klientel in Kontakt kommen, das der Polizei und ihrem Einschreiten gegenüber nicht unbedingt positiv gegenübersteht. Das negative Bild, das die Interviewte_16 formuliert, wirkt sich auch auf ihre Haltung gegenüber der Uniform und somit gegenüber dem von ihr gewählten Beruf aus. Die Aussagen im Zusammenhang mit dem Tragen der Uniform verweisen auf die Bedeutung der Behandlung des Themas Mensch und Uniform im Berufsethikunterricht. Sie belegen in hohem Maße, dass mit dem Anlegen der Uniform 582 Bezug auf das Polizeipraktikum der Mitglieder der Forschungsgruppe im September 2014.
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gleichzeitig eine Rolle angenommen wird. Diese Rolle dient in vielfacher Hinsicht als Schutz, bedeutet aber auch, dass die Person, der Mensch hinter diese Rolle zurücktreten muss. Das kann zu dem Empfinden führen, in der Rolle die eigene Persönlichkeit zu verlieren und nicht mehr als Individuum, sondern eben nur als Polizist_in gesehen zu werden. Was einerseits als Schutz empfunden wird, beispielhaft verdeutlicht an den Beleidigungen gegen Polizist_innen, die aufgrund des Bewusstseins der Rollenübernahme leichter abgewehrt werden können, kann andererseits als Verlust der eigenen Menschlichkeit erscheinen. Um in der Rolle als Polizist_in Authentizität erlangen zu können, ist es jedoch zwingend notwendig, diesen Konflikt zu lösen. Die Aussagen der Proband_innen implizieren weiterhin das für die Ausbildung relevante Problemfeld, wie es den angehenden Polizeibeamt_innen gelingen kann, nach Dienstschluss mit dem Ablegen der Uniform wieder in die Rolle des Privatmenschen zurückzukehren. Sicherlich ist davon auszugehen, dass auch Polizist_innen sich mit den Jahren mehr und mehr einen Habitus aneignen, der sie auch außerhalb der beruflichen Tätigkeit als dieser Berufsgruppe zugehörig kennzeichnet. Eine absolute Trennung zwischen Privatperson und beruflicher Rolle ist auch hier auf Dauer kaum durchzuhalten. Dennoch müssen zur seelischen Gesunderhaltung der Polizeibeamt_innen Strategien erarbeitet werden, die es ihnen erlauben, ein Privatleben jenseits des beruflichen Alltags zu führen, ohne darin von den belastenden Erlebnissen desselben beeinflusst zu werden. Die Sensibilisierung zur Unterscheidung zwischen einem Beruf mit Uniform und dem Privatleben hat daher eine hohe Priorität und sollte im Berufsethikunterricht Raum finden.
15.2.8 Subkategorie 8: Christliches Leitbild Der Interviewte_4 gibt an, dass er während des Praktikums keine Kirche besucht und auch nicht gebetet habe.583 Die Kirche stellt demgegenüber für den Interviewten_5 einen Ort dar, den er angesichts stressiger oder belastender Situationen gerne besuche. Dabei »[…] BITTET [er] GOTT SO und unterstützung[.]«584
Auch der Interviewte_ 6 gibt an, angesichts schwieriger Situationen das Gespräch mit Gott zu suchen, um diese besser bewältigen zu können.585 Nach dem Praktikum berichtet er davon, dass er vor allem »prophylaktisch« gebetet habe. 583 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 373–375. 584 Interview 5a, September 2014, Z. 269–278. 585 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 263–268.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Dabei sei es jedoch nicht um die Bewältigung bestimmter Situationen gegangen, sondern er habe allgemein für Bewahrung und Begleitung im beruflichen Alltag gebetet.586 Gleichzeitig habe er im Stillen für ihm begegnende Menschen in schwierigen Lebenssituationen gebetet. Der menschliche Umgang mit Bürger_innen sei ihm besonders wichtig.587 Er begründet dies folgendermaßen: »DAnn EInfach weil ma weiß ja; die ham SCHLimmes DURCHgemacht; un (1) ähm: (.) un ich denk dann auch das=es gebet; dann Was,(.) im=ws=im GEISchtliCHEN was beWIRKEn kann[.]«588
Christliches Leitbild als Leitbild des Handelns Der Interviewte_14 würde es begrüßen, im Berufsethikunterricht Gott und Glaube als eigenständige Themen zu behandeln. Er begründet dies mit seiner eigenen christlichen Sozialisation.589 Ähnlich empfindet der Interviewte_24. Für ihn sei das Wissen von Bedeutung, dass die Lehrperson wie er selbst religiös sei, da es ihm dadurch leichter falle, dieser zuzuhören.590 Der Interviewte_25 beschreibt sich selbst als integrierten Muslim. Er sieht ein Problem darin, dass der Unterricht stark durch das christliche Leitbild der Lehrperson beeinflusst sei.591 Vor allem bei der Behandlung des Themas Umgang mit Menschen sei dies deutlich geworden. Er wünsche sich eine neutrale und nicht konfessionsgeprägte Herangehensweise. Die Praxisrelevanz des im Unterricht erarbeiteten Wissens habe außerdem dadurch gelitten, dass das christliche Leitbild seines Erachtens »[…] auf der straße aber nicht zu finden […]«592
sei. Zusammenfassung Subkategorie 8: Christliches Leitbild Insgesamt äußern sich sechs Interviewte zum Thema christliches Leitbild. Dabei beziehen sich einige der Aussagen auf die eigene religiöse Praxis im Verlauf der Praxisphase. Während zwei der Interviewten angeben, das Gebet im Rahmen der Bewältigung des Berufsalltages genutzt zu haben, äußert eine der 586 587 588 589 590 591 592
Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 521–525. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 554–576. Interview 6b, September 2014, Z. 572–575. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 60–62. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 204–211. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 30–70; 43–46. Interview 25a, Mai 2014, Z. 71.
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befragten Personen explizit, weder gebetet noch eine Kirche besucht zu haben.593 Zwei der Befragten bezeichnen sich selbst als religiös und würden sich vom Berufsethikunterricht eine Behandlung religiöser Inhalte wünschen. Sie bewerten das Wissen, dass die Lehrperson ebenfalls religiös sei, als positiv.594 Lediglich der Interviewte_25 kritisiert auf dem Hintergrund seines eigenen, muslimischen Glaubens die christliche Haltung der Lehrperson im Berufsethikunterricht. Er wünscht sich einen neutralen und nicht konfessionsgeprägten Unterricht.595 Interpretation Subkategorie 8: Christliches Leitbild Im Verlauf der Interviews wurde keine explizite Frage nach der religiösen Sozialisation und dem persönlichen Glauben der Proband_innen gestellt. Dennoch haben sechs Interviewte dieses Thema aufgegriffen. Zumindest bei vier der interviewten Personen steht dahinter ihr persönlicher Glaube, der für sie auch in der Berufsausübung eine Rolle zu spielen scheint. Der Wunsch, das Thema Gott und Glaube im Unterricht zu thematisieren, lässt darauf schließen, dass die Polizeischüler_innen ein Interesse daran haben, das christliche Leitbild explizit und reflektiert in ihre Arbeit zu integrieren. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass das Rechtssystem des christlichen Abendlandes aus dem christlichen Leitbild hervorgegangen ist. Dieser Zusammenhang ist im Berufsethikunterricht zu thematisieren. Dabei erscheint es aber von entscheidender Bedeutung, dass der Tatsache Rechnung getragen wird, dass nicht alle Schüler_innen christlich sozialisiert sind. Schüler_innen anderer Religionszugehörigkeiten muss die Möglichkeit gegeben werden, ihre Vorstellungen und religiösen Leitbilder in den Unterricht einzubringen und mit den christlichen zu vergleichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den verschiedenen Anschauungen herauszuarbeiten. Auf diese Weise kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass diesen Schüler_innen eine Identifikation mit den behandelten und im christlichen Abendland tradierten Leitbildern erschwert und ein authentisches Vertreten der daraus hervorgehenden professionellen Haltungen und Handlungen behindert wird. Dem vielfältigen religiösen Interesse sollte der Berufsethikunterricht unter allen Umständen Rechnung tragen.
593 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 366–375; Interview 5a, Mai 2014, Z. 269–278; Interview 6a, Mai 2014, Z. 263–268. 594 Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 60–62; Interview 24b, September 2014, Z. 204–211. 595 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 43–46; 60–74.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
15.3 Makrokategorie II – Berufsethikunterricht Die Makrokategorie II – Berufsethikunterricht beschäftigt sich mit Fragen im Umfeld des Berufsethikunterrichts in der Ausbildung zur Polizeibeamtin bzw. zum Polizeibeamten. Zunächst beinhaltet die Makrokategorie Aussagen der Polizeischüler_innen zu den im Berufsethikunterricht behandelten Themen. Diese werden kritisch reflektiert und in Bezug auf ihre Praxisrelevanz beurteilt. Besonders häufig wird das Unterrichtsgespräch als Methode im Berufsethikunterricht einer kritischen Betrachtung unterzogen. Dabei wird von den Proband_innen unterschieden zwischen solchen Unterrichtsgesprächen, die sich an existenziellen Fragen der Schüler_innen entzündeten und vielfach als wertvoll empfunden wurden, und solchen, die eher unstrukturiert und wenig themenbezogen, sozusagen als »Zeitvertreib«, stattfanden. Des Weiteren finden sich in dieser Makrokategorie Aussagen bezüglich der Abgrenzung des Berufsethikunterrichts zu den Fächern Psychologie, Religion und sonstigen Rechtsfächern. Vor allem in Bezug auf die Rechtsfächer wird der Berufsethikunterricht als gelungener und wichtiger Gegenpol wahrgenommen. Darüber hinaus befassen sich die Äußerungen der Proband_innen mit der Bedeutung und Berechtigung des Unterrichts im Curriculum der Polizeischulen. Besonders positiv wird vielfach die hohe Praxisrelevanz des Unterrichts bewertet. Kritisch wird demgegenüber die Unregelmäßigkeit des Berufsethikunterrichts betrachtet, worunter die Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Schüler_innen leiden. Des Weiteren beklagen die Polizeischüler_innen die mangelnde Struktur des Unterrichts. In den Aussagen der Proband_innen finden sich außerdem Einschätzungen der Berufsethiklehrer bezüglich ihrer Persönlichkeit, Kompetenz und Qualifikation. Zuletzt finden sich in dieser Makrokategorie Themenwünsche der Polizeischüler_innen für den Berufsethikunterricht. Dabei wünschen die Proband_innen sich vor allem, den Umgang mit belastenden Situationen, die Frage nach der Arbeitsmoral und das Erscheinungsbild der Polizei in der Öffentlichkeit im Unterricht zu behandeln. Darüber hinaus ist es den Schüler_innen ein Anliegen, ihr Wissen über unterschiedliche Religionen und Kulturen zu erweitern, um im beruflichen Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt Verhaltenssicherheit zu gewinnen.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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15.3.1 Subkategorie 1: Berufsethikunterricht Thema: Suizid Insgesamt drei Schüler_innen greifen in den Interviews vor der Praxisphase das Thema »Suizid« als Unterrichtsthema im Fach Berufsethik auf. Es sei ein »interessanter« Inhalt gewesen, berichtet Person_2.596 Darüber hinaus geben mehrere der befragten Polizeischüler_innen an, dass auch der Umgang mit Suizid behandelt worden sei. Dabei sei thematisiert worden, wie die Proband_innen selbst mit Suizidgendanken umgehen können, sowie der Umgang mit Situationen, in denen Dritte suizidal gefährdet seien.597 Die Befragte _2 geht davon aus, dass sie im kommenden Praktikum einem Fall von Suizid begegnen werde: »sowas wie suizid glaub ich werd ich bestimmt auch sehen in den drei monaten hab ich jetzt auch erfahrungsgemäßig so rausgehört dass man schon zu bahnleichen oder so gefahren ist[.]«598
Thema: Tod Zur Behandlung des Themas »Tod« im Berufsethikunterricht äußert die Interviewte _10, dass dieses Thema sehr schlimm für sie sei.599 Für die Befragte _23 gewinnt das Thema »Tod« eine existenziell-persönliche Bedeutung, indem sie Überlegungen hinsichtlich des möglichen Todes von Familienangehörigen anstellt.600 Thema: Überbringen einer Todesnachricht Insgesamt können sich fünfzehn der befragten Personen an das Thema »Überbringen einer Todesnachricht« im Unterricht erinnern. Dabei äußern die Befragten mehrheitlich, dass sie das Thema persönlich interessiert habe. Inhalt des Unterrichts sei gewesen, wie eine solche Nachricht angemessen übermittelt werden könne. Außerdem erinnern sich die Befragten, dass auch der Umgang mit Todesnachrichten Thema gewesen sei. Dabei sei besprochen worden, wie die Polizeischüler_innen selbst als Adressaten mit einer solchen Nachricht umgehen können, aber auch, wie der Umgang mit Dritten bzw. Beteiligten gestaltet werden 596 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 10–12. 597 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 14–16; Interview 5a, Mai 2014, Z. 13–18; Interview 19a, Mai 2014, Z. 1–14. 598 Interview 2a, Mai 2014, Z. 87–91. 599 Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 101–103. 600 Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 8–23; 85–189.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
könne. Dieser Themenbereich wird von den Schüler_innen als sehr praxisrelevant eingestuft.601 Des Weiteren geben die Schüler_innen an, eine Broschüre zu dem Thema »Überbringen einer Todesnachricht« überreicht bekommen zu haben. Diese empfand Person_21 als sehr hilfreich. Sie gibt auch an, dass sie im Unterricht Informationen erhalten hätten, an wen sich die Polizeischüler_innen bei Problemen wenden können.602 Person_1 sagt aus, dass sie keine Schwierigkeiten darin sehe, eine Todesnachricht zu überbringen. Ähnlich äußert sich ihre Banknachbarin. Diese räumt jedoch ein, dass sie erst in der praktischen Ausführung werde feststellen können, wie sie tatsächlich damit umzugehen in der Lage sei. Sie äußert die Hoffnung, dass ihre eigenen Emotionen sie in der Situation nicht übermannen werden.603 Der Interviewte_ 6 erinnert sich zwar an die Behandlung des Themas »Überbringung der Todesnachricht« im Unterricht, gibt aber an, in der Praxisphase keiner Situation begegnet zu sein, in der er das Erlernte habe praktisch anwenden müssen.604 Anders hat es Person_19 in ihrem Praktikum erlebt: »das ÜBErbringen einer TODesnachricht gerad bei dem SUIzid da mussten wir dann (.) den (.) verbliebenen kindern (.) beiBRIngen das ihr VATer sich gerade SUIZidirt hat (1),(2) und jo: (.) das war dann der KOLLege machs dus machs dus: ((lacht)) wie soll mans denn sagen: dann ist halt doch die FRAge wie sagst mans am BLÖdsten aba: (.) ja[.]«605
Sie gibt an, sich auch nur an dieses Thema im Unterricht der Polizeischule zu erinnern, möglicherweise weil diese Erfahrung in der Praxis zu eindrücklich gewesen sei.606 Von ähnlichen Erfahrungen berichtet die Befragte_11 und geht darüber hinaus auf die Reaktionen der Hinterbliebenen ein, die sie als schwer einzuschätzen empfinde.607 Der Interviewte_18 sieht die Inhalte, die im Unterricht in Bezug auf die 601 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 15–16; 47–52; Interview 2a, Mai 2014, Z. 24–32; Interview 4a, Mai 2014, Z. 36–43; 11–15; Interview 4b, September 2014, Z. 427–440; 487–488; Interview 5a, Mai 2014, Z. 8–13; 60–68; Interview 6a, Mai 2014, Z. 8–9; Interview 10a, Mai 2014, Z. 10–14; 17–23; Interview 11a, Mai 2014, Z. 5–6; 11–13; Interview 12a, Mai 2014, Z. 6–19; 85–99; Interview 13a, Mai 2014, Z. 62–66; Interview 14a, Mai 2014, Z. 10–12; 76–78; Interview 18a, Mai 2014, Z. 4–6; Interview 19a, Mai 2014, Z. 50–64; Interview 21a, Mai 2014, Z. 11–12; Interview 22a, Mai 2014, Z. 11–12; Interview 23b, September 2014, Z. 279–28; Interview 2a, Mai 2014, Z. 8–10; Interview 19a, Mai 2014, Z. 4–7. 602 Vgl. Interview 21a; Mai 2014, Z. 95–102. 603 Vgl. Interview 21a; Mai 2014, Z. 275–281; 293–295. 604 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 426–436. 605 Interview 19b, September 2014, Z. 425–432. 606 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 482–484. 607 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 411–417.
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Überbringung der Todesnachricht vermittelt werden, nur als Hilfestellung. Er ist der Meinung, dass das Wissen um den angemessenen und rücksichtsvollen Umgang mit der eigenen Person sowie mit den Angehörigen der Verstorbenen in jedem Menschen angelegt sein müsse.608 Thema: Umgang mit Menschen Einige der Befragten erinnern sich an die Behandlung des Themas »Umgang mit Menschen« im Berufsethikunterricht. Im Zusammenhang mit diesem Thema gibt befragte Person_4 an, dass sowohl der Umgang mit verletzten Opfern als auch mit den Tätern der wichtigste Inhalt für sie gewesen sei.609 Zwei der befragten Polizeischüler_innen erinnern sich, im Unterricht an der Polizeischule das Thema Kommunikation behandelt zu haben. Dabei seien beispielhaft Kommunikationsmodelle und ihre Anwendung in konkreten Situationen besprochen worden. Unter anderem sei in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des Polizisten, der Polizistin gegenüber unterschiedlichen Personengruppen, beispielsweise im Umgang mit Trauernden, thematisiert worden.610 Das Thema des Überbringens einer Todesnachricht empfand der Proband_5 als interessant. Dies habe unter anderem an der Lehrperson gelegen, da diese viel Erfahrung auf diesem Gebiet gehabt habe und das Thema daher sehr praxisnah habe darstellen können.611 Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Themas »Umgang mit Menschen« sei für den Befragten_25 der Umgang mit Personen mit Migrationshintergrund gewesen.612 Thema: Umgang mit Situationen Fünf der befragten Personen empfinden den »Umgang mit belastenden Situationen« als ein weiteres bedeutendes Thema im Unterricht der Polizeischule.613 Den Interviewten_ 1 und _5 ist besonders wichtig, zu erfahren, an wen oder wohin man sich wenden kann, um über Probleme zu reden oder belastende Ereignisse verarbeiten zu können:614
608 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 231–240. 609 Vgl. Interview 4a Mai 2014, Z. 17–21. 610 Vgl. Interview 4a Mai 2014, Z. 120–124; Interview 22a, Mai 2014, Z. 23–25; 63–67; 96–100; Interview 23a, Mai 2014, Z. 10–11. 611 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 70–74. 612 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 14–15. 613 Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 86–88. 614 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 16–18.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
»schon wichtigen=GRAD WENN MA DANN AU ZUM BEISPIEL WEIß;(.)wenn jez irgendwie ma was SCHIEf glaufen isch ODEr so wohin kann ich mich jetzt wenden äh: an wen(.) Wen kann Ich an anquatschen;(1)(2) OHNe das ich GLEI was de Deckel krieg ((lacht))ähm:(.) ALSo von DAher find ich berufsethik GRAD bei der polizei eigentlich(.) SEHR WIChtig[.]«615
Person_1 gibt an, froh zu sein, dass die gesamte Klasse für Notfälle eine Visitenkarte des Pfarrers bekommen habe.616 Auch der Umgang mit Emotionen, sowohl mit den eigenen als auch mit denen der Angehörigen, sei besonders im Zusammenhang des Überbringens einer Todesnachricht im Unterricht besprochen worden, so berichten die befragten Personen_1 und _23.617 Proband_21 erinnert sich, dass vor der Praxisphase auch die Ängste und Befürchtungen der Polizeischüler_innen im Hinblick auf das anstehende Praktikum zum Thema gemacht worden seien.618 Zusammenfassung Subkategorie 1: Berufsethikunterricht Die Schüler_innen berichten in beiden Interviewreihen über Inhalte und Themen des Berufsethikunterrichts, an die sie sich erinnern können. Dabei kommt zunächst das Thema »Suizid« zur Sprache.619 Hier sei der Umgang mit suizidalen Personen behandelt worden. Daneben sei aber auch thematisiert worden, wie mit eigenen Suizidgedanken umgegangen werden könne. Als weiteres Thema des Berufsethikunterrichts benennen die Proband_innen das Thema »Tod«.620 Fünfzehn der befragten Personen erinnern sich an die Behandlung des Themas »Überbringen einer Todesnachricht«. Dieses Thema trifft in besonderer Weise das Interesse der Schüler_innen.621 Lediglich einer der Probanden schätzte die Behandlung dieses Themas als wenig sinnvoll ein, da er keine Hilfestellung darin sehe, weil jeder Mensch selbst wisse, wie er mit sich sowie dem Gegenüber behutsam umzugehen habe.622 Dem widerspricht einer seiner Kollegen, indem er berichtet, dass er dieses Thema deutlich in Erinnerung behalten habe und das Erlernte auch in der Praxisphase habe anwenden können, da er in die Situation gekommen sei, eine Todesnach615 Interview 1a, Mai 2014, Z. 45–48. 616 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 117–121. 617 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 281–289; 14–15;18–22; 53–58; Interview 14a, Mai 2014, Z. 35–39. 618 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 8–9. 619 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 10–11. 620 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 6–9; Interview 2a, Mai 2014, Z. 19; Interview 14a, Mai 2014, Z. 8–9; Interview 23a, Mai 2014, Z. 14–15; Interview 15a, Mai 2014, Z. 13–14; 81–85; Interview 21a, Mai 2014, Z. 9–11. 621 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 42–43. 622 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 231–240.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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richt übermitteln zu müssen.623 Der »Umgang mit Menschen« wird als weiteres Thema des Berufsethikunterrichts von den Proband_innen erinnert. Sie geben an, dass in diesem Zusammenhang der Umgang mit den Opfern wie auch mit den Tätern thematisiert worden sei.624 Darüber hinaus sei außerdem der »Umgang mit belastenden Situationen« im Unterricht behandelt worden.625 Als hilfreich empfanden die Proband_innen, Anlaufstellen benannt zu bekommen, an die sie sich bei Problemen wenden könnten.626 Außerdem sei der Umgang mit den eigenen Emotionen Bestandteil des Unterrichts gewesen.627 Vor der Praxisphase seien darüber hinaus Ängste der Polizeischüler_innen im Hinblick auf diese zum Thema gemacht worden.628
Interpretation Subkategorie 1: Berufsethikunterricht Betrachtet man die Angaben der Proband_innen zu den im Gedächtnis gebliebenen Themen des Berufsethikunterrichts, zeigt sich, dass die Themen »Überbringen einer Todesnachricht«, »Tod« und »Suizid« eine besondere Rolle für die Schüler_innen gespielt haben. Für einige ist das Überbringen von Todesnachrichten sogar das einzige Thema, an das sie sich erinnern. Zu fragen ist daher, warum andere Inhalte weniger oder gar nicht erinnert werden. Ursache hierfür könnte sein, dass diese anderen Inhalte von den Schüler_innen als für ihre berufliche Tätigkeit nicht relevant eingestuft werden. Es könnte jedoch auch gemutmaßt werden, dass die Unterrichtsgestaltung nicht dazu geeignet war, die angehenden Polizist_innen für die behandelten Themen zu begeistern und ihnen deren Praxisrelevanz zu verdeutlichen. Dann liegt es nahe, dass vorwiegend solche Themen erinnert werden, die allein von der Sache her das Interesse der Schüler_innen zu wecken vermögen, weil sie emotional berühren, aufwühlen oder bereits zuvor als sensible Punkte der zukünftigen beruflichen Praxis erkannt wurden. Die Behandlung des Themas »Überbringen einer Todesnachricht« haben die Befragten mehrheitlich als für die Praxis hilfreich eingeschätzt. Zwei der Proband_innen nehmen in diesem Zusammenhang Bezug auf eine entsprechende Situation in der Praxis, in der sie eine solche Nachricht überbringen mussten. Eine Probandin geht davon aus, dass ihr die Übermittlung solch einer Nachricht nichts ausmache. Jedoch ist ihren Aussagen zu entnehmen, dass sie bisher noch 623 624 625 626 627
Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 425–432; 482–484. Vgl. Interview 4a Mai 2014, Z. 17–21. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 86–88. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 21–24; Interview 1a, Mai 2014, Z. 16–18; 45–48. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 281–289; 14–15;18–22; 53–58; Interview 14a, Mai 2014, Z. 35–39. 628 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 8–9.
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keine Erfahrungen damit sammeln konnte und daher zu keiner realistischen Einschätzung ihrer Reaktionen in einer entsprechenden Situation in der Lage sein dürfte. Ihre Aussagen wirken eher, als wolle sie den Interviewenden gegenüber Stärke beweisen. Insgesamt scheint das Thema »Überbringen einer Todesnachricht« von der überwiegenden Zahl der Schüler_innen gut aufgenommen worden zu sein. Auch der Umgang mit Trauernden und den eigenen Emotionen wurde als sinnvolles Thema des Berufsethikunterrichts empfunden. Der Hintergrund dieser Einschätzung könnte in den Aussagen einiger Proband_innen zu finden sein, die die Sorge formulieren, falsch zu reagieren oder gar handlungsunfähig zu sein, wenn sie unvorbereitet trauernden Angehörigen begegnen müssten. Die Proband_innen heben positiv hervor, dass ihnen im Berufsethikunterricht Informationen darüber gegeben worden seien, wo sie bei Bedarf Hilfe suchen können. Es hat den Anschein, als erleichtere das Bewusstsein, dass Hilfsangebote existieren und auf welchem Weg sie Anspruch genommen werden können, den Polizeischüler_innen, sich in potenziell belastende Situationen zu begeben. Überfordert zeigten sich jedoch einige der Schüler_innen im Umgang mit dem Thema »Tod«. Dass es sich dabei um ein Thema handelt, das die einzelnen Proband_innen auch auf einer persönlichen, existenziellen Ebene betrifft, zeigt die Aussage einer Befragten, die angibt, den Tod naher Angehöriger zu fürchten, da sie nicht wisse, wie sie in einem solchen Fall reagieren würde. In Bezug auf diese Proband_in lässt sich vermuten, dass sie noch auf keine Erfahrung mit Trauerfällen in ihrem näheren Umfeld zurückgreifen kann. Daher steht zu vermuten, dass eine Begegnung mit dem Tod im beruflichen Kontext für sie zu einer großen Herausforderung werden könnte. Auch der »Umgang mit verschiedenen Personengruppen« ist den Befragten als Thema des Unterrichts in Erinnerung geblieben. Sie sind sich bereits bewusst, dass dieses Thema für ihre berufliche Praxis in besonderer Weise relevant ist, da Polizeibeamt_innen tagtäglich mit unterschiedlichen Menschen in Kontakt treten. Andere im Berufsethikunterricht behandelte Themen wurden von den befragten Polizeischüler_innen lediglich vereinzelt angerissen. Daraus ist zu schließen, dass an diesen Themen ein geringes Interesse besteht und sie möglicherweise nicht als praxisrelevant erachtet werden. Einzelne Proband_innen konnten sich an den Inhalt des Berufsethikunterrichts überhaupt nicht mehr erinnern. Dies könnte daran liegen, dass persönliche Interessen dazu geführt haben, dass diese Personen ihre Prioritäten auf andere Unterrichtsfächer gelegt haben. Möglicherweise ist jedoch auch hier die Frage, inwieweit eine zu wenig schülerorientierte Unterrichtsgestaltung und eine möglicherweise zu geringe Vermittlung der Praxisrelevanz der behandelten
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Themen Ursachen dafür sind, dass die Schüler_innen wenig Interesse an den Inhalten des Fachs Berufsethik entwickeln konnten. Thema: Existenzielles Reden Existenzielle Gespräche entstanden laut Angaben der Befragten häufig im Verlauf des Berufsethikunterrichts und beinhalteten persönliche Themen und Fragestellungen der Polizeischüler_innen. Mehrere der befragten Personen geben an, dass im Unterricht die aktuellen Anliegen der Schüler_innen zur Sprache gebracht worden seien. Dies geschah zumeist direkt zu Beginn der Unterrichtsstunden.629 Der Interviewte_20 schätzt den Unterricht zwar als sinnlos ein, erkennt aber gleichzeitig an, dass den Schüler_innen im Fach Berufsethik die Gelegenheit geboten werde, über eigene Probleme oder aktuelle Anliegen zu sprechen.630 Für den Befragten_21 sind diese Gespräche nach eigenen Angaben das Wichtigste am Unterricht gewesen, auch weil in ihnen ein Raum eröffnet worden sei, in dem Ängste angesprochen werden konnten. Jeder, jede der Polizeischüler_innen, so berichtet der Befragte_21, habe zu diesen Gesprächen etwas beigetragen und er habe sie als offen empfunden.631 Befragte Person_12 schätzt am Berufsethikunterricht, dass die Schüler_innen die Möglichkeit erhielten, Anliegen anzusprechen, die sie in keinem anderen Fach thematisieren konnten.632 Zusammenfassung Thema: Existenzielles Reden Der Berufsethikunterricht eröffnete nach Angaben der Polizeischüler_innen einen Raum, persönliche und aktuelle Anliegen sowie Ängste der Schüler_innen offen anzusprechen. Im Zusammenhang damit sei auch der Umgang mit verschiedenen Situationen, die die Schüler_innen in der Praxisphase erwarten könnten, zur Sprache gekommen. Diese Gespräche nahmen die Polizeischüler_innen als nützliche Vorbereitung auf die Praxisphase wahr. Auch die Möglichkeit, Themen anzusprechen, die in anderen Unterrichtsfächern keinen Raum fänden, wurde von einigen Befragten positiv bewertet.633 629 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 8–10; Interview 13a, Mai 2014, Z. 178–179; Interview 15a, Mai 2014, Z. 15–16; Interview 15b, Mai 2014, Z. 420–427 ; Interview 10a, Mai 2014, Z. 109–112. 630 Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 53–56. 631 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 48–52; 43–46; 135–138; 452–459. 632 Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 22–24 ; 48–50. 633 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 8–10; Interview 13a, Mai 2014, Z. 178–179; Interview 15a, Mai 2014, Z. 15–16; Interview 15b, Mai 2014, Z. 420–427; Interview 10a, Mai 2014, Z. 109–112; Interview 20a, Mai 2014, Z. 53–56; Interview 12a, Mai 2014, Z. 22–24; Interview
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Interpretation Thema: Existenzielles Reden Die Möglichkeit, über eigene aktuelle Anliegen sprechen zu können, scheint für die Polizeischüler_innen einen guten Teil der Attraktivität des Berufsethikunterrichts auszumachen. Welche Themen und Fragestellungen sich genau hinter diesen Anliegen verbergen, wird von den Befragten nicht weiter ausdifferenziert. Bedeutsam erscheint die Beobachtung, dass solche offenen Gespräche auch bei jenen Polizeischüler_innen positiv hervorgehoben werden, die sich sonst insgesamt eher negativ in Bezug auf den Berufsethikunterricht äußern. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Schüler_innen Ängste und Sorgen mitbringen, die im Zuge einer reinen Behandlung der im Lehrplan vorgegebenen Unterrichtsinhalte nicht zur Sprache kommen. Darüber hinaus scheint das Bedürfnis zu bestehen, sich über ihre Sorgen und Ängste frei austauschen zu können. Möglicherweise steht hinter diesem Bedürfnis auch der Wunsch nach einer Stellungnahme der Lehrperson, von der sich die Schüler_innen erhoffen, dass sie ihnen im Prozess der Verarbeitung ihrer Ängste als Hilfestellung dienen kann. Interessant ist auch die Beobachtung, dass die verschiedenen Inhalte des Berufsethikunterrichts und das in ihm erworbene Wissen im Praktikum von den Polizeischüler_innen offenbar eher unbewusst zur Anwendung gekommen sind. Aus den Äußerungen der Proband_innen lässt sich schließen, dass viele der Inhalte so verinnerlicht wurden, dass sie in der Praxis automatisch abgerufen werden konnten. Ob dies auf die Qualität des Berufsethikunterrichts allein zurückzuführen ist oder eine gelungene Vernetzung der einzelnen Unterrichtsfächer bezüglich dieser Inhalte dazu führt, dass sie von den Schüler_innen im konkreten Fall in dieser Weise abgerufen werden können, ist dem in den Interviews Gesagten nicht zu entnehmen. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Themen auch um solche, denen bereits bei der Behandlung im Unterricht, jenseits jeder praktischen Erfahrung, eine hohe subjektive Relevanz zugeschrieben wurde.
Thema: Reden als Zeitvertreib Insgesamt sprechen vier Probanden davon, dass der Unterricht keine klaren Strukturen aufweise.634 Die Themen, so berichtet Person_8, seien jedoch vielseitig gewesen und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet worden.635 20a, Mai 2014, Z. 16–20; 9–11; Interview 20b, September 2014, Z. 319–330; Interview 13b, September 2014, Z. 950–959; Interview 20a, Mai 2014, Z. 13–14. 634 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 414–421; 424–431; Interview 13b, September 2014, Z. 932–941. 635 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 62–69; Interview 15b, September 2014, Z. 428–429.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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Zusammenfassung Thema: Reden als Zeitvertreib Die Schüler_innen empfanden den Unterricht im Fach Berufsethik als nicht strukturiert. Sie geben an, dass sich die Lehrperson nicht an die Vorgaben des Curriculums gehalten habe. Der Unterricht habe wesentlich aus thematisch wenig festgelegten Gesprächen bestanden, die einer der Probanden als »Gespräche über Gott und die Welt« bezeichnet.636 Einige Schüler_innen äußern den Wunsch nach eindeutig festgelegten Themen, die dann systematisch erarbeitet werden können. Hintergrund dieses Wunsches scheint zu sein, dass sie die Bearbeitung der Themen durch die Lehrperson im Berufsethikunterricht bisher als zu oberflächlich erlebt haben.637 Interpretation Thema: Reden als Zeitvertreib Die Schüler_innen äußern in den Interviews den Bedarf an mehr Struktur und Transparenz im Berufsethikunterricht. Sie möchten nicht nur freie Gespräche führen, sondern auch gezielt Themen systematisch bearbeiten. Das Bedürfnis nach eindeutigen thematischen und inhaltlichen Vorgaben im Berufsethikunterricht spiegelt sich darin, dass die Polizeischüler_innen es nicht für sinnvoll erachten, die Themen ausschließlich frei wählen zu können. Hier besteht Handlungsbedarf: Es bedarf eines Bildungsplans, der sich in Pflicht- und Wahlthemen gliedert und eindeutige Kompetenzen und Lernziele formuliert, die den Schüler_innen transparent gemacht werden können. Thema: Abgrenzung zur Psychologie Der Berufsethikunterricht wird zwar von den Polizeischüler_innen in klarer Abgrenzung zum Unterrichtsfach Psychologie gesehen, bei einigen Inhalten entdecken sie jedoch auch Überschneidungen.638 So äußert beispielsweise Befragter_11, dass in seinen Augen die Reflexion des Praktikums in beiden Fächern beheimatet ist.639 Person_20 hingegen äußert, dass die meisten Themen, die im Berufsethikunterricht behandelt würden, eigentlich dem Fach Psychologie zuzuordnen seien.640 Ähnlich sehen es die Personen_22 und _25.641 Daher vertreten sie die 636 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 62–69; Interview 15b, September 2014, Z. 428–429; Interview 3b, September 2014, Z. 416–418. 637 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 414–421; 424–431; Interview 13b, September 2014, Z. 932–941. 638 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 328–331. 639 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 531–546. 640 Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 20–21; 113–114; 116–118; 121–126. 641 Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 73–73; Interview 25a, Mai 2014, Z. 102–108.
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Ansicht, dass das Unterrichtsfach Psychologie zur Erarbeitung dieser Themen ausreiche. Für Person_23 stehen die beiden Fächer Psychologie und Berufsethik in einem engen Zusammenhang. Jedoch ist sie der Meinung, dass sich die Perspektive auf ein und dasselbe Thema sowie Intention der unterrichtlichen Behandlung in beiden Fächern unterscheide.642 Zusammenfassung Thema: Abgrenzung zur Psychologie Die Polizeischüler_innen sehen den Berufsethikunterricht in klarer Abgrenzung zum Psychologieunterricht. Dennoch entdecken sie Überschneidungspunkte der beiden Fächer.643 Beispielhaft steht hierfür die Praxisreflexion, die sie im Zuständigkeitsbereich beider Fächer verorten.644 Interpretation Thema: Abgrenzung zur Psychologie Nur wenige der befragten Personen sprechen sich gegen den Berufsethikunterricht aus. Ihre Einwände gegen das Fach begründen sie mit der Erfahrung von Doppelungen in den Unterrichtsinhalten der beiden Fächer, die für sie eine Infragestellung der Notwendigkeit des Fachs Berufsethik nach sich zieht. Einer der Proband_innen gibt zu bedenken, dass die sich wiederholenden Inhalte dazu führen, dass einige der Polizeischüler_innen sich aus dem Unterricht ausklinken. Andere wiederum begrüßen es, Themen aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten zu können. Auch in Bezug auf die Reflexion der Praxisphase erscheint ihnen ein solcher Perspektivenwechsel als gewinnbringend, indem einerseits die Erfahrungen auf dem Hintergrund ethischer Gesichtspunkte reflektiert und andererseits psychologische Ansätze zur Analyse dieser Erfahrungen hinzugezogen würden. Auf diese Weise könne ein erweitertes Verständnis des Erlebten herbeigeführt werden, das für die zukünftige Berufspraxis fruchtbar gemacht werden kann. Eine Möglichkeit wäre hier, die beiden Fächer miteinander zu vernetzen, indem sie Inhalte und Themen untereinander abstimmen, um eine umfassende, fächerübergreifende Betrachtung zu ermöglichen, die die verschiedenen fachspezifischen Facetten zu einem Gesamtbild vereint.
642 Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 300–306; 319–326; 352–356. 643 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 328–331. 644 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 531–546.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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Thema: Abgrenzung zum Fach Religion (Schulzeit) Drei der befragten Probanden assoziieren den Berufsethikunterricht mit dem Religionsunterricht, den sie aus der Schulzeit kennen.645 Der Befragte_11 empfindet den Berufsethikunterricht als eine Art konfessionsübergreifenden Religionsunterricht.646 Der Befragte_19 betrachtet ihn gar als eine Art Ersatz für den schulischen Religionsunterricht beziehungsweise als dessen Äquivalent.647 In der zweiten Interviewreihe sagt Person_11, dass sie den Berufsethikunterricht mehr als Religionsunterricht empfinde, bei dem die Themen jedoch speziell auf den angestrebten Beruf ausgerichtet seien.648 Zusammenfassung Thema: Abgrenzung zum Fach Religion (Schulzeit) Der Berufsethikunterricht wird von vier Interviewten mit dem schulischen Religionsunterricht verglichen. Einer beschreibt diesen als eine Art ökumenischen Religionsunterricht.649 Interpretation Thema: Abgrenzung zum Fach Religion (Schulzeit) Der Vergleich mit dem bereits aus der Schulzeit bekannten Fach Religion kann als ein Versuch der Proband_innen gewertet werden, zu erklären, was das Fach Berufsethik in ihren Augen umfasst. Offenbar haben die Polizeischüler_innen Schwierigkeiten damit, zu einer klaren Definition des Fachs zu kommen. Sie behelfen sich daher, indem sie ihn mit dem schulischen Religionsunterricht vergleichen, wobei ihnen als einziger Unterschied das Wegfallen der dort üblichen konfessionellen Trennung auffällt. Der Berufsethikunterricht bedarf daher eines transparenten, verständlichen und nachvollziehbaren Profils, anhand dessen die angehenden Polizist_innen zu einer Einschätzung seiner Relevanz für die zukünftige berufliche Praxis kommen können.
645 646 647 648 649
Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 317–321. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 28–30. Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 84–86. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 36–38; Interview 11b, September 2014, Z. 468–473. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 39–41; Interview 19a, Mai 2014, Z. 317–321; Interview 11a, Mai 2014, Z. 28–30; 36–38; Interview 11b, September 2014, Z. 468–473; Interview 19a, Mai 2014, Z. 84–86.
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Thema: Abgrenzung zu andern Fächern (Rechtsfächer) Probandin_2 empfindet den Berufsethikunterricht als einen Ausgleich zu den Rechtsfächern, da sie ihn im Unterschied zu diesen als sehr realitäts- und praxisbezogen empfinde.650 Auch Befragter_24 schildert, dass ihm der Unterricht gefallen habe, äußert aber den Wunsch, dass während der Prüfungsphasen der Berufsethikunterricht in seinem zeitlichen Umfang reduziert werden solle. So bliebe mehr Zeit für die Vorbereitung der prüfungsrelevanten Themen der anderen Unterrichtsfächer.651 Zusammenfassung Thema: Abgrenzung zu anderen Fächern (Rechtsfächer) Der Berufsethikunterricht bietet den Schüler_innen einen Ausgleich zu den Rechtsfächern, so beschreibt es eine Probandin, weil er sehr praxisrelevant und realitätsbezogen sei.652 Ein weiterer Befragter äußert, dass ihm der Unterricht gefalle. Eine befragte Person wünscht jedoch, dass in den Prüfungsphasen der Berufsethikunterricht in seinem zeitlichen Umfang reduziert werden solle, damit die Schüler_innen sich intensiver den prüfungsrelevanten Fächern widmen können.653 Interpretation Thema: Abgrenzung zu anderen Fächern (Rechtsfächer) Die Inhalte des Berufsethikunterrichts sagen den Proband_innen, die sich zu diesem Thema geäußert haben, zu. Darüber hinaus sehen die Befragten im Fach Berufsethik einen guten Ausgleich zu den Rechtsfächern, da es sich durch eine besondere Praxisnähe auszeichnet. Möglicherweise lässt sich hinter dem Empfinden des Fachs Berufsethik als Ausgleich auch der Umstand vermuten, dass keine Leistungsnachweise gefordert werden, und die Schüler_innen sich ohne Leistungsdruck den Inhalten widmen können. Es zeigt sich, dass der Berufsethikunterricht von den genannten Proband_innen dadurch aber nicht als weniger wertvoll erachtet wird. Bemerkenswert erscheint jedoch, dass nur drei der Befragten sich in dieser Weise positiv zum Fach Berufsethik geäußert haben. Von Interesse wäre, die Haltung der 22 anderen Proband_innen bezüglich einer Einschätzung des Fachs zu erheben, und zwar unter der Fragestellung, inwieweit die Einführung einer Leistungsüberprüfung das Ansehen und den Stellenwert des Berufsethikunterrichts in den Augen der Schüler_innen steigern könnte. 650 651 652 653
Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 215–221. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 200–204; 283–295. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 215–221. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 283–295; Interview 1b, September 2014, Z. 317–327.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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Dass die Frage nach der Prüfungsrelevanz sich auf die Haltung gegenüber dem Berufsethikunterricht auswirkt, zeigt der Wunsch, ihn zugunsten der Prüfungsvorbereitung in anderen Fächern zeitlich zurückzustellen. Thema: Berechtigung des Berufsethikunterrichts Für vier der befragten Personen hat der Berufsethikunterricht einen hohen Stellenwert, da er sehr praxisnah gestaltet worden sei und daher eine gute Vorbereitung auf die berufliche Praxis darstelle.654 In diesem Zusammenhang stehen für die Befragten besonders die erworbenen Kompetenzen in Bezug auf den Umgang mit den Bürger_innen im Zuge der verschiedenen polizeilichen Aufgaben im Vordergrund.655 Beispielhaft formuliert befragte Person_27: »Ja grAd weil; wENN ICh, jez äh grad bei der verUNGLÜckten da {{gleichzeitig}(I) mhm} ich wÜSSte nich wie man ne= wie ma IHren Angeh=hÖrigen die tOdesnachricht überbringt; wenn mir das jez nicht dURchgenomme hätten; grAd sowas, find ich SCHON wichtig dass ma sowas durchnimmt[.]«656
Die Probandin_11 hingegen gibt vor der Praxisphase an, dass sie dem Berufsethikunterricht keine Relevanz für ihre berufliche Tätigkeit beimesse.657 Die Befragten_13 und _18 stehen dem Fach eher ambivalent gegenüber. Zwar gefalle Person_13 der Unterricht, sie habe aber im Praktikum die Erfahrung gemacht, dass sie die Inhalte in der Berufspraxis nicht habe anwenden können.658 Befragter_18 vermutet bereits vor der Praxisphase, dass das im Berufsethikunterricht erworbene Wissen für ihn in der Praxis wenig Relevanz haben werde, da er davon ausgehe, dass der gesunde Menschenverstand genüge, um sich in den begegnenden Situationen angemessen und richtig zu verhalten. Im Hinblick auf das Thema »Überbringen einer Todesnachricht«, so räumt er ein, könne das im Unterricht Erlernte jedoch hilfreich sein.659 Der Proband_9 findet, der Unterricht müsse weiter fortgeführt werden, da er wichtige Themen beinhalte.660
654 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 317–327; Interview 2b, September 2014, Z. 234–241. 655 Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 327–334; Interview 15b, September 2014, Z. 371–387. 656 Interview 27b, September 2014, Z. 319–324. 657 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 36–38; 45–47; 61–62. 658 Vgl. Interview 13b, Z. 725–733; 739–748. 659 Vgl. Interview 18a, Mai 2014, Z. 28–31; 14–20; 62–68. 660 Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 326–330.
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Zusammenfassung Thema: Berechtigung des Berufsethikunterrichts Einige der Befragten äußern, dass der Berufsethikunterricht für sie einen hohen Stellenwert habe. Zwei Polizeischüler_innen führen im Anschluss an die Praxisphase als Grund für diese Relevanz an, dass die im Unterricht behandelten Inhalte sich als gute Vorbereitung für die berufliche Praxis erwiesen haben.661 Auch seien die dort erworbenen Kompetenzen in Bezug auf den Umgang mit Bürger_innen von großem Nutzen gewesen, so geben weitere Befragte nach der Praxisphase an.662 Andere Proband_innen stellen die Verankerung des Berufsethikunterrichts im Curriculum der Polizeischule in Frage.663 Auch sie räumen jedoch ein, dass ihnen die Inhalte des Themas »Überbringen einer Todesnachricht« in der Praxis von Nutzen gewesen seien.664 Interpretation Thema: Berechtigung des Berufsethikunterrichts Die Befragten äußern sich ambivalent zur Frage der Berechtigung des Berufsethikunterrichts im Curriculum der Polizeischulen. Diejenigen, die sich für eine Berechtigung des Berufsethikunterrichts aussprechen, begründen dies mit ihren Erfahrungen im Praktikum. Sie geben an, in der Praxis Situationen begegnet zu sein, in denen sie auf das im Berufsethikunterricht erworbene theoretische Wissen zurückgreifen konnten. Eine Probandin wünscht sich, dass das Fach als Wahlfach auf freiwilliger Basis angeboten würde, gibt aber zu bedenken, dass dieses Angebot dann vermutlich nicht in Anspruch genommen würde. Diese Aussage scheint zu implizieren, dass auch für sie selbst die Inhalte des Unterrichts nicht von so großer Bedeutung sind, um den Besuch des Berufsethikunterrichts als zusätzliches Wahlfach in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich sieht sie im Berufsethikunterricht eine Spielart des schulischen Religionsunterrichts, dessen Gegenstand vor allem die Beschäftigung mit Fragen des zwischenmenschlichen Umgangs mit Bürger_innen und Kolleg_innen ist. Auch hier spiegelt sich die oben genannte Problematik des unscharfen und wenig transparenten Profils des Berufsethikunterrichts wider. Andere Proband_innen empfinden den Unterricht zwar als interessant, geben
661 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 317–327; Interview 2b, September 2014, Z. 234–241; Interview 9b, September 2014, Z. 326–330. 662 Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 327–334; Interview 15b, September 2014, Z. 371–379; 379–387; Interview 27b, September 2014, Z. 319–324. 663 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 405–407; 409–414; 435–438. 664 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 371–379; Interview 18a, Mai 2014, Z. 28–31; 14–20; 62–68.
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aber an, die dort behandelten Inhalte nicht in der Praxis fruchtbar machen zu können. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, herauszufinden, ob die Einschätzung der Praxisrelevanz der behandelten Themen in Abhängigkeit von der Lehrperson steht. Denn aus den Aussagen der Proband_innen kann nicht geschlossen werden, ob sie sich auf den Unterricht der gleichen Lehrperson beziehen oder ob Schüler_innen aus unterschiedlichen Klassen diesbezüglich zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen. Eine beobachtbare Abhängigkeit der Einschätzungen von der Lehrperson, die im Berufsethikunterricht erlebt wurde, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Aufbereitung und unterrichtliche Umsetzung der einzelnen Themen sich direkt darauf auswirkt, inwieweit die behandelten Inhalte mit der beruflichen Praxis in Verbindung gebracht werden können. In jedem Fall verweisen die Aussagen der Proband_innen darauf, dass der Herstellung von Praxisrelevanz im Berufsethikunterricht erhöhte Aufmerksamkeit zukommen muss. Aus den Stimmen, die sich für den Berufsethikunterricht aussprechen, lässt sich kein Themenkatalog ableiten, der den Vorstellungen aller Schüler_innen gleichermaßen Rechnung tragen würde. Thema: Praxisrelevanz Das Thema Überbringens einer Todesnachricht scheint aufgrund seiner Praxisrelevanz von mehreren der angehenden Polizist_innen als gewinnbringend empfunden worden zu sein.665 Zwar habe der Interviewte_5 lediglich eine Unfallnachricht überbringen müssen, er habe aber auch diese Situation erst einmal verarbeiten müssen. Die Erkenntnisse aus dem Berufsethikunterricht seien ihm dabei eine Hilfe gewesen.666 Drei der Befragten berichten, dass die Themen »Stressbewältigung« und »Umgang mit traumatischen Situationen« in ihren Augen für die Vorbereitung auf die Praxis von Bedeutung gewesen seien.667 Auch der »Umgang mit Menschen« spielt für einige Proband_innen im Hinblick auf die Praxis eine wichtige Rolle.668 In diesem Zusammenhang wird von den Befragten auch der »Umgang mit den verschiedenen Religionen und Kulturen« erwähnt.669 Der Befragte_20 schätzt den Berufsethikunterricht im 665 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 70–75; Interview 5a, Mai 2014, Z. 85–90; 102–110; Interview 6a, Mai 2014, Z. 55–58; Interview 21a, Mai 2014, Z. 48–52. 666 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 404–424. 667 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 345–350; Interview 10a, Mai 2014, Z. 56–58; Interview 11a, Mai 2014, Z. 60–65; Interview 11a, Mai 2014, Z. 61–66. 668 Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 84–85; 121–123; Interview 11a, Mai 2014, Z. 60–61. 669 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 66–69.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Rückblick auf die Erfahrungen in der Praxis als nicht relevant ein. Er habe nicht den Eindruck, dass die dort behandelten Inhalte ihn auf die Herausforderung des Berufslebens vorbereiten können. Vielmehr sei es das Vorbild und die Anleitung durch seinen Praxisausbilder gewesen, die ihm bei der Bewältigung der Anforderungen der beruflichen Praxis geholfen haben.670 Andere hingegen betrachten den Unterricht demgegenüber als sehr praxisbezogen.671 Zusammenfassung Thema: Praxisrelevanz Das Thema des Überbringens einer Todesnachricht hat offenbar einen besonders hohen Stellenwert in Bezug auf die Frage nach der Praxisrelevanz des Berufsethikunterrichts.672 Das in diesem Zusammenhang angeeignete Wissen, so gibt ein Interviewter an, sei ihm auch beim Überbringen einer Unfallnachricht im Praktikum nützlich gewesen.673 Einige Interviewte geben darüber hinaus an, dass auch die unterrichtliche Auseinandersetzung im Umgang mit Bürger_innen, Migranten sowie mit verschiedenen Kulturen und Religionen für die Praxis fruchtbar gemacht werden könne.674 Darüber hinaus sei der Umgang mit traumatischen Erlebnissen für die Praxis von Bedeutung, um einerseits Verarbeitungsstrategien kennenzulernen und einzuüben und andererseits Informationen über Anlaufstellen und Hilfsangebote zu erhalten.675 Andere Proband_innen ziehen die Praxisrelevanz des Berufsethikunterrichts grundsätzlich in Zweifel.676 Interpretation Thema: Praxisrelevanz Offenbar ist der Berufsethikunterricht in der Lage, den Schüler_innen zumindest in gewissen Bereichen, zu denen vor allem das Überbringen einer Todesnachricht zu zählen ist, Verhaltenssicherheit zu vermitteln. In solchen Bereichen 670 Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 336–343. 671 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 38–40; Interview 28b, September 2014, Z. 946–947; Interview 21a, Mai 2014, Z. 452–459. 672 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 55–58; Interview 21a, Mai 2014, Z. 48–52; Interview 3a, Mai 2014, Z. 70–75; Interview 1a, Mai 2014, Z. 38–40; Interview 28b, September 2014, Z. 946–947; Interview 21a, Mai 2014, Z. 452–459; Interview 5a, Mai 2014, Z. 85–90; 102–110. 673 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 404–424. 674 Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 74–76; 106–107; 125–131; Interview 11a, Mai 2014, Z. 71–72; 66–69; Interview 6a, Mai 2014, Z. 347–350. 675 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 345–350; Interview 10a, Mai 2014, Z. 56–58; Interview 11a, Mai 2014, Z. 61–66. 676 Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 36–37; 229–233; 336–343; 39–41; Interview 6a, Mai 2014, Z. 16–17.
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sind sie auch bereit, dem Unterricht eine Praxisrelevanz beizumessen. Dennoch scheinen die Auszubildenden mehrheitlich einen Praxisbezug zu vermissen, der es ermöglicht, die Erkenntnisse aus dem Berufsethikunterricht auf die begegnenden Situationen zu übertragen. Hier muss Ursachenforschung betrieben werden, um herauszufinden, wie dem Berufsethikunterricht zu einem Zugewinn an Praxisrelevanz verholfen werden kann, damit seine Berechtigung und sein Stellenwert im Curriculum der Polizeischulen für die Auszubildenden deutlicher erkennbar wird. Dazu ist der Bildungsplan für den Berufsethikunterricht grundlegend auf die tatsächliche Praxisrelevanz seiner Themen zu überprüfen. Andererseits ist sicherzustellen, dass die Lehrpersonen, die in diesem Bereich tätig sind, einen umfassenden Einblick in die Wirklichkeit der polizeilichen Arbeit gewinnen, um ihre Unterrichtsinhalte auf die dort vorhandenen Bedarfe abzustimmen. Außerdem ist über eine Kooperation zwischen Schule und Praktikumsstellen nachzudenken, um die theoretisch erlernten Inhalte mit den Anforderungen in der Praxis abzustimmen. Thema: Struktur des Unterrichts Der Berufsethikunterricht sei, so berichten die Befragten_21 und _13 in der ersten Interviewreihe, vor allem durch Gespräche geprägt. Die Lehrperson gebe nur wenige Unterlagen und Arbeitsmaterialien aus, anhand derer die Themen erarbeitet werden können. Sie geben weiter an, keinen Leistungsdruck in diesem Fach zu empfinden, da die Inhalte des Unterrichts nicht prüfungsrelevant seien. Insgesamt beurteilen sie den Unterricht als praxisnah.677 Befragte Person_21 wünscht sich im Berufsethikunterricht noch mehr praktische Aufgabenstellungen, wie beispielsweise Rollenspiele, sowie den Einsatz von verschiedenen Arbeitsmaterialien zur Verdeutlichung der Inhalte.678 Proband_8 empfindet den Berufsethikunterricht als Entspannung innerhalb des Schulalltages. Er gibt an, sich dennoch über die Relevanz des Fachs im Klaren zu sein.679 Person_6 ist der Meinung, dass eine größere Vielfalt an Methoden und Sozialformen bei den Schüler_innen mehr Anklang fände. Seiner Ansicht nach könnte der Unterricht besser gestaltet sein.680
677 678 679 680
Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 452–459; 56–60; Interview 13a, Mai 2014, Z. 117–118. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 444–448. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 57–59; 133–137. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 436–440; 494–501.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Zusammenfassung Thema: Struktur des Unterrichts Der Berufsethikunterricht, so berichten zwei Interviewte, sei wesentlich durch offene Gespräche geprägt. Unterlagen zur vertieften Bearbeitung der Themen kämen selten zum Einsatz. In ihren Augen sei er jedoch durchaus praxisnah.681 Eine weitere befragte Person gibt an, den Unterricht als interessant, jedoch nicht als anstrengend zu empfinden. Die Sicherheit, dass die Inhalte nicht in einer Prüfung abgefragt würden, leiste dazu ihren Beitrag.682 Ein Befragter kritisiert die von ihm als eintönig empfundene Unterrichtsgestaltung, die dazu führe, dass der Unterricht im Fach Berufsethik bei vielen der Polizeischüler_innen nicht ankomme.683 Interpretation Thema: Struktur des Unterrichts Aus den Aussagen der Proband_innen lässt sich heraushören, dass die Schüler_innen im Berufsethikunterricht feste Strukturen vermissen. Einerseits werden die Gespräche über die Unterrichtsinhalte als entspannend im Vergleich zum restlichen Schulalltag und durchaus auch als interessant empfunden. Andererseits wird jedoch der Wunsch nach einer abwechslungsreicheren Gestaltung des Unterrichts und vermehrt praxisorientierten Aufgabenstellungen geäußert. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es dem Berufsethikunterricht an methodischer Vielfalt mangelt. Durch den Einsatz unterschiedlicher Medien und Materialien könnte das Interesse der Schüler_innen angeregt und weiterführende Lernprozesse in Gang gesetzt werden. Zu fragen ist in diesem Zusammenhang nach den Ursachen der von den Polizeianwärter_innen geschilderten gleichförmigen Unterrichtsgestaltung. Möglicherweise betrifft sie nur den Unterricht bestimmter Lehrpersonen. Denkbar ist jedoch auch, dass es für das Fach Berufsethik grundlegend an Materialien mangelt, die im Unterricht eingesetzt werden können. Von entscheidender Bedeutung scheint in jedem Falle eine fundierte pädagogische Ausbildung der Lehrpersonen zu sein, die eine methodisch abwechslungsreiche Umsetzung der Unterrichtsinhalte ebenso sicherstellt wie die Fähigkeit, selbst Materialien für die Behandlung der einzelnen Themen herzustellen. Positiv zu bewerten ist u. E., dass die Tatsache, keinen Leistungsnachweis im Fach Berufsethik erbringen zu müssen, es den Schüler_innen und auch der Lehrperson erlaubt, sich in der Themenwahl an den jeweiligen Interessen der 681 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 452–459; 56–60; 117–121; 245–254; 444–448; Interview 13a, Mai 2014, Z. 117–118. 682 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 57–59; 133–137. 683 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 436–440; 494–501; Interview 8a, Mai 2014, Z. 62–69.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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Auszubildenden auszurichten. Auf diese Weise erreicht der Unterricht ein hohes Maß an Schülerorientiertheit. In diesem Zusammenhang ist jedoch eine ebenso hohe Flexibilität der Lehrperson gefordert, um die von den Schüler_innen gewünschten Inhalte den jeweiligen Bedürfnissen der verschiedenen Jahrgänge anzupassen. Ziel eines solchen Unterrichts sollte sein, ausgehend von den Bedürfnissen und in den Unterricht eingebrachten Problemlagen der Schüler_innen, die Grundthemen der Polizeiarbeit, die in diesen Bedürfnissen spätestens im Anschluss an die Praxisphase ihren Niederschlag finden, in einer Weise zu behandeln, dass bei den Auszubildenden eine persönliche Betroffenheit erreicht wird. Nur dann können sie für ihre berufliche Zukunft einen Gewinn aus den behandelten Themen ziehen. Thema: Wichtigkeit des Unterrichtsfachs Mehrere Proband_innen schätzen den Unterricht als wichtig ein, da er die Gelegenheit biete, etwas dazuzulernen. Er wird als interessant und seine Inhalte als hilfreich für die berufliche Praxis empfunden. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Lehrperson zu.684 Einige Interviewte äußern die Ansicht, dass der Berufsethikunterricht dazu geeignet sei, auf die Praxis vorzubereiten.685 Probandin_19 gibt in der ersten Interviewreihe jedoch an, sich mehr Informationen zu Bewältigungsstrategien gewünscht zu haben sowie über konkrete Anlaufstellen bei beruflichen Problemen und belastenden Erfahrungen, wie beispielsweise Seelsorger_innen. Sie begründet dies damit, dass sie Bedenken habe, ob sie alle im Praktikum begegnenden Situationen werde eigenständig verarbeiten können.686 Eine andere Bedeutung weist die Interviewte_15 dem Berufsethikunterricht zu: »Ich glaub jetzt halt dass Berufsethik hauptsÄCHLICH dann wichtig isch wenn ma mol im prAKTIkum wAR (.) dass ma halt einFACH mol über des spRECHE kann was ma erlebt hat weil die andere FÄCHer biete da noch nicht so den rAUM daFÜR dass ma drüber rEDE kann über erLEBTES[.]«687
684 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 63; Interview 5a, Mai 2014, Z. 34–44; Interview 8b, September 2014, Z. 390–393; Interview 9a, Mai 2014, Z. 61–70; 73–79; Interview 9b, September 2014, Z. 293–294; 312–315; Interview 12a, Mai 2014, Z. 56–57; Interview 27b, September 2014, Z. 315. 685 Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 257–264; 307–315; Interview 23a, Mai 2014, Z. 30–39; Interview 28b, September 2014, Z. 795–808; Interview 5a, Mai 2014, Z. 46–54. 686 Vgl. Interview 19a, Mai 2015, Z. 106–117. 687 Interview 15a, Mai 2014, Z. 70–75.
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Nach seinem Praktikum befindet Person_8, dass das Fach zwar zur persönlichen, ethischen Meinungsbildung dienen könne, sonst aber keine große Bedeutung habe.688 Person_11 äußert sich eindeutig positiv zum Berufsethikunterricht. Dieser sei für sie ebenso wichtig wie die anderen Unterrichtsfächer.689 Der Befragte_20 sieht keinen Sinn im Fach Berufsethik. Der Unterricht erfüllt in seinen Augen keinen Zweck, den nicht ebenso gut das Unterrichtsfach Psychologie erfüllen könne. Er steht dem Fach sowohl vor als auch nach der Praxisphase eher ambivalent gegenüber.690 Zusammenfassung Thema: Wichtigkeit des Unterrichtsfachs Fast die Hälfte der befragten Personen äußert sich in den Interviews bezüglich der Wichtigkeit des Faches Berufsethik. Der Unterricht wird mehrheitlich als relevant, interessant und hilfreich eingeschätzt. Nicht zuletzt wird dies auf die Lehrperson zurückgeführt. Dem Unterricht wird ein entsprechend hoher Stellenwert eingeräumt.691 Eine Probandin sieht einen besonderen Nutzen im Berufsethikunterricht nach der Praxisphase, da er sich für eine Reflexion der Erlebnisse im Praktikum anbiete.692
Interpretation Thema: Wichtigkeit des Unterrichtsfachs Die Relevanz des Fachs Berufsethik wird von den Schüler_innen deutlich hervorgehoben. Erneut gehen die Polizeischüler_innen auf die im Unterricht eröffnete Möglichkeit zu offenen Gesprächen ein. Darin ist u. E. ein Hinweis zu sehen, dass der Unterricht einem Bedürfnis der Schüler_innen nach wechselseitigem Austausch über ihre Erfahrungen, Erlebnisse und persönlichen Haltungen entgegenkommt. Ein Interviewter benennt die Möglichkeit zur Meinungsbildung explizit als Stärke des Berufsethikunterrichts. Demgegenüber spricht er ihm jedoch die direkte Praxisrelevanz ab. Ein Ziel des Berufsethikunterrichts sollte daher weiterhin sein, den ge688 Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 390–403. 689 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 485; 552–556. 690 Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 23–28; 53–56; 98–104; Interview 20b, September 2014, Z. 368–393. 691 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 63; Interview 5a, Mai 2014, Z. 34–44; Interview 8b, September 2014, Z. 390–393; Interview 9a, Mai 2014, Z. 61–70; 73–79; Interview 9b, September 2014, Z. 293–294; 312–315; Interview 12a, Mai 2014, Z. 56–57; Interview 27b, September 2014, Z. 315. 692 Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 70–75.
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wünschten Austausch zwischen den Schüler_innen weiter zu fördern. Darüber hinaus sollten jedoch verstärkt die Ergebnisse solcher Gespräche und Diskussionen explizit hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz untersucht und bewertet werden. Auf diese Weise könnte bei den Auszubildenden ein Bewusstsein dafür geweckt werden, in welch hohem Maße ihre persönliche Haltung und ihre individuellen Einstellungen sich auf ihre Berufsausübung auswirken. Thema: Regelmäßigkeit des Unterrichts Drei Probanden sprechen die Regelmäßigkeit des Berufsethikunterrichts an. Für den Interviewten_9 hat der Berufsethikunterricht einen hohen Stellenwert. Er spricht sich dafür aus, dass dieser mindestens einmal in der Woche stattfinden solle. Derzeit finde er überwiegend im Rahmen einer Doppelstunde an den Freitagen statt.693 Der Interviewte_21 gibt an, dass der Berufsethikunterricht jedoch immer wieder nur in Einzelstunden abgehalten werde. Dadurch mangle es dem Unterricht an einem verlässlichen zeitlichen Rahmen. Diese Schwankungen zögen sich durch die gesamte Ausbildungszeit.694 Zusammenfassung Thema: Regelmäßigkeit des Unterrichts Zu der Regelmäßigkeit des Berufsethikunterrichts äußern sich nur drei Personen. Aus ihren Aussagen ergibt sich folgendes Bild: Überwiegend wird der Unterricht im Rahmen von Doppelstunden erteilt, manchmal jedoch auch in Einzelstunden. Dies ändert sich in einem unregelmäßigen Rhythmus. Meist findet der Berufsethikunterricht an Freitagen statt. Häufiger kommt es auch vor, dass der Unterricht ganz entfällt. Ein Proband plädiert dafür, dass der Unterricht wöchentlich erteilt werden solle, da er ihn als sehr wichtig erachte. Interpretation Thema: Regelmäßigkeit des Unterrichts Wie die Schüler_innen berichten, findet der Berufsethikunterricht nicht regelmäßig statt. Es ist hier zu fragen, warum das so ist. Es drängt sich die Vermutung auf, dass dem Berufsethikunterricht von Seiten der Schulleitung und weiterer Verantwortlicher eine eher geringe Bedeutung beigemessen wird. Dafür spricht auch die Tatsache, dass er überwiegend am Freitag stattfindet, dem letzten Tag der Schulwoche, an dem davon auszugehen ist, dass die Aufmerksamkeit und 693 Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 61–70. 694 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 378–380; 382–383; 400–402.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Aufnahmebereitschaft der Schüler_innen bereits unter den Anstrengungen der Schulwoche gelitten hat und die Motivation angesichts des nahenden Wochenendes geringer ist als zu Beginn der Woche. Möglicherweise führt die mangelnde Wertschätzung des Unterrichts auch zu den von den Proband_innen geschilderten Ausfällen. Als weiterer Grund für die Ausfälle könnte auch Personalmangel angenommen werden, dem durch die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte begegnet werden könnte.
15.3.2 Subkategorie 2: Beziehung Lehrperson/ Ausbilder Thema: Ausbildung des Lehrenden Die Ausbildung des Lehrenden kommt lediglich in einem Interview zur Sprache. Der Interviewte_25 verweist auf einen Unterschied zwischen dem Berufsethiklehrer und dem Lehrer im Fach Psychologie, dem er eine entscheidende Bedeutung beimisst. Während es sich bei der Lehrperson in Psychologie um einen Polizeibeamten handle, der entsprechend Einblick in die Polizeiarbeit und die Herausforderungen des Berufs habe, sei der Berufsethiklehrer ein Pfarrer. Als solcher, so erkennt der Befragte an, verfüge er zwar über pädagogisches Grundwissen, habe aber keinen Einblick in die berufliche Wirklichkeit von Polizist_innen. Daher sei ihm vielfach der Zugang zu den Polizeischüler_innen verwehrt und er treffe in der Auswahl und der Behandlung der Themen nur schwer die wirklichen Bedürfnisse und Interessen seiner Schüler_innen.695 Er ist der Meinung, dass es für die Lehrperson leichter sei, das Interesse der Schüler_innen am Unterricht zu wecken, wenn sie selbst im Polizeidienst tätig sei und somit Erfahrungen aus diesem Bereich aufweisen könne.696 Zusammenfassung Thema: Ausbildung des Lehrers Der Interviewte_25 bemängelt in Bezug auf die Ausbildung des Berufsethiklehrers, dass ihm der Einblick in die Wirklichkeit des Polizeiberufs fehle. Anders als beim Lehrer im Fach Psychologie, der selbst Polizist sei und daher die angehenden Polizist_innen gezielt in ihren berufsspezifischen Interessen und Bedürfnissen ansprechen könne, sei es für den Pfarrer, der den Berufsethikunterricht bestreitet, schwer, die Schüler_innen zu erreichen und ihr Interesse zu wecken. Er spricht sich daher dafür aus, das Fach Berufsethik von Lehrpersonen unterrichten zu lassen, die selbst Polizeibeamt_innen seien.697 695 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 10–12; 37–43; 94–96. 696 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 117–124. 697 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 10–12; 37–46; 17–33; 15–16; 94–99; 117–124.
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Interpretation Thema: Ausbildung des Lehrers Der Befragte_25 bemängelt an der Lehrkraft im Fach Berufsethik, dass diese kein Polizist sei und ihm daher auch nicht sagen könne, wie er in der beruflichen Praxis mit den begegnenden Personen umzugehen hätte. Letztlich scheint der entscheidende Aspekt der Beurteilung der Lehrpersonen zu sein, inwieweit sie über einen Einblick in die Polizeiarbeit verfügen und auf Erfahrungen im polizeilichen Alltag zurückgreifen können. Dahinter steht die durchaus realistische Einschätzung, dass die Inhalte des Unterrichts, sei es im Fach Berufsethik oder in anderen Fächern, umso besser auf die Bedürfnisse der Schüler_innen abgestimmt werden können, je mehr Einblick die Lehrperson in deren Berufs- und Lebenswelt hat. Daher ist zu überlegen, ob die Lehrpersonen vor ihrem Einstieg in ihre Lehrtätigkeit ein Praktikum auf einer Polizeiwache durchlaufen sollten. Auf diese Weise könnten sie sich ein Bild von der Polizeiarbeit und den berufsspezifischen Herausforderungen verschaffen. Des Weiteren könnte über wiederholte Besuche der Berufsethiklehrer_innen auf unterschiedlichen Polizeirevieren nachgedacht werden, möglicherweise sogar zeitgleich mit den Praktika der Polizeischüler_innen. Auf diese Weise könnte den Schüler_innen die Möglichkeit eröffnet werden, in den Wirklichkeiten ihrer beruflichen Praxis die Lehrperson wahrzunehmen als jemand, der sich für die Erlebnisse und Erfahrungen, die der Beruf mit sich bringt, aktiv interessiert und durch das persönliche Erscheinen in den Praktikumsstellen bis zu einem gewissen Grad auch daran partizipiert. Es könnten Gespräche und Kontakte zwischen Lehrperson und Schüler_innen angeregt werden, die nicht allein geprägt sind von dem Bild der Lehrperson als Pfarrer_in, dessen beziehungsweise deren Lebenswelt fern des polizeilichen Alltags liegt. Vielmehr könnten Gespräche auf Augenhöhe zustandekommen zwischen zwei Personen, die auf dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen und unterschiedlichen Wissens gemeinsam ein Neuland betreten, nämlich das der beruflichen Praxis in der Polizei, und dieses aus unterschiedlichen Blickwinkeln wahrnehmen. Zudem ist es vonnöten, den Beruf des Pfarrers, der Pfarrerin sowie des Seelsorgers, der Seelsorgerin für die Schüler_innen transparent zu machen, um Vorurteilen den Lehrpersonen gegenüber entgegenzuwirken.
Thema: Persönlichkeit/ Beziehung Lehrer An ihrem Berufsethiklehrer schätzen die Personen_14 und _15 besonders, dass er immer ein offenes Ohr für sie habe. Das Angebot, mit ihm ins Gespräch zu
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treten, hätten sie auch gerne in Anspruch genommen.698 Außerdem habe er die Inhalte sehr gut vermitteln können.699 Befragte Person_25 gibt an, dass es schwer gewesen sei, eine Beziehung zum Berufsethiklehrer aufzubauen. Sie begründet das mit der geringen Anzahl an Berufsethikstunden.700 Thema: Persönlichkeit/ Beziehung Ausbilder
Überwiegend geben die Proband_innen an, eine gute Beziehung zu ihren Praxisausbildern gehabt zu haben. Einige sprechen sogar von einer freundschaftlichen Beziehung.701 Der Interviewte_9 berichtet, er sei mit seinem Ausbilder bereits vor der Praxisphase befreundet gewesen. Mit seiner Begleitung im Praktikum sei er sehr zufrieden gewesen.702 Person_16 merkt an, dass ihr Ausbilder Wert auf ihre Meinung gelegt habe. Außerdem sei es gelungen, ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihm aufzubauen. Auch die Interviewte_1 berichtet von ähnlichen Erfahrungen.703 Der Proband_22 gibt an, dass es ihm schwer gefallen sei, die Beziehung zu seiner Ausbilderin zu gestalten. Er nimmt an, dass es ihm bei einem Mann besser gelungen wäre.704 Zwischen dem Interviewten_10 und dessen Ausbilder seien keine privaten Gespräche zustande gekommen, da dieser um einiges älter gewesen sei und die Lebenswelten beider sich erheblich unterschieden haben. Proband_6 gibt an, seinem Ausbilder keine privaten Angelegenheiten anvertraut zu haben, da er nicht habe darauf vertrauen können, dass dieser gegenüber Dritten darüber schweige. Jedoch habe ein solcher Austausch mit anderen Kolleg_innen stattgefunden.705 Trotzdem habe er zu seinem Ausbilder insgesamt ein gutes Verhältnis gehabt.706 Die Interviewten _24 und _1 betrachten ihren Ausbilder sogar als Vaterfigur.707 Einige Proband_innen erwähnen das höhere Alter ihrer Praxisausbilder positiv.708 Der Interviewte_12 berichtet, von einem Praxisausbilder in seinem Alter begleitet worden zu sein.709 Er verweist darauf, dass dieser Umstand sich jedoch 698 Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 274–277; 279–285; Interview 15b, September 2014, Z. 440–445. 699 Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 317–320; Interview 14b, September 2014, Z. 274–277; Interview 23b, September 2014, Z. 297–299. 700 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 174–181. 701 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 299; Interview 24b, September 2014, Z. 154–161. 702 Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 137–139; 215–222; 248–256. 703 Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 105–108; Interview 1b, September 2014, Z. 290–291. 704 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 361–366; 385–387; 405–407; 371–379. 705 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 408–419; 396–405. 706 Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 186–196. 707 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 276–287; Interview 24b, September 2014, Z. 154–161. 708 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 311–312. 709 Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 290–293.
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nicht zwingend hätte positiv auswirken müssen, sondern dass daraus auch Schwierigkeiten hätten entstehen können.710 Die Interviewte_2 gibt an, ihre ebenfalls junge Ausbilderin sei sehr aufmerksam und motiviert gewesen.711 Ähnliche Erfahrungen haben die befragten Personen _4, _13, _24 und _27 gemacht.712 Für den Probanden_18 sei der Praxisausbilder eine große Hilfe bei der Verarbeitung der Erlebnisse in der Praxisphase gewesen. Besonders da er zu Beginn des Praktikums Sorge gehabt habe, ob er das Erlebte werde verarbeiten können, sei ihm die Fürsorge des Ausbilders eine Stütze gewesen.713 Zwei der befragten Personen formulieren Kritik an ihren Praxisausbildern. Die Befragte_15 gibt an, sich zwar gut mit ihrem Ausbilder verstanden, ihn aber als frustriert erlebt zu haben. Sie erzählt von einer Situation, in der dieser sich negativ über einen Vorgesetzten geäußert habe. Ihr sei diese Situation unangenehm gewesen.714 Auch der Interviewte_29 spricht von, wenn auch vereinzelten, schlechten Erfahrungen mit seinem Ausbilder.715 Zusammenfassung Thema: Persönlichkeit/ Beziehung Lehrer Vier Personen äußern sich positiv in Bezug auf die Lehrperson im Fach Berufsethik. Sie heben besonders das Interesse der Lehrkraft an den persönlichen und berufsbezogenen Anliegen der Schüler_innen sowie die Darstellung der Unterrichtsinhalte positiv hervor. Ein Proband gibt an, dass der Beziehungsaufbau zwischen der Lehrperson und den Schüler_innen durch den häufigen Unterrichtsausfall erschwert worden sei. Thema: Persönlichkeit/ Beziehung Ausbilder Die Proband_innen berichten überwiegend von gelungenen und zufriedenstellenden Beziehungen zu ihren Praxisausbilder_innen. Einige geben sogar an, dass zu den Ausbilder_innen Freundschaften entstanden seien.716 Darüber hinaus sagen einige der Proband_innen aus, dass es gelungen sei, ein von wechselseitigem Vertrauen geprägtes Verhältnis zu den Praxisausbildern zu 710 Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 286–289. 711 Vgl. Interview 2b, Z. 73–78; 183–192. 712 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 376–380; Interview 4b, September 2014, Z. 388–402; Interview 27b, September 2014, Z. 211–214; Interview 24b, September 2014, Z. 33–37. 713 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 104–112; 134–144. 714 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 339–352. 715 Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 233–255. 716 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 299; Interview 24b, September 2014, Z. 154–161; Interview 9b, September 2014, Z. 137–139; 215–222; 248–256; Interview 16b, September 2014, Z. 91–96; Interview 1b, September 2014. Z. 276–287.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
entwickeln.717 Für einen weiteren Probanden war vor allem die Hilfe des Ausbilders bei der Verarbeitung der Erlebnisse in der Praxis von großer Bedeutung.718 Für zwei weibliche Probandinnen stellte der Praxisausbilder eine Art Vaterfigur dar. Daraus sei eine wertvolle und lehrreiche Beziehung entstanden, obwohl es aufgrund des Altersunterschieds zu Beginn nicht danach ausgesehen habe.719 Für einen Interviewten führte der Umstand, eine Ausbilderin zugeteilt bekommen zu haben, dazu, dass er Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Beziehung zu dieser hatte.720 Zwei der Befragten haben mit ihren Anleitern keine privaten Gespräche geführt.721 Vereinzelt äußern sich die Proband_innen jedoch auch negativ bezüglich ihrer Praxisausbilder_innen.722 Interpretation Thema: Persönlichkeit/ Beziehung Lehrer Aus den Aussagen der Schüler_innen lässt sich ableiten, dass durch einen regelmäßigeren Unterricht der Beziehungsaufbau zwischen den Lehrenden und der Lernenden besser gelingen könnte. Dies könnte durch weitere Angebote seitens der Lehrperson, beispielsweise durch das Angebot einer Betreuung oder Sprechzeiten auch außerhalb des Berufsethikunterrichts, unterstützt werden. Interpretation Thema: Persönlichkeit/ Beziehung Ausbilder Es zeigt sich, dass die Proband_innen ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Anleiter_innen positiv bewerten. Auch beim Probanden_9, der angibt, bereits vor dem Praktikum mit seinem Anleiter befreundet gewesen zu sein, scheint diese Art der Beziehung sich positiv auf das Praktikum ausgewirkt zu haben. Offenbar stellt eine gute persönliche Beziehung zu den Praxisausbilder_innen eine wichtige Stütze für die Polizeischüler_innen dar. Sie sind Vorbild, erster Gesprächspartner und Hilfe bei der Verarbeitung belastender Situationen. Diese Rolle auszufüllen gelingt nicht allen Ausbilder_innen gleichermaßen, wie die Aussagen der Proband_innen belegen. Dabei scheint das Alter der Praxisausbilder_innen nicht das über ihre Qua-
717 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 290–291; Interview 23b, September 2014, Z. 185–188; 223–235. 718 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 104–112; 134–144. 719 Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 223–235; Interview 14b, September 2014, Z. 217–222; 225–228; Interview 24b, September 2014, Z. 154–161. 720 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 356–366; 385–387; 405–407; 371–382. 721 Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 186–196; Interview 6b, September 2014, Z. 408–419; 396–405. 722 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 339–352; Interview 29b, September 2014, Z. 233–255.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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lifikation entscheidende Kriterium zu sein. Es werden sowohl junge Ausbilder_innen gelobt als auch ältere kritisiert. Die meisten Ausbilder_innen scheinen sich ihrer Aufgabe und der damit verbundenen Herausforderungen ebenso bewusst zu sein wie der Bedürfnisse der angehenden Polizist_innen, die sie begleiten. Vereinzelt scheitern die Beziehungen aufgrund des Verhaltens der Ausbilder_innen. In diesem Zusammenhang sollte den angehenden Polizist_innen im Vorfeld des Praktikums Mut zugesprochen werden, Probleme mit ihren Praxisausbilder_innen anzusprechen. Des Weiteren wäre es vonnöten, dass den Praktikant_innen eine Anlaufstelle zur Verfügung gestellt und bekannt gemacht wird, an die sie sich bei anhaltenden Schwierigkeiten mit den Ausbilder_innen wenden können. Neutrale Personen, wie beispielsweise Seelsorger_innen, könnten hier als kompetente Ansprechpartner_innen dienen. Zwei der befragten Proband_innen sehen in ihren Ausbildern eine Vaterfigur. Die Ausbilder waren in diesen beiden Fällen wesentlich älter als ihre Praktikantinnen und hatten Kinder in deren Alter. Eine der Proband_innen gibt an, dass sie in den Gesten des Ausbilders ihren Vater wiedererkannt habe. Möglicherweise wurden hier auch Merkmale der eigenen Väter auf die Ausbilder projiziert. Für einen Probanden ist die Tatsache, dass seine Begleitung im Praktikum durch eine Frau geleistet wurde, problematisch. Er gibt an, dass ihm dadurch die Beziehungsgestaltung erschwert gewesen sei. Möglicherweise hat er sich einen Mann als Streifenpartner vorgestellt und gewünscht und wurde in seinen Erwartungen in einer Weise enttäuscht, die es ihm unmöglich gemacht hat, sich auf eine weibliche Anleitung wirklich einzulassen. Ähnlich formuliert er dies auch im Interview, ohne aber weiter darauf einzugehen. Zwei Befragte berichten, dass der Beziehungsaufbau zu den Praxisausbildern nicht gelungen sei. Der Befragte_29 gibt an, sich mit seinem Ausbilder zunächst gut verstanden zu haben. Dann aber sei es zu einem Bruch gekommen, den er auf Missverständnisse zurückführt. Im Anschluss sei die Kommunikation zwischen ihm und seinem Ausbilder nicht mehr gelungen. Die Befragte_15 führt das Misslingen der Beziehung zu ihrem Ausbilder darauf zurück, dass dieser sich in ihrer Gegenwart respektlos über Vorgesetzte geäußert habe. In solchen Situationen habe sie sich unwohl gefühlt. Möglicherweise ist der Praxisausbilder, indem er sich zu derart abwertenden Äußerungen hat hinreißen lassen, durch sein unprofessionelles Verhalten im Ansehen der Praktikantin in einer Weise gesunken, dass der Beziehungsaufbau dadurch nachhaltig gestört wurde. Denkbar ist auch, dass ihre eigene Loyalität besagtem Vorgesetzten gegenüber dazu führte, dass sie durch die Aussagen des Ausbilders in einen persönlichen Konflikt geriet. Auch
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
die Befürchtung, in eine persönliche Auseinandersetzung zwischen ihrem Ausbilder und dem Vorgesetzten zu geraten und dort Partei ergreifen zu müssen, könnte eine Ursache dafür sein, dass die Beziehung zum Ausbilder misslang. In beiden Fällen wäre es ratsam gewesen, frühzeitig mit den Praxisausbildern ein offenes Gespräch über die Situation zu suchen. Verständlich ist allerdings, dass sich die jungen Polizeianwärter_innen nicht in der Position fühlen, Kritik an ihren Ausbilder_innen zu üben. Außerdem besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen, das bei den Praktikant_innen zu der Befürchtung führen könnte, dass der Erfolg ihres Praktikums gefährdet sein könne, wenn sie sich offen zu ihren Problemen mit den Ausbilder_innen bekennen. Auch wenn nur zwei der 25 Proband_innen Probleme in der Beziehung mit ihren Ausbilder_innen ansprechen, regen ihre Aussagen zu der Überlegung an, wie den angehenden Polizist_innen in einer solchen Situation geholfen werden kann. Eine Aufgabe für den Berufsethikunterricht könnte hierbei sein, diesem Thema im Vorfeld der Praxisphase Raum zu geben und die Polizeischüler_innen darin zu bestärken, Probleme frühzeitig anzusprechen. Im Zuge dessen könnten Regeln gelingender Gesprächsführung erarbeitet und eingeübt werden. Für den Fall, dass die Probleme im Praktikum nicht eigenständig gelöst werden können, müssen den Praktikant_innen Ansprechpartner außerhalb der Praxisstellen zur Verfügung stehen, bei denen sie Hilfe finden können. Des Weiteren wäre eine Begleitung der Praxisphase mittels Supervision für die Schüler_innen eine gute Stütze, um die neuen Eindrücke, Erlebnisse und Wahrnehmungen sowie die Beziehungen zu Kolleg_innen und Anleiter_innen auch im Hinblick auf das eigene Wohlergehen zu reflektieren. Thema: Status/Kompetenz Die Bewertungen der Lehrpersonen im Fach Berufsethik durch die Proband_innen fallen überwiegend positiv aus. Vier Proband_innen geben an, dass es sich bei ihrem Berufsethiklehrer um einen guten und kompetenten Lehrer handle, dem alle gerne zuhören.723 Befragter_9 schätzt die Kompetenzen der Lehrer_innen im Bereich der ethischen Urteilsbildung, die er auf deren Lebenserfahrung zurückführt. Außerdem gibt er an, dass sie die Schüler_innen gut auf die Berufspraxis vorbereiten.724 Befragter _19 gibt an, dass er sich bei Problemen gerne an seinen Lehrer wende, da dieser als Seelsorger auch außerhalb
723 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 35–38; Interview 9a, Mai 2014, Z. 70–73; 76–78; Interview 18a, Mai 2014, Z. 37; Interview 22a, Mai 2014, Z. 86–87. 724 Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 83–95.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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der Polizei tätig sei. Aus diesem Grund empfinde er ihn als kompetenten Ansprechpartner.725 Kritik an der Lehrperson wird von zwei der Befragten geäußert. Befragte Person_6 bemängelt, dass es dem Lehrer an Authentizität fehle, ohne dieses Urteil weiter zu begründen. Seinen Psychologielehrer bewertet der Interviewte_25 besser, da dieser selbst Polizist sei.726 Zusammenfassung Thema: Status/ Kompetenz Die Lehrperson im Fach Berufsethik wird von acht der befragten Proband_innen positiv bewertet. Zwei äußern sich kritisch ihr gegenüber. Mehrheitlich betrachten die Schüler_innen die Berufsethiklehrer_innen als kompetent. Dabei erkennen sie zum einen ihre Lebenserfahrung an, zum anderen stellen sie fest, dass es ihnen gelingt, die angehenden Polizist_innen auf die Berufspraxis vorzubereiten.727 Auch die Tatsache, dass der Berufsethiklehrer in seiner Eigenschaft als Pfarrer oder Seelsorger berufsspezifisches Wissen und entsprechende Kompetenzen mitbringt und somit einen anderen Blickwinkel auf die Themen der Polizeiarbeit hat, wird anerkannt.728 Der Interviewte_19 misst den Fähigkeiten der Lehrperson als Seelsorger_in in besonderer Weise Bedeutung bei, indem er angibt, sich bei Problemen an ihn zu wenden. In diesem Zusammenhang schätzt er auch die Tatsache, dass die Lehrperson einen neutralen Ansprechpartner darstellt.729 Als Kritik an der Lehrperson im Fach Berufsethik wird mangelnde Authentizität genannt. Ein Interviewter zieht den Psychologielehrer dem Berufsethiklehrer vor mit der Begründung, dass dieser selbst auch Polizist sei.730 Interpretation Thema: Status/ Kompetenz Den Berufsethiklehrer_innen werden durch die Proband_innen spezifische Kompetenzen auf der Basis ihres Berufs als Pfarrer_in oder Seelsorger_in sowie auf der Basis ihrer Lebenserfahrung zugestanden. Ein Teil der Schüler_innen empfindet sie daher als authentisch. Dass sie als Ansprechpersonen in schwierigen Situationen genannt werden, bestätigt die Einschätzung, dass die Berufsethiklehrer_innen für einen Teil der Schüler_innen als kompetent 725 726 727 728
Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 486–495. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 15–16; 94–96; Interview 6a, Mai 2014, Z. 324–339. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 83–95. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 21–24; Interview 22a, Mai 2014, Z. 137–142; Interview 28b, September 2014, Z. 812–815. 729 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 486–495. 730 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 15–16; 94–96; Interview 6a, Mai 2014, Z. 324–339.
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und vertrauenswürdig erscheinen. Um dieses Potenzial zu nutzen und den Lehrer_innen sowie den Schüler_innen den Aufbau einer tragfähigen Beziehung zu ermöglichen, die als Grundlage für die Inanspruchnahme entsprechender Gesprächsangebote unerlässlich ist, ist jedoch die regelmäßige Präsenz der Berufsethiklehrer_innen unerlässlich. Diese muss einerseits durch regelmäßig stattfindenden Unterricht sichergestellt werden. Andererseits müssen niederschwellige, außerunterrichtliche Gesprächsangebote mit den Lehrpersonen eingerichtet werden. Des Weiteren sollte transparent gemacht werden, warum dieses Fach durch Pfarrer_innen unterrichtet wird und welche spezifischen Kompetenzen diese für den Berufsethikunterricht qualifizieren. Auf diese Weise könnte den Schüler_innen eine Wertschätzung der von den Pfarrer_innen in die Ausbildung eingebrachten Außensicht auf den Polizeiberuf und seine Herausforderungen nahegebracht werden.
15.3.3 Subkategorie 3: Vorurteile Thema: Wer hat Kompetenz? Der Befragte_25 sieht die Kompetenz einer Lehrperson in Abhängigkeit davon, ob diese selbst Polizist_in ist.731 Zusammenfassung Thema: Wer hat Kompetenz? Der Interviewte_25 sieht es als notwendig an, dass in der Polizeischule ausschließlich Polizist_innen lehren. Interpretation Thema: Wer hat Kompetenz? Der Interviewte_25 macht die Kompetenz einer Lehrperson an ihrer Erfahrung mit der Polizeiarbeit fest. Da der Berufsethiklehrer Pfarrer ist, zweifelt er im Umkehrschluss dessen Kompetenzen an. Der Hintergrund dieser Haltung könnte einerseits in einer grundsätzlichen Ablehnung der Kirche und des Glaubens begründet sein. Da er jedoch nicht explizit nur dem Pfarrer die Kompetenz abspricht, sondern allen Lehrer_innen, die keine polizeiliche Ausbildung durchlaufen haben, scheint dahinter die Überzeugung zu stehen, dass nur derjenige, der einen Einblick in die Wirk-
731 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 15–33; 94–99; 10–12; 117–124.
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lichkeiten der Polizei hat, auch in der Lage ist, Polizist_innen qualifiziert auszubilden. Dieser Kritik, wenn auch in der Absolutheit ihrer Formulierung nicht zu unterschreiben, ist dennoch eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen. Denn eine Orientierung an den Bedürfnissen der Schüler_innen im Hinblick auf ihre Berufspraxis ist mit Sicherheit nur umfänglich zu leisten, wenn ein ausreichender Einblick in diese Praxis sichergestellt ist. Auch ist der Habitus der Polizist_innen ebenso wie der jeder anderen Berufsgruppe durch ihre berufliche Tätigkeit geprägt. Diesen gilt es zu verstehen, um sich den Schüler_innen in angemessener Weise nähern zu können. Andererseits übersieht der Befragte, dass die Berufsgruppe der Pfarrer_innen und Seelsorger_innen über ein eigenes Feld von Erfahrungen und Kompetenzen verfügt, die einen neuen Blickwinkel auf die Wirklichkeiten der Polizei eröffnen können. Diese zu kommunizieren und so der Erteilung des Berufsethikunterrichts durch diese Berufsgruppen die Berechtigung zuzusprechen, die ihr zukommt, könnte von entscheidender Bedeutung sein, um das Ansehen der Berufsethiklehrenden bei den Polizeischüler_innen zu steigern. Dieses Wissen könnte bei den Schüler_innen auch dazu führen, dass die Lehrpersonen als authentischer empfunden werden. Thema: Rolle der Uniform (als Basis des Urteilens) Die Rolle der Uniform wird von zwei Proband_innen angesprochen. Die Interviewte_10 geht auf ihre persönlichen Gefühle beim Tragen der Uniform ein. Sie gibt an, dass ihr Dienstgruppenleiter sie darin bestärkt habe, ihre Schüchternheit abzulegen.732 Der Befragte_25 spricht von der Wahrnehmung, dass den Lehrer_innen, die keine Uniform trügen, weniger Respekt entgegengebracht werde.733 Zusammenfassung Thema: Rolle der Uniform (als Basis des Urteilens) Die Interviewten_10 und _25 sprechen über die Rolle der Uniform im Polizeiberuf. Die Probandin_10 beschreibt ihre Erfahrungen mit dem Tragen der Uniform im Praktikum, während Proband_25 auf den von ihm beobachteten unterschiedlichen Umgang mit Lehrpersonen mit und ohne Uniform durch die Schüler_innen eingeht.734
732 Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 232–235. 733 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 181–198. 734 Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 232–235; Interview 25a, Mai 2014, Z. 181–198.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Interpretation Thema: Rolle der Uniform (als Basis des Urteilens) Die Interviewte_10 berichtet, von ihrem Dienstgruppenleiter auf ihre schüchterne und zurückhaltende Ausstrahlung angesprochen und dazu ermutigt worden zu sein, an einer selbstbewussteren Haltung zu arbeiten. Diese Aufforderung scheint für die Probandin eine Herausforderung darzustellen. Gleichzeitig ist ihr aber offenbar bewusst, dass sie sich dieser stellen muss, um im Beruf bestehen zu können. Die Aussage des Interviewten_25 stellt die einzige in dieser Art dar. Daher ist zu fragen, was sich hinter seiner Einstellung verbirgt. Es zeigt sich in der Gesamtbetrachtung seiner Aussagen, dass er einen Zusammenhang herstellt zwischen der polizeilichen Ausbildung einer Lehrperson und den Kompetenzen, die er ihr bezüglich ihrer Lehrtätigkeit zugesteht. In diesem Einzelfall wäre eine Reflexion der Frage, welche Kompetenzen für die Erteilung des Berufsethikunterrichts vonnöten sind und in welchem Maße Außenstehende auch ohne polizeiliche Ausbildung über diese verfügen können, für den betreffenden Schüler eine Hilfe, um ihm zu einer realistischen Einschätzung der ihn unterrichtenden Personen und zu einer Wertschätzung von außerhalb kommender Lehrer_innen zu verhelfen.
15.3.4 Subkategorie 4: Themenwünsche Person_6 wünscht ein breiteres Spektrum an Themen für den Berufsethikunterricht. Beispielhaft nennt er die Behandlung verschiedener »Formen von Kriminalität«, die ihm in der beruflichen Praxis begegnen könnten.735 Die Befragte_2 äußert den Wunsch, dass im Berufsethikunterricht das Thema »Merkmale misshandelter Kinder« behandelt werde. Sie erhoffe sich dadurch, im Berufsalltag eine erhöhte Aufmerksamkeit für Warnsignale zu erlangen und einen Missbrauch frühzeitig erkennen zu können.736 Person_5 würde es begrüßen, im Berufsethikunterricht das »Auftreten von Polizist_innen im Dienst« zu thematisieren, da er bei einigen Kolleg_innen diesbezüglich Defizite, beispielsweise in Form von unangemessenem Verhalten gegenüber Bürger_innen, festgestellt habe.737 Des Weiteren wünschen sich zwei Befragte in der zweiten Interviewreihe das Thema »Umgang von Polizist_innen untereinander« im Berufsethikunterricht zu thematisieren. Dabei sollen Themenaspekte wie Teamarbeit und Teamfähigkeit behandelt werden.738 Der Befragte_3 kommt in 735 736 737 738
Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 312–318; 350–255. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 51–54; 61–72. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 416–428. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 338–340; 343–346; Interview 17b, September 2014, Z. 159–162.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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beiden Interviewreihen auf das Thema »Arbeitsmoral« zu sprechen. Inhaltlich umfasst dieses Thema für ihn zweierlei: Einerseits die Behandlung des persönlichen Standpunkts der Auszubildenden gegenüber der Polizei und andererseits die Frage nach der Motivation der Polizeischüler_innen, den Beruf zu erlernen. Während der persönliche Standpunkt der Einzelnen bereits im Unterricht thematisiert worden sei, habe eine Beschäftigung mit der Motivation für die Berufswahl noch nicht stattgefunden.739 Befragter_25 würde sich darüber hinaus im Rahmen des Unterrichtes gern mit der Frage nach dem eigenen Umgang mit dem Erscheinungsbild anderer Menschen auseinandersetzen.740 Außerdem würde er im Unterricht gerne der Frage nachgehen, wie der Umgang mit der Macht, die er als Polizist innehabe, gestaltet werden könne. Er erhoffe sich dadurch, ein Bewusstsein für die Handlungsspielräume zu entwickeln, die er als Polizist in unterschiedlichen Situationen habe.741 Darüber hinaus benennt er mit dem Stichwort der »Menschenkenntnis« einen Themenwunsch an den Berufsethikunterricht, ohne diesen jedoch inhaltlich weiter zu füllen.742 Des Weiteren wird als Wunsch an das Fach Berufsethik das Thema des »Umgangs mit Bürger_innen« genannt. Der »Umgang mit Migranten sowie Angehörigen unterschiedlicher Kulturen und Glaubensrichtungen« wird lediglich in der zweiten Interviewreihe angesprochen. Hier äußern drei Proband_innen den Wunsch, diese Themen im Unterricht aufzugreifen.743 Der Umgang mit Menschen anderer Glaubensrichtungen und Kulturen spiele für sie in der heutigen Zeit eine besonders wichtige Rolle.744 Außerdem wird der »Umgang mit psychisch auffälligen Personen« als Themenwunsch formuliert.745 Die Schüler_innen geben zwar an, dieses Thema im Psychologieunterricht behandelt zu haben, dennoch wird vereinzelt der Wunsch geäußert, es auch im Berufsethikunterricht aufzugreifen.746 Person_23 interessiert sich nach seinem Praktikum besonders für den »Umgang mit alkoholisierten Personen«.747 In der ersten Interviewreihe gibt der Befragte_6 an, dass es im wichtig sei, Verhaltenssicherheit im beruflichen Umgang mit Menschen zu erwerben. Auch 739 740 741 742 743 744
Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 75–78; 92–94; Interview 3b, September 2014, Z. 352–368. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 252–259; 293–296; 500–504. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 208–228. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 299–303; 318–320. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 259–261; 263–266; 250–256. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 287ff; 291–301; Interview 4b, September 2014, Z. 470–476; 490–495. 745 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 258–267. 746 Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 234–366; 143–147; Interview 1b, September 2014, Z. 351–356; Interview 23b, September 2014, Z. 234–366. 747 Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 357–361.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
die Beschäftigung mit den eigenen Emotionen in der Begegnung mit anderen Menschen ist ihm ein Anliegen.748 In der zweiten Interviewreihe spricht er dieses Thema erneut an. Neben den »Umgang mit den eigenen Emotionen« tritt nun jedoch die Frage, wie es ihm gelingen könne, angesichts eigener Gefühle von Hilflosigkeit in schwierigen Situationen für Bürger_innen eine Stütze zu sein. Ähnlich äußert sich der Befragte_25.749 Insgesamt elf Personen geben im Anschluss an die Praxisphase an, dass ihnen an einer Behandlung des Themas »Umgang mit belastenden Situationen« gelegen sei.750 Person_2 kritisiert, dass dieses Thema im Berufsethikunterricht bisher nicht behandelt worden sei, obwohl es ihrer Ansicht nach dort einen Platz haben sollte. Lediglich im Psychologieunterricht sei darüber gesprochen worden. Den Proband_innen ist es vor allem ein Anliegen, über »Verarbeitungsstrategien« zu sprechen und Informationen über Hilfsangebote zur Verarbeitung belastender Situationen zu erhalten.751 Person_2 erinnert sich außerdem, dass der Berufsethiklehrer den Schüler_innen geraten habe, sich bei Problemen im Praktikum an den zuständigen Pfarrer zu wenden.752 Befragter_8 hingegen sieht die Behandlung dieses Themas eher als Aufgabe des Psychologieunterrichts.753 Die Themen »Umgang mit dem Tod« und »Überbringen einer Todesnachricht« werden als weitere Themenwünsche im Berufsethikunterricht genannt. So hätte Person_6 sich bereits vor seinem Praktikum gerne mit der Frage auseinandergesetzt, wie mit Todesfällen im Dienst professionell umgegangen werden kann.754 Befragte Person_15 konkretisiert sein Anliegen in Bezug auf die Behandlung des Themas »Umgang mit dem Tod« dahingehend, dass er es für wichtig erachte, auch über den Tod sprechen zu können.755 Befragter_19 wünscht sich bei der Behandlung des Themas vor allem zu erfahren, wie er sich auf die Begegnung mit Unfalltoten innerlich vorbereiten beziehungsweise einstellen könne.756 Inhaltliche Schwerpunkte stellen für die Proband_innen hierbei auch der »Umgang
748 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 65–71. 749 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 627–647; Interview 29b, September 2014, Z. 385–387; 351–359. 750 Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 307–311; Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 30–39. 751 Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 296–302; Interview 3b, September 2014, Z. 344–345; Interview 4b, September 2014, Z. 488–489. 752 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 309–315. 753 Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 408–422. 754 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 92–104; Interview 6b, September 2014, Z. 611–613. 755 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 483–486. 756 Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 143–147.
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mit den Verstorbenen und deren Angehörigen«757 sowie die Vorbereitung auf einen »Unfall mit Todesfolge«758 dar. Zusammenfassung Subkategorie 4: Themenwünsche Die Proband_innen benennen verschiedene Themenbereiche, deren Behandlung sie sich im Berufsethikunterricht wünschen würden. In diesem Zusammenhang kommt das Thema »Merkmale misshandelter Kinder« zur Sprache, wobei der Hintergrund dieses Themenwunsches in der Befähigung zur Früherkennung und Prävention zu sehen ist.759 Auch werden das »Auftreten von Polizist_innen in der Öffentlichkeit«760 sowie deren »Handlungsspielräume«761 und die »persönliche Arbeitsmoral«762 als Themenwünsche an den Berufsethikunterricht genannt. Diesem Interesse liegen bei einigen Auszubildenden persönliche Erfahrungen im Praktikum zugrunde. Einen weiteren Themenwunsch bildet der »Umgang mit Bürger_innen«.763 Als inhaltliche Schwerpunkte dieses Themas lassen sich aus den Interviews der »Umgang mit psychisch auffälligen Personen764, Migranten sowie mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Glaubensrichtungen« herauslesen.765 Zudem formulieren einige Befragte den Bedarf, sich im Unterricht mit dem »Umgang mit alkoholisierten766 sowie trauernden Personen«767 zu befassen. Darüber hinaus werden auch der »Umgang mit belastenden Situationen« und das Thema »Tod«768 als Wunschthemen für den Berufsethikunterricht benannt. Diese Themen werden als notwendige Vorbereitung für die Praktika verstanden. Wichtig ist den Proband_innen in diesem Zusammenhang, dass sie im Unterricht über mögliche Anlaufstellen informiert werden, bei denen sie bei Bedarf 757 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 336–342; Interview 21a, Mai 2014, Z. 424–435; Interview 5a, Mai 2014, Z. 412–416; Interview 3b, September 2014, Z. 336–342; Interview 5a, Mai 2014, Z. 412–416; Interview 15a, Mai 2014, Z. 24–25; Interview 19a, Mai 2014, Z. 142; Interview 27b, September 2014, Z. 280–283; Interview 15b, September 2014, Z. 483–486. 758 Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 143–147. 759 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 51–54; 61–66. 760 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 416–428; Interview 25a, Mai 2014, Z. 318–320. 761 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 208–228. 762 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 92–94. 763 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 65–71; Interview 6b, September 2014, Z. 627–647; Interview 29b, September 2014, Z. 351–359; 385–387. 764 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 249–254; 258–267; Interview 23b, September 2014, Z. 234–366. 765 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 259–261; 263–266; 250–256; Interview 27b, September 2014, Z. 287ff; 291–301; Interview 4b, September 2014, Z. 470–476; 490–495. 766 Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 357–361. 767 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 259–261; 263–266; 250–256. 768 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 92–104; Interview 6b, September 2014, Z. 611–613.
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Hilfe bei der Bewältigung und Verarbeitung von belastenden Erfahrungen bekommen können.769 Interpretation Subkategorie 4: Themenwünsche Die Interviewte_2 scheint sich der Problematik bewusst zu sein, dass in der Realität der Berufsausübung misshandelten Kindern vielfach erst dann Aufmerksamkeit zukommt, wenn diese einen langen Leidensweg hinter sich haben und die seelischen und körperlichen Verletzungen möglicherweise bereits irreversibel sind. Ebenso scheint sie zu wissen, dass Misshandlungen oft erst spät ans Licht kommen und ohne fundierte Kenntnisse für den Laien schwer erkennbar sind. Diesem Umstand gegenüber empfindet sie offenbar Unsicherheit. Dem Interesse an diesem Thema scheint daher der Wunsch nach Handlungsfähigkeit und Verhaltenssicherheit in der beruflichen Begegnung mit potenziell gefährdeten Kindern zugrunde zu liegen. Der Wunsch nach der unterrichtlichen Auseinandersetzung mit dem Auftreten und dem Erscheinungsbild der Polizei in der Öffentlichkeit lässt vermuten, dass die beiden Proband_innen in der beruflichen Praxis bei den Bürger_innen einen möglichst guten Eindruck hinterlassen wollen. Dahinter könnte das Bewusstsein stehen, dass die Polizei zumindest bei Teilen der Bevölkerung kein besonders hohes Ansehen genießt. Dass diese Einbußen im Ansehen möglicherweise nicht ganz unverschuldet sind, spiegelt sich mutmaßlich im Themenwunsch des Interviewten_25, der sich mit seinen eigenen Vorurteilen auseinandersetzen möchte. Als Zielvorstellung hinter dem Themenwunsch könnte die Idee stehen, durch eine Behandlung dieses Themas der Entstehung eigener Vorurteile auf die Spur zu kommen und Strategien zu entwickeln, um diese abbauen zu können. Auch könnte sich dahinter der Wunsch verbergen, eine professionelle Haltung zeigen zu können, selbst wenn sich Vorurteile in den Vordergrund zu drängen drohen. Hinter dem Themenwunsch der Handlungsspielräume von Polizist_innen, den er in der zweiten Interviewreihe formuliert, lassen sich Erfahrungen der Unsicherheit in Bezug auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten und -befugnisse im Verlauf des Praktikums vermuten. Neben dem mutmaßlichen Wunsch, sich den Bürger_innen gegenüber korrekt und gerecht zu verhalten, ist es ihm möglicherweise auch ein Anliegen, durch das Erlangen von Verhaltenssicherheit zu einem sicheren und selbstbewussten 769 Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 296–302; Interview 3b, September 2014, Z. 344–345; Interview 4b, September 2014, Z. 488–489; Interview 21a, Mai 2014, Z. 387–396; 104–109; Interview 22a, Mai 2014, Z. 221–230; Interview 4a, Mai 2014, Z. 64–72; Interview 2b, September 2014, Z. 309–315; Interview 14b, September 2014, Z. 307–311; Interview 23a, Mai 2014, Z. 30–39; Interview 6a, Mai 2014, Z. 83–92; Interview 27b, September 2014, Z. 488–493; Interview 8b, September 2014, Z. 408–422.
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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Auftreten zu gelangen. Zudem scheint für ihn von Bedeutung zu sein, die ihm begegnenden Situationen schnell in den Griff zu bekommen. Hinter dem Bedürfnis des Probanden, sich mit seinen Mitschüler_innen über Fragen der Arbeitsmoral sowie der Motivation bezüglich der Berufswahl austauschen zu wollen, könnten persönliche Zweifel stehen, sich dauerhaft für den Polizeiberuf begeistern zu können. Daher ist es ihm ein Anliegen, die Motivationen seiner Mitschüler_innen und damit einhergehend ihre Vorstellungen vom Polizeiberuf zu erfahren. Daraus erhofft er sich möglicherweise, die eigene Einschätzung des Berufs einer Überprüfung und eventuell einer Korrektur unterziehen zu können. Vielleicht erwartet er auch, aus den Motivationen der anderen eine eigene tragfähige Motivation für sich selbst konstruieren zu können und seiner zukünftigen Tätigkeit einen nachhaltigen persönlichen Sinn zu verleihen. Aussagen bezüglich des Themenwunschs »Verhalten der Polizeibeamt_innen untereinander« sind ausschließlich in der zweiten Interviewreihe zu finden. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die betreffenden Polizeischüler_innen in der Praxisphase negative Erfahrungen im Umgang der Kolleg_innen untereinander gemacht haben. Möglicherweise haben sie Kolleg_innen erlebt, die sich als wenig teamfähig erwiesen haben, oder sind Zeugen misslingender Teamarbeit geworden. In der Praxisphase scheint die Begegnung mit Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen und Religionen von den Proband_innen als Herausforderung des Polizeiberufs erkannt worden zu sein. Alle Aussagen zu diesem Thema stammen aus der zweiten Interviewreihe. Offenbar fühlen sich die angehenden Polizist_innen im Umgang mit diesen Menschen vielfach nicht sicher und wollen durch die Behandlung des Themas im Unterricht Verhaltenssicherheit erwerben. Die Polizeischüler_innen sprechen u. E. hier in der Tat ein Themenfeld an, das sich durch eine hohe Praxisrelevanz in Bezug auf den Polizeiberuf auszeichnet. Der Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen und anderer Religionszugehörigkeiten gehört zum Alltag von Polizeibeamt_innen. Dabei sind auch diese nicht davor gefeit, eigene (Vor)Urteile in ihre Arbeit hineinzutragen. Andererseits kann es durch mangelnde Kenntnis der begegnenden Kultur oder Religion zu Missverständnissen oder Unverständnis in Bezug auf die Verhaltensweisen und Einstellungen dieser Menschen kommen. Eine umfassende Beschäftigung mit den kulturellen Hintergründen und den religiösen Einstellungen der begegnenden Menschen kann einen gelingenden Umgang mit diesen fördern und bei den Polizeischüler_innen eine grundlegende Reflexionsbereitschaft wecken, die eine Basis für den vorurteilsfreien und offenen Umgang auch mit neuen, noch unvertrauten Kulturen darstellen kann. Der Themenwunsch »Umgang mit psychisch auffälligen Personen« wird ausschließlich in der zweiten Interviewreihe geäußert. Dahinter könnten konkrete Erfahrungen der betreffenden Proband_innen mit solchen Personen im
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Verlauf der Praxisphase stehen. Dabei sind sie möglicherweise auf Unsicherheiten gestoßen, die sie auf der Basis des im Psychologieunterricht angeeigneten Wissens nicht bewältigen konnten. Daher ist zu fragen, ob diesem Thema im Fach Psychologie grundsätzlich zu wenig Beachtung beigemessen wurde oder ob die Unsicherheiten im Umgang mit psychisch auffälligen Personen sich auf besonderes schwierige Fälle in den konkreten Praxissituationen beziehen, die im Zuge einer Einzelfallbesprechung aufgearbeitet werden könnten. In Abhängigkeit davon ist die Frage zu beantworten, ob die Notwendigkeit besteht, dieses Thema im Berufsethikunterricht gesondert aufzugreifen, oder ob die entsprechende Aufarbeitung an den Psychologieunterricht verwiesen werden kann. Es ist in Erwägung zu ziehen, ob der Umgang und die Gesprächsführung mit psychisch auffälligen Personen vermehrt Eingang in das situative Handlungstraining an den Polizeischulen finden und gleichzeitig im Psychologie- und Berufsethikunterricht vertieft werden sollte. Auf diese Weise könnte den Schüler_innen die Möglichkeit eröffnet werden, entsprechende Situationen und ihr eigenes Handeln aus verschiedenen Blickwinkeln zu reflektieren. Zwei Proband_innen äußern, gern eine Stütze für die Bürger_innen sein zu wollen, und stellen in diesem Zusammenhang einen Themenwunsch an den Berufsethikunterricht. Dies könnte ein Hinweis sein, dass sie sich in der Praxisphase in Situationen wiedergefunden haben, in denen sie sich gegenüber den Bedürfnissen der Bürger_innen hilflos fühlten. Der Interviewte_6 benennt explizit eine Situation, in der er sich hilflos gegenüber trauernden Angehörigen fühlte. Eine ähnliche Situation lässt sich hinter den Aussagen des Befragten_29 vermuten. Die jungen Polizeianwärter_innen verfügen noch über wenig Berufs- und Lebenserfahrung, auf die sie im Umgang mit Personen zurückgreifen können. Auch die Lebenslagen und Probleme, angesichts derer Bürger_innen die Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen müssen, sind ihnen sicher vielfach noch wenig vertraut. Da es hier aber um ein wesentliches Aufgabengebiet des Polizeiberufs geht, ist eine unterrichtliche Behandlung der unterschiedlichen Lebens- und Problemlagen, mit denen Polizist_innen in der Ausübung ihres Berufs konfrontiert werden, von entscheidender Bedeutung. Zwar kann der Unterricht kaum umfassend auf die Vielfalt der möglichen begegnenden Situationen vorbereiten, doch er kann den Schüler_innen Hilfen vermitteln, um mit ihrer eigenen Hilflosigkeit umzugehen und auch bei Unsicherheiten professionell und sicher aufzutreten. In diesem Zusammenhang ist es auch von Bedeutung, den angehenden Polizist_innen zu versichern, dass Unsicherheiten und Gefühle der Hilflosigkeit für Berufsanfänger nichts Ungewöhnliches sind und keinen Grund darstellen, die eigene Befähigung zur Ausübung des Berufs in Zweifel zu ziehen. Gleichzeitig kann ihnen Mut gemacht werden, sich selbst in solchen Fällen Hilfe
Makrokategorie II – Berufsethikunterricht
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und Rat bei dienstälteren Kolleg_innen zu holen, ohne dabei zu befürchten, dass die eigene Kompetenz in Frage gestellt wird. Der Umgang mit alkoholisierten Personen stellt in diesem Zusammenhang eine Situation dar, der Polizist_innen besonders häufig ausgesetzt sind. Nicht alle der angehenden Polizist_innen verfügen über Erfahrungen mit solchen Personen aus dem privaten Umfeld. Daher ist der Umgang mit dieser Personengruppe in jedem Fall eigens zu thematisieren, um den Schüler_innen diesbezüglich Verhaltenssicherheit zu vermitteln. Der Wunsch, das Thema »Umgang mit belastenden Situationen« im Berufsethikunterricht zu behandeln, wird von den Proband_innen in beiden Interviewreihen geäußert. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass ihnen bereits vor der ersten Praxisphase sehr bewusst ist, dass die Ausübung des Polizeiberufs sie immer wieder in Situationen führen kann, die unter Umständen nicht leicht zu verarbeiten sind. Möglicherweise besteht bei einigen die Angst, an der Verarbeitung zu scheitern und sich im schlimmsten Fall dadurch als für den Polizeiberuf nicht geeignet zu erweisen. Die Erlebnisse in der Praxisphase scheinen die Einschätzung der Proband_innen bestätigt zu haben, dass das Erlangen tragfähiger Bewältigungsstrategien unabdingbar ist, um im Beruf bestehen zu können. Interessant ist in diesem Zusammenhang zweierlei: einerseits, dass die Schüler_innen angeben, das Thema im Psychologieunterricht behandelt zu haben, und andererseits, dass sie explizit wünschen, der Berufsethikunterricht möge sich der Frage nach dem Umgang mit belastenden Situationen annehmen. Daher ist zu fragen, welche Inhalte den Polizeischüler_innen im Psychologieunterricht gefehlt haben und welche erweiterten Erkenntnisse sie sich vom Berufsethikunterricht erhoffen. Zu fragen ist außerdem, inwieweit die Person der Lehrkraft im Fach Berufsethik in ihrer Eigenschaft als Seelsorger_in für die Schüler_innen in besonderer Weise geeignet erscheint, dieses Thema zu vertiefen. In jedem Fall ist der Berufsethikunterricht u. E. der Ort, an dem das Thema der »Bewältigung belastender Situationen« unbedingt behandelt werden muss. Aufgabe der Lehrkraft sollte hier auch sein, sich selbst als Ansprechpartner bei Problemen und belastenden Erfahrungen anzubieten. Dazu ist es freilich notwendig, ein Vertrauensverhältnis zu den Schüler_innen aufzubauen. Die Aussagen der Proband_innen legen die Annahme nahe, dass die überwiegende Zahl der befragten Personen bisher nur selten oder noch nie in Kontakt mit Verstorbenen gekommen ist. Entsprechend ist auch der Umgang mit einer solchen Situation unvertraut und mit Unsicherheiten behaftet und stellt eine große Herausforderung für die jungen Polizist_innen dar. Zum einen müssen die eigenen Gefühle angesichts der Begegnung mit dem Tod wahrgenommen, eingeordnet und verarbeitet werden. Zum anderen ist von Polizeibeamt_innen ein professioneller Umgang mit den Gefühlen der trauernden
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Angehörigen und möglicher Zeug_innen gefordert. Hierzu müssen die Polizeischüler_innen befähigt werden. Es ist auch zu bedenken, dass eine Konfrontation mit einem besonders schweren Todesfall oder der Anblick einer entstellten Leiche für die Polizeischüler_innen ein traumatisches Erlebnis sein kann. An dieses Bewusstsein knüpfen sich vielleicht Befürchtungen der angehenden Polizist_innen, ein solches Erlebnis nicht verarbeiten zu können und im Zuge dessen als für den Beruf ungeeignet befunden zu werden. Die Behandlung des Themas »Umgang mit dem Tod« bereits vor der ersten Praxisphase könnte diesen Befürchtungen entgegenwirken und zu einem Zugewinn an Verhaltenssicherheit im Umgang mit Todesfällen führen. Dabei gilt es auch, den Schüler_innen Mut zu machen, ihre Gefühle in der beruflichen Praxis zu thematisieren und sich Gesprächspartner_innen zu suchen, die bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse eine Hilfe sein können. Dadurch kann verhindert werden, dass die Schüler_innen ihre Probleme, Ängste und Sorgen verdrängen oder in sich hineinfressen, was die seelische Gesundheit der angehenden Polizist_innen nachhaltig gefährden kann. Auf diese Weise kann der Unterricht einen maßgeblichen Beitrag zur gesundheitlichen Prävention leisten.
15.4 Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf Die Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf beschäftigt sich mit den Aussagen der Polizeischüler_innen, die ihr persönliches Bild von Polizist_innen und dem Polizeiberuf betreffen. Dabei geht es sowohl um allgemeine Vorstellungen den Polizeiberuf betreffend als auch um konkrete persönliche Ansprüche an die eigene Person. In den Äußerungen der Proband_innen kommen außerdem ihre Ängste und Befürchtungen in Bezug auf die Berufspraxis sowie ihre Hoffnungen und Wünsche zur Sprache. Sie formulieren konkrete Vorstellungen von Eigenschaften, über die eine Person in Ausübung des Polizeiberufs verfügen muss, und setzen sich selbst zu diesen ins Verhältnis. Dabei kommen Aussagen zustande, die das Spektrum von Zuversicht, den Herausforderungen des Polizeialltages gewachsen zu sein, bis hin zu Zweifeln an der Berufswahl widerspiegeln. Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf der Einschätzung der Frage, inwieweit sich der Polizeiberuf auf das Privatleben der angehenden Polizist_innen auswirken wird. Beispielhaft steht hierfür die Angst, dass die Rolle des Polizisten, der Polizistin in einer Weise auf das Privatleben übergreifen könnte, dass Privatheit nicht mehr möglich ist und die private Identität dauerhaft durch die berufliche überlagert wird.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Des Weiteren beschäftigt die angehenden Polizist_innen die Frage, wie sie in der Berufsausübung von Bürger_innen wahrgenommen werden und ob es ihnen gelingen kann, sich bei diesen den nötigen Respekt zu verschaffen und sich durchzusetzen. Insgesamt spiegelt sich in den in dieser Makrokategorie gesammelten Aussagen eine Reflexion der Polizeischüler_innen über ihre Berufswahl.
15.4.1 Subkategorie 1: Privatheit und private Interessen Der Interviewte_3 gibt an, ernsthafte Probleme mit dem Arbeitsrhythmus in der Praxisphase gehabt zu haben. Vor allem die Nachtschichten haben ihn an seine körperlichen Grenzen gebracht.770 Er habe den Schlaf am Tag nachzuholen versucht, was er aber als Beeinträchtigung seines sonst gewohnten Tagesablaufs empfunden habe.771 Gegen Ende des Praktikums habe er festgestellt, dass Sport für ihn ein guter Ausgleich sei.772 Vor der ersten Praxisphase benennt der Interviewte_4 die Angst, dass das Verhalten bestimmter Personengruppen sich negativ auf seine eigene Persönlichkeit auswirken könne. Er fürchte sich beispielsweise davor, dass aggressives Verhalten von ihm begegnenden Personen dauerhaft auf ihn selbst abfärben könnte.773 Nach der Praxisphase gibt er jedoch an, dass sich diese Angst nicht bestätigt habe. Außerdem habe sich gezeigt, dass er im privaten Rahmen nicht als Polizist erkannt worden und auf diese Weise eine Trennung zwischen Beruf und Privatleben geglückt sei.774 Der Interviewte_8 fürchtet sich vor einer Situation, in der er »[…] ausm FAMilienkreis jemand ähm irgendwo rausziehn muss oder was weiß ich dass man vielleicht zu nem unfall hinkommt und da liegt plötzlich (.) der onkel drin oder so was (.) gabs au schon alles[.]«775
Als Hintergrund dieser Angst gibt er an, Familienmitglieder mit Alkoholproblemen zu haben776, weshalb das Eintreten einer solchen Situation ihm nicht als völlig abwegig erscheine. Der Befragte_8 spricht außerdem davon, sich »zweigeteilt« zu fühlen777, da er mit der Wahl des Polizeiberufs dem Vorbild eines Teils 770 771 772 773 774 775 776 777
Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 113–114. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 258–268. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 286–290. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 205–209. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 356–365. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171–175. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 175–180. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 185.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
seiner Familie folge, während andere Familienmitglieder eher dazu neigen, mit Gesetzeshütern in Konflikt zu geraten.778 Die Interviewte_23 berichtet von einem Einsatz, an dem ein Familienangehöriger beteiligt gewesen sei.779 Es habe sie beruhigt, dass ihr von Kolleg_innen versichert worden sei, dass sie persönlich nicht mit dem Fall in Verbindung gebracht werde.780 Eine strikte Trennung zwischen privatem und beruflichem Bereich nimmt die Interviewte_11 vor. Sie gibt an, mit ihrem Praxisanleiter zwar mehr Zeit verbracht zu haben als »[…] mit seinem EIgenen […] PArtner zu Hause […]«781, private Gespräche mit emotionalen Inhalt habe sie mit diesem jedoch vermieden. Sie begründet dies damit, dass es sich bei ihrem Anleiter um einen Mann gehandelt habe. Mit einer Kollegin innerhalb der Schicht habe sie demgegenüber auch über Privates gesprochen.782 Der Interviewte_15 hingegen beschreibt, dass Polizist_innen immer Polizist_innen seien, so dass eine strikte Trennung von privater und beruflicher Identität nicht möglich sei. Auch im privaten Umfeld finde sozusagen eine Fusion zwischen Privatmensch und Polizist statt.783 Dabei spiele auch das Gewissen eine Rolle, denn seine Handlungen müsse er sowohl vor sich selbst, entsprechend der Grundlage seiner (privaten) Vorstellungen, als auch im Hinblick auf die Repräsentation von Gesetzen und Regeln rechtfertigen können, das heißt im Einklang mit den Vorgaben der Institution Polizei.784 Eine Beeinflussung seines Privatlebens durch den Beruf sieht er auch darin, dass seine Familie sich um ihn sorge, wenn er im Dienst sei.785
Zusammenfassung Subkategorie 1: Privatheit und private Interessen Insgesamt äußern sich sieben Interviewte zu dem Thema »Privatheit und private Interessen«. Dabei werden verschiedene Bereiche thematisiert, in denen die Polizeischüler_innen einen Einfluss ihrer beruflichen Tätigkeit auf ihr Privatleben erleben oder befürchten. So berichtet ein Interviewter, dass sein gewohnter privater Tagesablauf sich der Schichtstruktur innerhalb des Polizeiberufs habe anpassen müssen.786 Ein 778 779 780 781 782 783 784 785 786
Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 180–192. Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 101–103. Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 116–118; 120–125. Interview 11b, September 2014, Z. 363–364. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 359–379. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 114–115. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 121–132. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 186–190. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 113–119; 271–280; 286–290.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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weiterer Interviewter beobachtet, dass seine Familie sich aufgrund seines Berufs um ihn sorgt.787 Die Sorge eines anderen Interviewten ist, dass das Verhalten seines polizeilichen Gegenübers sich negativ auf die eigene Persönlichkeit auswirken könne.788 Zwei Interviewte thematisieren Begegnungen mit Familienmitgliedern während eines Einsatzes. Die Befürchtungen der Proband_innen haben die Angst vor einer Bloßstellung durch das Verhalten von im Dienst begegnenden Familienangehörigen und vor der damit verbundenen Beschämung zum Gegenstand.789 Ein Interviewter gibt an, dass Einsätze leichter zu bearbeiten seien, wenn die Beteiligten fremd seien.790 Zwei Interviewte thematisieren eine strikte Trennung zwischen beruflichen und privaten Angelegenheiten. Dabei geht es bei einer Interviewten um die Tabuisierung privater Themen im Umgang mit ihrem männlichen Anleiter. Der zweite Interviewte spricht von der Unmöglichkeit, eine solche Trennung aufrecht zu erhalten, da eine Verschmelzung der Privatperson mit der Rolle des Polizisten, der Polizistin dauerhaft nicht zu vermeiden sei.791
Interpretation Subkategorie 1: Privatheit und private Interessen Für den Polizeiberuf gilt, was für viele andere Berufsgruppen ebenfalls gilt: Es ist wichtig, den privaten vom beruflichen Bereich getrennt zu halten, um das Privatleben als geschützten Rückzugsort bewahren zu können. Eine Einflussnahme des beruflichen Bereichs auf den privaten vollkommen auszuschließen, ist freilich utopisch, wie sich in den Interviews zeigt. Ein Beispiel für eine solche unvermeidbare Einflussnahme sind die Aussagen des Interviewten_3, der davon berichtet, wie er seinen Tagesrhythmus dem Schichtdienst anpassen musste. Die Angst vor einer weiteren, nicht steuerbaren Einflussnahme des beruflichen Lebens auf das Private zeigt sich in der Aussage des Interviewten_4, der befürchtet, dass aggressives Verhalten des polizeilichen Gegenübers auf die eigene Person abfärben könne. Hinter dieser konkreten Angst lässt sich eine allgemeinere vermuten: Durch die Berufsausübung und den damit einhergehenden Kontakt mit Menschen, die unerwünschte Verhaltensweisen an den Tag legen, könnten sich die Polizeibeamt_innen schleichend zum Negativen hin verändern. 787 Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 186–190. 788 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 205–209; Interview 4b, September 2014, Z. 356–365. 789 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171–180; Interview 23b, September 2014, Z. 101–103; 116–118; 120–125. 790 Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 202–207; Interview 22b, September 2014, Z. 518–523. 791 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 359–379; Interview 15b, September 2014, Z. 177–187; 259–262.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Die Aussagen der Interviewten belegen, dass das unvermittelte Eindringen des privaten Bereichs in den beruflichen als schmerzhaft und beschämend empfunden wird. Darauf verweisen Erzählungen der interviewten Polizeischüler_innen, die von Begegnungen mit aus dem privaten Umfeld bekannten Personen oder Familienmitgliedern im Zusammenhang mit polizeilichen Einsätzen berichten. Die Beschämung ging bei einigen Interviewten so weit, dass sie sich von den betreffenden Familienmitgliedern oder anderen ihnen bekannten Personen distanzierten. Darüber hinaus kann durch die persönliche Betroffenheit in einem solchen Fall auch die professionelle Haltung der Polizeibeamt_innen in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Interviewten geben zu bedenken, dass die Begegnung mit einem Bekannten oder gar einem Familienmitglied im Rahmen eines Einsatzes die Konzentration auf die einzelnen Arbeitsschritte erschwert und dazu führen kann, dass der Beamte, die Beamtin nicht mehr richtig »funktioniert«. Dahinter steht möglicherweise auch ein Rollenkonflikt, bei dem – ausgelöst durch die unvermittelte Begegnung mit Personen aus dem privaten Umfeld – die professionelle Rolle des Polizisten, der Polizistin nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, da sie durch die bisher gewohnte Rolle der bekannten Person gegenüber überlagert und gestört wird. Als praktikable Möglichkeit, solche Situationen zu vermeiden, werden in den Interviews interne Absprachen genannt, nach denen Einsätze mit bekannten Personen oder Familienmitgliedern an andere Kolleg_innen abgegeben werden können. Die Problematisierung der Vermischung des privaten und beruflichen Bereichs in den Interviews zeigt, dass die angehenden Polizeibeamt_innen den Bedarf haben, Strategien zu entwickeln, um diese Trennung sinnvoll vollziehen und aufrechterhalten zu können. Eine Thematisierung dieses Problems innerhalb des Berufsethikunterrichts erscheint daher sinnvoll. Hier könnten Strategien erarbeitet werden, mit der unvermeidlichen Einflussnahme der beruflichen Tätigkeit auf das Privatleben umzugehen und sich vor unerwünschten Folgen dieser Einflussnahme zu schützen. Gleichzeitig muss dabei thematisiert werden, wie mit möglichen Differenzen zwischen eigenen und institutionell vorgegebenen Vorstellungen, Meinungen und Haltungen umgegangen werden kann.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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15.4.2 Subkategorie 2: Charakter Eigenschaften Der Interviewte_3 erhofft sich, während des Praktikums in seiner Funktion als Polizist Menschen helfen zu können.792 Der Interviewte_7 charakterisiert sich selbst als einen Menschen, der »[…] schwer zu schocken […]«793 und daher nur in Extremfällen auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sei.794 Die Interviewte_14 berichtet, in ihrem Praktikum »genervte« Reaktionen einiger Kolleg_innen auf bestimmte Situationen beobachtet zu haben. Infolge dessen hätten sich diese unangemessen gegenüber Bürger_innen verhalten.795 Dies könne sie zwar in gewisser Weise verstehen, »[…] aBER trotzdem will ichs nich so machen[.]«796 Der Interviewte_21 gibt an, dass Polizist_innen einem gewissen Typus entsprächen, dessen hervorstechendste Eigenschaften Stressresistenz und Belastbarkeit seien. Er selbst fühle sich diesem Typus zugehörig.797 Charakterfestigkeit als für diesen Beruf relevante Eigenschaft wird durch den Interviewten_22 thematisiert.798 Für die Interviewten _18 und _25 steht im Hinblick auf den Umgang mit Menschen799 »[…] menschlichkeit […] im vordergrund […]«800. Als weitere für den Polizeiberuf notwendige Charaktereigenschaften führt der Interviewte_28 Geduld und Furchtlosigkeit an.801 Gewissen Die Interviewten_5 und _15 sehen in polizeilichen Aufgaben, an denen Freund_innen der Beamt_innen beteiligt seien, ein Potenzial für Gewissenskonflikte. Als Beispiele werden Strafanzeigen oder Alkoholkontrollen genannt.802 Ihr Handeln in solchen Situationen müssen Polizist_innen sowohl mit sich selbst als auch mit den Vorgaben des Gesetzgebers vereinbaren können, so die Interviewten_15 und _16.803 Der Interviewte_22 berichtet von einem Verhör 792 793 794 795 796 797 798 799 800 801 802 803
Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 131–135. Interview 7a, Mai 2014, Z. 129. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 128–132. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 194–212. Interview 14b, September 2014, Z. 213–214. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 235–238; 320–331. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 209–210; 212–214. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 63–64; Interview 25a, Mai 2014, Z. 344–347; 353–358. Interview 25a, Mai 2014, Z. 340–341. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 498–515. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 254–258; Interview 15a, Mai 2014, Z. 57–61. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 123–132; Interview 16a, Mai 2014, Z. 131–148.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
eines Freundes im Verlauf des Praktikums. Der geforderte professionelle Umgang mit dieser Person sei für ihn aufgrund der fehlenden Distanz schwierig gewesen.804 Zivilcourage Das Thema Zivilcourage wird lediglich in einem Interview als Eigenschaft anderer Akteur_innen angesprochen. Dabei greift die Interviewte_2 auf ein Erlebnis in ihrer Tätigkeit als Rettungssanitäterin zurück, bei dem zwei Mädchen sich für einen verprügelten Mann eingesetzt hatten.805 Zusammenfassung Subkategorie 2: Charakter Die Interviewten nennen verschiedenen Eigenschaften, über die man als Polizist_in ihrer Meinung nach verfügen müsse. In diesem Zusammenhang werden Hilfsbereitschaft, Unvoreingenommenheit und Wohlwollen gegenüber den Bürger_innen806 ebenso genannt wie Stressresistenz807, psychische Stabilität808, Menschlichkeit809, Geduld und Furchtlosigkeit810. Drei der Befragten geben an, dass eine Alkoholkontrolle, ein Verhör oder eine Strafanzeige sie in Gewissenskonflikte bringen könne, wenn ein Freund, eine Freundin davon betroffen sei.811 Ein Polizeischüler berichtet von einem solchen Fall in seinem Praktikum.812 Zwei Interviewte äußern die Ansicht, dass jede Entscheidung im Dienst nicht nur vor der eigenen Person, sondern auch vor dem Gesetz zu rechtfertigen sein müsse.813 Zivilcourage wird lediglich in einem Interview als Beispiel und wünschenswertes Erlebnis genannt.814 Interpretation Subkategorie 2: Charakter Für den Interviewten_3 scheint Hilfsbereitschaft ein Motiv für die Ausübung des Polizeiberufs zu sein, wobei unklar bleibt, ob er diese Eigenschaft aus bloßem 804 805 806 807 808 809 810 811
Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 553–558; 541–545. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 123–130. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 131–135; Interview 14b, September 2014, Z. 194–214. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 235–238; 326–329. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 209–210; 212–214. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 340–341; 344–347; 352–358; 362–372. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 398–415. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 254–258; Interview 15a, Mai 2014, Z. 56–61; Interview 16a, Mai 2014, Z. 131–148. 812 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 553–558; 541–545. 813 Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 123–132; Interview 16a, Mai 2014, Z. 138–148. 814 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 120–133.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Altruismus heraus betont, oder ob er durch seinen Einsatz für andere persönliche Anerkennung zu erlangen hofft. Die Interviewte_2 spricht ebenfalls von Hilfsbereitschaft, bezieht diese Eigenschaft aber nicht primär auf die Polizeibeamt_innen, sondern fordert sie vielmehr von den Bürger_innen. Sie erwartet von ihnen Zivilcourage im Einsatz für ihre Mitbürger_innen sowie in der Unterstützung von Polizist_innen bei der Ausübung ihrer Pflichten. Die Interviewten scheinen ihrem Bild von Polizist_innen einen bestimmten Menschentypus zugrunde zu legen, der sich aus den Eigenschaften, die den Beamt_innen zugeschrieben werden, ablesen lässt. Eigenschaften wie Schmerztoleranz und Belastbarkeit verweisen auf eine durchaus realistische Einschätzung der Anforderungen des Polizeiberufs. Polizist_innen werden vielfach mit den Schattenseiten des Lebens konfrontiert und müssen schmerzhafte und belastende Situationen bewältigen und verarbeiten können. Sie müssen stets souverän mit den ihnen begegnenden Situationen umgehen und können sich keine Schwächen leisten. In ähnlicher Weise umschreiben die genannten Eigenschaften Stressresistenz, psychische Stabilität, Geduld und Furchtlosigkeit ein Bild von Polizist_innen, das keine Schwächen zuzulassen scheint. Einen neuen Aspekt bringt der Interviewte_25 zur Sprache, indem er als eine Eigenschaft von Polizist_innen Menschlichkeit nennt. Diese Eigenschaft beinhaltet, dass die Beamt_innen sich durchaus von den ihnen begegnenden Situationen berühren lassen dürfen und müssen, was jedoch auch die Möglichkeit der Verletzung der eigenen Person mit sich bringt. Insgesamt entstehen zwei zunächst gegensätzlich erscheinende Bilder : Auf der einen Seite werden Polizeibeamt_innen als stark und belastbar vorgestellt, ihnen werden also Eigenschaften zugeschrieben, die notwendig sind, um mit einem oft aggressiven und schwierigen Umfeld arbeiten zu können. Auf der anderen Seite wird das Bild vom »Freund und Helfer« entworfen, das sich durch Menschlichkeit und Selbstbeherrschung auszeichnet. Hier eröffnen sich zwei Rollenvorstellungen, die es in der Praxis zu vereinen gilt. Einen Gewissenskonflikt befürchten die Polizeischüler_innen, wenn sie ihren dienstlichen Verpflichtungen gegenüber Freund_innen nachkommen müssen. Hier trifft in einer von den Auszubildenden als unangenehm empfundenen Weise die private Rolle auf die berufliche, indem die subjektiv empfundene Verpflichtung dem Freund, der Freundin gegenüber mit der Verpflichtung dem Dienstherren und dem Gesetzgeber gegenüber kollidiert. Auffällig ist, dass die Interviewten für derartige Situationen keine konkreten Lösungsvorschläge machen. Es scheint der Bedarf zu bestehen, solche Rollen- und damit einhergehende Gewissenskonflikte zu bearbeiten. Aus den Aussagen der Polizeischüler_innen lassen sich Anforderungen an
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
den Unterricht an Polizeischulen erkennen, die auch den Berufsethikunterricht in die Pflicht nehmen. Die Vielfalt der Charaktereigenschaften, die Polizist_innen zugeschrieben werden, zeigt, dass die Auszubildenden ein konkretes Bild von Polizist_innen haben, das sie als Anforderung an die eigene Person in Ausübung des von ihnen angestrebten Berufs verstehen. Diese Anforderungen, so zeigen die Aussagen der Interviewten, sind zuweilen sehr hoch. Im Unterricht muss es daher darum gehen, die Vorstellungen der angehenden Polizist_innen wertfrei aufzunehmen und zu einem realistischen Bild von Polizist_innen zu verbinden, an dem sich die Polizeischüler_innen orientieren können, ohne die eigene Person zu überfordern.
15.4.3 Subkategorie 3: Persönlichkeit und professioneller Beruf Allgemein Der Interviewte_5 gibt an, dass er von Polizist_innen in jeder Situation Höflichkeit erwarte. Zwar räumt er ein, dass es in manchen Situationen des Polizeiberufs schwer sei, den Geboten der Höflichkeit nachzukommen, dennoch erwarte er von Polizist_innen zumindest ein angemessenes Verhalten.815 Diese Erwartungen habe er selbst in der Praxisphase zu erfüllen versucht.816 Nach der Praxisphase berichtet er, dass sich für ihn mit der Fahrt im Streifenwagen ein Kindheitstraum erfüllt habe.817 Der Interviewte_8 beschreibt, dass er dem Praktikum mit der Haltung entgegensehe: »ich hab gsagt was kommt des kommt[.]«818 Diese Einstellung habe ihn vor Überraschungen bewahrt.819 Innerhalb des Polizeialltags möchte die Interviewte_16 so auftreten, dass sie stets »[…] selbstbewusst rüber kommt[.]«820
Respekt und Ernstgenommenwerden Die Interviewten_1 und _10 fragen sich vor dem ersten Praktikum, ob sie vor allem von Jugendlichen und älteren Männern ernstgenommen werden.821 Die Interviewte_1 gibt an, sich in einer entsprechenden Situation auf die Unter815 816 817 818 819 820 821
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 135–154. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 63–67. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 560–571. Interview 8b, September 2014, Z. 128. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 126–131; 141–145. Interview 16a, Mai 2014, Z. 213. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 82–84; 96–99; Interview 10a, Mai 2014, Z. 120–123.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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stützung ihres Praxisanleiters zu verlassen. Sie wolle aber auch unabhängig von ihm als Respektsperson wahrgenommen werden. Ob die Uniform eine Hilfe sei, sich Respekt zu verschaffen, könne sie nicht beurteilen.822 Im Anschluss an das Praktikum fühlt sie sich hinsichtlich ihrer Bedenken in Bezug auf Respektlosigkeit von Jugendlichen bestätigt. Bei Erwachsenen hingegen habe sie sich Respekt verschaffen können, nur in manchen Situationen hätten sich Männer eher an ihren Praxisausbilder gewandt.823 Auch die interviewten Personen_4 und _7 hoffen, dass sie von den Bürger_innen als Polizisten anerkannt werden.824 Der Interviewte_5 berichtet, er habe im Praktikum von den Bürger_innen viel Respekt entgegengebracht bekommen.825 Der Befragte_9 äußert die Ansicht, dass das Tragen der Uniform dabei helfe, dass ihm Respekt entgegengebracht werde.826 Die Interviewte_14 beschreibt vor der Praxisphase ihre Angst, als Frau weniger ernst genommen zu werden, was sich im Praktikum bestätigt zu haben scheint.827 Verwundert zeigt sie sich darüber, dass vor allem Frauen sie nicht respektiert und sich auch über ihr junges Alter beschwert hätten.828 Auch die Interviewte_15 fragt sich vor dem Praktikum, ob sie als Polizist_in tatsächlich ernstgenommen werde.829 Nach dem Praktikum berichtet sie jedoch, dass lediglich ein gelegentlicher »[…] blöder Spruch […]«830 ihr gegenüber gefallen sei. Die Interviewten_17 und _21 hingegen machen sich darüber Gedanken, wie viel Respekt der Polizei im Allgemeinen entgegenbracht werde.831 Der Intervievte_22 setzt sich umgekehrt mit der Frage auseinander, ob es gelingen kann, allen Bürger_innen gleich viel Respekt entgegenzubringen. Im Rückblick auf das Praktikum resümiert er, dass ihm das nicht immer leicht gefallen sei.832 Außerdem sei es für ihn angesichts seines eigenen Alters im Praktikum schwerer gewesen, mit älteren Menschen umzugehen.833 Der Interviewte_25 sagt über den Berufsethiklehrer, dass er ihm keinen Respekt entgegen bringen könne, da er keine Uniform trage und einen religiösen Hintergrund habe.834
822 823 824 825 826 827 828 829 830 831 832 833 834
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 101–106; 113–114. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 193–203; 151–159. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 179–181; Interview 7a, Mai 2014, Z. 80–86; 89–96. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 33–39. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 47–49. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 129–131; 342–345. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 346–352. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 212–213. Interview 15b, September 2014, Z. 264. Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 97–104; Interview 21a, Mai 2014, Z. 278–283. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 483–488. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 427–431. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 182–185.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Durchsetzungsvermögen Die Interviewte_16 berichtet von einer Situation während des Praktikums, in der sie sich gegen ihren Praxisausbilder durchgesetzt habe.835 Sie ist, zusammen mit weiteren Befragten, der Ansicht, dass die angehenden Polizist_innen auch schon als Praktikant_innen souverän und überzeugend wirken sollten.836 Die Interviewte_19 erzählt, sie habe schwierige Situationen mit Bürger_innen im Praktikum so gehandhabt, dass sie Konsequenzen zwei Mal angedroht und beim dritten Mal umgesetzt habe.837
Arbeitsmoral Die Interviewte_2 ist vor dem Praktikum gespannt, wie motiviert die dienstälteren Kolleg_innen noch für ihren Beruf seien. Im Nachhinein erinnert sie sich vor allem an einen Kollegen, den sie als frustriert erlebt habe.838 Der Interviewte_3 gibt an, dass während des Berufsethikunterrichts die eigene Einstellung zur Polizei thematisiert worden sei. In diesem Zusammenhang hätte er gerne auch das Thema Arbeitsmoral angesprochen.839 Im Praktikum habe er festgestellt, dass er auf Alarmmeldungen mit der Einstellung reagiert habe, dass es sich vermutlich ohnehin nur um einen Fehlalarm handle. Diese Einstellung beurteilt er selbst im Nachhinein negativ.840 Außerdem formuliert er eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen in seiner Praxisstelle.841 Seiner Meinung nach sei es nötig, die Polizeibeamt_innen stärker zu motivieren.842 Der Interviewte_6 erzählt von den erlebten Nachtschichten in der Praxisphase. Wenn es keine Einsätze oder andere Aufgaben gegeben habe, habe er sich mit dem Datensystem des Reviers vertraut gemacht, sich mit Kolleg_innen ausgetauscht oder Berichte geschrieben. Er gibt zu, auch zuweilen Computerspiele gespielt zu haben, die er von einer anderen Praktikantin zugemailt bekommen habe. Im Gegensatz zu anderen Polizist_innen habe er aber nie geschlafen.843 Die Interviewte_15 gibt an, ihren Praxisausbilder als frustriert erlebt zu 835 Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 379–389. 836 Vgl. Interview 16a, Mai, Z. 246–256; Interview 19b, September 2014, Z. 319–321; 325–327; 329–331; Interview 22b, September 2014, Z. 434–439. 837 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 325–327; 329–333. 838 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 112–115. 839 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 75–78; 92–94. 840 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 120–126; 129–135; Vgl. dazu Makrokategorie I: Berufsethik und kommunikatives Handeln, Punkt 7.1. Arbeitsmoral/-einstellung. 841 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 354–362. 842 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 392–397. 843 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 303–306; 318–331; 367–382.
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haben. Als Grund vermutet sie, dass er schon über einen längeren Zeitraum hinweg nicht mehr befördert worden sei.844 Darunter habe offenbar seine Arbeitsmoral gelitten.845 Selbst- und Fremdwahrnehmung Drei Interviewte geben an, dass das Thema Selbst- und Fremdwahrnehmung im Berufsethikunterricht thematisiert worden sei.846 Der Interviewte_3 empfindet es als wichtig, gerade im Polizeiberuf zwischen beidem zu unterscheiden.847 Zusammenfassung Subkategorie 3: Persönlichkeit und professioneller Beruf Der Interviewte_5 erwartet von Polizist_innen Höflichkeit und angemessenes Verhalten. Indem er im Praktikum erstmals als Polizist in Uniform auftreten durfte, habe sich für ihn ein Kindheitstraum erfüllt.848 Der Interviewte_8 sieht in einer grundsätzlichen Offenheit für unbekannte und neue Situationen eine probate Vorbereitung auf das anstehende Praktikum.849 Die Interviewten sind der Meinung, dass Selbstbewusstsein eine unabdingbare Eigenschaft sei, wenn es darum gehe, sich Respekt zu verschaffen.850 Die Frage, inwieweit sie im Praktikum angesichts ihres jungen Alters und der begrenzten Erfahrung respektiert und ernst genommen würden, bewegt einige der angehenden Polizist_innen. Sechs Interviewte äußern in diesem Zusammenhang die Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden. Einige von ihnen berichten nach dem Praktikum von ihren diesbezüglichen Erfahrungen.851 Dass das Tragen der Polizeiuniform in einem engen Zusammenhang mit dem Respekt stehe, der den Beamt_innen entgegengebracht wird, findet sich in den Aussagen von zwei Interviewten. Der Interviewte_9 gibt zu bedenken, dass zumindest einigen Menschen die Uniform Respekt abnötige.852 Der Interviewte_25 stellt 844 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 339–352. 845 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 310–317. 846 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 5–6; 37–39; Interview 9a, Mai 2014, Z. 13–14; Interview 13a, Mai 2014, Z. 81–82. 847 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 439–445; 463–465. 848 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 130–138; 140–154; Interview 5b, September 2014, Z. 560–571; 62–70. 849 Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 126–131; 141–145. 850 Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 212–213; Interview 16b, September 2014, Z. 348–351. 851 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 81–84; 95–106; Interview 4a, Mai 2014, Z. 179–181; Interview 7a, Mai 2014, Z. 80–86; 89–96; Interview 10a, Mai 2014, Z. 120–123; Interview 14a, Mai 2014, Z. 129–131; Interview 15a, Mai 2014, Z. 212–215. 852 Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 46–57.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
eine Verknüpfung zwischen beidem her, indem er sagt, dass er dem Ethiklehrer keinen beziehungsweise wenig Respekt entgegen bringen könne, da dieser keine Uniform trage.853 Respektvoller Umgang im Allgemeinen wird von drei Interviewten thematisiert. Der Interviewte_13 freue sich über jegliche Art von respektvollem Umgang untereinander, während sich die Interviewten_17 und _21 davor fürchten, mit Respektlosigkeit von Seiten der Bürger_innen konfrontiert zu werden.854 Das Thema Durchsetzungsvermögen beschäftigt insgesamt drei Interviewte, darunter zwei Frauen. Sie berichten von den Durchsetzungsstrategien, die sie im Praktikum erprobt und sich angeeignet haben.855 Der Interviewte_3 beklagt, dass seiner Ansicht nach das Thema »Arbeitsmoral« im Berufsethikunterricht noch nicht ausreichend behandelt worden sei. In seinem Praktikum habe er in gewissen Situationen eingeschliffene Routinen festgestellt, die er kritisiert.856 Interpretation Subkategorie 3: Persönlichkeit und professioneller Beruf Der Interviewte_5 hat bestimmte Erwartungen an das Verhalten von Polizist_innen. Es kann gemutmaßt werden, dass er selbst negative Erlebnisse mit Polizeibeamt_innen gemacht hat oder aber solche ihm durch Dritte zugetragen wurden. Er scheint nun beweisen zu wollen, dass solche Erfahrungen beziehungsweise das mit ihnen verknüpfte negative Verhalten von Polizist_innen nicht die Regel seien. Möglicherweise will er das Bild von Polizist_innen »aufwerten« oder zumindest selbst positive Resonanz erfahren. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass er angibt, bereits als Kind vom Polizeiberuf geträumt zu haben. Bei den Aussagen der Interviewten_16 ist eine Diskrepanz zwischen ihren Erwartungen an sich selbst und an Polizist_innen allgemein und ihren Erfahrungen im Praktikum erkennbar. Sie gibt vor dem Praktikum an, dass Polizist_innen Selbstbewusstsein ausstrahlen müssten. Bei den Aussagen zum Thema »Respekt und Ernstgenommenwerden« verdient der Umstand Beachtung, dass unter den fünf Proband_innen, die sich dazu geäußert haben, vier Frauen zu finden sind. Im Zusammenhang mit diesem Thema wird die Angst formuliert, innerhalb des Praktikums nicht ernst genommen zu werden. Zu fragen ist, inwieweit es sich bei dieser Angst um eine geschlechtsspezifische handelt, indem Frauen sich gegenüber Bürger_innen in 853 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 181–198. 854 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 270–275; Interview 21a, Mai 2014, Z. 278–281. 855 Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 246–256; Interview 16b, September 2014, Z. 379–389; Interview 19b, September 2014, Z. 319–321; 325–327; 329–331; Interview 22b, September 2014, Z. 434–439. 856 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 438–446.
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einer schwächeren Position sehen als Männer, oder ob es diese Angst auf einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur basiert, die die Proband_innen an ihrer Durchsetzungsfähigkeit zweifeln lässt. Tatsache ist, dass nur eine der Interviewten explizit äußert, dass ihr Geschlecht bei der Interaktion mit Bürger_innen eine Rolle spielen könne. Ihre Aussagen spiegeln die Unsicherheit, ob sie als Frau ernst genommen werde. Sie scheint sich in einer Art Rollenkonflikt zu befinden, der sich zwischen den Rollen als Frau und als Polizistin abspielt. Ob sie selbst diesen Konflikt für sich wahrnimmt oder lediglich erlebt, dass die Umwelt beide Rollen nicht zusammenzudenken vermag, ist dabei nicht eindeutig zu bestimmen. Besonders enttäuscht zeigt sie sich darüber, dass auch ihre Geschlechtsgenossinnen sie in der Praxisphase weniger respektiert haben als ihre männlichen Kollegen. Keiner der männlichen Interviewten geht nach dem Praktikum noch einmal auf das Thema »Respekt und Ernstgenommenwerden« ein. Bei ihnen scheinen sich die Befürchtungen, nicht respektiert zu werden, im Praktikum nicht bewahrheitet zu haben. Möglicherweise wollen sie aber auch gegenteilige Erfahrungen nicht eingestehen. In jedem Fall scheint das Thema nach der Praxisphase für die männlichen Probanden keine so große Bedeutung zu haben, um in den Interviews Erwähnung zu finden. In zwei Interviews beschäftigen sich die Proband_innen mit der Frage, ob die vielfach angenommene Respektlosigkeit gegenüber der Polizei mit der Realität übereinstimme. Dabei wird des Weiteren der Zusammenhang zwischen der Polizeiuniform und dem den Beamt_innen entgegengebrachten Respekt thematisiert.857 Der Interviewte_9 ist der Ansicht, dass die Uniform zumindest bei einem Teil der Menschen durchaus respekteinflößend wirken kann, während andere davon unberührt blieben. Hinter dieser Beobachtung steht die Tatsache, dass das Bild von Polizist_innen von individuellen Erfahrungen mit der Institution Polizei sowie durch die Sozialisation im Elternhaus und Freundeskreis geprägt ist. In Abhängigkeit von diesen Erfahrungen und vom im privaten Umfeld erlernten Umgang mit den »Gesetzeshütern« ruft die Begegnung mit Polizist_innen bestimmte Konnotationen hervor, die die Basis für die eingenommene Haltung und den Respekt den Beamt_innen gegenüber bilden. Ein extremes Beispiel für die Wirkung der Uniform stellt die Aussage des Interviewten_27 dar, der angibt, dem Ethiklehrer nicht respektvoll entgegentreten zu können, da dieser keine Uniform trage. Eine solche Äußerung stimmt bedenklich, da der betreffende Polizeischüler schließlich in seinem Berufsalltag täglich auf nicht-uniformierte Menschen treffen wird, denen er mit Respekt 857 Vgl. dazu Makrokategorie I: Berufsethik und kommunikatives Handeln, Subkategorie »Innere Konflikte«, Mensch und Uniform.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
entgegentreten muss. Es kann im Zusammenhang des Interviews aber davon ausgegangen werden, dass sich die Aussage auf das ›Innerhalb‹ der Polizeischule bezieht. Hintergrund dieser Aussage könnte sein, dass dem Lehrer der wirkliche Einblick in den Berufsalltag und die Wirklichkeiten der Polizei abgesprochen und daher seine Kompetenz, angehende Polizist_innen zu unterrichten, angezweifelt wird. Wie sich in den Interviews zeigt, ist auch die Frage nach dem eigenen Durchsetzungsvermögen eine, die eher die weiblichen Proband_innen bewegt: Nur ein männlicher Interviewter spricht dieses Thema an, während zwei Frauen darüber sprechen. Dabei überwiegen Aussagen zu positiven Erlebnissen mit dem eigenen Durchsetzungsvermögen. Lediglich eine Interviewte berichtet von einer Situation, in der sie sich nicht durchsetzen konnte. Der Interviewte_3 reflektiert seine eigene Arbeitseinstellung während des Praktikums. Vermutlich hat er die Praxisphase dazu genutzt, seine Einstellungen auch im Hinblick auf seine Arbeitsmoral einer Überprüfung zu unterziehen. Dabei ist eine Ambivalenz erkennbar : Eigentlich möchte der Interviewte_3 jedem Einsatz mit der gebotenen Ernsthaftigkeit begegnen. Während der Praxisphase wird aber deutlich, dass er diese nicht immer aufbringen kann. Er bewertet sein Verhalten im Nachhinein als negativ. Für ihn ist außerdem die hohe Unzufriedenheit und die damit einhergehende geringe Motivation der Polizeibeamt_innen generell ein wichtiges Thema, das er mehrfach anspricht. Es ist ihm ein Anliegen, diese Motivation flächendeckend zu steigern. Vorschläge, wie dies gelingen könnte, macht er jedoch nicht. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung, so ergaben die Interviews, wurde als Unterrichtsthema im Fach Berufsethik behandelt. Jedoch gehen die Interviewten, abgesehen von zweien, nicht weiter auf dieses Thema ein. Interviewter_3 greift die Thematik auf, indem er den Wunsch äußert, sich in die Perspektive der Bürger_innen hineinzuversetzen um deren Bild von Polizist_innen zu verstehen. Dadurch würde in seinen Augen ein besseres Verständnis der Haltungen und Verhaltensweisen der Bürger_innen ermöglicht und der Umgang mit ihnen erleichtert. Auch die Interviewte_15 fragt sich, welches Bild Bürger_innen von Polizist_innen haben. Aus diesen Überlegungen der angehenden Polizist_innen wird deutlich, dass sie sich selbst nicht mehr als Bürger_innen wahrnehmen, sondern bereits als Polizist_innen betrachten, die auf der »anderen Seite« stehen. Interessant wäre es herauszufinden, wie weit diese Rollenübernahme bereits fortgeschritten ist, ob dieses Empfinden also auch bis in das Privatleben hineinreicht. Die Aussagen der Polizeischüler_innen in dieser Subkategorie verweisen auf ein breites Feld von Anknüpfungspunkten für den Berufsethikunterricht. Vor allem die Themen Respekt, Durchsetzungsvermögen und Arbeitsmoral sollten im Curriculum Beachtung finden, da sie für die Interviewten von hoher Ak-
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tualität sind. Ebenso wichtig ist eine Sensibilisierung für die Perspektive der Bürger_innen.
15.4.4 Subkategorie 4: Gefühle Die Interviewte_1 zieht im Rückblick auf die Behandlung des Themas »Überbringen einer Todesnachricht« innerhalb des Berufsethikunterrichts folgenden Schluss: »[…] dass wir halt auch (.) obWOHL wir ja POLIzeibeamte sind gefühle zeigen können und nich (.) so tun müssen als wärn wir so stark und könnten so leicht damit umgehn[.]«858
Sie untermauert das mit einer Aussage ihrer Mutter. Diese habe selbst erlebt, wie eine Polizistin bei der Überbringung einer Todesnachricht geweint habe.859 Zu unterscheiden sei jedoch zwischen angemessenem Mitgefühl beziehungsweise Mitleiden und übertrieben zur Schau getragener Trauer.860 Der Interviewte_3 beschreibt seine Angst im Zusammenhang mit einem Projekt in seinem Praxisrevier, bei dem jede Nacht mindestens einmal eine Fußstreife durchgeführt werden musste.861 Der Interviewte_5 erzählt, dass er während der ersten Einsätze sehr aufgeregt gewesen sei, sich dieses Gefühl jedoch mit der Zeit gelegt habe.862 Als »cool« habe er das Fahren in einem Streifenwagen empfunden.863 Einen sehr emotionalen Fall habe er erlebt, als über Funk eine Massenschlägerei durchgesagt worden sei, bei der sämtliche verfügbaren Streifenwagen angefordert wurden. Zunächst habe es ihn beunruhigt, dass sein Streifenwagen den Tatort als Erster erreicht habe. Die Massenschlägerei habe sich jedoch als Schlägerei unter drei Personen entpuppt, woraufhin er sich auf die Suche nach den Täter_innen gemacht habe.864 Diese Aufgabe habe ihn mit Stolz erfüllt.865 Die Menge der in dieser Zeit angerückten Polizist_innen habe ihm ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt.866 Über negative Empfindungen berichtet er im Zusammenhang mit der ersten Begegnung mit einer Leiche im Dienst. Er habe sich im Vorfeld Gedanken gemacht, wie er auf die 858 859 860 861 862 863 864 865 866
Interview 1a, Mai 2014, Z. 20–22. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 281–285. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 287–289. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 171–181. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 174–181; 18–23. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 30–33. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 498–527. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 528–529. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 545–551.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Situation reagieren werde.867 Vor Ort sei es seine Aufgabe gewesen, die Leiche auf- und zuzudecken, damit sie fotografiert werden konnte. Dabei habe er die irrationale Angst gehabt, sie könne jeden Augenblick wieder erwachen. Der Anblick der Leiche sei für ihn seltsam gewesen, da der Tote lediglich so ausgesehen habe als würde er schlafen.868 Die Betreuung der Angehörigen habe er als eher unangenehm empfunden.869 Der Interviewte_6 gibt an, dass er sich als Polizist manchmal hilflos fühle870, obwohl es eigentlich sein Anliegen sei, die Bürger_innen in schwierigen Situationen zu unterstützen und bei Bedarf Halt und Trost zu bieten. Er vermutet darüber hinaus, dass manche Bürger_innen Angst vor Polizeibeamt_innen haben, was dem Anliegen, als »Freund und Helfer« aufzutreten, entgegenstehen könne.871 Die Interviewte_10 nimmt vor der Praxisphase an, dass sie im Fall der Überbringung einer Todesnachricht vermutlich sehr sensibel reagieren werde.872 Der Interviewte_13 beschreibt seine Gefühle angesichts von Bildern eines Unfalls, bei dem ein Großvater sein neun Monate altes Enkelkind überfahren habe. Diese Bilder haben ihn beschäftigt und traurig gestimmt.873 Die Interviewte_14 habe angenommen, dass ihre erste Leiche sie emotional mehr berühren werde. Als der Moment gekommen sei, sei sie sehr aufgeregt und in gewisser Weise erwartungsvoll gewesen, einen Toten sehen zu können. Sie beschreibt dieses Erlebnis als Höhepunkt der Praxisphase.874 Die Interviewte_16, eine ehemalige Rettungssanitäterin, berichtet, sich bei einem Unfall in ihrer Rolle als Polizistin nutzlos gefühlt zu haben.875 Der Interviewte_17 erzählt davon, dass er es als sehr bedrückend empfunden habe, den Tatort einer Vergewaltigung zu betreten. Das Wissen, welche Straftat sich an diesem Ort kurz zuvor abgespielt hat, habe ihn psychisch mitgenommen.876 Die Interviewte_19 gibt an, dass sie generell bemüht sei, ihre Gefühle vor anderen zu verbergen.877 Vor allem gegen Ende habe es viele Einsätze gegeben, die den Interviewten_20 emotional berührt haben. Dabei nennt er vor allem solche Einsätze, bei denen
867 868 869 870 871 872 873 874 875 876 877
Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 211–215. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 215–226. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 253–258. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 632–635. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 627–647. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 164–166. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 106–109; 147–183. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 16–25, 31–35; 106–114. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 281–294. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 141–155. Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 234–238.
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ein Mensch zu Tode gekommen ist.878 Die Interviewte_23 gibt zu, beim Überbringen einer Todesnachricht geweint zu haben.879 Zusammenfassung Subkategorie 4: Gefühle Insgesamt sprechen dreizehn Interviewte über ihre Gefühle in der Ausübung des Polizeiberufs. Besonders häufig, nämlich bei neun Interviewten, kommen Gefühle im Zusammenhang mit dem Thema Tod zur Sprache. Inhaltlich drehen sich die Aussagen um das Überbringen von Todesnachrichten und den ersten Kontakt mit einer Leiche im Dienst. Das Thema Tod und die damit verbundenen Aufgaben der Polizist_innen beschäftigen die Polizeischüler_innen sowohl vor Antritt des Praktikums als auch im Anschluss an die Praxisphase, in der einige der Proband_innen entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Es finden sich unter den Aussagen folglich sowohl Annahmen über die eigene Gefühlslage in einer solchen Situation als auch Erfahrungsberichte über im Praktikum erlebte Begegnungen mit dem Tod und die damit verbundenen Gefühle. Diese reichen von Trauer bis hin zu Angst.880 Drei Interviewte sprechen von negativen Gefühlen beim ersten Kontakt mit einer Leiche. Zwei davon geben an, sich unwohl gefühlt zu haben, während die dritte ein Gefühl von Nutzlosigkeit beschreibt.881 Der Interviewte_5 benennt als einziger positive Gefühle, darunter beispielsweise die erwartungsvolle Aufregung vor Beginn des Praktikums, den Stolz bei der Verantwortungsübernahme im Dienst und das Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Kolleg_innen.882 Interpretation Subkategorie 4: Gefühle Die Thematisierung von Gefühlen scheint für die angehenden Polizist_innen eine wichtige Rolle zu spielen. Auffällig ist hierbei, dass der Interviewte_5 sehr viele Aussagen macht, die explizit Gefühle benennen, sowie in der Schilderung erlebter Situationen seine Gefühle verbalisiert. Es kann vermutet werden, dass es sich bei diesem Befragten um einen Menschen handelt, der es gewohnt ist, über 878 Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 10–13. 879 Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 299–303. 880 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 18–22; 281–289; Interview 5b, September 2014, Z. 252–258; Interview 6b, September 2014, Z. 627–647; Interview 10a, Mai 2014, Z. 9–11; 163–166; Interview 23b, September 2014, Z. 299–303; Interview 5b, September 2014, Z. 211–226; Interview 13b, September 2014, Z. 148–156; Interview 14b, September 2014, Z. 106–109; Interview 20b, September 2014, Z. 10–13. 881 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 172–182; Interview 16b, September 2014, Z. 287–294; Interview 17b, September 2014, Z. 141–155. 882 Vgl. Interview 5b; September 2014, Z. 174–181; 30–33; 535–560; 18–23.
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seine Gefühle zu sprechen. In jedem Fall zeigt er eine ausgeprägte Reflexionsbereitschaft, da er bemüht ist, seine Gefühle entweder zu rechtfertigen oder zumindest auf ihre Ursachen hin zu untersuchen. Das Thema der Begegnung mit dem Tod scheint die meisten Gefühle anzustoßen. In acht Interviews lassen sich zu diesem Thema elf verschiedene Aussagen finden. Interessant ist dabei die Aussage der Interviewten_1, die Polizist_innen beim Überbringen von Todesnachrichten explizit Gefühle und auch deren Äußerung zugesteht. Sie betrachtet es nicht als Schwäche, wenn der betreffende Polizeibeamte, die betreffende Polizeibeamtin weint. Ähnlich sehen das auch die Interviewten_10 und _23. Da die Interviewte_1 die Aussage bereits vor ihrem Praktikum macht, könnte sich dahinter die Befürchtung verbergen, dass sie selbst in einem solchen Fall zu Tränen gerührt sein könnte. Andererseits kann die persönliche Klärung, wie ein Gefühlsausbruch dieser Art in einer solchen Situation zu beurteilen ist, für die angehenden Polizist_innen eine Vorbereitung auf den Ernstfall darstellen. Sie können auf diese Weise zu einer eigenen Haltung finden, diese nach außen hin vertreten und dadurch Angehörige authentischer begleiten. In den Aussagen ist jedoch abzulesen, dass nicht alle der Interviewten schon zu einer eigenen inneren Haltung gefunden zu haben scheinen. Der Interviewte_5 gibt an, froh gewesen zu sein, die Angehörigen eines Verstorbenen wieder verlassen zu können. Hier ist deutlich eine Unsicherheit wahrnehmbar, die zu Beginn der beruflichen Karriere sicherlich nichts Außergewöhnliches darstellt. Dennoch beschäftigt sich der Interviewte_5 mit diesen Gefühlen und wird gerade durch das Eingeständnis der Unsicherheit beziehungsweise der negativen Gefühle, die diese signalisieren, authentisch. Auch der Interviewte_6 schließt aus der Beobachtung seines eigenen Verhaltens und des Gefühls der Hilflosigkeit im Umgang mit Hinterbliebenen, dass Polizist_innen nicht genügend Beziehungsarbeit mit den Angehörigen leisten (können). Er möchte dies allerdings ändern und selbst »Erste Hilfe« im Sinne von psychosozialer Erstversorgung leisten können, bevor Seelsorger_innen eintreffen. Sehr interessant ist auch die Tatsache, dass er sich in die Perspektive der Angehörigen hineinversetzt und bei ihnen eine Angst vor Polizist_innen vermutet. Der Tod und die Gefühle, die eine Begegnung mit ihm auslösen kann, ist für die angehenden Polizist_innen ein zentrales Thema. Hier ist eine Aufgabe des Berufsethikunterrichts zu sehen. Die meisten angehenden Polizist_innen sind noch nicht oder nur selten mit dem Tod in Berührung gekommen. Innerhalb des Berufsalltags ist eine häufigere Konfrontation mit Verstorbenen jedoch unvermeidbar. Die Herausforderung des Umgangs mit dem Tod wird im polizeilichen Alltag dadurch verschärft, dass es sich bei diesen Verstorbenen vielfach um Menschen handelt, die gewaltsam zu Tode gekommen sind. Auch der Tod von
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Kindern, der in vielen Interviews als Befürchtung thematisiert wurde883, ist eine Situation, der die Polizeischüler_innen noch nicht begegnet sind und die bewältigt werden muss. Dies verlangt sowohl eine stabile Persönlichkeit als auch reflektierte Bewältigungsstrategien und ein gefestigtes Weltbild. Es ist als Aufgabe des Berufsethikunterrichts zu betrachten, die angehenden Polizist_innen dabei zu unterstützen, sich die dazu notwendigen Kompetenzen und Haltungen anzueignen.
15.4.5 Subkategorie 5: Ängste, Sorgen, Befürchtungen Die Interviewte_1 gibt vor der Praxisphase an, dass ihre größte Angst darin bestehe, von Jugendlichen und älteren Männern nicht ernst genommen zu werden.884 Im Praktikum habe sich diese Angst jedoch nur teilweise bestätigt.885 Im Vorfeld hat sie außerdem Sorge, dass das Praktikum ihr nicht ausreichend Möglichkeiten biete, Berufserfahrungen zu sammeln.886 Die Interviewte_2 gibt an, dass sie sich vor Einsätzen fürchte, bei denen Kinder in Mitleidenschaft gezogen sind.887 Nach dem Praktikum äußert sie Erleichterung darüber, weder zu verunfallten Kindern noch zu Opfern von Kindesmisshandlungen gerufen worden zu sein.888 Auch der Interviewte_4 betrachtet es als den schlimmsten Fall, der ihm im Praktikum begegnen könne, »[…] wenns irgentwas äh mit äh: KINder wär[.]«889 Nach dem Praktikum gibt er an, dass er abgesehen von einem Einsatz im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt, in dem ein Großvater sein Enkelkind als »Schutzschild« benutzt habe, keinerlei Situationen mit Kindern erlebt habe.890 Auch der Interviewte_5 benennt die Angst, mit verunfallten Kindern konfrontiert zu werden. Er gibt an, dass bereits das Hören eines entsprechenden Funkspruchs für ihn mit Angst besetzt sei, da dieser Bilder im Kopf entstehen lasse.891 Der Interviewte_25 formuliert als seine größte Angst, einer Mutter die Todesnachricht ihres Kindes, beziehungsweise die ihres Ehegatten, überbringen 883 Vgl. Makrokategorie I: Berufsethik und kommunikatives Handeln, Subkategorie 2 »Umgang mit dem Tod« sowie Makrokategorie III: Persönlichkeit und Beruf, Subkategorie 5 »Ängste, Sorgen, Befürchtungen«. 884 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 89–105; 112–113. 885 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 193–203. 886 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 89–95. 887 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 103–106. 888 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 119–125. 889 Interview 4a, Mai 2014, Z. 235–236. 890 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 318–335. 891 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 222–230.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
zu müssen.892 Auch der Interviewte_9 fürchtet sich am meisten vor Einsätzen, im Zuge derer er mit toten oder misshandelten Kindern in Kontakt käme. Außerdem hat er Angst davor, zu Fällen von Tierquälerei gerufen zu werden.893 Sowohl vor als auch nach dem Praktikum gibt die Interviewte_11 an, dass sie sich vor Einsätzen mit Kindern fürchte. Während des Praktikums habe sie bei einem Einsatz ein Kind aus seiner Familie holen müssen. Rückblickend sei das aber nicht so schlimm für sie gewesen wie sie im Vorfeld vermutet habe.894 Selbst die Interviewte_19, die angibt, sich auf alle Herausforderungen der Praxis zu freuen und daher keinerlei Sorgen oder Bedenken im Hinblick auf das Praktikum zu haben, nennt als einzige Situation, die sie beunruhigen könne, einen Autounfall mit einem beteiligten Kind.895 Auch der Interviewte_21 benennt die Konfrontation mit Unfällen, bei denen Kinder beteiligt seien, neben Verletzungen der eigenen Person und Schusswaffengebrauch als eine Angst in Bezug auf die Praxis.896 Eine seiner schlimmsten Befürchtungen sei, einen Schusswaffengebrauch gegen ein Kind zu erleben.897 Die Angst davor, die Dienstwaffe gebrauchen zu müssen, bewegt auch andere Proband_innen. Der Interviewte_4 fürchtet sich davor, dass Kolleg_innen in Gefahr geraten könnten und er gezwungen sei, seine Dienstwaffe zu benutzen.898 Dabei befürchte er vor allem, »[…] wies DANN danach isch äh:(1) viele ham ja die ANGScht dann DANach wieder ne Waffe, in die HANd zu nehm[.]«899
Die Interviewte_2 äußert ebenfalls die Angst vor Einsätzen, in denen sie um ihr eigenes oder um das Leben von Kolleg_innen fürchten oder ihre Dienstwaffe gebrauchen müsse.900 Den Interviewten_12 bewegt die Angst, dass er selbst oder Kolleg_innen verletzt werden könnten901 oder dass er gezwungen sei, »[…] die SCHUSSWAFFE rauszunehmen[.]«902 In ähnlicher Weise formuliert der Interviewte_13 nach der Praxisphase: »keiner will raus und äh (1), (2), und irgendjemand erschießen[.]«903
892 893 894 895 896 897 898 899 900 901 902 903
Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 374–381. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 122–127; 156–163; Z. 165–168. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 189–212. Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 142–145; 148–149; 153; 156–158; 169–170. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 64–70. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 195–199. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 250–253. Interview 4a, Mai 2014, Z. 253–255. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 84–86; 91–92. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 139–143; 152–157; 187–191. Interview 12a, Mai 2014, Z. 182–183. Interview 13b, September 2014, Z. 445–446; 468–482.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Für die Interviewte_23 stellt der Schusswaffengebrauch ebenfalls die größte Befürchtung dar.904 Ihre Angst bezieht sich dabei sowohl darauf, »[…] vielleicht selber mal vor ner waffe […]«905 zu stehen, als auch, »[…] dass i:CH jemand mit der waffe bedrohn muss[.]«906 Die Interviewte_15 habe sich vor dem Praktikum gefragt: »kann ich damit UMgehn? mit dEM wie der Bürger mir reagiert, s wird immer so viel erzählt es gibt SOviel angriffe und so, wie kann ICH damit umgehn?«907
Ihre Befürchtungen, die Dienstwaffe, beziehungsweise Pfefferspray, während eines Einsatzes benutzen oder eine Person festnehmen zu müssen, hätten sich während der Praxisphase als unbegründet erwiesen. Auch ihre Angst, der Polizeiberuf könne sie überfordern, sei nicht bestätigt worden.908 Auch Befragte_16 hat Angst davor, in einer Gefahrensituation ihre Dienstwaffe einsetzen zu müssen. Dabei fürchte sie sich vor allem vor dem Moment, in dem sie die Entscheidung für oder wider den Schusswaffengebrauch treffen müsse.909 Ein Messerangriff und/oder Schusswaffengebrauch stellen auch für den Interviewten_20 die größten Ängste dar.910 Der Interviewte_3 sagt im Hinblick auf ein Praktikum in einer Stadt mit hoher Kriminalitätsrate aus, dass er sich vor Schlägereien beziehungsweise Messerstechereien fürchte.911 Nach dem Praktikum gibt er an, keine Messerstechereien erlebt zu haben.912 Den Interviewten_5 bewegt die Befürchtung, bei einem Einsatz auf einen Freund, eine Freundin zu treffen und diesen, diese beispielsweise mit Alkohol am Steuer zu erwischen. Er nimmt an, in einen Gewissenskonflikt zu geraten, wenn er den Fall dann bearbeiten müsste. Daher würde er versuchen, die Bearbeitung an Kolleg_innen abzugeben.913 Darüber hinaus berichtet der Interviewte_5 vom Erlebnis eines tödlichen Motorradunfalls im Verlauf des Praktikums. Angesichts dieses Unfalls habe er Angst verspürt, da er selbst Motorrad fahre und der Verstorbene sehr jung gewesen sei.914 Der Interviewte_6 gibt an, dass sich der Beginn des Praktikums schwierig gestalten könne, da er zunächst versuchen müsse, sich »[…] einfach so ne dickes 904 905 906 907 908 909 910 911 912 913 914
Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 78–82; 122–125. Interview 23a, September 2014, Z. 80. Interview 23a, September 2014, Z. 81. Interview 15a, Mai 2014, Z. 147–149. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 101–105; 192–198. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 259–262. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 132–136; 159–161. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 112–113; 116–118. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 154–162. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 232–241; 246–261. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 101–104.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
FELL; […] anzueignen[.]«915 Er erachtet es als wichtig, sich den Glauben an das Gute im Menschen zu bewahren, um nicht an den zuweilen unvorstellbaren Situationen, mit denen Polizist_innen konfrontiert werden, zu verzweifeln oder darüber verbittert zu werden.916 Gleichzeitig fürchte er sich davor, als Polizist von den Bürger_innen als »[…] der böse […]«917 angesehen zu werden, weil es seine Aufgabe sei, »[…] dem MITBÜRGER auf DIE HÄNDE (zu)schaun; ihm=ei=nur sagen was er FALScH macht[.]«918 Nach dem Praktikum erzählt der Interviewte_6, dass er sich vor der vielen Schreibtischarbeit gefürchtet habe, da er eher pragmatisch veranlagt sei.919 Der Interviewte_7 benennt mehrere Ängste, so beispielsweise die vor einer Eskalation von Situationen, vor Verletzung von Kolleg_innen usw.920 Nach dem Praktikum beschreibt der Interviewte_7 die Angst, von Bürger_innen als inkompetent beurteilt zu werden.921 Auch der Interviewte_8 spricht mehrere Ängste an. Eine davon bestehe darin, dass er einen seiner Familienangehörigen bei einem Unfall auffinden könnte. Er gibt an, dass sich in seinem näheren familiären Umfeld mehrere Personen mit Alkoholproblemen befänden, was seine Befürchtung, einen Angehörigen bei einem Unfall tot aufzufinden, zusätzlich nähre.922 Weiter sorgt er sich, wie er im Falle von Gegengewalt reagiere, da er eigentlich ein »[…] friedLIEBender mensch […]«923 sei, dann jedoch gezwungen wäre, Gewalt anzuwenden. Als vordringlichste Ängste in Bezug auf die berufliche Praxis benennt er Verletzungen oder ansteckende Krankheiten.924 Auch die Sorge, Erwartungen seitens der Familie, des Dienstherren oder seiner selbst nicht zu erfüllen oder gar herauszufinden, dass er die falsche Berufswahl getroffen habe, beschäftigt ihn.925 In der zweiten Interviewreihe gibt der Interviewte_8 an, sich davor gefürchtet zu haben, in eine Situation zu geraten, die er alleine nicht mehr bewältigen könne.926 Eine solche Situation sei im Praktikum tatsächlich eingetreten, doch habe er sich durch die Anwesenheit und Hilfe des Praxisausbilders nicht völlig ausgeliefert gefühlt.927 Der Interviewte_9 sagt aus, dass ihn die Angst vor der Unvorhersehbarkeit 915 916 917 918 919 920 921 922 923 924 925 926 927
Interview 6a, Mai 2014, Z. 174–175. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 181–185. Interview 6a, Mai 2014, Z. 179. Interview 6a, Mai 2014, Z. 160–161. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 271–275. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 133–134. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 81–85. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171–180. Interview 8a, Mai 2014, Z. 198–199. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 212–220. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 221–234. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 241–244. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 249–251; 274–277.
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der Reaktionen von Bürger_innen bewege.928 Auch der Interviewte_12 beschreibt eine Sorge in Bezug auf den Umgang mit Bürger_innen: Er habe Angst davor, dass diese ihn privat wiedererkennen und möglicherweise Rachegelüsten an der Polizei im Allgemeinen oder an seiner Person nachgeben könnten. Als Beispiel benennt er die Befürchtung, dass sein Auto zerkratzt werden könne.929 Nach dem Praktikum gibt er an, dass seine Befürchtungen sich als unbegründet herausgestellt haben.930 Dennoch wolle er nach seiner Ausbildung »[…] !NICHT! unbedingt dort in dem REvier dann wohnen[.]«931 Die Interviewte_15 hat Bedenken, ob sie die extremen Wechsel innerhalb der Schichtarbeit körperlich gut verkraften werde.932 Befragte_16 äußert die Angst, sich während des Praktikums überfordert zu fühlen.933 In der zweiten Interviewreihe gibt sie an, dass diese Angst sich nicht bestätigt habe, denn sie sei »[…] jetzt nicht überARbeitet[.]«934 Der Interviewte_17 gibt an, dass er keine konkreten Ängste, Sorgen oder Befürchtungen habe. Lediglich die Tatsache, dass »[…] ALLES mögliche schief gehen […]«935 und »[…] alles passieren […]«936 könne, beunruhige ihn. In diesem Zusammenhang äußert er auch die Befürchtung, dass bereits am ersten Tag Einsätze stattfinden könnten, die ihn angesichts der kurzen Eingewöhnungszeit überfordern könnten.937 In der Befragung im Anschluss an das Praktikum berichtet er, dass er sich vor der Begegnung mit der ersten Leiche gefürchtet habe.938 Zu Beginn des Praktikums habe sie Angst gehabt, die erlernte Theorie nicht in die Praxis umsetzen zu können, so die Interviewte_19. Allerdings habe sie im Laufe der Zeit festgestellt, dass praktisches Wissen durch Erfahrung entstehe.939 Rückblickend erinnert sich der Interviewte_20, zu Beginn des Praktikums Angst davor gehabt zu haben, in einer Situation nicht weiter zu wissen.940 Dank der guten Betreuung durch seinen Praxisausbilder sei diese Angst aber unbegründet gewesen.941 Der Interviewte_21 gibt an, zwar keine Angst davor zu haben, in einer Situation zu versagen und hilflos zu sein, räumt aber ein, dass er
928 929 930 931 932 933 934 935 936 937 938 939 940 941
Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 149–154. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 139–143; 152–157; 187–191. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 123–125; 131–136. Interview 12b, September 2014, Z. 134. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 206–210. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 245–246. Interview 16b, September 2014, Z. 16. Interview 17a, Mai 2014, Z. 89–90. Interview 17a, Mai 2014, Z. 92–93. Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 90–92. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 104–107. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 169–179. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 176–178. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 179–185.
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dies als Blamage empfände.942 Der Interviewte_22 nennt als größte Angst, einen Unfall zu erleben, bei dem ein Kind zu Tode käme. Generell sorgt er sich darum, wie er sich angesichts seiner ersten Begegnung mit einer Leiche verhalten werde.943 Er gibt an, bei fremden Menschen zu versuchen, den Tod nicht zu nahe an sich heranzulassen.944 Nach dem Praktikum berichtet er, dass seine erste Leiche sehr friedlich ausgesehen und er daher das Gefühl gehabt habe, sanft an das Thema herangeführt worden zu sein.945 Nach der Praxisphase benennt die Interviewte_23 die Konfrontation mit einer Unfallleiche als schlimmste Befürchtung.946 Die Interviewte_27 äußert Angst davor, unmittelbaren Zwang im Sinne von körperlicher Gewalt oder Schusswaffengebrauch anwenden zu müssen. Die Angst sei vor allem in der Sorge begründet, dass »[…] ich das vieLLEICHt noch nicht pACK, oder (.) nich weiß was ich machen muss, in: beSTIMMTen SITuationen[.]«947
Die Befürchtungen des Interviewten_28 beziehen sich auf ein erfolgreiches Bestehen der anstehenden Prüfungen. Dabei sei für ihn die schlimmste Vorstellung, die Klasse wechseln zu müssen.948 Nach der Praxisphase beschreibt der Interviewte_29 eine Situation, die ihn in Angst versetzt habe: Es habe einen Anruf gegeben, dass ein Bus mit geöffneten Türen am Waldrand stehe. Diese Ankündigung habe dazu geführt, dass er sich verschiedene Szenarien ausgemalt habe, wie es zu der geschilderten Situation gekommen sein könnte und was die Beamt_innen in dem Bus vorfinden würden. Dabei habe er auch Angst um sein eigenes Leben gehabt.949 Zusammenfassung Subkategorie 5: Ängste, Sorgen, Befürchtungen Die am häufigsten genannten Ängste der Proband_innen stehen im Zusammenhang mit potenziellen Einsätzen, bei denen Kinder zu Tode kommen oder misshandelt werden. Insgesamt äußern zehn Interviewte vor Beginn des Praktikums diesbezüglich Befürchtungen.950 Die angehenden Polizist_innen geben 942 943 944 945 946 947 948
Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 166–171. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 133–135; 150–153. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 205–207. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 68–84. Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 155–160. Interview 27b, September 2014, Z. 93–95. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 1065–1069; 1071–1073; 1075–1078; 1080–1091; 1093–1113. 949 Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 128–148. 950 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 102–107; 119–125; Interview 4a, Mai 2014, Z. 234–236; Interview 5a, Mai 2014, Z. 113–115; 221–230; 258–261; Interview 9a, Mai 2014, Z. 122–127;
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nach dem Praktikum an, keine derartigen Situationen erlebt zu haben. Der Interviewte_4 erzählt lediglich von einer Situation, in der ein Kind in Gefahr gewesen sei,951 während die Interviewte_11 berichtet, an einer Inobhutnahme beteiligt gewesen zu sein.952 Auch die Vorstellung, die Dienstwaffe während eines Einsatzes gebrauchen zu müssen, ist für viele der Auszubildenden mit Befürchtungen verbunden. Neun Interviewte wollen innerhalb des Praktikums explizit nicht in die Situation kommen, die Schusswaffe gebrauchen zu müssen.953 Auch hier zeigt sich nach dem Praktikum, dass bei keiner der interviewten Personen eine Situation eingetreten ist, in der dies nötig gewesen wäre. Der Interviewte_4 gibt an, lediglich Pfefferspray während eines Widerstands angewendet zu haben.954 Interviewter_15 berichtet davon, den Gebrauch der Schusswaffe angedroht und schlimmstenfalls diese gezogen zu haben, ohne sie jedoch tatsächlich einsetzen zu müssen.955 Ein weiteres Thema, das die Proband_innen beschäftigt, ist der Umgang angesichts der ersten Leiche im Dienst. Insgesamt benennen fünf Interviewte Befürchtungen in Bezug auf diese im Praktikum zu erwartende Situation. Diese Befürchtungen stehen im Zusammenhang mit der Frage nach der Bewältigung eines solchen Erlebnisses sowie mit der eigenen Reaktion auf den Anblick einer Leiche im Dienst.956 Auch die Vorstellung, eine Todesnachricht überbringen zu müssen, ist mit Ängsten verbunden.957 Nach dem Praktikum berichten einige Interviewte von Einsätzen, bei denen sie mit Leichen konfrontiert wurden. Beispielhaft gibt befragte Person_14 an, zu einem Mordfall gerufen worden zu sein.958 Der Interviewte_18 hat im Verlauf der Praxisphase drei Leichen gesehen. Im Vorfeld habe er sich darüber Gedanken gemacht, wie er diese Situationen bewältigen könne. Es habe sich aber herausgestellt, dass die Verarbeitung ihm keine Probleme bereitete und die Bilder der Verstorbenen ihn nicht verfolgten. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen
951 952 953
954 955 956 957 958
156–157; 165–168; Interview 11a, Mai 2014, Z. 116–119; Interview 14a, Mai 2014, Z. 196–202; Interview 18a, Mai 2014, Z. 86–92; Interview 19a, Mai 2014, Z. 169–170; Interview 21a, Mai 2014, Z. 64–65; Interview 22a, Mai 2014, Z. 133–135. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 318–330. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 119–125; Interview 11b, September 2014, Z. 189–212. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 91–92; Interview 4a, Mai 2014, Z. 250–255; Interview 7a, Mai 2014, Z. 132–135; Interview 12a, Mai 2014, Z. 196–198; Interview 13b, September 2014, Z. 445–447; 468–482; Interview 16a, Mai 2014, Z. 256–263; Interview 20a, Mai 2014, Z. 159–161; Interview 21a, Mai 2014, Z. 64–70; 166–171; 195–199; Interview 23a, Mai 2014, Z. 78–82; 122–125. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 331–335; Interview 15b, September 2014, Z. 192–198. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 192–198. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 13–15; 115–116; 208–212; Interview 10a, Mai 2014, Z. 126–127; Interview 11a, Mai 2014, Z. 79–81; Interview 21a, Mai 2014, Z. 171–174; Interview 22a, Mai 2014, Z. 150–153; 202–207. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 144–146; Interview 25a, Mai 2014, Z. 374–383. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 16–21; 106–114.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
fühle er sich auf vergleichbare Situationen in der Zukunft besser vorbereitet.959 In ähnlicher Weise sorgt sich der Interviewte_20, wie er mit Einsätzen umgehen könne, in deren Kontext ein Mensch zu Tode gekommen ist.960 Der Interviewte_22 gibt an, seine Begegnung mit der ersten Leiche im Polizeidienst als nicht schlimm empfunden zu haben, da es sich um eine Person gehandelt habe, die kurz zuvor eines natürlichen Todes gestorben sei.961 Auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Umgang mit Kriminalität äußerten einige Interviewte Ängste und Befürchtungen. Der Interviewte_3 fürchtet, Handgreiflichkeiten zu erleben und möglicherweise auch mit einer Messerstecherei konfrontiert zu werden. Rückblickend gibt er jedoch an, mit Kriminalität hauptsächlich in Form von Raubüberfällen in Berührung gekommen zu sein.962 Der Interviewte_8 sorgt sich, wie er auf Gegengewalt reagieren werde, da er in diesem Fall möglicherweise selbst gezwungen sein werde, Gewalt anzuwenden, was seiner Natur widerspreche.963 Für den Interviewten_9 sind die Reaktionen der Bürger_innen aufgrund ihrer Unvorhersagbarkeit ein Anlass für Befürchtungen.964 Die Interviewten_1 und _7 nennen als explizite Sorge, von den Bürger_innen nicht ernst genommen zu werden.965 Auch an Situationen, in denen privates und berufliches Leben aufeinander treffen, knüpfen sich Befürchtungen der Interviewten. Ein Beispiel dafür ist die Aussage des Interviewten_5, der angibt, aus Gewissensgründen keinen Einsatz bearbeiten zu können, bei dem eine nahestehende Person aus dem privaten Bereich beteiligt sei.966 Den Interviewten_12 bewegt die Angst, im privaten Leben wiedererkannt zu werden und deshalb Angriffen ausgesetzt zu sein. Er bevorzuge daher, in der Zukunft seinen Wohnort räumlich vom Einsatzrevier zu trennen.967 Für den Interviewten_8 spielt die Angst, einen Familienangehörigen während eines Einsatzes tot aufzufinden, eine bedeutende Rolle.968 Mehrmals genannt wird außerdem die Angst, in bestimmten Situationen zu versagen. Diese Angst wird von fünf Interviewten in Bezug auf polizeiliche Arbeit im Praktikum geäußert, während sie beim Interviewten_28 im Hinblick
959 960 961 962 963 964 965 966 967 968
Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 86–103; 79–82; 104–112. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 132–136; 176–178. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 68–84; 206–210. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 112–113; 116–118; Interview 3b, September 2014, Z. 154–167. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 193–200. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 149–154. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 95–100; 108; Interview 7b, September 2014, Z. 80–86. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 232–241; 246–258. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 139–143; 152–157; Interview 12b, September 2014, Z. 123–125; 131–136. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171–180.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
283
auf die anstehenden Prüfungen in der Polizeischule eine Rolle spielt.969 Zwei Interviewte äußern die Sorge, dass der Beruf sie überfordern könne. In beiden Fällen habe sie sich in der Praxisphase jedoch als unbegründet erwiesen.970 Drei Interviewte geben an, sich vor Verletzungen oder ansteckenden Krankheiten zu fürchten.971 Zwei weitere Interviewte beschreiben konkrete Situationen während des Praktikums, die bei ihnen Ängste hervorgerufen haben.972 Nur vereinzelt kamen in den Interviews die Befürchtungen zur Sprache, die Schichtarbeit nicht bewältigen zu können973, Tierquälerei mitzuerleben974, an persönliche Grenzen zu stoßen975 und die Theorie nicht in die Praxis umsetzen zu können.976 Insgesamt drei Interviewte kommen zu der Aussage, dass sie angesichts des anstehenden Praktikums keinerlei Sorgen, Ängste oder Befürchtungen haben. Der Interviewte_13 gibt an, dass man als Polizist_in keinerlei Ängste empfinden dürfe. Angemessen sei lediglich der grundlegende Respekt vor herausfordernden oder potenziell gefährlichen Situationen, der eine erhöhte Aufmerksamkeit befördere, die in diesen Situationen erforderlich sei.977 Interpretation Subkategorie 5: Ängste, Sorgen, Befürchtungen Bei der Betrachtung der Interviews wird deutlich, dass der Umgang mit dem Tod für die Interviewten in besonderer Weise mit Ängsten und Befürchtungen verbunden ist. Hier erkennt man ein Thema, dem eine besondere Relevanz bei der Vorbereitung der Polizeischüler_innen auf das Praktikum beizumessen ist. In unserer Gesellschaft stellt der Umgang mit dem Tod ein Thema dar, das in hohem Maße tabuisiert wird, denn er ist weder erklärbar noch erfahrbar. Der Tod konfrontiert den Menschen mit der Endlichkeit des eigenen Lebens, ein 969 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 221–234; Interview 11a, Mai 2014, Z. 93–97; Interview 20b, September 2014, Z. 176–178; Interview 18a, Mai 2014, Z. 82–86; Interview 21a, Mai 2014, Z. 166–171; Interview 28b, September 2014, Z. 1065–1069; 1071–1073; 1075–1078; 1080–1091; 1093–1113. 970 Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 101–105; Interview 16a, Mai 2014, Z. 245–246; Interview 16b, September 2014, Z. 15–16. 971 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 209–221; Interview 12a, Mai 2014, Z. 187–191; Interview 21a, Mai 2014, Z. 64–70. 972 Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 114–121; Interview 29b, September 2014, Z. 128–148. 973 Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 206–210. 974 Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 156–163. 975 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 76–78. 976 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 169–179. 977 Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 220–224; 230–238; Interview 17a, Mai 2014, Z. 89–92; Interview 19a, Mai 2014, Z. 142–145; 148–149; 153; 156–158.
284
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Thema, mit dem er sich nur ungern auseinandersetzen will. Dennoch ist er unvermeidbarer Teil dieses Lebens, und es fällt schwer, sich mit seiner Unausweichlichkeit abzufinden. In eine Gesellschaft, deren Fokus auf Spaß, Erfolg und Konsum liegt und die sich dem Grundsatz der Machbarkeit verschrieben hat, scheint er nicht zu passen. In vielen Fällen erfolgt eine Beschäftigung mit diesem Thema erst, wenn der Tod einer nahestehenden Person die Konfrontation damit unumgänglich macht. Er wird in der Regel mit Trauer, Schmerz und dem Gefühl des Verlassenwerdens in Verbindung gebracht. Dies liegt vermutlich daran, dass man seinen eigenen Tod nur stirbt, aber mit dem Tod anderer leben muss, wie Kal¦ko es formuliert.978 Gleichzeitig erinnert der Tod eines anderen Menschen an die Begrenztheit des eigenen Lebens. Den Aussagen der angehenden Polizist_innen ist zu entnehmen, dass sich die meisten noch nicht persönlich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Im Polizeiberuf jedoch gehört die Begegnung mit dem Tod, auch mit dem gewaltsamen durch Selbst- oder Fremdtötungen und Verkehrsunfälle, zum Alltag. In der Regel sind die Polizist_innen die ersten Personen vor Ort und dem Anblick der zu Tode gekommenen Menschen unvorbereitet ausgesetzt, noch bevor diese durch einen Bestatter hergerichtet werden können. Diese Vorstellung wirkt für die meisten der angehenden Polizist_innen verständlicherweise beängstigend. Besondere Befürchtungen knüpfen sich an die Vorstellung, im Dienst mit dem Tod von Kindern konfrontiert zu werden. Ist die Begegnung mit dem Tod an sich ist schon schwer zu bewältigen, wird der Umgang damit noch schwerer, wenn ein Kind, das sein Leben noch vor sich haben sollte, als Opfer betroffen ist. Der gewaltsame Tod von Kindern, so ist zu vermuten, geht den Beamt_innen darüber hinaus besonders nahe, da diese in besonderem Maße unschuldig und wehrlos sind. Nach ihrem Praktikum berichten einige der Proband_innen, dass sie Menschen gesehen haben, die einen gewaltsamen Tod, sei es durch ein Gewaltverbrechen oder durch Verkehrsunfälle, erlitten haben. In einigen Interviews wird dieser erste Moment als sehr aufregend beschrieben, manche äußern jedoch auch, in der konkreten Situation Angst vor ihren eigenen Gefühlen und Reaktionen empfunden zu haben. Rückblickend auf das Praktikum zeigen sich die meisten Proband_innen erstaunt, wie leicht es ihnen gefallen sei, mit der Begegnung mit dem Tod umzugehen. Sie nehmen den Umgang mit dem Tod als selbstverständlichen Teil des Polizeiberufs wahr und es gelingt ihnen offenbar, sich professionell von dem Erlebten zu distanzieren. Ob eine solche Distanz jedoch aufrechterhalten werden kann, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen bekannten oder gar nahestehenden Menschen handelt, ist zu bezweifeln. Im Zusammenhang mit dem Tod werden auch oftmals Befürchtungen ge978 Vgl. Kal¦ko, Mascha, in »Memento«.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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äußert, die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beschreiben, beispielsweise die Angst, Bilder des entsprechenden Einsatzes nicht mehr loszuwerden oder in vergleichbaren belastenden Situationen nicht mehr angemessen reagieren zu können. Die Interviewten sind sich durchaus bewusst, dass sie innerhalb ihres Berufs immer wieder mit menschlichen Abgründen konfrontiert werden. Polizist_innen können jederzeit in Extremsituationen geraten, die besondere Handlungsabläufe und Maßnahmen erfordern. Ist beispielsweise das eigene Leben oder das von Kolleg_innen in Gefahr, so ist der Beamte, die Beamtin vor die Entscheidung gestellt, ob er, sie Gebrauch von der Dienstwaffe machen muss. Im Zusammenhang mit dem Schusswaffengebrauch werden von vielen Interviewten Befürchtungen geäußert. Mehrheitlich fürchten diese Befragten ganz grundsätzlich, die Dienstwaffe einsetzen zu müssen. Eine der Interviewten spricht jedoch zudem von der Angst, in einem solchen Fall zu lange zu überlegen und dadurch das eigene Leben oder das von Kolleg_innen in Gefahr zu bringen. Durch die Entscheidung für den Gebrauch der Schusswaffe werden die Polizist_innen selbst zu Täter_innen, die einen anderen Menschen verletzen oder gar töten können. Dies widerspricht dem eigentlichen Auftrag der Polizei, Leben zu schützen und Gefahren abzuwenden. In diesem Widerspruch steckt ein Konfliktpotential. Wird dieser Konflikt nicht bereits im Vorfeld bearbeitet, kann es in der konkreten Situation dazu kommen, dass sich die betreffenden Polizeibeamt_innen scheuen, die Dienstwaffe einzusetzen, und dadurch sich selbst oder ihre Kolleg_innen gefährden. Auf diese Weise wären sie jedoch verantwortlich für das Schicksal der Kolleg_innen, was sie als persönliches Versagen empfinden könnten. Die Befürchtungen der angehenden Polizist_innen bewegen sich also in einem Spannungsfeld zwischen der Angst, eine Grenze überschreiten zu müssen, und der Angst, diese Grenze nicht überschreiten zu können. Ein Interviewter kann auf Erfahrungsberichte von Polizist_innen zurückgreifen, die bereits ihre Schusswaffe gebrauchen mussten und danach nicht mehr in der Lage waren, ihren Beruf auszuüben, da ihre Hemmschwelle, erneut eine Waffe zu ziehen, zu hoch gewesen sei. Folgt man dieser Aussage, könnte auch angenommen werden, dass einige der angehenden Polizist_innen befürchten, sich als untauglich für den Beruf zu erweisen, weil sie entweder nicht in der Lage sein werden, die Schusswaffe überhaupt einzusetzen, oder nach erfolgtem Gebrauch der Dienstwaffe feststellen müssen, dass ihnen dies kein weiteres Mal gelingen werde. Die Angst vor dem Gebrauch der Dienstwaffe verweist aber auch auf eine Sensibilisierung der Auszubildenden für ihre berufliche Verantwortung, der sie sich unter Umständen in ihrem ersten Praktikum noch nicht gewachsen fühlen. Während der Gedanke an Begegnungen mit dem Tod in der Praxisphase ein breites Spektrum an Ängsten zu Tage treten lässt, äußern nur wenige Interviewte
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Befürchtungen im Hinblick auf das Überbringen der Todesnachricht. Diese Tatsache steht vordergründig im Gegensatz dazu, dass die meisten Polizeischüler_innen dieses Thema als wichtigstes im Berufsethikunterricht benannt haben.979 Andererseits könnte dieses Ergebnis ein Hinweis darauf sein, dass das Überbringen einer Todesnachricht im Unterricht der Polizeischule so umfassend und hinreichend behandelt worden ist, dass die Auszubildenden sich hinsichtlich dieser Aufgabe sicher und gut vorbereitet fühlen. Die Befürchtung, dass der berufliche Alltag negative Auswirkungen auf das Privatleben haben könne, zeigt sich in einigen wenigen Aussagen. Vordergründig steht dahinter die Angst vor Racheaktionen von Bürger_innen, die sich von den jeweiligen Beamt_innen ungerecht behandelt fühlen oder einen grundsätzlichen Groll gegen die Polizei hegen. Jedoch könnte dahinter auch die allgemeinere Befürchtung vermutet werden, das Berufsleben lasse sich nicht mehr vom Privatleben trennen. Zur Lösung dieses Problems schlägt einer der Interviewten vor, durch räumliche Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort der Vermischung beider Bereiche eine Grenze zu setzen. Die Angst zu versagen wird von fünf Interviewten beschrieben. Dahinter lässt sich vermuten, dass die angehenden Polizist_innen einem gewissen Druck von außen ausgesetzt sein könnten. Vor allem in den Aussagen eines Interviewten wird deutlich, dass dieser Druck von verschiedenen Seiten ausgeübt werden kann. Zum einen fühlen sich die angehenden Polizist_innen verpflichtet, den Anforderungen der Institution Polizei zu genügen. Dies wird in besonderer Weise im Praktikum virulent, da dort die Umsetzung des theoretischen Wissens in die Praxis gefordert ist, was eine neue Herausforderung darstellt. Andererseits zeigen die Aussagen der Interviewten, dass auch von Seiten der Familie und des Freundeskreises Erwartungen bestehen können, die die Auszubildenden nicht enttäuschen möchten.980 Drittens haben die angehenden Polizist_innen auch eigene Anforderungen und Erwartungen an sich selbst, die es zu erfüllen gilt. Das Praktikum wird so zum Prüfstein, ob die Auszubildenden diesen Anforderungen gewachsen sind oder, anders gesagt, ob sie sich überhaupt für den Polizeiberuf eignen. Dass das erfolgreiche Absolvieren des Praktikums in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle einnimmt, scheint sich dadurch zu bestätigen, dass nur ein einziger Interviewter eine Versagensangst in Hinblick auf bevorstehende Prüfungen nach der Praxisphase benennt. Der Umgang mit Gefahrensituationen ist für die Interviewten ebenfalls mit Befürchtungen verbunden. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise die 979 Vgl. Makokategorie I: Berufsethik und kommunikatives Handeln, Subkategorie 1 »Überbringen einer Todesnachricht«. 980 Vgl. Makrokategorie III: Persönlichkeit und Beruf, Subkategorie 7 »Familiäre Sozialisation«.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Angst vor Messerstechereien oder vor einer Ansteckung mit unheilbaren Krankheiten genannt. In solchen Aussagen der angehenden Polizist_innen zeigt sich das Bewusstsein, dass ihr Beruf sie mit Situationen konfrontieren wird, die auch Gefahren für die eigene körperliche Unversehrtheit beinhalten. Dieses Bewusstsein ist für die Auszubildenden wichtig, da es dazu führt, dass in entsprechenden Fällen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden und in potenziell gefährlichen Situationen eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag gelegt wird. Problematisch kann dieses Bewusstsein jedoch werden, wenn es in Vorurteile den begegnenden Menschen gegenüber mündet und diese unreflektiert und pauschal als mögliche Gefahr für die eigene Person betrachtet werden. Eine solche Haltung macht einen menschenwürdigen Umgang nahezu unmöglich. Bei der Betrachtung der Aussagen der Interviewten lassen sich als Konsequenz für den Berufsethikunterricht verschiedene Themenbereiche ablesen, die für die angehenden Polizist_innen von hoher Relevanz sind und daher behandelt werden müssen. Vor allem der Umgang mit dem Tod muss ein Thema des Berufsethikunterrichts sein. Dabei sollte es darum gehen, die Auseinandersetzung mit dem Tod zu enttabuisieren und den Auszubildenden zu einer stabilen persönlichen Haltung diesem Thema gegenüber zu verhelfen. Ein besonderer Fokus sollte auch auf den Umgang mit dem gewaltsamen Tod gelegt werden, da dieser im Polizeiberuf häufig begegnet. Gleichzeitig sollten in diesem Zusammenhang auch Bewältigungsstrategien besprochen und über weitere Hilfsangebote informiert werden. Der Berufsethikunterricht scheint dafür einen geeigneten Rahmen zu bieten, da in ihm sowohl persönliche als auch berufsspezifische Themen aufgegriffen werden können. Einen weiteren bedeutenden Themenblock stellt der Schusswaffengebrauch dar. Hier ist es Aufgabe des Berufsethikunterrichts, aus ethischer Perspektive den Konflikt zwischen Leben retten und Leben nehmen zu beleuchten sowie eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Verantwortung von Polizeibeamt_innen anzuregen. Ziel sollte sein, dass die angehenden Polizist_innen sich eine sichere und reflektierte Entscheidungsgrundlage erarbeiten, die ihnen helfen kann, entsprechende Situationen zu meistern. Möglicherweise könnte durch die Behandlung dieser Themen schon ein Teil der Versagensängste in Bezug auf das Praktikum gemildert oder aus der Welt geschafft werden. Sicherheit im Umgang mit solchen Extremsituationen bedeutet für die Auszubildenden erhöhte Verhaltenssicherheit in der Praxis. Jedoch sollten auch weniger häufig genannte Themen, wie die Angst vor den Gefahren des Polizeiberufs oder die Befürchtungen, das Privatleben nicht vom beruflichen trennen zu können, nicht außer Acht gelassen werden. Auch die Angst vor dem schulischen und beruflichen Versagen sollte eigens thematisiert werden.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
15.4.6 Subkategorie 6: Hoffnungen und Erwartungen/ Wünsche Bei der Auswertung der Interviews zeigte sich eine Überschneidung des Themenfeldes »Hoffnungen und Erwartungen« mit dem Themenfeld »Wünsche«. Daher werden beide hier in einer Zusammenschau dargestellt. Dabei werden die Hoffnungen und Erwartungen an die Praxisausbilder_innen in der Darstellung ausgespart, da sie in der Makrokategorie V »Praktikum« expliziert werden. Die Interviewte_1 tritt das Praktikum in der Erwartung an, die Realität des Berufsalltages als Polizistin zu erleben, die sie als sehr verschieden vom in der Polizeischule vermittelten Bild vermutet.981 Außerdem hoffe sie, »[…] dass es keine situation jetzt gibt mit der ich auf gar keinen fall umgehen kann[.]«982 Sie wünscht sich, junge Kolleg_innen in der Schicht kennenzulernen, mit denen sie sich gut versteht.983 Darüber hinaus gibt sie an, sich darauf zu freuen, in Uniform in der Öffentlichkeit auftreten zu dürfen.984 Die Interviewte_2 formuliert konkrete Erwartungen in Bezug auf Situationen, die sie im Praktikum erleben werde. So geht sie davon aus, häufig mit betrunkenen Jugendlichen konfrontiert zu werden, in Konflikte aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei zu geraten und zu einem Suizid gerufen zu werden. Sie äußert die Hoffnung, auch viele nicht alltägliche Situationen zu erleben, da sie sich dadurch herauszufinden verspricht, ob sie die richtige Berufswahl getroffen hat.985 Nach dem Praktikum berichtet sie, das Praktikum sei »[…] RUhiger als […] gedacht […]«986 gewesen. Es habe keinen Einsatz gegeben, den sie als aufregend empfunden habe.987 Der Interviewte_3 gibt an, dass er als Polizist im Praktikum den Bürger_innen helfen will. Außerdem möchte er Handlungsroutinen erwerben und möglichst viele Erfahrungen sammeln.988 Nach der Praxisphase gibt er an, dass er gerne noch mehr erlebt hätte.989 Der Interviewte_4 möchte während des Praktikums herausfinden, ob er psychisch und physisch für den Polizeiberuf geeignet sei. Dementsprechend hoffe er darauf, vielfältige Erfahrungen zu machen und auch mit belastenden Erlebnissen konfrontiert zu werden.990 Nach der Praxisphase gibt er an, er habe sowohl positive als auch negative Erfahrungen sammeln können.991 981 982 983 984 985 986 987 988 989 990
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 72–80. Interview 1a, Mai 2014, Z. 137–138. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–177. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 120–129. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 87–91; 93–97; 107–115. Interview 2b, September 2014, Z. 67. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 50–60; 65–68. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 127–129; 131–135. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 56–57; 60. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 171.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Auch der Interviewte_6 möchte anhand der Erfahrungen in der Berufspraxis herausfinden, ob er die richtige Berufswahl getroffen hat.992 In der zweiten Interviewreihe kommt er zu dem Schluss, dass die Erfahrungen im Praktikum ihm diese Sicherheit noch nicht gebracht haben, da er der Meinung ist, in dessen Verlauf noch nicht genug erlebt zu haben.993 Der Interviewte_7 gibt an, dass er gerne Situationen erleben möchte, die man als Privatperson nicht erleben könne. Auf diese Weise erhoffe er sich einen umfassenden Einblick in die Hintergründe der Polizeiarbeit. Darüber hinaus wünscht er sich, Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichen Menschen sammeln zu können.994 In der zweiten Interviewreihe berichtet er, dass sich seine Erwartungen und Hoffnungen innerhalb der Praxisphase weitestgehend erfüllt haben.995 Der Interviewte_8 erwartet ebenfalls, in möglichst umfassender Weise die berufliche Praxis von Polizist_innen erleben zu können. Er möchte mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommen und vielfältige Erfahrungen sammeln. Er gibt an, sich vor allem für verschiedene Milieus und Schichten zu interessieren, in denen er sich bisher nicht bewegt habe.996 Auch der Interviewte_9 möchte im Praktikum eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Situationen und Einsätze erleben und so einen umfassenden Einblick in die Praxis der Berufsausübung erhalten.997 Dabei sei es ihm wichtig, »[…] dass ich ERFAHRungen mitnehm auch positv wie negative erfahrungen […] die bringen einen ja immer WEITER[.]«998
Nach der Praxisphase gibt er an, dass die Hoffnung, selbstständig arbeiten zu können, sich erfüllt habe.999 Die Erwartungen der Interviewten_10 beinhalten vor allem Anforderungen an sich selbst. Sie hofft darauf, ihre Aufgaben gut zu erfüllen.1000 Die Interviewte_11 gibt an »[…] wirklich !OHNE! vorstellungen […]«1001 in das Praktikum hineinzugehen. Sie freue sich allerdings auf die Zusammenarbeit mit den Kolleg_innen innerhalb ihrer Schicht.1002 Der Interviewte_13 hofft auf eine nette Kolleg_innen und gute Zusammenarbeit inner991 992 993 994 995 996 997 998 999 1000 1001 1002
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 295. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 144–147. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 335–339. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 100–103. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 7–9; 44–54; 59–62. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 140–167. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 131–134. Interview 9a, Mai 2014, Z. 171–173. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 162–169. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 117–118; 133–136. Interview 11a, Mai 2014, Z. 74. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 97–100.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
halb seiner Schicht1003 und dass die »[…] die LEUTE mal nicht bei so, bei jedem SCHEIß die polizei rufen […]«1004, sondern »[…] immer schÖN nETT sind un brAV[.]«1005. In der zweiten Interviewreihe gibt er an, dass das Praktikum in vieler Hinsicht seine Erwartungen erfüllt habe. So habe er die gewünschten Erfahrungen bezüglich der Teamarbeit und im Umgang mit Menschen machen können. Auch mit der Vielfalt der Erlebnisse und Herausforderungen sei er zufrieden. Darüber hinaus habe er Routine darin erlangt, sich auf stets neue Situationen einzustellen.1006 Die Interviewte_14 hofft, ihre Kenntnisse in der russischen Sprache gewinnbringend im Polizeidienst einsetzen zu können, beispielsweise um bei Konflikten zu vermitteln. Außerdem erwartet sie, auch in anderen Einsätzen, wie beispielsweise bei häuslicher Gewalt, schlichten zu können.1007 Nach dem Praktikum gibt sie an, dass sich ihre Hoffnung auf die Erfahrung der Begegnung mit einer Leiche ebenso erfüllt habe wie die, Einblick in die Hintergründe der Polizeiarbeit zu gewinnen.1008 Die Interviewte_15 hofft, ihre in der Schule erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Praxis erproben zu können. Außerdem wünscht sie sich, als Polizistin anderen Menschen helfen zu können.1009 Der Interviewten_16 würde es genügen, zunächst nur einen groben Einblick in den Berufsalltag der Polizist_innen zu erhalten. Sie hofft, selbstständig arbeiten zu können und Handlungssicherheit zu gewinnen.1010 Auch die Interviewten_18, _19 und _20 möchten einen Einblick in den Berufsalltag von Polizist_innen gewinnen und vielfältige Erfahrungen sammeln.1011 Im Anschluss an die Praxisphase äußert der Interviewte_18, dass er den Beruf als abwechslungsreich erlebt habe.1012 Demgegenüber zeigt sich die Interviewte_19 enttäuscht darüber, nicht so viel erlebt zu haben wie im Vorfeld erhofft. Dennoch haben sie die Erfahrungen in der Praxis in ihrem Berufswunsch bestärkt.1013 Der Interviewte_20 hofft, von seiner Schicht gut aufgenommen zu werden.1014 Nach dem Praktikum berichtet er, dass sein Wunsch, Handlungssicherheit in der Praxis zu erwerben, sich erfüllt habe.1015 Der Interviewte_21 geht mit der Hoffnung in das Praktikum, dort berufspraktische Kompetenzen zu 1003 1004 1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013 1014 1015
Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 215–218. Interview 13a, Mai 2014, Z. 271–273. Interview 13a, Mai 2014, Z. 283. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 287–292. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 138–143; 169–174. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 91–94. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 186–193; 227–232. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 200–203; 207–212. Vgl. Interview 18a, Mai 2014, Z. 72–75; Interview 19a, Mai 2014, Z. 128–138; Interview 20a, Mai 2014, Z. 143–147. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 55–61; 63–71. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 135–143. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 147–149. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 159–170.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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erwerben, die Erlebnisse in dieser Phase der Ausbildung gut zu verkraften und gesund in die Schule zurückzukehren. Außerdem erwartet er, aufregende Situationen zu erleben und einen guten Revier- und Praxisanleiter an der Seite zu haben.1016 Vom Verlauf der Praxisphase erhofft er sich eine Bestärkung in seiner Berufswahl.1017 Die Erwartungen des Interviewten_22 beziehen sich ebenfalls darauf, die Gelegenheit zur praktischen Umsetzung des in der Theorie angeeigneten Wissens zu erhalten.1018 In der zweiten Interviewreihe gibt er an, dass seine Erwartung, im Praktikum mit einer Leiche konfrontiert zu werden, sich erfüllt habe.1019 Auch die Interviewte_23 erhofft sich, eine große Vielfalt an praktischen Erfahrungen sammeln zu können, um diese in ein Verhältnis zum theoretisch Gelernten setzen zu können. Gleichzeitig gibt sie aber an, möglichst wenige negative Situationen erleben zu wollen. Dennoch erwarte sie, »[…] hart anpacken […]«1020 zu müssen.1021 Nach der Praxisphase äußert sie sich enttäuscht über die ihr zugeteilten Aufgabenbereiche.1022 Der Interviewte_24 berichtet, während des Praktikums festgestellt zu haben, dass die Theorie in für ihn überraschendem Ausmaß von der Praxis abweiche.1023 Für den Interviewten_27 haben sich die Erwartungen, die Theorie in der Praxis erproben zu können und einen guten Umgang mit den Kolleg_innen zu pflegen, erfüllt.1024 Der Interviewte_28 gibt an, bereits vor dem Praktikum geahnt zu haben, dass die Theorie sich stark von der Praxis unterscheiden werde. Dies habe sich auch bestätigt.1025 Der Wunsch des Interviewten_29, einen spektakulären Fall zu erleben, der ihm noch lange in Erinnerung bleiben werde, hat sich seinen Angaben zufolge im Praktikum nicht erfüllt. Die Hoffnung, von den Bürger_innen respektvoll behandelt zu werden, sei hingegen erfüllt worden.1026 Zusammenfassung Subkategorie 6: Hoffnungen und Erwartungen / Wünsche Bis auf den Interviewten_25 äußern sich alle Interviewten zu Hoffnungen und Erwartungen im Hinblick auf die Praxisphase. 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026
Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 145; 150–163; 175–177; 204–207; 281–287. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 235–238. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 114–115; 127–130; 156–159. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 206–208; 215–218. Interview 23a, Mai 2014, Z. 71. Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 56–57; 60–62; 69. Vgl. Interview 23b, September 2014, Z. 154–155. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 37–41; 44–46. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 52–59. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 389–392. Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 119–123.
292
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Am häufigsten wird die Erwartung genannt, einen umfassenden Einblick in die Praxis des Polizeiberufs zu erlangen und das gelernte theoretische Wissen in der Praxis umsetzen zu können. Diese Erwartung findet sich in insgesamt 14 Interviews der ersten Interviewreihe.1027 In der zweiten Interviewreihe reduzieren sich die Aussagen zu diesem Thema auf sechs.1028 Dabei geben die Interviewten_8 und _12 an, dass sich die Erwartungen erfüllt haben. Des Weiteren wird von den Interviewten häufig die Hoffnung angesprochen, im Praktikum vielfältige Erfahrungen machen zu können.1029 Insgesamt äußern sich zehn Interviewte zu diesem Thema. Sechs Interviewte erhoffen sich, anhand dieser Erfahrungen Gewissheit darüber zu erlangen, ob sie sich für den richtigen Beruf entschieden haben.1030 Darin eingeschlossen sind durchaus auch negative Erfahrungen, die für die Interviewten ebenfalls das Potenzial zur persönlichen Weiterentwicklung beinhalten. Einige der Befragten hoffen auch auf spannende und aufregende Einsätze. Lediglich die Interviewte_23 gibt an, schlimme und belastende Ereignisse nicht erleben zu wollen.1031 Allerdings äußert nur einer der Interviewten, die sich im Vorfeld die Bestätigung ihrer Berufswahl erhofft haben, im Anschluss an das Praktikum explizit, sich uneingeschränkt mit dem Beruf identifizieren zu können. Zwei weitere Interviewte, die vor dem Praktikum nicht auf dieses Thema eingegangen sind, schließen sich dieser Aussage an.1032 1027 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 72–80; Interview 3a, Mai 2014, Z. 103–107; Interview 6a, Mai 2014, Z. 144–149; Interview 8a, Mai 2014, Z. 140–145; 155–167; Interview 9a, Mai 2014, Z. 131–134; Interview 12a, Mai 2014, Z. 110–118; 152–155; Interview 15a, Mai 2014, Z. 186–193; Interview 16a, Mai 2014, Z. 200–203; 208–212; Interview 18a, Mai 2014, Z. 72–73; Interview 19a, Mai 2014, Z. 147–149; 154–157; Interview 20a, Mai 2014, Z. 143–147; Interview 21a, Mai 2014, Z. 153–163; Interview 22a, Mai 2014, Z. 114–115; 127–130; Interview 23a, Mai 2014, Z. 60–62; 69. 1028 Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 213–219; Interview 12b, September 2014, Z. 96–101; Interview 17b, September 2014, Z. 5–12; Interview 24b, September 2014, Z. 37–41; 44–46; 54–56; Interview 27b, September 2014, Z. 52–59; Interview 28b, September 2014, Z. 389–392a. 1029 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 93–94; Interview 4a, Mai 2014, Z. 169–173; 217–227; Interview 5a, Mai 2014, Z. 209–217, 386–406; Interview 7a, Mai 2014, Z. 89–91; 100–103; Interview 9a, Mai 2014, Z. 171–173; Interview 10a, Mai 2014, Z. 124–125; Interview 12a, Mai 2014, Z. 104–105; Interview 17a, Mai 2014, Z. 72–75; 84–86; Interview 21a, Mai 2014, Z. 145; Interview 23a, Mai 2014, Z. 56–57; 71. 1030 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 107–115; Interview 5a, Mai 2014, Z. 374–380; Interview 12a, Mai 2014, Z. 156–159; Interview 17a, Mai 2014, Z. 75–82; Interview 21a, Mai 2014, Z. 235–238; Interview 22a, Mai 2014, Z. 157–159; 161–163. 1031 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 93–94; Interview 4a, Mai 2014, Z. 169–173; 217–227; Interview 5a, Mai 2014, Z. 209–217; 386–406; Interview 7a, Mai 2014, Z. 89–91; 100–103; Interview 9a, Mai 2014, Z. 171–173; Interview 10a, Mai 2014, Z. 124–125; Interview 12a, Mai 2014, Z. 104–105; Interview 17a, Mai 2014, Z. 72–75; 84–86; Interview 21a, Mai 2014, Z. 145; Interview 23a, Mai 2014, Z. 56–57; 71. 1032 Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 63–73; Interview 18b, September 2014, Z. 63–71; Interview 19b, September 2014, Z. 135–139.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Sieben Interviewte geben an, sich im Praktikum noch mehr und noch vielfältigere Erfahrungen gewünscht zu haben,1033 während drei weitere der Meinung sind, dass ihre Erfahrungen ausreichend gewesen seien.1034 Die Interviewte_14 zeigt sich besonders überrascht über die Vielfalt an Erlebnissen und Erfahrungen, die sie in der Stadt, in der sie ihr Praktikum absolviert habe, machen konnte.1035 Des Weiteren thematisieren die Befragten ihre Erwartungen in Bezug auf den Kontakt mit den Bürger_innen. Der Interviewte_17 sieht dem Umgang mit Menschen allgemein erwartungsvoll entgegen, während der Befragte_8 sein persönliches Interesse spezifiziert, indem er Erfahrungen mit verschiedenen sozialen Schichten und Milieus als besonders interessant erachtet.1036 Drei Interviewte freuen sich darauf, in ihrer Rolle als Polizeibeamt_innen den Bürger_innen helfen zu können.1037 An diese anstehenden Begegnungen knüpfen sich auch Befürchtungen. Die Interviewte_2 beispielsweise spricht von der Erwartung, vor allem Konflikte aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei zu erleben.1038 Der Interviewte_13 hofft auf »brave« Bürger_innen, die nur in Ernstfällen die Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen.1039 Der Interviewte_21 gibt an, den Reaktionen der Bürger_innen auf das Auftreten von Polizist_innen innerhalb verschiedener Einsätze mit Spannung entgegen zu sehen.1040 Zwei Interviewte freuen sich darauf, mit der Uniform auf der Straße erkannt zu werden.1041 Sechs Interviewte hoffen auf eine gute Zusammenarbeit mit Kolleg_innen1042, zwei davon geben im Anschluss an das Praktikum an, dass sich ihr Wunsch nach einer guten Zusammenarbeit erfüllt habe.1043 Zwei weitere Interviewte erhoffen sich durch das Praktikum, zunehmend Handlungssicherheit in der Berufsausübung zu erwerben1044, ein Interviewter äußert rückblickend, dass dies gelungen 1033 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 53–64; Interview 2b, September 2014, Z. 50–60; 65–68; Interview 3b, September 2014, Z. 56–57; 60; Interview 6b, September 2014, Z. 355–357; Interview 19b, September 2014, Z. 139–143; 145–148; Interview 23b, September 2014, Z. 154–155; Interview 29b, September 2014, Z. 97–117. 1034 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 295; Interview 13b, September 2014, Z. 285–292; Interview 18b, September 2014, Z. 55–61. 1035 Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 91–101. 1036 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 146–154; Interview 17a, Mai 2014, Z. 71–72. 1037 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 131–135; Interview 14a, Mai 2014, Z. 138–143; 169–174; Interview 15a, Mai 2014, Z. 227–233. 1038 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 94–97. 1039 Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 270–273; 282–283. 1040 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 281–287; Interview 29b, September 2014, Z. 119–123. 1041 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 124–129; Interview 5a, Mai 2014, Z. 173–180. 1042 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–177; Interview 11a, Mai 2014, Z. 97–100; Interview 13a, Mai 2014, Z. 215–218; Interview 15a, Mai 2014, Z. 216–219; Interview 20a, Mai 2014, Z. 147–149; Interview 21a, Mai 2014, Z. 204–207. 1043 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 205–215; Interview 7b, September 2014, Z. 44–48. 1044 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 127–129; Interview 16a, Mai 2014, Z. 207–208.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
sei.1045 Drei Interviewte formulieren die Erwartung, im Praktikum eine Leiche zu sehen, wovon sich bei zwei diese Erwartung auch bestätigt hat.1046 Die Interviewte_1 hofft, von den ihr begegnenden Anforderungen in der Praxis nicht überfordert zu werden.1047 Die Interviewte_10 hat den Anspruch an sich selbst, ihre Aufgaben gut zu erfüllen.1048 Ähnlich erwartet auch die Interviewte_16, in der Lage zu sein, die in der Theorie erlernten Handlungsschritte in der Praxis korrekt zu durchzuführen.1049 Der Interviewte_18 hofft, dass er sich für seine Kolleg_innen als nützlich erweisen werde, indem er zur Lösung der begegnenden Fälle beitrage.1050 Zwei Interviewte geben die Hoffnung an, das Praktikum körperlich unversehrt beenden zu können.1051
Interpretation Subkategorie 6: Hoffnungen und Erwartungen/ Wünsche Die meisten der befragten Polizeischüler_innen zeigen ein Interesse daran, das in der Schule erlernte theoretische Wissen nun in der Praxis erproben zu können. Darin spiegelt sich die Motivation der Auszubildenden, sich in den alltäglichen Herausforderungen des Polizeiberufs zu erproben. Gleichzeitig stellt die Erprobung des theoretisch angeeigneten Wissens in zweierlei Hinsicht eine Überprüfung dar. Einerseits wird dieses Wissen hinsichtlich seiner Praxistauglichkeit und –relevanz überprüft. Andererseits steht für die angehenden Polizist_innen ihre Vorstellung von dem von ihnen gewählten Beruf auf dem Prüfstand. Dabei soll sich erweisen, ob sich ihr Bild von diesem Beruf bestätigen lässt und ob die Realität der Berufsausübung den Erwartungen und Motiven, die die Auszubildenden zu ihrer Berufswahl geführt haben, standhalten kann. Folgerichtig geben einige Interviewte die Hoffnung an, in der Praxisphase Gewissheit über ihre Berufswahl zu erlangen. Dass sich viele zu diesem Zweck wünschen, sowohl mit positiven als auch mit negativen Erfahrungen konfrontiert zu werden, beweist ein hohes Reflexionsniveau bei den angehenden Polizist_innen. Ihnen ist bewusst, dass der Polizeiberuf die Beamt_innen in besonderer Weise in Kontakt mit den Schattenseiten menschlichen Daseins bringt und dass dieser Umstand hohe Anforderungen an die Polizist_innen stellt. Von ihnen ist psychische und physische Stabilität ebenso gefordert wie die Fähigkeit, in Grenzsituationen den 1045 Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 159–170. 1046 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 87–91; Interview 14b, September 2014, Z. 91; Interview 22b, September 2014, Z. 206–208; 215–218. 1047 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 120–123; 137–138. 1048 Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 117–118; 133–136. 1049 Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 303–306. 1050 Vgl. Interview 18a, Mai 2014, Z. 101–104. 1051 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 401–406; Interview 21a, Mai 2014, Z. 150–152; 175–177.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Überblick zu bewahren und handlungsfähig zu bleiben. Den Polizeischüler_innen ist bewusst, dass ihre Eignung für den Polizeiberuf maßgeblich davon abhängig ist, ob sie in der Lage sind, diese Fähigkeiten an den Tag zu legen. Dieser Einschätzung entspricht die Beobachtung, dass sich viele Interviewte nach dem Praktikum eine größere Bandbreite an Erlebnissen und Erfahrungen gewünscht hätten. Möglicherweise steht hinter solchen Äußerungen die Enttäuschung, dass der Beruf nicht den Vorstellungen der Proband_innen entspricht. Einige Aussagen deuten jedoch darauf hin, dass gerade solche Erfahrungen vermisst wurden, die die angehenden Polizist_innen an die Grenzsituationen des Berufs hätten führen können. Den Auszubildenden scheint hier ein Aspekt des Berufsbildes zu fehlen, der aber für die Bestätigung ihrer Berufswahl entscheidend sein könnte. Vor allem die Aussagen der Interviewten_14 belegen deutlich, wie sich nicht nur das Berufsbild durch die Erfahrungen im Praktikum verändern kann. Diese Erfahrungen nehmen auch Einfluss auf die persönlichen, privaten Einschätzungen der eigenen Lebenswelt. In ihrer Eigenschaft als Polizist_innen bekommen die Auszubildenden einen umfassenden Einblick in die Problematiken der Stadt, in der sie ihren Dienst verrichten, einen Einblick, der Privatpersonen in der Regel verwehrt bleibt. Dieses umfängliche Wissen um kriminelle Energien und potenzielle Gefährdungen innerhalb der eigenen Lebenswelt führt dazu, dass es auch im privaten Kontext zu einem Verlust von Sicherheitsgefühl kommen kann.1052 Häufig wird von den Interviewten die Hoffnung auf eine gelingende Beziehung zu den Kolleg_innen und einen guten Umgang mit diesen formuliert. Die Proband_innen sind sich darüber im Klaren, dass sie von der Erfahrung der dienstälteren Kolleg_innen profitieren und diese ihnen Sicherheit in ihrer Rolle als Berufsanfänger geben können. Eine gute Beziehung untereinander, die wechselseitiges Vertrauen ermöglicht, spielt hier eine entscheidende Rolle. Folgerichtig legen einige der angehenden Polizist_innen auch Wert darauf, mit motivierten Kolleg_innen und Praxisanleiter_innen zusammenzuarbeiten.1053 Sie beweisen damit ein Bewusstsein dafür, dass das Gelingen ihres Praktikums und auch die Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung von der Haltung der sie begleitenden Beamt_innen abhängig sind. Die ebenfalls häufig zur Sprache kommenden Erwartungen in Bezug auf den Umgang mit Menschen zeigen, dass die Polizeischüler_innen wissen, dass dieser 1052 Vgl. dazu Makrokategorie III: Persönlichkeit und Beruf, Subkategorie 1 »Privatheit und private Interessen«. 1053 Vgl. dazu Makrokategorie I: Berufsethik und kommunikatives Handeln, Subkategorie 7 »Innere Konflikte« und Makrokategorie III: Persönlichkeit und Beruf, Subkategorie 4 »Gefühle« sowie Makrokategorie V: Praktikum, Subkategorie 5 »Erwartungen an Anleitende, Lehrer_innen«.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
die täglichen Aufgaben im Polizeiberuf entscheidend prägt. Interessant ist dabei, dass die einzelnen Proband_innen in ihren Erwartungen unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Die einen thematisieren eher die Erwartung von Konflikten mit Bürger_innen, andere wiederum legen den Fokus auf die Hoffnung, in Notsituationen Menschen helfen zu können. In diesen Schwerpunktsetzungen spiegelt sich u. E. das Berufsbild, das bei den jeweiligen Interviewten vorherrscht. Während die einen den Polizeiberuf eher als gefährlichen Beruf sehen und möglicherweise Polizist_innen eher die Rolle des Wächters über Recht und Ordnung zuschreiben, steht bei anderen das Bild des »Freund und Helfers« im Vordergrund, der um das Wohl der Bürger_innen bemüht ist und als deren Ansprechpartner bei Problemen fungiert. Auf der Basis dieser Bilder können umgekehrt die mutmaßlichen Motivationen der einzelnen Proband_innen für ihre Berufswahl rekonstruiert werden. Ein entsprechendes Bewusstsein wird wiederum im Wunsch der Interviewten nach vielfältigen Erfahrungen im Praktikum deutlich, indem für sie das Kennenlernen der unterschiedlichen Facetten des Polizeiberufs einer Überprüfung dient, ob den Motivationen im gewählten Beruf in ausreichender Weise Rechnung getragen wird. Weitere Erwartungen der Proband_innen beziehen sich auf die eigene Wirkung auf die Bürger_innen in der Rolle als Polizist_in. Bei zwei Interviewten spielt in diesem Zusammengang das Tragen der Uniform eine Rolle. In den Aussagen spiegeln sich die Freude und der Stolz, die Uniform in der Öffentlichkeit tragen zu dürfen. Sie ist das Erkennungszeichen von Polizist_innen, das sie als Vertreter dieser Berufsgruppe auszeichnet. Das Tragen der Uniform bringt einen Zugewinn an Autorität mit sich, die einzelnen Polizeischüler_innen werden in noch nie erlebter Weise von den Bürger_innen wahrgenommen. Darüber hinaus wirkt sie identitäts- und gemeinschaftsstiftend, da sie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe signalisiert. Dass die Uniform als äußeres Erkennungszeichen auch zu negativen Reaktionen der Bürger_innen führen kann, wird in den Darstellungen im Zusammenhang mit anderen Subkategorien deutlich. Genannt sei hier beispielhaft die Subkategorie »Umgang mit Konflikten«, in der sich die angehenden Polizeischüler_innen auch zu Konflikten aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei äußern. Die Äußerungen der Proband_innen zeigen darüber hinaus ein Bewusstsein für die Verantwortung, die das Tragen der Uniform impliziert. Durch sie sind sie, für alle erkennbar, Repräsentant_innen der staatlichen Gewalt und stehen in der Pflicht, sich den damit einhergehenden Herausforderungen zu stellen und sie zu meistern.1054 Die Aussagen in Bezug auf die Hoffnungen der Proband_innen, im Praktikum Handlungssicherheit zu erwerben, zielen u. E. in eine ähnliche Richtung wie die 1054 Vgl. dazu Makrokategorie I: Berufsethik und kommunikatives Handeln, Subkategorie 7 »Innere Konflikte«, Mensch und Uniform.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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geäußerte Hoffnung, physisch (und psychisch) unversehrt aus dem Praktikum herauszugehen. In beiden äußert sich ein Bewusstsein für die Herausforderungen des Polizeiberufs, denen es gewachsen zu sein gilt. Die Auszubildenden scheint die Frage zu beschäftigen, ob ihnen der Umgang mit den Herausforderungen gelingen wird und sie in der Lage sein werden, in ihrer Berufspraxis den Anforderungen des Berufsalltages standzuhalten. Auch hier spielt die Vorstellung des Praktikums als Prüfstein für die persönliche Eignung für diesen Beruf sowie als Bestätigung der Berufswahl eine Rolle. Der Berufsethikunterricht sollte u. E. bei diesen Fragen schon im Vorfeld der Praxisphase ansetzen. Dabei ist die Auseinandersetzung mit der Frage – und den eventuell vorhandenen Zweifeln – nach der persönlichen Eignung für den Polizeiberuf ebenso bedeutend wie die Klärung der bei den Auszubildenden vorherrschenden Berufsbilder. Auf diese Weise kann im Anschluss an das Praktikum eine reflektierte Auseinandersetzung mit diesen Fragen auf der Basis der Erlebnisse in der Praxis geschehen. Außerdem kann der Berufsethikunterricht einen Beitrag dazu leisten, Erwartungen an den Polizeiberuf und Befürchtungen in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten ins rechte Licht zu rücken. Dabei sollte der Unterricht in engem Bezug zur Praxis gestaltet werden. Die Vorstellungen und auch die Befürchtungen der Polizeischüler_innen sind zumeist sehr konkret. Ebenso konkret müssen sie im Berufsethikunterricht in praxisnahen Beispielen verankert werden. Ein weiteres Thema, das es im Berufsethikunterricht aufzugreifen gilt, ist der Umgang mit den Bürger_innen. Der Kontakt zu Menschen unterschiedlicher Herkunft und verschiedener sozialer Milieus macht den Alltag von Polizeibeamt_innen aus. Nicht immer wird den Polizist_innen mit Respekt und Wertschätzung entgegengetreten. Dennoch sind sie dazu angehalten, die ihnen begegnenden Menschen vorurteilsfrei zu behandeln. Dazu bedarf es einer ausgeprägten Reflexionsfähigkeit und einer zuvor angeeigneten Grundhaltung, deren Basis im Berufsethikunterricht gelegt werden kann. Als weiterer entscheidender Themenblock im Berufsethikunterricht lässt sich aus den Aussagen der Interviewten u. E. der Umgang mit den Kolleg_innen ableiten. Einige der Proband_innen äußern die Hoffnung auf ein gutes Verhältnis mit den Kolleg_innen. Dahinter steht das Bewusstsein, gerade in der Anfangsphase der beruflichen Karriere einen besonderen Bedarf an Unterstützung und Anleitung zu haben. Der Berufsethikunterricht steht hier in der Pflicht, gemeinsam mit den angehenden Polizist_innen die Voraussetzungen und Kriterien einer gelingenden Zusammenarbeit zu erarbeiten. Dabei muss die Frage nach den Möglichkeiten der Auszubildenden, zu einer solchen aktiv beizutragen, ebenso behandelt werden, wie die Handlungsmöglichkeiten im Falle von entstehenden Konflikten. Es gilt, den Polizeischüler_innen den Mut zu machen, sich aktiv für ihre Bedürfnisse einzusetzen, und ihnen die Fähigkeit zu ver-
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
mitteln, respektvoll Probleme und Unzufriedenheiten kommunizieren zu können. Auf diese Weise werden die Auszubildenden aus der passiven Rolle der zu Belehrenden, die den Fähigkeiten und dem Wohlwollen der dienstälteren Kolleg_innen ausgeliefert sind, in eine aktive Rolle der Lernenden gebracht, die sich selbsttätig für ihre eigene Weiterentwicklung einsetzen können.
15.4.7 Subkategorie 7: Familiäre Sozialisation Der Interviewte_4 sagt aus, dass sein Vater ebenfalls als Polizist tätig sei und er sich daher mit ihm über berufliche Belange austauschen könne.1055 Der Interviewte_5 gibt an, dass er ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern habe und diese daher wichtige Gesprächspartner für ihn seien.1056 Auch in der Familie des Interviewten_8 gibt es bereits Vertreter des Polizeiberufs. Ein anderer Teil der Familie gehöre jedoch eher zum polizeilichen Gegenüber. Daher fühle er sich »zweigeteilt«. Außerdem habe er Angst, einen Angehörigen tot aufzufinden.1057 Auf das Thema des Modelllernens geht er im Zusammenhang mit dem Erlebnis eines Suizids innerhalb seiner Familie ein. Er gibt an, dass ein Suizid als vermeintliche Bewältigungsstrategie für ihn selbst unter keinen Umständen in Frage käme.1058 Seine Familie sei ihm sehr wichtig und er wisse, dass immer hinter ihm stehe, auch im Falle seines persönlichen Scheiterns.1059 Die Interviewte_11 berichtet, sie habe in ihrem Elternhaus die grundsätzliche Haltung vermittelt bekommen, gegenüber anderen stets Stärke zu zeigen.1060 Der Interviewte_20 gibt an, seine Familie sei für ihn ein entscheidender Rückhalt, berufliche Probleme bespreche er jedoch eher mit Personen, die in die entsprechende Situation involviert und mit den polizeilichen Strukturen vertraut seien.1061 Der Interviewte_21 sagt aus, dass die Eltern einiger seiner Klassenkamerad_innen bei der Polizei tätig seien.1062 Der Vater des Interviewten_28 ist Polizist, weshalb er sich mit ihm gut austauschen könne.1063
1055 1056 1057 1058 1059 1060 1061 1062 1063
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 349–351. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 345–351. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171–185. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 300–304; 308–310. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 225–227; 335–337. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 306–311. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 370–380. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 494–501. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 391–392.
Makrokategorie III – Persönlichkeit und Beruf
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Zusammenfassung Subkategorie 7: Familiäre Sozialisation Insgesamt sprechen sieben Interviewte über ihre familiäre Sozialisation. Zwei der Interviewten geben an, dass ihr Vater ebenfalls Polizist sei.1064 Ein angehender Polizist führt an, durch die Eltern seiner Klassenkamerad_innen mit dem Polizeiberuf in Kontakt gekommen zu sein. Ein Interviewter gibt zu, Familienmitglieder zu haben, die eher in Konflikt mit der Polizei stünden. Seine Familie sei ihm dennoch sehr wichtig.1065 Eine Interviewte berichtet, von ihren Eltern eine Grundhaltung der Stärke vermittelt bekommen zu haben, mit der sie ihrem Umfeld gegenübertreten solle.1066 Der familiäre Rückhalt spielt für einen weiteren Interviewten eine wichtige Rolle.1067 Interpretation Subkategorie 7: Familiäre Sozialisation Aus den Aussagen der Interviewten wird deutlich, dass zumindest bei einigen die Berufswahl in Abhängigkeit vom Vorbild der Eltern oder anderer nahestehender Personen erfolgt ist. Außerdem scheint die Möglichkeit zum Austausch mit nahestehenden Menschen, die sich in den Arbeitsfeldern von Polizist_innen auskennen und Einblick in die polizeilichen Strukturen haben, eine Ressource bei der Bewältigung der Herausforderungen des Berufsalltags zu sein. Beim Interviewten_8 führt die eigene Berufswahl zu einem inneren Konflikt, da seine berufliche Rolle als Vertreter des Gesetzes ihn in Opposition zu einigen seiner Familienmitglieder bringen könnte. Der Umgang mit diesem Zwiespalt zwischen der beruflichen und privaten Rolle scheint ihm Probleme zu bereiten. Er fühlt sich seiner Familie verbunden, auch denjenigen Mitgliedern, die dem polizeilichen Gegenüber zuzurechnen sind. Entsprechend betont er mehrfach die Bedeutung seiner Familie und die Tatsache, dass er sich ihrer Unterstützung jederzeit sicher sein könne. Hinter der Befürchtung, bei einem Einsatz in die Situation zu kommen, einen Angehörigen, eine Angehörige anzutreffen oder gar tot aufzufinden, steht u. E. neben der vordergründigen Angst vor einem persönlichen Verlust zweierlei: einerseits die Befürchtung, zu einer öffentlichen Distanzierung von einem Familienmitglied, das in Konflikt mit der Polizei gerät, gezwungen zu sein, und andererseits die Sorge, durch das Verhalten von Angehörigen vor den Kolleg_innen blamiert zu werden. Verschärft wird diese Sorge dadurch, dass die familiäre Vorgeschichte ein solches Ereignis nicht als unwahrscheinlich erscheinen lässt. 1064 1065 1066 1067
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 349–351; Interview 28b, September 2014, Z. 391–392. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171–192; 225–227; 300–304; 308–310; 328–337. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 305–312. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 370–380.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Dass durch die familiäre Sozialisation vermittelte Einstellungen und Grundhaltungen sich auf die Auszubildenden auswirken, zeigt die Aussage der Interviewten_11. Ihr wurde in ihrem Elternhaus vermittelt, sich nach außen stets stark zu zeigen. Ihre Aussagen lassen vermuten, dass sie sich mit dieser Forderung soweit identifiziert hat, dass diese Haltung fester Bestandteil ihres Verhaltensmusters geworden ist. Entsprechend ist sie gewillt, auch in der Berufsausübung auf den Ratschlag ihrer Eltern zurückzugreifen. Möglicherweise vermutet sie dahinter einen Schutz vor Bloßstellung und eine Möglichkeit, sich vor Angriffen und Verletzungen zu schützen. Fraglich ist jedoch, inwieweit dieser Ratschlag dazu führen könnte, dass die Interviewte im Laufe der Zeit Opfer ihrer eigenen, unterdrückten Gefühle werden kann. Eine Trennung zwischen beruflichen und privaten Angelegenheiten findet sich in der Aussage des Interviewten_20. Dieser ist sich zwar des familiären Rückhalts sicher, entscheidet sich aber bewusst dafür, berufliche Angelegenheiten nicht in den privaten Bereich hineinzutragen. Hintergrund dieser Entscheidung könnte der Wunsch sein, das Privatleben und die Angehörigen vor den Problemen des Berufs zu schützen. Die Familie bleibt für ihn dennoch als Rückhalt und Ressource bei der Bewältigung des Berufsalltags erhalten, möglicherweise sogar in besonderer Weise, da die strikte Trennung von Beruf und Privatleben einen geschützten privaten Raum eröffnet, in dem der Proband Abstand von beruflichen Problemen gewinnen kann. Im Berufsethikunterricht könnte dieses Thema seinen Niederschlag in der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Work-Life-Balance finden. Es ist davon auszugehen, dass es kein Patentrezept für alle angehenden Polizist_innen gibt, wie das Verhältnis von Beruf und Privatleben zu handhaben ist. Eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Für und Wider dieser Trennung ist jedoch unbedingt zu leisten.
15.5 Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen und Bewältigungsstrategien Die Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemlagen und Bewältigungsstrategien beinhaltet Aussagen der Interviewten zu dem Umgang mit belastenden Situationen, aber auch zu erfreulichen Erfahrungen und Erlebnissen im Berufsalltag von Polizist_innen. Dabei kristallisiert sich das Gespräch mit Dritten als wesentliche und häufig in Anspruch genommene Bewältigungsstrategie heraus. Die Aussagen der Polizeischüler_innen eröffnen einen Blick darauf, mit welchen Personen, innerhalb sowie außerhalb der Polizei, das Gespräch über berufliche Probleme und be-
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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lastende Erlebnisse gesucht wird. Dabei zeigt sich, dass sowohl Kolleg_innen und Menschen aus dem privaten und familiären Umfeld als auch Fachkräfte, wie beispielsweise Seelsorger_innen und (Polizei-)Psycholog_innen, als mögliche Gesprächspartner in Erwägung gezogen werden. In diesem Zusammenhang beschreiben die Polizeischüler_innen auch ihr Professionsverständnis von Seelsorger_innen und (Polizei-)Psycholog_innen. Darüber hinaus benennen die Proband_innen zahlreiche weitere Bewältigungsstrategien, derer sie sich im Umgang mit Problemen und belastenden Erfahrungen bedienen und die sich ihrer bisherigen Erfahrung nach als funktionell erwiesen haben. Als weiterer Aspekt der Bewältigung wird der Umgang der Kolleg_innen auf den Revieren thematisiert. Nach der Praxisphase reflektieren die Polizeischüler_innen, inwiefern Kolleg_innen und Anleiter_innen mit ihren Erfahrungen und ihrem zuweilen humorvollen Umgang mit den beruflichen Herausforderungen bei der Bewältigung als Vorbild dienen und den Proband_innen eine Hilfe sein konnten. Zuletzt finden sich in den Aussagen der angehenden Polizist_innen Überlegungen zu der Frage, welchen Nutzen sie aus einzelnen Bewältigungsstrategien ziehen können, beziehungsweise welches Ziel sie in ihrer jeweiligen Anwendung verfolgen. Dabei ist zu bemerken, dass sich einige der Bewältigungsstrategien bedienen, um den Kopf frei zu bekommen und den beruflichen Alltag hinter sich lassen zu können, während andere im Zuge der Verarbeitung bemüht sind, das Erlebte sowie das eigene Verhalten in bestimmten Situationen zu analysieren, um zu einem Erkenntniszugewinn und zu einer erhöhten Verhaltenssicherheit im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen zu gelangen. Die Makrokategorie ist hauptsächlich geprägt von Darstellungen negativer Erlebnisse. Es wird von den Polizeischüler_innen jedoch mehrmals betont, dass der Berufsalltag von Polizist_innen auch positive und erfreuliche Erlebnisse und Erfahrungen bereithält.
15.5.1 Subkategorie 1: Fach- und Sachlichkeit: Professionsverständnis von Seelsorger_innen Die Reflexion persönlicher Probleme und damit einhergehend die Entscheidung darüber, wen sie im konkreten Fall als Gesprächspartner_innen bevorzugen würden, fällt vielen der Interviewten schwer. Darüber hinaus zeigen die Interviews, dass ihnen der Unterschied zwischen Seelsorger_innen und Psycholog_innen meist nicht klar ist. So gibt die Interivewte_2 offen zu, den Unterschied zwischen Psychologie und Seelsorge nicht zu kennen. Daher wisse sie auch nicht, an wen sie sich im konkreten Fall bevorzugt wenden würde.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
»oh ich glaub des wär egal ((lacht)) {{gemeinsam} {I2} egal ok ((lacht))} da wüsst ich jetzt nicht wer wie arbeitet ((lacht)) […] ne ich wüsste einfach nur nich wer am besten damit umgehn kann mit dem was ich ihm erzähl und wer mir am besten helfen könnt [mhm] (2) ich glaub deshalb wärs egal ich glaub die könnten alle gut helfen[.]«1068
Sie gibt jedoch an, dass sie ein Gespräch mit Seelsorger_innen oder Psycholog_innen grundsätzlich nur im Notfall in Anspruch nehmen würde.1069 Nach der Praxisphase erläutert sie auf Nachfrage, dass seelsorgliche und psychologische Beratung auf dem Revier nie Thema gewesen seien.1070 Auch mehrere andere Interviewte äußern, dass sie lediglich im äußersten Notfall auf die Hilfe von Psycholog_innen oder Seelsorger_innen zurückgreifen würden. Erst wenn sie alle anderen Möglichkeiten zur Bewältigung gescheitert sähen, seien sie zu diesem Schritt bereit. Dies beschreibt auch die Interviewte_16. Sie ist sich jedoch bewusst, dass die Objektivität der Seelsorger_innen und Psycholog_innen im Blick auf die Bewältigung belastender Situationen eine Hilfe sein könne.1071 Dabei messe sie beiden die gleiche Professionalität und Qualifikation in der Beratung und Begleitung bei, weshalb es ihr als nicht entscheidend erscheine, ob in der konkreten Situation Seelsorger_innen oder Psycholog_innen zu Rate gezogen würden. Entscheidend sei für sie vielmehr die Persönlichkeit: »ich kann mir vorstellen, dass der vielleicht helfen kann, des wär aber für mich so des letzte wenn ich mit meinen kollegen nicht klar komm, weil (.) des is für mich halt n fremder mann, n fremder mensch[.]«1072
Auch Interviewter_17 ist nicht in der Lage, die Arbeit von Seelsorger_innen und Psycholog_innen qualitativ zu unterscheiden. Daher sei es für ihn schwer, im konkreten Fall eine Wahl zwischen beiden zu treffen.1073 Um zu einer Entscheidung zu kommen, würde er in einer entsprechenden Situation daher auf die Erfahrungen von Kolleg_innen mit den beiden Berufsgruppen zurückgreifen.1074 Des Weiteren gibt der Befragte_17 an, dass die Polizeipsychologie im Berufsethikunterricht thematisiert worden sei. Diese grenzt er qualitativ von Angeboten von Psycholog_innen außerhalb der Polizei ab, indem er der Polizeipsychologie eine höhere Kompetenz in Bezug auf die Beratung und Begleitung von Polizeibeamt_innen zuspricht. Er begründet das mit dem tieferen Einblick in die Arbeitswelt der Polizist_innen und deren berufliche Anforderungen.1075 1068 Interview 2a, Mai 2014, Z. 173–175; 180–183; ähnlich Interview 2b, September 2014, Z. 184–185. 1069 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 164–170. 1070 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 323–325; 329–330. 1071 Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 363–365. 1072 Interview 16a, Mai 2014, Z. 354–358. 1073 Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 122–123. 1074 Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 127–137. 1075 Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 57–67.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
303
Auch Interviewter_5 sieht das Einsatzgebiet für Psychologie und Seelsorge in engem Zusammenhang mit Ausnahmesituationen.1076 »VOR ALLEM(.) wenns dANN WIRKLICH !BILDER! sind die man halt einfach GAR nemehr ausm kopf kriegt […] ALSO DA würd ICH AUF JEDEN fall dann professionelle hilfe, äh: in anspruch nehmen[.]«1077
Er betrachte es sogar als unmenschlich, wenn gewisse schlimme Erfahrungen den Einzelnen überhaupt nicht belasten.1078 Für den Interviewten_6 ist es wichtig, dass die Person, an die er sich mit seinen Problemen wende, vertrauenswürdig und wirklich an einer Verbesserung seiner Situation interessiert sei. An den Polizeipsycholog_innen übt er Kritik. Er ist der Ansicht, dass diese ein festgelegtes Schema abarbeiten, das dem klaren Ziel folge, den Problemen der jeweiligen Klient_innen in möglichst kurzer Zeit, vorzugsweise innerhalb eines einzigen Gesprächs, Abhilfe zu schaffen. Demgegenüber sei er jedoch der Überzeugung, dass die Bewältigung bestimmter Probleme nur in einem längeren Prozess möglich sei. Die Polizeipsychologie scheine für solche Prozesse nicht offen zu sein.1079 Auf Nachfrage bestätigt der Interviewte_4, dass er bei der Bewältigung von Problemen jede sich bietende Hilfe annehmen würde, auch die der Seelsorger_innen. Die Unterschiede zwischen seelsorglicher und psychologischer Beratung und Begleitung seien ihm jedoch nicht klar. Wichtig sei ihm bei der Bearbeitung der eigenen Problemlagen jedoch, dass das Gegenüber auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen könne. Dies vermisse er bei der Notfallseelsorge, die zwar kompetent im Umgang mit Menschen sei, jedoch nicht in der Lage, seine konkreten Erlebnisse und Gefühlslagen nachzuvollziehen. Daher seien die Kolleg_innen, die bereits vergleichbare Erfahrungen gemacht haben wie er, für ihn ebenfalls wichtige Gesprächspartner_innen.1080 Seelsorger_innen, so der Interviewte_18, suche man erst auf, wenn es sich um eine wirklich schlimme Situation handle. Das Gespräch mit Psycholog_innen dagegen werde bereits davor schon gesucht.1081 Interviewter_22 kann sich vorstellen, im Falle von traumatischen Erfahrungen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sowohl in der Polizeipsychologie als auch in der Polizeiseelsorge sieht er ein Angebot professioneller Hilfe, da beide eigens dafür ausgebildet seien. Er verweist darauf, dass im Berufs-
1076 1077 1078 1079 1080 1081
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 297–305. Interview 5a, Mai 2014, Z. 297–305. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 115–117; 304–305. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 230–239. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 240–245; 257–258; 311–323. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 156–161.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
ethikunterricht über Hilfsangebote informiert worden sei.1082 In der ersten Interviewreihe gibt die Interviewte_19 an, dass sie sich vorstellen könne, sowohl die Hilfe von Seelsorger_innen als auch von Psycholog_innen in Anspruch zu nehmen.1083 Nach dem Praktikum äußert sie demgegenüber, dass ein Besuch der Polizeipsycholog_innen für sie nicht mehr in Frage käme. Als Grund gibt sie an, dass diese Teil der Institution Polizei seien. Dies wecke bei ihr die Befürchtung, dass in einem Gespräch über ihre Probleme möglicherweise auch ihre eigene Arbeitsweise auf den Prüfstand gerate.1084 Den Besuch bei Seelsorger_innen stellt sie sich folgendermaßen vor: »ja also erschtmal ein tee: trinken und umsorgen (.) ja sowas stelle ich mir DArunter vor[.]«1085
Für den Interviewten_25 komme weder ein Besuch von Psycholog_innen noch von Seelsorger_innen in Frage. Psycholog_innen stellen für ihn aufgrund ihrer Arbeitsweise keine Option dar. Er befürchtet beispielsweise, diese könnten Hypnose anwenden und sich auf diese Weise Zugriff auf seine Psyche verschaffen.1086 Die Seelsorge lehnt er aufgrund der mutmaßlichen persönlichen Einstellung der dort tätigen Personen ab. Er befürchtet, dass die Beratung durch die Seelsorger_innen ausschließlich von einem christlichen Leitbild geprägt sei. Was er unter diesem christlichen Leitbild versteht, definiert er jedoch nicht näher. Außerdem befürchtet er, dass seelsorgliche Gespräche Glaubensinhalte zum Gegenstand haben könnten.1087
Selbsterkenntnis Viele der Interviewten geben an, bisher noch nie mit Situationen oder Erlebnissen konfrontiert worden zu sein, die sie nicht selbst hätten bewältigen können. Interviewte_1 gibt zu, sich Situationen und Problemlagen vorstellen zu können, deren Verarbeitung sie nicht allein leisten könne. Allerdings habe sie in der Schule negative Erfahrungen mit einem Streitschlichter gemacht. Diese seien für sie Grund genug, die Inanspruchnahme professioneller Hilfe in der Zukunft für sich in Frage zu stellen.1088 1082 1083 1084 1085 1086 1087 1088
Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 137–138; 168–181. Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 100–105; 174–177; 179–183. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 490–539. Interview 19b, September 2014, Z. 526–527. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 384–388; 394–396. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 405–408; 451–459. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 144–147; 217–227.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
305
Die Interviewte_11 vermutet zwar, dass ein Gespräch über Probleme und belastende Erlebnisse hilfreich sein könne, sicher sei sie sich diesbezüglich aber nicht.1089 Sie geht davon aus, dass auch das Gespräch mit Personen innerhalb der Polizei, die bereits über entsprechende Erfahrung verfügen, eine Hilfe sein könne. Insgesamt sei sie sich sicher, sich im Falle eines Problems, das sie nicht selbst lösen könne, Rat bei irgendeiner anderen Person holen würde. Im Augenblick könne sie jedoch nicht entscheiden, wer diese Person sein könnte.1090 In der zweiten Interviewreihe gibt sie an, dass die Kolleg_innen ihrer Schicht sowie ihr Praxisausbilder als Ansprechpartner nicht in Frage kämen, da sie vor ihnen ihre Gefühle nicht preisgeben wolle.1091 Auch der Interviewte_4 sieht in Gesprächen eine Möglichkeit, Probleme und belastende Situationen zu verarbeiten. Andererseits sei es aber auch seine Art, sich zurückzuziehen, um sich selbst mit dem Erlebten auseinander zu setzen. Er habe aber noch keine Situation erlebt, die er als über die Maßen belastend empfunden hätte, sodass er keine Aussage darüber machen könne, wie er sich in einem solchen Fall verhalten würde.1092 Interviewter_6 ist sich sicher, dass er über Geschehenes sprechen müsse, um es verarbeiten zu können. Auf die Frage, mit welchen Personen er sich ein solches Gespräch vorstellen könne, benennt er Freund_innen und Arbeitskolleg_innen. Wichtig sei ihm dabei, dass er diese Personen persönlich kenne und ein Vertrauensverhältnis zu ihnen bestehe. Daher gehe er davon aus, in einem entsprechenden Fall das Gespräch mit Kolleg_innen bzw. mit dem Ausbilder zu suchen, da er mit diesen viel Zeit verbringe und dadurch ein gewisses Maß an Vertrautheit sichergestellt sei. Darüber hinaus ist es in seinen Augen von großer Bedeutung, dass innerhalb der Schicht ein gutes Arbeitsklima herrscht. Seiner Ansicht nach steht dieses in einem engen Zusammenhang zum Wohlbefinden der einzelnen Kolleg_innen sowie seiner eigenen Person. Ob Gespräche mit den genannten Personen jedoch ausreichend seien, um ein solches Arbeitsklima herzustellen und zu erhalten, sagt er nicht eindeutig.1093 Auch der Interviewte_18 gibt an, dass er über Probleme und belastende Erfahrungen am ehesten mit Menschen sprechen würde, die Erfahrung im beruflichen Alltag von Polizist_innen haben, oder mit solchen, die ihm persönlich nahe stünden.1094 Im Anschluss an das Praktikum hält er fest, wie wichtig Gespräche bei der Verarbeitung von Erlebnissen seien. Durch sie sei es möglich, das Erlebte abzuhaken und den Kopf wieder frei zu bekommen.1095Auch Inter1089 1090 1091 1092 1093 1094 1095
Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 123–126. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 152–155; 173–181. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 261–285. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 246–250; 299–306; 340–353. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 212–217; 225–230; 244–251. Vgl. Interview 18a, Mai 2014, Z. 110–111; 144–147. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 152–156.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
viewter_7 empfindet Gespräche über belastende Erfahrungen als hilfreich.1096 Weiter geht er davon aus, dass es helfen könne, schwierige Erfahrungen humorvoll zu betrachten, da auf diese Weise unter Umständen das Aussprechen von persönlich Belastendem leichter falle.1097 Der Interviewte_8 ist in der ersten Interviewreihe der Überzeugung, keine Gespräche zu brauchen, um die Erlebnisse des Berufsalltages aufzuarbeiten. Er versuche vielmehr, die Probleme schnell wegzustecken und nach Möglichkeit nicht wieder aufkommen zu lassen. Es müsse einiges geschehen, bevor er sich mit einem Problem an eine andere Person wende. Solche Gespräche seien daher für ihn eine absolute Ausnahme, die besonderen Notfällen vorbehalten sei.1098 Auch nach der Praxisphase behält der Interviewte_8 diese Einstellung bei.1099 Er gibt an, sich mit Problemen und belastenden Erlebnissen auseinanderzusetzen, indem er die Situationen Revue passieren lasse, um daraus für zukünftige vergleichbare Situationen zu lernen.1100 Der Interviewte_4 sieht den Sinn von Gesprächen über Probleme und belastende Situationen darin, nachzuvollziehen, was in einer Situation geschehen ist, und im Zuge dessen zu der Sicherheit zu gelangen, selbst nichts falsch gemacht zu haben. Auf diese Weise werde eine unbelastete Wiederaufnahme des Berufsalltags im Anschluss an ein solches Gespräch ermöglicht.1101
Zusammenfassung Subkategorie 1: Fach- und Sachlichkeit: Professionsverständnis von Seelsorger_innen und Psycholog_innen Die meisten Interviewten sind nicht in der Lage, die Tätigkeitsfelder und professionsbezogenen Unterschiede von Seelsorger_innen und Psycholog_innen zu definieren. Es herrschen Unklarheiten bzw. Unwissen über die in der jeweiligen Berufsgruppe angewandten Methoden. Beide Berufsgruppen bieten in den Augen der Proband_innen professionelle Hilfe bei der Bewältigung von Problemen und belastenden Situationen an und zeichnen sich durch ihre Objektivität aus.1102 In Bezug auf beide wird angenommen, dass sie eine Hilfe bei der Bewältigung sein können.1103 Ein Interviewter gibt allerdings an, dass eine Inanspruchnahme polizeipsychologischer Beratung für ihn nicht in Frage komme, da diese nach einem festgefügten Schema ablaufe, dem es an Ergebnisoffenheit 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103
Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 161–163. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 197–200. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 239–253. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 346–348. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 303–309; 313–317. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 261–267. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 363–365. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 196–202.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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mangele.1104 Andere heben positiv hervor, dass die Polizeipsycholog_innen speziell auf Bedürfnisse von Polizist_innen ausgerichtet seien, da sie selbst über Erfahrungen im Polizeiberuf verfügen.1105 Grundsätzlich findet in den Aussagen der Proband_innen eine qualitative Unterscheidung zwischen Gesprächspartner_innen innerhalb und außerhalb der Polizei statt. Es werden auch Lehrpersonen des Fachs Berufsethik als potenzielle Ansprechpartner_innen genannt. Im Prinzip kommt als Ansprechpartner_in für die angehenden Polizist_innen jede Person in Frage, die über Erfahrungen in der Polizeiarbeit verfügt und mit den Herausforderungen des Berufs vertraut ist.1106 Allerdings sind sich die meisten Interviewten darin einig, dass sie auf die Hilfe von Seelsorger_innen und Polizeipsycholog_innen erst in letzter Instanz zurückgreifen würden. Dabei gibt ein Interviewter an, dass das Gespräch mit Psycholog_innen die erste Anlaufstelle für ihn sei, da Seelsorger_innen erst zu Rate gezogen würden, wenn sich nachhaltige, seelische Beeinträchtigungen infolge von Problemen oder belastenden Erlebnissen ergeben hätten. Psycholog_innen erfüllen für ihn hingegen schwerpunktmäßig den Zweck, hilfreiche Ratschläge zur Bewältigung und Lösung von Problemen zu geben.1107 Sowohl die Seelsorge als auch die Psychologie scheinen im Berufsethikunterricht thematisiert worden zu sein.
Selbsterkenntnis Die meisten der Interviewten geben an, bisher keine Erfahrungen gemacht zu haben, die sie als besonders belastend bezeichnen würden.1108 Daher können sie den eigenen Umgang mit solchen Situationen nicht einschätzen.1109 Einig sind sich die Proband_innen weitgehend darin, dass es bei der Bewältigung von Problemen und belastenden Situationen hilfreich sei, mit anderen ins Gespräch zu treten.1110 Uneinigkeit herrscht demgegenüber in der Frage, welche Gesprächspartner_innen als geeignet befunden werden. Einige der Proband_innen können diese Frage in Bezug auf die eigene Person nicht sicher beantworten. Als Kriterien für die Eignung einer Person als Ansprechpartner_in werden Vertrautheit und Erfahrung in vergleichbaren Situationen beziehungsweise im Polizeiberuf genannt.1111 1104 1105 1106 1107 1108 1109 1110 1111
Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 230–239. Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 57–67. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 257–258. Vgl. Interview18a, Mai 2014, Z. 156–161. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 217–227. Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 113–117. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 123–126. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 229–234; 249–254; 277–282.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Ein Interviewter berichtet, dass er es im Gespräch über Probleme und belastende Situationen als Hilfe empfinde, das Erlebte in humorvoller Weise zu besprechen.1112 Ein anderer wiederum sieht den Sinn von Gesprächen darin, mit einer Situation abzuschließen, um den Kopf wieder freibekommen zu können.1113 Ein Befragter kann für sich keinerlei Gewinn aus Gesprächen über Probleme und belastende Situationen ziehen. Er gibt an, diese lieber für sich zu behalten und allein zu verarbeiten.1114 Für eine Polizeischülerin ist eine schlechte Erfahrung mit einem Streitschlichter in der Schule der Grund dafür, eine weitere Inanspruchnahme professioneller Hilfe grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.1115 Das Gespräch erfüllt in den Augen der Polizeischüler_innen unterschiedliche Zwecke. Für einen Interviewten sei es eine Hilfe dabei, dass die belastende oder schwierige Erfahrung ihn »[…] los lasse[.]«1116 Einem weiteren Schüler helfe der Blick auf das Vergangene, neue Handlungsmöglichkeiten für die zukünftige Arbeit zu entdecken und für vergleichbare Situationen dazuzulernen.1117 Für einen anderen Befragten diene das Gespräch der persönlichen Entlastung, indem er sich darin bestärkt fühle, dass ihm in der fraglichen Situation keine Fehler unterlaufen seien. Außerdem helfe es, die erlebte Situation zu analysieren und zu verstehen.1118 Ein weiterer Polizeischüler weist darauf hin, dass das Verdrängen von Problemen und belastenden Erfahrungen ungesund sei und daher die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden solle.1119 Offene Gespräche unter den Kolleg_innen tragen für einen anderen Interviewten zu einem guten Arbeitsklima bei, da die Qualität des Arbeitsklimas in Abhängigkeit zur Befindlichkeit der einzelnen Polizeibeamt_innen stehe. Gespräche mit Kolleg_innen und Praxisanleiter_innen nähmen positiven Einfluss auf seine eigene Befindlichkeit, was sich entsprechend auf das Arbeitsklima auswirke.1120
Interpretation Subkategorie 1: Fach- und Sachlichkeit: Professionsverständnis von Seelsorger_innen und Psycholog_innen Die Tatsache, dass die meisten Interviewten keine differenzierten Aussagen darüber machen können, inwieweit sich Seelsorger_innen und Psycholog_innen in ihrer Arbeit unterscheiden, verweist auf einen Handlungsbedarf. 1112 1113 1114 1115 1116 1117 1118 1119 1120
Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 161–163, 197–200. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 152–156. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 239–253. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 144–147. Interview 25a, Mai 2014, Z. 432–434. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 303–309; 313–317. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 261–267. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 334–339. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 244–247.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Dass ein Unterschied zwischen den beiden Berufsgruppen erkannt wird, zeigen die Aussagen dazu, in welcher Situation welches Angebot bevorzugt anzunehmen sei. Die Proband_innen geben an, dass Psycholog_innen als erste Anlaufstelle bei »geringeren« Anzeichen für ein Problem, dessen Bewältigung nicht eigenständig geleistet werden könne, zu konsultieren seien, während Seelsorger_innen erst dann zum Einsatz kämen, wenn die Seele verletzt sei und entsprechende Auswirkungen zu spüren seien. Um Probleme im Berufsalltag und belastende Situationen nachhaltig verarbeiten zu können, ist es unabdingbar, dass Polizist_innen Ansprechpartner haben, mit denen sie darüber ins Gespräch treten können. Dieses Bewusstsein spiegelt sich auch in den Aussagen der Proband_innen. Polizeiseelsorger_innen und Psycholog_innen stellen ein professionelles Angebot für solche Gespräche dar. Genutzt werden kann dieses jedoch nur, wenn den Polizeibeamt_innen das Tätigkeitsprofil der beiden Berufsgruppen transparent gemacht wird. Ansonsten bleiben, wie die Interviews ergeben, vielfach Berührungsängste bestehen. Diese können beispielsweise hervorgerufen werden durch die Sorge, im Zuge eines Besuchs bei einem Psychologen, einer Psychologin bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit im Beruf auf den Prüfstand zu geraten, oder von der Befürchtung, der Fokus eines Gesprächs mit einem Seelsorger, einer Seelsorgerin könnte auf theologisch-biblischen Inhalten liegen. Auch die Vorstellung, dass die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe auf das Vorliegen einer – tatsächlichen oder von Dritten unterstellten – psychischen Störung verweist, kann der Annahme eines solchen Gesprächsangebots im Wege stehen. Da von den Polizeischüler_innen explizit gewünscht ist, innerhalb des Berufsethikunterrichts auch über Möglichkeiten professioneller Hilfe bei Problemen und belastenden Situationen informiert zu werden, ist es u. E. Aufgabe dieses Unterrichts, über das Tätigkeitsprofil von Polizeiseelsorger_innen und Psycholog_innen aufzuklären, um den angehenden Polizist_innen eine reflektierte Entscheidung zu ermöglichen, welches Angebot zur Hilfe bei der Bewältigung für sie im konkreten Fall dienlich ist und ihren Bedürfnissen am ehesten entspricht. Des Weiteren bestehen bei den Proband_innen Unklarheiten darüber, wo Seelsorger_innen bzw. Psycholog_innen auf der Dienststelle zu finden sind. Auch hier besteht Handlungsbedarf. Dabei ist jedoch zu fragen, ob dies alleinige Aufgabe des Berufsethikunterrichts sein kann oder ob es dem Aufgabenfeld der Dienststelle zuzuordnen ist, entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Aussagen der Proband_innen verweisen darauf, dass die ausschließliche Behandlung dieser Frage im Berufsethikunterricht offenbar nicht ausreicht, um bei den Auszubildenden das Wissen, wie sie Seelsorger_innen und Psycholog_innen im konkreten Fall erreichen können, zu festigen. Denn auch
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
die Polizeischüler_innen, die sich an die Behandlung dieser Frage im Unterricht erinnern, können keine klaren Aussagen mehr dazu machen. Darüber hinaus wäre es wichtig, den Polizeischülerinnen und Polizeischülern zu vermitteln, dass Seelsorger_innen auch bei kleinen, »unscheinbaren« Problemen und Belastungen zu Rate gezogen werden dürfen und ein Gespräch mit ihnen auch hier eine Hilfe sein kann. Schließlich kann der neutrale Blick einer außenstehenden und professionellen Person in jedem Fall neue Perspektiven eröffnen. Eine regelmäßige Supervision für erlebte Situationen im Berufsalltag sollte darüber hinaus zum Standard der polizeilichen Ausbildung und des Berufsalltags von Polizist_innen werden. Dadurch könnte verhindert werden, dass sich viele kleine Probleme und Belastungen mit der Zeit ansammeln und zu nachhaltigen Beeinträchtigungen der seelischen Gesundheit der Beamt_innen führen. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass die Proband_innen trotz der Unklarheiten über die jeweilige Arbeitsweise, den Seelsorger_innen und Psycholog_innen ein gewisses Vertrauen entgegenbringen und ihre Professionalität anerkennen. Dennoch stellen sie für die Auszubildenden die allerletzte Instanz dar, an die sie sich erst wenden würden, wenn sich alle anderen Strategien der Bewältigung und alle Gespräche mit anderen Personen als unzureichend erwiesen haben. Eine solche Situation wird jedoch als seltene Ausnahme im Berufsalltag betrachtet. Ein wichtiges Kriterium für die Qualität eines professionellen Gesprächsangebots besteht in den Augen der Polizeischüler_innen in den Erfahrungen, die den beiden Berufsgruppen zugesprochen werden. Es ist den Proband_innen wichtig, dass ihr Gesprächspartner vergleichbare Problemlagen und Situationen aus eigener Erfahrung kennt. Ob es dabei konkret um Erfahrungen im Polizeiberuf geht oder grundsätzlich um Lebenserfahrung, lässt sich nicht in allen Aussagen festmachen. Wichtig ist daher, den angehenden Polizist_innen transparent zu machen, auf welche Erfahrungen Polizeiseelsorger_innen und Psycholog_innen zurückgreifen können und auf der Basis welcher spezifischen Qualifikationen das Gesprächsangebot stattfindet. Das ermöglicht eine reflektierte Entscheidung der angehenden Polizist_innen, welches Angebot ihren Bedürfnissen am ehesten entspricht. Dabei ist auch eine Reflexion darüber von Bedeutung, inwieweit ein Blick von außen durch jemanden, der nicht selbst über Erfahrungen in der polizeilichen Arbeit verfügt, zuweilen hilfreich sein kann, um eine andere, relativierende Perspektive auf ein Problem zu erlangen. Da dem Umgang mit belastenden Situationen und der Bewältigung von beruflichen Problemen ein hoher Stellenwert im Curriculum des Berufsethikunterrichts einzuräumen ist, muss auch die Frage nach Hilfsangeboten zur Bewältigung thematisiert werden. Die Ergebnisse der Befragungen erwecken den Anschein, als bestehe diesbezüglich noch Handlungsbedarf, und zwar in dop-
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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pelter Hinsicht. Tatsächlich können nicht einmal Polizeibeamt_innen, die bereits auf einige Jahre im Dienst zurückblicken, fundierte Aussagen über die Arbeit von Seelsorger_innen machen.1121 Daher muss es einerseits darum gehen, angehenden Polizist_innen an den Berufsschulen die Tätigkeit von Psycholog_innen und Seelsorger_innen nahe zu bringen. Andererseits ist der Unwissenheit der dienstälteren Beamt_innen durch entsprechende Informationen und Fortbildungen entgegenzutreten, sodass sie für sich selbst und auch in der Begleitung junger Kolleg_innen auf fundiertes Wissen bezüglich der verschiedenen Hilfsangebote zurückgreifen können. Es zeigt sich in den Aussagen der Interviewten, dass die Vorstellung einer Situation, die derartig belastend sein könnte, dass zu ihrer Bewältigung Hilfe von außen in Anspruch genommen werden muss, in hohem Maße hypothetisch erscheint. Viele der Proband_innen haben solche Situationen noch nicht erlebt und können daher keine Aussage darüber machen, welche Verarbeitungsstrategien sich für sie als hilfreich erweisen würden. Zwar wird das Gespräch mit anderen Menschen einhellig als zentrale Bewältigungsstrategie erkannt, jedoch herrscht ein Dissens in der Frage nach geeigneten Gesprächspartner_innen. Daher ist es im Berufsethikunterricht als sinnvoll zu erachten, die Leistungsfähigkeit verschiedener Gesprächspartner_innen zu thematisieren, um die Grenzen der Möglichkeiten privater Gespräche und die Chancen der Inanspruchnahme professioneller Hilfe herauszuarbeiten. Eine solche Klärung kann den angehenden Polizist_innen im konkreten Fall eine Entscheidungshilfe bei der Suche nach geeigneten Ansprechpartner_innen sein. Besondere Beachtung muss denjenigen Interviewten zukommen, die das Gespräch über Probleme und belastende Situationen für sich selbst als probate Verarbeitungsmethode anzweifeln oder gar ausschließen. Eine solche Haltung kann in der Berufspraxis zu nachhaltigen Problemen führen und ist als unprofessionell zu bezeichnen. Daher ist die Notwendigkeit, Probleme und berufliche Belastungen zu verbalisieren und sich bei der Bewältigung Hilfe zu holen, ebenso herauszustellen wie die Tatsache, dass die Inanspruchnahme einer solchen Hilfe kein Zeichen von Schwäche ist, sondern vielmehr ein hohes Maß an Reflexionsbereitschaft und -fähigkeit darstellt. Des Weiteren sind die Zielvorstellungen der Proband_innen in Bezug auf solche Gespräche zu problematisieren. Die Vorstellung, dass Gespräche über belastende Erfahrungen dazu geeignet seien, diese zu vergessen und abzuhaken, muss als irrig herausgestellt werden. Vielmehr sollte der Sinn von Gesprächen darin bestehen, die erlebten Situationen und das eigene Verhalten zu verstehen und daraus Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft zu gewinnen. Dabei ist auch darauf zu verweisen, dass die Verarbeitung von Problemen und belasten1121 Bezug auf das Praktikum im Streifendienst im September 2014.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
den Situationen einen Prozess darstellt, der sich vielfach nicht in einem einzelnen Gespräch erschöpft.
15.5.2 Subkategorie 2: Gespräche führen mit… Die Interviewten sind sich, wie sich gezeigt hat, weitgehend darüber einig, dass Gespräche über belastende Erlebnisse in der Berufspraxis für die Verarbeitung unabdingbar sind. Der Interviewte_25 bringt es, sinngemäß auch stellvertretend für die meisten seiner Kolleg_innen, mit folgenden Worten auf den Punkt: »und des will ich ja auch LOSwerden […] ich muss ja mit jemandem drüber reden können weil sonst lässt mich des ja nicht los[.]«1122
Interviewter_20 beschreibt nach dem Praktikum, dass Gespräche für ihn notwendig gewesen seien, um zur Alltagsroutine zurückkehren zu können.1123 Der Interviewte_5 gibt an, dass das Reden über Erlebtes ihm zwar dazu diene, den Kopf frei zu bekommen, bezweifelt aber, dass Gespräche in allen Situationen zur Bewältigung des Erlebten ausreichend seien. Jedoch kann er auf Nachfrage hin keine anderen Bewältigungsstrategien benennen.1124 In der zweiten Interviewreihe äußert er die Ansicht, dass das Abschließen mit Erlebtem von entscheidender Bedeutung sei, da die Beschäftigung mit belastenden Erlebnissen sonst auf Dauer krank mache. Er berichtet, dass ihm im Praktikum Gespräche dabei geholfen haben, mit den Erfahrungen in der Berufspraxis abzuschließen. Als notwendige Voraussetzung dafür habe aber sein persönlicher Entschluss, mit den Situationen auch wirklich abschließen zu wollen, eine entscheidende Rolle gespielt. Darüber hinaus haben auch der Urlaub und die Ablenkung im polizeilichen Alltag dazu beigetragen.1125 Interviewte_10 berichtet, dass die Lehrkraft im Berufsethikunterricht den angehenden Polizist_innen nahe gelegt habe, im Falle belastender Erlebnisse in der Praxisphase sofort das Gespräch mit jemandem zu suchen.1126 Bei der Wahl der Gesprächspersonen legen die Proband_innen des Weiteren Wert darauf, dass es sich um solche handelt, die sich dem Dienstgeheimnis verpflichtet sehen. Schließlich dürfe nicht alles, was im Polizeialltag erlebt werde, an Dritte weitergegeben werden.1127
1122 1123 1124 1125 1126 1127
Interview 25a, Mai 2014, Z. 400; 432–434. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 79–81. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 290–293; 321–256. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 161–165; 342–346. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 109–113. Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 186–190; 209–216.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
313
Eine klare Differenzierung zwischen den Tätigkeiten von Psycholog_innen und Seelsorger_innen gelingt den meisten Interviewten nicht.1128 Mit der Meinung, professioneller Hilfe von Psycholog_innen oder Seelsorger_innen nicht zu bedürfen, steht der Interviewte_3 nahezu allein. Er gibt an, dass dies daran liege, dass er ein »[…] zu großes ego […]«1129 habe. Der Interviewte_6 bezeichnet sich als gläubigen Christen und gibt an, dass der Glaube und vor allem das Gebet für ihn bei der Bewältigung schwieriger Situationen hilfreich seien. Daher komme es für ihn auch in Frage, im konkreten Fall Seelsorge in Anspruch zu nehmen. Er lege jedoch Wert auf die Authentizität des Seelsorgers, der Seelsorgerin und darauf, dass er, sie über ausreichend praktische Erfahrung in seinem Beruf sowie über Erfahrungen in der Praxis der Polizeiarbeit verfüge.1130 Seelsorger_innen sollen in seinen Augen das leben, worüber sie sprechen. Ob sich diese Aussage auf die Erfahrung im Polizeiberuf oder auf den Glauben der Seelsorger_innen bezieht, ist aus den Äußerungen des Interviewten nicht eindeutig zu erkennen. Wichtig sei ihm, und das benennt er auch mehrmals, dass sie selbst bereits über oben genannte Erfahrungen verfügen und nicht nur auf der Basis theoretischen Fachwissens arbeiten.1131 Interviewte_24 hätte eine persönliche Vorstellung der Seelsorgerin, des Seelsorgers im Praktikum als hilfreich erachtet. Sie habe nicht gewusst, wo er, sie auf dem Revier zu finden sei. Sie vermutet, dass das Praktikum eventuell zu kurz gewesen sei, um ein persönliches Kennenlernen zu arrangieren.1132 Die Meinungen über Psycholog_innen gehen weit auseinander. Die Interviewte_1 formuliert vor der Praxisphase die Annahme, dass auf jeder Dienststelle ein Psychologe, eine Psychologin anwesend sei.1133 Nach dem Praktikum gibt sie an, dass ihr weder ein Seelsorger, eine Seelsorgerin, noch ein Psychologe, eine Psychologin vorgestellt worden seien. Sie sei sich nicht sicher, ob auf ihrem Praxisrevier überhaupt eine solche Person zu finden sei.1134 Interviewte_16 erläutert, bereits einen Psychologen kennengelernt zu haben, der ihr sehr sympathisch sei. Trotzdem gibt sie an, bei Problemen auf jeden Fall zuerst ihre Kolleg_innen zu konsultieren.1135 Auch für Interviewte_10 ist der Gang zu einem Psychologen, einer Psychologin besonders belastenden Situationen und auch nur als eine von mehreren Möglichkeiten zur Verarbeitung vorbehalten. Als Beispiel für eine solche Extremsituation nennt sie einen 1128 1129 1130 1131 1132 1133 1134 1135
Siehe dazu auch 1.1 Analyse von Problemlagen. Interview 3a, Mai 2014, Z. 176. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 278–289; 292–296; 301–307. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 301–306. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 257–263. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 156–160. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 255–256; 259–261. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 372–377.
314
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Kindstod. Unklar bleibt, ob sich diese Aussagen auf Psycholog_innen im Allgemeinen oder auf den Schulpsychologen im Besonderen beziehen.1136 Einige Interviewte, darunter Befragte_24, verbinden mit dem Besuch bei Psycholog_innen die Vorstellung von diagnostizierten psychischen Erkrankungen.1137 Interviewter_7 gibt vor dem Praktikum an, dass er bei Bedarf auf jeden Fall die Arbeit von Psycholog_innen in Anspruch nehmen würde. Er würde dies auch in Erwägung ziehen, wenn er selbst nicht den Eindruck hätte, von einem Ereignis über die Maßen belastet zu sein, jedoch der Meinung sei, dass ihn das Erlebnis eigentlich belasten müsse.1138 Interviewter_5 erzählt von einem Pfarrer, der den Polizeischüler_innen seine Visitenkarte gegeben habe. Er habe ihnen angeboten, sich bei Problemen an ihn wenden zu können. Daher habe der Interviewte bereits eine Telefonnummer für den Notfall.1139 Er spricht davon, dass die Auszubildenden am Anfang ins »kalte Wasser« geworfen würden. Daher finde er es sehr wichtig, dass jeder bereits im Vorfeld eine Adresse habe, an die er sich im Notfall wenden könne.1140 Einer der Berufsethiklehrer wird von vielen der Interviewten positiv hervorgehoben: »eben den herr [Name des Lehrers] […] an den kann man sich wenden der hat halt wirklich ne objektive ansicht und auch keine vorurteile […] der hat schon ziemlich weiter geholfen […] hat auch immer nachgefragt wies denn aussieht (2) war der EINzige wo ich wirklich dachte ok dem kann ich mich anvertrauen ohne das es wieder negativ auf mich zurück fällt[.]«1141
Auf die Frage, ob auf der Polizeischule konkret Hilfe angeboten oder auf Personen verwiesen werde, die im Notfall Hilfe anböten, antwortet der Interviewte_21, es gebe keine Lehrperson, die ihm nicht das Gefühl vermittle, dass er sich mit einem Problem an sie wenden dürfe.1142 Die Interviewte_19 gibt im Anschluss an das Praktikum an, dass auch Lehrer_innen für sie als Seelsorger_innen in Frage kämen.1143 Die Familie ist für fast alle Interviewten eine entscheidende Instanz bei der Bewältigung von Problemen. Interviewter_3 spricht in der ersten Interviewreihe kaum von seiner Familie. Nach der Praxisphase erwähnt er, dass er nach 1136 1137 1138 1139 1140 1141 1142 1143
Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 25–28; 31–36. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 248–251. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 137–146. In Anbetracht des Kontextes und in Bezug auf weitere Interviews, in denen diese Tat beschrieben wird, ist der Berufsethiklehrer gemeint. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 117–127. Interview 1a, Mai 2014, Z. 232–239; 242–247. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 340–348. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 490–491.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Dienstschluss mit Familienangehörigen gesprochen habe, betont jedoch, dass diese Gespräche vorwiegend die amüsanten Erlebnisse des Polizeialltages zum Inhalt gehabt haben.1144 Die Interviewte_3 erzählt von einer Situation, die sie zunächst nicht als amüsant empfunden habe. Sie habe im Dienst eine stark verweste Leiche gesehen, deren Anblick ihr zuwider gewesen sei. Jedoch habe der humorvolle Umgang der Kolleg_innen ihr dabei geholfen, die Situation zu bewältigen.1145 Interviewter_5 beschreibt sein Verhältnis zu seinen Eltern als gut und gibt sie in beiden Interviewreihen als bevorzugte Gesprächspartner an.1146 Die Gespräche mit ihnen seien für ihn eine Hilfe gewesen, Geschehenes zu verarbeiten und den Kopf wieder frei zu bekommen.1147 Hilfreich war für den Interviewten_6 die Berufserfahrung seines Vaters bei der Polizei.1148 Er beschreibt nach dem Praktikum, wie das Gespräch mit seinem Vater ihm geholfen habe, eine besonders belastende Situation zu bewältigen. Ähnlich geht es der Interviewten_19. Auch für sie sei die berufliche Erfahrung ihrer Mutter bei der Bewältigung der Herausforderungen des Polizeidienstes eine Hilfe. Daher sei ihre Mutter eine gute Gesprächspartnerin für sie.1149 Unklar bleibt in diesem Interview, ob es sich bei der Mutter ebenfalls um eine Polizistin handelt. Vor der Praxisphase benennt der Interviewte_17 Familienangehörige nicht als potenzielle Gesprächspartner. In der zweiten Interviewreihe berichtet er aber, während des Praktikums positive Erfahrungen mit Gesprächen mit seinen Eltern gemacht zu haben. Besonders ihre Lebenserfahrung habe ihm bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen geholfen.1150 Der Interviewte_20 betrachtet es als wichtig, über Erlebnisse zu sprechen und sie nicht zu unterdrücken. Er sehe im Gespräch mit Familienmitgliedern die Chance, mit einem sehr vertrauten Menschen zu reden. An sie würde er sich daher zuerst wenden, bevor er professionelle Hilfe annehmen würde.1151 Nach dem Praktikum bestätigt er, dass seine Familie den wichtigsten Rückhalt darstelle, da ihr sein Wohl besonders am Herzen liege.1152 Dies werde auch durch die Tatsache nicht gemindert, dass seine Familie von der polizeilichen Arbeit nicht
1144 1145 1146 1147 1148 1149 1150 1151 1152
Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 210–211; 214–216. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 98–111; 115–125. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 268–269; 347–349. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 266–270. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 548–549. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 257–266. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 183–193. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 178–188. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 374–380.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
viel wisse und es daher zuweilen schwierig sei, die erlebten Situationen und die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen zu vermitteln.1153 Auch der Interviewte_22 will Erlebtes nicht einfach unterdrücken: »also dass ich mir=dass ich denn ganzen scheiß, sag ich jetz mal, ned in mich reinFREss sondern […] praktisch von der SEEle red, […] um=um des zu verarbeiten zu können[.]«1154
Er ist der Meinung, dass dies vor allem im Polizeiberuf von Bedeutung sei, da Polizist_innen in besonderer Weise belastenden Situationen ausgesetzt seien. Die schlimmen Bilder, die sie zuweilen sähen, ließen sich durch Gespräche verarbeiten. In erster Linie suche er selbst das Gespräch mit seiner Familie.1155 Interviewte_1 berichtet von einem Erlebnis in ihrer Schulzeit, bei dem sie einen Streitschlichter aus der Schule zu Rate gezogen habe. Diese Erfahrung sei aber negativ gewesen, sodass sie in Zweifel ziehe, ob sie ein weiteres Mal Kolleg_innen um Hilfe bitten würde.1156 In der ersten Interviewreihe gibt der Interviewte_8 die Lehrkraft im Fach Psychologie als potenziellen Gesprächspartner an und begründet das unter anderem mit persönlicher Sympathie.1157 Alle Interviewten benennen ihre Praxisausbilder_innen als Bezugspersonen. Welche Bedeutung ihnen jedoch jeweils beigemessen wird, steht in Abhängigkeit zur Beziehung zwischen den Ausbilder_innen und den Praktikant_innen. Interviewte_1 vermutet in der ersten Interviewreihe in ihrem zukünftigen Praxisanleiter die »[…] erste Bezugsperson […]«1158 in der Praxisphase. Ob sich dies bewahrheiten werde, stehe jedoch in Abhängigkeit davon, wie sich ihr sonstiges Verhältnis zueinander gestalten werde. Hierbei spiele auch der Altersunterschied zwischen ihr und ihrem Ausbilder eine Rolle. Sie zeigt sich besorgt, dass sie sich möglicherweise mit ihrem Ausbilder nicht so gut verstehen werde, da dieser um einiges älter sei als sie.1159 Sie zieht daher auch in Erwägung, dass möglicherweise jüngere Kolleg_innen als Bezugspersonen in Frage kommen könnten, weil diese ihre Anliegen vielleicht besser verstehen könnten. Nach dem Praktikum gibt sie jedoch an, dass ihr Ausbilder immer ein offenes Ohr für sie gehabt habe.1160 Die Beziehung zum Ausbilder spielt auch für den Interviewten_9 eine Rolle. Er berichtet, mit seinem Praxisausbilder bereits vor dem Praktikum befreundet 1153 1154 1155 1156 1157 1158 1159 1160
Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 370–376. Interview 22a, Mai 2014, Z. 142–147. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z.147–151; 169–172. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 139–143. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 282–288. Interview 1a, Mai 2014, Z. 167. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–174, 190–194. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 290–291.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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gewesen zu sein. Dieser sei nur wenig älter als er selbst.1161 In der zweiten Interviewreihe blickt er auf eine gelungene Beziehung zu seinem Ausbilder zurück und gibt an, sich mit diesem auch im privaten Rahmen getroffen zu haben.1162 Der Praxisausbilder der Interviewten_10 sei um einiges älter gewesen als sie selbst. Daher habe sie ihn als Gesprächspartner bei Problemen nicht als geeignet empfunden und sich bevorzugt an jüngere Kolleg_innen gewandt.1163 Interviewter_5 habe festgestellt, dass sein Ausbilder schneller mit Erlebnissen abschließen könne als er selbst. Er habe des Öfteren den Bedarf gehabt, nach Dienstschluss zu Hause die Erfahrungen des Tages zu besprechen. Er sei sich aber sicher, dass mit der Berufserfahrung auch die Fähigkeit wachse, Erlebnisse schneller hinter sich zu lassen.1164 In der ersten Interviewreihe geht der Interviewte_6 davon aus, dass er seinem Praxisausbilder viel anvertrauen werde, da er mit diesem viel Zeit verbringe.1165 Im Anschluss an das Praktikum berichtet er jedoch, seinen Ausbilder als Person erlebt zu haben, die kaum etwas für sich behalten könne. Daher habe er sich an verschwiegenere Kolleg_innen gewandt.1166 Der Interviewte_8 berichtet nach dem Praktikum, dass sein Praxisausbilder immer für ihn da gewesen sei. Dabei gibt er an, dass das Geschlecht seines Ausbilders eine wichtige Rolle gespielt habe: »er=hat au zu mir gsagt wenn ich irgendwie PROBlem mit IHm hab soll ich zuerscht zu ihm komme (.) weil [I:hm] (1) mir sin: halt (.) beides MÄNNer un mir regle des wie männer mir rede mitnander[.]«1167
Interviewte_11 wünscht sich im Hinblick auf das Praktikum, dass ihr Anleiter offen sein solle.1168 Vor Kolleg_innen Gefühle zu zeigen, sei für sie besonderen Ausnahmefällen vorbehalten. Insgesamt wolle sie sich diesen gegenüber als stark beweisen:1169 »also ICh WEIß: (.) dass sie mIch, eigentlich glaub ich nIch, an jemanden von meiner SCHIcht oder gar an meinen PRAxisAUSBIlder wenden: glaub da mUSS ma einfACh STArk, bleiben; muss ma auf die ZÄhne beißen[.]«1170
1161 1162 1163 1164 1165 1166 1167 1168 1169 1170
Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 195–208. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 215–221; 232–245. Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 149–156; 161. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 265; 293–299. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 247–251. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 398–419. Interview 8b, September 2014, Z. 297–301. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 129–134; 173–175. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 261–270; 273–285. Interview 11b, September 2014, Z. 261–263; 269–270.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Außerdem wolle sie nicht, dass Kolleg_innen, die sie noch nicht lange kenne, einen falschen Eindruck von ihr bekämen, wenn sie von Problemen erzähle.1171 Interviewter_17 nennt vor dem Praktikum Kolleg_innen und Freund_innen als mögliche Gesprächspartner_innen. In der zweiten Interviewreihe benennt er in diesem Zusammenhang auch seinen Praxisausbilder, vor allem in Bezug auf neue Herausforderungen in der Berufspraxis.1172 Der Interviewte_18 berichtet, dass seine Praxisausbilderin nur ein Jahr älter gewesen sei als er selbst. Ein Austausch mit ihr habe zwar stattgefunden, er habe jedoch den Eindruck gehabt, dass die Verarbeitung bestimmter Situationen aufgrund der Tatsache, dass sie selbst erst über wenig Erfahrung verfüge, noch eine große Herausforderung für sie dargestellt habe. Er habe das Gefühl gehabt, dass manche Dinge sie sogar mehr beschäftigt hätten als ihn selbst.1173 Da der Praxisausbilder gleichzeitig der Streifenpartner und somit engster Kollege sei, stelle er für den Interviewten_20 den ersten Ansprechpartner bei Problemen dar. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass er seinem Ausbilder vertrauen könne.1174 Vor der Praxisphase erwähnt der Interviewte_22 seine Praxisanleiterin nicht als Gesprächspartnerin. Rückblickend auf das Praktikum gibt er jedoch an, sie sei durchaus Ansprechpartnerin gewesen, bei wirklichen Problemen hätte er aber vermutlich dennoch nicht das Gespräch mit ihr gesucht. Er gehe davon aus, dass dies bei einem männlichen Praxisausbilder anders gewesen wäre.1175 Interviewter_29 berichtet, dass sowohl der Praxisausbilder als auch der Schichtführer sich regelmäßig über sein Befinden erkundigt hätten. Ob sich daraus jedoch tatsächlich Gespräche entwickelt haben, bleibt in seinen Aussagen offen: »JA da HAben auch die AUSbilder oder der SCHichtführer hat dann gEFRagt; wie War des also ((klingelgeräusch))hast du jetz ein PRoblem möchTEst du Darüber reden[.]«1176
Der Altersunterschied scheint offenbar ein wichtiger Aspekt in der Kommunikation zwischen Praktikant_innen und Ausbilder_innen zu sein. In Bezug auf die Frage, wer als Gesprächspartner für sie in Frage käme, differenziert die Interviewte_1 zwischen ihrem älteren Praxisausbilder und den jüngeren Kolleg_innen.1177 Nach der Praxisphase betont sie die gute Beziehung zu ihren jüngeren Kolleg_innen.1178 1171 1172 1173 1174 1175 1176 1177
Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 261–270; 273–275; 334–336. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 158–163. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 127–129. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 175–181. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 371–383. Interview 29b, September 2014, Z. 206–209. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–174.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Interviewter_5 geht vor dem Praktikum überhaupt nicht auf seine Kolleg_innen als mögliche Gesprächspartner_innen ein. In der zweiten Interviewreihe berichtet er davon, dass nach dem Überbringen einer Unfallnachricht an Angehörige die Stimmung unter den Kolleg_innen gedrückt gewesen sei. In dieser Situation haben die Kolleg_innen das Thema gewechselt und seien dabei bemüht gewesen, durch humorvolle Bemerkungen die Stimmung aufzuhellen. Dies habe er als positiv empfunden, da er auf diese Weise auf andere Gedanken gekommen sei. Insgesamt habe er das Verhalten der Kolleg_innen als gezielte und aktive Unterstützung bei der Bewältigung der Situation empfunden.1179 Des Weiteren berichtet der Interviewte_5 von seiner ersten Begegnung mit einer Leiche. Bei der Bewältigung dieser Erfahrung hätten ihm die Gespräche mit den Kolleg_innen und dem Praxisausbilder ebenfalls sehr geholfen.1180 Vor dem Praktikum gibt die Interviewte_10 an, dass es für sie wichtig sei, nach dem Dienst über ihre Erlebnisse zu sprechen.1181 Im Rückblick auf die Praxisphase bestätigt sie diese Aussage.1182 Die Interviewte_16, die vor der Polizeiausbildung bereits im Rettungsdienst gearbeitet hat, geht vor dem Praktikum davon aus, dass für sie die Kolleg_innen die besten Gesprächspartner_innen seien. Sie begründet diese Annahme damit, dass »[…] die vielleicht selbst schon in dem in der situation waren, sie wissen sie können jederzeit in solche situationen kommen, sie wissen, dass was schief laufen kann. vielleicht ist ihnen selbst schon mal was in die hose gegangen und des sind dann die besten personen[.]«1183
Nach dem Praktikum zieht sie einen Vergleich zwischen den Kolleg_innen in der Polizei und im Rettungsdienst. Letztere habe sie, auch hinsichtlich ihrer Erfahrungen im Praktikum, als hilfreichere Gesprächspartner_innen empfunden, da sie mit ihnen schon viel gemeinsam erlebt habe.1184 Auch der Interviewte_17 würde sich zunächst am ehesten Rat bei Kolleg_innen einholen, da sie die Probleme und belastenden Situationen des Berufsalltags am besten nachvollziehen können.1185 Der Interviewte_20 nennt vor der Praxisphase ausschließlich seinen Praxisausbilder als Gesprächspartner.1186 In der zweiten Interviewreihe gibt er jedoch 1178 1179 1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186
Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 293–299. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 131–140. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 263–265. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 17–21. Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 151–156. Interview 16a, Mai 2014, Z. 330–336. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 431–438. Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 108–113. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 175–178.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
an, dass es angesichts eines schlimmen Unfalls hilfreich gewesen sei, dass in der Schicht über das Erlebte gesprochen wurde. Dabei sei auch nach dem Befinden der beteiligten Beamt_innen gefragt worden. Ihm habe diese Besprechung geholfen, in die Alltagsroutine zurückzufinden, die zur zufriedenstellenden Bewältigung des nächsten Einsatzes vonnöten sei. Darüber hinaus gibt er jedoch zu bedenken, dass Gespräche allein nicht ausreichen, um belastende Situationen zu verarbeiten. Zusätzlich brauche man vielmehr Zeit zur Verarbeitung, die Polizist_innen im Dienst jedoch kaum zur Verfügung stünde.1187 Negativ äußert sich der Interviewte_25 in Bezug auf den Austausch mit Kolleg_innen. Er gibt an, dass er mit ihnen nicht über Themen wie den Tod sprechen könne, da sie über zu grausame Erfahrungen verfügen. Er bezieht sich dabei beispielhaft auf Fälle von Suizidanten, deren Körper in viele Einzelteile gerissen wurden. Inwiefern dieser Umstand ihn jedoch daran hindert, mit den Kolleg_innen ins Gespräch zu treten, führt er nicht weiter aus.1188 Viele Interviewte benennen Freund_innen als Gesprächspartner_innen, da diese sie sehr gut kennen und ihr Vertrauen genießen. Dem Interviewten_3 seien sie eine entscheidende Hilfe bei der Verarbeitung belastender Erlebnisse.1189 Der Interviewte_7 benennt Freund_innen als bevorzugte Gesprächspartner_innen, da sie bereit seien, ihm zuzuhören, und gleichzeitig in der Lage seien, ihn aufzumuntern.1190 Darüber hinaus sei es mit ihnen möglich, selbst schlimmen Erfahrungen eine komische Seite abzugewinnen.1191 Interviewter_6 spricht vor dem Praktikum zwar Freund_innen als mögliche Gesprächspartner_innen an, gibt jedoch an, darauf achten zu wollen, dass ihnen seine beruflichen Probleme nicht zu viel werden: »ALSO WENNS GEHT mit FREUNDEN, drüber reden; (.) ABER !NUR! SOWEIT die das TRAgen können, wenn ich MERK die sin damit dann würd ich die auch (.)[.]«1192
Interviewter_13 gibt vor dem Praktikum an, dass er mit seinen zwei besten Freunden über alles sprechen könne.1193 Nach dem Praktikum formuliert er jedoch die Einsicht, dass es schwierig sei, mit Freunden über Erlebnisse im Polizeiberuf zu sprechen, da sie diese nicht nachvollziehen könnten. Daher sei die Praxisausbilderin als Gesprächspartner_in besser geeignet.1194 Interviewte_11 benennt nach dem Praktikum sowohl Freund_innen außer1187 1188 1189 1190 1191 1192 1193 1194
Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 43–56; 58–60; 62–65; 76–81; 94–102. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 420–431. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 153–154. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 168–170. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 190–195. Interview 6a, Mai 2014, Z. 225–228. Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 380–384. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 644–654.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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halb als auch vereinzelt innerhalb der Polizei als mögliche Gesprächspartner_innen. Entscheidend sei für sie das Gefühl, das Gegenüber wirklich zu kennen und sich gut mit ihm zu verstehen. Von Bedeutung ist für sie außerdem, dass es sich beim Gegenüber um eine Frau handelt, da sie nur mit einer weiblichen Person über emotionale Inhalte sprechen könne. Während des Praktikums habe es eine Kollegin gegeben, die als Gesprächspartnerin infrage gekommen sei.1195 Interviewte_2 benennt ihren Freund/Partner als Gesprächspartner. Ebenso würden für sie aber auch Freund_innen in Betracht kommen, allerdings mit der Einschränkung, dass diese nicht bei der Polizei tätig seien, was sie aber nicht weiter begründet.1196 Sie berichtet nach der Praxisphase, dass ihr Freund/ Partner ihr eine große Hilfe gewesen sei und dass die Gespräche mit ihm sowie seine Bereitschaft, ihr zuzuhören, sie beruhigt haben.1197 Seine Meinung habe sie vor allem geschätzt, weil er selbst kein Polizist sei und daher eine andere Sicht auf die Erlebnisse und Situationen, die sie beschäftigten, gehabt habe.1198 Der Interviewte_5 berichtet, dass seine Freundin/Partnerin für ihn eine Hilfe gewesen sei, da sie ihn auf andere Gedanken gebracht habe, indem sie das Gesprächsthema gewechselt habe. Diese Art der Ablenkungen von den beruflichen Erlebnissen habe er während der drei Monate immer als sehr hilfreich empfunden.1199 Die Interviewte_15 nennt ihren Freund/Partner sowohl vor als auch nach der Praxisphase als Anlaufstelle für Gespräche. Problematisch sei für sie jedoch, dass er ihre Berufswahl nicht unterstütze. Jedoch gehe sie davon aus, dass er sich bei Problemen im beruflichen Alltag trotzdem immer Zeit für sie nehmen werde.1200 Interviewte_15 benennt als einzige ihre Tiere als »Gesprächspartner«. Vor allem ihre Hunde empfinde sie als gute Zuhörer. Im Anschluss an das Praktikum geht sie darauf jedoch nicht mehr ein.1201 Interviewter_20 spricht zwar auch von seinem Hund, sieht ihn aber nicht in der Funktion als Zuhörer oder gar Gesprächspartner. Vielmehr empfindet er es als hilfreich, wenn er mit dem Tier zusammen Sport mache:
1195 1196 1197 1198 1199 1200 1201
Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 261–264; 319–323; 327–330; 369–378. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 145–147. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 167–172. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 175–177. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 270–280. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 301–308. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 310–312.
322
Ergebnisse des Forschungsprojektes
»also mit dem HUND sport mache, (.) des isch dann au wieder (.) weil den Hund kann man ja au (1) net UNbedingt mit ihm rede aber der (.) hilft einem glaube ich auch oft weiter (.) also bei mir ischs wirklich so[.]«1202
Für den Interviewten_25 kommen weder Seelsorger_innen noch Psycholog_innen als Gesprächspartner_innen in Betracht. Im Gegensatz dazu betrachtet er »Ethiker_innen« als geeignete Anlaufstellen bei Problemen und beruflichen Belastungen, da er auf Neutralität der Gesprächspartner_innen Wert lege. Er begründet sein Urteil damit, dass Letztgenannte sich lediglich eventuellen persönlichen Idealen verpflichtet fühlen, aber nicht solchen einer Religion oder Kirche. Darüber hinaus verfügen sie seiner Ansicht nach über ein breites Wissen über »Theorien«, wobei unklar bleibt, was er genau mit diesem Begriff beschreiben will. Anhand dieser können sie in seinen Augen hilfreiche Ratschläge erteilen. In Bezug auf mögliche Gesprächspartner_innen sei ihm außerdem wichtig, dass sie über viel Lebenserfahrung verfügen und nicht bei der Polizei tätig sind.1203 Vor der Praxisphase benennt der Interviewte_5 Gott als eine Anlaufstelle für Gespräche. Mit Blick auf das Praktikum gibt er an, dass er angesichts von belastenden Situationen in die Kirche gehen und beten würde.1204 In der zweiten Interviewreihe auf diese Aussage angesprochen, berichtet der Interviewte_5, dass ihm im Praktikum keine allzu belastenden Situationen begegnet seien. Er habe jedoch für sich selbst um Schutz und Bewahrung gebetet. In einem Fall in der Praxisphase, der ihm sehr nahe gegangen sei, habe ihm das Gebet geholfen, mit der Situation fertig zu werden.1205 Außerdem habe er verschiedene Personen ins Gebet eingeschlossen, mit denen er im Dienst in Kontakt gekommen sei. So habe er für die Zukunft von Menschen gebetet, die abgeschoben werden sollten, ebenso wie für eine psychisch kranke Person. Diese Gebete habe er im Stillen vollzogen.1206 Er gibt an, an die Wirkung der Gebete zu glauben: »hab ich öfters auch für mich GEBEtet; ODER auch für (.) MENschen gebETETwie wenn ich zum BEIspiel ne abSCHIEBUNG […] ODEr auch ebn bei PSY- bei diesen PSYCHISCHn kRANKEN den mir gefahren; ham oder so, (1) DAnn EInfach weil ma weiß ja; die ham SCHLimmes DURCHgemacht; un (1) ähm: (.) un ich denk dann auch das=es gebet; dann Was,(.) im=ws=im GEISchtliCHEN was beWIRKEn kann;[.]«1207
Nur Interviewte_15 nennt im Zusammenhang mit Gesprächen über Probleme und belastende Situationen die Menschen aus ihrem Heimatdorf. Da sie lange in 1202 1203 1204 1205 1206 1207
Interview 20a, Mai 2014, Z. 214–218. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 388–394; 414–415; 435–450. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 269–275. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 521–525; 547–552. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 565–569. Interview 6b, September 2014, Z. 554–565; 570–576.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
323
der örtlichen Jugendarbeit tätig gewesen sei, kenne sie dort viele Menschen persönlich. In der Vergangenheit habe sie die Erfahrung gemacht, dass diese Menschen Interesse an ihr und immer ein offenes Ohr für sie haben.1208 Zusammenfassung Subkategorie 2: Gespräche führen mit … Der Großteil der Interviewten sagt aus, dass Gespräche im Polizeiberuf unabdingbar seien, um Probleme zu bewältigen1209, Distanz zu ihnen zu gewinnen1210 und unbelastet in den Berufsalltag zurückzufinden1211. Eine Interviewte gibt an, dass bereits im Berufsethikunterricht die Notwendigkeit vermittelt wurde, über Erfahrenes zu sprechen. Der Unterricht selbst habe außerdem die Möglichkeit eröffnet, über Probleme und Erlebnisse zu sprechen.1212 Gespräche führen mit Seelsorger_in1213 Mit Seelsorger_innen zu sprechen, komme für einen der Interviewten infrage, weil er im christlichen Glauben eine gute gemeinsame Basis für ein erfolgreiches Gespräch sehe. Voraussetzung seien aber auch die Authentizität des Gesprächspartners und seine Erfahrung in seinem Tätigkeitsfeld. Die seelsorgliche Ausbildung allein betrachtet er als nicht ausreichend.1214 Eine weitere Polizeischülerin benennt, dass für sie ausschließlich Seelsorger_innen als Gesprächspartner_innen infrage kämen. Daher hätte sie sich gewünscht, dass sich der zuständige Seelsorger, die zuständige Seelsorgerin im Verlauf des Praktikums auf dem Revier vorgestellt hätte, was jedoch nicht der Fall gewesen sei.1215 Gespräche führen mit Psycholog_in Dass weder Seelsorger_innen noch Psycholog_innen sich im Praktikum vorgestellt haben, bemängelt auch eine andere Interviewte. Sie habe im Praktikum nicht gewusst, wo diese zu finden seien. Vor der Praxisphase jedoch war sie sich sicher, dass sie auf jeder Dienststelle solche Ansprechpartner_innen finden 1208 1209 1210 1211 1212 1213
Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 343–361. Vgl. Interview 2a, Mai 104, Z. 140–141. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 400; 432–434. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 290–293; 321–256. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 109–113. In diesem Unterkapitel werden nur die Aussagen beschrieben, welche sich eindeutig auf die Arbeit von Seelsorger_innen beziehen. Diejenigen, bei welchen nicht eindeutig ist, wer gemeint ist, und bei welchen Unklarheiten herrschen bezüglich des Professionsverständnisses, wurden bereits erläutert. 1214 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 278–289. 1215 Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 257–263.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
werde.1216 Weitere Polizeischüler_innen sprechen davon, dass der Besuch von Psycholog_innen nur im äußersten Notfall in Frage komme.1217 Voraussetzung für einen Besuch bei Psycholog_innen sei für die meisten Proband_innen nicht nur, dass eine belastende Erfahrung vorausgegangen sei, sondern dass eine eigenständige Verarbeitung dieses Erlebnisses nicht mehr gelinge.1218 Andererseits wird der Besuch bei Psycholog_innen mit der Diagnose psychischer Krankheiten, wie beispielsweise des Burnout-Syndroms, in Verbindung gebracht.1219 Lediglich ein Interviewter beschreibt, dass für ihn der Besuch bei Psycholog_innen auch dann in Frage käme, wenn er nicht den Eindruck hätte, dass eine Situation ihn belaste. Er begründet das mit der Gefahr, dass das persönliche Empfinden einer Situation als unproblematisch eine Folge von Verdrängung sein könne und damit einhergehend Probleme unbewusst weitergetragen werden könnten.1220 Gespräche führen mit Lehrer_in Namentlich wird ein Berufsethiklehrer genannt, der den Polizeischüler_innen seine Kontaktdaten gegeben habe, sodass diese sich bei Problemen an ihn wenden können. Dies wird von mehreren Proband_innen positiv hervorgehoben. Das Wissen darum, wen man im Notfall kontaktieren könne, sei besonders wichtig, so der Interviewte_5.1221 Eine weitere Interviewte berichtet, dass sie dieses Angebot bereits in Anspruch genommen habe. Sie bewertet diese Erfahrung als positiv.1222 Auch andere Polizeischüler_innen sind der Meinung, dass sich die Berufsethiklehrer1223 als Seelsorger bzw. Ansprechpartner eignen.1224 Ein weiterer Interviewter gibt an, bei allen Lehrer_innen das Gefühl zu haben, sich bei Problemen vertrauensvoll an sie wenden zu können.1225
1216 1217 1218 1219 1220 1221 1222 1223
Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 255–256; 259–261. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 158–159. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 425–429. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 248–251. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 137–146. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 117–127. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 232–239; 242–247. Es wird hierbei die weibliche Form nicht verwendet, da es an der Polizeischule Lahr nur männliche Berufsethiklehrer gibt. 1224 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 490–491. 1225 Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 340–348.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Gespräche führen mit eigenen Familienangehörigen Viele der Interviewten benennen allgemein die Familie oder konkret einzelne Familienmitglieder als Anlaufstelle für Gespräche.1226 Diese Gespräche im familiären Kreis werden von den Proband_innen als hilfreich empfunden, um Erlebtes zu verarbeiten, den Kopf wieder frei zu bekommen und mit neuer Kraft in den Berufsalltag zu gehen.1227 Inhalt dieser Gespräche seien jedoch nicht ausschließlich Probleme und belastende Ereignisse, vielmehr gehe es vielfach nur darum, vom beruflichen Alltag zu erzählen.1228 Einige Polizeischüler_innen betonen, dass sie immer wieder auch amüsante Erlebnisse aus dem Polizeialltag zu berichten hätten.1229 Vier der Interviewten geben an, dass sie aufgrund der Berufserfahrung ihrer Eltern mit ihnen besonders gute Gespräche führen können.1230 Die Väter zweier dieser Proband_innen sind selbst Polizisten. Ihre besonderen Kenntnis des polizeilichen Berufsalltags und ihre, den der Proband_innen vergleichbaren, Erfahrungen in der Polizeiarbeit qualifizieren sie als besonders geeignete Gesprächspartner.1231 Von den genannten vier Interviewten sind drei Männer, die von Gesprächen mit ihren Vätern berichten, während es sich bei der vierten Interviewten um eine Frau handelt, die ihrerseits von hilfreichen Gesprächen mit ihrer Mutter erzählt.1232 Andere Befragte äußern die Ansicht, dass man belastende Ereignisse nicht unterdrücken dürfe,1233 und geben an, dass die Familie ihnen Rückhalt biete. Einer fügt hinzu, dass gerade der Polizeiberuf die Konfrontation mit potenziell belastenden Situationen mit sich bringe. Daher sei es umso wichtiger, über Erlebtes zu sprechen.1234
Gespräche führen mit Streitschlichter_in/ Konfliktberater_in Eine Interviewte berichtet von einer negativen Erfahrung mit einem Streitschlichter beziehungsweise Konfliktberater in der Schulzeit, weshalb sie bei Problemen keine Kolleg_innen mehr aufsuchen möchte.1235 Ein anderer Befragter gibt an, bei Problemen nicht auf die Hilfe von ihm fremden Psycholog_innen zurückgreifen zu wollen, sondern sich bevorzugt an die dafür zu1226 1227 1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234 1235
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 134–137; 148–149. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 266–270. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 463–467. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 210–211; 214–216. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 548–549. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 657–669. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 257–266. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 178–188. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 147–151; 169–172; 374–380. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 139–143.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
ständige Lehrperson an der Polizeischule zu wenden. Als Grund gibt er an, dass ihm der entsprechende Lehrer persönlich sympathisch sei und in seinen Augen kompetent erscheine.1236 Weitere der befragten Polizeischüler_innen nennen den zuständigen Psychologen an der Polizeischule als einen Ansprechpartner, der im Falle von Problemen für sie in Frage käme.1237 Gespräche führen mit Praxisanleiter_in Alle Interviewten benennen ihre Praxisausbilder_innen als Bezugspersonen. Inwieweit diese aber auch als Gesprächspartner_innen in Anspruch genommen werden, ist, wie die Interviews zeigen, abhängig von der Beziehung zwischen den Polizeischüler_innen und den Ausbilder_innen. Als ein Kriterium für die Qualität dieser Beziehung erweist sich der Altersunterschied zwischen Ausbilder_innen und Praktikant_innen. Einige der Interviewten äußern die Sorge, dass ein zu großer Altersunterschied dazu führen könnte, dass sie von ihrem Praxisausbilder weniger gut verstanden werden.1238 Andere wiederum haben die Befürchtung, (zu) junge Ausbilder_innen könnten über zu wenig eigene Erfahrung verfügen, um kompetente Gesprächspartner_innen zu sein.1239 Zwei Interviewte sind der Ansicht, eine zu junge Praxisausbilderin zu haben. Sie würden sich ältere Kolleg_innen als Ausbilder_innen wünschen, da sie davon ausgehen, dass diese ihnen im Berufsalltag eine größere Hilfe sein könnten.1240 Einer der Interviewten äußert das Gefühl, dass seine Ausbilderin nicht nur wenig Erfahrung gehabt habe, sondern dass sie bestimmte Erlebnisse auch mehr belastet hätten als ihn selbst.1241 Ein Interviewter stellt in Frage, ob eine dreimonatige Praxisphase ausreiche, um eine gute Beziehung aufzubauen und somit auch gute Gespräche führen zu können.1242 Nicht alle der angehenden Polizeischüler_innen gehen in der ersten Interviewreihe davon aus, sich mit ihren Praxisausbilder_innen so gut zu verstehen, dass diese zu bevorzugten Gesprächspartner_innen werden können. In der zweiten Interviewreihe berichten jedoch viele davon, dass eben dies gelungen sei.1243 Einige betonen, dass nicht nur über Probleme und Belastendes gesprochen worden sei, sondern auch über amüsante Vorkommnisse.1244 1236 1237 1238 1239 1240 1241 1242 1243
Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 282–288. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 336–338. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–174; 190–194. Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 330–339. Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 330–339. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 127–129. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 154–157. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 147–151; 160–162.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Anders ergeht es einem der Befragten, der vor der Praxisphase davon ausgeht, dass sein Praxisanleiter ein bevorzugter Ansprechpartner für ihn sein werde, da er sehr viel Zeit mit ihm verbringen werde.1245 In der Praxisphase habe er seinen Ausbilder jedoch als wenig vertrauenswürdig erlebt, da er nichts für sich behalten könne. Daher habe er verschwiegenere Kolleg_innen als Ansprechpartner bevorzugt.1246 Grundsätzlich sehen jedoch mehrere der Interviewten eine Chance zu guten Gesprächen in dem Umstand, dass sie mit ihren Ausbilder_innen, die zugleich auch ihre Streifenpartner_innen sind, viel Zeit verbringen. Die Grundlage für gute Gespräche sei in ihren Augen außerdem das Vertrauen, das Streifenpartner_innen grundsätzlich zueinander haben sollten.1247 Für einige Interviewte spielt außerdem das Geschlecht der Praxisausbilder_innen eine Rolle. Ein Proband gibt an, dass es ihm als Mann wichtig gewesen sei, einen männlichen Ansprechpartner zu haben.1248 Für einen weiteren Interviewten sei seine Anleiterin zwar grundsätzlich Ansprechpartnerin, nicht jedoch Gesprächspartnerin in belastenden Situationen gewesen. Er vermutet, bei einem männlichen Ausbilder wäre das anders gewesen.1249 Eine weitere Befragte gibt an, nicht zu viel von sich selbst auf dem Revier preisgeben zu wollen, da es ihr wichtig sei, als »starke« Frau wahrgenommen zu werden. Daher kämen der Ausbilder und die Kolleg_innen als Gesprächspartner_innen bei Problemen und belastenden Situationen nicht in Frage.1250 Unklar bleibt dabei, ob ihre Einschätzung bei einer weiblichen Ausbilderin anders ausgefallen wäre. Viele der interviewten Personen äußern, dass die Gespräche mit den Praxisausbilder_innen, vor allem hinsichtlich neuer und unbekannter Situationen, hilfreich gewesen seien.1251 Durch die Gespräche mit dem Praxisausbilder habe einer der Befragten festgestellt, dass dieser leichter mit Erlebtem abschließen könne als er selbst. Er gehe jedoch davon aus, dass ihm das mit zunehmender Berufserfahrung auch gelingen werde.1252 Zwei der Polizeischüler_innen beschreiben, dass sie von ihren Praxisausbildern bzw. dem Schichtführer regelmäßig nach ihrem Befinden
1244 1245 1246 1247 1248 1249 1250 1251 1252
Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 222–229. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 247–251. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 398–419. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 175–181. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 297–301. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 371–383. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 261–270; 273–285. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 158–163. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 265; 293–299.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
gefragt worden seien.1253 Bei Bedarf seien dann auch Gespräche geführt worden.1254 Gespräche führen mit Kolleg_innen1255
Ähnlich wie in der Beziehung zwischen Ausbilder_innen und Praktikant_innen spielt auch unter den Kolleg_innen der Altersunterschied eine wichtige Rolle. Manche der Polizeischüler_innen gehen davon aus, dass sie sich mit den etwa gleichaltrigen Kolleg_innen besonders gut verstehen werden, da diese mutmaßlich ihre eigenen Ansichten eher teilen.1256 In beiden Interviewreihen geben einige Befragte an, dass es wichtig sei, mit den Kolleg_innen über die Erlebnisse des beruflichen Alltags zu sprechen.1257 Als Voraussetzung für gelingende Gespräche führen sie ein gutes Miteinander innerhalb der Schicht und einen eher geringen Altersunterschied zu den einzelnen Kolleg_innen an.1258 Ein weiteres Kriterium in Bezug auf die Eignung von Kolleg_innen als Gesprächspartner_innen ist für die Praktikant_innen deren Berufserfahrung.1259 Je mehr Erfahrung die Kolleg_innen haben, so wird vermutet, umso eher können sie in Bezug auf den Umgang mit belastenden Situationen Ratschläge erteilen.1260 Dies wird von den Interviewten vor dem Praktikum vermutet und nach dem Praktikum bestätigt.1261 Besondere Wertschätzung kommt in den Aussagen der Proband_innen Gesprächen mit solchen Kolleg_innen zu, die in der fraglichen Situation oder dem entsprechenden Einsatz selbst zugegen waren.1262 Der Austausch mit weiteren Beteiligten über spezifische Probleme oder belastende Erfahrungen habe eine besonders beruhigende Wirkung.1263 Des Weiteren wird auch hier festgestellt, dass ein humorvoller Umgang auch mit schwierigen Erlebnissen hilfreich sein könne, da die Situation dadurch aufgelockert werde.1264 1253 Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 206–209. 1254 Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 165–168; 200–201. 1255 Manchmal besteht in der Analyse der Interviews die Schwierigkeit, zwischen Freunden und Kolleg_innen klar zu differenzieren. Manche Interviewte verwenden den Begriff der Kolleg_innen ausschließlich in Bezug auf die Arbeitskolleg_innen im Praxisrevier. Andere meinen damit jedoch auch Mitschüler_innen. Diese werden als Kolleg_innen, Freunde, Polizeischüler_innen und Klassenkamerad_innen aufgeführt. 1256 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–174. 1257 Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 17–21. 1258 Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 151–15. 1259 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 235–240; 315–317. 1260 Vgl. Interview 17a, Mai 2014, Z. 108–113. 1261 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 37–40; 337–340; 381–385. 1262 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 236–237; 239–244. 1263 Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 37–40; 337–340; 381–385. 1264 Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 131–140.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Gespräche mit Kolleg_innen werden als Hilfe betrachtet, um nach belastenden oder schwierigen Einsätzen leichter in die Routine des Berufsalltags zurückkehren zu können. Um solche Situationen abschließend zu verarbeiten, sei allerdings Zeit notwendig, die Polizist_innen im Berufsalltag jedoch oft nicht zur Verfügung stünde.1265 Eine Polizeischülerin gibt an, Kolleg_innen nichts erzählen zu wollen, um sich als eine möglichst starke Persönlichkeit darzustellen. Außerdem habe sie davor Angst, falsch eingeschätzt zu werden, wenn sie Schwächen preisgebe.1266 Ein Interviewter beschreibt, dass für ihn Gespräche mit Kolleg_innen auf dem Revier nicht in Frage kämen, da diese aufgrund ihres berufsbedingt gehäuften Kontaktes zu – auch im Zuge eines gewaltsamen Todes – Verstorbenen den Bezug zur Realität bzw. zu Leben und Tod verloren hätten.1267
Gespräche führen mit Freunden1268 Viele der Interviewten benennen Freund_innen als mögliche Gesprächspartner_innen. Als Gründe nennen sie, dass diese sie am besten kennen1269 und dass sie nichts mit der Polizei zu tun haben.1270 Die meisten Interviewten geben an, dass sie den eigenen Freund_innen großes Vertrauen entgegenbringen und deshalb auch in extremen Situationen das Gespräch mit ihnen suchen. Belastende dienstliche Erlebnisse verlören darüber hinaus an Schärfe, wenn mit Freund_innen auch Witze darüber gemacht werden könnten.1271 Demgegenüber befürchtet einer der Befragten, dass die von ihm erzählten Erlebnisse seine Freunde zu sehr belasten könnten. In diesem Fall würde er nach alternativen Gesprächspartner_innen suchen.1272 Einzelne Interviewte stellen in Frage, ob ihre Freund_innen als Außenstehende die Erfahrungen aus der Polizeiarbeit überhaupt nachempfinden können. Es handle sich bei der Lebenswelt seiner Freund_innen und seiner eigenen beruflichen Realität um zwei sehr unterschiedliche Welten, so einer der Interviewten, der bereits ähnliche Erfahrungen im Zuge seiner Tätigkeit im Rettungsdienst gemacht hat.1273 1265 1266 1267 1268
1269 1270 1271 1272 1273
Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 43–56; 58–60; 62–65; 76–81; 94–102. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 261–270; 273–275; 334–336. Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 420–431. Manchmal besteht in den Interviews die Schwierigkeit zwischen Freunden und Kolleg_innen abzugrenzen. Denn manche Interviewte sprechen von Kolleg_innen im Bezug auf diejenigen Personen, die sie während des Praktikums auf ihrem Revier kennen gelernt haben. Und andere meinen damit auch die Mitschüler_innen. Diese werden als Kolleg_innen, Freunde, Polizeischüler_innen und Klassenkamerad_innen aufgeführt. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 153–154 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 145–146. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 190–195. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 225–228. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 341–345.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Genannte Überlegungen führen bei manchen Interviewten zu dem Schluss, dass die Praxisausbilder_innen oder Kolleg_innen eher als Gesprächspartner_innen geeignet seien.1274 Für andere hingegen ist die Tatsache, dass ihre Freund_innen eben nichts mit der Polizei zu tun haben, das entscheidende Kriterium, das sie als bevorzugte Gesprächspartner_innen qualifiziert.1275 Allein die mit ihnen verbrachte Zeit werde bereits als Hilfe bei der Bewältigung von belastenden Ereignissen des Berufsalltags empfunden.1276
Gespräche führen mit Partner_in Viele der Interviewten geben an, dass Gespräche mit der Partnerin bzw. mit dem Partner eine Hilfe bei der Bewältigung von Problemen und belastenden Ereignissen seien.1277 Auch bezüglich der eigenen Partner_innen wird als positiv hervorgehoben, dass diese nicht Teil der Polizei seien. Dies eröffne im Gespräch eine andere Sicht auf die erlebten Situationen.1278 Weiter wird von einem Polizeischüler beschrieben, dass die Gespräche mit seiner Partnerin auch eine Ablenkung von den beruflichen Problemen und Herausforderungen gewesen seien, indem sie auch andere, private Themen zum Inhalt gehabt haben.1279 Allerdings wird auch beschrieben, dass die Berufswahl Grund für Spannungen in der Beziehung zu den Partner_innen sein könne.1280 Des Weiteren berichtet ein Befragter, dass seine Freundin ihn gebeten habe, Erlebtes nicht detailliert zu erzählen.1281
Gespräche führen mit Tieren In der ersten Interviewreihe erzählen zwei Proband_innen von ihrem Hund. Eine der Interviewten sagt, sie habe in ihrem Hund einen guten »Zuhörer« gefunden und es als hilfreich erlebt, ihm von den Erlebnissen und Problemen im beruflichen Alltag zu erzählen.1282 Ein weiterer Interviewter beschreibt, dass der Sport gemeinsam mit seinem Hund ihm eine Hilfe bei der Bewältigung der Herausforderungen des Berufs gewesen sei.1283 1274 1275 1276 1277 1278 1279 1280 1281 1282 1283
Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 644–654. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 644–654. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 168–169; 194ff. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 258–261; Interview 4b, September 2014, Z. 347–351. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 167–172; 175–177. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 271–275. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 301–308. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 149–151. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 310–312. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 214–218.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Gespräche führen mit Ethiker_in Es gibt nur einen Befragten, der vor dem Praktikum Ethiker_innen als bestmögliche Gesprächspartner_innen bezeichnet. Demgegenüber lehnt er Seelsorger_innen und Psycholog_innen sowie auch Lehrer_innen als Ansprechpartner_innen ab. Er erwartet von Ethiker_innen, dass diese über viel Lebenserfahrung sowie ein breites theoretisches Wissen verfügen und darüber hinaus wertneutral und an keine Institution bzw. Religion gebunden seien.1284 Gespräche führen mit Gott Zwei Interviewte geben an, an Gott zu glauben. Der erste beschreibt, dass er im Falle von Problemen und beruflichen Belastungen in die Kirche gehe und dass ihm das Gebet um Hilfe und Unterstützung helfen würde.1285 Auch für den zweiten Interviewten sind Gespräche mit Gott eine Hilfe. Er sehe in ihnen eine gute Möglichkeit, seine Erlebnisse aufzuarbeiten. Außerdem habe er während seiner Zeit im Rettungsdienst bereits positive Erfahrungen damit gemacht.1286 Nach der Praxisphase bestätigte er seinen Glauben in die Kraft des Gebets. Er habe für Menschen, mit denen er in Kontakt gekommen sei, gebetet und sei der Meinung, dass sein Gebet Wirkung zeige.1287 Gespräche führen mit sonstigen Personen Es gibt nur eine Interviewte, die Menschen aus ihrem Heimatdorf als Gesprächspartner_innen benennt. Dort gebe es viele Personen, die bereits in ihrer Jugendzeit auf sie und ihre Freunde aufgepasst hätten. Diese Menschen böten ihr auch jetzt noch Hilfe an und sie finde bei ihnen immer ein offenes Ohr.1288 Interpretation Subkategorie 2: Gespräche führen mit …1289 Professionelle Hilfe Der Wunsch der Proband_innen, dass Psycholog_innen und Seelsorger_innen sich auf dem Polizeirevier vorstellen sollten, verdeutlicht, dass bereits von den 1284 1285 1286 1287 1288 1289
Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 435–449. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 269–275. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 263–268. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 521–525; 547–552; 554–576. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 343–361. Dieses Kapitel wird nicht in die gleichen Abschnitte unterteilt wie in den vorangegangenen, sondern es wird in neue, nach sinnzusammenhängenden Abschnitte unterteilt.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Auszubildenden im Polizeidienst eine Notwendigkeit erkannt wird. Es handelt sich um die Notwendigkeit, Personen im direkten Umfeld zu kennen, die professionelle Hilfe bei der Bewältigung von Problemen und belastenden Situationen anbieten können. Und es handelt sich darüber hinaus um die Notwendigkeit, zu wissen, wo diese Personen im Notfall zu finden sind. Die Äußerungen der angehenden Polizist_innen zeigen jedoch, dass in der Praxis beides meistens nicht gegeben ist. Daher erscheint es als notwendig, dies im Berufsethikunterricht bereits vor der ersten Praxisphase zu thematisieren, um den angehenden Polizist_innen unter allen Umständen den Zugang zu professioneller Hilfe im Notfall zusichern zu können. Darüber hinaus verweisen die die Aussagen der Polizeischüler_innen auf die Notwendigkeit, Qualifikationen, Arbeitsweisen und Zuständigkeiten von Seelsorger_innen und Psycholog_innen transparent zu machen. Denn in ihren Äußerungen spiegeln sich Unsicherheiten bezüglich des Erfahrungshorizontes der beiden Berufsgruppen sowie bezüglich ihrer Tätigkeitsfelder. Diese Unsicherheiten zeigen sich beispielhaft in solchen Aussagen, die eine direkte Verbindung zwischen dem Besuch bei Psycholog_innen und diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen herstellen, sowie in solchen, die eine Kontaktaufnahme zu Seelsorger_innen auf solche Fälle beschränken, in denen die seelische Gesundheit bereits Schaden genommen hat. Den Polizeischüler_innen ist daher unbedingt nahezubringen, über welche Qualifikationen die beiden Berufsgruppen verfügen und welche Art von Hilfe sie anzubieten in der Lage sind. Dadurch könnten klischeehafte Vorstellungen, die eine Kontaktaufnahme möglicherweise behindern, ausgeräumt werden. Dabei könnte auch der Vorstellung entgegengetreten werden, dass die Inanspruchnahme von Seelsorge den christlichen Glauben notwendigerweise als gemeinsame Basis des Gespräches voraussetzt. An diesen Gedanken knüpfen sich möglicherweise auch Befürchtungen, dass im Zentrum eines Gesprächs mit Seelsorger_innen Glaubensfragen und -themen stehen und die eigenen Probleme dabei in den Hintergrund geraten könnten, ohne zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Den angehenden Polizist_innen ist zu vermitteln, dass die eigene religiöse Einstellung kein Kriterium bei der Entscheidung bezüglich der Inanspruchnahme seelsorglicher Gespräche darstellen muss, auch wenn es sich bei der Seelsorge um ein Angebot der Kirche handelt. Gesprächspartner_innen innerhalb der Polizei1290 Die Lehrer_innen der Polizeischule werden von vielen Interviewten als Gesprächspartner_innen genannt. Unklar bleibt dabei, ob diese sich ihren Schü1290 Die Bezugspersonen innerhalb der Polizei unterteilen sich in Lehrer_innen, Streit-
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ler_innen auch als Gesprächspartner_innen anbieten, beziehungsweise inwieweit sie bereit sind, diese Rolle bei Problemen und belastenden Erlebnissen zu übernehmen. Fest steht jedoch, dass die Lehrperson im Fach Berufsethik nicht als alleinige Anlaufstelle bei Problemen betrachtet wird. Wenige Interviewte benennen den Konfliktberater bzw. den Streitschlichter der Schule als möglichen Ansprechpartner. Bei der Einschätzung der Praxisausbilder_innen als Gesprächspartner_innen spielt die Beziehung zwischen ihnen und den Praktikant_innen eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, nach dem Selbst- und Rollenverständnis der Praxisausbilder_innen bei der Polizei zu fragen. Dieses kann, wie die Interviews zeigen, das Verständnis der eigenen Person als Ansprechpartner auf einer persönlichen, emotionalen Ebene einschließen oder sich im Einzelfall auf die Aufgabe der fachlichen Anleitung der Praktikant_innen beschränken. Zunächst ist daher ein Anforderungsprofil an die Praxisausbilder_innen für die Begleitung der Polizeischüler_innen zu erstellen und transparent zu machen. Dieses Anforderungsprofil muss auch den Schüler_innen im Vorfeld der Praxisphase bekannt gemacht werden. Auf diese Weise können die Erwartungen der angehenden Polizist_innen an die Leistungsfähigkeit der Ausbilder_innen und an die Beziehung zu ihnen auf ein realistisches Fundament gestellt und Enttäuschungen vermieden werden. Bei der Wahl der Praxisausbilder_innen ist zudem ein Augenmerk auf deren Alter und Berufserfahrung zu legen. In den Aussagen der Interviewten wird deutlich, dass sowohl die Betreuung durch (zu) junge und wenig berufserfahrene Anleiter_innen als auch durch ältere Kolleg_innen als nachteilig erlebt werden kann. Im ersten Fall besteht die Gefahr, dass die jungen Kolleg_innen selbst noch zu sehr in einem persönlichen Lernprozess gefangen sind, um qualifiziert auf die Probleme der Auszubildenden eingehen zu können. Im zweiten Fall kann ein großer Altersabstand der Befürchtung Vorschub leisten, bei den betreffenden Ausbilder_innen mit den eigenen Problemen auf wenig Verständnis zu stoßen. Von besonderer Bedeutung scheint für die Auszubildenden zu sein, ob es sich bei ihren Anleiter_innen um Männer oder Frauen handelt beziehungsweise ob sie gleichgeschlechtlichen Anleiter_innen zugewiesen wurden. Manche empfinden es als Vorteil, andere wiederum als Nachteil, wenn die Anleiter_innen und Praktikant_innen unterschiedlichen Geschlechts sind. Unter den Kolleg_innen spielt bei der Wahl geeigneter Gesprächspartner_innen die Berufserfahrung eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus stellt schlichter_innen bzw. Konfliktberater_innen und Praxisausbilder_innen und Kolleg_innen.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
persönliche Sympathie ein wichtiges Kriterium dar. Es herrscht kein Konsens darüber, wie hilfreich der Austausch mit Kolleg_innen bei der Bewältigung von Problemen und Belastungen sein kann. Nicht zu bestreiten ist jedoch der hohe Stellenwert des Erfahrungsaustauschs mit den Kolleg_innen sowie das gemeinsame Witze-Machen über Erlebtes. Ob dies jedoch tatsächlich eine effektive Bewältigungsstrategie darstellt oder eher als vorübergehende Entlastung zu bewerten ist, bleibt offen. Gesprächspartner_innen außerhalb der Polizei1291 Auch wenn viele der Auszubildenden nicht mehr bei den Eltern wohnen, spielen Familienangehörige die größte Rolle unter den Gesprächspartner_innen außerhalb der Polizei. Der Grund liegt auf der Hand: Die Familie umfasst in der Regel die Personen, die den angehenden Polizist_innen am nächsten stehen. Durch ein Gespräch mit einer vertrauten Person gelingt es ihnen, den Kopf freizubekommen von den Erlebnissen im Polizeidienst. Auch die Berufserfahrung der Eltern kann eine Hilfe bei der Bewältigung von Problemen sein. Neben Familienmitgliedern stellen Freund_innen, die das Vertrauen der Polizeischüler_innen genießen, geeignete Gesprächspartner_innen dar. Ihr Abstand zu den Erlebnissen im Polizeiberuf erlaubt es, mit ihnen auch Witze über die belastenden Erfahrungen zu machen und ihnen so die Schwere zu nehmen. Auch die Ablenkung durch gemeinsame Unternehmungen wird bereits als Hilfe bei der Verarbeitung betrachtet. Fraglich bleibt hierbei, ob solcherlei Ablenkungen eine probate Verarbeitungsstrategie sein können oder eine Form der Verdrängung darstellen. Nur wenige Interviewte benennen ihre Lebenspartner_innen als Gesprächspartner_innen. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang jedoch, wie viele der Befragten sich überhaupt in einer festen Beziehung befinden. Gespräche mit den Partner_innen werden mehrheitlich als hilfreich bewertet, wenn auch deutlich wird, dass das in der Polizeiarbeit Erlebte die Beziehungen zu ihnen auch belasten kann. Bemerkenswert ist, dass ausnahmslos alle Interviewte Gesprächspartner_innen außerhalb der Polizei benennen und sich über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Gespräche Gedanken machen. Dabei werden positive und entlastende Aspekte dieser Gespräche ebenso genannt wie die Gefahr, dass durch sie das Privatleben mit den Problemen und Erfahrungen des beruflichen Alltags belastet werden könnte. Auf dieses Thema ist daher im Unterricht in jedem Fall einzugehen. Einerseits um auszuloten, was Gespräche mit Personen außerhalb 1291 Die Bezugspersonen außerhalb der Polizei lassen sich in Freunde, Familienmitglieder, Partner_innen und sonstige Personengruppen ausdifferenzieren.
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der Polizei im Hinblick auf die Bewältigung des Berufsalltags zu leisten vermögen. Andererseits aber auch, um das eigene Privatleben davor zu schützen, von den Belastungen dieses Alltags beeinträchtigt zu werden.
Gott Von nur zwei Interviewten wird Gott bzw. der Glaube als Hilfe bei der Bewältigung des beruflichen Alltags beschrieben. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob der persönliche Glaube der Auszubildenden thematisch Raum im Berufsethikunterricht finden sollte. Dahinter steht die grundsätzlichere Frage, ob der Unterricht von den Kirchen nur durchgeführt werden soll oder ob in ihm auch Glaubensfragen behandelt werden dürfen und sollten. Im zweiten Fall wäre es wichtig, Gott und den Glauben im Alltag zu thematisieren.
15.5.3 Subkategorie 3: Wahrnehmung eigener Ängste, Versagensängste, Erwartungen Die Wahrnehmung, Analyse und Benennung eigener Ängste, Versagensängste und Erwartungen scheint den interviewten Polizeischüler_innen nicht leicht zu fallen. In beiden Interviewreihen äußern sich insgesamt nur sieben der Interviewten zu diesem Thema. Der Interviewte_3 erzählt, es sei in der Stadt, in der er sein Praktikum absolviert habe, im Rahmen eines Projektes üblich gewesen, dass die Polizeibeamt_innen einmal in jeder Nacht eine Fußstreife durchführen mussten. Dabei habe er Angst verspürt.1292 Der Interviewte_18 berichtet von einem tödlichen Verkehrsunfall, zu dem er im Verlauf seines Praktikums gerufen worden sei.1293 Angesichts dieses Erlebnisses und des Anblicks der Unfallopfer habe er Angst gehabt, dass die Bilder des Unfalls ihn die nächsten Tage und Wochen verfolgen würden.1294 Versagensängste werden von vier Polizeischüler_innen zur Sprache gebracht. Die Interviewte_11 formuliert in der ersten Interviewreihe die Angst, innerhalb der Praxisphase Fehler zu machen oder wichtige Arbeitsschritte zu vergessen: »Also Ängschte hab ich: dass=ich (.) n großer FEhler machen werd in irgendeiner hinsicht (.) dass ICH: was vergess zu mache- also irgend ne (.) Abfrage- übern FUNK ne
1292 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 171–182. 1293 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 100–104. 1294 Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 102–112.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
abfrage vergess zu machen=dass ich jemanden LAUfen lass obwohl er net laufen darf[.]«1295
Drei weitere Interviewte sprechen von der Angst, dass ihnen die Umsetzung der in der Theorie gelernten Inhalte in die Praxis nicht gelingen könnte.1296 Eine Beruhigung diesbezüglich sei für die Interviewte_19 die Erfahrung in der Praxisphase gewesen, dass sich die Theorie von der praktischen Umsetzung in vielen Fällen ohnehin stark unterscheide. Sie sei daher zuversichtlich, durch zunehmende Berufserfahrung die notwendige Handlungssicherheit in den polizeilichen Aufgaben zu erlangen.1297 Der Interviewte_28 hofft, die Prüfung an der Polizeischule erfolgreich zu bestehen. Ein Versagen in dieser Prüfung würde für ihn eine Enttäuschung darstellen.1298 Außerdem wolle er vermeiden, aufgrund des Nichtbestehens der Prüfung die Klasse wechseln zu müssen, da mit seinen derzeitigen Klassenkamerad_innen auch privat ein freundschaftliches Verhältnis bestehe. Im Falle eines Wechsels habe er die Befürchtung, den Kontakt zu ihnen zu verlieren.1299 Als Hintergrund dieser Befürchtung gibt er die Erfahrungen seines derzeitigen Zimmerkollegen an, dem es beim Wechsel in eine neue Klasse nicht gelungen sei, zu seinen nun deutlich jüngeren Klassenkamerad_innen eine Beziehung aufzubauen.1300 Ein Nichtbestehen der Prüfung stelle jedoch keinen Grund für ihn dar, die Ausbildung abzubrechen.1301 Die Interviewte_11 äußert Bedenken in Bezug auf die im Praktikum bevorstehende Schichtarbeit. Sie sieht in ihr eine Herausforderung, stuft diese jedoch gleichzeitig als bewältigbar ein.1302 Drei der angehenden Polizeischüler_innen formulieren in den Interviews Erwartungen in Bezug auf die Praxisphase. Der Interviewte_10 erwartet zunächst, »[…] dass man halt einfach VIEL sieht[.]«1303 Dabei denke er an »[…] nen Unfall […]«1304 oder daran, »[…] dass s NIT drumrum komm n TOTer zu sehn[.]«1305 Als weitere Erwartung gibt er an,
1295 Interview 11a, Mai 2014, Z. 93–97. 1296 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 169–179; Interview 28b, September 2014, Z. 1065–1069. 1297 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 169–179. 1298 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 1065–1069. 1299 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 1071–1078; 1080–1091. 1300 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 1101–1105. 1301 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 1108f. 1302 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 100–104. 1303 Interview 10a, Mai 2014, Z. 124. 1304 Interview 10a, Mai 2014, Z. 124. 1305 Interview 10a, Mai 2014, Z. 126f.
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»[…] dass irgendwie was spannendes passiert wo man vielleicht DANN (.) !RICHTIG! GUT gmacht hat (.) wo: mAN vorher vielleicht net geDACHT hat dass ma des vielleicht Kann[.]«1306
Der Interviewte_11 spricht von Erwartungen in Bezug auf die Zusammenarbeit innerhalb einer Schicht. Er freue sich darauf, »[…] auch mit (.) RICHTIGEn kollegen dann zusammen zu arbeiten [I1: mhm] Ä:hm (1) ja dass man ne SCHICHT hat- net so n klassenverbund wie jetz hier- mh: dass man auch mal schicht arbeitet[.]«1307
Die Interviewte_19 zeigt sich rückblickend enttäuscht über die Praxisphase.1308 Sie habe sich gewünscht, »[…] dass da ein bisschen was abgeht[.]«1309
Die Delikte, die im Unterricht behandelt worden seien, wie beispielsweise »[…] KÖRperverletzung oder so was SACHbeschädigung (.) DIEbstahl […]«1310
seien ihr in ihrem Praktikum, das sie in einer ländlichen Gegend absolviert habe, nicht begegnet.1311 Zusammenfassung Subkategorie 3: Wahrnehmung eigener Ängste, Versagensängste, Erwartungen Insgesamt sieben der befragten Polizeischüler_innen gehen auf Ängste, Versagensängste oder Erwartungen im Zusammenhang mit der Praxisphase ein. Dabei sprechen die Interviewten_10 und_11 von Erwartungen und Befürchtungen im Hinblick auf die anstehende Praxisphase.1312 Diese beziehen sich auf die eigene Fähigkeit, in der beruflichen Praxis gut zu bestehen1313, und fußen auf der Ungewissheit darüber, was ihnen in der Praxisphase begegnen werde.1314 Die Interviewten_3, _18, _19 und_20 hingegen berichten rückblickend von Ängsten, die sie im Verlauf des Praktikums bewegt haben.1315 Dabei werden Versagensängste im Hinblick auf die praktische Anwendung der in der Poli1306 1307 1308 1309 1310 1311 1312 1313 1314 1315
Interview 10a, Mai 2014, Z. 133–136. Interview 11a, Mai 2014, Z. 97–100. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 139ff. Interview 19b, September 2014, Z. 142f. Interview 19b, September 2014, Z. 147f. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 139; 145–148. Vgl. Interview 10a, September 2014, Z. 124; 126f; Interview 11a, September 2014, Z. 93–97. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 93–97. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 124; 126f. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 100–112; Interview 19b, September 2014, Z. 169–179; Interview 20b, September 2014, Z. 21–25.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
zeischule gelernten Inhalte1316, Befürchtungen in Bezug auf die eigene Fähigkeit, belastende Erlebnisse zu verarbeiten1317 und das Gefühl des Unwohlseins bei bestimmten Einsätzen genannt.1318 Die Ängste eines Interviewten beziehen sich demgegenüber nicht auf die berufliche Praxis, sondern vielmehr auf die anstehenden Prüfungen in der Polizeischule. Er befürchtet, diese nicht zu bestehen und die Klasse wechseln zu müssen.1319 In drei der sieben Interviews gehen die Polizeischüler_innen auf Erwartungen an die Praxisphase ein. Dabei sprechen zwei Interviewte von positiven Erwartungen an das anstehende Praktikum: Die Interviewte_10 erwartet, eine große Bandbreite an verschiedenen Erfahrungen machen zu können1320, während der Interviewte_11 Erwartungen hinsichtlich der Zusammenarbeit in seiner Schicht formuliert1321. Die Interviewte_19 spricht in der zweiten Interviewreihe die Enttäuschung ihrer Erwartungen an die Praxisphase an. Sie sei davon ausgegangen, im Praktikum mehr zu erleben.1322
Interpretation Subkategorie 3: Wahrnehmung eigener Ängste, Versagensängste, Erwartungen Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass zumindest einige der interviewten Polizeischüler_innen mit klar definierten Erwartungen und zuweilen auch mit konkreten Ängsten in das erste Praktikum gehen. Auffällig ist hierbei, dass sich nur vergleichsweise wenige Proband_innen diesbezüglich äußern. Der Grund dafür könnte sein, dass bereits im Vorfeld des Praktikums eine umfassende Reflexion der eigenen Erwartungen und Befürchtungen hinsichtlich der beruflichen Praxis im Unterricht erfolgt ist, durch die die Schüler_innen mit diesen so weit abschließen konnten, dass sie zum Zeitpunkt der Interviews kein vordringliches Thema mehr darstellten. Möglich ist jedoch auch, dass die Proband_innen bisher keine Gelegenheit hatten, all das zu verbalisieren, was sie im Hinblick auf das Praktikum persönlich bewegt. Das Schweigen der Mehrheit der Befragten zu diesem Thema könnte dann auch auf der Sorge basieren, sich durch ein Bekenntnis zu eigenen Unsicherheiten oder Hoffnungen angreifbar zu ma1316 1317 1318 1319
Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 169–179. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 104–112. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 176–182. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 1065–1069; 1071f; 1075–1078; 1080–1091; 1101–1105; 1108f; Interview 28b, September 2014, Z. 1109–1112. 1320 Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 124; 126f. 1321 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 97–100. 1322 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z.142f.
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chen und in einem Berufsfeld, das noch immer vom Habitus des starken Polizisten, der starken Polizistin geprägt ist, als schwach zu erscheinen. Falls die zweite Annahme zutrifft, ist es als Aufgabe des Berufsethikunterrichts zu verstehen, den Schüler_innen Mut zu machen, sich zu ihren Sorgen, Ängsten und Erwartungen zu bekennen und die Chance des Austauschs über diese zu nutzen. Auf diese Weise können die angehenden Polizist_innen entdecken, dass sie mit ihren Unsicherheiten nicht alleine stehen, sondern dass auch andere ähnliche Gedanken bewegen. Eine gemeinsame Auseinandersetzung kann darüber hinaus dazu dienen, Ängste zu beruhigen und den Umgang mit ihnen zu erleichtern. Es kann auch herausgearbeitet werden, dass ein gewisses Maß an Angst in bestimmten Situationen auch für einen »harten Polizisten« oder eine »taffe Polizistin« erlaubt und legitim ist und darüber hinaus sogar förderlich sein kann, indem es die Aufmerksamkeit in potenziell gefährlichen Situationen erhöht. Im Zuge der Aussprache der eigenen Ängste und dem Austausch mit anderen kann erreicht werden, dass die persönlichen Ängste dieses Maß nicht überschreiten und die Angst im konkreten Fall überhandnimmt und die Arbeitsfähigkeit behindert.1323 Auch Versagensängste sollten im Berufsethikunterricht eigens thematisiert werden. Es muss herausgestellt werden, dass sie keine Schwäche darstellen, sondern eine normale menschliche Reaktion auf anstehende Anforderungen sein können. Je höher diese Anforderungen sind und je mehr Verantwortung mit ihnen verbunden ist, umso legitimer ist es, wenn sich Versagensängste einstellen. Da der Polizeiberuf mit einer besonders hohen Verantwortung für andere Menschen verbunden ist, muss es mehr als verständlich sein, dass die angehenden Polizist_innen ein Gefühl der Überforderung und die Angst, der Verantwortung nicht gewachsen zu sein, empfinden. Die Auseinandersetzung im Unterricht mit dem Thema der Verantwortung und den persönlichen Versagensängsten kann dazu führen, dass diese nicht als Schwäche empfunden werden. Ziel des Unterrichts sollte freilich auch sein, diese Ängste zu mildern und den Schüler_innen ein gesundes Selbstvertrauen hinsichtlich der auf sie zukommenden Anforderungen zu vermitteln. Die Wahrnehmung, Reflexion und Verarbeitung der Ängste und Befürchtungen der Polizeischüler_innen ist u. E. im Berufsethikunterricht zu verorten, da dieser unter anderem die Aufgabe hat, existenzielle Fragen der Polizeischüler_innen aufzugreifen.
1323 Vgl. Schneider 2013, S. 93.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
15.5.4 Subkategorie 4: Reflexion der Berufswahl Für neun Polizeischüler_innen stellt die Praxisphase eine Gelegenheit zur Reflexion der eigenen Berufswahl dar. Der Interviewte_1 äußert in diesem Zusammenhang die Sorge, in der anstehenden Praxisphase zu wenig zu erleben, um sich ein umfassendes Bild von der Polizeiarbeit machen zu können. Diese Befürchtung sieht er im Anschluss an das Praktikum bestätigt.1324 Er sieht diesen Mangel an Erfahrungen im Zusammenhang mit der geographischen Lage seines Praxisreviers. Daher formuliert er den Vorsatz, in seiner beruflichen Zukunft nicht immer in einer ländlichen Gegend arbeiten zu wollen, sondern bevorzugt in einem Revier in der Stadt tätig zu sein.1325 Der Interviewte_3 sieht sich durch die Praxisphase in seiner Berufswahl bestärkt, während er zuvor noch Zweifel daran gehabt habe, den richtigen Beruf ergriffen zu haben.1326 Dazu habe unter anderem das Lob von Seiten der Vorgesetzten beigetragen. Darüber hinaus habe die Arbeit mit Menschen ihm besonders viel Freude bereitet.1327 Auch für den Interviewten_6 stellt die Praxisphase eine Bestätigung seiner Berufswahl dar. In der zweiten Interviewreihe gibt er an, nun sicher zu sein, dass er »[…] WEITerMAchen will[.]«1328 Er sei in seiner Rolle als angehender Polizist besonders durch solche Situationen gewachsen, in denen er an seine Grenzen gekommen sei.1329 Auch der Interviewte_11 berichtet, in der Praxisphase festgestellt zu haben, dass ihm der Polizeiberuf zusage,1330 auch wenn er nicht den Eindruck habe, einen umfassenden Einblick in die Polizeiarbeit bekommen zu haben. So sei er beispielsweise nicht in Kontakt mit einer Leiche gekommen. Diese Erfahrung spiele aber für die Bestätigung seiner Berufswahl keine entscheidende Rolle.1331 Die Interviewte_16 habe den Polizeiberuf vor allem aus »[…] praktischen aspekten […]«1332 gewählt. Die Absicherung durch den Beamtenstatus1333 sowie der Verdienst1334 seien Gründe gewesen, die bisherige Tätigkeit als Rettungssa-
1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330 1331 1332 1333 1334
Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 89ff. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 91–95. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 62–66. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 45–51. Interview 6b, September 2014, Z. 584. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 521–537; 584–596. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 162ff. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 154–157. Interview 16b, September 2014, Z. 309. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 514. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 534.
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nitäterin aufzugeben1335 und in den Polizeiberuf zu wechseln. Die Sicherheit habe »[…] man im rettungsdienst nich (.) und ähm n beruf zu machen den ich halt auch bis zur rente machen kann das geht beim rettungsdienst auch schwer[.]«1336
Am Polizeiberuf gefalle ihr, dass »[…] man da halt wenn mans mal geschafft hat recht zäh und es ist trotzdem ein beruf ähm (.) wo man mit menschen zu tun hat und wo man ähm (.) draussen auf der strasse is un situation lösen kann und wirklich im wahren leben zu tun hat mehr oder weniger und ich denk der beruf steht und fällt einfach mit den kollegen[.]«1337
Der Interviewte_17 habe sich allein durch die theoretische Beschäftigung mit der polizeilichen Arbeit im Unterricht der Polizeischule noch nicht mit dem Polizeiberuf identifizieren können. Er habe sich gefragt »[…] ob des wirklich des is was du Willst[.]«1338
Im Zuge des Praktikums habe der Einblick in den polizeilichen Berufsalltag ihm jedoch die Gewissheit gebracht, dass der Polizeiberuf ihm zusage.1339 Zusammenfassung Subkategorie 4: Reflexion der Berufswahl Neun Polizeischüler_innen betrachten die Praxisphase als Gelegenheit, ihre Berufswahl zu reflektieren.1340 Sieben der angehenden Polizist_innen äußern vor der Praxisphase explizit Zweifel daran, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.1341 Als Bestätigung der Berufswahl empfinden die Interviewten einerseits die Erfahrung, für ihre Arbeit von Vorgesetzten gelobt zu werden1342, und andererseits das erfolgreiche Bestehen von Herausforderungen, welches eine Ermutigung darstelle, die berufliche Laufbahn weiter zu verfolgen.1343 Außerdem werde ein möglichst umfassender Einblick in den Berufsalltag von Polizist_innen als hilfreich empfunden, um Sicherheit bezüglich der eigenen Berufswahl zu erlangen.1344 1335 1336 1337 1338 1339 1340 1341 1342 1343 1344
Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 276. Interview 16b, September 2014, Z. 522–525. Interview 16b, September 2014, Z. 317–323. Interview 17b, September 2014, Z. 66–69. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 66–73. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 66–69; Interview 28b, September 2014, Z. 328f; Interview 28b, September 2014, Z. 330; Interview 19b, September 2014, Z. 135–139. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 63–65. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 45–51. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 595–601. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 148–154; 162f.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Der Einblick in die berufliche Praxis erscheint dabei als eine notwendige Ergänzung zu den in der Polizeischule erlernten Inhalten. Allein das durch die Schule vermittelte Bild des Polizeiberufs erweist sich als nicht ausreichend, um sich mit diesem identifizieren zu können. Dies wird erst durch die Erfahrung der beruflichen Praxis möglich.1345 Ein Interviewter sieht sich durch die Praxisphase in seinen Erwartungen an den Polizeiberuf in vollem Umfang bestätigt.1346 Einem weiteren Polizeischüler dienen die Erfahrungen des Praktikums dazu, seine Vorstellungen bezüglich der zukünftigen beruflichen Tätigkeit zu konkretisieren, indem er zu dem Schluss kommt, später vorzugsweise in der Stadt arbeiten zu wollen.1347 Eine Interviewte geht auf konkrete Gründe für ihre Berufswahl ein. Diese seien eher pragmatischer Natur: Für sie seien finanzielle Aspekte sowie die Absicherung durch den Beamtenstatus entscheidende Kriterien, um vom Beruf der Rettungssanitäterin in den Polizeidienst zu wechseln.1348
Interpretation Subkategorie 4: Reflexion der Berufswahl Bei immerhin neun Polizeischüler_innen dient die Praxisphase explizit einer Überprüfung der Berufswahl. In ihren Aussagen zeigt sich ein Bewusstsein dafür, dass die theoretische Ausbildung an der Polizeischule keinesfalls dazu geeignet ist, einen umfassenden Einblick in die berufliche Praxis und ihre spezifischen Herausforderungen zu gewinnen. Für diese Befragten stellt die Erfahrung der Umsetzung des in der Theorie erlernten Wissens in die Praxis ein wesentliches Kriterium für die endgültige Entscheidung für oder wider den Polizeiberuf dar. Interessant wäre es, zu fragen, aufgrund welcher Motivationen eben diese neun angehenden Polizist_innen die Ausbildung aufgenommen haben. Möglicherweise haben sich diese Proband_innen auf der Basis eines Idealbildes des Polizeiberufs für ihre Ausbildung entschieden, das bereits in der theoretischen Ausbildung eine Erschütterung erfahren hat. In Gesprächen mit dienstälteren Polizeibeamt_innen im Verlauf der Recherchen zu vorliegenden Studien gaben diese zu bedenken, dass gerade das medial vermittelte Bild des Polizeiberufs den Auszubildenden attraktiv erscheine und ein Grund für die Berufswahl sein könne. Dieses Bild aber sei nicht realistisch und blende die Probleme und Belastungen des Berufs vielfach gänzlich aus. So sei vielen angehenden Polizist_innen zu Beginn ihres ersten Praktikums nicht bewusst, welch beachtliches Maß an Zeit die Büroarbeit im Alltag von Po1345 1346 1347 1348
Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 66–73. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 61; 63–65. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 91–95. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 309.
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lizist_innen einnehme. Während die Proband_innen im Verlauf der theoretischen Ausbildung möglicherweise bereits eine Ahnung davon bekommen haben, dass die berufliche Praxis sich von mitgebrachten Idealen vielfach grundlegend unterscheidet, kann das tatsächliche Erleben dieser Praxis zu der Erkenntnis führen, dass die Differenz zwischen Ideal und Realität zu groß und der Beruf daher nicht der richtige ist. Im Vorfeld der Praktika sollten sowohl die Vorstellungen der angehenden Polizist_innen über den Polizeiberuf als auch mögliche Zweifel an der persönlichen Berufswahl im Unterricht thematisiert werden. Dabei muss der Fokus darauf liegen, Zweifel zulassen zu können und die Bereitschaft zu entwickeln, den Berufswunsch einer aufrichtigen Reflexion zu unterziehen.
15.5.5 Subkategorie 5: Bewältigungsstrategie Sport Elf Polizeischüler_innen geben Sport als Strategie zur Bewältigung der beruflichen Herausforderungen an. Die Interviewte_2 ist der Meinung, dass ihr neben Gesprächen mit verschiedenen Personen »[…] auch sport sehr viel […]«1349 bei der Verarbeitung des beruflichen Alltags helfe. Ebenso hat der Interviewte_3 die Erfahrung gemacht, dass Sport und die damit einhergehende Ablenkung ihm bei der Bewältigung von Problemen helfen könne.1350 Er betreibe seit zwei Jahren Thaiboxen, was ihm erfahrungsgemäß vor allem den Abbau von Frust erleichtere.1351 In der Praxisphase habe er dies »[…] auch weiterhin gemacht (.) ähm während des praktikums des war ganz gut[.]«1352 Besonders vor Nachtschichten, die für ihn zu Beginn »[…] extrem schwierig […]«1353 gewesen seien, habe sich sportliche Betätigung bewährt,1354 »[…] um wachzubleiben ja (.) un halt den körper in schuss zu halten[.]«1355
Auch der Interviewte_9 benennt verschiedene Sportarten als Bewältigungsstrategien, darunter Fußball, Laufen und ebenfalls Thaiboxen. Beim Sport könne er sowohl Energie tanken als auch Frust bzw. Druck abbauen.1356 Er stelle für ihn einen Ausgleich zur Polizeiarbeit dar.1357 Der Interviewte_8 betrachtet den Sport 1349 1350 1351 1352 1353 1354 1355 1356 1357
Interview 2a, Mai 2014, Z. 147. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 204f. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 207–208. Interview 3b, September 2014, Z. 251–252. Interview 3b, September 2014, Z. 286f. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 286–290. Interview 3b, September 2014, Z. 293–294. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 228–238. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 210–214.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
als eine Art Ventil.1358 Der Interviewte_10 würde den Sport als Bewältigungsstrategie sogar den Gesprächen mit anderen Personen vorziehen.1359 Für die Interviewte_11 stellt der Reitsport eine bewährte Bewältigungsstrategie dar,1360 während die Interviewte_14 in diesem Zusammenhang das Joggen nennt. Der Sport helfe ihr, auf andere Gedanken zu kommen, wenn sie ein Problem habe oder sich schlecht fühle.1361 In der zweiten Interviewreihe gibt sie jedoch an, dass sie auf diese Strategie im Praktikum nicht habe zurückgreifen müssen, da sie keine über die Maßen belastenden Situationen erlebt habe.1362 Die Interviewte_20 gibt vor der Praxisphase an, bei Stress Sport mit ihrem Hund zu machen.1363 Der Interviewte_28 berichtet, dass er seit acht Jahren »Krav Magan« betreibe, einen aus Israel stammenden Militärkampfsport, der schwerpunktmäßig zur Selbstverteidigung diene.1364 Daher fühle er sich dazu in der Lage, sich in Extremsituationen gut selbst zu verteidigen. Er scheue sich auch nicht, diese Kampftechnik im Notfall anzuwenden, da diese Art der Abwehr zur »einfachen körperlichen Gewalt« zähle.1365 Daneben diene der Kampfsport ihm als Ausgleich, denn danach fühle er sich »[…] immer VOLL ausgepowert; […] FIX und fertig ((lacht)) brauch [ich] nix mehr[.]«1366
Zusammenfassung Subkategorie 5: Bewältigungsstrategie Sport Sport als Bewältigungsstrategie wird von elf der befragten Polizeischüler_innen angesprochen.1367 Während eine Interviewte lediglich angibt, dass Sport ihr in vielen Situationen helfe,1368 konkretisieren andere Interviewte, auf welche Art und Weise der Sport eine Hilfe bei der Bewältigung des Berufsalltages sein kann. Ein Interviewter sieht in ihm eine Ablenkung von den Problemen und Herausforderungen des Berufs. Dadurch könne ein Abstand zu ihnen gewonnen werden, der bei der Bewältigung schwieriger Situationen oder belastender Erfahrungen hilf1358 1359 1360 1361 1362 1363 1364 1365 1366 1367
Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 200–202. Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 178. Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 146f. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 256–259. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z.168–171. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 214–219. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 495ff. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 499–507. Interview 28b, September 2014, Z. 543–546. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 200–202; Interview 10b, September 2014, Z. 178; Interview 11a, Mai 2014, Z. 146f; Interview 14a, Mai 2014, Z. 268f; Interview 21a, Mai 2014, Z. 310–312; Interview 24b, September 2014, Z. 148ff; Interview 28b, September 2014, Z. 543–546. 1368 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 147.
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reich sein kann. Außerdem verweist er auf die Möglichkeit, sich durch Sport fit zu halten und auf die körperlichen Herausforderungen des Polizeiberufs vorzubereiten. Als Beispiel führt er an, dass er gute Erfahrungen damit gemacht habe, sich mit Sport für die anstehenden Nachtschichten vorzubereiten.1369 Darüber hinaus diene der Sport, in diesem Fall ein Kampfsport, ihm als Ventil, um Frust und Ärger abzubauen.1370 Ähnliches berichtet auch einer seiner Mitschüler.1371 Besonders häufig werden von den Proband_innen Kampfsportarten als probater Ausgleich zum Polizeiberuf genannt. Als weitere Sportarten tauchen Fußball, Laufsport und Reiten namentlich in den Interviews auf.1372
Interpretation Subkategorie 5: Bewältigungsstrategie Sport Die Aussagen der Polizeischüler_innen belegen, dass sportliche Betätigung in vielfacher Hinsicht als Möglichkeit zur Bewältigung der beruflichen Herausforderungen empfunden wird. Er dient ihnen zum Abbau von Frust, zur Ablenkung und zum Ausgleich.1373 Gleichzeitig gibt die Mehrzahl der Befragten aber auch an, bisher keine Erfahrungen mit wirklichen Extremsituationen gemacht zu haben, deren Bewältigung eine Herausforderung dargestellt oder sie an ihre persönlichen Grenzen geführt hätte. Daher ist zu hinterfragen, ob die Bewältigungsstrategie »Sport« sich in einem solchen Fall als tragfähig erweisen würde. Jedoch kann vermutet werden, dass sportliche Betätigung auch im Falle ernsthafter Probleme oder belastender Erlebnisse zumindest eine mögliche Hilfe bei der Bewältigung darstellen kann. Dass die Proband_innen selbst möglicherweise über das Bewusstsein verfügen, dass Sport als alleinige Bewältigungsstrategie sich als unzulänglich erweisen könnte, zeigt sich darin, dass keine der interviewten Personen der sportlichen Betätigung die Fähigkeit zuschreibt, einen aktiven Verarbeitungsprozess anzuregen. Die Funktion des Sportes wird vielmehr in der Ablenkung und dem ersten Abbau von angestauten Emotionen gesehen. Beides ist in der Vorbereitung der beruflichen Praxis u. E. zu thematisieren. Mit den Polizeischüler_innen muss die Leistungsfähigkeit sportlicher Betätigung im Verarbeitungsprozess von Problemen und belastenden Situationen diskutiert werden, um diesbezüglich zu einer realistischen Einschätzung zu kommen. Auf 1369 1370 1371 1372
Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 251–252; 286–290; 293–294. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 207–208. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 200–202. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 228–238; Interview 14a, Mai 2014, Z. 268f; Interview 11a, Mai 2014, Z. 146f. 1373 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 207–208; Interview 9a, Mai 2014, Z. 228–238; Interview 14a, Mai 2014, Z. 256–259, Interview 24b, September 2014, Z. 147ff; Interview 11a, Mai 2014, Z. 147f; Interview 9b, September 2014, Z. 210–214.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
diese Weise kann die Notwendigkeit verdeutlicht werden, sich frühzeitig mit weiteren Möglichkeiten und Strategien zur Bewältigung beruflicher Belastungen auseinanderzusetzen, um im Notfall darauf zurückgreifen zu können. Gleichzeitig ist aber darauf zu verweisen, dass die Wahl einer Sportart zum Ausgleich in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag zur seelischen – und freilich auch körperlichen – Gesunderhaltung leisten kann. Da die Bewältigung von Problemen sowie von belastenden Situationen für die Professionalität innerhalb des Polizeiberufs unabdingbar ist, sollte innerhalb der Ausbildung die Schaffung von Grundlagen gelingender Bewältigungsstrategien gewährleistet werden.
15.5.6 Subkategorie 6: Bewältigungsstrategie Musik Vier Polizeischüler_innen sehen in der Musik eine geeignete Bewältigungsstrategie. Die Interviewte_1 gibt in der ersten Interviewreihe an, dass Musik einen wichtigen Bestandteil ihres Lebens darstelle und sie am besten abzulenken vermöge.1374 Sie bestätigt diese Einschätzung auf Nachfrage in der zweiten Interviewreihe, indem sie dem Hören von Musik bei der Bewältigung extremer Situationen einen hohen Stellenwert einräumt:1375 Musik zu hören helfe ihr »[…] bei allem[.]«1376 Auch der Interviewte_11 benennt im Hinblick auf Extremsituationen die Musik als Hilfe, um mit diesen umzugehen: »DOch, ganz ehrlich=o=oder MUsik einfach mal- vielleicht auch weggehn um (.) einfach mal nen bissle abstand zu gewinnen[.]«1377
Auch der Interviewte_13 würde sich angesichts beruflicher Probleme oder belastender Erfahrungen »[…] ne stUNDE hinhocken, muSIK anmachen[.]«1378
Zusammenfassung Subkategorie 6: Bewältigungsstrategie Musik Vier Polizeischüler_innen geben Musik als geeignete Bewältigungsstrategie an. Dabei beziehen sich die Aussagen ausschließlich auf das Hören von Musik und nicht auf das Musizieren. Vor allem wird der Musik die Fähigkeit zugesprochen, 1374 1375 1376 1377 1378
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 221–223. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 243–245. Interview 1b, September 2014, Z. 148. Interview 11a, Mai 2014, Z. 137–139. Interview 13a, Mai 2014, Z. 438f.
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von Problemen und belastenden Erlebnissen ablenken zu können. Die Interviewte_1 gibt an, dass sie Musik unabhängig von ihrer Gemütslage höre und diese sie auch durch schwierige Phasen zu begleiten vermöge. Interpretation Subkategorie 6: Bewältigungsstrategie Musik Musik als Bewältigungsstrategie wird zwar lediglich von vier der Interviewten genannt, für diese scheint sie aber von großer Bedeutung zu sein. Ihr wird sowohl eine ablenkende als auch eine beruhigende Funktion zugeschrieben. Sie hilft den Polizeischüler_innen, Abstand zu Geschehenem zu gewinnen. Grundsätzlich ist die Musik als Bewältigungsstrategie ähnlich zu bewerten und zu hinterfragen wie der Sport. Dennoch könnte gerade auch die unterrichtliche Beschäftigung mit der von den Schüler_innen bevorzugten Musik eine Möglichkeit eröffnen, sich ihren spezifischen Problemen, Sorgen, Zweifeln und Ängsten anzunähern. Denn vielfach spiegelt die bevorzugte Musik in ihren Texten und ihrer Zuordnung zu bestimmten Subkulturen in besonderer Weise die Gemütslage und die Bedürfnisse der angehenden Polizist_innen. An diese Texte könnten sich Gespräche darüber anknüpfen, weshalb gerade diese Musik besondere Relevanz im Leben der Proband_innen besitzt und in welcher Weise sie ihnen Hilfestellung bei der Bewältigung ist. Über diesen Weg könnten die Schüler_innen zu einer Reflexion der Frage gelangen, welche Bedürfnisse sie selbst in Bezug auf die Probleme und Herausforderungen (nicht nur) der beruflichen Praxis haben und welche Möglichkeiten ihnen offen stehen, diesen Bedürfnissen nachzukommen.
15.5.7 Subkategorie 7: Verdrängung Von fünf Interviewten wird das Thema Verdrängung im Zusammenhang mit der Bewältigung von beruflichen Problemen aufgegriffen. Der Interviewte_5 geht davon aus, dass er angesichts von Extremsituationen zunächst Zeit brauche, um das Geschehene allein zu verarbeiten, bevor er mit anderen darüber ins Gespräch treten könne.1379 Sicher ist er sich darüber, dass er auf Hilfe bei der Verarbeitung angewiesen sei. Seine eigene Lebenserfahrung und seine bisher erprobten Bewältigungsstrategien schätze er nicht als ausreichende Basis ein, um bei Problemen und belastenden Situationen eine gelingende Verarbeitung garantieren zu können. Dem »[…] VERDRängen oder so […]«1380 als Bewälti1379 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 281–287. 1380 Interview 5a, Mai 2014, Z. 337.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
gungsstrategie stehe er kritisch gegenüber.1381 Denkbar wäre für ihn zunächst »[…] irgendwas anderes dann vielleicht(.) mal kurz machen […]«1382, sich »[…] IRGENDWIE ABLENken halt[.]«1383 Auch der Interviewte_7 berichtet davon, bereits auf Formen der Verdrängung zurückgegriffen zu haben.1384 Dies sei geschehen, weil er sich nicht anders zu helfen gewusst habe: »aber anders geht des dann aber vermutlich auch nich[.]«1385
Der Interviewete_8 spricht davon, Erlebnisse »[…] relativ schnell [I:mhm] wieda: […]«1386
zu vergessen. Dabei bleibt offen, ob dieses Vergessen mit dem Verdrängen von Erlebtem einhergeht. Der Interviewte_17 berichtet, er habe in der Praxisphase Geschehnisse gut ausblenden können: »vom kopf her gesehn jetz eher NICht, (.) konnt ich einglich relativ gut AUSblenDEN[.]«1387
Von seinem Praxisausbilder sowie von Kolleg_innen habe er Ratschläge bekommen, wie dies am besten gelinge.1388 Ihm sei außerdem geraten worden, in einer Art täglichem Ritual zusammen mit der Uniform nach Dienstende auch die Erlebnisse des Tages abzulegen.1389 Dies sei ihm jedoch nicht immer gelungen.1390 Der Interviewte_18 gibt an, während der Praxisphase den Umgang mit Toten verdrängt zu haben, was er als kritisch betrachtet. Insbesondere wenn er Leichen gesehen habe, habe ihn dies wenig berührt: »Jetzt; im NAchhinein muss=ich sagen hab; ich des. (?glaub ich.?) (1) ja:. (.) Vielleicht FAScht n bisschen zu KAlt? [mhm] ham=ham mich die leichen zu kalt gelassen nur[.]«1391
1381 1382 1383 1384 1385 1386 1387 1388 1389 1390 1391
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 338f. Interview 5a, Mai 2014, Z. 287. Interview 5a, Mai 2014, Z. 289f. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 190–192. Interview 7a, Mai 2014, Z. 182ff. Interview 8b, September 2014, Z. 351–352. Interview 17b, September 2014, Z. 126ff Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 157–167. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 168–172. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 174–183. Interview 18b, September 2014, Z. 82–86.
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Zusammenfassung Subkategorie 7: Verdrängung Fünf der befragten Polizeischüler_innen gehen auf das Thema Verdrängung als Bewältigungsstrategie ein, wobei jedoch nur zwei von ihnen sie namentlich benennen. Der Interviewte_5 äußert sich kritisch gegenüber dem Versuch, Erlebnisse und belastende Situationen durch Verdrängung zu verarbeiten.1392 Der Interviewte_7 berichtet davon, bereits selbst auf Verdrängungsmechanismen zur Verarbeitung von Erlebtem zurückgegriffen zu haben,1393 da ihm eine alternative Bewältigungsstrategie fehle.1394 Der Interviewte_8 versucht, Erlebtes schnell zu vergessen,1395 wobei er in diesem Zusammenhang nicht den Begriff der Verdrängung verwendet. In eine ähnliche Richtung gehen die Aussagen des Interviewten_17, der angibt, Erlebnisse gut ausblenden zu können. Das scheint ihm jedoch nicht in vollem Umfang gelungen zu sein, da er berichtet, dass ihn in der Praxisphase Erlebnisse aus dem Berufsalltag auch nach Dienstschluss beschäftigt hätten.1396
Interpretation Subkategorie 7: Verdrängung Interessant ist die Tatsache, dass von den fünf Proband_innen, die Formen von Verdrängung als Bewältigungsstrategie beschreiben, nur zwei sie auch namentlich benennen. Weiter sticht heraus, dass die beiden Proband_innen, die sich explizit des Begriffs der Verdrängung bedienen, ihr gegenüber eine kritische Haltung einnehmen, indem einer sie explizit als ungeeignete Strategie der Bewältigung abqualifiziert und der andere sie lediglich als letzte Möglichkeit in Ermangelung anderer funktionaler Strategien darstellt. Sigmund Freud benutzte den Begriff der »Verdrängung« in Bezug auf einen Abwehrmechanismus. Das Wesen der Verdrängung bestehe nach Freud »[…] in der Abweisung und Fernhaltung vom Bewussten […].«1397 Hinter den Aussagen aller Proband_innen lässt sich ein Bewusstsein vermuten, dass dieses Fernhalten des Bewussten als Bewältigungsstrategie in jedem Falle unzureichend ist. Die beiden genannten Interviewten äußern dies deutlich. Die Aussagen der drei anderen Befragten geben einen Hinweis auf diese grundlegende Einsicht, indem der Begriff der Verdrängung vermieden und andere Wendungen für den gleichen Vorgang der inneren Abwehr von Belastendem verwendet werden. Auch ihnen scheint bewusst zu sein, dass Verdrän1392 1393 1394 1395 1396 1397
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 337–339. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 190ff. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 182ff. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 351–352. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 174–183. Freud in Werner 2005, S. 19.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
gung keine geeignete Strategie zu dessen Bewältigung darstellt, weshalb sie bemüht sind, eigenen Verdrängungsmechanismen ein neues Etikett zu geben, durch das sie zumindest vordergründig legitimiert werden können. Aufgabe des Berufsethikunterrichts sollte in diesem Zusammenhang sein, aufbauend auf dem mitgebrachten Wissen um die Unzulänglichkeit der Verdrängung als Bewältigungsstrategie auf die menschliche Neigung einzugehen, sich dieser Strategie trotzdem zu bedienen, um die eigene Person vor Verletzungen zu schützen. Dabei ist darüber zu reflektieren, inwieweit eine vorübergehende Verdrängung von belastenden Erlebnissen möglicherweise der seelischen Gesunderhaltung dienlich und der Arbeitsfähigkeit in extremen Situationen zuträglich sein kann. Gleichzeitig muss aber eine dauerhafte Verdrängung als ungeeignete Bewältigungsstrategie eingestuft und solche Strategien vermittelt werden, die den Schülern und Schülerinnen tatsächlich nachhaltig bei der Erhaltung ihrer seelischen Gesundheit dienlich sind.
15.5.8 Subkategorie 8: Umgang auf dem Revier Kollegen/Ausbilder Einige der Polizeischüler_innen benennen Kolleg_innen und/oder Ausbilder_innen als Ansprechpartner_innen im Umgang mit Belastung. Dabei spielt für einige besonders das persönliche Verhältnis eine ausschlaggebende Rolle hinsichtlich der Frage, ob sie im Falle einer Extremsituation mit Kolleg_innen oder Ausbilder_innen sprechen würden. So gibt die Interviewte_1 an, dass sie Kolleg_innen, zu denen sie ein gutes Verhältnis habe, im Falle einer belastenden Situation als Gesprächspartner_innen in Betracht ziehen würde. Sie vermutet darüber hinaus, dass in der Praxisphase ihr Anleiter eine Bezugsperson sein werde.1398 Sie hoffe auf ein gutes Verhältnis zu ihrem Praxisanleiter und darauf, sich vor ihm nicht verstellen zu müssen.1399 Aufgrund des Altersunterschiedes zu ihrem Anleiter befürchte sie aber, dass dieser möglicherweise andere Ansichten vertrete als sie selbst. Daher hoffe sie, innerhalb ihrer Schicht auch jüngere Kolleg_innen anzutreffen. Sie sei insgesamt zuversichtlich, dass sie von Seiten der Dienstkolleg_innen auf Unterstützung zählen könne.1400 In der zweiten Interviewreihe berichtet sie, dass ihr Praxisanleiter entgegen ihrer Befürchtungen immer offen für ihre Anliegen gewesen sei.1401 1398 1399 1400 1401
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 166–169. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 169–171. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–177. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 288–291.
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Der Interviewte_10 berichtet, dass sich seine Hoffnung auf ein freundschaftliches Verhältnis auf der Dienststelle erfüllt habe.1402 Auch die Interviewte_15 gibt an, dass ein gutes Verhältnis zwischen den Kolleg_innen auf der Dienststelle für sie von Bedeutung sei. Wichtig sei ihr dabei besonders, mit den Kolleg_innen auch zusammen zu sitzen und reden zu können. Hohe Erwartungen habe sie hinsichtlich des Dienstverhältnisses an ihren Praxisanleiter. Sie ist der Meinung, dass es kaum einen Beruf gebe, in dem zwei Personen so viel Zeit miteinander verbrächten, wie es bei Streifenpartner_innen im Polizeidienst der Fall sei. Daher sei es besonders wichtig, dass »[…] die chEMie stimmt[.]«1403 Die Interviewte_16 geht davon aus, der Umgang auf dem Revier und mit den Kolleg_innen sei nach einer extrem belastenden Erfahrung »[…] des beste was einem in dem moment helfen kann[.]«1404 Die dienstälteren Kolleg_innen hätten gegebenenfalls selbst schon ähnliche Situationen erlebt und könnten ihre Erfahrungen im Umgang damit teilen.1405 So habe sie es jedenfalls während ihrer Zeit als Rettungssanitäterin erlebt.1406 Der Interviewte_19 berichtet davon, dass die Zuständigkeit für seine Anleitung nicht ausreichend geregelt gewesen sei. Er habe sich geeignete Ansprechpartner_innen selbst suchen müssen, wenn er Anleitung und Hilfe benötigt habe. Er habe die Anleitung daraufhin jedoch in einem Gespräch mit der Dienststelle eingefordert.1407 Von Gesprächen auf der Dienststelle berichtet auch der Interviewte_20. Im Rahmen der Dienstgruppe seien nach Situationen, die er als belastend empfunden habe, Gespräche geführt worden. Als Beispiele für solche Situationen nennt er Einsätze mit Todesfällen sowie schwere Unfälle.1408 Auch dem Interviewten_24 habe der Umgang auf dem Revier bei der Bewältigung schwieriger Situationen geholfen. Die entspannte Art seiner erfahrenen Kolleg_innen habe auf ihn eine entlastende Wirkung gehabt.1409 Der Interviewte_25 ist sich noch nicht im Klaren darüber, ob Kolleg_innen die geeigneten Gesprächspartner_innen im Umgang mit belastenden Situationen seien. Diese handeln in der Regel sehr routiniert und können möglicherweise die Probleme eines Berufsanfängers nicht mehr nachvollziehen:
1402 1403 1404 1405 1406 1407 1408 1409
Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 82–84. Interview 15a, Mai 2014, Z. 318–323. Interview 16a, Mai 2014, Z. 329f. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 330–345. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 343–345. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 389–392; 394–396; 399–402. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 14–18; 43–52. Interview 24b, September 2014, Z. 120–125.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
»wir poliZISTEN DRAUßEN des sind so die sind kalt geworden [mhm] wenn die halt ne bahnleiche finden dann sammeln die halt die teile wie wie wie im schlachthof (.) dann werden die halt gesammelt und in so ne tüte gschmissen und dann wars des weil des isch alltag das sich jede woche zwei drei vor n zug schmeißen da hat das MENschliche LEben in dem sinn nimmer so viel wert weil der zug hat halt verspätung[.]«1410
Humor Drei der Interviewten kommen auf das Thema Humor als Bewältigungsstrategie zu sprechen. Der Interviewte_3 stellt in der zweiten Interviewreihe fest, dass man im Polizeiberuf schwarzen Humor brauche. Durch ihn sei es möglich, auch belastende Situationen mit einer gewissen »Lockerheit« zu betrachten. Freilich sei diese Art von Humor für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar.1411 Der Interviewte_5 berichtet von einem Erlebnis aus seinem Praktikum, bei dem nach dem Überbringen einer Todesnachricht seine Stimmung und die seines Streifenpartners sehr gedrückt gewesen seien. Mit Humor sei es ihnen jedoch gelungen, sich gegenseitig auf andere Gedanken zu bringen und die Stimmung wieder aufzuhellen: »wenn ma dann ERSchma war dann betrübte Stimmung: im streifenwagen weil keiner wollt so recht was sagen, (.) un da kann ma des abers (.) gegenseitig mit humor einfach bissle wieda; (1) JA mh: RAusreden dass ma halt einfach wieda auf andre gedanken kommt un des fand ich (.) jo (.) hat ma gefalln[.]«1412
Zusammenfassung Subkategorie 8: Umgang auf dem Revier Kollegen/Ausbilder Der Umgang mit den Kolleg_innen auf der Dienststelle sowie mit den Anleiter_innen ist für einige der Polizeischüler_innen von großer Bedeutung. Wichtig ist ihnen dabei das eigene Verhältnis zur Schicht1413 sowie das Gefüge innerhalb der bereits bestehenden Schicht. Gemeinsam ist ihnen allen die Hoffnung auf eine Schicht, bei der ein vertrauensvolles Verhältnis vorherrscht. Skeptisch äußern sich die Interviewten in Bezug auf den Altersunterschied zu den Anleiter_innen, da sie befürchten, dieser könne dazu führen, dass sie in ihren Anliegen nicht verstanden würden.1414 Bis auf zwei der Interviewten äußerten sich nach der Praxisphase alle positiv 1410 1411 1412 1413 1414
Interview 25a, Mai 2014, Z. 419–428. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 223–229. Interview 5b, September 2014, Z. 132–140. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 166–169. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 171–177.
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zu ihrer Schicht bzw. zur anleitenden Person. Lediglich einer der Interviewten gibt an, zwar ein gutes Verhältnis zum Anleiter gehabt zu haben, dieses sei aber nicht so vertrauensvoll gewesen, dass er ihm auch Privates anvertraut hätte.1415 Humor Vom Humor als Bewältigungsstrategie sprechen drei der Interviewten. Sie haben den humorvollen Umgang mit belastenden Situationen als Möglichkeit erlebt, diese aufzulockern und die Stimmung zu entspannen.1416 Der Interviewte_3 spricht von »schwarzem Humor«, dessen sich die Polizeibeamt_innen bedienten, um mit Belastungen besser umgehen zu können und sich gegenseitig auf andere Gedanken zu bringen. Interpretation Subkategorie 8: Umgang auf dem Revier Der Umgang der Kolleg_innen auf dem Revier untereinander und das Verhältnis zu den Praxisanleiter_innen spielt für eine beachtliche Zahl der Interviewten eine bedeutende Rolle. Wichtig ist den Befragten, dass es gelingt, zu den Kolleg_innen und Anleiter_innen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Dieses stellt die Grundlage dafür dar, sich ihnen in belastenden Situationen anzuvertrauen und diese in gemeinsamen Gesprächen zu verarbeiten. Für einzelne Polizeischüler_innen ist die Möglichkeit, mit Kolleg_innen Gespräche über die Erlebnisse des beruflichen Alltags zu führen, von besonderer Bedeutung, da sie angeben, dass Außenstehende als Gesprächspartner_innen grundsätzlich nicht in Frage kommen. Sie begründen das damit, dass Personen, die keinen Einblick in die Arbeit und die beruflichen Herausforderungen von Polizist_innen haben, deren Probleme nur schwerlich nachvollziehen und daher kaum eine Hilfe bei der Bewältigung sein können.1417 Berufserfahrene Polizeibeamt_innen bringen demgegenüber Außenstehenden eine besondere Wertschätzung als Gesprächspartner_innen entgegen. Sie geben zu bedenken, dass diese die Sicht auf Probleme und berufliche Belastungen durch eine neue und unverbrauchte Perspektive bereichern und den Polizist_innen dadurch Anregungen zu alternativen Strategien des Umgangs mit diesen geben können. Die Erörterung beider Haltungen sollte Thema des Berufsethikunterrichts auch im Hinblick auf das Angebot seelsorglicher Gespräche sein. Es muss darum 1415 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 402. 1416 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 223–229. 1417 Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 329f.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
gehen, das Bewusstsein der Schüler_innen dahingehend zu schärfen, dass sie die Chancen beziehungsweise den Gewinn von Gesprächen sowohl mit polizeiinternen als auch mit außenstehenden Personen ebenso realistisch einzuschätzen vermögen wie die Grenzen der Leistungsfähigkeit einzelner Gesprächsangebote. An dieser Stelle kann vor allem darauf verwiesen werden, dass die berufliche Realität es immer wieder mit sich bringen kann, dass Versuche der polizeiinternen Bearbeitung von Problemen und belastenden Erfahrungen scheitern, und dass in einem solchen Fall die Inanspruchnahme externer Hilfe nicht nur angeraten, sondern geradezu geboten ist, um den eigenen professionellen Umgang mit den beruflichen Herausforderungen sicherzustellen.
15.5.9 Subkategorie 9: Sonstige Strategien Selbstständigkeit und Lebenserfahrung Einige Interviewte geben an, bei Problemen oder belastenden Situationen zunächst versucht zu haben, diese selbstständig auf der Basis ihrer bisherigen Lebenserfahrung zu bewältigen. Die Interviewte_1 spricht vor der Praxisphase davon, dass sie angesichts solcher Situationen zunächst versuche, »[…] selber damit fertig zu werden[.]«1418 Bisher habe sie zur Bewältigung von Problemen noch nie auf die Hilfe Dritter zurückgreifen müssen.1419 Sie hoffe, auch in der Praxisphase nicht in eine Situation zu kommen, deren Bewältigung sie nicht mehr eigenständig leisten könne.1420 Würde dieser Fall eintreten, wisse sie nicht, wie sie damit umgehen werde.1421 Auch der Interviewte_3 gibt an, dass ihm Selbstständigkeit bisher »[…] recht viel geholfen […]«1422 habe, Extremsituationen zu verarbeiten. Ähnlich gibt die Interviewte_10 vor der Praxisphase an, dass sie versuchen werde, die ihr begegnenden Situationen eigenständig zu klären. Dazu könne sie sich auch vorstellen, auf Erfahrungsberichte im Umgang mit vergleichbaren Situationen aus dem Internet zurückzugreifen.1423 Die Interviewte_16 spricht von ihrer Erfahrung im Umgang mit Menschen in schwierigen Situationen.1424 Sie habe bereits als Rettungsantitäterin Erfahrun1418 1419 1420 1421 1422 1423 1424
Interview 1a, Mai 2014, Z. 148. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 217–221. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 137–138. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 224–227. Interview 3a, Mai 2014, Z. 203. Vgl. Interview 10a , Mai 2014, Z. 212–216. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 434–438.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
355
gen mit dem Überbringen von Todesnachrichten gemacht, weshalb dies für sie keine neue Herausforderung sei.1425 Auch nach der Praxisphase berichtet sie davon, dass ihre Erfahrungen als Rettungssanitäterin im Polizeialltag nützlich gewesen seien.1426 Die Interviewte_19 gibt an, Probleme am liebsten allein bewältigen zu wollen. Sie betont, dass sie keine extrovertierte Persönlichkeit sei und selten Gefühle zeige.1427 Routine (Abstumpfung) Der Interviewte_3 spricht davon, dass der Berufsethikunterricht zu Beginn der Ausbildung den angehenden Polizist_innen notwendige Fähigkeiten vermittle, um belastende Ereignisse besser verarbeiten zu können. Er sei sich jedoch relativ sicher, dass der Polizeiberuf ihn darüber hinaus mit der Zeit abstumpfen werde.1428 Da dies bei Polizist_innen in der Ausbildung jedoch noch nicht erfolgt sei, erachte er es aber als sinnvoll, wenn das Fach Berufsethik in der Polizeiausbildung fest verankert sei.1429 Der Interviewte_7 beschreibt in der zweiten Interviewreihe, dass ihm der Umgang mit Toten nach der Praxisphase leichter falle als zuvor. Auch er verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der Abstumpfung. Dass Polizeibeamt_innen im Laufe der Dienstjahre abstumpfen, betrachtet er als unvermeidliche Folge des Berufs.1430 Die Interviewte_15 gibt an, sich im Verlauf der Praxisphase an unangenehme Gerüche ebenso gewöhnt zu haben wie an den Anblick verletzter Personen. Der Umgang mit beidem sei zur Routine geworden.1431 Auch das Arbeitspensum, das den Polizeischüler_innen im Praktikum abverlangt wird, wird als eine Frage der Routine betrachtet. Die Interviewte_20 beschreibt, dass es ihr vergleichsweise schnell gelungen sei, nach der Nachtschicht wieder in ihren gewohnten Tagesrhythmus zurückzufinden.1432
1425 1426 1427 1428 1429 1430 1431 1432
Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 440–443. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 461ff. Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 234–238. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 48f. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Mai 2014, Z. 40–43. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 202–206. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 467–474. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 53–56.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Anti-Modell-Lernen (nie Suizid begehen) Zwei der Interviewten äußern sich zu einer Form des »Anti-Modell-Lernens«, aus der sie Strategien im Umgang mit belastenden Situationen und Problemen ableiten beziehungsweise anhand derer sie diese für sich persönlich ausschließen. Die Interviewte__8 gibt an, dass Selbstmord für sie nicht in Frage käme und begründet dies mit der Erfahrung mit einem Suizidfall in ihrer Familie.1433 Die Interviewte_11 kann sich nicht vorstellen, sich in einer Situation, in der sie weinen müsse, an Personen aus der Dienststelle zu wenden. Sie ist der Ansicht, »[…] da mUSS ma einfACh STArk, bleiben; muss ma auf die ZÄhne beissen[.]«1434 Urlaub Zwei der interviewten Personen gehen davon aus, dass Urlaub den Bewältigungsprozess bei Problemen und belastenden Situationen unterstützen könne. Der Interviewte_5 benennt den Urlaub in der ersten Interviewreihe zwar als Möglichkeit zur Bewältigung, kann sich aber »[…] net vorstelln dass=das=das dann VIEL bringt[.]«1435 Nach der Praxisphase berichtet er jedoch, dass ihm ein Urlaub geholfen habe, mit dem Erlebnis eines Verkehrsunfalls abzuschließen.1436 Der Interviewte_7 vermutet vor der Praxisphase, dass es zur Bewältigung einer Extremsituation hilfreich könnte, in den Urlaub zu fahren.1437 Jegliche Hilfe annehmen Der Interviewte_4 gibt an, dass er in schwierigen oder belastenden Situationen jede ihm angebotene Hilfe dankbar annehmen würde.1438 Ähnlich äußert sich der Interviewte_5. Dieser fügt außerdem explizit hinzu, dass er sich vorstellen könne, kirchliche Angebote – wie beispielsweise das Gespräch mit Seelsorger_innen – wahrzunehmen.1439 Für ihn sei es wichtig, zu wissen, wo er Hilfe bekommen könne.1440 Der Interviewte_12 würde erst dann externe Hilfe in Anspruch nehmen, wenn alle anderen Bewältigungsstrategien gescheitert seien.1441 Rückblickend auf das Praktikum gibt er an, gewusst zu haben, wo er im Falle eines traumatischen 1433 1434 1435 1436 1437 1438 1439 1440 1441
Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 300–304; 308–310. Interview 11b, September 2014, Z. 269f. Interview 5a, Mai 2014, Z. 367f. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 309–312. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 164–165. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 310–311; 313–314; 320–322. Vgl. Interview 5a, Mai 2013, Z. 364–365. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 122–124. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 214–217.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
357
Erlebnisses außerhalb der Polizei hätte Hilfe finden können. Das Wissen darum, an wen er sich im Notfall hätte wenden können, sei für ihn sehr wertvoll gewesen.1442 Der Interviewte_20 sagt aus, dass er aus dem Psychologieunterricht wisse1443, »[…] wie man mit traumas umgeht mit stress umgeht einfach; (.) eben au wo man hilfe suchen kann und so[.]«1444
Käme er mit seinen eigenen Bewältigungsstrategien nicht weiter, so würde er auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.1445 Dabei denke er beispielsweise an Psycholog_innen oder den Polizeipfarrer.1446 Er erhoffe sich von einer solchen externen Beratung, dass diese in der Lage sei, ihm zu helfen, da die dort tätigen Personen aufgrund ihrer Ausbildung über die dazu notwendigen Kompetenzen verfügen.1447 Auch für die Interviewte_21 ist es denkbar, in bestimmten Situationen externe Hilfe zu suchen. Besonders im Falle eines Schusswaffengebrauchs oder einer Tat, bei der ein Kind involviert sei, würde sie die Inanspruchnahme externer Hilfsangebote in Erwägung ziehen.1448 »In sich hineinfressen« Zwei der Interviewten berichten davon, dass sie belastende Ereignisse »in sich hineinfressen«. Der Interviewte_8 vermutet, dies auch im beruflichen Kontext zu tun, denn im Gegensatz zu anderen Menschen, die bei Problemen und belastenden Erfahrungen gerne das Gespräch mit anderen suchen, sei er eine Persönlichkeit, die Probleme zunächst mit sich selbst ausmache.1449 Zwar räumt er ein, dass ihn bestimmte Situationen stark belasten können, vertritt aber dennoch die Ansicht, niemanden zu brauchen, um seine Probleme zu besprechen. Darüber hinaus sei er der Meinung, dass alles aus einem bestimmten Grund geschehe, was den Austausch mit anderen in seinen Augen überflüssig mache. Genauer erläutert er diesen Zusammenhang jedoch nicht.1450 Fühle er sich durch ein Problem über die Maßen belastet, sei es seine Art, diesem aus dem Weg zu gehen und zu diesem Zweck notfalls auch sein Leben neu auszurichten. Denkbar sei für ihn in einem solchen Fall beispielsweise ein Wohnortwechsel. Diesen Gedanken habe er schon gehabt, ihn jedoch noch nie in die Tat umge1442 1443 1444 1445 1446 1447 1448 1449 1450
Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 337–346. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 113f. Interview 20a, Mai 2014,Z 116–118. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 184–185. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 190ff. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 196–202. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 195–199; 329–331. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 239–245. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 248–253.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
setzt.1451Auch nach der Praxisphase bleibt der Interviewte_8 bei seiner Einschätzung, Probleme lieber mit sich selbst auszumachen und »in sich hineinzufressen.«1452 Der Interviewte_20 empfindet es demgegenüber als problematisch, Dinge in sich hineinzufressen anstatt mit anderen Personen darüber ins Gespräch zu treten.1453 Aus dem Weg gehen Drei der Polizeischüler_innen sprechen davon, belastenden Situationen beispielsweise durch einen Berufswechsel aus dem Weg zu gehen. Der Interviewte_4 kann sich jedoch kein Ereignis vorstellen, aufgrund dessen er sich dazu veranlasst fühlen würde, den Beruf aufzugeben.1454 Für den Interviewten_5 hingegen ist es vorstellbar, während der Praxisphase zur Erkenntnis zu kommen, dass der Polizeiberuf nicht der richtige für ihn sei.1455 In diesem Fall würde er auch einen Berufswechsel in Betracht ziehen. Er vertrete nicht die Ansicht, dass man unter allen Umständen zu Ende führen müsse, was man einmal begonnen habe. Ihm sei demgegenüber wichtiger, dass er Spaß an seinem Beruf habe. Trotzdem käme ein Berufswechsel nur im äußersten Notfall für ihn in Betracht.1456 Auch der Interviewte_8 kann sich vorstellen, den Beruf im Falle einer nicht zu bewältigenden Extremsituation zu wechseln.1457 Sonstige Strategien Einige der Interviewten führen weitere Bewältigungsstrategien auf, die keiner der bisher genannten Subkategorien zugeordnet werden können. Der Interviewte_3 gibt an, dass ihm Schlaf bei der Bewältigung von Stress helfe.1458 Für die Interviewte_4 ist das Nachdenken über Probleme und belastende Situationen eine Hilfe bei deren Bewältigung.1459 In eine ähnliche Richtung gehen die Aussagen des Interviewten_5. Er gibt an, dass er zur Verarbeitung von Erlebnissen zunächst Zeit für sich brauche.1460 Darüber hinaus könne er sich vorstellen, in die 1451 1452 1453 1454 1455 1456 1457 1458 1459 1460
Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 310–318. Vgl. Interview 8b , September 2014, Z. 346ff. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 224f. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 329–333. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 170ff. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 316–328. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 340–343. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 258–268; 271–280. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 376–377. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 281–287.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Kirche zu gehen oder Gott im Gebet um Hilfe zu bitten.1461 Auch der Interviewte_12 äußert, dass er zunächst Zeit brauche, um belastende Situationen zu reflektieren.1462 Der Interviewte_9 ist sich unsicher, wie er auf ein belastendes Ereignis reagieren würde: »weil ich einfach net weiß was=wie ich dann reagier wenn ich jetz so=so en fall einTRITT vielleicht seh ichs dann doch GELASSEN weil ich mir denk oh (.) jetzt is halt so; kann man net mehr verhindern ABER (.) ich kann auch total AUSFLIPPEn ich weiß es net keine AHnung deshalb (.) is des schwer zu beurteilen[.]«1463
Der Interviewte_11 gibt an, in belastenden Situationen »[…] ne zigarette […]«1464 zu rauchen. Auch für den Interviewten_13 käme der Konsum von Tabak und Alkohol als Hilfe bei der Bewältigung von Problemen und Belastungen in Betracht. Er würde »[…] sich n glas WHIskey hinstellen und daneben die ziGARETTEN liegen, dann denkt ma da mal ne weile drüber nach[.]«1465
Aufgrund ihrer Aktivitäten in der kirchlichen Jugendarbeit habe die Interviewte_15 guten Kontakt zu vielen Gemeindemitgliedern in ihrer Heimatgemeinde, an die sie sich zur Bewältigung belastender Situationen wenden würde.1466 Der Interviewte_17 hat keine Vorstellung, was er im Zuge der Bewältigung einer Extremsituation tun würde: »also ICH wüsste jetzt nicht was ich jetzt genau machen würde wenn irgendwie das eintreten würde, was ich gar nicht möchte. (2) wüsste ich jetzt nicht[.]«1467
Die Interviewte_23 würde »[…] in wALD gehn und (2) entweder heuln oder schrein[.]«1468
Der Interviewte_27 berichtet nach der Praxisphase davon, es sei ihm eine Hilfe gewesen, wenn er »[…] abends mit meinen frEUnden rausgegangen […]«1469 sei.
1461 1462 1463 1464 1465 1466 1467 1468 1469
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 269–278. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 250–255. Interview 9a, Mai 2014, Z. 183–189. Interview 11a, Mai 2014, Z. 137. Interview 13a, Mai 2013, Z. 440ff. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 343–361. Interview 17a, Mai 2014, Z. 114–117. Interview 23a, Mai 2014, Z. 162f. Interview 27b, September 2014, Z. 194f.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Zusammenfassung Subkategorie 9: Sonstige Strategien Selbstständigkeit und Lebenserfahrung Einige der Interviewten bewältigen Probleme und belastende Erfahrungen bevorzugt selbstständig auf der Basis ihrer eigenen Lebenserfahrung. Sie geben an, damit bisher gute Erfahrungen gemacht zu haben, eine selbstständige Bewältigung sei ihnen stets gelungen. Die Interviewte_1 räumt jedoch ein, bisher mit keinen allzu großen Problemen konfrontiert worden zu sein, bei denen ihr die eigenständige Bewältigung schwer gefallen sei.1470 Der Interviewte_6 gibt an, bei beruflichen Herausforderungen und den damit verbundenen Belastungen auf seine Erfahrungen als Rettungssanitäter zurückgreifen zu können.1471 Andere äußern Ungewissheit darüber, wie sie in unbekannten, belastenden Situationen reagieren würden. Der Interviewte_10 würde zunächst versuchen, das Problem selbstständig zu lösen und zu diesem Zweck im Internet recherchieren bzw. auf Erfahrungsberichte von anderen Personen zurückgreifen.1472 Routine (Abstumpfung) Einzelne Interviewte gehen davon aus, dass sie in der Ausübung des Polizeiberufs im Laufe der Zeit abstumpfen werden, bzw. dass das anfänglich als belastend Empfundene zunehmend zur Routine werde. Der Interviewte_3 betont dabei die Rolle des Berufsethikunterrichts. Da bei den Polizeischüler_innen eine solche Abstumpfung bzw. Routine noch nicht eingetreten sei, sei der Berufsethikunterricht eine gute Hilfe bei der Verarbeitung belastender Situationen.1473 In ähnlicher Weise äußert sich auch der Interviewte_6.1474 Einige der Befragten geben an, dass bereits die Praxisphase zu einer gewissen Routine im Umgang mit potenziell belastenden Situationen geführt habe. So berichtet der Interviewte_7 davon, dass er sich durch die Erfahrungen in der Praxisphase einen selbstverständlicheren Umgang mit Toten angeeignet habe. Auch die Interviewte_15 spricht von einer Gewöhnung an den Anblick verletzter Menschen und an unangenehme Gerüche im Verlauf des Praktikums.1475
1470 1471 1472 1473 1474 1475
Vgl. Interview 1 a, Mai 2014, Z. 217–221. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 20f; Interview 16a, Mai 2014, Z. 440–443. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 212–216. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 40–43. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 174f. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 202–206; Interview 15b, September 2014, Z. 467–474.
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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Anti-Modell-Lernen Zwei der Interviewten schließen bestimmte Handlungsoptionen im Umgang mit belastenden Situationen aus. Für die Interviewte_8 kommt aufgrund der Erfahrung mit einem Suizid in der Familie seine Selbsttötung nicht in Frage. Die Interviewte_11 schließt es aus, vor Dienstkolleg_innen zu weinen. Urlaub Urlaub als Hilfe bei der Bewältigung von belastenden Erlebnissen wird von zwei Interviewten benannt. Der Interviewte_5 bezweifelt jedoch, dass sich durch einen Urlaub Probleme wirklich beheben ließen. Der Interviewte_7 nimmt an, im Falle einer belastenden Erfahrung Urlaub gebrauchen zu können. Jegliche Hilfe annehmen Fünf der Interviewten geben an, dass sie bei entsprechendem Bedarf grundsätzlich jegliche Hilfe annehmen würden. Die Interviewte_4 äußert, im Falle von Problemen oder belastenden Erlebnissen für jede Hilfe dankbar zu sein.1476 Vier weitere Interviewte sprechen in diesem Zusammenhang konkret die Inanspruchnahme externer Hilfe an. Zwei von ihnen können sich vorstellen, auch kirchliche Angebote in Anspruch zu nehmen.1477 Für einen käme auch die Hilfe durch einen Psychologen in Frage.1478 »In sich hineinfressen« Davon, Probleme und belastende Erlebnisse »in sich hineinzufressen«, sprechen lediglich zwei der Polizeischüler. Der Interviewte_8 gibt an, sich vorstellen zu können, dies auch im beruflichen Kontext zu tun, da es seiner Persönlichkeit entspräche, Belastendes eigenständig zu verarbeiten und nicht mit anderen darüber zu sprechen. Der Interviewte_20 kann sich vorstellen, dass es problematisch sein könne, belastende Erfahrungen in sich hineinzufressen. Aus dem Weg gehen Probleme dadurch zu bewältigen, dass eine weitere Konfrontation mit ihnen vermieden wird, thematisieren drei der befragten Personen. Der Interviewte_4 kann sich nicht vorstellen, den Problemen und Belastungen des Polizeiberufs in 1476 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 320–322. 1477 Vgl. Interview 5a, Mai 2013, Z. 306–310; Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 190ff. 1478 Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 190ff.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Form eines Berufswechsels auszuweichen. Da er jedoch die Belastungen des Berufs und die damit einhergehenden Probleme noch nicht in vollem Umfang einschätzen könne, hält er es für denkbar, dass er seine Meinung diesbezüglich noch ändern könne. Der Interviewte_5 hält es vor der Praxisphase für möglich, durch die berufspraktische Erfahrung zu dem Schluss zu kommen, dass der Polizeiberuf nicht der richtige für ihn sei. In diesem Falle würde er einen Berufswechsel anstreben. Auch der Interviewte_8 kann sich vorstellen, den Beruf zu wechseln, wenn er feststellen müsse, dass er mit den Belastungen des Polizeiberufs überfordert sei. Sonstige Strategien Neben den genannten Bewältigungsstrategien nennen die befragten Polizeischüler_innen vielfältige weitere Möglichkeiten und Hilfen zur Bewältigung von Problemen und belastenden Situationen. Während für einige die Pflege sozialer Kontakte, beispielsweise innerhalb der Gemeinde oder im Freundeskreis, eine Hilfe zur Bewältigung darstellt, ziehen andere Strategien der eigenständigen Verarbeitung vor. Beispiele hierfür werden von den Interviewten _13 und _23 genannt. Auch der Konsum von Tabak und Alkohol wird als Hilfe bei der Bewältigung genannt. Interpretation Subkategorie 9: Sonstige Strategien Die Vielzahl an unterschiedlichen Bewältigungsstrategien, die von den Polizeischüler_innen jeweils bevorzugt werden, führt vor Augen, dass es sich bei ihnen um eine ebenso große Vielzahl unterschiedlicher Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen handelt. Im Laufe ihres Lebens und ihrer je individuellen Sozialisation haben sie sich unterschiedliche Strategien angeeignet, mit Problemen und Belastungen umzugehen. Diese Strategien haben sich als mehr oder weniger erfolgreich erwiesen. Andererseits fällt auf, dass die meisten der angehenden Polizist_innen in der beruflichen Praxis Herausforderungen und potenziellen Belastungen gegenüberstehen, die vielfach das bisher Erlebte übersteigen. Daher müssen sich ihre Bewältigungsstrategien erst an diesen neuen Herausforderungen bewähren, bevor sie eine Entscheidung darüber treffen können, ob ihre bisherigen Vorgehensweisen angesichts problematischer Ereignisse oder Situationen sich weiterhin als tragfähig erweisen, oder ob sie sich neue Strategien der Bewältigung aneignen müssen. Solche Strategien müssen im Berufsethikunterricht an die Schüler_innen herangetragen und auf ihre Leistungsfähigkeit hin untersucht werden. Auf diese Weise verfügen die angehenden Polizist_innen bereits in ihrem ersten Prakti-
Makrokategorie IV – Bewältigung von beruflichen Problemen
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kum über eine Auswahl an Bewältigungsmöglichkeiten, die sie im Falle eines Scheiterns der eigenen Strategien erproben können, mit dem Ziel, die individuell richtige und der jeweiligen Persönlichkeit angemessene Strategie zu finden. Besondere Beachtung sollte in der unterrichtlichen Behandlung solchen Bewältigungsstrategien zukommen, die auf lange Sicht als ungeeignet zu beurteilen sind. Darunter fällt die Verdrängung ebenso wie das »In-sich-Hineinfressen« von Problemen. Auch Alkohol- und Drogenkonsum als Hilfe bei der Bewältigung sollten in diesem Zusammenhang einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
15.5.10 Subkategorie 10: Ziel der Verarbeitung Vier der Interviewten sprechen vom Ziel beziehungsweise Nutzen einer gelingenden Verarbeitung von Problemen und belastenden Situationen. Der Interviewte_4 gibt an, durch die Verarbeitung das Ziel zu verfolgen, »[…] mit GUTem GEWISSEN dann auch wieder : am NÄGschten tag ARBeiten gehen […]«1479
zu können. Für den Interviewten_5 hingegen ist vor allem eine schnelle Verarbeitung wichtig, da er befürchte, durch die anhaltende intensive Beschäftigung mit einem Problem oder einer belastenden Erfahrung krank zu werden.1480 Der Interviewte_7 erhofft sich, durch eine gelungene Bewältigung sich auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen besser konzentrieren zu können.1481 Der Interviewte_9 stellt die mit der Bewältigung verbundene Erfahrung in den Mittelpunkt, die die zukünftige Herangehensweise an vergleichbare Situationen beeinflusse. Er spricht davon, »[…] vielleicht manche DINge BESSer [zu] machen [I1: mhm] die man vorher schlechter gemacht hat[.]«1482
Zusammenfassung Subkategorie 10: Ziel der Verarbeitung Als Ziele der Verarbeitung von Problemen oder belastenden Situationen werden von den Interviewten die Prävention von Krankheit1483, die Arbeitsfähigkeit1484, 1479 1480 1481 1482 1483 1484
Interview 4a, Mai 2014, Z. 261f. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 161–166. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 175–182. Interview 9a, Mai 2014, Z. 254f. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 161–166. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 261f.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
die Konzentration bei der Arbeit1485 und das Lernen aus der Erfahrung1486 benannt. Interpretation Subkategorie 10: Ziel der Verarbeitung In den Aussagen der drei Proband_innen zeigt sich, dass sie sich darüber bewusst sind, dass unverarbeitete Probleme und belastende Erfahrungen einerseits ihre – seelische und körperliche – Gesundheit nachhaltig schädigen, und andererseits ihre Arbeits- und Konzentrationsfähigkeit negativ beeinflussen können. Daher zeugt ihr grundsätzliches Anliegen, Belastungen erfolgreich zu verarbeiten, von einem hohen Maß an Professionalität. Um die verantwortungsvolle Aufgabe eines Polizisten, einer Polizistin erfüllen zu können, müssen die Beamt_innen jederzeit voll einsatzfähig sein. Dies kann aber nur gewährleistet werden, wenn nicht vergangene berufliche Erlebnisse die Gegenwart überschatten und die Aufmerksamkeit der Polizist_innen in Anspruch nehmen. Zu fragen ist, warum nur so wenige der Befragten auf die Ziele einer gelingenden Verarbeitung explizit eingehen. Möglicherweise sind sie für die anderen Interviewten in einer Weise selbstverständlich, die in ihren Augen eine Erwähnung im Zuge der Interviews überflüssig erscheinen ließ. Es könnte jedoch auch gemutmaßt werden, dass sich die jungen Polizeischüler_innen vielfach noch keine Gedanken über die Folgen unverarbeiteter Probleme gemacht haben. Daher sollte es Aufgabe des Berufsethikunterrichts sein, auf die Gefahren für die seelische und körperliche Gesundheit, die sich aus nicht bewältigten Problemen und Belastungen ergeben können, sowie auf die Folgen bezüglich der Arbeitsund Einsatzfähigkeit im angestrebten Beruf zu verweisen.
15.6 Makrokategorie V – Praktikum Die erste Interviewreihe der vorliegenden Studie war darauf ausgelegt, die Erwartungen, Ängste, Befürchtungen und Hoffnungen der Polizeischüler_innen im Hinblick auf das anstehende Praktikum abzufragen. Darüber hinaus sollte mit dieser ersten Befragung in Erfahrung gebracht werden, wie die angehenden Polizist_innen ihre eigenen Ressourcen im Blick auf die Bewältigung des polizeilichen Arbeitsalltags mit seinen spezifischen Herausforderungen einschätzen. Drittens sollten die Auszubildenden ihre Vorstellungen dazu äußern, welche Hilfs- und Beratungsangebote sie sich im Falle belastender oder gar traumati1485 Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 175–182. 1486 Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 254f.
Makrokategorie V – Praktikum
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scher Erlebnisse wünschen und am ehesten in Anspruch nehmen würden. Denkbar ist hierbei eine Bandbreite möglicher Hilfestellungen und Beratungsangebote, die von privater Verarbeitung im Sinne von Gesprächen mit Familienangehörigen bis hin zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe durch Polizeiseelsorger_innen oder Psycholog_innen reicht. Die zweite Interviewreihe direkt im Anschluss an das Praktikum sollte den Polizeischüler_innen die Möglichkeit geben, über ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der Praxisphase zu berichten. Auf dem Hintergrund der praktischen Erfahrung sollte nun auch die Frage nach gelingenden Bewältigungsstrategien und als gewinnbringend empfundenen Hilfestellungen und Beratungsangeboten erneut aufgegriffen werden. Ein Anliegen dieser zweiten Befragung war außerdem die Reflexion der Zusammenarbeit der Praktikant_innen mit ihren Anleiter_innen. Darüber hinaus sollte die Einschätzung der angehenden Polizist_innen bezüglich des Verhältnisses der in der Polizeischule erlernten Theorie und deren Umsetzung in der Praxis thematisiert werden. Die Ergebnisse der Befragungen zu diesen Themenfeldern finden sich in den folgenden Ausführungen.
15.6.1 Subkategorie 1: Umgang mit Konflikten Ein Konflikt könne sich für den Interviewten_5 ergeben, wenn er gegen einen seiner besten Freunde Strafanzeige stellen müsse. Er befürchtet, dass er dies mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne. Sollte ein solcher Fall eintreten, so hoffe er, diesen nicht selbst bearbeiten zu müssen, sondern ihn an einen Kollegen oder eine Kollegin abgeben zu können.1487 Der Interviewte_7 äußerte die Angst, ein Einsatz im bevorstehenden Praktikum könne unerwartet ausarten und ihm entgleiten.1488 Da Interviewte_14 russischer Abstammung ist und über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt, hofft sie, diese bei Konflikten einsetzen und damit zur Deeskalation beitragen zu können.1489
1487 Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 146–258. 1488 Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 111–120. 1489 Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 138ff.
366
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Konflikte mit Kindern und Jugendlichen Die Interviewte_1 berichtet nach ihrem Praktikum von einem Ereignis, bei welchem sich Jugendliche Polizist_innen gegenüber beleidigend geäußert hätten.1490 Sie selbst stellte daraufhin fest: »DA hab ich gemerkt OK die jugendlichen wenn die was getrunken haben [mhm] dann […] trauen die sich was[.]«1491
Die angehende Polizistin machte im Zusammenhang mit diesem Erlebnis die Erfahrung, dass sich die Jugendlichen jedoch nach ausführlichen Kontrollen kooperativ gezeigt hätten.1492 Mehrere der interviewten Polizeischüler_innen bestätigten nach ihrem Praktikum den Eindruck, dass der Respekt Jugendlicher vor der Polizei abgenommen habe, und berichten von Konflikten mit Jugendlichen.1493 Beleidigungen wie »[…] du arschloch […]«1494,
so der Interviewte_13, seien keine Ausnahme gewesen, wenn er und sein Ausbilder mit Jugendlichen in Kontakt getreten seien. Des Weiteren berichtet er, Zeuge geworden zu sein, wie eine Vierzehnjährige durch Spucken, Beißen und Kratzen der Polizei gegenüber ausfällig geworden sei. Zunächst habe er dem Mädchen auf keinen Fall wehtun wollen und sich erhofft, es durch ein Gespräch wieder beruhigen zu können. Dies sei aber nicht gelungen. Letztlich seien eine Festnahme und im Zuge dessen das Anlegen von Handschellen die einzige Möglichkeit gewesen, das Mädchen unter Kontrolle zu bringen.1495 Befragter_ 28 berichtet, dass es in der Stadt, in der er sein Praktikum absolviert habe, eine zusätzliche Streife gegeben habe, deren explizite Aufgabe es gewesen sei, am Abend die beliebtesten Aufenthaltsorte der Jugendlichen aufzusuchen, dort Präsenz zu zeigen und dafür zu sorgen, dass weder Verunreinigungen noch Müll hinterlassen werden. Hintergrund dieser Maßnahme sei gewesen, dass es in jüngster Zeit mehrfach Konflikte mit straffälligen Jugendlichen gegeben habe, die sich an öffentlichen Orten verabredeten und diese daraufhin verunreinigt hinterließen.1496 1490 1491 1492 1493
Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 159–190. Interview 1b, September 2014, Z. 183ff. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 186ff. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 193ff.; Interview 2a, Mai 2014, Z. 94–97; Interview 15b, September 2014, Z. 73ff.; Interview 29b, September 2014, Z. 64–76; 151ff. 1494 Interview 13b, September 2014, Z. 232. 1495 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 235–247. 1496 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 751ff.
Makrokategorie V – Praktikum
367
Konflikte Verkehrskontrolle Der Interviewte_12 berichtet davon, in seinem Praktikum eine »Verfolgungsjagd« erlebt zu haben. Bei einer Verkehrskontrolle habe ein Mann plötzlich die Tür sowie das Fenster seines Wagens geschlossen und sei daraufhin mit dem Wagen geflohen. Sechs bis sieben Polizeiautos, so der angehende Polizist, hätten ihn daraufhin verfolgt, und der Flüchtige habe erst gefasst werden können, nachdem er eine Polizeiabsperrung durchbrochen habe und auf einen Polizeiwagen aufgefahren sei. Mit einem derartigen Erlebnis habe er vor seinem Praktikum nicht gerechnet, er habe es aber als besondere und spannende Erfahrung empfunden.1497 Es sei regelrecht wie »[…] eine KLAssische HOLLywood verfolgungs(.) fahrt […]«1498
gewesen. Konflikte – straffälliges Verhalten Seitens der Polizeischüler_innen wird kaum eine Einsatzbeschreibung mit Konflikten aufgrund von Handlungen erwähnt, die unter das Strafgesetzbuch fallen. Lediglich einige der beschriebenen Einsätze stehen in Verbindung mit Alkoholmissbrauch oder weiteren Straftaten.1499 Drogenmissbrauch Die Einsatzberichte der Polizeischüler_innen, die Betäubungsmittelkonsument_innen und die Interaktion und Konfrontation mit diesen betreffen, finden sich in »Subkategorie 15.6.3: Umgang mit besonderen Personengruppen« unter der Überschrift »Umgang mit Personen, die Drogen einnehmen (BtM)«.1500 Konflikte aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei Im Vorfeld des Praktikums vermuten einige der angehenden Polizist_innen, dass sie in der bevorstehenden Praxisphase mit Konflikten konfrontiert werden, die ihre Ursache in der Unbeliebtheit der Polizei haben. Sie geben an, dass es sie
1497 1498 1499 1500
Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 37–79. Interview 12b, September 2014, Z. 64. Siehe hierzu Subkategorie 15.6.3: Umgang mit besonderen Personengruppen. Siehe hierzu »Umgang mit Personen, die Drogen einnehmen (BtM)« unter Subkategorie 15.6.3: Umgang mit besonderen Personengruppen.
368
Ergebnisse des Forschungsprojektes
überraschen würde, wenn sich Bürger_innen zugunsten der Polizist_innen verhielten.1501 Selbst in Situationen, in denen Polizist_innen von Menschen beschimpft oder bespuckt würden, so der Interviewte_9, müssen die Beamt_innen mit den betreffenden Personen »[…] würdevoll umgehn […]«,1502
auch wenn dies in der konkreten Situation nicht einfach sei. Einen Angriff auf das Polizeirevier hat der Interviewte_18 miterlebt. Eine Gruppe »Linker«, so der angehende Polizist, habe das Revier ohne erkennbaren Grund angegriffen. Der Angriff sei offenbar lediglich auf der Grundlage einer grundsätzlichen Abneigung der Institution Polizei gegenüber geschehen. Er habe daraufhin gemeinsam mit weiteren Kolleg_innen die Täter zu Fuß verfolgt, worauf einige Festnahmen erfolgten. Der Interviewte berichtet, dass er für sein Verhalten und Handeln in dieser Situation gelobt worden sei. Darüber habe er sich im Nachhinein besonders gefreut, da er zu diesem Zeitpunkt erst wenige Tage im Praktikum gewesen sei und in der Situation zunächst nicht gewusst habe, wie er sich verhalten solle. Seine Handlungsweise sei instinktiv vorschriftsgemäß gewesen.1503 Der Interviewte_21 kann sich gut vorstellen, dass er als Polizist angegriffen werde, da er als solcher den Staat vertrete. Er sei allerdings der Überzeugung, mit Angriffen professionell umgehen und die notwendige Distanz wahren zu können, um sie nicht persönlich zu nehmen, sondern als Angriff auf die staatliche Gewalt, als deren Vertreter er auftrete.1504 Zusammenfassung Subkategorie 1: Umgang mit Konflikten Zum Umgang mit Konflikten äußern sich nur wenige Polizeischüler_innen. Dabei wird die Hoffnung formuliert, Konflikten aus dem Weg gehen zu können, an denen bekannte Personen oder gar Freund_innen beteiligt seien. Diese bei einer Straftat zu ertappen oder eine solche im Anschluss ahnden zu müssen, könne zu Gewissenskonflikten führen, so die Befürchtung.1505 Darüber hinaus sprechen die befragten Proband_innen von der Sorge, dass bei Einsätzen die Situation eskalieren könne, auch wenn die Polizeibeamt_innen darum bemüht seien, diese zu entschärfen.1506 1501 1502 1503 1504 1505 1506
Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 95ff.; 130ff. Interview 9a, Mai 2014, Z. 52. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 7ff; 37ff. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 263–272. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 146–258. Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 111–120.
Makrokategorie V – Praktikum
369
Konflikte mit Kindern und Jugendlichen Einige Polizeischüler_innen berichten von Auseinandersetzungen mit Jugendlichen. Als vorrangiges Problem bei Konflikten mit Jugendlichen nennen sie den mangelnden Respekt der jungen Menschen gegenüber Polizeibeamt_innen. Es werden Einsätze geschildert, bei denen es zu Beleidigungen der Beamt_innen gekommen sei. Einige Interviewte geben an, eine Vielzahl der Einsätze und Konflikte mit Jugendlichen sei mit steigendem Alkoholkonsum verbunden.1507 Konflikte Verkehrskontrolle Verkehrskontrollen gehören zu den alltäglichen Aufgaben der Streifenpolizist_innen. Von einem Konflikt bei der Erfüllung dieser Aufgabe berichtet allerdings nur einer der befragten Polizeischüler. Er erzählt von einem Einsatz, bei dem eine zunächst unauffällig verlaufende Verkehrskontrolle in eine regelrechte Verfolgungsjagd mit sieben Streifenwagen mündete.1508 Konflikte – straffälliges Verhalten In den Interviews werden nur wenige Konfrontationen mit strafbaren Handlungen aufgeführt. Es kommen nur solche zur Sprache, die im Zusammenhang mit Alkohol- oder Drogenmissbrauch stehen.1509 Konflikte aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei Mehrere interviewte Polizeischüler_innen können sich vor dem Praktikum vorstellen, in Konflikte aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei verwickelt zu werden. Allerdings berichtet nur ein Schüler davon, solch einen Konflikt in der Praxisphase miterlebt zu haben. Dabei habe es sich um einen Angriff auf das Polizeirevier gehandelt, bei dem eine politisch aktive Gruppe zunächst das Revier attackiert habe und dann zu Fuß von der Polizei verfolgt worden sei.1510
1507 1508 1509 1510
Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 146–258. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 37–79. Siehe hierzu Subkategorie 15.6.3 Umgang mit besonderen Personengruppen. Vgl. Interview 18b, September 2014, Z. 7ff.; 37ff.
370
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Interpretation Subkategorie 1: Umgang mit Konflikten Konflikte mit Jugendlichen Ein großes Konfliktpotenzial scheint der Umgang mit Jugendlichen zu bergen. Eine bedeutende Aufgabe von Polizist_innen ist es, deeskalierend in auftretende Konflikte einzugreifen. Die Polizeischüler_innen scheinen sich in ihrem Vorgehen gerade bei Konflikten und Einsätzen mit Jugendlichen vermehrt von Vorurteilen leiten zu lassen. Sie befürchten bereits vor Einsatzaufnahme einen mangelnden Respekt der Jugendlichen und damit einhergehend Konfrontationen mit diesen. Dabei berichten die Proband_innen von der Erfahrung, dass Begegnungen mit alkoholisierten Jugendlichen ein höheres Konfliktpotenzial enthielten als solche, bei denen kein Alkohol im Spiel gewesen sei. Im Umgang mit den Jugendlichen erlebten die angehenden Polizist_innen Personenkontrollen und die Androhung von Konsequenzen als probates Mittel, sich bei den Heranwachsenden Respekt zu verschaffen und sie zur Einsicht zu bringen. Daraus ergibt sich für die angehenden Polizist_innen die grundsätzliche Frage, wie sich Alkohol auf Menschen und ihr Verhalten auswirke sowie wie Polizist_innen angemessen darauf reagieren können. Hier ist ein Handlungsbedarf des Berufsethikunterrichts festzumachen, um den Polizeischüler_innen für ihre berufliche Zukunft Handlungssicherheit für dieses häufig begegnende Aufgabenfeld zu vermitteln. Zudem könnte der Berufsethikunterricht eine wichtige Rolle beim Abbau von Vorurteilen und Ängsten spielen, die mit solchen Einsätzen verbunden sind. Konflikte aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei Die Proband_innen gehen mit Blick auf die Praxisphase davon aus, Konfliktsituationen aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei zu erleben. Die Interviews enthalten Schilderungen erlebten Misstrauens von Bürger_innen gegenüber der Polizei. Daneben formulieren die Interviewten die Angst, im Dienst oder im privaten Rahmen angegriffen und möglicherweise ernsthaft verletzt zu werden. Mit dieser Missgunst der Bürger_innen und mit der Angst umzugehen, stellt eine Herausforderung des Polizeiberufs dar. Der Berufsethikunterricht kann einen Raum bieten, um sich über diese Probleme auszutauschen und Strategien des Umgangs mit feindseligem Verhalten von Seiten der Bürger_innen zu entwickeln.
Makrokategorie V – Praktikum
371
15.6.2 Subkategorie 2: Umgang mit potenziell traumatischen Situationen Der Interviewte_3 berichtet, er habe im Praktikum in vielfältigen Begegnungen mit Menschen erlebt, dass »es viele fertige Menschen« gebe.1511 Vor allem habe er im Erleben potenziell traumatischer Situationen die Erfahrung gemacht, dass er auch in Ausnahmesituationen weiterhin professionell arbeiten könne und nicht allzu gefühlsgeleitet agiere.1512 Viele der angehenden Polizist_innen äußern in der ersten Interviewreihe, dass sie es durchaus als Bereicherung empfänden, in ihren Praktika nicht nur positive sondern auch negative Erfahrungen machen zu können1513, denn »[…] die bringen einen ja immer WEITER[.]«1514
Die Mehrheit der Interviewten betrachtet einen Einsatz, an dem Kinder als Opfer beteiligt seien, als den schlimmsten Fall, der ihnen im Praktikum begegnen könne.1515 So ist das schlimmste vorstellbare Erlebnis im Hinblick auf das Praktikum für die Interviewte_14 ein Unfall oder eine andere Situation, in der Kinder die Leidtragenden seien. Sie habe »[…] ANGSt davor dass mir daNN eINFach die Tränen komm. mh, wEIL, ich bin sO eine (2) wEIß nicht, hab auch OFT mitleid und SCHNEll MITleid mit leuten und ICh füHL halt immer ALles glEIch mit[.]«1516
Ähnlich beschreibt der Interviewte_25 das für ihn schlimmste vorstellbare Szenario. Er habe besondere Angst davor, eines Tages einer Mutter die Todesnachricht ihres Kindes überbringen zu müssen.1517 In nahezu jedem Interview wird die Befürchtung geäußert, im Praktikum mit einer Leiche konfrontiert zu werden. Der Großteil der angehenden Polizist_innen gibt an, in der Vergangenheit noch nie mit einer solchen Situation konfrontiert worden zu sein. Interviewter_4 fragt sich daher, »[…] wie ich Damit umgeh[.]«1518
Nach dem Praktikum berichtet der Interviewte_4 davon, dass diese Situation tatsächlich eingetreten sei,
1511 1512 1513 1514 1515
Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 10f. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 16ff. Vgl. Interview 5a, Mai 2014, Z. 210ff; Interview 9b, September 2014, Z. 141ff. Interview 9a, Mai 2014, Z. 172f. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 234ff; Interview 11a, Mai 2014, Z. 116ff.; Interview 18a, Mai 2014, Z. 86ff.; Interview 19a, Mai 2014, Z. 169f.; Interview 22a, Mai 2014, Z. 133ff. 1516 Interview 14a, Mai 2014, Z. 208–212. 1517 Vgl. Interview 25a, Mai 2014, Z. 374ff. 1518 Interview 4a, Mai 2014, Z. 195.
372
Ergebnisse des Forschungsprojektes
»[…] aber, ja des=s=s (.) s war : auch ähm: nix SPEKTAKULÄREs, so n HERZINfaRkt[.]«1519
Der Interviewte_5 beschreibt, er habe ein »mulmiges Gefühl« verspürt, bevor er im Praktikum eine Leiche gesehen habe. Er habe im Vorfeld seine Reaktion auf den Moment, in dem er der Leiche ansichtig werde, nicht einschätzen können.1520 Seine Aufgabe sei es gewesen, die Leiche aufzudecken, wobei er sehr vorsichtig vorgegangen sei. Als weit unangenehmer und herausfordernder als den Anblick der verstorbenen Person habe er jedoch die Begegnung mit den hinterbliebenen Angehörigen empfunden. In der Zeit, bis der Arzt eingetroffen sei, sei es ihm schwer gefallen, empathisch auf die Trauernden einzugehen und die richtigen Worte zu finden, da er nicht »[…] solche standardsätze wie O:h ich Versteh ihre LA:ge oda ich (.) hab des au schon miterlebt […]«1521
habe verwenden wollen. Die Interviewte_10 äußert ein Interesse daran, bestimmte polizeiliche Routineabläufe zu erleben, wie beispielsweise die Aufnahme eines Unfalls.1522 Gleichzeitig sei ihr mitgeteilt worden, »[…] dass s NIT drumrum komm n TOTer zu sehn[.]«1523
Die Interviewte_11 ist sich indessen sicher, dass sie mit »[…] sachen konfrontiert werd wo ich (.) als mensch an meine GRENzen kommen werd?[.]«1524
Bereits an seinem ersten Praktikumstag wurde der Interviewte_12 mit einer Leiche konfrontiert. Es sei die erste Leiche gewesen, die er in seinem Leben gesehen habe. Im Interview gibt er an, dass diese Erfahrung für ihn nicht traumatisch gewesen sei, was ihn im Nachhinein erstaune.1525 Das Überbringen der Todesnachricht an die Angehörigen habe er hingegen als schwierig empfunden.1526 Mit Situationen nicht so umgehen und sie bewältigen zu können, wie von einem Polizisten erwartet werde, sei seine größte Befürchtung im Hinblick auf das kommende Praktikum, so der Interviewte_18.1527 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525 1526 1527
Interview 4b, September 2014, Z. 46ff. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 198–226. Interview 5b, September 2014, Z. 237ff. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 124f. Interview 10a, Mai 2014, Z. 126f. Interview 11a, Mai 2014, Z. 77f. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 26–31. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 178. Vgl. Interview 18a, Mai 2014, Z. 82ff.
Makrokategorie V – Praktikum
373
Nach ihrem Praktikum berichtet die Interviewte_19, mehrere Suizidopfer gesehen zu haben. Diese Erlebnisse seien für sie nicht traumatisch, sondern vielmehr interessant gewesen. Ihre Empfindungen gegenüber Menschen, die den Freitod wählen, seien weniger von Mitleid als von Wut geprägt, da sie die Entscheidung für eine Selbsttötung für verantwortungslos gegenüber dem persönlichen Umfeld halte.1528 Sie sei auch bei der Überbringung der Todesnachrichten im Zusammenhang mit diesen Suizidfällen zugegen gewesen. Die Nachricht sei jedoch zumeist nicht von ihr, sondern von ihrem Ausbilder überbracht worden.1529 Der Interviewte_22 spricht von der Befürchtung, in seinem Praktikum oder auch im späteren Berufsleben in einem Opfer oder Täter einen ihm bekannten Menschen wiederzuerkennen. Er vermutet, dass er Einsätze mit ihm bekannten Personen nur schwer werde verarbeiten können.1530 Gewaltdelikte Die Interviewte_2 habe anhand eines aufgezeichneten Einbruchdiebstahls, der sich unmittelbar vor ihrem Eintreffen mit dem Streifenwagen ereignet habe, feststellen müssen: »schon nen bisschen :SChreckhaft […] wie: (1), (2), gewalttätig da leute vorgehen[.]«1531
Die angehenden Polizist_innen berichten von zahlreichen Fällen häuslicher Gewalt im Verlauf ihrer Praktika. Über das häufige Auftreten solcher Delikte äußern sie sich schockiert.1532 Der Interviewte_4 berichtet von einem Fall, bei dem ein stark alkoholisierter und aggressiver Mann sein einjähriges Enkelkind als Schutzschild vor den Beamt_innen benutzt habe, als die Polizei die Wohnung betrat. Der Interviewte_5 beschreibt, dass er es als sehr wichtig empfinde, im Umgang mit häuslicher Gewalt als Polizist empathisch zu sein.1533 Der Interviewte_4 berichtet von einem Einsatz mit einer alkoholisierten jungen Frau, die zunächst behauptet habe, von ihrem Freund geschlagen worden zu sein. Nach kurzer Zeit sei auch der Freund am Einsatzort erschienen und habe den Beamten erklärt, dass es sich bei der Frau um seine Exfreundin handle, die sowohl ihn als auch seine derzeitige Lebensgefährtin bedrohe und ihnen gegenüber handgreiflich werde. Da die junge Frau stark alkoholisiert gewesen sei 1528 1529 1530 1531 1532 1533
Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 19f.; 197–210. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 425ff. Vgl. Interview 22a, Mai 2014, Z. 202ff. Interview 2b, September 2014, Z. 26ff. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 31f. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 64ff.
374
Ergebnisse des Forschungsprojektes
und niemanden habe erreichen können, der sie hätte abholen oder bei sich aufnehmen können, hätten die Beamt_innen sie schließlich mit auf das Revier genommen.1534 Die Festnahme sei jedoch schwierig gewesen.1535 Den Interviewten_6 habe die Häufung der Gewaltdelikte in der Stadt, in der er sein Praktikum absolviert hat, überrascht. Er habe nicht damit gerechnet, dass er Zeuge so vieler Gewaltdelikte werden würde.1536 Er berichtet allein von zwei Mordfällen, die sich in den drei Monaten in der Zuständigkeit seines Reviers und damit seiner Praktikumsstelle ereignet haben.1537 Der Interviewte_8 stellt sich vor dem Praktikum die Frage, wie er mit Gewalt gegen seine eigene Person umgehen werde. Er rechne damit, aggressives bzw. gewalttätiges Verhalten entgegengebracht zu bekommen.1538 Er habe jedoch bereits eine Vorstellung, wie er in einer solchen Situation reagieren werde, da er ein »[…] friedLIEBender mensch […] ähm also […] keiner der IRGENdwie den Streit sucht [sei][.]«1539
Viele Einsätze aufgrund von Körperverletzungen erlebte die Interviewte_27 in ihrem Praktikum. Sie schildert, dass diese meist von Menschen mit Migrationshintergrund begangen worden seien.1540 Vor allem ein Einsatz sei nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Ein dreizehnjähriges Mädchen sei von seinem Vater geschlagen und anschließend von der Interviewten und ihrem Ausbilder zu seiner Mutter verbracht worden. Die Polizeischülerin beschreibt, wie sehr sie mit dem Mädchen mitgefühlt habe.1541 Verkehrsunfälle Die Interviewte_2 geht davon aus, dass sie in ihrem Praktikum viele Verkehrsunfälle sehen werde.1542 Vor allem vor Verkehrsunfällen, bei denen Kinder beteiligt seien, habe sie Angst.1543 »also egal ob des jetzt kinder sind die im verkehrsunfall eingequetscht sind oder vielleicht sogar tot (.) des will ich nicht sehen[.]«1544 1534 1535 1536 1537 1538 1539 1540 1541 1542 1543 1544
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 144–261. Siehe Umgang mit Freiheitsentziehung. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 118ff. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 126ff. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 193ff. Interview 8a, Mai 2014, Z. 198ff. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 12f. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 153ff. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 94. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 102ff. Interview 2a, Mai 2014, Z. 102ff.
Makrokategorie V – Praktikum
375
Auch der Interviewte_9 schätzt den Anblick eines toten Kindes als eines der schlimmsten Ereignisse ein, das ihm im Praktikum begegnen könne.1545 Die Vielfalt der Einsatzbereiche der Polizist_innen sei für ihn jedoch ein Kriterium für die Berufswahl gewesen und er sei sich darüber im Klaren, dass diese auch jederzeit die Konfrontation mit einer Kinderleiche implizieren könne.1546 Der Interviewte_5 habe explizit darum gebeten, die Nachricht eines tödlich verlaufenen Unfalls selbst überbringen zu dürfen. Auf dem Weg zu den Angehörigen sei ihm im Zuge seiner Überlegungen, wie die Nachricht diesen zu überbringen sei, regelrecht übel geworden.1547 Er geht im Interview nicht konkret darauf ein, wie er diese Aufgabe letztlich gelöst hat, äußert aber, froh darüber gewesen zu sein, dass die Frau des tödlich Verunfallten die Nachricht »[…] gar net so erfasst {{gleichzeitig}(I) mhm} also (1) Des war für mich dann Gut, in anführungszeiche weil se: halt erschtma noch Abgelenkt war[.]«1548
Interviewter_8 vermutet, dass eine Situation, in der er »[…]ich sag jetz mal ausm FAMilienkreis jemand ähm irgendwo rausziehn muss oder was weiß ich dass man vielleicht zu nem unfall hinkommt und da liegt plötzlich (.) der onkel drin oder so was […]«1549,
für ihn eine sehr schlimme Erfahrung sein würde. Er berichtet von vielen Verkehrsunfällen, bei denen er im Zuge seines Praktikums zugegen gewesen sei. Darunter seien sowohl tödliche Verkehrsunfälle als auch kleine Auffahrunfälle gewesen.1550 Mit Unfällen mit Todesfolge sei der Interviewte_8 nach eigenen Angaben professionell umgegangen: »es isch immer=immer glaub ich schwer wenn jemand (.) wenn jemand stirbt un=un man erlebt des LEIde (…) für mich war des (.) durch des dass ich ihn nich gekannt hab un: (…) wars jetzt (.) IN DEM SINNE mehr arbeit wie:=wie irgendwie (1) drama[.]«1551
Ein Einsatz, bei dem ein Mensch zu Tode gekommen sei, habe den Interviewten_22 sehr nachdenklich gestimmt. Er berichtet im Anschluss daran: »man fängt an zu überlege was da hin- dahinter steckt au (1) dene ganze familie und (.) die vorgeschichte (3) auf jeden fall nachdenklich gstimmt und (2) joa (2) man guckt dann au bei sich selber mal- des hätt einem ja au selber passiere könne oder : jemandem 1545 1546 1547 1548 1549 1550 1551
Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 156ff. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 122–128. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 105–122. Interview 5b, September 2014, Z. 122ff. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171ff. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 52–69; 73–86; 90ff; 110ff; 255–269. Interview 8b, September 2014, Z. 75–86.
376
Ergebnisse des Forschungsprojektes
aus der eigenen familie (3) SO gedanke (.) hab ich mir da jetzt: (.) als erschtes mal gmacht[.]«1552
Der Interviewte_22 erzählt davon, wie er in seinem Praktikum einen Freund habe verhören müssen, der mit einem LKW einen Verkehrsunfall verursacht habe. Er habe seinem Freund ein Bußgeld sowie Punkte im Flensburger Verkehrszentralregister geben müssen. Wenn er außerhalb gesetzlicher Vorgaben hätte entscheiden können, hätte er es jedoch vorgezogen, ihn nur zu verwarnen. Dies sei aufgrund der Höhe des Schadens aber nicht zu rechtfertigen gewesen. Der Interviewte_22 gibt an, dass er sich in der professionellen, belehrenden Rolle seinem Freund gegenüber nicht wohl gefühlt habe.1553 Bereits in der zweiten Praktikumswoche ereignete sich bei der Interviewten_27 ein tödlicher Motorradunfall, der sie die darauffolgenden Tage noch weiter beschäftigt habe. Sie gibt an, dass sie den Unfall als noch schlimmer empfunden hätte, wenn sie die Person gekannt hätte.1554 Kriminalität Der Interviewte_3 befürchtet, in seinem Praktikum mit vielen Kriminaldelikten konfrontiert zu werden, »[…] so mit äh schläGEREIN oder MESSERstecherein[.]«1555
Der Interviewte_4 erlebte in seinem Praktikum alles »[…] von nem EINfacHEN DIEbstahl oda: ne rUHestÖHrung, bis zu ner LEIche, aber ALLEs daBEi[.]«1556
Der Interviewte_6 berichtet gleichfalls von Diebstählen, vor allem Fahrraddiebstählen.1557 Ein Fall von Tierquälerei sei für den Interviewten_9 neben einem tödlich verunglückten Kind das Schlimmste, was ihm im Praktikum begegnen könne.1558 Zudem fürchte er Einsätze
1552 1553 1554 1555 1556 1557 1558
Interview 20b, September 2014, Z. 32–39. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 518–558. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 139–149. Interview 3a, Mai 2014, Z. 17f. Interview 4b, September 2014, Z. 43ff. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 8ff. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 157–163.
Makrokategorie V – Praktikum
377
»[…] {gleichzeitig {oder halt was mit} KINDERN halt irgendwie kinderSCHÄNDUNG oder sowas [I2: mhm] (.) des isch net so=oder (1) ja des muss ich jetzt unbedingt SOFORT sehn[.]«1559
Der Interviewte_17 erzählt von einem Erlebnis, das ihm sehr nahegegangen sei. Seinem Ausbilder und ihm sei nach einer Vergewaltigung die Aufgabe übertragen worden, den Tatort abzusichern und auf die zuständige Kriminalpolizei zu warten: »Des war dann auch schlimm weil=du (.) hast dann vorKOPF was da grad Passiert is=du hast grad eben noch die FRau gesehn wo um hilfe gerufen hat (.) un jetz stehsch dann am tatort siehst noch ihre SChuhe dort stehn und ihre handtasche un sie weiß ganz genau dass DA, jetz grad des passIERT Sein muss (.) un des war dann auch halt natürlich bissn bedrückend[.]«1560
Schusswaffen(-gebrauch) Die Interviewten_2 und _20 hoffen1561, »[…] dass ich NICHT die dienstwaffe gebrauchen werde[.]«1562
Wie es für ihn sein werde, wenn er seine Dienstwaffe gebrauchen müsste, fragt sich der Interviewte_4 vor seinem Praktikum. Ihn bewegt die Frage, ob er nach erfolgtem Schusswaffengebrauch je wieder eine Waffe werde anfassen können.1563 Die Schusswaffe habe die Interviewte_11 im Praktikum zwar ziehen, aber glücklicherweise nicht benutzen müssen. Sie berichtet davon, sich in dieser Situation mit dem Gedanken beholfen zu haben, dass sie nun zunächst handeln und die Reflexion des Geschehenen auf einen späteren Zeitpunkt verschieben müsse.1564 Die Interviewte_23 habe sowohl Angst davor, selbst mit einer Waffe bedroht zu werden, als auch, mit ihrer Pistole einen Menschen bedrohen zu müssen.1565 Sie fürchte den Moment, in dem von ihr die Entscheidung gefordert sei, auf ihr Gegenüber zu schießen oder nicht.1566 In seinem Praktikum habe der Interviewte_28 nicht nur androhen müssen,
1559 1560 1561 1562 1563 1564 1565 1566
Interview 9a, Mai 2014, Z. 165ff. Interview 17b, September 2014, Z. 147–155. Vgl. Interview 20a, Mai 2014, Z. 1596ff. Interview 2a, Mai 2014, Z. 91f. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 250ff. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 537ff. Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 79ff. Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 130f.
378
Ergebnisse des Forschungsprojektes
seine Schusswaffe zu ziehen, sondern diese auch tatsächlich aus der Halterung genommen: »bis zur bis hin zum ä:h (1) ziehen von der SCHUSSwaffe hab ich alles ghabt und habs angedroht[.]«1567
Lebensangst (um das eigene Leben und das von Kollegen) Die Interviewte_2 geht davon aus, dass sie in ihrem Praktikum auch Einsätze erleben werde, bei denen sie Angst um ihr eigenes Leben oder das ihrer Kolleg_innen haben werde:1568 »also mein FALL wär das jetzt eben dass ich mein kolleg oder ein anderer mensch irgendwie angeschossen wird un vielleicht TÖDlich isch oder KOMA oder ähnliche[.]«1569
Auch der Interviewte_12 spricht von der Angst, im Praktikum oder im späteren Berufsleben verletzt zu werden.1570 Darüber hinaus habe er Angst, in ziviler Kleidung erkannt zu werden und auch im Privatleben Bedrohungen oder Angriffen ausgesetzt zu sein: »und die mich später dann wiedererkennen in ZIVIler kleidung, dass es DA dann irgendwie probleme gibt (.) I:CH weiß nicht; kanns mir-vielleicht sEHn die mein auto und zerkratzen das draußen (1) SO sachen[.]«1571
Nach seinem Praktikum berichtet der Polizeischüler, dass die Sorge, auch privat erkannt zu werden, zwar stets präsent gewesen sei, sich bis jetzt aber als unbegründet erwiesen habe.1572 Allerdings nehme er sich vor, in seiner zukünftigen Berufslaufbahn seinen Wohnort vom Zuständigkeitsgebiet seines Arbeitsrevieres zu trennen, um solcherlei Konflikten vorzubeugen.1573 Die Interviewte_16 habe »[…] ständig angst, dass mir jemand im nacken steht. des ist einfach so, schon alleine, dass polizei auf deiner weste steht und du stehst vor der tür. (.) brauchst gar nichts falsch machen, da gehts noch nicht mal darum, dass du falsch handelnst oder so, sondern einfach nur da kann dich jemand nicht leiden[.]«1574
1567 1568 1569 1570 1571 1572 1573 1574
Interview 28b, September 2014, Z. 57f. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 84ff. Interview 7a, Mai 2014, Z. 132ff. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 174–185. Interview 12a, Mai 2014, Z. 142ff. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 123ff. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 131ff. Interview 16a, Mai 2014, Z. 457ff.
Makrokategorie V – Praktikum
379
Umgang mit Bedrohungen Der Interviewte_4 berichtet, er sei gleich am ersten Tag seines Praktikums kurz nach seiner Ankunft auf dem Revier zu einer Schlägerei gerufen worden.1575 Bei dieser wurde er von einem der Täter massiv bedroht: »des er mIch ABSTECHen, will: un UMBringen will […]«1576, »[…] er phu sIEht mich mal auch PRIVAT, und dann äh: (.) ja; (.) soll ich AUfpassen was ich mach[.]«1577
Die Drohungen hätten ihn stark verunsichert. Beunruhigt habe ihn vor allem die Ankündigung des Täters, ihn auch als Privatperson anzugreifen, wenn sich die Gelegenheit dazu böte. Der Interviewte berichtet, dass Gespräche mit seinen Kolleg_innen ihn in dieser Situation bestärkt und beruhigt hätten.1578 Der Interviewte_28 wurde während seines Praktikums mit einem Messer bedroht. Es sei nur mittels Einsatzes von Pfefferspray möglich gewesen, die Situation und den Täter in den Griff zu bekommen.1579 Er habe noch weitere Einsätze erlebt, bei denen er bedroht und beleidigt worden sei. Hierbei sei es ihm nicht leicht gefallen, ruhig zu bleiben.1580 Umgang mit Freiheitsentziehung (z. B. auch Kindesentnahme der Eltern) Eine Gewahrsam- und Festnahme gestaltete sich für den Interviewten_4 als einer der »[…] HEFtigschtn [Einsätze] bisher[.]«1581
Einer alkoholisierten Frau1582 sei es nicht gelungen, jemanden zu erreichen, bei dem sie habe übernachten können. Infolgedessen habe sie mit auf das Revier mitgenommen werden müssen, um Leib und Leben zu schützen. Das habe sich allerdings schwieriger gestaltet als zunächst gedacht:1583 »un dann (.) is WOllt sie Als uM Sich schLAGEN dann; also es ging BLITZSCHNEll un lage ma schon mit ihr aufm boden {{gleichzeitig}(I) mhm} ham ma se geSCHLAOSSEN, (…) ich hab sie dann geSCHLOSSEn dann hat sie mich währenddessen noch geKRATZT un min mit dm mit dm BEIN (.) ausgha- äh {{gleichzeitig}(I) mhm} AUSgeschlagn un hat 1575 1576 1577 1578 1579 1580 1581 1582 1583
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 9–41. Interview 4b, September 2014, Z. 27f. Interview 4b, September 2014, Z. 34ff. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 37ff. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 52ff. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 611–662. Interview 4b, September 2014, Z. 272. Siehe vollständigen Einsatzbericht in Interview 4b, September 2014, Z. 144–261. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 187–253.
380
Ergebnisse des Forschungsprojektes
mich dann au: (1) äh jaja das war nich so schön; {{gleichzeitig}(I) oh ja}un ähm: (.)[.]«1584
Im Streifenwagen habe der Befragte die Aufgabe gehabt, die Frau festzuhalten, damit diese weder ihm noch sich selbst weiteren Schaden habe zufügen können. Auf dem Revier habe sich dann im Zuge einer angeordneten Blutprobe herausgestellt, dass die Frau nicht nur unter Alkohol- sondern auch unter Drogeneinfluss gestanden habe. Sie habe sich noch auf dem Revier für ihr Verhalten entschuldigt und darum gebeten, die Handschellen abgenommen zu bekommen.1585 Die Interviewte_11 erzählt, sie habe während ihres Praktikums ein Kind den Eltern entziehen müssen. Auf der Fahrt zu der Wohnung der Eltern habe sich die Polizistin aufgrund der bevorstehenden, für sie nicht einschätzbaren Situation unwohl gefühlt. Sie habe sich gefragt, wie die Wohnung aussehen, wie die Reaktion der Eltern auf die Kindeswegnahme ausfallen und wie es mit den Eltern und dem Baby weitergehen werde.1586 Zusammenfassung Subkategorie 2: Umgang mit potenziell traumatischen Situationen Die potenziell traumatischsten Erlebnisse des Praktikums stellen für die Polizeischüler_innen solche Einsätze dar, bei denen ein Mensch zu Tode gekommen ist. Grundsätzlich ist die im Beruf früher oder später zu erwartende Begegnung mit einer Leiche eine Situation, mit der umzugehen die Polizeischüler_innen als Herausforderung betrachten. Verschärft wird diese im Bewusstsein der Befragten noch, wenn es sich um zu Tode gekommene Kinder handelt. Die Mehrheit der Interviewten lässt das Praktikum zunächst auf sich zukommen und erhofft sich sogar, auch belastenden Erlebnissen ausgesetzt zu werden, da solche Erfahrungen sie für ihre weitere berufliche Laufbahn vorbereiten und stärken können.1587 Eine Vielzahl der angehenden Polizist_innen benennt vor der Praxisphase einen Unfall mit Kindern als das belastendste Ereignis, das eintreten könne.1588 Neben der Vorstellung, ein totes Kind aufzufinden, ist die Konfrontation mit der ersten Leiche mit Unsicherheiten und Befürchtungen verbunden. Allerdings besteht bei den interviewten Polizeischüler_innen die
1584 1585 1586 1587 1588
Interview 4b, September 2014, Z. 195–212. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 212–253. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 194ff. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 141ff. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 234ff.
Makrokategorie V – Praktikum
381
Erwartung, während der Praxisphase unumgänglich mit Verstorbenen in Kontakt zu kommen.1589 Die Polizeischüler_innen fragen sich im Hinblick auf die Praxisphase, wie sie mit Situationen wie dem Auffinden einer Leiche oder der Konfrontation mit einem zu Tode gekommenen Kind umgehen können.1590 Der Umgang mit Trauernden und die Überbringung der Todesnachricht an Hinterbliebene werden ebenfalls als Herausforderung verstanden.1591 Die Mehrheit der interviewten Polizeischüler_innen gibt nach Abschluss des Praktikums an, ihre erste Konfrontation mit einem zu Tode gekommenen Menschen nicht als traumatische Erfahrung einzustufen. Jedoch sind die Befragten sich auch darüber einig, dass ihnen die Bilder der ersten Leiche im Gedächtnis bleiben werden, da diese Erfahrung eine Begegnung mit einer Grenzsituation darstelle.1592 Gewaltdelikte Die Polizeischüler_innen geben an, dass ihnen Gewaltdelikte im Praktikum vor allem in Form von Körperverletzungen, Mordfällen und häuslicher Gewalt begegnet seien. Die Interviewte_2 zeigt sich schockiert über das Gewaltpotenzial mancher Menschen.1593 Das hohe Einsatzaufkommen aufgrund von häuslicher Gewalt hinterließ bei den angehenden Polizist_innen einen nachhaltigen Eindruck.1594 Nahezu alle Polizeischüler_innen berichten davon, Einsätze aufgrund von Körperverletzungen erlebt zu haben. Dabei finden sich in den Aussagen der Proband_innen Schilderungen, die ein breites Spektrum von leichter bis hin zu schwerer Körperverletzung abdecken.1595 Die angehenden Polizist_innen formulieren darüber hinaus die Beobachtung eines deutlichen Zusammenhangs zwischen aggressivem, handgreiflichem Verhalten und Alkohol- und Drogeneinfluss.1596
1589 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596
Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 126f. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 195. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 175ff. Vgl. Interview 12b, September 2014, Z. 26ff. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 26ff. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 31f. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 61. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 144–261.
382
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Verkehrsunfälle Die angehenden Polizist_innen gehen vor ihren Praktika davon aus, besonders häufig zu Verkehrsunfällen gerufen zu werden. Sie erwarten, dass sich darunter möglicherweise auch solche mit Todesfolge befinden werden. Die Interviewten sind sich einig, dass ein Unfall, bei dem ein Kind zu Tode käme, das schlimmste vorstellbare Ereignis im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen sei. Sie hoffen, eine solche Situation im Praktikum nicht erleben zu müssen.1597 Das Überbringen einer Unfall- beziehungsweise Todesnachricht empfinden sie ebenfalls als eine der belastendsten Aufgaben des Polizeiberufs.1598 Ein Interviewter beschreibt die Angst, in seiner Berufslaufbahn zu einem Unfall gerufen zu werden, bei dem sich herausstellt, dass ein Familienmitglied oder eine Freund, eine Freundin zu den Opfern gehöre. Dies sei für ihn ein verheerender Gedanke.1599 Kriminalität Vor dem Praktikum befürchtet eine Vielzahl der interviewten Polizeischüler_innen, mit einer hohen Kriminalitätsrate konfrontiert zu werden.1600 Vor allem stellen Einsätze im Zusammenhang mit Tierquälerei und Kindesmissbrauch Ereignisse dar, denen einige der angehenden Polizist_innen im Praktikum nicht zu begegnen hoffen.1601 In der zweiten Interviewreihe berichtet keine_r der Proband_innen von solchen Einsätzen, dafür aber von zahlreichen Einbrüchen, Raubüberfällen und Diebstählen.1602 Schusswaffen(-gebrauch) Die Interviewten äußern große Bedenken davor, in ihren Praktika genötigt zu sein, von der Dienstwaffe Gebrauch zu machen. Der Interviewte_4 macht sich Gedanken darüber, ob er einen möglichen Schusswaffengebrauch werde verarbeiten können. Er befürchtet, dass das Misslingen der Verarbeitung eines solchen Ereignisses dazu führe, dass er den Polizeiberuf nicht weiter ausüben könne und seine Berufslaufbahn jäh beendet sei.1603 Der Interviewte_23 formuliert die Angst, als Polizeibeamter selbst mit einer Waffe bedroht zu werden.1604 1597 1598 1599 1600 1601 1602 1603 1604
Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 102ff. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 98–104. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 171ff. Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 17f. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 157–163; 165ff. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 154ff.; Interview 16b, September 2014, Z. 264ff. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 250ff. Vgl. Interview 23a, Mai 2014, Z. 130f.
Makrokategorie V – Praktikum
383
Einige der angehenden Polizist_innen geben an, in ihrem Praktikum gezwungen gewesen zu sein, den Gebrauch der Schusswaffe anzudrohen. Einige mussten die Dienstwaffe tatsächlich auf Personen richten. Keiner der Interviewten musste jedoch tatsächlich seine Waffe abfeuern.1605
Lebensangst (um das eigene Leben und das von Kollegen) Die angehenden Polizist_innen sorgen sich darum, im Praktikum verletzt zu werden oder um ihr Leben oder das der Kolleg_innen fürchten zu müssen.1606 Der Interviewte_12 will in seinem Privatleben nicht als Polizist erkannt werden, um zu vermeiden, außerhalb der Dienstzeit Bedrohungen ausgesetzt zu sein.1607 Die Interviewte_16 beschreibt ihre ständige Angst, aufgrund der Unbeliebtheit der Polizei angegriffen zu werden.1608
Umgang mit Bedrohungen Von Bedrohungen und Beleidigungen den Beamt_innen gegenüber berichten einige der befragten Polizeianwärter_innen. Der Interviewte_4 erzählt davon, dass bei einem Einsatz im Zusammenhang mit einer Schlägerei der Täter ihm gedroht habe, ihn anzugreifen, falls er ihm privat begegne. Diese Form der Beeinflussung seines Privatlebens durch berufliche Vorkommnisse verunsichere ihn sehr.1609 Der Interviewte_28 sei berichtet, mit einem Messer bedroht worden zu sein.1610
Umgang mit Freiheitsentziehung (z. B. auch Kindesentnahme der Eltern) Die Festnahme von Menschen sei für die angehenden Polizist_innen eine eher routinierte Aufgabe gewesen. Bei der Mehrheit der von den Proband_innen geschilderten Festnahmen habe es sich um solche gehandelt, die auf freiwilliger Basis vonstattengingen. Solche Festnahmen werden von den Polizeianwärter_innen als eher leicht zu bewältigende Aufgabe empfunden. Im Unterschied dazu berichten einige Polizeischüler_innen jedoch von Festnahmen, die nur unter Gewaltanwendung durchzusetzen gewesen seien.1611 1605 1606 1607 1608 1609 1610 1611
Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 56ff. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 84ff. Vgl. Interview 12a, Mai 2014, Z. 135–146. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 457ff. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 37ff. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 52ff. Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 72ff.; 212–253.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Interpretation – Subkategorie 2: Umgang mit potenziell traumatischen Situationen Tod eines Kindes Für viele Interviewte ist es besonders schwer vorstellbar, mit zu Tode gekommenen Kindern bei Verkehrsunfällen oder Gewaltverbrechen konfrontiert zu werden. Hier ist ein Handlungsfeld für den Berufsethikunterricht festzumachen, indem diese besonders sensiblen Situationen unterrichtlich thematisiert werden sollten. Im Praktikum der ersten Leiche begegnen Der Großteil der interviewten Polizeischüler_innen berichtet in der zweiten Interviewreihe, im Praktikum mindestens eine Leiche gesehen zu haben. Die Konfrontation damit stellt zwar keine traumatische Erfahrung dar, wohl aber handelt es sich dabei für einige um ein eindrückliches Erlebnis, das nach Einschätzung der Proband_innen im Gedächtnis bleiben und durch das weitere Berufsleben begleiten wird. Möglicherweise wurde der Erstkontakt mit einer Leiche entweder in der Dienstgruppe oder mit anderen Personen bereits besprochen und auf diese Weise hinreichend bearbeitet, sodass dieser Kontakt nicht als traumatisierende Erfahrung wahrgenommen wird. Eine besondere Aufgabe des Berufsethikunterrichts und anderer Schulfächer sollte dennoch sein, Bewältigungsstrategien für solche Situationen zu benennen und einzuüben und zur Annahme von Hilfe im Falle subjektiv empfundener Belastungen zu ermutigen. Überbringung einer Todesnachricht Ein ähnlich herausforderndes Thema ist für die Schüler_innen die Überbringung einer Todesnachricht. Die angehenden Polizist_innen fühlen sich nach eigenen Angaben trotz der Behandlung des Themas im Berufsethikunterricht einer solchen Aufgabe noch nicht gewachsen. Daher ist zu prüfen, ob das Thema der Überbringung einer Todesnachricht im Berufsethikunterricht vor der Praxisphase eingehender zu behandeln ist, um den angehenden Polizist_innen mehr Sicherheit im Umgang mit einer solchen Situation zu geben. Außerdem ist zu fragen, inwieweit die Notwendigkeit besteht, das Thema im Anschluss an das Praktikum nachbereitend noch einmal aufzugreifen. Fraglich ist dabei jedoch, inwieweit die theoretische Behandlung eines solchen Themas überhaupt dazu in der Lage ist, auf die Realität einer solchen Ausnahmesituation vorzubereiten, oder ob das Erlernen und die Ein-
Makrokategorie V – Praktikum
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übung des Umgangs mit solchen Situationen bis zu einem gewissen Grad der praktischen Ausbildung überlassen bleiben muss. In letzterem Fall ist es aber zwingend notwendig, sowohl die angehenden Polizist_innen wie auch die Ausbilder_innen darüber in Kenntnis zu setzen, dass es sich bei der Aufgabe des Überbringens einer Todesnachricht um ein Thema der polizeilichen Ausbildung handelt, dessen abschließende Behandlung innerhalb der Praxisphasen geleistet werden muss. Dieses Wissen kann eine entlastende Funktion für die Polizeischüler_innen haben, indem sie ihre Unsicherheiten bezüglich dieser Herausforderung als ihrem derzeitigen Ausbildungsstand angemessen einstufen können. Den Praxisausbilder_innen hingegen muss vermittelt werden, dass auf diese und ähnliche berufliche Herausforderungen beziehungsweise Kompetenzen, die erst im praktischen Vollzug abschließend erworben werden können, innerhalb der Praxisphase besonderes Augenmerk zu legen ist. Umgang mit Trauernden Die Interviewten äußern, dass sich für sie neben dem Überbringen einer Todesnachricht auch der Umgang mit trauernden Angehörigen als schwer zu bewältigende Aufgabe herausgestellt habe. Sie empfinden in einer solchen Situation Hilflosigkeit und geben an, nur schwer die richtigen Worte für die Hinterbliebenen zu finden. Der Umgang mit trauernden Angehörigen ist unumgänglicher Teil des beruflichen Alltags von Polizist_innen. Daher ist zu fragen, wie man die angehenden Polizeibeamt_innen im Zuge ihrer Ausbildung auf solche Begegnungen vorbereitet und auf welche Weise ihnen Sicherheit im Umgang mit Trauernden vermittelt werden kann. Dienstwaffen(-gebrauch) Der Gebrauch der Dienstwaffe stellt für die angehenden Polizist_innen eine potenziell traumatische Situation dar. Die Proband_innen beschäftigt die Frage, welche psychischen Folgen ein erfolgter Schusswaffengebrauch nach sich ziehen und wie er verarbeitet werden kann. Es zeigt sich in den Aussagen der Polizeischüler_innen, dass der Gebrauch der Schusswaffe ein Thema von großem Interesse ist, welches daher im Verlauf der Ausbildung vertieft werde sollte.
386
Ergebnisse des Forschungsprojektes
15.6.3 Subkategorie 3: Umgang mit besonderen Personengruppen Der Interviewte_4 stellt sich die Frage, wie er im polizeilichen Alltag mit verschiedenen Adressaten sprechen und umgehen solle: »Wie Ich halt mit den Leudn umgeh es=s egAl äh welcher PErsOnenkreis es isch auch; (.) obs jetz die Drogendealer sin ob jetz obdachlose sin=en (.)oder Kinder (.) wie ma halt da=n speziEll mit denen, spricht[.]«1612
Daher betrachtet er vor allem die Auseinandersetzung im Umgang mit bestimmten Personengruppen als praxisrelevanten Inhalt des Berufsethikunterrichts.1613 Der Interviewte_8 sieht dem Kontakt mit für ihn bisher unbekannten Personengruppen erwartungsvoll entgegen.1614 Gleichzeitig habe er aber Sorge, sich durch den direkten Umgang mit Menschen, die an einer ansteckenden Krankheit litten oder durch den Kontakt mit Spritzen o.Ä. mit einer lebensbedrohlichen Krankheit zu infizieren.1615 Der Interviewte_17 erhofft sich von dem Praktikum »[…] viel kontakt mit menschen[.]«1616
Umgang mit Alkoholisierten Der Umgang mit alkoholisierten Menschen sei der Interviewten_11 nach eigenen Angaben vor ihrem Praktikum nicht vertraut gewesen. Als interessant habe sie im Laufe der Praxisphase die zahlreich erlebten Schutzgewahrsamnahmen empfunden.1617 Die Interviewte_14 berichtet von mehrfachem Kontakt mit alkoholisierten Menschen im Verlauf des Praktikums. So erzählt sie von einer Zellenkontrolle, die sie durchgeführt habe, nachdem eine alkoholisierte Person ohne festen Wohnsitz darin genächtigt habe. Dabei habe sie sich wegen des penetranten Geruchs der Person beinahe übergeben müssen.1618 Sie schildert außerdem einen Einsatz aufgrund einer zerbrochenen Scheibe und der Vermutung des Einbruchs. Als sie am Einsatzort angekommen sei, habe sich die Sachlage aber entgegen der vorangegangenen Vermutungen anders dargestellt:
1612 1613 1614 1615 1616 1617 1618
Interview 4a, Mai 2014, Z. 125ff. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 144–154. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 146–154. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 211–218. Interview 17a, Mai 2014, Z. 71f. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 25ff. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 39ff.
Makrokategorie V – Praktikum
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»ABER des hat sich dann herausgestellt dass die mutter von ihrem KIND eingeSCHLOSSEN wurde (.) weil die eben alkoholikerin is und er war vierZEHN und wollt nicht dass die mutter rauskommt um sich alkohol zu holen (.) und sowas find ich dann voll SCHLIMM [I:mhm] weiß nich wenn da KINDER mit im spiel sind des war halt schon HEFtig DA hab ich noch öfters dran denken müssen[.]«1619
Die Interviewte_15 berichtet, ihr sei der Umgang mit alkoholisierten Menschen schwer gefallen, da sie deren Reaktion nicht habe abschätzen können.1620 Die Interviewte_24 schildert nach ihrem Praktikum, sie »[…] hätt net gedacht dass alkohol So: Viel mit nem mensche aNrichtet[.]«1621
Umgang mit psychisch Kranken Nahezu alle angehenden Polizist_innen berichten, in ihrem Praktikum Kontakt mit psychisch kranken Menschen gehabt zu haben. Die Interviewte_1 schildert eine Situation in ihrem Praktikum, in der sie gemeinsam mit ihrem Streifenpartner einen psychisch auffälligen Menschen habe abführen müssen. Dieser sie ihr zunächst sehr aggressiv erschienen, habe aber den Wunsch geäußert, mit ihr zu reden. Da sie sich erhofft habe, ihn durch die Anwendung ihres Grundwissens aus dem Psychologieunterricht der Polizeischule beruhigen und auf der Basis dieses Wissens auch angemessen mit der Situation umgehen zu können, sei sie darauf eingegangen.1622 Es habe allerdings »[…] wenig geholfen […]«1623,
vielmehr hätten sie »[…] [den] halt ein bisschen ins auto zerren […]«1624
müssen. Der Interviewte_6 berichtet, bei einem Einsatz mit einem suizidalen Menschen versucht zu haben, sein aus der Schultheorie erlerntes Wissen gewinnbringend einzusetzen. Der angehende Polizist habe mit dieser Person ein, seiner Meinung nach, äußerst spannendes Gespräch begonnen: »un dann kan- konnt ma auch so ÜBERReden; NAJAWAS is EIGentlich für DIch, warum warum tust du gibts KEIne WErte, wam=wamrm du weiter LEBEn mÖCHtesch; oder,
1619 1620 1621 1622 1623 1624
Interview 14b, September 2014, Z. 139–147. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 262ff. Interview 24b, September 2014, Z. 13f. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 110–124. Interview 1b, September 2014, Z. 123f. Interview 1b, September 2014, Z. 61.
388
Ergebnisse des Forschungsprojektes
(1) ähm was issn wer=wär denn DAnAch für dich ja eigentlich; un (.) ja, (.) un DAS WAr eignlich dann SCHON INTEressant[.]«1625
Auf dem Revier der Interviewten_14 seien häufiger Anrufe von Menschen eingegangen, die sie selbst als psychisch krank eingeschätzt habe. Die Anliegen dieser Menschen seien beispielsweise gewesen, sich nach dem Wetter in der Stadt zu erkundigen, in der sie das Praktikum ableistete, oder von einer verletzten Taube vor ihrer Haustüre zu erzählen.1626 Der Interviewte_20 ist der Meinung, es sei von grundlegender Bedeutung, dass sich psychisch beeinträchtigte Menschen »[…] halt au ernscht gnomme fühle ich mein: (1) nur weil se krank sin heißt des ja net dass ma=dass se keine mensche sin oder so die man net ernscht nehme muss (2) un dass ma dann halt guckt dass: dass sich da jemand um die kümmert au wida[.]«1627
Der Interviewte_29 erzählt davon, dass er gemeinsam mit seinem Ausbilder nach einem psychisch kranken Mann habe suchen müssen, da dieser gedroht habe, sich und andere Menschen mit einer Axt umzubringen. Der angehende Polizist gibt an, den fraglichen Mann aus seiner Schulzeit zu kennen. Daher habe er die Situation als besonders befremdlich empfunden. Nach längerer Suche sei der verwirrte Mann von anderen Polizeibeamt_innen gefunden und in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden.1628 Umgang mit Personen, die Drogen einnehmen (BtM) Der Interviewte_9 beschreibt einen Einsatz, bei dem er mit einer Person in Kontakt gekommen sei, die Betäubungsmittel konsumiert habe: »dann hab ich jemand gehabt der (.) ähm kurz VORM TOD war als (.) ÜBERdosis[.]«1629
Im Verlauf seines Praktikums habe er darüber hinaus öfter mit einem siebzehnjährigen Drogenkonsumenten zu tun gehabt. Dieser habe in der Öffentlichkeit Drogen konsumiert und sei deshalb gelegentlich von der Polizei aufgegriffen und kontrolliert worden. Der Interviewte gibt an, dass ihn der Umstand, dass ein so junger Mensch durch die Drogenabhängigkeit derart gezeichnet sei, schockiert und mitleidig gestimmt habe.1630
1625 1626 1627 1628 1629 1630
Interview 6b, September 2014, Z. 455ff. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 57ff. Interview 20b, September 2014, Z. 145ff. Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 78–93. Interview 9b, September 2014, Z. 13f. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 183–209.
Makrokategorie V – Praktikum
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Der Interviewte_17 habe den Umgang mit Drogenabhängigen als unangenehm empfunden.1631 Umgang mit Flüchtlingen Der Interviewte_17 erzählt im Interview, er sei von der hohen Anzahl der Flüchtlingswohnheime in der Stadt, in der er sein Praktikum absolviert habe, überrascht gewesen, denn obwohl er in derselben Stadt aufgewachsen sei, habe er zuvor nichts von diesen gewusst. Die hohe Anzahl an Flüchtlingen betrachte er als problematisch.1632 Umgang mit Betreten fremder Wohnungen Der Interviewte_8 berichtet, er habe in seinem Praktikum mehrere fremde Wohnungen betreten müssen. Dabei habe er sich bei der einen oder anderen Wohnung gedacht: »oke da könnt ich jetzt net lebe[.]«1633
Er spricht in diesem Zusammenhang des Weiteren von »[…] au KRASSE situationen [I:mhm] Äh (1) wo au (.) TRAgödie (.) dahinter stecke[.]«1634
Der Interviewte_17 gibt an, Mitleid zu empfinden, wenn er sehe, wie manche Menschen der sogenannten »[…] sozialste unterschicht […]«1635
leben müssten: »un: wos dann halt auch echt schlimm drin aussieht (.) Wo: der Müll rumliegt wo: (.) kein WASser, läuft kein strom gibt und so (?halt?) des; war dann schon bissn bedrückend AUch (1) wenn=man dann so die: menschen sieht wie (.) wie die darin leben MÜssn, (1) weil sie: kein andre möglichkeitn, haben[.]«1636
1631 1632 1633 1634 1635 1636
Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 121ff. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 45ff. Interview 8b, September 2014, Z. 42f. Interview 8b, September 2014, Z. 46f. Interview 17b, September 2014, Z. 109f. Interview 17b, September 2014, Z. 110–116.
390
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Sonstige Personengruppen Die Interviewte_1 berichtet, in ihrem Praktikum zu einem Einsatz gerufen worden zu sein, bei welchem sie gemeinsam mit ihrem Praxisausbilder einen dementen Mann aus einem Pflegeheim habe suchen sollen. Sie erzählt, dass sie den Mann bereits kurze Zeit später auf der gegenüberliegenden Straßenseite gefunden hätten. Die Begegnung mit alten Menschen, die im Pflegeheim wohnen, habe die angehende Polizistin auch nach Dienstschluss noch beschäftigt. Daher habe sie sich mit ihrer Mutter und ihrer Freundin darüber ausgetauscht, wie es alten Menschen in Pflegeheimen ergehe.1637 Gleich am ersten Tag seines Praktikums, so gibt der Interviewte_6 an, habe er eine Begegnung gehabt, die ihn zunächst psychisch sehr belastet habe. Er sei dazu aufgefordert worden, eine Person im Krankenhaus zu bewachen. Als er das Krankenzimmer betreten habe, habe er feststellen müssen, dass die fragliche Person einst zu seinem Bekanntenkreis gehört habe.1638 Er beschreibt das Zusammentreffen mit einem persönlich Bekannten als schockierende Begebenheit.1639 Die Interviewte_11 betrachtet es als sehr interessant und lehrreich, »[…] mit (.) leute konFRONTIErt zu werde, wo jez nit so: (1)(2)ich sag mal: (1) dein NIveau sin so alsO wo jez. (.)nit aus deiner gesellschaftSgruppe sin {{gleichzeitig}(I) mhm}wo: (.) vielleICHT keine ARbeit mehr ham wo auf der STRaße lebn[.]«1640
Ebenfalls ist ihr aufgefallen, dass einige Kolleg_innen »[…] jez nich so: FREundlich; un nETT z=zu men: DUNKelhÄUTIgen jez BEispielsWEISe sin wie zu: (.) einem; wie uns; (.) das äh: hab ich dann gedacht dass das huet nOCH heutzutage nch so is hm: okay[.]«1641
Der Interviewte_17 gibt an, des Öfteren mit Obdachlosen zu tun gehabt zu haben. Er habe dabei gewinnbringend aus dem im Berufsethikunterricht erworbenen Wissen schöpfen können. Der Berufsethikunterricht habe ihm die Grundlage geliefert, um selbstsicher mit diesen Menschen in Kontakt treten zu können.1642 Befrage_24 erzählt von einem Einsatz, bei dem ein Rechtsradikaler sie und ihre Kolleg_innen bedroht habe und sie diesen letztlich haben festnehmen müssen: 1637 1638 1639 1640 1641 1642
Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 211–237. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 527–534. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 545ff; 553f. Interview 11b, September 2014, Z. 32–37. Interview 11b, September 2014, Z. 45ff. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 271–287.
Makrokategorie V – Praktikum
391
»ein NaZi, rechtsradikaler der uns ähm: (.) Der heil hitler grufen hat=uns mit na abgebrochenen bierflasche bedroht hat; (.) den mussten wir dann mit pfeffersprey ; niederstrecken[.]«1643
Zusammenfassung Subkategorie 3: Umgang mit besonderen Personengruppen Einerseits sehen die befragten Polizeischüler_innen der Begegnung mit vielen unterschiedlichen Personengruppen positiv und erwartungsvoll entgegen.1644 Andererseits empfinden sie jedoch auch Unsicherheit, wie mit den verschiedenen Gruppen umgegangen und gesprochen werden muss, wie Befragter_4 beispielhaft äußert.1645 Er ist aber auch der Meinung, dass der Berufsethikunterricht die Schüler_innen auf den Umgang mit verschiedenen Menschen gut vorbereitet habe und ihm dadurch Selbstsicherheit in entsprechenden Situationen zugewachsen sei.1646 Umgang mit Alkoholisierten Der Umgang mit alkoholisierten Menschen gehört zu den alltäglichen Aufgaben der Polizist_innen. Die befragten Polizeischüler_innen zeigen sich gespannt auf diesen Teil ihrer zukünftigen Arbeit, vor allem, da einige von ihnen im Vorfeld wenig Erfahrung mit alkoholisierten Menschen gemacht haben, wie Interviewte_11 beispielhaft angibt.1647 Die Interviewte_15 äußert nach dem Praktikum, dass sie im Umgang mit Alkoholisierten unsicher gewesen sei.1648 Alles in allem zeigten sich die Polizeischüler_innen überrascht, in welchem Maße Alkohol einen Menschen zu verändern vermag.1649 Die Interviewten berichten davon, des Öfteren erlebt zu haben, wie alkoholisierte Personen in Schutzgewahrsam genommen werden mussten, da diese für sich und für die Umwelt eine Gefahr darstellten.1650 Als besonders erschütternd wurden solche Situationen empfunden, in denen alkoholabhängige Personen mit Kindern zusammen wohnten.1651
1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651
Interview 24b, September 2014, Z. 8ff. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 146–154. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 125ff. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 144–154. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 25ff. Vgl. Interview 15b, September 2014, Z. 262ff. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 13f. Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 25ff.; Interview 14b, September 2014, Z. 39ff. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 139–147.
392
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Umgang mit psychisch Kranken Die Begegnung mit psychisch Kranken beschreiben die interviewten Polizeischüler_innen als besondere Herausforderung.1652 Sie berichten von Unsicherheit im Umgang mit diesen Personen.1653 Ein Polizeischüler empfiehlt, psychisch kranke Menschen stets ernst zu nehmen.1654 Umgang mit Personen, die Drogen einnehmen (BtM) Nur eine geringe Zahl der angehenden Polizist_innen berichtet von Begegnungen mit Betäubungsmittelkonsumenten. Dabei habe es sich vorwiegend um Jugendliche gehandelt.1655 Umgang mit Flüchtlingen Lediglich zwei der interviewten Polizeischüler_innen blicken auf Erfahrungen mit Flüchtlingen im Verlauf des Praktikums zurück. Der Interviewte_17 zeigt sich schockiert über die hohe Anzahl an Flüchtlingen in der Stadt seines Praktikums.1656 Befragter_19 erzählt, an einer Abschiebung und der damit verbundenen Überfahrt von Flüchtlingen zum Flughafen beteiligt gewesen zu sein.1657 Umgang mit Betreten fremder Wohnungen Das Betreten fremder Wohnungen ist alltäglicher Teil der polizeilichen Arbeit. Die interviewten Polizeischüler_innen sehen in diesem Teil ihres Arbeitsalltags keine leichte Aufgabe. Die Erfahrung der zuweilen ärmlichen Lebensverhältnisse der Menschen, denen sie im Zuge dieser Aufgabe begegnet sind, hat die Interviewten offenbar sehr bewegt. Sie haben immer wieder feststellen müssen, dass sie selbst so nicht leben wollten und könnten.1658 Auch die Lebensgeschichten der fraglichen Menschen haben die Interviewten bewegt und zuweilen mitleidig gestimmt.1659
1652 1653 1654 1655 1656 1657 1658 1659
Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 28ff. Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 936–943. Vgl. Interview 20b, September 2014, Z. 145ff. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 183–209. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 45ff. Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 552ff. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 42f. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 110–116.
Makrokategorie V – Praktikum
393
Sonstige Personengruppen Von den angehenden Polizist_innen werden auch weitere Personengruppen genannt, mit denen sie in Kontakt getreten seien. Einerseits seien dies Menschen ohne festen Wohnsitz gewesen, die in regelmäßigen Abständen aufgrund von übersteigertem Alkoholkonsum in Gewahrsam genommen worden seien und auf dem Revier übernachtet hätten.1660 Andererseits seien ältere und zumeist demente Menschen auf die Hilfe der Polizist_innen angewiesen gewesen. Die Interviewte_1 berichtet von der Suche nach einem dementen Herrn, der sich unbemerkt aus dem Pflegeheim entfernt habe.1661 Interpretation Subkategorie 3: Umgang mit besonderen Personengruppen Auf den Umgang mit besonderen Personengruppen, so die Interviewten, seien die Polizeischüler_innen im Berufsethikunterricht insgesamt sehr gut vorbereitet worden. Einige äußern, dass ihnen die Inhalte des Unterrichts in der Praxis beim Umgang mit den begegnenden Menschen geholfen haben. Trotzdem blieben im konkreten Fall gelegentlich Unsicherheiten zurück. Diese Ergebnisse verweisen zum einen darauf, dass der Berufsethikunterricht offenbar bereits eine gute Arbeit in der Vorbereitung der Schüler_innen auf dieses Aufgabenfeld der beruflichen Praxis leistet. Das Zurückbleiben von Unsicherheiten sollte in jedem Fall einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, um daraus möglicherweise Schlüsse zu ziehen, welche Inhalte in der Vorbereitung der Schüler_innen auf die Praxis bisher außer Acht gelassen wurden und Teil des Curriculums werden sollten. Denkbar ist jedoch auch, dass eine theoretische Behanldung solcher Inhalte grundsätzlich nicht in Gänze auf die Herausforderungen der Praxis vorbereiten kann und genannte Unsicherheiten sich erst im Zuge der berufspraktischen Erfahrung ausräumen lassen. Daher erscheint es notwendig, vor allem die Aufmerksamkeit der begleitenden Praxisausbilder_innen für diesen Umstand und die damit verbundene Anforderung an ihre Aufgabe als Anleiter_innen zu schärfen. Der Umgang mit psychisch Kranken wurde von den Polizeischüler_innen als am schwierigsten empfunden und war für sie mit den größten Unsicherheiten behaftet. Als Grund gaben die Interviewten an, dass sie diese Personengruppe schwer einschätzen könnten und als unberechenbar empfänden. Viele Interviewte äußerten den Wunsch, den Umgang mit psychisch kranken Menschen in der Polizeischule zu thematisieren. Hier sollte also offenbar ein Schwerpunkt im
1660 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 88–100. 1661 Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 211–237.
394
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Psychologie- sowie im Berufsethikunterricht gelegt werden, um den angehenden Polizist_innen mehr Handlungssicherheit für die Praxis zu vermitteln.
15.6.4 Subkategorie 4: Anforderungen an das eigene Ich Die Interviewte_2 hofft, im Praktikum ein möglichst breites Spektrum an Erfahrungen im beruflichen Alltag machen zu können, um auf dieser Basis ihre Berufswahl einer Überprüfung unterziehen zu können.1662 Befragte Person_9 hofft, wie einige ihrer Mitschüler_innen auch, durch das Praktikum viel Berufserfahrung zu sammeln1663, sich eine gewisse Routine anzueignen sowie das in der Schule Gelernte in die Praxis umsetzen zu können.1664 Der Interviewte_7 sieht die Gefahr, dass er sich im Praktikum von Vorurteilen leiten lasse. Er wünscht sich, dass es ihm gelinge, Neutralität auszustrahlen. Er gibt zu bedenken, dass jeder Einsatz und jede Person und Personengruppe, verschieden und einzigartig seien und so behandelt werden sollten, auch wenn Ähnlichkeiten zu bereits Erlebtem dazu verleiten, auf vorgefertigte Vorstellungen und Handlungsmuster zurückzugreifen.1665 Die Interviewte_11 steht beispielhaft für viele ihrer Mitschüler_innen, indem sie den Anspruch an sich selbst erhebt, im Praktikum keine groben Fehler zu machen. Sie begründet diesen Anspruch damit, dass es immer wieder auch notwendige Aufgabe von Polizist_innen sei, in die Menschenrechte der Bürger_innen einzugreifen. Eine dergestalt verantwortungsvolle Aufgabe erlaube keine Fehler.1666 So hoffe sie beispielsweise, keine Funkabfrage zu vergessen oder gar jemanden wieder aus dem Polizeirevier zu entlassen, der nicht hätte entlassen werden dürfen.1667 Sie erwarte von sich selbst, jede Situation des Polizeialltags bewältigen zu können.1668 Die Interviewte_16 wünscht sich, stets souverän vor den Bürger_innen aufzutreten. Sie hofft, ebenso wie der Interviewte_17, dass die ihr begegnenden Situationen sie nicht allzu schnell überfordern.1669 Darüber hinaus erwartet sie, im Zuge ihres Praktikums mehr Selbstbewusstsein, Handlungssicherheit und
1662 Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 107–115. 1663 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 103ff; Interview 9a, Mai 2014, Z. 131ff; Interview 18a, Mai 2014, Z. 72ff; Interview 23a, Mai 2014, Z. 60ff. 1664 Vgl. Interview 3a, Mai 2014, Z. 103ff; 127f; Interview 22a, Mai 2014, Z. 127ff. 1665 Vgl. Interview 7a, Mai 2014, Z. 80ff. 1666 Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 153ff. 1667 Vgl. Interview 11a, Mai 2014, Z. 93ff. 1668 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 287ff. 1669 Vgl. Interviewt 16a, Mai 2014, Z. 245–256; Interview 17a, Mai 2014, Z. 90ff.
Makrokategorie V – Praktikum
395
Selbstständigkeit zu erlangen. Sie möchte ihren Praxisausbilder so gut wie möglich unterstützen und ihm keinesfalls zur Last fallen.1670 Die Interviewte_27 hofft, Situationen der Gewahrsamnahme oder der Wegschließung von Personen körperlich gewachsen zu sein.1671 Zusammenfassung Subkategorie 4: Anforderungen an das eigene Ich Die angehenden Polizist_innen stellen angesichts ihres ersten Praktikums vielfältige Anforderungen an sich selbst. Nahezu alle Proband_innen erhoffen sich, nach dem Praktikum eine sichere Aussage darüber machen zu können, ob sie beruflich den richtigen Weg eingeschlagen haben und den Anforderungen des Berufs gewachsen seien.1672 Sie erheben den Anspruch an sich selbst, im Praktikum möglichst angemessen und fehlerfrei zu handeln. Ihr Ziel ist es, das Praktikum erfolgreich abzuschließen, und daran anschließend die Polizeiausbildung zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen.1673 Außerdem erwarten viele Polizeischüler_innen durch das Praktikum einen Zugewinn an Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstständigkeit und Handlungssicherheit, einen Zugewinn an solchen Fähigkeiten und Eigenschaften also, welche sie als für eine erfolgreiche Berufslaufbahn notwendig betrachten.1674 Interpretation Subkategorie 4: Anforderungen an das eigene Ich Auffällig viele der interviewten Polizeischüler_innen formulieren im Zuge der ersten Interviewreihe die Erwartung, in ihrem Praktikum eine positive Bestätigung ihrer Berufswahl zu erhalten. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass eine große Zahl der Auszubildenden vor der Praxisphase in Bezug auf den von ihnen gewählten Beruf noch unsicher ist. Die positive Bestätigung, so zeigt sich in der zweiten Interviewreihe, scheint bei den meisten Polizeischüler_innen im Praktikum erfolgt zu sein: Sie zeigen sich augenscheinlich zufrieden mit ihrer Berufswahl. Befürchtungen, den Anforderungen des Polizeiberufs nicht gerecht zu werden, scheinen weitgehend beseitigt worden zu sein. Einige Interviewte äußern die Angst, im Praktikum zu versagen, an der Polizeiausbildung zu scheitern und dadurch sich selbst sowie ihre Familien zu enttäuschen. Das Bestehen des Praktikums ist daher auch im Hinblick auf diese Befürchtung ein häufig geäußertes Anliegen der Polizeischüler_innen. 1670 1671 1672 1673 1674
Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 207–220. Vgl. Interview 27b, September 2014, Z. 88ff. Vgl. Interview 2a, Mai 2014, Z. 107–115. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 228ff; Interview 14a, Mai 2014, Z. 153ff. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 207–220.
396
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Im Zuge dessen hoffen viele Polizeischüler_innen, im Praktikum möglichst fehlerfrei und korrekt zu handeln. Sie sind sich bewusst, dass der Polizeiberuf immer auch Situationen mit sich bringen kann, in denen die Sicherheit der Beamt_innen gefährdet ist. Sie fürchten, durch fehlerhaftes Verhalten sich selbst und ihre Praxisanleitenden in Gefahr zu bringen. Der Anspruch an sich selbst, möglichst Fehler zu vermeiden und korrektes Verhalten an den Tag zu legen, mündet für die Polizeischüler_innen in einem immensen Leistungsdruck. Sie hoffen, den Anforderungen körperlich und psychisch gewachsen zu sein und im richtigen Augenblick das erlernte Wissen situationsangemessen abrufen zu können. In solchen Äußerungen schwingt die Feststellung mit, dass die Rollenspiele, mit denen die Schüler_innen im Unterricht auf die Praxis vorbereitet werden sollen, diese Aufgabe nicht hinreichend erfüllen können. Die Ernsthaftigkeit einer realen Einsatzsituation lässt sich im Rollenspiel mit Mitschüler_innen nicht ansatzweise nachstellen.
15.6.5 Subkategorie 5: Erwartungen an Anleitende, Lehrer_innen Die Interviewte_1 erwartet von ihrem Praxisausbilder Beistand in der ihr noch unvertrauten Berufspraxis. Sie wünscht sich, dass er ihr das für die Berufsausübung notwendige Wissen geduldig vermittelt. Als Beispiel führt sie die Verwendung des polizeilichen Computerprogramms an. Sie erhofft sich, dass ihr Ausbilder dies notfalls auch mehrfach erkläre, falls sie damit nicht zu Recht kommen sollte.1675 Gleichzeitig möchte sie, »[…] dass mein praxisausbilder mir viele möglichkeiten bietet dass ich alles so kennenlernen kann ja […]«1676
und »[…] dass er WÜNsche die ich vielleicht hab auch versucht zu erFÜLLEN[.]«1677
Der Interviewte_3 erhofft sich von seinem Praxisausbilder, dass er diesem vertrauen könne, »[…] dass er nett ist freundlich und hilfsbereit und: dass ich auf jeden fall viel von ihm LERnen kann und: dass ich ihn auch unterstützen kann[.]«1678
1675 1676 1677 1678
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 181–194. Interview 1a, Mai 2014, Z. 90ff. Interview 1a, Mai 2014, Z. 181f. Interview 3a, Mai 2014, Z. 161ff.
Makrokategorie V – Praktikum
397
Der Interviewte_4 wünscht sich, ebenso wie einige seiner Mitschüler_innen, von seinem Praxisausbilder Hilfestellung in der alltäglichen Bewältigung der Polizeiarbeit.1679 Zudem erhofft er sich, dass er von seinem Ausbilder Ratschläge zur Bewältigung von potenziell traumatischen Situationen erhalte: »AUCh ähm: wenn SIE ERFAhrungen damit geMACHT hat dass; sie mir das äh ERKLärt wie SIE DES VERarbeitet hat;wie SIE äh: DAmit umgeht;(.) un ähm: ja DASS Sie mir einFACH Hilfe anBIETET,(.) ähm: SACHen vorSCHLÄGT die ICH machen KANN,zu WEM ich gehen kann mit wem ich reden kann äh dass Sie EINfach für mich DA isch[.]«1680
Reflexion durch Praxisanleiter (Wunsch nach Kritik) Der Interviewte_4 würde es begrüßen, von seinem Ausbilder sowohl positive als auch negative Kritik für sein Verhalten und seine Arbeit in der Praxisphase zu erhalten.1681 Der Interviewte_13 lobt im Anschluss an das Praktikum seine Ausbilderin dafür, dass sie erfolgte Einsätze gemeinsam mit ihm reflektiert und ihm Rückmeldung zu seiner Arbeit gegeben habe. Sowohl das Lob der Ausbilderin für gute Leistungen als auch ihre Verbesserungsvorschläge seien hilfreich für ihn gewesen.1682 Die Interviewte_16 wünscht sich Folgendes von ihrem Ausbilder : »ICH möcht auf JEDEN fall gesagt bekommen was ich falsch mach auch grade also in kritik is ja ziemlich notwendig und ich kann des auch kann auch mit umgehen. aber ähm auf ne art und weise, die halt einen eher was beibringt und lehrt als einen demotiviert und runterzieht[.]«1683
Der Praxisausbilder des Interviewten_28 habe ihn stets gefordert und gefördert. Er habe gute Leistungen lobend erwähnt und gleichzeitig konstruktive Rückmeldungen gegeben, wie er seine Arbeit verbessern könne.1684 Beziehung/persönliche Ebene Die Mehrheit der Interviewten beschreibt ihr Verhältnis zu den jeweiligen Ausbildern als gut und freundschaftlich.1685 1679 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 181–194; Interview 4a, Mai 2014, Z. 276ff; Interview 18a, Mai 2014, Z. 117ff; Interview 19a, Mai 2014, Z. 193–206; Interview 21a, Mai 2014, Z. 214ff. 1680 Interview 4a, Mai 2014, Z. 278–284. 1681 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 285ff. 1682 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 354–368. 1683 Interview 16a, Mai 2014, Z. 314ff. 1684 Vgl. Interview 28b, September 2014, Z. 304ff. 1685 Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 183–192; Interview 3b, 2014, Z. 209ff; Interview 4b,
398
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Die Interviewte_10 schildert nach ihrem Praktikum, dass das Verhältnis der Kolleg_innen in der Schicht untereinander so gewesen sei, wie sie es sich im Vorfeld vorgestellt habe. Sie habe sich mit allen Kolleg_innen sehr gut verstanden und es seien auch private Kontakte zustande gekommen, die in gemeinsamen Unternehmungen nach Dienstschluss mündeten.1686 In der ersten Interviewreihe gibt die Interviewte_15 an, es als hilfreich zu empfinden, dass sie die Kolleg_innen ihrer Schicht sowie ihren Ausbilder bereits habe kennenlernen dürfen. Sie könne sich nun besser auf die Praxisphase einstellen, da sie schon einen ersten Eindruck von ihren zukünftigen Arbeitskolleg_innen gewinnen konnte.1687 Die Beziehung zwischen der Interviewten_16 und ihrem Praxisausbilder sei sehr gut gewesen, berichtet diese. Sie seien zwar »[…] grUndverschiedene menschen […]«1688
und hätten »[…] GANZ unterschiedliche ANsichten (.) und angehensweisen an verschiedenen dinge aber wir haben uns sehr gut verstanden also ich würd auch sagen dass da so ne kleine freundschaft ähm entstanden is[.]«1689
Er habe ihr das Gefühl gegeben, dass er ihr vertraue und dass ihm die Meinung seiner Praktikantin wichtig sei.1690 Reflexion der Zusammenarbeit und Anleitung mit Praxisausbilder Die Interviewte_2 berichtet: »bei einsätzen die jetzt […] relativ gefährlich warn […] äh wurde ich (.) mehr so im hintergrund gelassen […] mh: dass mir nichts zustößt mh[.]«1691
Sie beschreibt, ihren Ausbilder als sehr motiviert erlebt zu haben. Er habe ihr alles erklärt und sie auch zu allen Einsätzen mitgenommen.1692
1686 1687 1688 1689 1690 1691 1692
September 2014, Z. 388–402; Interview 5b, September 2014, Z. 349ff; Interview 6b, September 2014, Z. 396ff; Interview 7b, September 2014, Z. 110ff; Interview 8b, September 2014, Z. 295–321; Interview 10b, September 2014, Z. 186ff; Interview 11b, September 2014, Z. 170ff; Interview 13b, September 2014, Z. 376ff; Interview 15b, September 2014, Z. 339ff; Interview 20b, September 2014, Z. 283ff; Interview 22b, September 2014, Z. 356ff; Interview 24b, September 2014, Z. 33ff; Interview 27b, September 2014, Z. 211ff; Interview 28b, September 2014, Z. 323ff. Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 82–89. Vgl. Interview 15a, Mai 2014, Z. 216ff. Interview 16b, September 2014, Z. 91ff. Interview 16b, September 2014, Z. 91ff. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 105ff. Interview 2b, September 2014, Z. 92–95. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 77ff.
Makrokategorie V – Praktikum
399
Die Zusammenarbeit des Interviewten_6 mit seinem Ausbilder sei weitgehend zufriedenstellend gewesen. Allerdings habe er sich in ruhigeren und einsatzärmeren Phasen gewünscht, häufiger mit diesem Streife fahren und beispielsweise mehr Kontrollen durchführen zu dürfen.1693 Sein Praxisausbilder sei in solchen Phasen aber öfter an seinem Schreibtisch gesessen und habe sich in dieser Zeit mit seinem Privathandy beschäftigt. Der Befragte vermutet hinter diesem Verhalten Lustlosigkeit des Ausbilders.1694 Er gibt aber an, in Zeiten gehäufter Einsätze die Möglichkeit gehabt zu haben, vielfältige Eindrücke der Polizeiarbeit zu sammeln.1695 Hingegen berichtet die Interviewte_15 davon, dass es sie zuweilen frustriert habe, wenn sie ihren Ausbilder als unmotiviert erlebt habe: »nur doof rumFAHre weil er keine luscht hat und dann so man MERkt, des au wenn=wenn derjenige keine Luscht hat des dann (.) fruschtiert ein dann au wenn man gern was gern was arbeite WÜRD. und er hat keine luscht einglich wirklich und dis (.) man kann dann schlecht sage jetzt He:, [ja.] des isch als a bissel ähm ja:[.]«1696
Der Interviewte_8 gibt an, von der langjährigen Berufserfahrung seines Ausbilders sowie von dessen Erfahrungen mit Praktikant_innen vorangegangener Jahrgänge profitiert zu haben. Er habe auch Fehler und Misserfolge im Praktikum mit seinem Ausbilder besprechen können.1697 Problematisch gestaltete sich die Zusammenarbeit der Interviewten_16 mit ihrem Ausbilder. Sie habe sich mit diesem zwar sehr gut verstanden, allerdings habe sich die Arbeitsmoral der beiden gravierend voneinander unterschieden. Sie habe sich als Praktikantin aber nicht in der Position gesehen, ihren Vorgesetzten zu kritisieren oder ihm zu widersprechen.1698 Der Interviewte_22 beschreibt, besonders von der ihm eröffneten Option profitiert zu haben, mit verschiedenen Kolleg_innen Streife fahren zu dürfen. Der dadurch ermöglichte Vergleich verschiedener Arbeitsweisen sei für ihn bei der Entwicklung eines eigenen Arbeitsstils hilfreich gewesen.1699 Der Interviewte_29 erzählt, dass sein zu Beginn gutes Verhältnis zu seinem Praxisausbilder sich sukzessive verschlechtert habe. Grund für diese Entwicklung sei ein Kommunikationsproblem zwischen ihm und seinem Ausbilder gewesen. Dieser habe interessengeleitete Fragen seines Praktikanten über den
1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699
Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 311–318. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 315–332; 367–391. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 357ff. Interview 15b, September 2014, Z. 316ff. Vgl. Interview 8b, September 2014, Z. 281ff; 314ff. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 348ff. Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 340ff.
400
Ergebnisse des Forschungsprojektes
Polizeiberuf missverstanden und sich von dem angehenden Polizisten auf den Prüfstand gestellt gefühlt.1700 Zusammenfassung Subkategorie 5: Erwartungen an Anleitende, Lehrer_innen Den Schüler_innen werden Ausbilder_innen zur Seite gestellt, die sie durch die Praxisphase begleiten und als Streifenpartner_innen fungieren. Die Polizeischüler_innen hoffen, sich mit den Ausbilder_innen gut zu verstehen, ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen und von ihnen Hilfestellung bei der Bewältigung der alltäglichen Polizeiarbeit zu bekommen.1701 Sie wünschen sich von ihren Anleiter_innen, dass sie ein offenes Ohr für ihre Anliegen und Fragen haben. Vor allem bei schwierigen Einsätzen oder potenziell traumatischen Erlebnissen hoffen die Polizeischüler_innen, mit ihren Ausbilder_innen ins Gespräch treten und sich auf sie verlassen zu können. In diesem Zusammenhang sprechen die angehenden Polizist_innen auch den Wunsch aus, dass die Ausbilder_innen ihnen Informationen über Anlaufstellen für die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse zukommen lassen.1702 Reflexion durch Praxisanleiter (Wunsch nach Kritik) Viele der Polizeischüler_innen wünschen sich explizit, von ihren Ausbilder_innen konstruktive Kritik zu erhalten. Diese wird als für das persönliche Vorankommen notwendig erachtet.1703 Wichtig ist den Auszubildenden, dass sich Lob und Kritik die Waage halten und Letztere so formuliert ist, dass sie nicht demotivierend wirkt.1704 Im Anschluss an das Praktikum äußern sich die Polizeischüler_innen mehrheitlich positiv über ihre Ausbilder_innen. Besonders schätzen die Proband_innen, dass ihre Anleiter_innen ihnen die Teilnahme an nahezu allen Einsätzen ermöglicht haben. Außerdem geben sie an, vom reichen Erfahrungsschatz der Ausbilder_innen profitiert zu haben.1705
1700 1701 1702 1703 1704 1705
Vgl. Interview 29b, September 2014, Z. 233–255. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 181–194. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 278–284; Interview 7a, Mai 2014, Z. 150ff. Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 285ff. Vgl. Interview 16a, Mai 2014, Z. 314ff. Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 351–370.
Makrokategorie V – Praktikum
401
Beziehung/persönliche Ebene Annähernd alle interviewten Polizeischüler_innen berichten nach ihrem Praktikum über ein sehr gutes Verhältnis zu ihren jeweiligen Ausbilder_innen.1706 Bei manchen sei das Verhältnis von vornherein sehr gut gewesen und bei den anderen habe es sich im Laufe des Praktikums entwickelt.1707 Eine Vielzahl der Schüler_innen gibt außerdem an, eine gute Beziehung zu den anderen Kolleg_innen der Schicht gehabt zu haben. Entsprechend wurde von ihnen das Arbeitsklima als sehr angenehm empfunden. Bei manchen habe diese gute Beziehung auch dazu geführt, dass nach Dienstschluss private Unternehmungen mit den Kolleg_innen der jeweiligen Schicht stattgefunden haben.1708 Reflexion der Zusammenarbeit und Anleitung mit Praxisausbildenden Die Aussagen der Polizeischüler_innen belegen, dass die Zusammenarbeit zwischen Ausbildenden und Auszubildenden in den Praktika weitestgehend positiv verlaufen ist. Eine Polizeischülerin berichtet, sie sei mit ihrem Praxisausbilder hervorragend ausgekommen, dieser habe sie zu jeglichen Einsätzen mitgenommen und sei dabei stets um ihr Wohlergehen bemüht gewesen. So habe er beispielsweise dafür Sorge getragen, sie bei gefährlichen Einsätzen der akuten Gefahrenzone fernzuhalten.1709 Die jeweiligen Ausbildenden avancierten für die Polizeischüler_innen häufig zu regelrechten Vorbildcharakteren.1710 Einige jedoch geben demgegenüber an, mit der Arbeitsweise ihrer Ausbilder_innen nicht zufrieden gewesen zu sein. Interpretation Subkategorie 5: Erwartungen an Anleitende, Lehrer_innen Die Polizeischüler_innen beschreiben nicht nur die Anforderungen an sich selbst, sondern auch an ihre zukünftigen Ausbilder_innen. Sie erhoffen sich Beistand und Hilfe ihrer Ausbilder_innen bei der Bewältigung der Aufgaben und Herausforderungen im Berufsalltag. Außerdem wollen sie diesen vertrauen können und im Falle von traumatischen Situationen erhoffen sie sich Hilfe durch Gespräche mit diesen und gegebenenfalls Informationen über psychologische oder seelsorgliche Angebote der Polizei. Aus den Aussagen der Schüler_innen ist herauszulesen, dass den Ausbil1706 1707 1708 1709 1710
Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 323ff. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 266ff. Vgl. Interview 10b, September 2014, Z. 82–89. Vgl. Interview 2b, September 2014, Z. 92–95. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 130ff.
402
Ergebnisse des Forschungsprojektes
denden eine bedeutende Rolle für das Praktikum und die Polizeiausbildung zukommt. Sie sollen Hilfestellungen bei der Bewältigung der alltäglichen Polizeiarbeit geben und als Ansprechpartner_innen für Fragen und Probleme der Auszubildenden zur Verfügung stehen. Aus den Interviews geht hervor, dass die größte Erwartung an das Praktikum sowohl ein_e nette_r Ausbilder_in als auch eine umgängliche und gute Schicht auf dem Revier ist. Die zentrale Bedeutung der Praxisausbilder_innen für das Gelingen der berufspraktischen Ausbildung lässt es als notwendig erscheinen, der Zusammenarbeit mit diesen von Seiten der Polizeischulen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Dabei sollte es darum gehen, die Ausbildenden im Vorfeld der Praktika für die Situation und die spezifischen Bedürfnisse der Polizeischüler_innen zu sensibilisieren. Im Zuge frühzeitig arrangierter Begegnungen zwischen den Ausbilder_innen und ihren zukünftigen Praktikant_innen könnte darüber hinaus eine Gelegenheit geschaffen werden, wechselseitige Erwartungen und Wünsche bereits im Vorfeld zu kommunizieren. Reflexion der Zusammenarbeit und Anleitung mit Praxisausbildenden Betrachtet man die Interviewaussagen der Polizeischüler_innen, zeigt sich, dass das Verhältnis zu den Ausbilder_innen und die Zusammenarbeit mit ihnen sich weitgehend positiv gestaltet haben. Nur wenige Polizeischüler_innen berichten von enttäuschenden Beziehungen zu ihren Ausbilder_innen und den Kolleg_innen der Schicht des Praxisreviers. Als Gründe für eine misslungene Anleitung werden genannt, dass die Ausbilder_innen als lustlos und »faul« erlebt wurden oder dass unterschiedliche, nicht miteinander vereinbare Herangehensweisen der Praktikant_innen und der Ausbilder_innen an die Arbeit mit Menschen die Zusammenarbeit erschwert haben. Solcherlei Aussagen bleiben in den Interviews allerdings die Ausnahme. Aus den Aussagen der Polizeischüler_innen lassen sich die jeweiligen Ursachen der Probleme im Verhältnis zu den Ausbilder_innen nicht letztgültig rekonstruieren. Inwieweit sie also tatsächlich auf Versäumnissen beziehungsweise Fehlern der Anleiter_innen beruhen oder ob auch die Polizeischüler_innen selbst zu ihrer Entstehung beigetragen haben, muss dahingestellt bleiben.
15.6.6 Subkategorie 6: Theorie-Praxis-Problem Befragter_3 hofft, wie einige seiner Kolleg_innen auch, im Praktikum zu lernen, wie die in der Schule erlernte Theorie in der Praxis umgesetzt werden kann. In
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diesem Zusammenhang formuliert er die Vermutung eines deutlichen Unterschiedes zwischen Theorie und praktischer Umsetzung:1711 »dann eben von WIRKlichen polizisten jetzt !DRAUßEN! hört dass es halt einfach überhaupt nicht so gemacht wird [mhm] dass es alles völlig anders läuft als hier drin weil es sind eben nur NACHgespielte situationen und das einfach mal wirklich so zu emPFINDEN[.]«1712
Rückblickend berichtet er, er habe »[…] dann=aber schnell gemerkt dass eben praxis und theorie wirklich n RIesen unterschied is[.]«1713
Daher habe er seinen eigenen Stil entwickelt, die erlernte Theorie in die Praxis umzusetzen. Er habe die Arbeitsweise seines Ausbilders als beispielhafte Anregung genommen und sie unter Rückbezug auf das in der Schultheorie Erlernte modifiziert.1714 Der Interviewte_20 ist der Auffassung, dass die Übungen in der Polizeischule kaum auf die Praxis vorbereiten können: »(1)ne glaub ich net, des kann man (.) schlecht vorspielen irgendwie also (.) [I1:okay] au da wieder des PRAXISnahe des isch ja fast UNmöglich des irgendwie [I1:mhm] jemandem BEIzubringen quasi; (.) glaub ich net ne[.]«1715
Der Interviewte_8 erkennt an, dass die im Unterricht durchgeführten Rollenspiele und vergleichbare Methoden zwar praxisorientiert, aber dennoch nicht geeignet seien, reale Situationen auch nur annähernd authentisch abzubilden. Als Grund dafür benennt er das Fehlen der unbekannten und schwer einschätzbaren Größe der in realen Situationen beteiligten Bürger_innen.1716 Die Theorie unterscheide sich immens von der Praxis, meint die Interviewte_19. Sie gibt an, dass in der Praxis die einzelnen Arbeitsschritte vielfach nicht mit der in der Theorie erlernten Genauigkeit verfolgt würden und dass die Auslassung einzelner Arbeitsschritte auch nicht in der in der Polizeischule angekündigten Weise geahndet werde. Sie sei daher der Überzeugung, im Zuge zunehmender Berufserfahrung eigene Arbeitsabläufe zu entwickeln. Dabei, so mutmaßt sie, werde die momentan verpflichtende theoretische Abfolge einzelner Arbeitsschritte keine derartige Gewichtung mehr haben.1717 1711 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 72ff; Interview 4a, Mai 2014, Z. 184f; Interview 12a, Mai 2014, Z. 108–118; Interview 15a, Mai 2014, Z.190ff; Interview 17a, Mai 2014, Z. 72ff; Interview 19a, Mai 2014, Z. 129ff; Interview 19b, September 2014, Z. 169ff. 1712 Interview 1a, Mai 2014, Z. 75–80. 1713 Interview 3b, September 2014, Z. 90ff. 1714 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 97–107. 1715 Interview 20a, Mai 2014, Z. 229ff. 1716 Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 40ff. 1717 Vgl. Interview 19b, September 2014, Z. 174ff; 89ff.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Der Interviewte_21 sieht in dem umfangreichen Praxisanteil der Ausbildung einen großen Vorteil. Er geht davon aus, dass die Polizeischüler_innen von den Erfahrungen der Praktika bei den praktischen Prüfungen in der Schule profitieren werden.1718 Praxisanalyse Während des gesamten Praktikums habe die Interviewte_16 »[…] nicht das gefühl gehabt dass ich tatsächlich was gearbeitet habe[.]«1719
Sie gibt an, sie fühle sich nun nach dem Praktikum »[…] nicht überARbeitet[.]«1720
Die Interviewte_24 zeigt sich erstaunt über den eklatanten Unterschied zwischen dem in der Theorie Erlernten und dessen Umsetzung in die Praxis:1721 »aufm revier isch des halt GAr net so des intressiert niemanden da macht halt (.) jeder wie er de:nkt, (.) u:nd (.) einfach der umgang mit dem mensch isch ganz andascht [mhm] (2) kann ma net vergleichen[.]«1722
Sie gelangt zu der Überzeugung: »die theorie wird Gar, net so beachtet[.]«1723
Praxisreflexion Rückblickend auf das Praktikum räumt die Interviewte_1 ein: »GANZ erhlich (.) an die theorie habe ich so an sich nicht einmal gedacht[.]«1724
Erst bei der Anfertigung der Praxisberichte habe sie sich beispielsweise mit den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen auseinandergesetzt. Während der Einsätze selbst seien sie ihr aber nicht präsent gewesen.1725 Der Interviewte_4 erhofft sich nach dem Praktikum vom Berufsethikunterricht, dass dieser die aus den Praktika mitgebrachten Interessen und Bedürfnisse der Schüler_innen aufnehme und dadurch praxisorientierter gestaltet sei. Er berichtet, dass vielen Polizeischüler_innen sowie auch ihm selbst vor der Pra1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725
Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 153ff. Interview 16b, September 2014, Z. 179f. Interview 16b, September 2014, Z. 15f. Vgl. Interview 24b, September 2014, Z. 38ff. Interview 24b, September 2014, Z. 52–56. Interview 24b, September 2014, Z. 46. Interview 1b, September 2014, Z. 70f. Vgl. Interview 1b, September 2014, Z. 82–86.
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xisphase nicht klar gewesen sei, welche berufsrelevanten Themen dem Fach Berufsethik zugeordnet sein könnten. Dies habe sich angesichts der Erfahrungen des Praktikums geändert und er erhoffe sich nun, daraus mitgebrachte Fragestellungen im Unterricht behandeln zu können.1726 Die im Zusammenhang mit vorliegendem Forschungsprojekt durchgeführten Interviews nutzte der Interviewte_17 zur Reflexion seiner Wünsche und Erwartungen an das Praktikum sowie der Erfahrungen und Erlebnisse im Verlauf der Praxisphase. Er äußerte außerdem den Wunsch, neben dem Fach Berufsethik auch andere Unterrichtsfächer in ähnlicher Weise zu untersuchen.1727 Ergebnissicherung Lernerfolg Die Aussagen der Polizeischüler_innen bezüglich des Erkenntnisgewinns im Zusammenhang mit der Praxisphase finden sich in den Unterkapiteln »Praxisreflexion« und »Praktikum als Ganzes«. Praktikum als Ganzes Der Interviewte_5 beschreibt: »erschtmal wars intressant alle Kennenzulern wi:e so wies DRaußen wie die polizischten draußen alle so sin (.) äh:m (.) wie des TEam dann so isch: äh:m wer mit dem GUT auskommt und e mit ein oder mit wem eher wenigA (.) des fand ich erschtma so interessant[.]«1728
Er berichtet von einer Situation in seinem Praktikum, in der er die Stärke des Teams erleben habe dürfen: »die stärge oder halt des TEam was hinder dem beruf steht[.]«1729
Diese Erfahrung habe ihn beeindruckt. Er selbst sei mit seinem Dienstgruppenleiter zu einer mutmaßlichen Messerstecherei gefahren. Nach kurzer Zeit seien an die 15 weitere Streifenwagen zur Unterstützung hinzugekommen: »grad dieses teamgefühl=aba DA wars halt richitch Krass des hat=hat mir richtich gut gefalln; weil da=da hen ALle sich gegenseitig ABGEsichert […] Un:: (.) Des war für mich so: (.) also eher zum beruf polizei oder polizischt (1) dieses (.) teamgefühl war für mich (.) intressant {{gleichzeitig}(I) mhm} Also[.]«1730
Der Interviewte_17 berichtet, er habe 1726 1727 1728 1729 1730
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 454–463. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 387–394. Interview 5b, September 2014, Z. 11–17. Interview 5b, September 2014, Z. 540f. Interview 5b, September 2014, Z. 543–551.
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»[…] Viel gelernt auch wies? (1) jetz im PRAktischen teil Is (.) also (1) bisher hat=mas ja immer im theoREtischen, alles Gelernt,=wies: (.) ablaufen SoLL, un jetz draußen ähm lern mas ganze praktisch un wies einfach (.) am BESTEN praktisch umzuwandeln; is also (1) des Gelernte sozusagen Umzusetzn (.) u:nd (2) ja einfach halt[.]«1731
Zusammenfassung Subkategorie 6: Theorie-Praxis-Problem Die Polizeischüler_innen stellen sich vor dem Praktikum die Frage, in welchem Verhältnis die in der Schule erlernte Theorie zu der Berufspraxis steht.1732 Es kristallisiert sich heraus, dass die meisten Interviewten die Erfahrung gemacht haben, dass sich beides in hohem Maße voneinander unterscheide. Der Interviewte_3 versucht diese Spannung aufzulösen, indem er den Arbeitsstil seines Ausbilders und das theoretische Schulwissen zu einem eigenen Arbeitsstil verknüpft.1733 Die zahlreichen Praxisphasen im Verlauf der Polizeiausbildung werden als gute Möglichkeit wertgeschätzt, die erlernte Theorie praktisch zu erproben.1734 Die praxisorientierten Übungen im Unterricht der Polizeischule werden von den Schüler_innen zwar als sinnvoll erachtet, jedoch räumen sie ein, dass sie auf die Realität des Polizeiberufs nur sehr bedingt vorbereiten können, da im geschützten Raum der Polizeischulen keine auch nur annähernd realistischen Situationen hergestellt werden können.1735 Praxisanalyse Eine Polizeischülerin beschreibt nach dem Praktikum das Gefühl, in diesem nicht wirklich etwas gearbeitet zu haben. Sie habe die erlebte Polizeiarbeit im Praktikum nicht als anstrengend empfunden.1736 Praxisreflexion Einige Polizeischüler_innen erhoffen sich nach der Praxisphase einen praxisnahen Berufsethikunterricht, in dem ihre aus den Praktika mitgebrachten Erfahrungen und Fragen Raum finden. Bislang sei es ihnen schwer gefallen, eine Vorstellung von der Bandbreite der Themen zu entwickeln, die im Berufsethikunterricht behandelt werden können. Mangels praktischer Erfahrung sei es 1731 1732 1733 1734 1735 1736
Interview 17b, September 2014, Z. 5ff. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 75–80. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 90–107. Vgl. Interview 21a, Mai 2014, Z. 153ff. Vgl. Interview 8a, Mai 2014, Z. 40ff; Interview 20a, Mai 2014, Z. 229ff. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 179f.
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ihnen zudem kaum möglich gewesen, eigene Interessen und Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Fach zu entwickeln. Nach der Praxisphase blicken sie jedoch auf viele verschiedene Erlebnisse zurück, für deren Thematisierung sich das Fach Berufsethik eigne. Die Schüler_innen freuen sich regelrecht darauf, diese Erlebnisse im Unterricht reflektieren zu können.1737 Ergebnissicherung Lernerfolg Die Aussagen der Polizeischüler_innen, die den Lerngehalt des Praktikums ausdrücken, befinden sich in den Abschnitten »Praxisreflexion« und »Praktikum als Ganzes«. Praktikum als Ganzes Die Polizeischüler_innen beschreiben, durch das Praktikum einen guten Einblick in die Arbeit von Polizist_innen gewonnen zu haben.1738 Die Erfahrung, wie die Kolleg_innen einer Schicht im Team zusammenarbeiten, wird besonders hervorgehoben.1739 Das Zusammenspiel der Polizeibeamt_innen und das Gemeinschaftsgefühl bei Einsätzen beschreiben die Polizeischüler_innen als eindrückliche Erfahrung.1740 Interpretation Subkategorie 6: Theorie-Praxis-Problem Die angehenden Polizist_innen haben im Laufe ihres Praktikums festgestellt, dass die erlernte Theorie in der Schule sich immens von der beruflichen Realität der Beamt_innen auf den Polizeirevieren unterscheidet. Diese Diskrepanz forderte die Polizeischüler_innen dazu heraus, für sich selbst das Verhältnis von Theorie und Praxis zu bestimmen. Hierbei ist zu hinterfragen, ob es der Schultheorie grundlegend an Praxisnähe mangelt oder ob diese Einschätzung lediglich auf subjektiven Meinungen der Proband_innen beruht. Die Häufung der diesbezüglichen Aussagen lässt jedoch vermuten, dass genannte Diskrepanz tatsächlich existiert. Zu überlegen ist einerseits, wie der Unterricht an den Polizeischulen gestaltet werden kann, um eine erhöhte Praxisnähe zu erreichen. Andererseits sollte jedoch nicht aus dem Blick verloren werden, dass in jeder beruflichen Ausbildung die Theorie sich in vielfacher Hinsicht von den Herausforderungen der Praxis unterscheidet und gerade deshalb beide Bereiche der 1737 1738 1739 1740
Vgl. Interview 4b, September 2014, Z. 454–463. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 5ff. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 11–17. Vgl. Interview 5b, September 2014, Z. 543–551.
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Ausbildung von gleich großer Bedeutung sind. Eine Hilfe für die Polizeischüler_innen im Umgang mit dieser Diskrepanz könnte mithin sein, bereits vor der Praxisphase den Unterschied zwischen der Theorie und der konkreten praktischen Umsetzung anzusprechen. Gleichzeitig sollte aber nicht versäumt werden, die Bedeutung und den unverzichtbaren Nutzen der theoretischen Ausbildung immer wieder herauszustellen. Auf diese Weise könnte sichergestellt werden, dass die Auszubildenden nicht im Rückblick auf entsprechende Erfahrungen das theoretische Wissen als für die berufliche Praxis unbrauchbar abqualifizieren.
15.6.7 Subkategorie 7: Habitus- und Statusfragen Der Interviewte_6 berichtet, er habe im Rettungsdienst die Erfahrung gemacht, von den Menschen als »[…] der GUTE […]«1741
erlebt zu werden. Als Polizist erwarte er nun, im Empfinden der ihm begegnenden Menschen »[…] eher der böse […]«1742
zu sein. Aussehen/gesellschaftlicher Status von Uniformträgern Die Interviewte_1 und der Interviewte_4 berichten davon, dass sie sich darauf freuen1743, »[…] in der uniform jetzt mal wirklich über die STRAßen zu laufen und als polizist angesehen zu werden[.]«1744
Interviewter_9 ist der Ansicht, dass die meisten Menschen gemeinhin respektvoll der Polizei gegenüber verhielten. Anderen jedoch nötige die Uniform keinerlei Respekt ab.1745 Der Interviewte_13 betont, dass er die Uniform persönlich zwar nicht möge, aber zum Zweck der Erkennbarkeit von Polizeibeamt_innen als sinnvoll erachte: »ICH find ja (1) persönlich ich seh in der Uniform lÄCHERLICH aus[.]«1746 1741 1742 1743 1744 1745 1746
Interview 6a, Mai 2014, Z. 178. Interview 6a, Mai 2014, Z. 179. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 124ff; Interview 4a, Mai 2014, Z. 179ff. Interview 1a, Mai 2014, Z. 124ff. Vgl. Interview 9a, Mai 2014, Z. 46ff. Interview 13a, Mai 2014, Z. 286f.
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Drinnen/draußen Die Polizeischüler_innen unterscheiden in ihrem Wortschatz zwischen einem so genannten »Drinnen« und »Draußen«. Die Proband_innen meinen mit diesen Begriffen die Unterscheidung zwischen der Polizeischule, die als das »Drinnen« bezeichnet wird, im Gegensatz zur Praxis der Polizeiarbeit im »Draußen«. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Begriffe gibt die folgende Aussage der Interviewten_1: »weil halt hier drin noch viel vermittelt wird was man dann eben von WIRKlichen polizisten jetzt !DRAUßEN! hört[.]«1747
Der Interviewte_8 freue sich sehr darauf, »[…] außerhalb von der gekünstelten WElt hier mal was zu sehn wie ischs wirklich drauße un wie ischs hier drin gehandhabt (1) ähm (.) ich hab mit vielen gesproche die im praktikum scho ware[.]«1748
Die Interviewte_19 beschreibt, dass sie sich vor allem darauf freue, durch das Praktikum aus dem »Drinnen«1749 der Schule und der ihrer Meinung nach gestellten Übungssituationen heraus, »hinter den Zaun«1750 ins »Draußen« blicken zu können.1751 Ähnliche Worte findet der Interviewte_20: »ohje (.) viel abWECHslung auf jeden fall; des praxis=äh=PRAKtische endlich mal erleben au; wies halt draußen WIRKLICH isch, nich so des gespielte hier drin des isch (1) schon noch mal en GROßer unterschied[.]«1752
Respekt/Ernstgenommenwerden/Durchsetzungsvermögen Die Interviewte_1 befürchtet vor dem Praktikum, dass vor allem Jugendliche ihr und allgemein der Polizei gegenüber respektlos auftreten könnten.1753 Ob die Praktikant_innen angesichts ihres jungen Alters auch von älteren Bürger_innen ernstgenommen werden, fragt sich die Interviewte_10. Sie
1747 Interview 1a, Mai 2014, Z. 74ff. 1748 Interview 8a, Mai 2014, Z. 156ff. 1749 Anmerkung zu »Drinnen« – Interviewte_19 assoziiert das Drinnen mit der Polizeihochschule. 1750 Anmerkung zu »hinter dem Zaun« – Interviewte_19 assoziiert mit »außerhalb des Zaunes« zum einen den Arbeitsalltag der Polizist_innen und zum anderen die Welt der Bürger_innen. 1751 Vgl. Interview 19a, Mai 2014, Z. 131–139. 1752 Interview 20a, Mai 2014, Z. 143ff. 1753 Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 81ff.
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überlegt, ob sie als junge Polizistin genug Autorität besitze, um sich auch gegenüber Menschen, die ihr an Jahren überlegen seien, durchzusetzen.1754 Sie gibt an, die »[…] größte: ANGst (.) die ich eigentlich hab dass eben grad ÄLTERE MÄNNER vielleicht dann auch im alkoholisierten zustand einfach denken OK des is jetzt so ne junge polizisten und die kann mir sagen was sie will und dann vielleicht auch grad gewalttätig oder körperlich tätig werden mir gegenüber[.]«1755
Sie gibt an, ihre größte Angst sei, feststellen zu müssen, dass es ihr an Durchsetzungsfähigkeit mangele und sie nicht ernstgenommen werde. Zwar sei sie sich bewusst, dass sie solchen Situationen im Praktikum nur mit ihrem Praxisausbilder an der Seite ausgesetzt sein werde, formuliert aber dennoch den Wunsch, sich so weit wie möglich selbst behaupten und durchsetzen zu wollen.1756 Sie hofft, dass »[…] sich jetzt meine ängste nich beSTÄTigen (1) das ich (.) das ich die jugendlichen sozusagen anderes bild sich DARstellt als ich jetzt HAB im moment[.]«1757
Die Sorge, als Frau nicht ernstgenommen zu werden, äußert auch die Interviewte_14. Sie habe Angst davor, aufgrund ihres Geschlechts beispielsweise im Fall von Widerständen von Seiten der Bürger_innen nicht den nötigen Respekt entgegengebracht zu bekommen.1758 Nach ihrem Praktikum berichtet die angehende Polizistin von verschiedenen Begebenheiten, bei denen sie sich aufgrund ihres Geschlechts deplatzierte Ausdrücke habe anhören müssen. Sie selbst habe sich bemüht, diese zu überhören. Sie gibt außerdem an, im Vorfeld nicht erwartet zu haben, dass auch Frauen ihr weniger Respekt entgegen bringen würden als ihren männlichen Kollegen. Solche Situationen habe sie aber erlebt: »ABER was ich halt krass fand von den FRAUEN zum beispiel (.) da wurd man auch nich grad akzeptiert […] sondern von leuten auf der STRAße; (.) da ham sich OFT welche so von wegen beschwert auch wegen meinem ALTer zumal weil ich halt noch JÜNGER bin (1) un WEIß nich ABER da kommen schon als so vor dass die gemeint ham und weiß was ich was [I:mhm] (2) ABER des is mir EGAL [I:ABER] soll die sagen was die WOLLEN [I:mhm][.]«1759
1754 1755 1756 1757 1758 1759
Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 120ff. Interview 1a, Mai 2014, Z. 95–100. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 101ff. Interview 1a, Mai 2014, Z. 120ff. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 129ff. Interview 14b, September 2014, Z. 346–356.
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Zusammenfassung Subkategorie 7: Habitus- und Statusfragen Aussehen/gesellschaftlicher Status von Uniformträgern Die Interviewten stehen dem Tragen der Uniform durchaus unterschiedlich gegenüber. Während sich die einen darauf freuen, in Uniform in der Öffentlichkeit auftreten zu dürfen, fühlen sich andere beim Tragen derselben eher unwohl. Eine Verbindung sieht ein Interviewter zwischen dem Tragen der Uniform und dem der Polizei entgegengebrachten Respekt. Dabei zeigt er ein Bewusstsein dafür, dass nicht allen Bürger_innen der Anblick eines Uniformierten automatisch Respekt abnötigt, sondern dass dieser vielmehr auch das Gegenteil bewirken kann. Drinnen/draußen Die Polizeischüler_innen unterscheiden begrifflich zwischen einem »Drinnen« und einem »Draußen«. Aus den Interviewaussagen geht hervor, dass mit dem »Drinnen« die Schule und die theoretische Ausbildung und mit dem »Draußen« das Praxisrevier, der Arbeitsalltag von Polizist_innen und die Lebenswelt der Bürger_innen gemeint sind.1760 Respekt/Ernstgenommenwerden/Durchsetzungsvermögen Das Thema Respekt und Durchsetzungsvermögen beschäftigt die Polizeischüler_innen in besonderer Weise. Sie fragen sich vor dem Praktikum, ob ihnen in der beruflichen Praxis genügend Respekt entgegengebracht werde und ob sie sich selbst werden durchsetzen können. Manche Interviewte zeigen sich gespannt, ob Jugendliche tatsächlich so respektlos der Polizei gegenüber auftreten, wie gemeinhin behauptet wird.1761 Andere bewegt die Frage, ob es ihnen gelingen wird, sich trotz ihres jungen Alters auch gegenüber älteren Bürger_innen durchzusetzen.1762 Vor allem die weiblichen Proband_innen überlegen, ob ihr Geschlecht Einfluss auf die Haltung der Bürger_innen ihnen gegenüber haben werde. Sie haben Sorge, dass Ihnen weniger Respekt entgegengebracht werden könnte wie ihren männlichen Kollegen.1763
1760 1761 1762 1763
Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 74ff. Vgl. Interview 1a, Mai 2014, Z. 81ff. Vgl. Interview 10a, Mai 2014, Z. 120ff. Vgl. Interview 14a, Mai 2014, Z. 129ff.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Interpretation Subkategorie 7: Habitus- und Statusfragen Bei den Interviewten ist die Vorfreude auf das Tragen der Polizeiuniform in der Öffentlichkeit spürbar. Dahinter scheint sich ein unausgesprochener Stolz zu verbergen, im Praktikum erstmals offiziell als Polizist_in angesehen zu werden. Die Trennung zwischen »Drinnen« und »Draußen« im Sprachgebrauch der Polizeischüler_innen deutet auf ein Wirklichkeitsverständnis hin, das die Welten von Bürger_innen und Polizist_innen qualitativ voneinander unterscheidet. Möglicherweise spiegelt sich hier das Erleben unterschiedlicher Rollen wider. Auf dem Revier und in der Polizeischule treten die Beamt_innen mehr als Privatmensch mit ihren persönlichen Eigenheiten in Erscheinung, während im »Draußen« die Rolle des Polizisten, der Polizistin und Vertreters, Vertreterin von Recht und Ordnung eingenommen werden muss. Den Bürger_innen ist freilich dieser Blick auf den Menschen hinter der Uniform zumeist verwehrt.
15.7 Makrokategorie VI – Polizeiberuf/Profession/ Ausbildung Im Zentrum dieser Makrokategorie stehen Aussagen der Interviewten zur Profession des Polizeiberufs und der Ausbildung. Die Äußerungen beschäftigen sich wesentlich mit der Frage nach der Umsetzbarkeit des theoretisch erlernten Wissens in die berufliche Praxis. Dahinter steht eine Einschätzung der Relevanz des Schulwissens für die Praxis der Berufsausübung. Besondere Beachtung findet in diesem Zusammenhang die Frage nach der Praxisrelevanz der im Berufsethikunterricht behandelten Inhalte. Die Interviews enthalten außerdem Aussagen der Auszubildenden über deren Umgang mit den alltäglichen Herausforderungen und negativen Begleitumständen des Polizeiberufs sowie Reflexionen über die professionelle Haltung von Polizist_innen.
15.7.1 Subkategorie 1: Schultheorie, Schulwissen Befragte Person_3 sagt, dass sie zwischen dem in der Theorie Erlernten und den tatsächlich erlebten Anforderungen in der Praxis einen großen Unterschied wahrgenommen habe. Sie habe dabei im Laufe der Praxisphase ihren eigenen Stil entwickelt, um die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überwinden: »JA also ich hab halt so mein- so meinen eigenen stil entwickelt also ich HAB (.) n BISschen was aus der theorie was ich hier ähm geLERNT hab hab ich jetzt mitgenommen SIcher ins praktikum und: (.) äh hab dann=aber schnell gemerkt dass eben praxis und
Makrokategorie VI – Polizeiberuf/Profession/ Ausbildung
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theorie wirklich n RIesen unterschied is und hab dann eben so n bisschen mein eigenen stil daraus gezogn (1) und den dann angewandt[.]«1764
Person_5 bringt hervor, dass sich ihr Handeln in der Praxisphase nicht ausschließlich auf die erlernte Theorie gestützt habe. Vielmehr habe sie bei der Einschätzung von Situationen und ihr begegnenden Personen auf ihre allgemeine Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zurückgegriffen: »wenn ma so bissle auf seine eigene (1) ich hab jetzt au no net SO, viel erfahrung, aber so die generelle mensche=kenntnis {{gleichzeitig}(I) mhm} bissle zurückgreife kann des find ich dann schon (1) ä:hm; also hat mir au in viele situatione einfach weitergeholfn[.]«1765
Person_13 behauptet, dass das in der Theorie angeeignete Wissen über kriminelle Abläufe die Polizeiarbeit erleichtere, da es den Beamt_innen eine schnelle Einschätzung der ihnen begegnenden Situationen ermögliche: »klar ist es wichtig wenn man weiß wie ein diebstahl aufgebaut ist (1), (2), (3), dann weiß ich er hats genommen ist aus dem laden herausgegangen er hats entwendet geklaut wobei man hier in der schule nicht geklaut sagen würde das ist schon falsch [mhm] ähm und er hats entwendet und d dann (1), (2), IST der rest den weiß man einfach [mhm] und diss, so was hat man hier relativ viel gemacht WAS ICH auch sag was auch wichtig is (1), (2), [mhm] es sind einfach Grundsteine und das sollt ma man meiner meinung nach auch wissen[.]«1766
Ausnahmslos alle Befragten, die sich zu diesem Thema äußern, geben an, dass die Polizeischule nicht gänzlich auf die Praxis vorbereiten könne, da selbst in situativen Handlungstrainings kaum eine Annäherung an reale Situationen zu erreichen sei: »ich finde das ist was was man sich nicht vorstellen kann [mhm] äm das (1), (2), können uns die lehrer auch gar nicht vermitteln weil da war fast (.) äh [mh] also es gibt lehrer die waren schon in so einer Situation aber generell (.) also die meisten polizisten waren nicht in so einer situation und das kann man hier nicht im (Ort) simulieren wenn da einer du da deine komische (?brotwaffe?) hast aus holz (1), (2), und dann der andere mit dem holzmesser [mh] vor dir steht [mhm] (1), (2), (3), und ich glaub das ist ne situation auf die man (1), (2), schlecht vorbereiten kann dann man reagiert auch (1), (2), auch jeder anders[.]«1767
1764 1765 1766 1767
Interview 3b, September 2014, Z. 87–94. Interview 5b, September 2014, Z. 56–61. Interview 13b, September 2014, Z. 504–515. Interview 13b, September 2014, Z. 452–465.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
Zusammenfassung Subkategorie 1: Schultheorie, Schulwissen Sowohl Person_3 als auch Person_5 berichten, in ihrem Praktikum gelernt zu haben, sich nicht ausschließlich auf die im Unterricht erlernten theoretischen Abläufe zu stützen. Sie betrachten es als ratsam und erfolgversprechender, bei der Bewältigung berufspraktischer Herausforderungen stattdessen den eigenen Instinkt sowie die eigene Menschenkenntnis und Lebenserfahrung zu Rate zu ziehen. Person_3 erzählt, dass sie auf diese Weise einen eigenen Arbeitsstil entwickelt habe.1768 Insgesamt sind alle befragten Personen, die sich zum Verhältnis von Theorie und Praxis geäußert haben, der Meinung, dass die in der Theorie erlernten Inhalte nicht gänzlich auf den Alltag im Beruf vorzubereiten vermögen. Dies liege mitunter daran, dass sich die Polizeischüler_innen während der theoretischen Ausbildung stets in einer abgesonderten und geschützten Umgebung befänden, innerhalb derer in den Handlungstrainings keine auch nur annähernd realistische Situation nachgestellt werden könne. Auch in Rollenspielen sei dies nicht zu erreichen.1769
Interpretation Subkategorie 1: Schultheorie, Schulwissen Ausnahmslos alle interviewten Personen, die sich zu dieser Subkategorie geäußert haben, sind der Meinung, dass das in der Theorie erlernte Schulwissen allein nicht für ein erfolgreiches Bestehen in der Praxis genügt. Daher ist der Frage nachzugehen, wie der Unterricht noch praxisorientierter gestaltet werden kann. Offenbar reichen die Bemühungen, den Unterricht im Zuge situativer Handlungstrainings an den praktischen Herausforderungen auszurichten, noch nicht aus, um den Schüler_innen in den Praktika das Gefühl zu geben, für die Berufspraxis vorbereitet zu sein. Möglicherweise muss daher die Tragfähigkeit dieser Unterrichtsmethode einer Überprüfung unterzogen werden. Andererseits ist zu bedenken, dass die voll umfängliche theoretische Vorbereitung der Polizeischüler_innen auf die Vielfalt der berufspraktischen Aufgaben möglicherweise ein zu hoch gegriffenes Ziel des Unterrichts an den Polizeischulen sein könnte. Vielmehr ist es doch gerade die Aufgabe der praktischen Ausbildung, dem theoretischen Wissen seine praktische Umsetzung im Vollzug zuzuordnen. Die Erkenntnis, dass Theorie und Praxis sich vielfach deutlich unterscheiden und gleichzeitig aufeinander bezogen bleiben, stellt bereits einen Zugewinn für die Schüler_innen dar, indem sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass der Polizeiberuf mit seinen stets wechselnden Herausforderungen und der Kon1768 Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 87–94; Interview 5b, September 2014, Z. 56–61. 1769 Vgl. Interview 13b, September 2014, Z. 452–465.
Makrokategorie VI – Polizeiberuf/Profession/ Ausbildung
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frontation mit täglich neuen Situationen immer wieder neue Anpassungsfähigkeit von den Polizeibeamt_innen verlangt. Zu diskutieren wäre mit den angehenden Polizist_innen, wie sich die erlernte Theorie in den immer neuen Herausforderungen des Polizeidienstes fruchtbar machen lässt und welches die zentralen theoretischen Aspekte sind, die situationsübergreifend bedeutsam bleiben. Dabei ist die Forschungsgruppe der Meinung, dass dies nicht allein eine Aufgabe des Berufsethikunterrichts sein kann. Vielmehr müssten hier mehrere Unterrichtsfächer übergreifend ihren Lehrstoff und die Lehrmethoden den Bedürfnissen der angehenden Polizist_innen anpassen.
15.7.2 Subkategorie 2: Unterricht Befragter_6 empfindet den Berufsethikunterricht als trocken. Er äußert, dass er den Unterricht über sich ergehen lasse, bei der Behandlung der Themen nicht aufpasse und entsprechend wenig aus dem Unterricht mitnehme. Gleichzeitig räumt er jedoch ein, dass durch eine andere, von ihm nicht näher spezifizierte Gestaltung des Unterrichts ein Nutzen für die Lernenden entstehen könne. Grundsätzlich wünsche er sich, bei einzelnen Themen mehr in die Tiefe gehen zu können: »tockner unterricht; also: (.) wo jetz auch die RESOnanz im unterricht au nicht wirklich; POSItiv war ; (.) also eher son bisschen (.) naja lass halt über dir ergehen aber (.) eher so auf DURChzug geschaltet (.) ABER ICH GLAUB ES=IS=HAT SCHON MEHR WICHTIGKEeit; wenn mas RICHtig gestaltet dass man IRGendwo auch n bisschen TIEfer gehen kann auch: {{gleichzeitig}(I2) mhm} aber ähm: BISher hatt ICH das THEMA noch nich= ALSO WIRKlich das=es=wirklich TIEfer gegangen ist[.]«1770
Person_15 empfindet den Berufsethikunterricht als ebenso wenig ansprechend wie Person_6: »ich denk die berufsethik ich denk die meischte sitzens halt ab und mache halt mit wenn dass die zeit rumgeht aber. [ja][.]«1771
Sie wünscht sich im Berufsethikunterricht mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung von Seiten der Schüler_innen. Die Vermittlung des Lehrstoffes in Form von Frontalunterricht gehe an den Bedürfnissen der Lernenden vorbei.1772 Befragte Person_9 vertritt die Ansicht, dass der Berufsethikunterricht in
1770 Interview 6a, Mai 2014, Z. 47–56. 1771 Interview 15b, September 2014, Z. 446–448. 1772 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 58–60; 312–128; 75–80.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
jedem Fall beibehalten werden solle, da seine Inhalte den angehenden Polizeibeamt_innen von Nutzen sein können: »dass man des halt auf jeden FAll (.) beibehält dass (2) den berufsethikunterricht weil manche sachen kann man da schon mitnehmen[.]«1773
Befragte Person_13 hingegen beschreibt, dass sie den Berufsethikunterricht als eine Art von Predigt erfahren habe. Sie gibt an, von einem Pfarrer in dem Fach unterrichtet worden zu sein, der sich im Wesentlichen darauf beschränkt habe, den Unterricht mit Vorträgen zu den einzelnen Themen zu bestreiten. Insgesamt empfinde sie die Stunden eher als eine Möglichkeit, sich zu entspannen: »vIELE geschICHTEN auch so (.) wo ma einfach, bei uns is berUFSEThik unterricht äh ja so ne art wie so ja (2) pREDIGT ä:h ja so, er is ja (.) weiß nicht? herr (XY) , der hier is der is ja auch pFARRER und äh, der hat halt immer da so seine vorTRÄGE davorne gehalten und ja die Klasse hat halt immer gelauscht und er hat geschIchten erzählt und so also (.) reLATIV lOCKER also wir haben noch NIE so irgendwie STUR n thEMA gEMACht[.]«1774
Person_6 wünscht sich im Unterricht eine eingehendere Behandlung der belastenden Situationen, die Polizist_innen in ihrem Arbeitsalltag begegnen können.1775 Beispielhaft äußert sie das Interesse, im Unterricht posttraumatische Belastungsstörungen zum Thema zu machen, da jeder Mensch in der Gefahr stehe, von solchen getroffen zu werden: »ja ich denk ma so SO vielleicht so postTRAU!MATISCHE! SAchen vielleicht ma anzusprechen {{gleichzeitig}(I2) mhm} was äh was MACHT DAS MIT EINEM, weil auf= {{gleichzeitig}(I2) mhm} wie können wir da noch mal MEHR in !PSYCHOLOGIE! simma mal drauf EINGEGANGEN; aber aus der ETHISchen sicht vielleicht {{gleichzeitig}(I2) mhm} auch noch mal DRAuf einzugehen; (1) weil s kann ja auch irgendwo Jeden TREFFN[.]«1776
Zusammenfassung Subkategorie 2: Unterricht In Bezug auf das Thema Berufsethikunterricht melden sich nur drei Interviewte zu Wort. Die Personen _6 und _15 geben an, dass die Polizeischüler_innen ihrer Meinung nach mehrheitlich die Zeit im Berufsethikunterricht lediglich absitzen, ohne wirklichen Nutzen aus den Unterrichtsstunden zu ziehen. Person_6 wünscht sich im Unterricht mehr Praxis- und Lebensweltbezug.1777 Person_13 beklagt sich über geringe Beteiligungsmöglichkeiten für die Schüler_innen, da 1773 1774 1775 1776 1777
Interview 9b, September 2014, Z. 326–330. Interview 13a, Mai 2014, Z. 72–81. Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 92–104; 350–355. Interview 6a, Mai 2014, Z. 83–92. Vgl. Interview 9b, September 2014, Z. 326–330.
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der Unterricht nahezu ausschließlich aus einem predigtartigen Vortrag der Lehrperson bestehe.1778 Sie wünscht sich ebenfalls mehr Bezugnahme auf Themen, die für die kommende Berufsausübung relevant sind. Beispielhaft nennt sie hierfür das Thema posttraumatischer Belastungsstörungen.1779 Interpretation Subkategorie 2: Unterricht Der Berufsethikunterricht wird von den Lernenden als zu langweilig und zu oberflächlich beschrieben. Daher liegt die Frage nach der didaktisch-methodischen Umsetzung der Themeneinheiten im Berufsethikunterricht der Polizei nahe. Ein Unterricht, der lediglich durch Lehrervorträge und in der Sozialform des Frontalunterrichts bestritten wird, kann freilich schwerlich das Interesse der Schüler_innen binden. Neben einer fundierten pädagogischen Ausbildung der Lehrpersonen ist es u. E. daher notwendig, den Lehrpersonen Materialien zur Verfügung zu stellen, anhand derer sie mit unterschiedlichen Methoden und Medien die unterrichtlichen Inhalte vermitteln können. Die Befragen beklagen zudem eine zu geringe Orientierung an der Lebenswelt und den Bedürfnissen der angehenden Polizist_innen. So wünschen sie sich beispielsweise eine eingehendere Beschäftigung mit den massiven Stresssituationen, denen Polizeibeamt_innen in ihrem Arbeitsalltag ausgesetzt sein können. Angesichts dieser Ergebnisse erscheint es notwendig, ein an den Bedürfnissen der angehenden Polizist_innen orientiertes Curriculum zu entwickeln, das die Lehrenden bei der Auswahl berufsrelevanter Themen unterstützt, das aber gleichzeitig offen ist für spezifische Interessen und Problemlagen einzelner Jahrgänge.
15.7.3 Subkategorie 3: Reflexion der Praxis Person_4 vermutet, dass die Themen im Berufsethikunterricht nach der Praxisphase spannender und praxisbezogener sein werden. Sie hofft, dass dann auch die Erlebnisse und Erfahrungen der Polizeischüler_innen im Praktikum thematisiert werden: »Ich geh mal DAvon aus jetz nachm Praktikum; äh: gets erscht Richtig los so mit beruftsethik (.) wie: verarbeit ich das die=äh: ersche=äh: erschte Leiche: der (.) s erschte Opfer Vielleicht hab ich auch n schusswaffengebrauch; des; (.) dass ma da HAlt drüber
1778 Vgl. Interview 13a, Mai 2014, Z. 72–81. 1779 Vgl. Interview 6a, Mai 2014, Z. 83–92.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
SPRicht; ähm: und: die (1)(2) und hat die Antwort vom äh: BerufsethikLehrer ; aus seiner sicht halt bekommn (1) wie man damit umgehnne[.]«1780
Die befragten Personen_11, _12, und _19 geben an, durch das Praktikum Gelegenheit gehabt zu haben, ihre Berufswahl einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.1781 Zusammenfassung Subkategorie 3: Reflexion der Praxis Nur eine befragte Person äußert sich zum Thema Praxisreflexion im Berufsethikunterricht. So vermutet Person_4, dass der Berufsethikunterricht nach der Praktikumsphase deutlich spannender und praxisorientierter verlaufen werde, beispielsweise indem die Schüler_innen die Gelegenheit erhalten, die Erfahrungen aus der beruflichen Praxis im Unterricht zu reflektieren.1782 Drei Personen haben die Praxisphase dazu genutzt, ihre Berufswahl zu reflektieren.1783 Interpretation Subkategorie 3: Reflexion der Praxis Das Thema der Praxisreflexion wurde im Rahmen der Interviews lediglich von vier Befragten angesprochen. Diese waren sich jedoch darüber einig, dass Reflexionsbedarf hinsichtlich der Erlebnisse und Erfahrungen in der Praxisphase bestehe. Eine Person erhofft sich explizit vom Berufsethikunterricht eine Unterstützung bei dieser Reflexion. Diesem Bedürfnis sollte der Berufsethikunterricht unbedingt Rechnung tragen. Aus den Ergebnissen dieser Aufarbeitung der Erfahrungen und der damit zusammenhängenden Problemlagen und Fragen der Schüler_innen können darüber hinaus Anregungen für die weitere thematische Gestaltung des Unterrichtes gewonnen werden, um so der bereits dargestellten Forderung nach mehr Praxisnähe nachzukommen.
15.7.4 Subkategorie 4: Negative Begleitumstände des Berufes Person_15 behauptet, dass ihr die Schichtarbeit während ihres Praktikums keinerlei Probleme verursacht habe: 1780 Interview 4a, Mai 2014, Z. 64–72. 1781 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 140–149; Interview 12b, September 2014, Z. 97–101; Interview 19b, September 2014, Z. 135–139. 1782 Vgl. Interview 4a, Mai 2014, Z. 64–72. 1783 Vgl. Interview 11b, September 2014, Z. 140–149; Interview 12b, September 2014, Z. 97–101; Interview 19b, September 2014, Z. 135–139.
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»u::nd auch mim schichtARbeiten, (.) wo ist ja (.) davor au noch nicht So gekannt habe (.) auch keine problEME, gehabt[.]«1784
Person_13 sowie Person_5 geben an, insbesondere den Schlafmangel während der Nachtschichten als zermürbend empfunden zu haben: »ich habe auch von leuten gehört die konnten in der nachtschicht teilweise schlafen oder sich irgendwie [mhm] entspannen oder so ich habe keine einzige nachtschicht geschlafen (1) auch wenn ichs manchmal gern getan hätte [mhm] weils auch einen schon ein bischen zermürbt[.]«1785 »deswegen Des war für mich des krasseste also (.) grad vom psychischen her[.]«1786
Die befragte Person_17 hingegen erklärt, dass sie vor allem die Schreibtischarbeit als Belastung empfunden habe: »jetz vielleichtn bisschen NEGativ, war dass es doch; (.) relativ VIEl, schreibarbeit is des auch bei ECHt kleinigkeiten, musst du trotzdem noch relativ Großen bericht immer schreiben wo de dann wegn na sache die nach zwei minuten geklärt is un einglich gar nichts is hocks dann trotzdem nochmal mindestens ne halbe stunde pu=pc dann aufm reVIer wieda un musst des ganze noch schreibn (.) dis (.) is son bissn s negative dass ma (.) so Viel Bürokram, danach Doch hat (.) des man nicht drum rum kommt is KLar, (.) un dass ma bei an- bei irgnwelchn STRAFtaten, oda sowas schreibn muss is mir auch klar, aba dass bei auch so Dingn wo echt (.) Einglich NIchts, is wo; irgnwie nur son anruf rein ging (.) dass irgen verDACHT, is irgnwas wä:re DOrt uns stell sich als nichts heraus muscht du du trotzdem immer relativ viel schreiben (.)des is so; s einzige was mich son bissn ERstaunt hat un was ich So, nicht mit gerechnet hab[.]«1787
Zusammenfassung Subkategorie 4: Negative Begleitumstände des Berufs Nur wenige der Befragten haben sich zu den negativen Begleitumständen des Berufs geäußert. Genannt wurde in diesem Zusammenhang die Nachtschicht als aufgrund des Schlafmangels belastende und zermürbende Aufgabe. Außerdem empfand eine der befragten Personen die Arbeit am Schreibtisch als Belastung.1788 Interpretation Subkategorie 4: Negative Begleitumstände des Berufs Als negative Begleitumstände werden von den Befragten einerseits die Schichtund zum anderen die Büroarbeit genannt. Beides wird als ermüdend empfunden. Vor allem gehäufte Büroarbeit hinterlässt bei den Beamt_innen das Gefühl, 1784 1785 1786 1787 1788
Interview 17b, September 2014, Z. 73–76. Interview 13b, September 2014, Z. 77–83. Interview 5b, September 2014, Z. 77–83. Interview 17b, September 2014, Z. 81–99. Vgl. Interview 17b, September 2014, Z. 73–76.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
körperlich nicht ausgelastet zu sein. Eine Folgerung für den Berufsethikunterricht lässt sich aus den Aussagen der angehenden Polizist_innen nicht ableiten.
15.7.5 Subkategorie 5: Alltägliche Herausforderungen Befragte Person_3 gibt an, dass besonders in der Anfangszeit die Nachtschichten sehr fordernd gewesen seien. Diese hätten sie an körperliche Grenzen gebracht: »mh also KÖRperliche grenze war halt also m schichtdienst am anfang so die NACHtschicht (.) ähm war immer recht schwierig sich da zu konzentrieren (.) viel w-(?meint?) morgens musste man ja trotzdem immer egAL wo man is volle konzentration bringn s hab ich halt gemerkt dass ich des nicht kann (.) und äh ja des war halt echt anstrengend am anfang[.]«1789
Zum Ende ihres Praktikums habe Person_3 jedoch festgestellt, dass ihr Sport vor der Nachtschicht helfe, diese besser zu überstehen.1790 Person_14 benennt die Büro- und Schreibarbeit als eine Herausforderung. Sie habe diese anfänglich unterschätzt: »der SCHREIBkram wo ich einfach fast verzweifelt bin weils einfach so VIEL war [I:mhm] des UNTERschätzt man echt weil man denkt immer nur okay man hat die ganze zeit was mit LEUTEN zu tun fährt DA hin und DA hin aber wenn du dann mal en paar (.) anzeigen aufgenommen hast und die dann abtippen musst da dacht ich echt mal in der nachtschicht ich hab jetzt gar keinen bock mehr ich geh jetzt heim [I:mhm] und DA hätt ich fast geheult[.]«1791 »KLAR es is richtig viel büroKRAM was ich NIE gedacht HÄTTE das is des schrecklichste das gefÄLLT mir gar net ((lacht))[.]«1792
Demgegenüber berichtet Person_4, dass sie während der Arbeit öfter unausgelastet gewesen sei: »ärgern sich über jeden einsatz den man fährt und ähm (.) man selbst ist halt total (.) unausgelastet also ich bin nach hause gekommen und hab nicht das gefühl gehabt dass ich tatsächlich was gearbeitet habe und [ähm] dann draussen auf der strasse rumzufahren und dann verzweifelt [mhm] des licht da vorne ich weiß nicht so ganz gefällt mir des nicht komm den halt ma mal an dem schreib ma n strafzettel[.]«1793
Die viele Büro- und Schreibarbeit wird auch von Person_16 als alltägliche Herausforderung genannt: 1789 1790 1791 1792 1793
Interview 3b, September 2014, Z. 113–119. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 286–290. Interview 14b, September 2014, Z. 125–134. Interview 14b, September 2014, Z. 324–326. Interview 14b, September 2014, Z. 177–184.
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»viel SCHReibarbeit (3) viel ARbeit Suchen[.]«1794
Die befragten Personen_7 und _15 sagen aus, dass sie mit der Zeit deutlich besser mit Leichenfunden haben umgehen können. In diesem Zusammenhnang sprechen sie von Abstumpfung: »(3) [ähm] (2) vielleicht dass ich meine ansicht gegenüber (??) TOTEN oder so des hat sich irgendwie (1) nicht verschLIMMERT sondern ich bin da eher locker noch LOCKERER drin geworden mit sowas umzugehen in der zeit vom praktikum (2) so ein bisschen abgestumpft sagen mas so [I;mhm] dass sowas einfach nimmer so SCHLIMM isch sondern dass es einfach ganz NORMAL ISCH dass da jetzt mal irgendwo ne LEICHE rumLIEGEN könnte oder so [I:mhm] u:n (.) ((meint: dass man das nicht irgendwie anders angeht)) zu anderen streitigkeiten (1) des kann man noch SAGEn ja des wars aber[.]«1795 »dann sonSCHt war so halt die s=es wird relativ, SCHnell allTÄGlich würd ma sagt am anfang ist noch alles aufregend jede sachbeschädigung jeder Diebstahl un mit de zeit also obwohl es ja nur drei monate Ware, ischs schnell dann so (1) alltägsch gworde so Diese KLeine sache sach ich jetzt mal (1) [mhm] da; gwöhnt man sich halt relativ. schnell dran ((schmunzelt))[.]«1796
Person_6 berichtet, dass es in seiner Schicht üblich gewesen sei, dass man, sobald man seine erste Leiche gesehen habe, für die komplette Schicht einen Kasten Bier habe kaufen müssen: »war net wirklich so, wo ich dann gedacht hab; (.) bo ich muss jetz- UNd dANN ham; bei uns gibts dann sowas, wie ähm: das nennt sich LEICHENbier, das nenn- also wenn jemand die ERSte LEICHe, dann; musch er n Kaschten zahln, so nach dem MOTto so; das is son bissl die, weiß jez net wir offitieLL es is {{gleichzeitig}(I) mhm} aba (.) [ähm] es gibt immer so PAAr, EREIGnisse und dann muss ma n Kaschten dann zahlen zahln, für die RUNde daNACH, (.) und [ähm]: das war dann auch so und dann[.]«1797
Sowohl die befragte Person_20 als auch _29 beschreiben den Polizeiberuf als einen Erfahrungsberuf: »(1) auf JEDEN fall ja (1) also s’ hat d’ ausbilder au immer gsagt [Ä:h] (1) beruf als polizischt ischn ERFAHRUNGSjob un: (.) eigentlich nix anderes also (1) man wächst mit d’ aufgabe[.]«1798
Person_29 ergänzt jedoch, dass zu der Erfahrung eine solide Wissensbasis gehöre, um den Beruf erfolgreich ausüben zu können:
1794 1795 1796 1797 1798
Interview 16b, September 2014, Z. 10f. Interview 7b, September 2014, Z. 198–210. Interview 15b, September 2014, Z. 61–69. Interview 6b, September 2014, Z. 166–176. Interview 20b, September 2014, Z. 201–204.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
»ja man kanns bestimmt au ERLERNE weil des=der BERUF isch immer noch en ERFAHRUNGsberuf da lernt ma mit der=mit der=mit der zeit [I:ja] ja auf jeden FALL [I:okay] man BRAUCHT des rechtliche WISSE im vorfeld deswege geht ma ja aufd POLIZEIschul (.) aber DIE wie ma so in bestimmte situationen reagiert des hab ich halt voll VIEL abschaue könne jetzt bei meinem ausbilder WEIL der des schon über dreißig JAHR macht der wusst genau des=der ken=kann alle LEUT gekannt so bei dem muss er so hin mit dem muss er SO spreche bei dem muss er en bissle auf abstand gehn weil der eventuell durchdrehn könnt des lernt ma halt erst mit der ZEIT wenn man mal ne weile zum BEISPIEL in irgendnem die=REVIER dienscht macht (2) also es isch immer es sa=sagt hat er au mir=zu mir immer gsagt des isch en ERFAHRUNGsberuf (1) [I:mhm] (1) auf jeden FALL (.) aber wie gesagt man muss von vornerein schon bissle en TYP dazu sein (1) dass ma net=äh gleich irgendwie äh bissle angscht oder irgendwas kriegt dann (1)[.]«1799
Zusammenfassung Subkategorie 5: Alltägliche Herausforderungen Als alltägliche Herausforderungen werden von den Befragten ähnliche Themen angeschnitten wie in Subkategorie 4: Negative Begleitumstände des Berufs. So berichtet Person_3, dass die Nachtschicht ihr in der Anfangszeit ihrer Praxisphase besonders schwergefallen sei.1800 Person_14 beklagt sich, ebenso wie Person_17, über die Schreibarbeit und gibt an, sich wegen der vielen Büroarbeit nach Dienstschluss nicht ausgelastet gefühlt zu haben.1801 Person_16 sieht dies ebenso.1802 Dass man mit der Zeit abstumpfe, können die Personen_7 und _15 bestätigen. Die Erfahrung in der Praxisphase habe beispielsweise dazu geführt, dass sie inzwischen deutlich besser mit Situationen wie beispielsweise dem Auffinden einer Leiche umgehen könnten.1803 Person_6 berichtet von einem Ritual auf seinem Praxisrevier, in dessen Zusammenhang Praktikant_innen, die ihre erste Leiche im Dienst sähen, der kompletten Schicht eine Kiste Bier kaufen müssten.1804 Interpretation Subkategorie 5: Alltägliche Herausforderungen Die alltäglichen Herausforderungen der Polizeischüler_innen in der Praxis des Polizeidienstes überschneiden sich inhaltlich weitgehend mit den in Subkategorie 4 genannten negativen Begleitumständen des Berufs. Auch aus den Aus1799 1800 1801 1802 1803 1804
Interview 29b, September 2014, Z. 442–462. Vgl. Interview 3b, September 2014, Z. 113–119. Vgl. Interview 14b, September 2014, Z. 177–184. Vgl. Interview 16b, September 2014, Z. 10f. Vgl. Interview 7b, September 2014, Z. 198–210; Interview 15b, September 2014, Z. 61–69. Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 166–176.
Makrokategorie VI – Polizeiberuf/Profession/ Ausbildung
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sagen der Interviewten in dieser Subkategorie sind keine Konsequenzen für den Berufsethikunterricht abzuleiten. Einer Routinierung und Abstumpfung entgegenzuwirken mag natürlich sinnvoll erscheinen. Eine solche Abstumpfung wurde jedoch in den Interviews nur von wenigen Interviewten bestätigt, so dass sich daraus kein akuter Handlungsbedarf für das Fach Berufsethik ableiten lässt. Thematisiert werden könnten im Unterricht allerdings konkrete Erfahrungen der Polizeischüler_innen, wie beispielsweise das von einem Interviewten beschriebene Ritual, nach dem Kontakt mit der ersten Leiche den Schichtkolleg_innen ein Bier auszugeben. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Ritual um eine Möglichkeit, diese potenziell belastende Situation gemeinsam mit den Schichtkolleg_innen zu verarbeiten und ihr dadurch die Schwere zu nehmen. Nicht zuletzt sind Konfrontationen mit Verstorbenen häufig im polizeilichen Alltag, sodass ein selbstverständlicher Umgang damit bereits früh erworben werden sollte. Andererseits gibt das beschriebene Ritual auch Anlass zur Kritik und zu der Frage, welche Grenzen gewahrt werden müssen, um den gebotenen Respekt vor Verstorbenen zu wahren.
15.7.6 Subkategorie 6: Professionelle Haltung Person_6 berichtet, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass Polizeibeamt_innen sich in der Praxis unangemessen und unhöflich gegenüber Bürger_innen verhielten. Außerdem sei es üblich, gelegentlich wegzusehen, wenn Bürger_innen kleinere Delikte begingen.1805 Person_22b berichtet, wie sie einen Freund wegen eines Verkehrsunfalls habe verhören müssen. In dieser Situation habe sie jedoch keine Möglichkeit gehabt, sich dieser Aufgabe zu entziehen:1806 »für mich wars schon Blöd weil ich musst ihn dann ja auch BELehrn, (.) dasa. was. aussagen kann un nicht; aussagen kann wenn er will. (2) aba. ich (.) im Prinzip, sgleiche gemacht wie bei Jedem andere auch [okay] weil mas halt mache muss (1) ja[.]«1807
Zusammenfassung Subkategorie 6: Professionelle Haltung Die befragte Person_6 erzählt, dass es ihrer Ansicht nach nicht ungewöhnlich sei, dass Polizist_innen sich unangemessen gegenüber Bürger_innen verhielten. Zudem sei es durchaus üblich, Bürger_innen kleinere Delikte nachzusehen, um 1805 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 240–254; 64–72; 90–101. 1806 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 518–523; 538–539. 1807 Interview 22b, September 2014, Z. 553–558.
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Ergebnisse des Forschungsprojektes
sich zusätzliche Arbeit zu ersparen.1808 Person_22 berichtet, in der Situation gewesen zu sein, einen Freund befragen und verwarnen zu müssen. Dies habe ihr zwar keine Freude bereitet, es sei jedoch die einzig möglich Handlungsoption gewesen.1809 Interpretation Subkategorie 6: Professionelle Haltung Die professionelle Haltung wurde lediglich von zwei befragten Personen angesprochen. Dabei erscheinen vor allem die Aussagen der Person_6 von Interesse, die einerseits angibt, dass Polizeibeamt_innen sich zuweilen unangemessen gegenüber Bürger_innen verhielten, und sie andererseits die Erfahrung gemacht hat, dass in Einzelfällen kleinere Delikte nicht geahndet würden, um sich selbst Arbeit – beispielsweise in Form von Einsatzberichten – zu ersparen. Diesen Beobachtungen sollte u. E. im Rahmen des Berufsethikunterrichts nachgegangen werden. Dabei sollte gefragt werden, welche Ursachen unangemessenes und unhöfliches Verhalten von Seiten der Polizist_innen haben kann. In diesem Zusammenhang sollte es darum gehen, die Polizeischüler_innen dafür zu sensibilisieren, dass auch Polizist_innen – und darin eingeschlossen auch sie selbst in der späteren Berufsausübung – Menschen sind, die nicht in jeder Situation angemessen und vorschriftsmäßig reagieren können. Darüber hinaus sollte jedoch herausgestellt werden, dass sich aufgrund bestimmter Umstände aus einzelnen Fällen von Fehlverhalten auch ein dauerhafter Habitus entwickeln kann, der in jedem Fall scharf zu kritisieren ist. Wie einer solchen Entwicklung vorgebeugt werden kann und welche Maßnahmen bereits früh ergriffen werden können, um nicht – beispielsweise aus persönlicher Frustration – in einen solchen Habitus zu verfallen, sollte im Berufsethikunterricht thematisiert werden. Indem sich in diesen Themen die Frage nach dem grundsätzlichen Umgang mit anderen Menschen unter Berücksichtigung ihrer Menschenwürde verbirgt, betrifft dieses Thema mithin die Grundlagen der Berufsethik.
1808 Vgl. Interview 6b, September 2014, Z. 240–254; 64–72; 90–101. 1809 Vgl. Interview 22b, September 2014, Z. 518–523; 538–539.
16. Fazit
Die Forschungsfragen der beiden Studien bezogen sich auf die Funktion und die Modi der Polizeiseelsorge, die Inhalte und Themen des Berufsethikunterrichts, die darin erworbenen Ressourcen und Möglichkeiten der ethischen Urteilsbildung und auf die curriculare Struktur des Berufsethikunterrichts. In der ersten Studie »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei«(Cop-ArtAusstellung) wurde die Notwendigkeit der Polizeiseelsorge deutlich unterstrichen. Es wurde klar, dass der intensiven Nachfrage nach Seelsorge ein zu geringes personelles Angebot gegenübersteht. In der zweiten Studie »Untersuchung zur Berufsethik in der Polizei« kristallisierten sich in den geführten Interviews unterschiedliche Themenschwerpunkte heraus, die für die Ausbildung von Polizeibeamt_innen von existenzieller Bedeutung sind. Zunächst ist in diesem Zusammenhang das Thema des Umgangs mit dem Tod zu nennen. Die Aussagen der Proband_innen beschäftigen sich hierbei vor allem mit der Frage, wie der persönliche Umgang mit der Begegnung mit dem Tod im Dienst gelingen kann und wie solche Begegnungen verarbeitet werden können. An diese Begegnungen knüpfen sich Befürchtungen und Unsicherheiten. Auch der Umgang mit Hinterbliebenen stellt die angehenden Polizist_innen offenbar vor Herausforderungen. Sie wünschen sich Verhaltenssicherheit beim Überbringen von Todesnachrichten und stehen vor der Frage, wie trauernden Angehörigen angemessen begegnet werden kann, um ihnen in ihrer existenziellen Betroffenheit eine Hilfe und Stütze sein zu können. Ein grundlegendes Thema im Hinblick auf die berufliche Praxis stellt für die Polizeischüler_innen die Frage nach gesunderhaltenden Bewältigungsstrategien dar. Sie signalisieren ein Bewusstsein für die besonderen Belastungen und Herausforderungen des Polizeiberufs und beschäftigen sich bereits zu Beginn ihrer Ausbildung mit Möglichkeiten, diesen gewachsen zu sein und die eigene seelische und körperliche Gesundheit im Beruf zu erhalten. Dadurch verweisen sie auf den Bedarf nach einer Ergänzung der eigenen, bereits erprobten Bewältigungsstrategien durch weitere, im beruflichen Alltag bewährte Strategien.
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Fazit
Darüber hinaus äußern sie den Wunsch, über psychologische und seelsorgliche Hilfsangebote in Kenntnis gesetzt zu werden, um im Notfall auch auf professionelle Hilfe zurückgreifen zu können. Weitere zentrale Themen stellen innerhalb der Befragungen die Fremd- und Selbstwahrnehmung sowie die Trennung von Privatleben und Berufsalltag dar. Die Polizeischüler_innen stehen der Übernahme der neuen Rolle als Polizist_innen gegenüber, beziehungsweise haben bereits begonnen, sich diese professionelle Rolle anzueignen. Diese Rolle ist mit einer neuen und unvertrauten Wahrnehmung der eigenen Person durch die Umwelt verbunden. Die Schüler_innen sind sich bewusst, dass ihre eigene Authentizität als Polizist_innen maßgeblich in Abhängigkeit davon steht, inwieweit es ihnen gelingt, sich mit ihrer neuen Rolle zu identifizieren und diese selbstsicher und mit persönlicher Überzeugung auszufüllen. Doch sie machen die Erfahrung, dass die von ihnen geforderten Handlungsmuster und Haltungen im Widerspruch zu ihren privaten Interessen und Einstellungen stehen können. Diesen Rollenkonflikt auszuhalten und professionell zu lösen, stellt eine große Herausforderung für die jungen Auszubildenden dar. Alle diese Themenbereiche fordern die polizeiliche Ausbildung heraus, ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, um den berufspraktischen Bedürfnissen der angehenden Polizist_innen Rechnung zu tragen und nicht zuletzt, um die seelische Gesundheit der Polizeibeamt_innen nachhaltig gewährleisten zu können, indem diese für die Herausforderungen und Belastungen des Berufs bestmöglich gerüstet werden. Nach Ansicht der Forschungsgruppe ist dazu in besonderer Weise auch der Berufsethikunterricht in die Pflicht zu nehmen. Dabei sollte er jedoch aus seiner derzeitigen Stellung als Unterrichtsfach, das eher am Rande steht, dessen Gegenstand und Daseinsberechtigung vielfach fraglich und wenig transparent erscheinen und das als Unterrichtsfach nicht selten als von den anderen Fächern isoliert empfunden wird, herausgeholt werden. Es bedarf einer Profilierung des Berufsethikunterrichts als Fach, dessen Blickwinkel auf die beruflichen Herausforderungen als eine notwendige und gewinnbringende Ergänzung zu den Perspektiven der anderen Unterrichtsfächer erkennbar ist. Dazu ist es allerdings notwendig, das Fach Berufsethik systematisch mit den anderen Fächern zu vernetzen und abzustimmen. Der Berufsethikunterricht leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur polizeilichen Ausbildung und zur Vorbereitung der angehenden Polizist_innen auf die Herausforderungen des Berufs. Er ist dazu geeignet, sowohl die kognitive und kommunikative Kompetenz der Polizeischüler_innen zu fördern als auch der personalen und emotionalen Kompetenz Rechnung zu tragen. Die Ergebnisse der Befragungen deuten aber darauf hin, dass gerade die beiden letztgenannten Bereiche nicht in ausreichender Weise bedient werden. Exemplarisch kann dies
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an dem von den Polizeischüler_innen kommunizierten Mangel bezüglich folgender Themen belegt werden: die Rolle der Frau in der Polizei, Umgang mit Gewalt und Angst vor dem Einfluss des beruflichen Alltags auf das Privatleben. Die Aufgabe der Berufsethiklehrer_innen und Seelsorger_innen sollte sein, die angehenden Polizist_innen bei der Reflexion solcher Themen anzuleiten und sie diesbezüglich zur Sprach- und Handlungsfähigkeit zu befähigen. Darüber hinaus stellt die Herstellung von Reflexions- und Sprachfähigkeit hinsichtlich ethischer Fragestellungen die ureigene Aufgabe des Berufsethikunterrichts dar. Dazu muss den Schüler_innen ein Raum geschaffen werden, ihre Fragen, Ansichten und Meinungen offen zu kommunizieren und sich in einem wertschätzenden Austausch mit ihren Kolleg_innen tragfähige und professionelle Haltungen anzueignen, die sich angesichts der beruflichen Herausforderungen und Belastungen bewähren können. Auch die Aufnahme existenzieller, spiritueller Fragen ist als Aufgabe des Berufsethikunterrichts zu betrachten. Hier sollte die Kirche ihre Präsenz nutzen, um ihre Mitverantwortung im Sinne des Evangeliums wahrzunehmen. Es zeigt sich, dass von den Lehrenden im Fach Berufsethik ein professionelles und vielschichtiges Profil an Kompetenzen gefordert ist, das fundierte Fähigkeiten im didaktisch-methodischen ebenso wie im seelsorglichen Bereich umfasst. Aufgrund der Ergebnisse der Studie fordert die Forschungsgruppe, die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrpersonen für das Fach Berufsethik zu fokussieren und auch zu professionalisieren. Dabei erscheinen Absolventen des Studiengangs Gemeindediakonie und Religionspädagogik als besonders geeignet, da sie durch ihre Ausbildung sowohl über fundierte Kenntnisse in der Seelsorge als auch in der zielgruppenorientierten didaktisch-methodischen Unterrichtsplanung und -gestaltung verfügen. Der Berufsethikunterricht der Polizeischulen orientiert sich derzeit an einem Bildungsplan, der nicht an den aktuellen Standards für subjekt- und kompetenzorientierte Bildungspläne ausgerichtet ist. Dieser Bildungsplan des Polizeiethikunterrichts ist in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden und seither lediglich fortgeschrieben wurden. Daher betrachtet es die Forschungsgruppe als zwingend notwendig, ihn einer grundlegenden Überarbeitung zu unterziehen, um ihn auf den heutigen Stand kompetenzfördernder, zielgruppenorientierter und professionell aufbereiteter Bildungspläne zu bringen. Aus den Aussagen der Interviewten ergibt sich des Weiteren die Notwendigkeit einer für die angehenden Polizist_innen transparenten Unterscheidung zwischen den beruflichen Profilen und Tätigkeitsfeldern von Polizeipsycholog_innen und Polizeiseelsorger_innen. Es zeigt sich, dass diesbezügliche Unsicherheiten auf seiten der Polizeischüler_innen / Polizeibeamt_innen vielfach die Ursache dafür darstellen, dass diese Hilfsangebote nicht in Anspruch ge-
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nommen werden oder gar nicht bekannt sind. Darüber hinaus sind diese Angebote u. E. nicht ausreichend ausgebaut, systematisiert und präsent. Hier wäre es lohnend, die betriebsinterne Kommunikation zu intensivieren. Darüber hinaus ist es notwendig und unumgänglich, die personellen Kapazitäten im Bereich der Polizeiseelsorge weiter auszubauen, sodass die Polizeiseelsorge selbst besser aufgestellt ist. Die Äußerungen der Proband_innen verweisen darauf, dass sowohl an der Bekanntheit seelsorglicher Angebote als auch an der Erreichbarkeit von Seelsorger_innen im Bedarfsfall ein Mangel besteht. Um gezielte und bedarfsgerechte Hilfsangebote bei der Bewältigung des beruflichen Alltags und eine flächendeckende Begleitung der Polizeibeamt_innen sicherstellen zu können, muss daher die Personalkapazität erhöht werden. Auf diese Weise kann auch die notwendige und von den Polizeibeamt_innen ausdrücklich gewünschte Beziehungsarbeit gelingen. Gerade auch spirituelle Angebote und Möglichkeiten der Begegnung helfen, die personale, soziale und ethische Kompetenz der Beamt_innen zu verbessern und zu stärken. Projekte wie beispielsweise das Projekt »Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei« stellen aktuell herausragende best-practice Beispiele dar und können bei den geringen, personalen Kapazitäten im Schnittbereich zwischen Kirche und Polizei (noch) nicht in ausreichendem Maße angeboten werden. Polizeibeamt_innen leisten tagtäglich eine für die Gesellschaft und das friedliche Zusammenleben der Menschen unerlässliche Arbeit, die mit zahlreichen Herausforderungen und hohen Belastungen verbunden ist. Sie bestmöglich auf diese Aufgabe vorzubereiten, sie in den beruflichen Anforderungen zu begleiten und nachhaltig für ihre seelische Gesunderhaltung Sorge zu tragen, muss daher nicht nur Aufgabe staatlicher Institutionen sein, sondern ist als Aufgabe in der Mitverantwortung der Kirche für den Erhalt lebensdienlicher Ordnungen im Sinne ihres Wächteramtes zu verstehen.
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