133 51 74MB
German Pages 589 Year 1998
HELMUT GEITER
Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen
Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften lIerausgegeben von Klaus Bernsmann, lIans Joachim lIirsch Günter Kohlmann, Michael Walter Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln
Band 25
Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen Eine empirische Bestandsaufnahme zur Beurteilung der Chancen einer Haftvermeidung durch Sozialarbeit
Von Helmut Geiter
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Geiter, Helmut:
Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen : eine empirische Bestandsaufnahme zur Beurteilung der Chancen einer Haftvermeidung durch Sozialarbeit / von Helmut Geiter. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Kölner kriminalwissenschaftliche Schriften ; Bd. 25) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09186-8
Alle Rechte vorbehalten
© 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-09186-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
e
Meinen Eltern sowie Brigitte und Peter
Vorwort Üblicherweise pflegt die (Medien-)Öffentlichkeit Rekordverdächtiges aufzugreifen. Um die erst unlängst zu verzeichnenden höchsten Untersuchungshaftzahlen der Nachkriegszeit in Deutschland blieb es jedoch vergleichsweise ruhig, .obwohl die Gefllngnisse überflillt sind. Die vom Gesetzgeber jüngst geschaffene Hauptverhandlungshaft dürfte eher zu noch häufigeren Verhaftungen animieren - früheren auf empirischer Grundlage erhobenen Mahnungen zum Trotz, die an Haftentscheidungen Beteiligten zu einer dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip gemäßen Haftpraxis zu bewegen. Die dringend gebotene quantitative Entlastung des Vollzugs soll wohl der elektronische Hausarrest bewirken, dessen probeweise Einführung in Berlin und Hamburg die Justizministerkonferenz befürwortet (SZ vom 13.6.1997, S. 7); er kommt auch als Alternative zur Untersuchungshaft in Betracht. Ob dies die menschenunwürdige Raumnot in den (U-)Haftanstalten mindern wird oder ob nicht vielmehr durch diese Ausdehnung staatlicher Haftplätze auf Privatwohnungen lediglich kostengünstig zusätzlicher Haftraum geschaffen wird, hängt letztlich von Grundhaltungen der Entscheidungsträger zu (U-)Haft und (U-)Haftvermeidung ab. Deren Erforschung bildet einen Schwerpunkt dieser Untersuchung. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat schon länger auch nach anderen Möglichkeiten einer Verminderung der Untersuchungshaft hierzulande gesucht. Ende 1991 übertrug es der Kriminologischen Forschungsstelle der Universität Köln die Bearbeitung des Themas ,,Reduktion der Untersuchungshaft durch verstärkte Mitwirkung der Gerichtshilfe (Haftentscheidungshilfe)". Aus dem Auftrag ist diese Arbeit erwachsen. Sie wurde im Juli 1996 abgeschlossen und im Wintersemester 96/97 von der Juristischen Fakultät der Universität Köln als Dissertation angenommen. Zwischenzeitlich erschienene Literatur ist zum Teil nachträglich eingearbeitet worden. Eine empirische Untersuchung, die Aktenerhebungen und Experteninterviews einschließt, ist ohne die vielfältige Mitwirkung Dritter nicht denkbar, eine jeden einzelnen erfassende Danksagung an dieser Stelle jedoch kaum praktikabel. Deshalb OOlt manche angebrachte Dankesbezeugung unbilligerweise recht summarisch aus oder mußte gar in den Fußnoten plaziert werden.
8
Vorwort
An erster Stelle möchte ich mich aufrichtig bei Herrn Prof. Dr. Michael Walter bedanken. Die bei ihm erfahrene wissenschaftliche Ausbildung hat mir zum einen die Durchführung dieses Projekts erst möglich gemacht. Zum anderen stand er - als Leiter des Forschungsprojekts und Betreuer meiner Dissertation - mit Rat, Tat, fruchtbarer Kritik und motivierenden Akzentsetzungen stets hilfreich an meiner Seite. Herrn Prof. Dr. Thomas Weigend gebührt Dank fur die - zumal sehr zügige - Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus möchte ich den beiden Genannten - in gleicher Weise den anderen Herausgebern der ,,Kölner Kriminalwissenschaftlichen Schriften" - fiir die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe meinen Dank aussprechen.
Herr Dipl. -Psych. Thomas Brand, der insbesondere an Arbeiten zur Datenerhebung und statistischen Datenaufbereitung beteiligt war, hat mir durch seine Zuverlässigkeit und seinen ruhigen Überblick die Arbeit sehr erleichtert. Auch dafiir danke ich ihm. In der angenehmen Arbeitsatmosphäre an der Kriminologischen Forschungsstelle haben in den verschiedenen Phasen des Projekts weitere Kollegen mitgewirkt. So möchte ich mich bei Frau Gisla Blankenburg, Assessor Wolfgang Schuldzinski, Dipl.-Psych. Wolfgang Fischer, den studentischen Mitarbeitern des Instituts sowie bei den mit den Aktenerhebungen, der Interviewaufnahme und der Dateneingabe betrauten Helfern bedanken (siehe Fn. 509, 538, 546). Für die drucktechnische Aufbereitung des Textes schulde ich Petra Pohl und Alexander Pisters Dank. Ohne die freundliche Unterstützung in den einzelnen Praxisfeldern, vor allem bei Staats- und Generalstaatsanwaltschaften, Amts- und Oberlandesgerichten, Ministerien, Praxisprojekten und dem projektbegleitenden Beirat, wäre diese Untersuchung nicht möglich gewesen. Allen Mitarbeitsbereiten sei an dieser Stelle vielmals gedankt. Statt aller möchte ich die Herren Riese (StA Dortmund) und Gloger (StA Paderborn) nennen, die als (stellvertretender) Geschäftsleiter zur Vorbereitung der Aktenuntersuchung mir zahllose - zum Teil zuvor noch zu ermittelnde - Akten zugänglich machten. Bewußt wird diese Danksagung abgeschlossen mit dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Es stand als Initiator am Anfang der Untersuchung, mein Dank an den Auftraggeber dieser Forschungsarbeit soll deren Endpunkt bilden. Ich habe mich nicht nur zu bedanken für die finanzielle und sonstige Förderung des Projekts, sondern vor allem für eine Forschungsmöglichkeit in voller Freiheit und ohne jegliche inhaltliche Einflußnahme in einem ebenso interessanten wie hochsensiblen Bereich. Köln, im Juni 1997
Helmut Geiter
Inhaltsverzeichnis A. Notwendigkeit Wld Ziel der Arbeit................................................................
I.
Untersuchwtgshaft: Streitbefangenes Problemfeld seit ober einem lahrhWldert.......................................................................................
n.
29
29
Gesetzliche RegelWlgen, praktische ErfahrWlgen Wld rechtspolitisch diskutierte Vorschläge hinsichtlich der Begrenz\Ulg von U-Haft-AnordnWlgen .... .................... .................................................................
34
1. Geltende Rechtslage Wld alltägliche Rechtspraxis .......................
34
2. RefonnOberlegWlgen. ................................................. ......... ........
39
ID. Ziel der Arbeit..................................................................................
41
B. RalunenbedingWlgen WltersuchWlgshaftreduzierender Gerichtshilfearbeit in Nordrhein-Westfalen.................................................................................
I.
n.
43
Zur Entwicldwtg der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen.......
43
1. Die Stichtagsdaten der Strafvollzugsstatistiken............................
43
2. Infonnationen aus den StrafverfolgWlgsstatistiken .......................
50
3. Speziell: Die Anzahl erwachsener Untersuchwtgsgefangener .......
58
Die Situation der Gerichtshilfe, insbesondere in Nordrhein-Westfalen
62
1. Historischer Überblick.............................. ..................................
62
2. Die Rechtslage der Gerichtshilfe ................................... ........ ... ...
67
3. Tatsachliche Gegebenheiten fIIr die Gerichtshilfe ........................
71
a) Personelle Ausstattung Wld UnterbringWlg der Gerichtshilfe .
72
b) Die EntwiCldWlg des Auftragsvolwnens Wld der Tätigkeits-
c.
felder der Gerichtshilfe. ..... ...... ................. .......................... ...
74
Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe ...................................................
81
I.
Begriffliche Klärung .. ............... ........................................................
81
Inhaltsverzeichnis
10
n.
Rechtliche Regehmg in Nordrhein-Westfalen ....................................
85
ill. Haftentscheidungshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis................
86
1. Einftlhrende Übersicht.......... .......................................................
86
2. Erfahrungen aus den BWldeslandem............................... .............
88
a) lIaJnburg...............................................................................
88
b) Berlin....................................................................................
94
c) BrClllen .................................................................................
95
d) Hessen ... ................... ............ .... .......... ..................................
97
e) Saarland................ ............... ........... ...................... .... ............
100
f) Rheinland-Pfalz.....................................................................
101
g) Niedersachsen.......................................................................
102
h) Bayern ..................................................................................
105
i) Baden-WürtteJnberg..............................................................
105
j) Schleswig-Hoistein................................................................
106
k) Nordrhein-Westfalen.............................................................
110
I) HaftentscheidWlgshilfepraxis bezüglich Erwachsener in den BWldeslandem: Ein Res1lmee .................. ..............................
112
3. Erfahrungen mit Haftentscheidungshilfen im Jugendstrafverfahren..............................................................................................
113
4. HaftentscheidWlgshilfen der Gerichtshilfen in Gesetzesentwürfen
116
D. Gegenstand, PlanWlg Wld Ablauf der eigenen CIIlpirischen ErhebWlg ............
119
I.
n.
Erste ForschWlgsplanWlg.. .......... ............................... ........................
119
1. Zuschnitt der Aufgabe ............................................................ .....
119
2. Methoden der ErhebWlg ....................................................... .......
121
3. ProblCllle der RealisierWlg dieses ForschWlgsplans......................
123
VOfWltersuchung...............................................................................
128
1. Aufgabe Wld Methodik der VOfWltersuchWlg...............................
128
2. Inhalt, AblaufWld Ergebnis der VOfWltersuchung........................
129
a) Schwierigkeiten bei der Beschaffimg der Basisinfonnationen
130
b) Ergebnis der vorbereitenden Befragung der Gerichtshilfen. ....
131
3. Konsequenzen der VOfWltersuchWlg filr das Projekt ....................
133
Inhaltsverzeichnis
m.
11
Planung Wld Ablauf der HaUptuntersuchWlg ......................................
134
1. BeschreibWlg der Aufgabe... .... ......................... ........... .... ............
134
2. Methodik der UntersuchWlg ........................................................
135
3. Die AktenWltersuchWlg ...............................................................
136
a) Zur Aussagekraft von Aktenanalysen trotz methodischer Probleme....................................................................................
136
b) Das sachlich-rechtliche UntersuchWlgsfeld............................
138
aa) HafttlUle Wld Beinahe-Haftfllle......................................
138
bb) Aus der ErhebWlg ausgeklammerte Verfahren ........... .....
139
c) Der örtlich-zeitliche UntersuchWlgsbereich: Die Stichprobe...
141
aa) Stichprobenkonstruktion zwischen theoretischem Anspruch Wld praktischen ZWllngen....................................
141
bb) Auswahl derUntersuchWlgsstaatsanwaltschaften............
143
ce) Festlegwtg des UntersuchWlgszeitraums.........................
147
dd) Die Aktenstichprobe.......................................................
148
(1)
ErmittlWlg Wld Auswahl der Haftfllle........ ...........
148
(2)
ErmittlWlg Wld Anzahl der Beinahe-HafttlUle........
151
d) ErhebWlgsmittel Wld ErhebWlgsphase ...................................
154
4. Die Interviews.............................................................................
156
a) Festlegung Wld ErhebWlgsinstrumentariwn der Interviews.....
156
b) Die Gnmdgesamtheiten der befragten Berufsgruppen sowie Auswahl Wld Gesprächsbereitschaft der Interviewten.............
158
c) Vorbereitung Wld Durchftlhrung der Interviews.....................
162
d) Schwierigkeiten der Interviewphase.......................................
163
5. Statistische Verarbeitung Wld Auswertung der Daten ..................
164
IV. ZusammenfassWlg.............................................................................
166
E. Die Ergebnisse der AktenerhebWlg ...............................................................
169
I.
Die Einschaltung der Gerichtshilfe in das Verfahren .........................
169
11.
Zum Informationsstand der Strafjuristen im Zeitpunkt der ersten EntscheidWlg über die AnordnWlg der UntersuchWlgshaft. ............. ...... ...
174
1. Die Gnmdlage der EntscheidWlg .................................................
175
12
Inhaltsverzeichnis 2. Umfang und QuaIitllt der aus den Akten ersichtlichen haftgrundbezogenen ErmittIWlgen........................................... ...................
175
ill. Haft- und Beinahe-HaftflUle im Vergleich .........................................
181
1. fudikator: HaftgrWld................ ......................................... ...........
182
2. fudikator: Delikts- und Schadensstruktur .....................................
185
3. fudikator: Gesamtwürdigwtg........................................................
193
4. fudikator: Ausmaß der VorverurteilWlgen .......................... ..........
202
5. fudikator: Persönlich-soziale Wld materielle AbsicherWlg des Beschuldigten... ............. ................. .................. .................. .............
206
a) Geschlecht, Alter und Staatsangehörigkeit.............................
207
b) AusbildWlg, berufliche Situation Wld Einkommen .... .............
210
c) Ortliche und private BindWlgen.............................................
213
6. Einzelaspekte vollzogener und/oder ausgesetzter UntersuchWlgs-
haft.............................................................................................
216
a) Dauer der UntersuchWlgshaft ................................................
218
b) Die EntwicldWlg der Verfahren mit nach § 116 StPO ausgesetzten Haftbefehlen....................................................... .......
224
IV. Der Haftbefehl im Verfahrensverlauf.................................................
229
1. Von der AntragstellWlg zum Erlaß des Haftbefehls......................
230
2. Die BegrQndWlg des Haftbefehls.................................................
232
a) Äußerliche Merkmale............................................................
233
b) fuhaltliche Merkmale............................................................
236
3. Anpassungen des Haftbefehls an veränderte Gegebenheiten.... .....
240
4. Die AufhebWlg des Haftbefehls .............................................. .....
242
V. Zusammenfassung.............................................................................
242
F. Die Ergebnisse der futerviews.......................................................................
245
I.
Beschreibung der befragten Berufsgruppen. .................................. .....
245
1. Angaben zur Person der futerviewten....................................... ....
245
2. Zwn Tätigkeitsfeld der Befragten - Wlter besonderer Berücksichtigwtg WltersuchWlgshaftrelevanter Bereiche...............................
248
Inhaltsverzeichnis
13
3. Die befragten Staatsanwalte Wld Haftrichter als Auftraggeber der Gerichtshilfe ...............................................................................
n. m.
253
Staatsanwalte Wld Haftrichter -ihr Infonnationsstand und ihre Situation im Zeitpunkt der ersten Haftentscheidung ..................................
255
Haftrichterliche EntscheidWlgen Wld die Reaktion der Staatsanwalte.
260
IV. Haftentscheidungs- und Haftvermeidungshilfe durch die nordrhein-
westflUische Gerichtshilfe .................................................................
262
I. Praktische Erfahrungen mit Haftentscheidungs-/Haftvermeidungshilfe durch Gerichtshilfe.....................................................
263
2. Erldllrungsansätze ft1r die begrenzte Praxis der Gerichtshilfe als
Haftentscheidungs-lHaftvermeidungs-hilfe ..................................
266
a) Zwn Wissen der potentiellen Auftraggeber wn ihre Auf-
tragSlllOglichkeiten ................................................................
266
b) Organisatorische Aspekte des Gerichtshilfeeinsatzes .............
269
c) Zur Notwendigkeit weiterer Erldllrungsversuche....................
277
d) Sinn und Stellung der Gerichtshilfe .......................................
278
e) Zwn Bedarf der Infonnationsbeschaffung durch die Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren .......................................
279
f) Die Tätigkeit der Gerichtshilfe in der Beurteilung durch die
Juristen der Strafjustiz...........................................................
283
g) Das Verhaltnis der Auftraggeber zur Gerichtshilfe.................
286
h) PräsenZ der Gerichtshilfe im Alltag der Justizjuristen ............
290
i) Die Wichtigkeit der Arbeitsfelder der Gerichtshilfe im Blickwinkel der Berufsgruppen .............................................
291
j) U-Haft-VermeidWlg: Aktueller Bedarf und Sinn im Urteil der Berufsgruppen.......................................................................
294
k) Offenheit oder Reserviertheit gegenüber Haftentscheidungs-lHaftvenneidungshilfe durch Gerichtshilfe als Problem verfestigter Grundeinstellungen.............................................
307
3. Verbesserung der Einsatzchancen der Gerichtshilfe als Haftentscheidungs-lHaftvenneidungshilfe...............................................
320
a) Organisationsverbesserungen....... ............ ................ ..............
320
14
Inhaltsverzeichnis b) Bevorzugte Funktionen einer als Haftentscheidungs-lHaftvenneidungshilfe wirkenden Gerichtshilfe.............................
324
c) Tätergruppen, ft1r die die Gerichtshilfe vorrangig als Haftentscheidungs-lHaftvenneidungshilfe wirken sollte .............. ......
327
V. Zusammenfassung.............................................................................
329
G. Interpretation der Untersuchungsergebnisse und Schlußfolgerungen ..............
333
I.
Beantwortung der Forschungsfrage....................................................
333
ll.
Zur Begrtlndung des Forschungsergebnisses .............................. ........
334
1. Haftentscheidungs-lHaftvenneidungshilfen der Gerichtshilfen: Praktische Probleme im Arbeitsalltag ..... .............. ................ .......
334
2. Haftreduktion, insbesondere durch Alternativen zur U-Haft: Be-
darf und Nachfrage......................................................................
338
3. Die Gerichtshilfe: (Im Vorverfahren) Überwiegend ungeliebter sozialer Dienst der Justiz.............................................................
342
4. Der AUSD8hmefall: Kooperation von Stratjuristen und Gerichtshelfern im Vorverfahren..............................................................
344
ill. Maßnahmen zur FOrderung des Einsatzes der Gerichtshilfen als Haftentscheidungs-lHaftvenneidungshilfen und ihre Erfolgsaussichten. ....
345
1. Intensivierung werbender Tätigkeiten der Gerichtshilfe ...............
345
2. Initiativrecht der Gerichtshilfe.....................................................
346
3. AktiviUlten der Staatsanwaltschaften ...........................................
347
4. Maßnahmen auf ministerieller Ebene............................... ........ ...
347
5. Chancen einer gesetzlichen Regelung ..........................................
348
6. Ausbildung der Beteiligten..........................................................
350
7. Fortbildung der Beteiligten..........................................................
352
8. Ermutigung statt Entmutigung besonnener Haftvenneider............
353
IV. Gesamtwürdigung und Ausblick........................................................
354
Anhang A. Ergänzende Tabellen........................................................................
359
Anhang B. Untersuchungsvorbereitende Schreiben sowie Muster von Statistikbögen der Gerichtshelfer, Gs-Registern und Haftlisten .....................
367
Inhaltsverzeichnis Anhang C. Anschreiben zur Vor- und Hauptlmtersw:hung..................................
IS 375
Anhang D. Untersw:hungsinstrumentarium: Aktenerhebungsbogen, Interview-
bogen fQr die Gerichtshelfer, Staatsanwalte, Haftrichter ...................
398
Literaturverzeichnis .......... ..... .......... ..................................................... .......... ....
561
Sachregister............................... ............ ........... ................... ................... ............
585
TabeUenverzeichnis Tabelle 1: Stichtagsbezogene Gesamtbelegung des Vollzugs in NordrheinWestfalen und jeweiliger Anteil der Untersuchungshaft 1970-1995 ...
47
Tabelle 2: Stichtagsbezogene Belegung des Vollzugs in Nordrhein-Westfalen (nur Straf- und U-Haft, Sichenmgsverwahnmg) sowie jeweiliger Anteil der Untersuchungshaft - Entwicklung von 1990-1995 - ...........
49
Tabelle 3: Anteil der Personen mit Untersuchungshaft an den Abgeurteilten insgesamt sowie an den Verurteilten (ohne Straftaten im Straßenverkehr) - Entwicklung in Nordrhein-Westfalen von 1976-1994 -...........
57
Tabelle 4: Gerichtlich verurteilte Erwachsene und Berichtsauftrage (Neuzugange) an die Gerichtshilfe - Zahlen aus Nordrhein-Westfalen, 19801994 -...............................................................................................
76
Tabelle 5: Prozentualer Anteil der der Gerichtshilfe in Strafverfahren erteilten Aufträge an den insgesamt erteilten Berichtsaufträgen in NordrheinWestfalen - Strafverfahren insgesamt und Strafverfahren vor Anldageerhebung 1984-1994 -.................................................................... 124 Tabelle 6: Berichtsneuzugllnge in Strafverfahren bei den einzelnen Gerichtshilfen des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 1991 - Nominalzahlen und jeweiliger Anteil an allen Berichtsneuzugängen in Prozent - ....... 125 Tabelle 7: Bisherige Beauftragung der nordrhein-westOOischen Gerichtshilfen als Haftentscheidungshilfe (ohne zeitliche Eingrenzung) sowie in Fällen mit Untersuchungshaft (begrenzt auf das Jahr 1989) ............... 132 Tabelle 8: Die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen - geschichtet von großstädtischer zu ländlicher Prägung - ............................................. 144 Tabelle 9: Die Quantitat der Untersuchungshaft bei den Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1989 - geschichtet von hohen zu geringeren Verhaftungsquotienten - ...................................................... 145 Tabelle lO:Verfahren mit im Jahre 1989 begonnenen UntersuchungshaftflHlen von Erwachsenen bei den Erhebungsstaatsanwaltschaften.................. 149
Tabellenverzeichnis
17
Tabelle 11: Die ausgewerteten UntersuchWlgshaftakten nach Erst- Wld ErsatzziehWlgen..............................................................................................
150
Tabelle 12: (Nicht-)Ennittelte Wld ausgewertete Beinahe-Haftfälle bei den UntersuchWlgsstaatsanwaltschaften. .......................................................
153
Tabelle 13:Die ausgewerteten Verfahrensakten - Art, Anzahl Wld regionale VerteilWlg -.......................................................................................
154
Tabelle 14: Gnmdgesamtheit, Stichprobe Wld Interviewbereitschaft der befragten Berufsgruppen.. .......................... .......................................................
161
Tabelle 15: Grad des NachforschWlgsaufwands der EnnittlWlgsbehörden in ausgewählten haftrelevanten Ennitthmgsbereichen im Hinblick auf das Vorliegen von Haftgründen - Fälle in Prozent -..................................
176
Tabelle 16: Befr&gWlgen von Personen aus dem sozialen Umfeld des Beschuldigten vor erstmaligem (Nicht-)Erlaß des Haftbefehls in Zusammenhang mit einem (möglichen) HaftgrWld - Fälle in Prozent -........................
177
Tabelle 17: Wissensstand der EntscheidWlgsträger bei der ersten HaftentscheidWlg Wld am Verfahrensende - Aufgeklärte Fakten aus dem persönlich-sozialen Bereich des Beschuldigten -..........................................
179
Tabelle 18:hn Haftbefehl bzw. Haftbefehls-Antrag benannte Haftgründe ............
183
Tabelle 19:Deliktsstruktur bei VerkündunglAblehnWlg des Haftbefehls - Unter quantitativem Aspekt ausgewählte Delikte - Haft- Wld BeinaheHaftflUle im Vergleich.......................................................................
189
Tabelle 20: hn HaftbefehllHaftbefehlsantrag aufgefilhrte ideal- Wld/oder realkonkurrierende Delikte - Haft- Wld Beinahe-Haftfälle im Vergleich -
191
Tabelle 21: VerteilWlg der staatsanwaltlichen AnklageerhebWlgen auf die sachlich zuständigen Gerichte - Haft- Wld Beinahe-Haftfälle im Vergleich -........ ............................... ..... ... ..................................... ..........
194
Tabelle 22: Ausgang des Verfahrens nach der schwersten verhängten Sanktion Die Stichprobe im Vergleich mit den bWldesdeutschen Wld nordrhein-westfälischen StrafverfolgWlgsstatistiken des Jahres 1989 ........
197
Tabelle 23: Ausgang des Verfahrens nach der schwersten verhängten Sanktion Haftfälle Wld SofortaussetzWigen im Vergleich - ............................... 200 Tabelle 24: VorstrafenbelastWlg in Haft- Wld Beinahe-Haftfällen - Kenntnisstand bei Erlaß/AblehnWlg des Haftbefehls Wld am Verfahrensende -......... 203 2 Geiter
18
Tabellenverzeichnis
Tabelle 25: Schwerste bisher verhangte Sanktionen - Haft- Wld Beinahe-HaftflUle im Vergleich -.................................................. ......... ........................ 204 Tabelle 26: Die Beschuldigten in den UntersuchWlgsgruppen - aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter Wld Nicht-Deutschen -................................... 208 Tabelle 27: AusbildWlg, berufliche Situation Wld Einkommen der Beschuldigten - Haft- Wld Beinahe-HafttlUle im Vergleich -..................................... 211 Tabelle 28: Ortliche Wld private BindWlgen der Beschuldigten - Haft- Wld Beinahe-HaftflUle im Vergleich -............................................................ 214 Tabelle 29: Dauer der UntersuchWlgshaft - Die Stichprobe Wld die im Jahre 1989 in Nordrhein-Westfalen beendeten UntersuchWlgshafttlUle im Vergleich -.............................................................................................. 219 Tabelle 30: Dauer der UntersuchWlgshaft Wld Verfahrensausgang .......................
222
Tabelle 31: Dauer der UntersuchWlgshaft Wld Höhe verhängter Freiheitsstrafen..
223
Tabelle 32:Aussetzung des Haftbefehls Wld nachfolgende EntwicldWlg des Verfahrens - Sofort- Wld spätere Ailssetzungen im Vergleich - ................ 227 Tabelle 33:Dauer des Verfahrens von der Festnalune bis zur VerkündWlg des erstinstanzlichen Urteils - Falle mit Wld ohne HaftverschonWlg im Vergleich -........................................................................................ 229 Tabelle 34: Umfang der BegründWlg der Haftbefehle - BerechnWlg in Zeilen -. ...
234
Tabelle 35:Hauptkriterien zur BegründWlg von Fluchtgefahr ..............................
237
Tabelle 36: Mit der ,,Erwartung einer hohen Strafe" begründete Fluchtgefahr Wld Berechtigwtg dieser Prognose am Verfahrensende - Art Wld Dauer der verhängten Freiheitsstrafen - ...... ............................... ............ ...... 238 Tabelle 37: Sonstige mit Fluchtgefahr begründete Haftbefehle - Art Wld Dauer der verhängten Freiheitsstrafen - .... ...................... ..... ....... ................. 238 Tabelle 38: Geschlecht, Alter Wld Dauer der Berufstätigkeit der Befragten Vergleich der Berufsgruppen -........................................................... 249 Tabelle 39: Staatsanwalte Wld Richter als Auftraggeber der Gerichtshilfe im Jahre 1992 ............................................................................................. 254 Tabelle 40: HEHIHVH als derzeitige Aufgaben der Gerichtshilfe - Einschätzung durch Staatsanwälte Wld Haftrichter im Vergleich ............................ 268
Tabellenverzeichnis
19
Tabelle 41: Haftentscheidungshilfe - Staatsanwalte und Haftrichter als Auftraggeber der Gerichtshilfe bei Kenntnis der AuftragsmOglichkeit (Filter 1) und gleichzeitiger Annahme gegenwartiger organisatorischer Durchfilhrbarkeit (Filter 2) -.............................................................. 275 Tabelle 42: Haftvenneidungshilfe - Staatsanwälte und Haftrichter als Auftraggeber der Gerichtshilfe bei Kenntnis der AuftragsmOglichkeit (Filter 1) und gleichzeitiger Annahme gegenwartiger organisatorischer Durchftlhrbarkeit (Filter 2) -....................................................................... 276 Tabelle 43:Angaben der Gerichtshelfer zur Häufigkeit ihrer Beauftragung durch Staatsanwälte und Richter. ....... ...... ................ ...... ................ ....... ...... 290 Tabelle 44:HVH durch Gerichtshilfe im Urteil ihrer nach ausgewählten Merkmalen differenzierten potentiellen Auftraggeber................................
304
Tabelle 45:HEH durch Gerichtshilfe im Urteil ihrer nach ausgewählten Merkmalen differenzierten potentiellen Auftraggeber..................................... 305 Tabelle 46: Die Zusammensetzung der Kontrastgruppen gegenüber der übrigen und der Gesamt-Gruppe nach Berufen............................................... 308 Tabelle 47: Kriminalpolitische Aussagen allgemeinerer Art sowie zur Haftpraxis - Signifikante Abweichungen im Antwortverhalten entsprechend dem Beruf der Befragten - ........................................................................ 314 Tabelle 48: Beschuldigtengruppen, bei denen der Einsatz der Gerichtshilfe als HEHIHVH besonders sinnvoll erscheint - Anteil der Nennungen in den Berufsgruppen -.......................................................................... 328
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Untersuchungsgefangene - Entwicklung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen - Stichtagszahlen im Vollzug 1970-1995 .............
45
Abbildung 2: In der Strafverfolgungsstatistik aufgefilhrte Abgeurteilte und andere Personen mit Untersuchungshaft - Entwicklung in NordrheinWestfalen - 1976-1994 .................................................................
51
Abbildung 3: Abgeurteilte insgesamt und Personen mit Untersuchungshaft, jeweils einschließlich sowie ohne Straftaten im Straßenverkehr Entwicklung in Nordrhein-Westfalen von 1976-1994 - (Absolutzahlen wngerechnet in Prozent, 1976=100)...................................
53
Abbildung 4: Erwachsene Untersuchungsgefangene - Stichtagsbezogene Entwicklung in Nordrhein-Westfalen von 1970-1995 - (Absolutzahlen wngerechnet in Prozent, 1970=100)..............................................
59
Abbildung 5: Erwachsene in Untersuchungshaft - Entwicklung der Belegung in Nordrhein-Westfalen - Stichtagszahlen 1991-1995........................
61
Abbildung 6: Nach Verfahrensabschnitten geordnete Entwicklung der Berichtsaufträge an die Gerichtshilfe in Nordrhein-Westfalen - Neuzugänge von 1980-1994 in Prozent - ......................................................
78
Abbildung 7: Deliktsstruktur der Stichprobe bei VerkündunglAblehnung des Haftbefehls - Unter quantitativem Aspekt ausgewahlte Delikte -...
187
Abbildung 8: Deliktsstrulctur bei den Abgeurteilten und anderen Personen mit Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1989/1990 - Unter quantitativem Aspekt ausgewahlte Delikte - ....
187
Abbildung 9: Die Arbeitszeit der Gerichtshelfer im Jahre 1992 in den einzelnen Arbeitsfeldern .............................................................................. 252 Abbildung 10: Infonnationsstand der Juristen der Strafjustiz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlaß eines Haftbefehls - Einschätzung durch die Gerichtshelfer in Prozent -... .............................. ............ 256
Abbildungsverzeichnis
21
Abbildung 11: Einschätzung des eigenen Informationsstands in ausgewählten Bereichen durch Staatsanwälte und Haftrichter im Zeitpunkt der Entscheidung über den Haftbefehl..................... ........................... 258 Abbildung 12: Erfahrungen mit HEHIHVH durch Gerichtshilfe - Vergleich der Berufsgruppen in Prozenta) - .. .............................. ......................... 264 Abbildung 13: Gründe organisatorischer Art fl1r die begrenzte Befassung der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren - Einschätzung durch Staatsanwälte und Haftrichter -. ..... ... ...... ... ............................. ...... 271 Abbildung 14: Durchftlhrbarkeit von HEH und HVH durch die Gerichtshilfe unter den derzeitigen organisatorischen Rahmenbedingungen - Beurteilung durch die Berufsgruppen -................................................. 272 Abbildung l5:Bei verstärkter Befassung der Gerichtshilfe als HEHIHVH erwartete organisatorische Probleme - Einschätzungen der Berufsgruppen hinsichtlich ausgewählter Vorgaben -..................................... 274 Abbildung 16: Die Stellung der Gerichtshilfe aus der Sicht der Berufsgruppen ....
280
Abbildung 17: Erschwerung und Verzögerung des Entscheidungsprozesses bei Mitwirkung der Gerichtshilfe als Motiv geringer Beauftragungsquoten im Ermittlungsverfahren.................................................... 281 Abbildung 18: Das Ausmaß der durch die Polizei im Ermittlungsverfahren beschaffien Informationen im Urteil von Staatsanwälten und (lIaft-)Richtern............................................................................. 282 Abbildung 19: Zur Beurteilung der Arbeit der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren durch Staatsanwälte und Haftrichter unter ausgewählten Gesichtspunkten........................................................................... 285 Abbildung 20: Das Verhältnis zur Gerichtshilfe - Selbsteinschätzung von Staatsanwälten und Haftrichtern im Vergleich zu Angaben der Gerichtshelfer über das Verhalten dieser Personengruppen ihnen als Gerichtshelfer gegenüber -. ......... ... ... ... ......................... .......... ...... 288 Abbildung 21: Die Tätigkeitsbereiche der Gerichtshilfe nach ihrer Wichtigkeit Einschätzungen der Berufsgruppen im Vergleich -........................ 292 Abbildung 22: Ausgewählte kriminalpolitische Fragen zur Untersuchungshaft Die Antworten im Vergleich der Berufsgruppen - ......................... 295
22
Abbildungsverzeiclmis
Abbildung 23: Die Einstellung der Berufsgruppen zu U-Haft-Venneidung im Allgemeinen sowie zu HVH und REH durch Gerichtshilfe im Besonderen......... ........ .............. ................. ........ ................ ............ ... 298 Abbildung 24: (Nicht-)Zustinunungsquotient zu ausgewählten Aussagen zur Gerichtshilfe, HEHIHVH und Untersuchungshaft - Staatsanwälte und Haftrichter im Vergleich -......................................................
302
Abbildung 25: Einstellungsunterschiede bei krirninalpolitischen Aussagen zur Praxis der Untersuchungshaft - Pro- und Contra-Gruppe im Vergleich zu den übrigen Befragten - .................................................
309
Abbildung 26: Einstellungsunterschiede bei allgemeinen krirninalpolitischen Aussagen - Pro- und Contra-Gruppe im Vergleich zu den übrigen Befragten - ...................................................................................
311
Abbildung 27: Einstellungsunterschiede bei krirninalpolitischen Aussagen zur Praxis der Untersuchungshaft - Pro- und Contra-Gruppe (ohne Gerichtshelfer) im Vergleich zu den übrigen Befragten -...............
315
Abbildung 28: Einstellungsunterschiede bei allgemeinen krirninalpolitischen Aussagen - Pro- und Contra-Gruppe (ohne Gerichtshelfer) im Vergleich zu den übrigen Befragten -............................................
316
Abbildung 29: Faktoren zur Erklärung des Antwortverhaltens der Interviewten auf die Frage: ,,Halten Sie es für sinnvoll, die Gerichtshilfe verstärkt als REH und HVH einzusetzen?" ........................................
318
Abbildung 30: Faktoren zur Erklärung des Antwortverhaltens der Interviewten (ohne Haftrichter) auf die Frage: ,,Halten Sie es für sinnvoll, die Gerichtshilfe verstärkt als REH und HVH einzusetzen?" ..............
319
Abbildung 31: Bevorzugte Funktionen der Gerichtshilfe bei bestehender/drohender Untersuchungshaft - Urteil der Berufsgruppen im Vergleich - ................................................................................... 325
Abkürzungsverzeichnis 8.A.
anderer Ansicht
8.8.0.
am angegebenen Ort
a.E.
am Ende
a.F.
alter Fassung
Abb.
AbbildWlg( en)
ABM
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
Abs.
Absatz
ADG
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Gerichtshelfer
AE
Alternativentwurf
AG
Arbeitsgruppe
AI(
Alternativkommentar
A1ctO
AktenordnWlg
ÄndG
ÄnderWlgsgesetz
Anm.
AnmerkWlg
AnwBI
Anwaltsblatt
Art.
Artikel
ASJ
Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen
Aufl.
Auflage
AV
Allgemeine VerfügWlg
Az.
Aktenzeichen
BAG-S
BWldesarbeitsgemeinschaft ft1r StraffiUligenhilfe
Bd.
Band
BewHi
Fachzeitschrift ft1r Bewährungs-, Gerichts- Wld StraffiUligenhilfe
BGBI.
BWldesgesetzblatt
24
Abkürnmgsverzeiclmis
BGH
BWldesgerichtshof
BR
BWldesrat
BRD, BWld
BWldesrepublik Deutschland
BResoG
BWldesresozialisienmgsgesetz
BT
BWldestag
BtM
BetaubWlgsmittel
BtMG
BetaubWlgsmittelgesetz
BVerfG
BWldesverfasSWlgsgericht
BVerfGE
EntscheidWlgen des BWldesverfassWlgsgerichts
bzgl.
bezüglich
BZR
BWldeszentralregister
bzw.
beziehWlgsweise
ca.
crrka
CDU
Christlich-Demokratische Union
CSU
Christlich-Soziale Union
d.
des
d.h.
das heißt
DAV
Deutscher Anwaltsverein
DBH
Deutsche Bewährungshilfe
DDR
Deutsche Demokratische Republik
Dez
Dezernat
DM
Deutsche Mark
Drs.
Drucksache
DT
Detmold
DVJGJGH, DVJJ
Deutsche VereinigWlg ft1r Jugendgerichte Wld Jugendgerichtshilfen
e.V.
eingetragener Verein
EGMR
Europäischer Gerichtshof ft1r Menschenrechte
EGStGB
Einftlhrungsgesetz zwn Strafgesetzbuch
Abkürzungsverzeichnis Eil
Eildienst, Vorftlhrdienst
Erl.
Erlaß
f
folgende
FDP
Freie Demokratische Partei
GA
Goltdammer's Archiv ft1r Strafrecht
GbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
gem.
gemeinsamer
ggf
gegebenenfalls
GH
Gerichtshelfer, Gerichtshilfe
GnO
Gnadenordnung ft1r das Land Nordrhein-Westfalen
GVBI.
Gesetz- und Verordnungsblatt
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
HB
Haftbefehl
HEH(n)
Haftentscheidungshilfe(n)
HRi
Haftrichter
Hrsg.
Herausgeber
HVH(n)
Haftvermeidungshilfe(n)
i.e.S.
im engen Sinn
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
i.w.S.
im weiten Sinn
IKV
Internationale Kriminalistische Vereinigung
ISS
Institut ft1r Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Frankfurt
JGG
Jugendgerichtsgesetz
JGH
Jugendgerichtshilfe
JM,JuM
Justizminister
1MBl.
Justizministerialblatt
IR
Jwistische Rundschau
JSG
Gesetz über die Sozialarbeiter der Justiz (Baden-Württemberg)
25
26
Abkürzungsverzeichnis
JuS
Juristische Schuhmg
NA
Justizvollzugsanstalt
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
Kat.
Kategorie
KJHG
Kinder- und Jugendhilfegesetz
KK
Karlsruher Konunentar zur Strafprozeßordnung
KKW
Kleines Kriminologisches Wörterbuch
KrimJ
Kriminologisches Journal
KrimPad
Kriminalpädagogische Praxis
KrimSozBibl.
Kriminalsoziologische Bibliographie
ländl.
ländlich(er)
LG
Landgericht
LK
Leipziger Konunentar zum Strafgesetzbuch
LR
Löwe-Rosenberg
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
mbR
mit beschränkter Haftung
MDR
Monatsschrift ftlr Deutsches Recht
MinBI.
Ministerialblatt
Mönchengladb.
Mönchengladbach
MRK
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Menschenrechtskonvention)
MschrKrim
Monatsschrift ftlr Kriminologie und Strafrechtsreform
n.s.
nicht signifikant
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NK
Neue Kriminalpolitik
Nr.
Nwnmer
NRW,NW
Nordrhein-Westfalen
J\b~gsverzeicbrnüs
NStZ
Neue Zeitschrift ftlr Strafrecht
OLG
Oberlandesgericht
pe
Personalcomputer
PDB
Paderbom
PKS
Polizeiliche Kriminalstatistik
PKW
Personenkraftwagen
RdErl.
Runderlaß
RiStBV
Richtlinien ftlr das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
Rn.
Randnummer
RT
Reichstag
RV
Rundverft1gung
S.
Seite, Satz
SchlHA.
Schleswig-Holsteinische J\nzeigen
Sig.
Signifikanz(berechnung)en
SK
Systematischer Kommentar
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
StJ\
Staatsanwalt, Staatsanwälte, Staatsanwaltschaft
stadt.
stadtisch(er)
StGB
Strafgesetzbuch
StPÄG
Strafprozeßändenmgsgesetz
StPO
Strafprozeßordnung
StraFo
Strafverteidiger Forwn
StV
Strafverteidiger
SZ
Süddeutsche Zeitung
Tab.
Tabelle
Tb.
Teilband
TOJ\
Täter-Opfer-J\usgleich
U-
UntersuchWlgs-
U-Haft
Untersuchungshaft
27
28
Abkürzungsverzeiclmis
u.
Wld
u.a.
Wlter anderem, Wld andere
u.l.
Wld lIhnliches
u.U.
Wlter Umstanden
USA
Vereinigte Staaten von Amerika
v.
von, vom
Var.
Variable
vgl.
vergleiche
VO
VerordnWlg
VV
Verwaltungsvorschriften
z.B.
ZWl1
ZD
Zentralblatt ft1r Jugendrecht
ZfStrVo
Zeitschrift ft1r Strafvollzug Wld StraffiUligenhilfe
ZRP
Zeitschrift ft1r Rechtspolitik
ZStW
Zeitschrift ft1r die gesamte Strafrechtswissenschaft
Beispiel
A. Notwendigkeit und Ziel der Arbeit I. Untersuchungshaft: Streitbefangenes Problemfeld seit über einem Jahrhundert Die Kritik an der Untersuchungshaft ist fast so alt wie unsere Strafprozeßordnung!. Pointiert bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1906) als "das trübste Kapitel in der deutschen Strafrechtspflege" bezeichnee, fällt kurz vor dessen Ausklang eine ebenso knapp resümierende Bewertung der Untersuchungshaft hierzulande kaum anders aus: "Untersuchungshaft - Stiefkind der Justiz" lautet nämlich plakativ der Titel eines 1995 erschienenen Sammelbandes3 • Ohne aufwendig abgelegenes Schrifttum durchforsten zu müssen. finden sich vergleichbare Beurteilungen auch im Zeitraum zwischen diesen Bekdaten. So erachtete man im Jahre 1925 das in dem Zitat von 1906 zum Ausdruck kommende "harte Urteil...auch heute noch im wesentlichen zutreffend,,4 und konstatierte in der Mitte des Jahrhunderts, daß "der Ruf nach einer Reform des Gesetzes und nach Änderung seiner praktischen Anwendung... niemals verstummt" seis. Der eingangs des Jahrhunderts geprägten Formulierung wurde in den 80er Jahren "nach wie vor" Gültigkeit attestiert6, auch wenn die ursprüngliche Aussage nunmehr unter der Überschrift "Untersuchungshaft: Die
H. Schöch, 1987d, S. 9; J.-M. Jehle, 1985, S. 4 m.w.N. So der Berliner Rechtsanwalt Hugo Heinemann, 1906, S. 520. Weitere kritische Stimmen aus jener Zeit - nicht allein von Rechtsanwälten, sondern auch von Staatsanwälten Wld Richtern - sind zusammengestellt bei W. Rosenberg, 1906, S. 339 f 3 R. ReindllW. NickolaiiG. Gehl (Hrsg.), 1995. hn VOlWort, S. 7, weisen die Herausgeber darauf hin, daß schon 1882 Franz von Liszt die Untersuchungshaft als "Stiefkind der Justiz" bezeichnet habe. Als "Stiefkind der Stratjustiz" markierte sie H. Müller-Dietz, 1984, S. 87, und F. Dünkel, 1985, S. 334, resümierte, daß diese Bezeichnung "nahezu einhelligem Konsens entsprechen" dürfte. 4 W. Rosenberg, 1925, S. 1446. 5 H. Dahs, 1959, S. 505. 6 J. Wolter, 1981, S. 452. I
2
A. Notwendigkeit und Ziel der Arbeit
30
vergessene Reform" - zeitgeschichtlich aktueller gefaßt - als "eines der dunkelsten Kapitel bundesdeutscher Strafrechtspflege" bezeichnet wurde'. Die Kritik an dieser "Freiheitsberaubung gegenüber einem Unschuldigen"S spart dabei weder die rechtliche Regeluni noch den Vollzug der UntersuchungshaftlO, der häufig als das gegenüber dem Strafvollzug größere Übel klassifiziert wirdl1 , aus. In erster Linie wendet sie sich jedoch gegen die Art und Weise ihrer Handhabung l2, die - auf eine griffige Formel gebracht - von zu raschen, zu häufigen und zu lange andauernden Verhaftungen bestimmt sei 13 • Indem diese vor Jahrzehnten ebenso wie heute l4 als unverhältnismäßig gebrandmarkte Praxis der Untersuchungshaft als "Krebsschaden des Ermittlungsverfahrens"ls diagnostiziert wird, ist über das Testat gegenwärtiger Gefährdung hinaus, eine - ohne erfolgreiche Therapie - für den Rechtsstaat ungünstige Entwicklung prognostiziert. Schließlich macht gerade die Art und Weise, wie mit der sensiblen Materie der Untersuchungshaft im Alltag umgegangen wird, das rechtspolitische Klima eines Landes erspürbar. Recht und Wirklichkeit der Untersuchungshaft werden deshalb immer wieder in das Bild des Seismographen gebracht, der selbst leichteste Veränderungen überdeutlich registriere l6. Da sich am Gebrauch der Untersuchungshaft "die Punitivität ,
H. Isola, 1987, S. 32. W. Hassemer, 1984, S. 40. 9 Siehe hinsichtlich der Kritik an den über die Flucht, Flucht- und Verdunkelungsgefahr hinausgehenden Haftgründen die Zusanunenstellung bei M. Gebauer, 1987a, S. 11 f.; nach 1 Wolter, 1981, S. 452 sind die Regeln der U-Haft "von Grund aufrefonnbedürftig", und M. Seebode, 1989, S. 122, spricht von einer "ungewöhnlich hohen 'Ineffektivitätsquote' der §§ 112 ff. StPO"; bzgl. Kritik an der rechtlichen Regelung des Untersuchungshaftvollzuges vgl. auch M. Seebode, 1985. 10 H. Müller-Dietz, 1984, S. 79 f.; M. Seebode, 1989, S. 120 m.w.N. in Fn. 38 f.; siehe auch die Beiträge in H. Schöch (Hrsg.), 1987c; F. DünkeVA. Rosner (Hrsg.), 1982, S. 27 f.; K.P. Rotthaus, 1973, S. 2271; international vergleichend G. Kaiser, 1993, S. 23 f. 11 Siehe H. Müller-Dietz, 1991, S. 234; M. Seebode, 1987, S. 17 f.; vgl. dazu jUngst die Beiträge von P.P. Wentz, B. Wild, H. Reh, R. Spiegel und H. Seibert in: R. ReindVW. NickolailG. Gehl (Hrsg.), 1995. 12 So H.-H. Jescheck, 1962, S. 66; M. Seebode, 1991, S. 169; H. A. Engelhard, 1986, S. 360; U. EisenbergIF. T6th, 1993, S. 293 f. 13 Vgl. jUngst R. SchlothauerlH.-l Weider, 1996, Rn. 5 f.; siehe bereits H.-H. Jescheck, 1962, S. 66, sowie zur Diskussion in den 80er Jahren Brüssow, 1983, S. 115, und R. Schlothauer, 1984, S. 48. 14 J.-M. Jehle, 1992, S. 350. IS B. SchUnemann, berichtet bei T. Weigend, 1981, S. 1285. 16 Vgl. etwa H. Schöch, 1987a, S. 992, und K.-L. Kunz, 1994, § 23 Rn. 55. 8
I. Untersuchungshaft: Streitbefangenes Problemfeld
31
einer Gesellschaft ablesen" lasse l7 , erscheine deren Ausgestaltung als "Spiegelbild der jeweiligen Auffassung des Verhältnisses von Staat zum Bürger" 18• Denn der für das Strafverfahren ohnehin typische Konflikt zwischen dem Staat und dem einer Straftat Beschuldigten kulminiert auf dem Gebiet der Untersuchungshaft, dieser Schnittstelle zwischen staatlichen Strafverfolgungsinteressen und Freiheitsrechten des einzelnenl9 . Bevor kein rechtskräftiges Urteil gesprochen ist, steht der Eingriffsbefugnis des Staates die aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem grundrechtlichen Persönlichkeitsschutz abgeleitete, in Art. 6 Abs. 2 MRK. ausformulierte Unschuldsvermutung gegenübero. In Konsequenz dessen ist "die volle Entziehung der persönlichen Freiheit durch Einschließung in eine Haftanstalt ein Übel, das im Rechtsstaat grwtdsätzlich nur dem zugeftlgt werden darf, der wegen einer gesetzlich mit Strafe bedrohten Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist. Diese Maßnahme schon gegen einen einer Straftat lediglich Verdächtigen zu ergreifen, kann nur in streng begrenzten AusnahmeflilIen zulässig sein... "21.
Untersuchungshaft darf nur angeordnet werden, "wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als durch vorläufige Inhaftierwtg eines Verdächtigen"22.
Wenn Richter gleichwohl - nach Schätzungen, die vor Öffnung der osteuropäischen Grenzen und der deutschen WiedelVereinigung angestellt wurden jährlich zwischen 35000 und 50000 Menschen einweisen, die Untersuchungshaft damit die am häufigsten angeordnete und vollzogene Freiheitsentziehung ist23, sind Zweifel angebracht, ob diese in der Praxis tatsächlich, wie vom M. Walter, 1995, S. 99. F. W. Krause, 1978, S. 75. 19 Siehe zur verfassungsrechtlichen Situation ausfilhrlich W. Hetzer, 1983, S. 47 f.; unter eher alltagspraktischen Gesichtspunkten vgl. J. Benfer, 1990, S. 89 f. 20 BVerfGE 19, 342 f., (347); 22, 254 f., (265); 35, 311 f., (320); 74, 358 f., (370); BVerfG NJW 43 (1990), 2741 f., (2741); vgl. ausfllhrlich H.-U. PaetTgen SK-StPO, vor § 112 Rn. 21 f. m.w.N. 21 BVerGE 19, 324 f., (347), Hervorhebung von H.G.; siehe auch die Formulierwtg "Ausnahme" bei G. Wendisch LR-StPO, § 112 Rn. 58. 22 BVerfGE 19, 342 f., (347); 20, 45 f., (49); 20, 144 f., (147), Hervorhebung von H.G. 23 Siehe M. Seebode, 1991, S. 171 m. w.N. in Fn. 10 und 11; G. Koop, 1988, S. 10, ging von jährlich bis zu 60000 Untersuchungsgefangenen aus. G. Kaiser KKW, 1974, S. 330, sprach gar von 70000 Untersuchungsgefangenen pro Jahr. Die Begrülldetheit solcher Annahmen ergibt sich jedenfalls zum Ende der 80er Jahre aus der Antwort des Bundesministers der Justiz vom 28.3.1990 auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion 17 18
32
A. Notwendigkeit Wld Ziel der Arbeit
Bundesverfassungsgericht gefordert, auf "streng begrenzte Ausnahmefälle" limitiert bleibe4 • Je mehr die Untersuchungshaft aber quantitativ eines der bedeutsamsten Instrumente reaktiver strafrechtlicher Kontrolle darstelltlS , man gar von einem Funktionswandel der Untersuchungshaft26, einer unzulässig vorweggenonunenen Sanktion27 spricht, desto eher wird Kritik nachvollziehbar, die mit dem Unterton eines Vorwurfs der Rechtsbeugung versehen28, darin gipfelt, die Haftpraxis von Staatsanwaltschaften und Gerichten gehe oftmals Wege, "die neben dem Gesetz" verliefen29• Teilweise noch deutlicher wird man, indem man formuliert, daß die Untersuchungshaft "den Ausschnitt
vom 14.3.1990 (BT-Drs. 11/6708). Danach waren zwischen 1985 Wld 1988 stets deutlich über 70000 Zugänge zur UntersuchWlgshaft jährlich zu verzeichnen, wobei MehrfachnennWlgen darin nur in geringem Umfang enthalten gewesen sein sollen, vgl. die Wiedergabe in ZfStrVo 39 (1990), S. 242 f., (243). Bis 1991 hatten sich die jährlichen Zugänge zur UntersuchWlgshaft fi1r die alten BWldesländer (ohne Hamburg) sogar auf über 80000, fi1r ganz Deutschland (ohne Hamburg Wld Brandenburg) im Jahre 1992 auf über 100000 ausgeweitet, vgl. Statistisches BWldesamt, Wiesbaden (Hrsg.), Rechtspflege, Fachserie 10, Reihe 4.2.,1991 Wld 1992, jeweils Tab. 1.4. 24 H.-H. Kühne, 1993, Rn. 188, ist z.B. der AuffasSWlg, daß die UntersuchWlgshaft "vergleichsweise häufig angeordnet" wird; vgl. in diesem Zusammenhang auch die UntersuchWlgsergebnisse von A. Wiegand, 1983, S. 437 f., Wld J. Wagner, 1978, S. 2002 f. 25 U. Eisenberg, 1995, § 29 Rn. 36, markiert dieses Faktum als Ist-Zustand. 26 Vgl. jUngst: R. SchlothauerlH.-1. Weider, 1996, Rn. 6; früher bereits: G. Kaiser KKW, 1974, S. 331; zurückhaltender in der Formulierung: G. KaiserlH.-J. KernerlH. Schöch, 1992, § 2 Rn. 123, § 5 Rn. 43. 27 H.-J. Weider, 1995, S. 18; M. Walter, 1995, S. 100/101; bezüglichjWlgerMenschen vgl. M. Walter, 1978, S. 341; W. Heinz, 1987, S. 25, spricht davon, daß UntersuchWlgshaft im Jugendstrafrecht auch als "'verkappte' Sanktion" eingesetzt wird. 28 Eine vorsätzliche Verletzung des Rechts kann auch darin liegen, daß es beim Erlaß eines Haftbefehls bewußt falsch angewendet wird, vgl. E. DreherlH. Tröndle, § 336 Rn. 5; daß RechtsbeugWlg - wie häufig behauptet - selten sei, bezeichnet G. Spendel LK, § 336 Rn. 3, als "leider schon nicht mehr fromme SelbsttäuschWlg", sie werde allerdings "nur selten strafrechtlich verfolgt Wld noch seltener rechtskräftig verurteilt"; auch H.-J. Weider, 1995, S. 15, hält die DWlkelziffer der gesetzwidrigen AnordnWlg der Haft fi1r sehr hoch, in der wissenschaftlichen Diskussion werde sie Wlterschätzt. Zum umgekehrten Fall einer eventuellen RechtsbeugWlg durch FreilasSWlg des Beschuldigten siehe jUngst BGH NJW 50 (1997), S. 1452 f., Wld 1. M. Schmittmann, 1997,S. 1426. 29 Schmidt-Leichner, 1959, S. 842.
I. UntersuchWlgshaft: Streitbefangenes Problemfeld
33
unserer Rechtswirklichkeit abgibt, der von zwingendem Recht entfernter ist als alle anderen, ja, der das Gesetz geradezu konterkariert... "30. Die meisten Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamten teilen die Kritik an ihrer Haftpraxis31 , so sie überhaupt etwas dazu sagen32, jedoch niche3 • Allenfalls manchmal räumen einige (meist ]ugend-)Richter4 ein, ihre Haftentscheidungen nicht allein an den gesetzlich zugelassenen Haftgründen auszurichten, vielmehr ebenfalls - nicht selten in wohlmeinender Absiches - apokryphen Haftgründen Raum zu geben36. Ansonsten akzentuieren die Haftrichter in Anlehnung an das Bundesverfassungsgericht ihre - freiheitsträchtigere Entscheidungen verhindernde - Gebundenheit auch an die berechtigten Strafverfolgungsinteressen des Staates: "Die rasche Wld gerechte AhndWlg schwerer Straftaten WÜrde in vielen Fällen nicht möglich sein, wenn es den StrafverfolgWlgsbehörden ausnalunslos verwehrt wäre,
30 M. Seebode, 1991, S. 185; hinsichtlich des UntersuchWlgshaftvollzuges: I-M. Jehle, 1985, S. 176; I Baumann, 1985, S. 292 f.; R. Wulf, 1987, S. 89; C. Prittwitz, 1988, S. 435. 31 Diese Formulienmg bezieht sich filr die Polizeibeamten auf die HaftanregWlgs-, filr die Staatsanwälte auf die Haftantragspraxis. 32 Der Amtsrichter H. Sauer, der einen erheblichen Teil der vorgebrachten Kritik an der gerichtlichen Praxis in Haftsachen als berechtigt ansah, mahnte schon 1959, S. 1996, seine Kollegen: "Wir dürfen die Kritik auch nicht mit Stillschweigen übergehen"; Aussagen von Praktikern sind gleichwohl nicht leicht auszumachen, vgl. generell zum Fluchtverhalten von Praktikern vor Wld zu Vermeidestrategien bezüglich der Konfrontation mit kriminologischen Befimden W. Heinz, 1995, S. 119 f. 33 M. Kurze, 1992, S. 359 f.; ZusammenfassWlg der Aussprache zur UntersuchWlgshaft Wlter LeitWlg von Vorsitzendem Richter am Oberlandesgericht W. Theißen, Ramm, in: Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Referat filr Rechtsinformation Wld VeröffentlichWlgen (Hrsg.), 1990, S. 189 f.; M. Seebode, 1988c, S. 268. Es gibt Ausnahmen, z.B. A. Stange, 1988, S. 105 f., Wld H. Hilger, 1989, S. 107 f. 34 W. Hassemer, 1984, S. 39, bezeichnete allerdings die Annahme, apokryphe Haftgründe flInden sich nur im Bereich des Jugendstrafrechts, als "fromme TäuschWlg". 3S Siehe O. Masch, 1989, S. 239. 36 Vgl. die praxisrelevante ZusammenstellWlg apokrypher Haftgründe bei R. SchlothauerlH.-1 Weider, 1996, Rn. 268-275b m.w.N.; siehe auch die in dem Beitrag eines Jugendrichters zusammengestellten Aussagen seiner 14 Kollegen: W. Schulz, 1981, S. 403-406. Dazu, daß Richter Wld Staatsanwälte apokryphen HafterwägWlgen nicht durchweg ablehnend gegenüberstehen, vgl. M. Gebauer, 1987a, S. 357 f., Wld H. Geiter, 1995, S. 244 f. 3 Geiter
34
A. Notwendigkeit Wld Ziel der Arbeit den mutmaßlichen Täter schon vor der VerurteilWlg festzunehmen Wld bis zum Urteil in Haft zu halten"37.
Dabei dürfen sie sich in Übereinstimmung mit vielen Bürgern sehen, die sich mehr und schnellere Verhaftungen wünschen38 •
11. Gesetzliche Regelungen, praktische Erfahrungen und rechtspolitisch diskutierte Vorschläge hinsichtlich der Begrenzung von V-Haft-Anordnungen 1. Geltende Rechtslage und alltägliche Rechtspraxis Bereits die rechtlichen Anordnungsvoraussetzungen der Untersuchungshaft sind auf eine Limitierung der vorläufigen Inhaftierung in der Alltagspraxis hin ausgerichtet. So setzt entsprechend § 112 Abs. 1, S. 1 StPO der Erlaß eines Haftbefehls nicht allein das Vorliegen dringenden Tatverdachts voraus, sondern verlangt darüber hinaus nach einem gesetzlich zugelassenen Haftgrund: Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Fluchtgefahr (Nr. 2), Verdunkelungsgefahr 9, Wiederholungsgefahr (§ 112a (Nr. 3), Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO)40. Außerdem erzwingt das Gesetz eine Begründung des Haftbefehls (§ 114 Abs.2, 3 StPO). Anzugeben sind nicht nur der Beschuldigte (Nr. 1), die Tat, deren er dringend verdächtig ist, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften (Nr. 2) sowie der Haftgrund (Nr. 3), sondern auch die Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergibt (Nr. 4).
stPoi
37 So: BVerfDE 19, 342 f., (347); R. Schlothauer, 1995, S. 6, resümiert allerdings, daß "in den letzten Jahren dem Topos der Ftmktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege ein Stellenwert quasi mit Ausschließlichkeitsanspruch verliehen worden" sei. 38 Vgl. H. Lilie, 1994, S. 625; siehe auch H.-I. Weider, 1995, S. 17118. 39 Zwar deutet die Formuliertmg in § 112 Abs. 3 StPO daraufhin, daß bei den dort benannten Straftaten ein Haftgrund Wlter Umständen ganz entbehrlich ist, jedoch hat das BWldesverfassWlgsgericht diese Norm "verfassWlgskonform" dahingehend ausgelegt, daß gleichwohl Flucht- oder VerdunkelWlgsgefahr bestehen muß; allerdings sollen die AnfordefWlgen an die FeststellWlg des Bestehens dieser Haftgründe weniger streng sein, vgl. BVerfD NJW 19 (1966), 243 f., (244); siehe auch: M. Weihrauch, 1988, S. 119 f. 40 Hinsichtlich der Einwände gegenüber den beiden letztgenannten Haftgründen vgl. oben Fn. 9 sowie H.-U. Paeffgen SK-StPO, § 112 Rn. 43 Wld § 112a Rn. 4, jeweils m.w.N.
ll. Gesetzliche Regelungen, praktische Erfahrungen
35
Diesem gesetzlichen Anspruch zuwider sind viele Haftbefehle, insbesondere die auf den Haftgrund der Fluchtgefahr41 abhebenden, lediglich formelhaft gefaßt, nicht selten (bloß) auf die hohe Straferwartung gestützt42 und damit unzureichend43 . Gefördert werden formelhafte Begründungen dadurch, daß über den Haftbefehl meist in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens und regelmäßig unter Zeitdruck zu entscheiden ist. Denn etwa drei von vier Haftbefehlen ergehen nicht vorab, sondern erst im Anschluß an eine vorläufige Festnahme44, der die unverzügliche Vorführung vor den zuständigen Haftrichter (§§ 115, 11580 128 StPO) und dessen Entscheidung über Freilassung oder Erlaß bzw. Aufrechterhaltung des Haftbefehls zu folgen haben (§§ 128 Abs. 2, 115 Abs. 4 StPO). Zu diesem Zeitpunkt sind aber Informationen, vor allem zum persönlich-sozialen Bereich des Beschuldigten noch rar4S • Abgesehen davon, daß sich die Polizei zunächst verstärkt auf die Sicherstellung der Tataufklärung konzentriert46, könnte sie die persönlichen Umstände nur unzureichend feststellen, da die ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zu grob sind und psychologische Hemmnisse solche Ermittlungen behinderten47 • Andere Rechercheure werden derzeit - jedenfalls bezüglich erwachsener Beschuldigter - meist nicht befaßt48 • Demzufolge bleibt das Fundament der Haftgründe gegenwärtig vergleichsweise dünn.
41 Das Phänomen fmdet sich aber auch bei den anderen Haftgr1Inden, vgl. Z.B. C. Nix, 1992, S. 445 f.; H. Dahs, 1982, S. 234. 42 Siehe J. Schwenn, 1984, S. 132 f. 43 M. Parigger, 1983, S. 423 f.; M. Parigger, 1986, S. 211 f.; M. Gebauer, 1987a, S. 235 f.; vgl. jüngst: H.-U. Paeffgen, 1996, S. 24, und ausfilhrlich die empirische Untersuchung von E. Volk, 1995, S. 179 f. 44 Siehe J.-M. Jehle, 1985, S. 129; M. Gebauer, 1987a, S. 215; H.-P. Jabel, 1988, S.114. 45 M. Gebauer, 1987a, S. 227 f.; H.-P. Jabel, 1988, S. 198; J. Kühl, 1988, S. 356, spricht von einem "notorischen Infonnationsmangel"; zustimmend D. Krause AK-StpO, § 117 Rn. 14; siehe auch A. Stange, 1988, S. 110. 46 M. Gebauer, 1987a, S. 228; H.-P. Jabel, 1988, S. 234; H.T. Schmidt, 1994, S. 182; nach W. Inner, 1968, S. 72, war sie diesbezüglich schon damals überlastet. 47 C. Roxin, 1995, S. 66 Rn. 43; K. Peters, 1975, S. 111, erkannte denn auch in der Gerichtshilfe eine der Autldärung der persönlichen Umstände dienende "Paralleleinrichtung zur Polizei"; siehe auch H.T. Schmidt, 1994, S. 182, und H. Schüler-Springorum, 1977, S. 228/229; zurückhaltender waren insoweit Stimmen aus der Polizei, z.B. Birkle, 1975, S. 276. 48 Hinsichtlich der sozialen Dienste der Justiz, vgl. M. Seebode, 1991, S. 177; H. Cornel, 1995, S. 228; speziell bezüglich der Gerichtshilfe als HEH siehe z.B. J. Wolter, 1991b, S. 1071108.
36
A. Notwendigkeit Wld Ziel der Arbeit
Untersuchungshaftbegrenzende Wirkungen soll freilich maßgeblich der mit Vetfassungsrang ausgestattete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz49 entfalten. so wie er an verschiedenen Stellen im Zusanunenhang mit der Anordnung und der Subsidiarität der Untersuchungshaft im Vergleich zu anderen Maßnahmen der Vetfahrenssicherung gesetzlich fixiert istso. Dementsprechend datf trotz dringenden Tatverdachts und eines Haftgrundes Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht (§ 112 Abs. 1, S. 2 stPoi l . Die Schwierigkeiten. die die Anwendung dieser Bestimmung der Praxis bereitet, zeigen sich etwa am Streit darüber, ob auch eine zu erwartende Bewährungs- oder gar nur Geldstrafe die Annahme der Verhältnismäßigkeit tragenS2 • Obwohl dies nach herrschender Auffassung nur ausnahmsweise als zulässig angesehen wirds3, halten die vollstreckbaren Freiheits- und Jugendstrafen an den Vetfahrensausgängen dennoch seit Jahren lediglich einen die 50o/o-Marke kaum überschreitenden Anteils4 • Einzuräumen ist, daß Strafprognosen zu Beginn des Vetfahrens nicht leicht zu stellen sind. Gleichwohl muß die hohe Quote irriger Erwartungen beunruhigenss • Sie erlaubt die Annahme, daß der Grundsatz, Untersuchungshaft nur bei zu erwartender Freiheitsentziehung zu beantragen oder anzuordnen. im Arbeitsalltag der Staatsanwälte und Haftrichter vernachlässigt wirds6 . Selbst wenn weniger einschneidende Maßnahmen es hinreichend begründen. daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann, bleibt der Erlaß eines Haftbefehls - dem Verhältnismäßigkeitsprinzip BVerfUE 19,342 f., (348); BVerfU NJW 44 (1991), 2821. F. Dünkel, 1994a, S. 70. SI Für an der abstrakten StrafandrohWlg des Gesetzes festgemachte BagatellflUle ist dieser GrWldsatz in § 113 StPO näher konkretisiert. Jedoch hat diese Nonn nach dem Fortfall der ÜbertretWlgen, ftlr die sie konzipiert war, heute keine praktische BedeutWlg mehr, vgl. G. Wendisch LR-StPO, § 113 Rn. 1, Wld J Wolter, 1981, S. 467; H.-U. PaefTgen SK-StPO, § 113 Rn. 2. S2 Vgl. dazu H.-U. PaefTgen SK-StPO, § 112 Rn. 17-20 m.w.N. zwn MeinWlgsstand. S3 Diese WeTtWlg triffi J-M. Jehle, 1994, S. 380; ebenso bereits J Kühl, 1988, S. 356, Wlter Bezugnahme auf K. Boujong KK-StPO, § 112 Rn. 48 Wld G. Wendisch LR-StPO, § 112 Rn. 57. 54 Siehe Anhang A., Tab. la, Spalte 7 Wld 8; noch ausgeprägter ist das Ergebnis der bWldesdeutschen Daten, zusanunengestellt bei J-M. Jehle, 1994, S. 381, 390, Abb. bzw. Tab. 4; ausfilhrlich zu dieser Thematik bereits J. Wolter, 1981, S. 466 f. ss G. Warda, 1990, S. 165. 56 So J-M. Jehle, 1994, S. 381; H.-J Weider, 1995, S. 12. 49
30
ll. Gesetzliche Regelungen, praktische Erfahnmgen
37
zum Trotz - Voraussetzung für deren Einsatz. Denn anders als zum Teil im AuslandS? und hierzulande im JugendstrafrechtSS gibt es in Deutschland für den Bereich des Erwachsenenstrafrechts keine echte ambulante Alternative zur Untersuchungshafts9 • Die Haftverschonung nach § 116 StPO setzt vielmehr die Anordnung der U-Haft voraus; lediglich ihre Vollstreckung kann anschließend ausgesetzt werden. Einen wegen Fluchtgefahr - den mit Abstand häufigsten Haftgrund60 - ergehenden Haftbefehl müssen die Richter jedoch bereits bei seinem Erlaß außer Vollzug setzen, sofern die angesprochenen weniger einschneidenden Maßnahmen genügen61 • Die Palette möglicher Ersatzmaßnahmen könnte recht bunt sein; das Gesetz gibt nämlich bloß eine Auswahl von ihnen "namentlich" vor62 • Gleichwohl griff das Instrument der Haftverschonung nach § 116 StPO in der Vergangenheit nicht in ausreichendem Maße. Trotz eines gegenüber den 60er und 70er Jahren gewachsenen Volumens63 , machte man von der Aussetzungsmöglichkeit bundesweit zuletzt in nicht einmal 25% der Fälle Gebrauch; mit dem Erlaß oder der Verkündung eines Haftbefehls einhergehende Verschonungen erreichten nicht einmal eine Marge von 4%64. Diese Zurückhaltung wurde weniger mit der nicht hinreichenden Phantasie der Haftrichter in Zusammen-
57 In Frankreich z.B. gibt es seit 1970 die "contröle judiciaire", vgl. M. Merigeau, 1994, S. 236 f. 58 Vgl. dazu unter Akzentuierung der Gesetzeslage insbesondere nach dem l. JGGÄndG F. Dünkel, 1994a, S. 71n2. 59 J.-M. Jehle, 1992, S. 353; siehe auch: H-U. PaefTgen, 1986, S. 170 f. 60 Schon ohne Kombination mit anderen Haftgrüllden hält er einen Anteil von 600/0-70%, vgl. M. Gebauer, 1987a, S. 232, Tab. 52, und H-P. Jabel, 1988, S. 127, Tab. 24.; J.-M. Jehle, 1985, S. 123 f. 61 Vgl. § 116 Abs. 1 StPO und T. Kleinknecht, 1965, S. 784. 62 Beispiele filr im Gesetz nicht-benannte Auflagen beim Hafigrund der Fluchtgefahr benennt z.B. H-U. PaefTgen SK-StPO, § 116 Rn. 15. 63 H-H. Jescheck/J. Krümpelmann, 1971, S. 998, konstatierten damals, daß die Aussetzung des Haftbefehls in den meisten Ländern nur die Funktion einer "Randkorrektur" habe; Anfang der 80er Jahre rechnete man aus in acht Bundesländern ermittelten Ergebnissen filr die Bundesrepublik ca. 15,7% Vollzugsaussetzungen hoch, vgl. BT-Drs. 9/1735 vom 14.6.1982, S. 2/3. 64 M. Gebauer, 1987a, S. 249 f., insbes. S. 250, unter Hinweis auf frühere Untersuchungen in Fn. 1 und 2. In einer aufNiedersachsen beschränkten Stichprobe ermittelte H.-P. Jabel, 1988, S. 146, Tab. 28, einen Anteil von 31,4% Außervollzugsetzungen, die Sofortaussetzungsquote lag bei 9,3%; zu Zahlen aus Nordrhein-Westfalen von 1964-1969 vgl. J. Krümpelmann, 1971, S. 92.
38
A. Notwendigkeit und Ziel der Arbeit
bang gebracht6S als vielmehr unter anderem darauf zurückgefiihrt, die im Gesetz angefiihrten Auflagen und Weisungen seien nicht auf die Mehrheit der sozial und strafrechtlich gefährdeten Verhafteten zugeschnitten66• Für diesen Bereich mag die Einschätzung berechtigt sein67 • Die Rechtsprechung ist jedoch ganz allgemein und nicht selten von der Tendenz geleitet, das staatliche Strafverfolgungsinteresse gegen den Wortlaut und Sinn des Gesetzes überzubetonen68, so daß der Gesetzgeber es bislang nicht geschafil: hat, seine durchaus normierten Vorstellungen von der Erforderlichkeit und Dauer der Untersuchungshaft durchzusetzen69 • Mit dieser Feststellung allein darf es nicht sein Bewenden haben. Im Gegenteil ist aus der deutlichen Diskrepanz zwischen der seit Jahrzehnten als weitgehend annehmbar beurteilten rechtlichen Regelung der Untersuchungshaft70 und der fast durchgängig heftig kritisierten Untersuchungshaftpraxis ein dringender Handlungsbedarf im justitiellen ebenso wie im rechtspolitischen Raum abzuleiten71 • Breit gefächerte Bemühungen, Untersuchungshaft zu reduzieren, sind nämlich nicht als lediglich überobligatorische Initiativen staatlichen Wirkens zu werten. Darauf gerichtete Aktivitäten gehören vielmehr aus rechts- und sozial staatlichen Gründen zum Pflichtprogramm staatlicher Aufgabenerfiillung72.
65 J. Krümpelmann, 1970, S. 1100, äußerte bereits seinerzeit Zweifel daran, daß die Praxis die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfe; ebenso Anfang der 80er Jahre: G. Lau, 1982, S. 100. 66 J.-M. Jehle, 1992, S. 354; Fachausschuß I, 1983, S. 16/17. 67 H. Cornel, 1994a, S. 209, erachtet die Alternativen nach § 116 StPO gleichwohl als "zu selten erprobt". 68 vgl. dazu z.B. BVerfGE 36, 264 f., (274); weiterhin E. Rappel, 1986, S. 501 f.; H.-U. Paeffgen, 1989, S. 417 f., 514 f., (518); H.-U. Paeffgen, 1996, S. 23 f., (24). 69 M. Seebode, 1991, S. 172/173; C. Prittwitz, 1988, S. 440 f. m.w.N. 70 T. Hermes, 1992, S. 270 m.w.N. 71 Nach W. Hassemer, 1984, S. 41, muß der Gesetzgeber die Chancen justitieller und öffentlicher Kontrolle von Haftbeschlüssen weitestgehend nutzen; der Oberstaatsanwalt beim BGH H. Hilger, 1989, S. 110, plädierte ftlr ein "Signal" des Gesetzgebers an die Praxis; nach übereinstimmender Auffassung der Fraktionen des Deutschen Bundestages besteht denn auch - zumindest ein gewisser - "gesetzgeberischer Handlungsbedarf', siehe Verhandlungen des Deutschen Bundestages 111S. 4686-4693 (Sitzung vom 11.3.1988). 72 Siehe auch Fachausschuß I, 1983, S. 16; M. Seebode, I 988a, S. 42 f.
II. Gesetzliche Regehmgen, praktische Erfahnmgen
39
2. Reformüberlegungen Die Liste mit Rezepten zur Einschränkung der Untersuchungshaft ist ansehnlich und zum Teil bereits seit vielen Jahren in Gesetzesentwürfe gefaßt73, ohne daß die Anordnungsvoraussetzungen der Untersuchungshaft - ebensowenig wie ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz'4 - in den seither abgelaufenen Legislaturperioden abschließend behandelt worden wären. Die häufig uneinheitlichen und umstrittenen'5 Vorschläge gehen etwa dahin, dem Haftbefehl einen zeitlich begrenzten "Festnahmebefehl" vorzuschalten oder ihn zu befristen, um in diesem Zeitraum die insbesondere im persönlich-sozialen Bereich des Beschuldigten defizitäre Informationslage der Entscheidungsträger zu verbessem'6. Auch sollen manche Haftgründe künftig gestrichen, zumindest enger gefaßt werden71 • Ebenfalls will man ein eigenständiges Instrument ambulanter Sicherung konstituieren, das Vorrang vor der Untersuchungshaft hat'8. Darüber hinaus dienen verschiedene Konkretisierungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem Bemühen, Untersuchungshaft zu vermindem Vorgeschlagen wird z.B. ein Haftausschluß bei (Bagatell-)Delikten, deren gesetzliche Höchststrafe nicht über einem, zum Teil gar zwei Jahren liegt oder die Einführung einer Haftschwelle von mindestens neun Monaten bzw. einem Jahr konkret zu erwartender (vollstreckbarer) Freiheitsstrafe8o • Die Begrenzung der Haftdauer durch absolute Höchstgrenzen81 sowie eine Verkür-
'9.
13 Arbeitskreis Strafprozeßrefonn, 1983; Fraktion der SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Untersuch\Ulgshaft, BT-Drs. 111688 vom 11.8.1987; Bundesminister der Justiz, 1988; Fraktion Die Gtilnen, Entwurf eines Gesetzes zur Refonn der Untersuchungshaft, BT-Drs. 1112181 vom 21.4.1988. 14 H. DöschllR. HerrfahrdtlG. NagellH. Preusker, 1982; Fachausschuß I, 1983; ASJ, 1986; J. Baumann, 1981, S. 7, sprach schon damals von einer "Leidensgeschichte der gesetzlichen Regel\Ulg der U-Haft"; siehe vergleichend zu den vorhandenen Entwürfen D. Rössner, 1988, S. 156 f. 1S H. Schöch, 1987d, S. 13, hält die meisten Gesetzesvorschläge ftlr ambivalent und nicht unbedingt den gewünschten Erfolg versprechend; skeptisch auch M. Walter, 1995, S. 1021103. 16 Siehe die Zusammenstell\Ulg dieser Vorschläge bei M. Gebauer, 1987a, S. 32/33 m.w.N. 17 Siehe zusammenfassend F. Dünkel, 1994b, S. 619. 18 So eine ZusammenfasS\Ulg von Refonnvorschlägen durch J.-M. Jehle, 1994, S. 385. 19 Siehe zusammenfassend \Uld Gesetzesentwürfe vergleichend M. Seebode, 1988b, S. 177 f. 80 Vgl. dazu I-M. Jehle, 1994, S. 381/382. 81 Siehe zu Vor- und Nachteilen der Alternativen M. Seebode, 1988c, S. 270/271.
40
A. Notwendigkeit und Ziel der Arbeit
zung der Fristen für obligatorische Haftprüfungen82 sollen gleichfalls helfen, die Untersuchungshaft tatsächlich zu reduzieren. Die gleiche Intention ist mit Vorschlägen verbunden, nach denen jedem Untersuchungsgefangenen - und nicht nur verhafteten Jugendlichen83 - ein Verteidiger zur Seite zu stellen ist84 . Angesichts der vom Bundestag seit Jahren nicht abschließend behandelten Reform der Untersuchungshaft sollten jedoch zunächst einmal alle Überlegungen aufgegriffen werden, die bereits unter den geltenden Gesetzen dahin wirken können, daß die Inhaftierung Beschuldigter dem Gesetz entsprechend auch in der strafjustitiellen Alltagspraxis ausschließlich auf "streng begrenzte Ausnahmefälle"8s limitiert. lediglich als ultima ratio der Verfahrens- und Vollstreckungssicherung eingesetzt wird86• Gedacht wird zum Beispiel daran87 , das Konzept der Haftverschonung gegen Kaution (bail), die nicht nur bei uns ein Schattendasein führt88, verstärkt einzusetzen89. Mit einer Ausweitung des Gebrauchs der Haftverschonung nach
§ 116 StPO ebenfalls verbunden sein könnte der Einsatz neuerer technologischer Mittel, die in den USA90 und England91 bereits verwandt, in den Niederlanden92 jedenfalls erwogen werden. Allerdings steht man hierzulande der an
82 Fraktion Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes zur ReConn der Untersuchungshaft, BT-Drs. 11/2181, S. 4,12 f.; Fachausschuß 1,1983, S. 15. 83 Vgl. § 68 Nr. 4 JOG, dem F. Dünkel, 1993, S. 10, entscheidende Bedeutung filr den seinerzeit unterdurchschnittlichen Anstieg der Untersuchungshaft bei Jugendlichen beimaß. 84 Fachausschuß I, 1983, S. 19 C.; vgl. dazu auch die Erfahrungen mit dem seit 15.8.1994 aus haushaltsrechtlichen Gründen eingestellten Frankfurter Modellprojekt: H. C. SchaeCerlRühl, 1986, S. 456 f.; M. Gebauer, 1994, S. 622 C.; S. Rühl-Kohtz, 1995, S. 137 f. 85 BVerfUE 19, 324 f., (347). 86 Fachausschuß I, 1983, S. 12; F. Dünkel, 1995a, S. 37. 87 Zu weiteren bereits de lege lata gegebenen Möglichkeiten siehe M. Seebode, 1988a, S. 43/44 m.w.N. 88 F. DUnkel/J. Vagg, 1994, S. 890, 892; filr die Schweiz vgl. auch A. Hänni, 1980, S. 33,45. 89 Siehe etwa F. Dünkel/J. Vagg, 1994, S. 913. 90 A. Jolin1R. Rogers, 1990, S. 201 C.; vgl. auch T. Weigend, 1990, S. 298/299. 91 V. Stern, 1990, S. 338 f.; M. Lindenberg, 1992, S. 187 f. 92 Vgl. A. van Kalmhout, 1990, S. 13 f.; filr eine Eintllhrung des elektronisch überwachten Hausarrests aber nwunehr J. Junger-Tas, Alternatives to Prison Senten-
ill. Ziel der Arbeit
41
eine elektronische Überwachung gekoppelten Verschonung von der Untersuchungshaft nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen eher skeptisch bis ablehnend gegenübe~. Günstiger beurteilt werden Maßnahmen, die mit einer sozialen Hilfestellung verbunden sind94 • In diesem Zusammenhang immer wieder ausdrücklich gefordert wird die (verstärkte) Heranziehung der Gerichtshilfe. Sie soll als Haftentscheidungshilfe (im weiteren Text: HEH) nicht nur für eine verbreiterte Informationsgrundlage bei der ersten oder einer zügig nachfolgenden weiteren Entscheidung über die Untersuchungshaft sorgen, sondern auch denkbare Alternativen der Verfahrenssicherung vermitteln, die notwendigen Voraussetzungen dafür gegebenenfalls sogar erst schaffen9S • Man erhoffi: sich so eine Verminderung des Erlasses, jedenfalls des Vollzuges von Haftbefehlen, zumindest aber eine Verkürzung der Dauer der Untersuchungs-
haft.
111. Ziel der Arbeit Anknüpfend an die vielstimmig erhobene Forderung nach einem (verstärkten) Einsatz der Gerichtshilfe als HER soll im Rahmen dieser Arbeit repräsentativ für das Bundesland Nordrhein-Westfalen erkundet werden, ob und inwieweit die dortige Gerichtshilfe tatsächlich in diesem Bereich dazu beitragen kann, Untersuchungshaft zu reduzieren oder gar zu vermeiden. Das Wirken der Gerichtshelfer darf dabei jedoch nicht isoliert von ihren übrigen
ces. Experiences and developments, 1994, zitiert nach F. Dünkel/I. Vagg, 1994, S. 893; derzeit lauft in den Niederlanden bereits ein zweijähriger Modellversuch fUr zu Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten Verurteilte Wld Haftlinge, die den letzten Teil ihrer Strafe verbüßen, siehe: Elektronischer Hausarrest in Holland, ZfStrVo 45 (1996), S. 40. Auch in den deutschen BWldesländern Berlin Wld Hamburg ist entsprechend einem Beschluß der Iustizministerkonferenz der Länder ein viCIjähriger Modellversuch geplant, vgl. SZ vom 13.6.1997, S. 7. 93 M. Bohlander, 1991, S. 293 f.; allgemeiner Wld Wlter bestimmten Kautelen weniger zurückhaltend T. Feites, 1990, S. 324 f. 94 Vgl. I.-M. Iehle, 1994, S. 385; H. Cornel, 1994c, S. 393 f.; Fachausschuß I, 1983, S. 17. 9S I. Wolter, 1991a, S. 46; H. Müller-Dietz, 1981, S. 1248; Fachausschuß I, 1983, S. 17; H. Schöch, 1987d, S. 13; M. Seebode, 1987, S. 16; F. Dünkel, 1990, S. 389/390; H.-P. label, 1988, S. 234; J.-M. Iehle, 1985, S. 17,279/280; B. Hörster, 1982, S. 99.
42
A. Notwendigkeit und Ziel der Arbeit
Aufgaben und den Gegebenheiten betrachtet werden, die ihren Arbeitsalltag prägen. Bevor deshalb auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Gerichtshilfe bei der Reduzierung von Untersuchungshaft eingegangen wird, sollen zunächst die wesentlichen Bedingungen erfaßt werden, die sie vorfindet und unter denen sie ihre haftvermindemden Tätigkeiten entfalten müßte.
B. Rahmenbedingungen untersuchungshaftreduzierender Gerichtshilfearbeit in Nordrhein-Westfalen Einen gewichtigen Faktor, der das Arbeiten der Gerichtshilfe als HEH zwangsläufig beeinflußt, stellt die Größenordnung der Personen dar, für die sie auf diesem Feld potentiell zuständig sein könnte. Betrachtet werden soll deshalb zunächst die quantitative Entwicklung der Untersuchungshaft (I.). Will man die Chancen der Gerichtshilfe bei der Vermeidung und Verkürzung von Untersuchungshaft - mithin auf einem Teilgebiet ihrer Zuständigkeit - beurteilen, muß naheliegenderweise die Situation dieser Einrichtung insgesamt in die Betrachtung einbezogen werden. Insofern ist zu erkunden, wie Stellung und Aufgabe der Gerichtshilfe generell rechtlich gestaltet sind und wie es um ihre Relevanz in der alltäglichen Praxis bestellt ist (11.).
I. Zur Entwickluna der Untersuchunashaft in Nordrhein-Westfalen Nicht allein die genaue Anzahl der Personen, gegen die innerhalb eines Jahres ein Haftbefehl erlassen wird, ist hierzulande unbekannt. Im Bereich des Strafvollzuges ermöglichen es die bundeseinheitlich geführten Statistiken vielmehr nicht einmal, die Summe derjenigen zu ermitteln, an denen jährlich Untersuchungshaft vollzogen wird, geschweige denn, wie lange sie durchschnittlich währt96 •
1. Die Stichtagsdaten der Strafvollzugsstatistiken Immerhin festzustellen ist, wieviele Menschen sich zu bestimmten Stichtagen im Vollzug der Untersuchungshaft befinden. Trotz der begrenzten Aussagekraft derartiger Stichtagserhebungen, je nach Dauer der Haft werden manche Personen mehrfach, andere überhaupt nicht erfaßt97 , vermitteln die dabei gewonnenen Daten, insbesondere bei einer Längsschnittsbetrachtung, einen 96
97
H. Schellhoss, 1989, S. 261. Siehe dazu auch F. Abenhausen, 1983, S. 123/124.
44
B. Ralunenbedingungen haftreduzierender Gerichtshilfearbeit
überschlägigen Eindruck von der jeweiligen Dimension der Untersuchungshaft. In Abbildung 1 wird deshalb die quantitative Entwicklung der Untersuchungshaft in Deutschland (gepunktet und auf der linken Bildseite skaliert) seit den 70er Jahren!l8 nachgezeichnet und ihr die nordrhein-westfälische gegenübergestellt (durchgezogene Linie, rechtsseitig skaliert). Die Entwicklung der stichtagsbezogenen Untersuchungshaftzahlen seit 197099 ist einheitlich in Bund und Land durch wenig Konstanz gekennzeichnet, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung dieser Haft in den 70er und 80er Jahren nahezu unverändert geblieben waren1OO • Erst mit dem Ende 1994 in Kraft getretenen Verbrechensbekämpfungsgesetz wurde eine gesetzliche Grundlage gelegt, auf die ein vergrößertes Volumen der Inhaftierungen hätte zurückgeführt werden können1ol • Die im Gesetzentwurf noch vorgesehene Einfiihrung eines neuen Haftgrundes zur Sicherung der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren (§ 127b StPO-Entwurf)I02, die die Inhaftierungszahlen deutlich hätte in die Höhe treiben können103 , ist allerdings - zumindest vorerst - nicht Gesetz gewordenlO4 • Hinsichtlich weiter zurückliegender Jahre vgl. H. Schöch, 1987a, S. 996. Die der Abb. 1 zugrundeliegenden Nominalzahlen sind im Anhang A., Tab. 1, aufgeftlhrt. 100 J.-M. Jehle, 1994, S. 375. Ende 1972 erfolgte allerdings eine gesetzliche Lockerung der Voraussetzungen fi1r die Annahme von Flucht- und Verdunkelungsgefahr sowie eine Ausweitung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr, vgl. Gesetz zur Anderung der StPO vom 7.8.1972, BGBl. I, S. 1361/1362. 101 Vgl. das Gesetz zur Anderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28.10.1994, Artikel 4 Nr. 3 und 4, in denen die Ausweitung des Haftgrundes der Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO) auf Fälle der besonders schweren Körperverletzung (§ 225 StGB) und der schweren Brandstiftung (§ 307 StGB) sowie die Erweiterung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr durch Streichung der Regelvoraussetzung einer Vorverurteilung in § 112aAbs. 1 Satz 2 StPO festgelegt sind, BGBl. 1,1994, S. 3186 f., (3190/3191). 102 Entwurf eines Gesetzes zur Anderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) der Fraktionen von CDU/CSU und FDP, BT-Drs. 12/6853, S. 19,33. 103 F. Dünkel, 1994b, S. 617. 104 Die CDU/CSU-Fraktion beabsichtigt die Einftlhrung von bis zu 10 Tagen "Verfahrenshaft" fi1r gewalttätige Demonstranten und Rädelsftlhrer von Jugendbanden, aber auch von Kaufhausdieben und kleinen Dealem, so der Rechtsexperte der Fraktion W. von Stetten, SZ vom 13.2.1995 und Kölner Express vom 12.2.1995, S. 2. inzwischen hat der Bundestag einen neuen Haftgrund, die Hauptverhandlungshaft (§ 12Th StPO), beschlossen. Der Einspruch des Bundesrates dagegen wurde vom Bundestag am 12.6.1997 zurückgewiesen, so daß künftig auf frischer Tat Ertappte auch ohne beson98 99
I. Zur EntwicklWlg der UntersuchWlgshaft in Nordrhein-Westfalen
45
Abbildung 1: Untenuchungsgefangene - Entwicklung in Deutschland·) und Nordrhein-Westfalen - Stichtagszahlen im Vollzug 1970-199510) ·lIE ... lIE. 20.000
1 __ NRW
Deutschland
- r - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -..... 7.000 /,~
~I
18.000
I
I
I
I I
I
, I
r-" I
14.000
I I I I
)"
" \,
r , I
~ \
\~~
\
f"
\ I •
I
/
1*-"'*
I
I
12.000
,
,
~/
6.000
I I
/"
\,
,
I I I
~
16.000
\,
\
I
I
\ ,
~ I
, I
,
" \
\
}lE
5.000
I
\
I
I I
\
~
\
),..-lOI-.
'--~--~--~--_I ,. ...,...---+
---+--+--
O%~~--~--~--r_~--_+--~--r_~--_+--~--+_~--~
RJr;:)
"Q)
Ermittlungs-! Erkenntnlsvertahren
-+
-*.. VOllstreckungsverfahren
Gnadenverfahren
a) An 100% fehlende Werte betreffen sonstige Fälle (siehe Tabelle 10 im Anhang A.). Quellen: Eigene BerechnWlgen anband Justizministeriwn des Landes NordrheinWestfalen, Justiz in Zahlen, 1992 Wld 1995, jeweils Tab. 2.4. zu dem zum Teil beträchtlichen Rückgang bei manchen Staatsanwaltschaften vgl. bereits H.T. Sclunidt, 1994, S. 189.
ll. Die Situation der Gerichtshilfe, insbesondere in Nordrhein-Westfalen
79
sie stets zwischen 200 und 220 (1994: 219). Bei den verschiedenen Staatsanwaltschaften differiert sie beträchtlich. Betrug die Spanne zwischen der niedrigsten und der höchsten Anzahl an Berichtsneuzugängen je Gerichtshelferstelle 1987 und 1988 jeweils über 240 Fälle (bei einem Landesdurchschnitt von 215 bzw. 211), war sie 1991 auf 197 Verfahren geschrwnpft236, erreichte damit aber immer noch nahezu den jährlichen Durchschnittswert je Stelle (201). Die Gesamtanzahl der Verfahren allein läßt allerdings keine allgemeine Aussage hinsichtlich eventueller Über- oder Unterforderungen einzelner Gerichtshilfen ZU237. Für den Umfang der zu bewältigenden AIbeit sind vielmehr außerdem die Struktur und Größe des Landgerichtsbezirks, die Art der zu erledigenden Aufträge, die Schreibkraftsituation sowie die Art und Weise, wie sich der Gerichtshelfer mit den gestellten Aufträgen auseinandersetzt, mitmaßgeblich238 • Von daher gibt es wohl kaum die optimale Fallmeßzahf39 • Gleichwohl flUlt auf, daß es auf der einen Seite Gerichtshilfen mit einer überdurchschnittlichen Gesamtbelastung gibt, die zudem verstärkt im Ermittlungsverfahren eingesetzt werden, was meist größere Zeitanteile beanspruche40 • Andererseits finden sich nur unterdurchschnittliche Fallzahlen erreichende Einrichtungen, die vor der Anklageerhebung deutlich weniger tätig werden, ihren AIbeitsschwerpunkt vielmehr eindeutig im - in der Regel eher weniger zeitaufwendigen - Vollstreckungsbereich haben. Obwohl Verallgemeinerungen
236
Diese Zahlen wurden nach einer WlveröfTentlichten Statistik des Justizministeri-
wns des Landes Nordrhein-Westfalen bereclmet. 237 So allgemein für die ArbeitsbelastWlg der Sozialen Dienste F. Dünkel, 1986a, S.
132. Vgl. bereits D. Rahn, 197680 S. 139, Wld U. Renschler-Delcker, 1983, S. 48. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Gerichtshelfer hielt 1975 die gleichzeitige BearbeitWlg von ca. 20 - 25 Fällen für angemessen; Anfang der 80er Jahre ging sie von einer optimalen monatlichen FallbelastWlg von 15 Aufträgen aus, vgl. U. Renschler-Delcker, 1983, S. 48 Wld die dortigen Nachweise; siehe auch H. Schüler-Springorum, 1977, S. 235 m.w.N.; H. Beese, 1979, S. 327, bezeichnete die Hamburger Gerichtshelfer 1979 mit jeweils fWld 50 Aufträgen monatlich für "voll ausgelastet", bei allerdings nur 22% Aufträgen im EnnittlWlgs- Wld Hauptverfahren (328); die MonatsbelastWlg der niedersächsischen Gerichtshelfer lag 1983 (ohne BeIÜcksichtigWlg der Arbeitsanteile im Modellversuch "TilgWlg Wleinbringlicher Geldstrafen durch gemeinnützige Arbeit") bei 19,43 Fällen, siehe P. Best, 1984, S. 40 Fn. 59. 240 H. Schöch, 1983, S. 130, hält für einen Bericht im Erkenntnisverfahren mindestens zwei Tage für notwendig, während für Aufträge im VollstreckWlgsverfahren in der Regel weniger als ein Tag ausreichen soll. 238 239
80
B. Ralunenbedingungen haftreduzierender Gerichtshilfearbeit
tunlichst zu vermeiden sind, wird man insgesamt aber wohl davon ausgehen dürfen, daß die Gerichtshilfen hierzulande von den Auftraggebern qualitativ und quantitativ recht unterschiedlich belastet werden241 •
241 Siehe auch W. Selter, 1990, S. 185; ebenso ftlr Baden-Württemberg im Jahre 1979 U. Renschler-Delcker, 1983, S. 47, Tab. 3.
C. Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe Erst seit ca. 20 Jahren wird über die Gerichtshilfe in Verbindung mit dem Begriff HEH diskutiert. Vorher war diese Aufgabe, erwachsenen Beschuldigten nach Möglichkeit die Untersuchungshaft zu ersparen, nicht aufgegriffen worden242• Häufig werden in diesem Zusammenhang allerdings auch andere Formulierungen verwendet, etwa Haftvermeidungs-, Haftverkürzungs-, Frühoder Soforthilfe. Wie meist bei neueren und damit in der breiten Diskussion noch nicht etablierten Einrichtungen mangelt es anfangs an einem einheitlichen Sprachgebrauch zur Kennzeichnung des jeweils Gemeinten243 • Verstärkt gilt das für solche Fälle, in denen die Neuerung nicht hierzulande kreiert wurde, sondern lediglich eine den hiesigen Gegebenheiten angepaßte Übernahme der in verschiedenen anderen Ländern jeweils gewonnenen Erfahrungen darstellt244 • Angesichts nicht immer übereinstimmender Kennzeichnungen soll zunächst eine Begriffsklärung unternommen werden, damit im nachfolgenden Text zumindest das mit den Begriffen hier Verbundene klargestellt ist (1.). Anschließend wird die derzeitige rechtliche Regelung der HEH in NordrheinWestfalen vorgestellt (lI.), bevor auf ihre Bedeutung in Diskussion, Statistik und Praxis (Il1.) eingegangen wird.
I. Begriffliche Klärung Das erste in Deutschland arbeitende Modell einer bei der Gerichtshilfe angesiedelten HEH (Hamburg, ab 1978i4s ging zurück auf Erfahrungen, die in einem vom VERA-Institut of Justice der USA entwickelten Projekt in New
H. Beese, 1981, S. 7. Siehe nur die bei P. Höflich, 1991, S. 47, wiedergegebene, begriffiiche Klarheit hinsichtlich des Begriffs HaftvenneidlUlgshilfe anmahnende Kritik an einem vorgelegten Arbeitspapier. 144 Zur von der hiesigen deutlich abweichenden GestaltlUlg der HaftenlscheidlUlgshilfen in den USA vgl. die BescbreiblUlg bei K. Hardraht, 1980, S. 183 f. 145 Vgl. dazu ausfllhrlich C. m. 2. a). 141
143
6 Geiter
82
c. HaftentscheidWlgshilfe durch Gerichtshilfe
York gewonnen worden waren246 • Das Projekt hatte das Ziel, Straftätern nach Möglichkeit die Untersuchungshaft zu ersparen. Damit war es auf Venneidung von Untersuchungshaft ausgerichtet. folglich eine Haftvermeidungshilfe (im weiteren Text: HVH). Es ging von der Annahme aus, eine eingehendere Infonnation des jeweiligen Richters über die sozialen Bindungen des eingesperrten Beschuldigten könne der Anlaß sein, von der Verhängung der Untersuchungshaft abzusehen247 • Indem fallbezogen für einen breiteren Horizont des über die Untersuchungshaft entscheidenden Richters gesorgt wurde, stellte sich die Methode zur Erreichung des Ziels, die infonnationsbeschafIende Tätigkeit. als Haftentscheidungshilfe dar. Die Vermittlung umfassender Fakten kann im konkreten Fall jedoch auch dafür sorgen, eine vor der ersten Haftentscheidung lediglich erwogene Inhaftierung erst zu veranlassen, mithin das mit der Tätigkeit bezweckte Ziel konterkarieren248 • Differenziert man dementsprechend nach HEH und HVH, so erfaßt die HEH lediglich die Verbreiterung der Infonnationsbasis der Entscheidungsträger, einerlei ob deren Kenntnisse vor der ersten Entscheidung über die Untersuchungshaft oder im späteren Verfahrensverlaufhinsichtlich bereits inhaftierter Personen erweitert wurden. In beiden Varianten verhält sie sich zum Ziel der Venneidung von Haft neutral. Eine den weiteren Vollzug von Haft begrenzende Entlassung wäre mithin trotz des Ergebnisses der Haftvenneidung nicht auf eine HVH zurückzuführen, vielmehr würde sie sich lediglich als unbeabsichtigte Nebenwirkung der - neutralen - HEH darstellen249 • HVH hingegen ist ausschließlich darauf gerichtet, Einsperrungen zu verhindern bzw. in ihrer Subvariante, der Haftverkürzungshilfe250, zumindest zeitlich zu begrenzen. Hier geht es darum, den Entscheidungsträgern Möglichkeiten und Institutionen, staatliche wie freie Träger sozialer Einrichtungen nachzuweisen oder 246 K. Hardraht, 1980, S. 183 f.; C. Erdl, 1988, stellt dieses Institut, sein kriminalpolitisches Konzept Wld seine Arbeitsweise Wld Wirkwlgen vor, ohne auf das Projekt zur VerrneidWlg der UntersuchWlgshaft im einzelnen einzugehen, vgl. aber dort S. 35, 89,91. 247 K. Hardraht, 1980, S. 183. 248 So bereits B. Plemper, 1980, S. 121/122; H. Cornel, 1994a, S. 210, sieht rein quantitativ insoweit aber ein eher geringes Risiko; siehe auch K. LaubenthaI, 1993, S. 159. 249 D. Krause AK-StPo, § 117 Rn. 14, etwa verwendet dafür allerdings auch schon den Begriff HaftverrneidWlgshilfe, wohl weil die (erste) EntscheidWlg bereits in die UntersuchWlgshaft gefilhrt hat. 2SO Diese geht, jedenfalls für die Jugendgerichtshilfe, einher mit einer "HaftbetreuWlgshilfe" in der UntersuchWlgshaft, vgl. § 52 Abs. 3 KJHG, Wld K. Laubenthal, 1993,S. 157.
I. Begriffiiche Klärung
83
gar solche anzuregen. um dem Beschuldigten mit weniger belastenden. gleichwohl den Haftzweck sichernden Maßnahmen. die Untersuchungshaft zu ersparen2SI • In Betracht käme z.B. die Vermittlung in eine Betreuung oder Wohnung, möglicherweise auch ein entsprechendes eigenes Angebot der Gerichtshilfe. Im Gegensatz zu diesem inhaltlich geprägten Sprachgebrauch werden die Begriffe zum Teil an den jeweiligen Verfahrensabschnitt angepaßt, damit formal verwendet. Die Tätigkeit der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren bei (anstehender) Untersuchungshaft wird dann als HEH bezeichnet, ihre auf Restriktion von Haft ausgerichtete Arbeit im Vollstreckungsverfahren. also nach einer rechtskräftigen Entscheidung, als HVH2S2, insbesondere hinsichtlich der Ableistung von gemeinnütziger Arbeit anstatt Ersatzfreiheitsstrafe2s3 • Meist aber versteht man HEH, manchmal unter Anfügung des Zusatzes i.w.S., als Oberbegriff, so daß dieser Bezeichnung Haftvermeidungs- und Haftverkürzungshilfen ebenfalls unterfallen2s4 • Auch die nachfolgende Darstellung entspricht diesem Sprachgebrauch weitgehend, zumal in der Praxis Abgrenzungen zwischen Initiativen zur Haftentscheidung und solchen zur Untersuchungshaftvermeidung kaum mehr möglich sind2ss • Lediglich wenn es gerade auf die Differenzierung der Akzente der Gerichtshilfetätigkeit - bloße neutrale Informationsverbreiterung einer-, intendierte Haftreduzierung andererseits - ankommt, wird unter entsprechender Kennzeichnung der Oberbegriff HEH um die ansonsten von ihm mitumfaßte haftvermeidende und haftreduzierende Begrifl1ichkeit beschnitten. Da die in den Niederlanden beheimatete und vielfach bereits im präventiven Bereich angesiedelte2S6 Früh_2S7 oder Soforthilfe258 ebenfalls in diesen Kontext
M. Seebode, 1988c, S. 272. W. Preis, 1989, S. 27,28,30. 253 Siehe etwa R.-D. Hering, 1990, S. 143/144; vgl. weiterhin das bei P. Höflich, 1991, S. 47, benannte Arbeitspapier. 254 Vgl. P. Block, 1993, s. 94 f. und ihre Darstellung der verschiedenen Erlasse zur HEH, die auch Maßnalunen zur Vermeidung der Untersuchungshaft behandeln; H. Cornel, 1994c, S. 398; W. Chilian, 1983, S. 1171118; steht die ermittelnde Funktion der Gerichtshilfe im Vordergrund wird vielfach von Haftentscheidungshilfe i.e.S. gesprochen, siehe nur F. Dünkel, 1986a, S. 137. 255 H. Cornel, 1994c, S. 398/399. 256 W. Chilian, 1983, S. 125. 257 Siehe dazu L.C.M. Tigges, 1983, S. 187, und L.C.M. Tigges/E.G.M. Nuijten-Edelbroek, 1983, S. 355 f.; A. Wolff, 1984, S. 325 f. 251
252
84
C. HaftentscheidlUlgshilfe durch Gerichtshilfe
gestellt wird., ist insoweit eine weitere Klarstellung geboten. Bei der Frühhilfe geht es darum, für den Betroffenen bedrohliche Situationen, etwa den bei Festnahme und angeordneter Untersuchungshaft drohenden Verlust von Arbeitsstelle und Unterkunft zu vermeiden. Ein sehr früh erfolgendes Gesprächsangebot des Gerichtshelfers soll dazu beitragen, Problemlagen aufzufangen, z.B. negative Auswirkungen der Verhaftung erst gar nicht eintreten lassen2s9• Zum Teil wird der Begriff lediglich mit dem Zeitpunkt in Verbindung gebracht. von dem an die Gerichtshilfe ihre Arbeit im Ermittlungsverfahren aufnehmen kann; insoweit spricht man denn auch synonym von Früh- bzw. Ermittlungshilfe260• Häufiger verbindet man mit dem Gebrauch der Bezeichnungen aber inhaltliche Unterschiede. Dabei betreffe die Früh- oder Soforthilfe die soziale Funktion der Gerichtshilfe; im Rahmen der HER hingegen werde sie ermittelnd tätig mit dem Ziel, Untersuchungshaft zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen261 • Da die Gerichtshilfe ihre soziale Kompetenz jedoch auch bei Einsätzen als HER weder ablegen muß noch dies tun darf62, werden HER und Frühhilfe durchaus auch begrifilich in Verbindung gebrache63 • Für den Erwachsenenbereich fehlt es allerdings bisher an einer systematischen, gesetzlich geregelten übergreüenden Frühhilfe264• 2S8 Wegen des in der BlUldesrepublik fachspezifisch im medizinisch/psychologischen Bereich einseitig besetzten Begriffs der FrOhhilfe wird zum Teil der Begriff Soforthilfe bevorzugt, vgl. AG 7: FrOhhilfe: bessere Hilfe oder mehr Kontrolle, BewHi 33 (1986), S. 53 f., (53). 2S9 R.-D. Hering, 1990, S. 143. 260 Siehe W. Preis, 1989, S. 27/28. 261 Vgl. R.-D. Hering, 1986, S. 50/51; siehe auch: ASJ, 1990, S. 20, § 6 BResoG, wo die Aufgabe der U-HaftvermeidlUlg oder -verktlrzung den Aufgaben der FrOhhilfe zugerechnet wird IUld FrOhhilfe als eine neue Form der ambulanten Hilfe im ErmittllUlgsverfahren, insbesondere als HEH, begriffen wird (a.a.O., S. 5). 262 Stets muß sie auf - doch wohl mit sozialarbeiterischer Kompetenz festgestellte offenkundige Notlagen reagieren IUld die fiIr die Gewährung erster sozialer Hilfen zustandigen Stellen IUlterrichten, vgl. fiIr Nordrhein-Westfalen AV d. JM Punkt A. 3. (siehe oben B. n. 2.); vgl. auch H. Comel, 1994a, S. 202,209. 263 Siehe F. Dünkel, 1986b, S. 375, der von "HaftentscheidlUlgshilfen i.S.v. FrOhhilfen" spricht. Die IUlterschiedliche inhaltliche AkzentsetzlUlg mit HervorheblUlgen des sozialarbeiterischen HandllUlgsCeldes im Bereich der FrOhhilfe wird damit jedoch nicht verleugnet, vgl. auch B.-R. Sonnen, 1992, S. 438. 264 F. Dünkel, 1994b, S. 618; vgl. aber ASJ, 1990, § 6, sowie den Arbeitsentwurf eines Gesetzes über die Sozialen Dienste der Justiz im Lande Bremen, in: Senator fllr Justiz IUld VerfasslUlg der freien Hansestadt Bremen (Hrsg.), 1991, S. 228 C.; siehe außerdem IUlterhalb der gesetzlichen Ebene fiIr Brandenburg die AV des Ministeriums der Justiz vom 18.2.1994 (4260 - IV.20), Punkt 1.1.2., abgedruckt im Anhang zu C.
ll. Rechtliche RegelWlg in Nordrhein-Westfalen
11.
85
Rechtliche Regelung in Nordrhein-Westfalen
Wie bereits ausgeführt, ist die nur sehr grobe bundesgesetzliche Regelung der Gerichtshilfe in Nordrhein-Westfalen im wesentlichen durch die Allgemeine Verfügung des Justizministers von 1979 konkretisiert265 • Bei der Beschreibung der Aufgaben und Arbeitsweise ist dort auch die HEH knapp angesprochen, ohne daß indes dieser Begriff verwendet wird. Vor der Benennung der Bereiche, in denen sich die Beauftragung der Gerichtshilfe insbesondere empfiehlt, heißt es: "Ferner kommt die MitwirkWlg des Gerichtshelfers bei der VorbereitWlg von EntscheidWlgen über die AufrechterhaltWlg oder Aussetzung Wld u. U. auch über die AnordnWlg der UntersuchWlgshaft in Betracht. " Was die rechtliche Regelung der HEH durch Gerichtshilfe anbetrifft, nimmt Nordrhein-Westfalen damit - gemeinsam mit einigen anderen Bundesländerneine MittelsteIlung ein266 • Manche Länder erwähnen die HEH-Aufgabe der Gerichtshilfe nicht gesondert, belassen es insoweit bei dem allgemeinen Hinweis auf § 160 Abs. 3 StPO. Speziellere und ausführlichere Regelungen finden sich hingegen vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und dem~aar land261 • Insbesondere im Vergleich zum Jugendverfahren, bei dem die Einschaltung der Jugendgerichtshilfen als HEHn durch das 1. JGGÄndG seit Dezember 1990 verbindlich vorgeschrieben ist (vgl. §§ 38 Abs. 2, 72a JGG), erscheint die rechtliche Arbeitsplattform der (Erwachsenen-)Gerichtshilfe wesentlich schmaler.
von BernstortT, 1994, S. 239; in Hessen gab es seit September 1984 in Wiesbaden ein Projekt "FIilhhilfe", in dem Jugendlichen Wld Heranwachsenden, die eine Straftat begangen hatten Wld gegen die ein ErmittIWlgsverfahren eingeleitet worden war, ein ehrenamtlicher "BetreuWlgshelfer" angeboten wurde. Sowohl wegen der verhältnismäßig geringen Inanspruchnahme als auch der deutlich geschrumpften Anzahl der Helfer, wurde das Projekt zwn 1.10.1989 eingestellt, vgl. K.-H. GroßIW. Schädler (Hrsg.), 1990, S. 14; in Niedersachsen soll der Einsatz der Gerichtshilfe in Strafverfahren gegen BetäubWlgsmittelabhängige im Rahmen eines Projektes "Frühwarnsystem Wld FIilhhilfe" verstärkt werden, vgl. P. Best, 1994, S. 317. 265 Siehe B. ll. 2. Wld Fn. 195. 266 Vgl. dazu Wld zwn folgenden ausführlich P. Block, 1993, S. 94 f. 261 Bezüglich der neuen BWldesländer siehe z.B. C. von BernstortT, 1994, S. 237, 239, Wld H. Wegener, 1994, S. 248.
86
C. Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe
111. Haftentscheidungshilfe in Diskussion, Statistik und Praxis 1. Einführende Übersicht Wie erwähnt ist die Thematik der Gerichtshilfe als HEH vergleichsweise jung. Erst im Zuge des bei der Hamburger Gerichtshilfe durchgefiihrten Modellprojektes begann man sich Ende der 70er Jahre damit auseinanderzusetzen. Trotz der in der Folgezeit stattfindenden Diskussion darüber blieben weitere praktische Erfahrungen mit auf Erwachsene bezogenen HEHn rar, jedenfalls soweit sie veröffentlicht der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. An diesem Faktum hatte sich weder bis zum Beginn unserer Forschung noch an deren Ende Wesentliches verändert. Zu ersehen ist das schon daran, daß Ausführungen zu HEHn der (Erwachsenen-)Gerichtshilfen bis in die jüngste Zeit hinein auschließlich mit den Ergebnissen des über 15 Jahre zurückliegenden Hamburger Projekts belegt werden268 • Die Gerichtshilfe ist nämlich der bislani69 empirisch am wenigsten erforschte Soziale Dienst der Justiz270 • Obwohl in der Alltagspraxis inzwischen weitere Erfahrungen mit der HEH gesammelt werden konnten, fehlt es doch (bisher) an deren Auswertung und/oder Publikation271 • Um dieses Veröffentlichungsmanko abzumildern, werden nachfolgend diesbezügliche, bis zur Abfassung des Textes in unsere Sammlung gelangten Erkenntnisse, soweit sie sich auf Erwachsene beziehen, etwas ausfiihrlicher dargestellt. Da Initiativen zur Haftentscheidungshilfe, -vermeidung und -reduzierung aber inzwischen als so zahlreich etikettiert werden, daß sie nicht mehr im einzelnen mit dem Anspruch auf Vollständigkeit aufgezählt werden
268 Siehe nur: P. Rieß LR-StPO, § 160 Rn. 88; W. Preis, 1989, S. 29; S. Schaefer, 1992, S. 141 f.; U. Eisenberg, 1995, § 29 Rn. 4; F. Dünkel, 1995b, S. 106. 269 Derzeit läuft allerdings bei der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden ein Forschungsprojekt zu den Sozialen Diensten in der Justiz, innerhalb dessen auch die bisher fehlende systematische bundesweit angelegte Erfassung der Arbeit der Gerichtshilfe beabsichtigt ist. Zur Anlage der Untersuchung siehe M. Kurze, 1995, S. 54/55; erste Ergebnisse jtlngst bei M. Kurze, 1996a, S. 145; siehe nwunehr auch M. Kurze, 1996b, S. 39 f. 270 Siehe auch W. Sohn, 1994, S. 68, der als einzige Arbeit, die strengere sozialwissenschaftliche Maßstäbe angelegt habe, die von U. Renschler-Delcker, 1983, benennt. Bei U. Renschler-Delcker, a.a.O., S. 6 f., frodet sich auch eine Darstellung der bis August 1981 erschienenen Arbeiten zur Gerichtshilfe, einschließlich des in diesen enthaltenen - meist wenigen - empirischen Materials. 271 G. Kawamura, 1994, S. 411.
ill. Haftentscheidungshilfe in Diskussion, Statistik und Praxis
87
können272, ist die anschließende Sammlung keinesfalls als abschließende zu betrachten. Allein ihre Begrenzung auf den Erwachsenenbereich verurteilt den Versuch nicht von vornherein zum Scheitern, weil (untersuchungs-)haftmindernde Initiativen vor allem für Jugendliche und Heranwachsende entwickelt worden sind273 . Gerade dieser Komplex bleibt hier aber weitgehend ausgespart. Erkenntnisse aus HEHn bei jungen Menschen, insbesondere durch die Jugendgerichtshilfen, werden lediglich ergänzend einbezogen, nämlich soweit sogar dort praktische Schwierigkeiten aufgezeigt wurden. Denn die Gegebenheiten für Tätigkeiten der Jugendgerichtshilfe (auch) als HEH stellen sich gegenüber den von der Gerichtshilfe vorgefundenen deutlich günstiger dar, sind mithin nur sehr begrenzt vergleichbar. Einmal sind ihre Aufgaben, prozessuale Stellung und Rechte bereits seit langem gesetzlich fixiert. Spätestens274 seit Inkrafttreten des 1. JGGÄndG (1990) gilt das auch für ihre Befassung in Haftsachen - und damit als HEH. Nach § 72a JGG ist die Jugendgerichtshilfe nämlich bereits von der vorläufigen Festnahme eines Jugendlichen oder Heranwachsenden27s zu unterrichten, wenn nach dem Stand der Ermittlungen eine Vorführung nach § 128 StPO zum (Haft-)Richter zu erwarten ist. Über die Vollstreckung eines Haftbefehls ist sie unverzüglich zu informieren, jedoch soll ihr auch schon dessen Erlaß mitgeteilt werden. Die gegenüber der Gerichtshilfe günstigere Position der Jugendgerichtshilfe wird über diesen gesetzlichen Rückhalt hinaus aber auch durch tatsächliche Komponenten mitbedingt. So ist die JGH infolge ihrer Anbindung bei den Jugendämtern der Kommunen dichter im Land verteilt und schon von daher personell besser ausgestattet als die bei den lediglich 19 Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen angesiedelte Gerichtshilfe. Zudem ist ihr Probandenkreis deutlich kleiner. Bei in diesem Feld ebenfalls tätigen, in der Regel eher justizfern organisierten freien Trägem schließlich steht meist eindeutig das Ziel der Untersuchungshaftvermeidung im Vordergrund, das durch ganz konkretes Zur-Verfügung-stellen sozialarbeiterischer Angebote erreicht werden so1l276. Dort gewonnene Erfahrungen können deshalb nur mit Zurückhaltung auf die
2n H. Cornel, 1994a, S. 209; G. Kawamura, 1994, S. 414 Fn. 15.
273 F. Dünkel, 1995b, S. 106; G. Kawamura, 1995, S. 114. m Zur früheren Situation vgl. H. Matenaer, 1987, S. 35 f.
27S Zwar sind die Heranwachsenden in § 72a JGG nicht ausdr1lcklich benannt, jedoch geht man vielfach davon aus, daß auch diese Gruppe von der Vorschrift erfaßt wird, vgl. H. Ostendorf, 1993, § 72aRn. 1; H. Cornel, 1994c, S. 401 m.w.N. 276 H. Cornel, 1994c, S. 398.
c. HaftentscheidWlgshilfe durch Gerichtshilfe
88
(gerade auch) zur neutralen Informationsbeschaffung verpflichtete277 , innerhalb der Justiz arbeitende Gerichtshilfe übertragen werden. Zur KlarsteIlung sei darauf hingewiesen, daß uns die nachfolgenden Informationen bei der Konzeption der eigenen Forschung großenteils noch nicht zur Verfügung gestanden haben. Gleichwohl sollen sie hier aus Gründen der Übersichtlichkeit einer geschlossenen Darstellung nicht nach dieser Gegebenheit differenziert vennittelt werden, zurnal neu eintreffende Berichte noch bis in das Jahr 1992 hinein auf die eigene Forschungsgestaltung einwirken konnten, eine strikte Trennung mithin kaum erreichbar wäre. Die im Text oder in den Fußnoten angegebenen Daten ermöglichen allerdings eine zeitliche Einordnung.
2. Erfahrungen aus den Bundesilindern Die anschließende Darstellung ist nach den deutschen Bundesländern geordnet, da diese fiir die Aufgabengestaltung der Gerichtshilfen zuständig sind. Am Beginn unserer Forschung hatten wir deshalb die Justizministerien aller (alten)278 Bundesländer angeschrieben, um Informationen zur dortigen Gerichtshilfe gebeten279 und zum Teil umfassende Unterlagen, manchmal gar mit Statistiken zur HEH, erhalten. Da vereinzelt die Aufgabe der Vermeidung oder Abkürzung der Untersuchungshaft auf einen privaten Träger delegiert worden war, sind auch Projekte freier Träger bei den jeweiligen Ländern eingereiht.
a) Hamburg Am umfassendsten niedergelegt waren Erkenntnisse aus dem ersten in Deutschland durchgeführten Modellprojekt bei der Hamburger Gerichtshilfe. Zu diesem hatte es zwar keine Begleitforschung gegeben280, so daß weitgehend nicht auf statistisch aufbereitetes Datenmaterial zurückgegriffen werden kann; Siehe B. 11. 2. Fn. 197. Die EinbeziehWlg der neuen BWldesländer schied aus, weil damals noch nicht mit dem Aufbau der Gerichtshilfe begonnen worden war, vgl. den auf der Herbstlconferenz der Justizminister Wld -senatoren Mitte November 1990 in Augsburg gefaßten Beschluß zum Thema "Aufbau der Bewahrungshilfe, der Erwachsenengerichtshilfe Wld der Führungsaufsichtsstellen in den ftlnf neuen Ländern", wiedergegeben bei H.R. Finger, 1991, S. 167. 279 Das Anschreiben vom 6.9.1991 ist im Anhang B., S. 368/369 aufgeftlhrt. 280 Diese war allerdings zunachst geplant, vgl. B. Plemper, 1979, S. 294 Anm. 1. 2n 278
m. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
89
jedoch war der Verlauf des Projektes in einem Bericht dokumentiert worden, der u.a. Stellungnahmen verschiedener Beteiligter gegenüberstellt, den (möglichen) Erfolg des Projekts erörtert, grundsätzliche Kritik übt und eine Auswahl an Daten im Anhang zur Verfügung stellt28l • Außerdem fanden sich in der Literatur einige weitere Beiträge, meist von an diesem Modell Beteiligten, die aus ihrer jeweiligen berufsspezifischen Sicht darüber berichteten und zu einer dieser entsprechenden Bewertung im Verlauf82 und am Ende der Modellphase kamen283 • Im Kern war die Idee zu diesem Projekt erst Anfang 1977 entstanden, nachdem ein Vertreter des Vereins Bewährungshilfe auf einem internationalen Symposium die Eindrücke einiger Juristen aufgenommen hatte, die diese über einen Besuch vom Juni 1976 bei verschiedenen Projekten des VERA-Institut of Justice wiedergegeben hatten284 • Soweit es dabei um die Vermeidung von Untersuchungshaft ging, erkannte er dafür hierzulande ein Einsatzfeld für die Gerichtshilfe. Auf Initiative der Deutschen Bewährungshilfe e. V. kam es im März 1977 zu einem "Innovationsgespräch" über den "Einsatz der Gerichtshilfe bei der Vorbereitung von Haftentscheidungen", an dem neben Richtern, Staatsanwälten und Gerichtshelfern aus verschiedenen Bundesländern auch Vertreter des Bundesministeriums der Justiz und Wissenschaftler teilnahmen. Im Grundsatz erkannte man dabei, daß das bestehende Informationsdefizit der Richter bei Haftentscheidungen durch den Einsatz von Gerichtshelfern abgebaut werden könne. Nachdem eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden war, startete bereits im Mai 1978 das Modellprojekt HEH in Hamburg, ohne daß ihm vor Ort eine nennenswerte Vorbereitungsphase28s , insbesondere eine Bedarfsanalyse vorausgegangen wären286• Getragen wurde es von der Deutschen Bewährungshilfe e. V., Bonn, und der Hamburger Justizbehörde, unterstützt durch den Hamburger Fürsorgeverein e. V. 287.
281
282
B. Plemper, 1980, S. 1/2. G. Reher, 1979, S. 167 f.; B. Plemper, 1979, S. 282 f.; K. Hardraht, 1980, S.
182 f. Siehe die Beiträge in: BewHi 28 (1981), S. 7- 44. Zur Genese des Projektes vgl. insbesondere G. Reher, 1979, S. 167 f. und B. Plemper, 1979, S. 282 f. . 285 Die am Modellprojekt Beteiligten verfolgten denn auch zwn Teil nicht übereinstimmende, manchmal während des Projektlaufes gar gelinderte Ziele, vgl. dazu insbesondere B. Plemper, 1980, S. 39- 45, und B. Plemper, 1979, S. 282 f. 286 G. Reher, 1979, S. 169. 287 Vgl. Staatliche Pressestelle (Hrsg.), Berichte und Dokumente aus der Freien und Hansestadt Hamburg, Nr. 592 vom 22.8.1979, abgedruckt in ZtstrVo 29 (1980), S. 50. 283 284
90
C. HaftentscheidWlgshilfe durch Gerichtshilfe
Die beiden für die Durchfiihrung der praktischen Arbeit im Modell gewonnenen Sozialarbeiter waren im für ganz Hamburg zuständigen Haftdezernat des Amtsgerichts Hamburg-Mitte tätig und dort in unmittelbarer Nähe zu den sieben Haftrichtern untergebracht, dadurch allerdings getrennt von den Kollegen der (allgemeinen) Gerichtshilfe288 . Angestrebt wurde, die Haftrichter durch den Einsatz von Sozialarbeitern umfassender über das Bestehen und die Intensität sozialer Bindungen des Festgenommenen zu informieren. Dadurch sollten sie in die Lage versetzt werden, bei ihrer Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer von Untersuchungshaft in möglichst starkem Maße auf die Persönlichkeitsstruktur und sozialen Bindungen des jeweiligen Festgenommenen abzustellen. Intendiert war ferner, die Hilfen der verschiedenen staatlichen Stellen für diejenigen Beschuldigten, die zwar verhaftet, später aber von der weiteren Vollziehung der Untersuchungshaft verschont wurden sowie für ihre Familien zu koordinieren. Darüberhinaus sollte der Modellversuch zeigen, ob das Angebot der Sozialarbeiter an die Haftrichter, konkrete Fürsorgemaßnahmen für haftverschonte Beschuldigte in Gang zu setzen und die Betroffenen intensiv zu betreuen, die Juristen veranlaßte, eine größere Anzahl von Personen als bisher von der Untersuchungshaft zu verschonen. Ausgerichtet war die Erkundung weiterhin darauf festzustellen, ob die Betreuungsversuche der Sozialarbeiter Folgen hinsichtlich der Strafzumessung und der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung in der Hauptverhandlung zeitigten289 • Die Auswirkungen der Tätigkeit der Sozialarbeiter sollten jedoch letztlich nicht erhoben werden. Damit kam man einem ausdrücklichen Begehren der beiteiligten Richter nach, die keine Kontrolle über ihre Fälle durch die Justizbehörde wünschten. Der Frage nach Untersuchungshaftvollzug oder Haftverschonung im Anschluß an eine sozialpädagogische Intervention konnte deshalb nicht nachgegangen werden290• Immerhin festgehalten ist aber das einen Zeitraum von 20 Monaten umfassende Volumen der von der HER erledigten Verfahren. Vom 2.5.1978 bis 31.12.1979 wurden 416 Fälle bearbeitee91 • Damit errechnet sich ein Monatsdurchschnitt von etwa 21 Aufträgen, dem allerdings eine Gesamtzahl von 300-400 monatlich anfallenden Haftsachen
288 Zu damit einhergehenden Folgeschäden filr das Verhältnis zu den Kollegen der allgemeinen Gerichtshilfe siehe D. Bender/G. Reher, 1981, S. 17,19. 289 Die vorstehenden Er1cundWlgsabsichten sind benannt in Staatliche Pressestelle (Hrsg.), wie Fn. 287, ZfStrVo 29 (1980), S. 50. 290 B. Plemper, 1980, S. 2. 291 Eigene BerechnWlg nach B. Plemper, 1980, S. 139,140.
ill. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
91
gegenübersteht292• Differenzierte man in Fälle der HER Wld andere Tätigkeiten293 der Mitarbeiter - für das Modellprojekt festgehalten ist das lediglich für das zweite Halbjahr 1979 -, würde die errechnete Durchschnittszahl kräftig schrumpfen, da die eigentlichen HEHn in diesem Zeitraum nicht einmal zwei Drittel aller Vorgänge ausmachten294 • Der Schwerpunkt der Gesamtaufträge lag in den Bereichen Eigentums-, Verrnögens- Wld BetäubWlgsmitteldelikte. Allein die Verletzung der Unterhaltspflicht erreicht aber im zweiten Halbjahr 1979 mit 7 Fällen einen Anteil von 13,0%. Obwohl die Haftrichter zu Beginn des Modells in erster Linie Beschuldigte aus dem Bereich der Kleinkriminalität als für eine sozialpädagogische Intervention geeignet angesehen hatten29S, waren Raubtaten immerhin fünfmal (9,3%), Sexualdelikte viennal (7,4%) vertreten. Entsprechend der räumlichen Nähe zu den Haftrichtern stellten diese die größte Gruppe der Auftraggeber. Allerdings war ihr Anteil, der zu Beginn über 80% ausgemacht hatte, im zweiten Halbjahr 1979 auf 60% gesunken296 • Eigene Initiativen der Sozialarbeiter, die in diesem Projekt möglich waren, hatten Ende 1978 zwar kurzfristig über ein Drittel der Aufträge ausgemacht, spielten in den letzten sechs Monaten 1979 mit 13,8% aber keine bedeutende Rolle mehr. Aufträge von der Staatsanwaltschaft gab es nahezu gar nicht297 . Beauftragten die Haftrichter die HER anfangs in über drei Vierteln der Verfahren bereits vor oder während der Vorfiihrung des Beschuldigten, fiel dieser Anteil im zweiten Jahr des Modellprojekts auf Wlter 50%298. Zu dieser Zeit waren die Sozialarbeiter nicht mehr - wie in der ersten Projektphase - im Vorführterrnin anwesend, um angesichts der Arbeitsbelastwtg ihre Zeit mögK. Hardraht, 1980, S. 186. Etwa DrogenberatWlg in der UntersuchWlgshaftanstalt, InfonnationsübermittlWlgen an Bewährungshilfe oder Gerichtshilfe, Gnadengesuche u.ä. 294 Bei 120 registrierten Verfahren fielen 66 (55%) Wlter die Rubrik lIEH, wobei aber die Beschaffung von Infonnationen zur HaftentscheidWlg nur 43 mal anstand. Selbst wenn die Berichte zur HauptverhandlWlg in Schnellverfahren, in denen die Beschuldigten inhaftiert waren (10 = 8,3%), noch addiert würden, errechneten sich für lIEHn allenfalls 63,3%. 29S B. Plemper, 1980, S. 45; G. Lau, ein arn Projekt beteiligter Haftrichter, spricht allerdings davon, daß Fälle der Kleinkriminalität gerade ausgeschieden werden sollten, vielmehr Vergehensflille mit mittlerer Straferwartwtg als geeignet angesehen wurden, 1981, S. 26. 296 B. Plemper, 1980, S. 141. 297 B. Plemper, 1980, S. 141. 298 B. Plemper, 1980, S. 141. 292
293
c. Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe
92
lichst effektiv einsetzen zu können299• Damit einhergehend erledigten sie die Aufträge nicht wie zuvor größtenteils sofort (63,6%) oder innerhalb von zwei Tagen (13,6%), sondern benötigten für zwei Drittel der Aufträge, jedenfalls im zweiten Halbjahr 1979, mehr als zwei Tage300• Die inhaltlichen Schwerpunkte bei den tatsächlich geleisteten Ermittlungen lagen in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Bezugspersonen, Finanzen und Sonstiges (z.B. soziale Probleme, wie Alkohol-lDrogenabhängigkeit). Der Anteil aller Bereiche hatte trotz möglicher Mehrfachnennungen im Verlauf des Projekts erheblich abgenommen30J • Als Erklärung dafür wurde eine Wandlung der Ermittlungen vom wnfassenden Bild über die Situation eines Beschuldigten hin zur gezielten Überprüfung einzelner spezieller Merkmale angeboten302 • Trotz aller aufgetretener Schwierigkeiten bewerteten fast alle Projektteilnehmer, so sie sich dazu geäußert haben, das Modell als einen Erfolto3 • Eine Senkung der Zahl der Untersuchungsgefangenen konnte durch die Tätigkeit des Modells zwar nicht erreicht werden304, jedoch erfolgten sowohl Haftprüfungen als auch in einzelnen Fällen Anklagen zügiger, so daß die Dauer der Untersuchungshaft im Durchschnitt gesenkt werden konnte30s • Die Klassifikation weiterer Ergebnisse des Modellprojektes als Erfolg ist abhängig vom jeweiligen Blickwinkel des Betrachters306• Dazu gehört einmal das Erreichen von mehr Gerechtigkeit in der Entscheidung über den Erlaß eines Haftbefehls und die Haftverschonung infolge der durch den Einsatz der Sozialarbeiter verbreiterten Informationslage307 • Dazu zu rechnen sind auch B. Plemper, 1980, S. 50. B. Plemper, 1980, S. 51; eine weitere Differenzierung in längere Zeitabschnitte erfolgte nicht. 301 B. Plemper, 1980, S. 142. 302 B. Plemper, 1980, S. 54. 303 K. Hardraht, 1980, S. 191; D. Bender/G. Reher, 1981, S. 24; G. Lau, 1981, S. 30; H. Beese, 1981, S. 15/16; wesentlich zurückhaltender al1erdings B. Plemper, 1980, S.125/126. 304 B. Plemper, 1985, S. 65. Günstigere Ergebnisse wurden allerdings bei vergleichbaren Tätigkeiten der französischen Bewährungshilfe mit der Maßnahme "enquete mpide" erzielt; seit deren Einftlhrung sank die In-U-Haft-Nahme vorgefiUuter Probanden von etwa 60% auf ca. 30%, vgl. H. PfetTer, 1986, S. 320. 305 G. Lau, 1981, S. 26. 306 Vgl. dazuB. Plemper, 1981, S. 42; siehe bereits B. Plemper, 1979, S. 294. 307 Als Erfolg ansehend wohl K. Hardraht, 1980, S. 191; H. Beese, 1981, S. 16; bei dem Richter G. Lau, 1981, S. 25 f., ist dieser Gedanke hingegen nicht ausdrücklich 299
300
ill. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
93
die Erweiterung der Fachkompetenz der Gerichtshilfe an einer entscheidenden Stelle und zu einem wichtigen "frühen" Zeitpunkt und damit das Erreichen eines zunehmenden Verständnisses der Richter und Staatsanwälte für die Gerichtshelfer und die "gemeinsamen" Klienten308 , schließlich die Vergrößerung des Betreuungsangebots für den Beschuldigten309• Festzuhalten bleibt aber ebenfalls die Tatsache, daß von sieben Haftrichtern einige die Sozialarbeiter "so gut wie nie einschalteten,,310 und diese ihre Arbeit auf einzelne Haftrichter konzentrierten, insbesondere dort, wo gegenseitige positive Erfahrungen vorlagen311 . Das Hamburger Projekt wurde nach Abschluß der Modellphase von der Gerichtshilfe weitergeführt, zumeist mit nur einem, jedoch weiterhin ausschließlich für den Bereich der HER zuständigen Mitarbeiter. Dabei konnten "in Zusammenarbeit mit einigen aufgeschlossenen und kooperativen Richtern" (Hervorhebung von R.G.) weiterhin Haftverschonungen, auch bei Delikten wie schwerer Diebstahl, Raub, schwerer Raub und Totschlag erreicht werden312~ gleichwohl ist es nicht gelungen, die Belegung der U-Haft zu reduzieren3\3. Da die Fallzuweisung ausschließlich über die Richter des Haft- und Schnelldezernates erfolge, sei die Auslastung der HER von der Akzeptanz der Richter und ihrer Risikofreudigkeit abhängit l4 . Zumal angesichts einer relativ hohen Fluktuation bei den Haftrichtem und einer Besetzung mit berufsjungen Richtern, müsse der Sozialarbeiter immer wieder um seine Arbeit "werben"3\S. Die Fallzahl, ab der die HER Hamburg als ausgelastet angesehen wird - nach Auffassung der Leiterin der Hamburger Gerichtshilfe sind das 100 bis 120 Fälle im Jahr -, wurde trotz optimaler räwnlicher Anbindung der HER316 in angesprochen, wohl aber das durch eine beabsichtigte Senkung der Verhaftungszahlen konkludent zum Ausdruck konunende Mißtrauen gegenüber den Richtern (26); skeptischer: G. Reher, 1979, S. 171, Wld insbesondere B. Plemper, 1980, S. 118, 121/122. lOS Vgl. einerseits H. Beese, 1981, S. Will, andererseits G. Lau, 1981, S. 28; skeptischer im Hinblick auf eine Allgemeingültigkeit der Erfahrwtgen auch D. Bender/G. Reher, 1981, S. 18,25. 309 Vgl. die Schilderwtg der Streitigkeiten darüber bei B. Plemper, 1979, S. 285, Wld B. Plemper, 1981, S. 40/41; siehe auch G. Lau, 1981, S. 28 f. 310 B. Plemper, 1980, S. 50. 311 D. Bender/G. Reher, 1981, S. 25. 312 W. Beckmann, 1987, S. 36; siehe auch: O. Masch, 1989, S. 240/241. 313 C. Biel, 1995, S. 135; C. Biel, 1996, S. 123. 314 C. Biel, 1995, S. 134; vgl. auch W. Beckmann, 1987, S. 36/37. 315 C. Biel, 1995, S. 134; 1996, S. 123. 316 Auch dies konnte bei einem Besuch bei der Hamburger Gerichtshilfe vor Ort erkWldet werden.
c. HaftentscheidWlgshilfe durch Gerichtshilfe
94
einigen Jahren nicht einmal erreicht. Die Auftragszahlen seien im übrigen nicht angestiegen, als zeitweilig zwei Mitarbeiter in der HEH eingesetzt werden konnten3l1 • Vor diesem Hintergrund wird die nunmehr fast zwei Jahrzehnte währende Konzentration auf die Haftrichter inzwischen in Frage gestellt und an eine Hinwendung auch zur Staatsanwaltschaft gedacht318 •
b) Berlin Auch in Berlin319 hatte es bereits im Jahre 1978 ein Projekt zur HEWHVH bei der Gerichtshilfe gegeben, das allerdings wegen fehlender Akzeptanz seitens der Richter und Staatsanwälte schon nach kurzer Zeit wieder eingestellt worden war. Nach seiner Wiederbelebung im Jahre 1984 bildete man wegen der ständigen Zunahme von Aufträgen im September 1990 eine mit sechs Personen besetzte Arbeitsgruppe, die seither für folgende Arbeitsfelder zuständig ist: HEHIHVH, Haftverschonung, Berichterstattung zur Hauptverhandlung über alle Untersuchungshaftgefangenen, Haftprüfungstermine, Beratung der U-Häftlinge innerhalb des Beratungszentrums der NA Moabit in Berlin, Teilnahme an Terminen zur Hauptverhandlung in besonderen Fällen, Übernahme von Bewährungsaufsichten in bestimmten Fällen. Zahlenangaben zu den einzelnen Tätigkeitsfeldern waren dem Schreiben der Senatsverwaltung für Justiz nicht zu entnehmen. Während jedoch zu allen benannten Aufgaben der Arbeitsgruppe weitergehende Ausführungen gemacht wurden, fehlten diese zur HEH. Im Bereich Haftverschonung und Haftvermeidung würden die Aufträge in Absprache mit der Staatsanwaltschaft und den Richtern beim Bereitschaftsgericht Berlin bearbeitet, wobei die Juristen die Auswahl der Fälle träfen. Bei der nunmehr gegebenen guten Zusammenarbeit zwischen diesen und der Arbeitsgruppe würden zunehmend sozialpädagogische Erwägungen mit einer höheren Priorität versehen. Im Vordergrund stünde die Beschaffung von Unterkunft für die festgenommenen Personen, wenn die fehlende Unterkunft und die polizeiliche Meldung das Hauptproblem bei der Beantwortung der Frage, ob U-Haft angeordnet werden müsse, darstelle. So c. Biel, 1995, S. 134/135. C. Biel, 1995, S. 135. 319 Die Angaben beruhen auf einem Schreiben der SenatsverwaltWlg ft1r Justiz, Der Leiter der Sozialen Dienste, vom 6.7.1992, in dem sich auch der Leiter der Arbeitsgruppe HaftentscheidWlgs- Wld HaftvermeidWlgshilfe, Herr Köppen, geäußert hat. Vgl. nunmehr K. KrowoIZ, 1996, S. 269 f.; dort werden auch Zahlen ft1r die lIEH (in einer Gruppe zusammen mit Geldstrafen-VRs- Wld Gnadensachen) ft1r 1991 Wld 1995 angegeben, die deren BedeutWlgsarmut nahelegen (S. 279/280). 311 318
ID. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
95
Hier sei viel Eigeninitiative erforderlich, weil zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung am nachmittag oder Abend bzw. am Wochenende öffentliche Einrichtungen nicht mehr kontaktiert werden könnten. Die Arbeitsgruppe strebt in Zusammenarbeit mit freien Verbänden die Einrichtung einer ausschließlich ihren Klienten zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeit an, um geeignete Personen mit gewisser Sicherheit unterbringen zu können320• In vielen Fällen, in denen Haftverschonung gewährt worden sei, werde hinsichtlich der Meldeauflage statt der Polizei die Arbeitsgruppe HEHIHVH (mit Beratungs- und Hilfsangeboten bis zur Hauptverhandlung) in Anspruch genommen.
c) Bremen In Bremen321 hatte die Gerichtshilfe im Jahre 1987 im Zusammenhang mit u.a. Überlegungen zur Vermeidung von Freiheitsentzug zwei weitere Mitarbeiter erhalten. Aus diesem Anlaß verfügte der dortige Leitende Oberstaatsanwalt am 3.8.1987: "...Für die Staatsanwaltschaft ergeben sich aus der ErweiterWlg folgende Möglichkeiten: 1)
2) In Haftsachen kann der Vollzug der UntersuchWlgshaft Wlter Umstanden dadurch verkürzt oder vermieden werden, daß die Gerichtshilfe die persönliche oder wirtschaftliche Lage des Beschuldigten aufklart Wld auf diese Weise Umstande zutage bringt, die den Verdacht der Fluchtgefahr ausräwnen oder entscheidend mindern.
3)
Gleichwohl wies die Statistik der Gerichtshilfe für Erwachsene bei dem Landgericht Bremen für die Rubrik ISonstigelHaftentscheidungshilfe" (Hervorhebung von H.G.) im Jahre 1988 lediglich einen Anteil von 1,69% aus, der 1989 auf 0,39% geschrumpft war. 1990 hielten die fünf vermerkten 320 Inzwischen hat der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt in Zusanunenarbeit mit der HaftentscheidWlgshilfe ein Konzept zur HaftvermeidWlg erstellt. Vorgesehen ist die Schaffung einer WohneinrichtWlg, in der 30 Erwachsene kwzfristig Wltergebracht werden können. Das Konzept konnte aus FinanzierWlgsgr1lnden bislang noch nicht realisiert werden, vgl. G. Kawamura, 1994, S. 419. 321 Die nachfolgenden Angaben basieren auf einem Schreiben des Senators filr Justiz Wld VerfasSWlg, Kriminologischer Dienst, der Freien Hansestadt Bremen vom 22.11.1991 nebst dazugehörigen Anlagen.
96
C. Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe
Fälle 0,87% an der Gesamtzahl von 575 Aufträgen, wobei zwei davon zudem von auswärtigen Staatsanwaltschaften und Gerichten herrührten. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die Mitarbeiter der Gerichtshilfe in Bremen mit der Vermeidung und Abkarzung von Untersuchungshaft (Hervorhebung von HG.) regelmäßig nicht befaßt sind. Der Senator fiir Justiz und Verfassung hat diese Aufgabe an einen privaten Träger der StraffiUligenhilfe delegiert. Dieser Träger, der gemeinnützige Verein Hoppenbank e.V., ist seit 1971 im Bereich der StraffiUligenhilfe täti~22. Zu seinen Zielen gehört es, Straf- und Untersuchungshaft zu vermeiden. Seit dem 1.7.1985 besteht das Projekt U-HaftvermeidunglU-Haftreduzierung, das hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, den Haftgrund der Fluchtgefahr durch Verschaffung eines festen Wohnsitzes und das Angebot/die Gewährleistung sozialpädagogischer Betreuung auszuräumen. Das Projekt, das sich in erster Linie an erwachsene323 Männe~24 wendet, ist in der Lage, etwa 13 Personen vorübergehend (befristet auf drei bzw. sechs Monate) eine (betreute) Wohnmöglichkeit zu bieten. Ziel ist dabei, den Klienten möglichst schnell zu eigenem Wohnraum zu verhelfen, was allerdings als sehr schwer angesehen wird. Nachdem das Projekt zunächst ausschließlich über ABM-Maßnahmen durchgefiihrt wurde, wird die Stelle seit 1990 vom Senator fiir Justiz und Verfassung über PersonaIkostenzuschüsse getragen. Darüber hinausgehende ABM-Maßnahmen seien nur mit Unterbrechungen fortgesetzt worden. Das habe eine kontinuierliche Arbeit in dem gewünschten und erforderlichen Umfang behindert. Der Kontakt zu den Mitarbeitern des Projekts kann direkt, über den Sozialdienst der U-Haftanstalt, Rechtsanwälte, Polizei, Gerichtshilfe oder andere Kontaktpersonen hergestellt werden. Seitdem jeder Neuzugang in der U-Haft ein Faltblatt mit den notwendigen Daten über das Projekt U-Haftvermeidung 322 Die nachfolgenden Angaben basieren auf einem Besuch beim U-Haftvenneidungsprojekt des Vereins Hoppenbank e.V., Bremen, und insbesondere auf dem von R. Heitmann erstellten Projektbericht vom 31.8.1992; vgl. weiterhin H. Comel, 1987b, S. 40 f., D. Greve/R.. Heitmann/U. JüttnerlB. Korte/H. LommeVC. Meissner/A. Schurnann/A. Welchner, 1991, S. 34/35, und C. Bertram, 1994, S. 145. 323 Seit 1.7.1993 gibt es in Bremen auch noch eine vom Verein ft1r Bewährungshilfe ft1r Jugendliche und Heranwachsende e.V. gegründete Anlauf- und Beratungsstelle, deren Aufgabe vorrangig in der Organisation und Durchftlhrung von U-Haft-Venneidungsstrategien ft1r junge Erwachsene in Bremen besteht, vgl. G. Kawamura, 1994, S. 416 m.w.N. 324 Zu einem Projekt speziell ft1r Frauen in Bremen siehe U. Harjes/C. Sachau, 1991, S. 76 f.
m. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
97
erhalte, sei die Zahl der Selbstmelder erheblich gestiegen~ sie mache inzwischen über drei Viertel aller Meldungen aus, während solche durch den Sozialdienst, Rechtsanwälte, Bewährungshilfe und andere eher rückläufig seien. Die Mitarbeiter des Projekts halten regelmäßig wöchentlich eine Sprechstunde in der NA ab, zu der alle U-Häftlinge nach vorheriger Anmeldung Zugang haben. Die Projektmitarbeiter haben die Möglichkeit, mit allen U-Häftlingen Gespräche zu führen. Um eine Entlassung zu erreichen, kommt außer der Aufnahmezusage in ein teil stationäres oder ambulantes Angebot des Vereins auch die Vermittlung an andere InstitutionenlVereine/Therapieeinrichtungen in Betracht. Liege eine schriftliche Einzugszusage des Projektes vor, beantrage der Anwalt des Klienten einen Haftprüfungstennin. Dieser finde etwa 14 Tage später statt und führe meist zur Entlassung. Die Statistik des Projektes U-Haftvermeidung von 1985 bis 1992 verdeutlicht, daß die Anzahl der Personen, mit denen es zu einer Kontaktaufnahme kam. kontinuierlich von 15 auf 76 angestiegen ist. Durchschnittlich wurden rund 30% von ihnen aufgrund der Projektarbeit aus der Haft entlassen. Die Fälle der Haftvermeidung kamen dabei nie über einen Anteil von 3,6% (1989) hinaus~ 1991 wurden lediglich 1,4%, 1992 2,6% erreicht. Somit liege der Schwerpunkt des Projektes U-Haftvermeidung eindeutig bei der U-Haftreduzierung. In letzter Zeit sei die Entlassung aus der Untersuchungshaft häufiger allerdings erst im Hauptverhandlungstennin erfolgt, wobei ohne vorliegende Einzugs- oder Betreuungszusage sowie Therapiebemühungen die ausgesprochenen Strafen oft nicht zur Bewährung ausgesetzt worden wären. Angesichts dessen verwundert es nicht, daß der Aufenthalt in der U-Haft in den meisten Fällen länger als acht Wochen dauerte, obwohl im Jahre 1992 der Erstkontakt zum Projekt in der Hälfte der Fälle nicht später als zwei Wochen nach der Inhaftierung stattgefunden hatte.
d) Hessen Nach Mitteilung des Hessischen Ministeriums der Justiz32S lagen die Tätigkeitsschwerpunkte der Gerichtshilfe zu Beginn der 90er Jahre überwiegend in den Bereichen gemeinnütziger Arbeit nach der Tilgungsverordnung, im Rahmen von § 153a StPO und in Bewährungssachen, in denen kein Bewährungshelfer tätig ist. Seit 1990 bestand allerdings landesweit für die hessischen Haftrichter die Möglichkeit, einen Sozialarbeiter der Gerichtshilfe als HEH in Fällen der wegen Fluchtgefahr angeordneten Untersuchungshaft in Anspruch 325
Schreiben vom 15.11.1991, Aktenzeichen 4263 - mn -1009/91.
7 Geiter
c. HaftentscheidWlgshilfe durch Gerichtshilfe
98
zu nehmen326• Dieser sollte ihm kurzfristig genaue Kenntnisse über die persönliche und wirtschaftliche Lage des Beschuldigten vermitteln und darüber hinaus in Einzelfällen sogar dessen persönliche Lage verbessern. etwa durch Beschaffung einer geeigneten Unterkunft. So sollten bei Delikten der Kleinund mittleren Kriminalität möglicherweise die Voraussetzungen für eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls nach § 116 StPO geschaffen werden327 • Die Einschaltung der Gerichtshilfe als HEH sollte auf drei Wegen erfolgen können: "1. Der Haftrichter bittet den Gerichtshelfer unmittelbar fenunÜIldlich wn EnnittlWlgen. 2. Die zuständigen Geschäftsstellen der Amtsgerichte übersenden in AblichtWlg eine AusfertigWlg des Haftbefehls an die Gerichtshelfer. 3. Der Gerichtshelfer kann in die entsprechenden Akten unmittelbar nach deren Eingang bei der Staatsanwaltschaft einsehen Wld Wlterbreitet in geeigneten Fällen sodann dem Haftrichter einen Vorschlag ftIr ein Tätigwerden der HaftentscheidWlgshilfe. "
Als Grund für die landesweite Ausdehnung der HEH wurden die Erfahrungen angefiihrt, die in melujährigen Projekten zunächst in den Amtsgerichtsbezirken Frankfurt am Main und Kassel sowie im Landgerichtsbezirk Gießen erworben worden wären. Dort sei deutlich geworden, daß eine Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft, im Ausnahmefall auch bereits über den Erlaß der Untersuchungshaft, bei Ermittlung der wirtschaftlichen und familiären Hintergründe des Beschuldigten grundsätzlich auf eine breitere Basis gestellt werden könne. Nützlich und hilfreich sein könnten die Feststellungen der HEH ebenfalls für das erkennende Gericht im Rahmen seiner Erwägungen zur Strafzumessung, insbesondere wenn der Beschuldigte gemäß einer die Aussetzung des Haftbefehls begleitenden Auflage des Haftrichters ständigen Kontakt zur HEH zu halten hatte und diese darüber in der Hauptverhandlung berichtete328 • Diesen Erfahrungen lagen insgesamt 340 Aufträge zugrunde, die seit dem jeweiligen Projektbeginn an die Gerichtshilfen gegeben worden waren 326 PresseerklärWlg des Hessischen Justizministers vom 11.6.1990 "Hessens Justizminister Koch: EntscheidWlgshilfe ftIr Haftrichter nunmehr landesweit! ", abgedruckt in ZfStrVo 39 (1990), S. 369. 327 Vgl. dazu Wld zum folgenden das laut Schreiben des hessischen Ministeriums der Justiz vom 5.2.1991, Aktenzeichen 4012 168/85, allen entsprechenden Richtern in Hessen übennittelte Projekt-Memo zur HaftentscheidWlgshilfe, 4012 -168/85. 328 Siehe Projekt: HaftentscheidWlgshilfe, 4012 168/85.
mn -
mn
mn -
ill. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
99
(Frankfurt: Januar 1986329; Kassel und Gießen: Mitte 1987; Ausweitung des Projektes schließlich Zug um Zug, so daß es schon vor der zum März 1990 erfolgten landesweiten Ausdehnung in sieben von neun Landgerichtsbezirken vertreten wari 30. Die Aufträge ergingen überwiegend in Verfahren, die Eigentumsdelikte (234 = 68,8%), Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (21 = 6,2%) und Straftaten des Raubes (15 = 4,4%) zum Gegenstand hatten. In 93 Fällen (27,4%) wurde der Haftbefehl aufgehoben (10 = 2,9%) bzw. anIäßlich eines Haftprüfungstermins Haftverschonung gewährt (83 = 24,4%). Die Gerichtshilfen hatten 72 Beschuldigten einen Wohnsitz vermittelt. Die Außervollzugsetzung erfolgte 46 mal unter der Auflage, sich regelmäßig bei der HEH zu melden. Allerdings gelang es lediglich in 25 Fällen (7,4%) bereits anIäßlich der Vorführung durch Einschaltung der Gerichtshilfe eine Haftverschonung zu erreichen33!. Die hier erzielten Erfolge haben besonderes Gewicht vor dem Hintergrund, daß dieses Projekt "Haftentscheidungshilfe" ausschließlich die Vermeidung der Untersuchungshaft betraf, nicht - wie in anderen Bundesländern332 - auch die Vermeidung von Haft nach § 463d StPO. Für diese Variante war in Hessen nämlich ein eigenes Projekt, "Widerrufsvermeidung" , eingerichtet, bereits seit dem 1.1.1986 landesweit. Aufgrund einer gesonderten Erhebung ließ sich feststellen, daß diese spezifische Tätigkeit der Gerichtshilfe einen hohen Anteil (bis zu 80%) von ansonsten wahrscheinlichen Widerrufen in diesem Bereich verhindern konnte333 •
Der Vermeidung oder Verkürzung von Untersuchungshaft bei Erwachsenen widmet sich darüberhinaus in Frankfurt auch der zum 1.1.1994 gegründete Verein "Schöne Aussicht GbR mbH". Er ist Träger des von der Hessischen Landesregierung gernrderten Projektes "Vermeidung und Verkürzung von Untersuchungshaft in Fällen angenommener Fluchtgefahr"334. Dessen Inhalt ist es, durch die Bereitstellung von Übergangswohnplätzen mit sozialpädagogischer Beratung durch SozialarbeiterInnen den Haftgrund der Fluchtgefahr auszuräumen oder zumindest in den Fällen eine Alternative anzubieten, in 329 Allein aufFrankfwt bezogen vgl. bereits W. Schädler, 1987, S. 46 f., der feststellt, daß es offenbar gelWlgen sei, die filnf Frankfwter Haftrichter zu einer Mitarbeit im Ralunen des Projekts zu bewegen. Ungeachtet einer Wlterstützenden HausverfilgWlg seitens des Behördenleiters hätten die Staatsanwälte bisher nur wenig von der HaftentscheidWlgshilfe Gebrauch gemacht (48). 330 K.-H. GroßIW. Schädler (Hrsg.), 1990, S. 13 (Projekt IHaftentscheidWlgshilfe"). 331 Siehe K.-H. GroßIW. Schädler (Hrsg.), 1990, S. 13. 332 Z.B. dem Saarland Wld Niedersachsen, vgl. dazu C. ill. 2. e) und g). 333 Siehe K.-H. GroßIW. Schädler (Hrsg.), 1990, S. 11. 334 Siehe zu diesem Projekt die Beiträge von P. Rettenbeck, 1995, S. 145 f., und L. Hochgesand, 1995, S. 149 f., auf denen die nachfolgenden Angaben basieren.
100
c. Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe
denen seitens der zuständigen RichterInnen und StaatsanwältInnen das Angebot des Projektes als ausreichend angesehen wird. um den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Zielgruppe des Projektes sind von U-Haft Bedrohte oder Untersuchungsgefangene, die zum Tatzeitpunkt bereits erwachsen waren, sich in deutscher Sprache verständigen können, ihren regelmäßigen Aufenthalt in der BRD haben und nicht suchtmittelabhängig sind. Das Projekt, für dessen praktische Durchführung zwei SozialarbeitersteIlen geschaffen wurden, verfUgt über 11 Plätze in angemieteten Ein- und Zweizimmerwohnungen in Frankfurt und Umgebung und soll die Untersuchungshaftanstalten um jährlich 40 von U-Haft bedrohte Personen entlasten. Obwohl bei dessen Vorstellung am 1.3.1994 die Teilnehmer (Haftrichter, Vertreter des Justizministeriurns, der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, der Staatsanwaltschaft, der Amtsanwaltschaft, der HEll) seine Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit vehement bestritten hätten, wären innerhalb von vier Monaten seit Aufnahme der regelmäßigen Arbeit bereits 21 Haftverschonungen aufgrund des Aufnahmeangebots des Projekts ausgesprochen worden. Vorangegangen seien insgesamt 167 an das Projekt herangetragene Anliegen, die in 64 Fällen zur Einleitung eines Aufnahmeverfahrens in das Projekt geführt hätten. Bis zum 31.10.1994 sei dieses hinsichtlich von 49 Personen erfolgreich abgeschlossen gewesen. 28 mal habe der Haftrichter dennoch eine Haftverschonung abgelehnt. Da nach dem Projektkonzept erst die Beantragung eines Haftbefehls durch den Haftstaatsanwalt den frühesten Interventionszeitpunkt abgibe 3s , gelingt es wegen der Kürze der Zeit meist nicht, bereits bis zur Entscheidung des Haftrichters ein ProjektangeOOt zu unterbreiten. In allen Fällen sei es deshalb bislang lediglich zu einer Haftverkürzung gekommen.
e) Saarland Im Saarland336 ist die HEH seit 1990 dem Sozialdienst der Justiz als ständige Einrichtung zugeordnet, nachdem ein 1987 begonnener dreijähriger Modellversuch337 erfolgreich verlaufen war. Sie ist mit zwei Sozialarbeitern besetzt, die für das gesamte Saarland zuständig sind. Der Aufgabenbereich der "Haftentscheidungshilfe" sei damals eng konzipiert worden. Sie sollte den m Dazu bereits L. Hochgesand/A. Grabenhorst, 1990, S. 42. Die nachfolgenden Angaben beruhen auf einem umflinglichen von Mitarbeitern des Sozialdienstes der Justiz beim Landgericht Saarbrücken (1. DenkIW. Preis) ersteIlten Bericht zur Gerichtshilfe im Saarland, den das saarländische Ministerium der Justiz mit Schreiben vom 19.12.1991 aufWlsere Anfrage hin übersandt hatte. 331 AV des Ministers der Justiz vom 9.3.1987, Nr. 4/1987 Az.: 4205 - 3. 336
ill. HaftentscheidWlgshilfe in Diskussion, Statistik Wld Praxis
101
Haftrichter über die persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betroffenen unterrichten und dem Beschuldigten anderweitig nicht sichergestellte fachlich gebotene Hilfe und Betreuung leisten oder vermitteln und von der Staatsanwaltschaft so früh wie möglich eingeschaltet werden. Beabsichtigte die Staatsanwaltschaft den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu beantragen oder wurde sie zum beabsichtigten Widerruf angehört, hatte sie zunächst, soweit kein Bewährungshelfer zugeordnet war, die lIEH einzuschalten. Dieser oblag es, über die Gründe der Nichtbefolgung von Auflagen oder Weisungen zu berichten. Gleichwohl erreichten die lIEH zunehmend auch Aufträge aus dem Spektrum allgemeinerer Gerichtshilfearbeit (u.a. Berichte im Gnadenverfahren, wegen Einstellungen nach § 153a StPO und zur Hauptverhandlung, § 160 Abs. 3 StPO). Der Schwerpunkt der übertragenen Aufgaben habe aber eindeutig bei Stellungnahmen zum beabsichtigten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, mithin im Strafvollstreckungsverfahren gelegen. In den Statistiken von 1988-1990 erreichten diese Aufträge meist über, zumindest aber annähernd 95%. Die eigentliche HEH zur Vermeidung der Untersuchungshaft wurde in der berichteten Zeit insgesamt siebenrnal durchgeführt und hielt damit im Durchschnitt der drei Jahre einen Anteil von 0,5% an den Gesamtaufträgen. j) Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz, wo die bei den Landgerichten angesiedelte, in den Sozialdienst der Justiz eingebundene Gerichtshilfe bis zum Ende der 80er Jahre kaum in Anspruch genommen worden war, schien es zwar gelungen, durch die Anfang 1989 erfolgte Zuordnung von Gerichtshelfern zu einzelnen Staatsanwaltschaften338 das Auftragsvolumen generell zu steigern. Ebenfalls wurde der bezweckte Anstieg der Aufträge im Ermittlungsverfahren erreicht (auf damals 300/0-40%). Dem auf unsere Anfrage übersandten Schreiben des Justizrninisteriurns339 war jedoch nicht der Anteil der lIEHn daran zu entnehmen. Denn eine diesbezügliche Beauftragungsmöglichkeit bestand lediglich neben den üblichen anderen Aufgaben der Gerichtshilfe. Wohl sollten bestimmte Arbeiten in der Probephase bevorzugt vergeben werden. Zu diesen gehörten allerdings außer der lIEH auch noch der Täter~fer-Ausgleich, die Siehe oben B. II. 3. a). Schreiben des Ministeriwns der Justiz Rheinland-Pfalz vom 26.9.1991, Aktenzeichen 4260 E -1- 3/91. 338 339
c. Haftentscheidungshilfe durch Gerichtshilfe
102
Verletzung der Unterhaltspflicht, die Venneidung des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung sowie Beziehungsstraftaten3