Unternehmensethik in der Betriebswirtschaftslehre: Vergleichende Analyse ethischer Ansätze in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre [2 ed.] 9783896448019, 9783896730282

Ethik ist ein Thema, das in der Betriebswirtschaftslehre in periodischen Abständen immer wieder auftritt. Es ist sowohl

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German Pages 224 [245] Year 1998

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Unternehmensethik in der Betriebswirtschaftslehre: Vergleichende Analyse ethischer Ansätze in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre [2 ed.]
 9783896448019, 9783896730282

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Untemehmensethik in der Betriebswirtschaftslehre

Schriftenreihe Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Band 26

Udo Neugebauer

Unternehmensethik in der Betriebswirtschaftslehre Vergleichende Analyse ethischer Ansätze in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre

2., überarb. und erw. Auflage

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Neugebauer, Udo: Untemehmensethik in der Betriebswirtschaftslehre. Vergleichende Analyse ethischer Ansätze in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre / Udo Neugebauer. - 2., überarb. und erw. AufL - Sternenfels ; Berlin : Verl. Wiss, und Praxis, 1998 (Schriftenreihe Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ; Bd. 26) ISBN 3-89673-028-2

ISBN 3-89673-028-2

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 1998 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

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Printed in Germany

Vorwort

5

Vorwort In der nahezu neunzigjährigen Geschichte der deutschsprachigen Betriebs­ wirtschaftslehre wurde in Abständen immer wieder das Thema eines „ethi­ schen“ Wirtschaftens aufgegriffen und in Betriebswirtschaftsmodelle ein­ gearbeitet. Sei es, daß man dem Vorwurf der „Profitlehre“ entgegentreten, die Menschen- und Gemeinschaftsdienlichkeit des Betriebes verankern oder die Gesellschaftsverträglichkeit der unternehmerischen Wirtschaftstä­ tigkeit fördern wollte. In der Gegenwart läuft nun wieder eine wirtschaftsund untemehmensethische Diskussion, die Antworten auf gegenwärtige Probleme unserer wirtschaftsgeprägten Gesellschaft zu geben sucht. Aller­ dings lassen die zeitgenössischen Fachvertreter im wesentlichen die Ge­ dankengänge der „Altmeister“ einer ethisch-normativen Betriebswirt­ schaftslehre außer Betracht und gehen eigene Wege. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der vorgelegten Arbeit der Ver­ such unternommen, auf der methodischen Basis der „Vergleichenden Be­ triebswirtschaftslehre“ eine systematisierende Darstellung profilierter An­ sätze der deutschsprachigen „ethischen“ Betriebswirtschaftslehre vorzu­ legen. Die gegenwärtige untemehmensethische Diskussion durch eine ex­ plorative Analyse von ausgewählten Betriebswirtschaftsvorstellungen, eine historische Vergleichsdarstellung und einen perspektivischen Ausblick zu ergänzen, ist das Ziel und Anliegen dieser Untersuchung. Für die großzügige Ermöglichung und Förderung sowie ihre persönliche Unterstützungsbereitschaft meines Promotionsvorhabens bin ich in beson­ derem Maße Frau Professor Dr. Ruth Endress zu Dank verpflichtet. Mein aufrichtig empfundener Dank gilt auch Herm Professor Dr. Michael Reiß, der sich in der ihm eigenen, kooperativen und verständnisvollen Weise als Mitberichter dieser Arbeit zugewandt hat.

„Klöster auf dem Weg nach Rom“ waren für mich Gesprächskreise an der Evangelischen Akademie Bad Boll, der Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart und das in den letzten Jahren geknüpfte und unter maßgeblicher Verantwortungsübemahme von Herm Professor Horst Steinmann ver­ dichtete „Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik - EBEN Deutschland“. Schließlich muß auch das Institut für Wirtschaftsethik an der Hochschule St. Gallen unter Leitung von Herm Professor Peter Ulrich freundlich er­

6

Vorwort

wähnt werden für wertvolle Institutspublikationen und die Bibliotheksbe­ nutzungsberechtigung.

Daß die Promotion nicht unter Ausschluß menschlich-freundschaftlicher Anteilnahme verlief, verdanke ich jenen zuverlässigen Menschen, die in mir persönlich und nicht nur im Erfolg meines Vorhabens den wesentlichen Wert sahen. Dazu zählen neben meinen Eltern und einer überschaubaren Zahl von Freunden auch die Studentenpfarrer, die ich während meiner Zeit an der Universität Stuttgart kennen und schätzen lernte. Mein freundlicher Dank gilt - last but not least - auch der erfahrenen Un­ terstützung bei der Dissertationspublikation. Besonderer Dank gebührt der Aufgeschlossenheit von Herm Reinhold Würth (Vorsitzender des Beirats der Würth-Gruppe) und der Initiativkraft von Herm Dr. Klaus Tiedje, stellvertretend für die Wirtschaftsgilde e. V. Herr Dr. D. J. Brauner vom Fachverlag Wissenschaft und Praxis war stets ein kompetenter und aufge­ schlossener Berater.

Stuttgart, im Juli 1994

Udo Neugebauer

Vorwort zur 2. Auflage Daß die erste Auflage dieses Buches binnen weniger Jahre vergriffen sein würde, war nicht abzusehen. Auch die Verleihung des Max-Weber-Preises für Wirtschaftsethik 1996 bedeutete eine angenehme Überraschung. Daß aber die Bedeutung des ethischen Handelns im Untemehmensrahmen wei­ terhin relevant ist, überrascht nicht. Vor diesem Hintergund wird eine zweite Auflage dieses Buches als sinn­ voll erachtet. Hierbei wird die ursprüngliche Fassung inhaltlich überarbei­ tet, ergänzt und an einigen Stellen erweitert. Beispielsweise wird ein Ab­ schnitt zu „Führungsethik“ aufgenommen. Der Aufbau und Umfang wird im wesentlichen beibehalten. Die erforderlichen inhaltlichen Ergänzungen werden in das bewährte Gliederungsschema integriert.

Mein Dank gilt erneut der aufgeschlossenen verlagsseitigen Unterstützung von Herm Dr. Brauner, aber auch der „IFord-gewandten“ Hilfe von Frau Beate Langer. Möge auch der nun vorliegende Band eine positive Auf­ nahme sowie eine interessierte Leserschaft und viele Freunde finden.

Stuttgart, im Januar 1998

Udo Neugebauer

Inhaltsverzeichnis

7

Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort......................................................................................................... 5 Vorwort zur 2. Auflage...............................................................................6 Abkürzungsverzeichnis.............................................................................. 14

1.

EINFÜHRUNG.......................................................................................... 15

1.1

AUSGANGSLAGE................................................................................... 15

1.2

BEGRIFFSVERSTÄNDNIS.................................................................... 16

1.3

ARBEITSINTENTION ............................................................................. 18 Untersuchungsgegenstand und Arbeitsthesen........................................ 18 Untersuchungsziel und Arbeitsschema.................................................... 19

1.4

ARBEITSMETHODE............................................................................... 20

Auswahlentscheidung.............................................................................. 20 Forschungsmethode................................................................................. 21 Erkenntnisgrenzen.................................................................................. 23 1.5

ARBEITSPERSPEKTIVE........................................................................ 24

2.

IDEALISTISCHES WIRTSCHAFTSBILD VON H. NICKLISCH....... 25

2.1

BETRIEBSETHISCHE BETRACHTUNGEN IN DEN 20ER JAHREN............................................................................ 25

2.2

PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN BEI HEINRICH NICKLISCH.......................................................................... 26

2.2.1 Philosophische Wurzeln von Nicklischs Betriebswirtschaft... 26 Philosophie des deutschen Idealismus (einschließlich Kant)................. 27 Naturwissenschaftlicher Materialismus.................................................. 28 Deutsche Romantik................................................................................. 29 2.2.2 Grundbausteine im System von Nicklisch..................................... 30 Die Materie.............................................................................................. 30 Der Mensch.............................................................................................. 30 Die Organisationsgesetze........................................................................ 32

8

Inhaltsverzeichnis

2.3 WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT BEI NICKLISCH.................... 34

2.3.1 Wesen der Wirtschaft..................................................................... 34 2.3.2 Organische Ganzheit.........................................................................36 2.3.3 Egoismuskritik................................................................................... 36

2.4 WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT ALS NORMWISSENSCHAFT....... 38 2.5 MENSCHEN- UND BETRIEBSVERSTÄNDNIS BEI NICKLISCH...... 40

2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4

Der Mensch in der Betriebsgemeinschaft.....................................40 Der Betrieb und die Betriebswirtschaftsziele............................ 41 DerBetriebsprozeb und Wertekreislauf....................................... 42 DieBetriebsethik............................................................................... 47

2.6 BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ALS ETHISCH­ NORMATIVE WIRTSCHAFTSLEHRE.......................................... 48 2.6.1 Betriebswirtschaftslehre als Einzelwirtschaftslehre............48 2.6.2 Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis......................... 50 2.7 KRITISCHE WÜRDIGUNG DES ANSATZES VON NICKLISCH...... 53

2.7.1 Zusammenfassende Darstellung................................................... 53 2.7.2 Kritische Anmerkungen................................................................... 54 2.7.3 Weiterführende Gedanken.............................................................. 56

3.

CHRISTLICHE WIRTSCHAFTSSICHT VON W. KALVERAM............59

3.1 CHRISTLICHE WIRTSCHAFTS AUFFASSUNG DER 50ER JAHRE............................................................................ 59

3.2 WIRTSCHAFT ALS KULTURFUNKTION BEI AUGUST MARX....... 59 3.2.1 Wesen und Aufgabe der Wirtschaft.............................................. 59 3.2.2 Ethik und Wirtschaft...................................................................... 61 3.2.3 Ethik und Betriebswirtschaftslehre............................................ 62

3.3 WIRTSCHAFTSETHIK BEI OSWALD VON NELL-BREUNING........ 63

3.3.1 Wirtschaftsethische Sicht.............................................................. 63 3.3.2 Wissenschaftsverständnis.............................................................. 66 3.3.3 Betriebs Verständnis........................................................................ 67

Inhaltsverzeichnis

9

3.4 CHRISTLICHE WELTANSCHAUUNG VON KALVERAM................ 68 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4

Weltanschauliche Grundlagen..................................................... 68 Wirtschaft und Gesellschaft.........................................................70 Wirtschaft und Ethik...................................................................... 71 Wirtschaftswissenschaftliches Verständnis............................. 73

3.5 MENSCH UND UNTERNEHMUNG BEI KALVERAM....................... 74 3.5.1 Das Menschen- und Mitarbeiterbild............................................. 74 3.5.2 Das Betriebsbild................................................................................ 76 3.5.3 Die wirtschaftlichen Kenngröben................................................. 78

3.6 BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ALS FACHWISSENSCHAFT..... 80

3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4

Betriebswirtschaftslehre als Betriebswissenschaft................. 80 Betriebswirtschaftslehre als Lehre............................................. 81 Betriebswirtschaftliches Forschungskonzept........................... 82 Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung............. 85

3.7 KRITISCHE WÜRDIGUNG VON KALVERAMS KONZEPTION...... 88

3.7.1 Kritische Einwände...........................................................................88 3.7.2 Zusammenfassende Stellungnahme............................................... 91 4.

WIRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON P. ULRICH.........................................................................................95

4.1 WERTÜBERLEGUNGEN IN DER BETRIEBS­ WIRTSCHAFTSLEHRE................................................................... 95 4.2 PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN BEI PETER ULRICH.................. 99

4.2.1 Kritische Theorie als Fundament.................................................. 99 4.2.2 Kritik des Utilitarismus................................................................. 100 4.2.3 Programm der kommunikativ-ethischen Vernunft................... 101 4.3 WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT................................................102

4.3.1 Kritische gesellschaftliche Bestandsaufnahme...................... 102 4.3.2 Wirtschaft und Gesellschaft....................................................... 103 4.3.3 Wirtschaftswissenschaftliche Neukonzeption..........................104 4.4 WIRTSCHAFTSETHIK........................................................................... 105

4.4.1 „Zwei-Welten-Konzeption“ von Ökonomik und Ethik............... 105 4.4.2 Grundlagenkritische Wirtschaftsethik..................................... 107

Inhaltsverzeichnis

10

4.4.3 Integrative Unternehmensethik................................................. 109

4.5 MENSCH UND UNTERNEHMUNG BEI ULRICH............................... 110 4.5.1 Das Unternehmensbild.................................................................... 110 4.5.2 Das Menschenbild........................................................................... 111 4.5.3 Das Zielbild....................................................................................... 112

4.6 BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ALS SOZIAL­ WISSENSCHAFT............................................................................ 113

4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4

Betriebswirtschaftliche Wissenschaftskonzepte.................... 113 Theoriebezug der praktischen Sozialökonomie.......................... 114 Praxisbezug der sozialökonomischen Konzeption.................... 116 Empirische Befunde.......................................................................... 117

4.7 BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ALS MANAGEMENT­ LEHRE............................................................................................ 123 4.7.1 Managementkonzeption von Peter Ulrich.................................. 123 4.7.2 Ethik der Kooperation.................................................................... 126

4.8 KRITISCHE WÜRDIGUNG VON ULRICHS ANSATZ...................... 127 4.8.1 Einwände gegen diesen Ansatz...................................................... 127 4.8.2 KostenbetrachtungdesKonsensus-Managements................... 131 4.8.3 Zusammenfassende Stellungnahme..............................................133

5.

UNTERNEHMENSETHISCHER ANSATZ VON H. STEINMANN..............................................................................135

5.1 VERANTWORTUNG ALS UNTERNEHMERISCHE AUFGABE..... 135

5.1.1 Verantwortungsdefizite unternehmerischen Handelns....... 135 5.1.2 „SozialeVerantwortung“ des Unternehmers............................ 136 5.1.3 Verantwortung in der Wirtschaftswissenschaft.................... 138 5.2 PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN BEI HORST STEINMANN..... 140 5.2.1 Konstruktive Philosophie und Ethik........................................... 140 5.2.2 Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft....................................... 141 5.2.3 Konstruktivistisches Wissenschaftsverständnis..................... 143 (a) Theorie und Praxis in konstruktiver Sicht...................................... 144 (b) Ethik aus konstruktiver Sicht.......................................................... 145 (c) Logik aus konstruktiver Sicht.......................................................... 145

Inhaltsverzeichnis

11

(d) Wissenschaftstheorie aus konstruktiver Sicht................................. 146 5.3 WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHE GRUND­ KONZEPTION................................................................................ 148 5.3.1 Wirtschaftswissenschaftliches Forschungsprogramm........... 148 5.3.2 Unternehmensethisches Anwendungsprogramm........................149 (1) Methodisch-konstruktive Begriffsbestimmung................................ 149 (2) Untemehmensethischer Steuerungsmechanismus........................... 151 (3) Untemehmensethisches Grundkonzept........................................... 152 5.4 MENSCH UND UNTERNEHMUNG BEI STEINMANN..................... 153

5.4.1 Unternehmensbild und Mitarbeiterverständnis...................... 153 5.4.2 Sozio-ökonomische Mängelliste................................................... 154 5.4.3 Unternehmensethische Lösungswege.......................................... 156 5.5 BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ALS WISSENSCHAFT UND FÜHRUNGSLEHRE.............................................................. 158

5.5.1 Betriebswirtschaftslehre als Handlungswissenschaft.......... 158 5.5.2 Betriebswirtschaftslehre-angewandte Managementlehre. 160 (a) Rekonstruktion der Managementfunktionen................................... 161 (b) Untemehmensmanagement und Untemehmensethik..................... 162 (c) Untemehmensethik und Effizienz...................................................163 (d) Untemehmensethik und Dialog....................................................... 164 5.6 KRITISCHE SICHT DES MODELLS VON STEINMANN.................. 165 5.6.1 Kritische Stellungnahmen............................................................ 165 (a) Einwände zur konstruktiven Methode............................................ 165 (b) Anfragen zum wirtschaftsethischen Verständnis............................ 166 (c) Fragen zum Betriebswirtschaftsverständnis.................................... 168 5.6.2 Weiterführende Anmerkungen..................................................... 170

6.

VERGLEICHENDE GEGENÜBERSTELLUNG DER DISKUTIERTEN BETRIEBSWIRTSCHAFTSMODELLE ........... 171

6.1 CHARAKTERISIEREND-KLASSIFIZIERENDE DARSTELLUNG... 171 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4

Weltbild, Menschenbild und philosophischer Hintergrund... 171 Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft............................. 175 Betriebswirtschaftliches Forschungsverständnis.................. 180 Mitarbeiterbild, Unternehmenskonzept und-ethik................. 184

12

Inhaltsverzeichnis

6.1.5 Betriebswirtschaftliches Anwendungsverständnis ................ 188 6.2 VERGLEICHEND-TYPOLOGISIERENDE ÜBERSICHT.................... 191 Abbildung: Übersicht allgemeiner Vergleichskriterien................ 191 Abbildung: Übersicht betriebswirtschaftlicher Kriterien............ 192

6.3

THESENHAFT ZUSAMMENGEFAßTE VERGLEICHSERGEBNISSE................................................................. 193

7.

EINORDNUNG UND AUSBLICK....................................................... 201

7.1

GESELLSCHAFTLICH-KULTURELLER VERSTÄNDNISZUGANG...................................................................... 201

7.2

MODERNE GESELLSCHAFT UND WIRTSCHAFTSETHIK........... 202

7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4

7.3

POSTMODERNE GESELLSCHAFT UND WIRTSCHAFTS­ ETHISCHE KONSEQUENZEN.....................................................205

7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4

7.4

Rational orientierter Mensch und Gesellschaft..................... 202 Kapitalistischer Betrieb und Wirtschaft................................... 202 Sozial-ethische Auswirkungen.....................................................203 Ethisch-betriebswirtschaftliche Antworten........................... 204

Post-rationale Wirtschaftsgesellschaft..................................205 Post-moderneRisikogesellschaft............................................... 208 Post-materialistische Wertegesellschaft.................................209 Unternehmensethische Antworten............................................. 211

WIRTSCHAFTS-/ UNTERNEHMENSETHISCHE PERSPEKTIVEN..................................................................................... 212

7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4

Ethisch-wirtschaftliche Handlungsebenen...............................212 Gesamtgesellschaftliche, wirtschaftsethischeEbene......... 213 Einzelwirtschaftliche, unternehmensethischeEbene............. 216 Personale, führungsethischeEbene............................................ 218

Inhaltsverzeichnis

8.

13

SCHLUßBETRACHTUNG..................................................................... 221 Erkenntniskritik....................................................................................... 222 Methodenkritik.........................................................................................223 Perspektivenkritik.................................................................................... 223 Literaturverzeichnis............................................................................... 225

14

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abb. Aufl. Bd. bearb. BWL bzw. ca. d. h. ders./dies. Hrsg, hrsg. HSG Hvh. i. 0. i. e. S. i. d. R. i. w. S. m. E. m. a. W. Nr. o. J. o.O. o. V. S. s. sog. Sp. Teilbd. u. a. u. a. m. u. s. w. u. U. V.

VBWL vgl. z. B.

Abbildung Auflage Band bearbeitet(e) Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise circa das heißt derselbe/dieselben Herausgeber herausgegeben Hochschule Sankt Gallen Hervorhebung im Original im engeren Sinne in der Regel im weiteren Sinne meines Erachtens mit anderen Worten Nummer ohne Jahr (Jahresangabe) ohne Ort (Ortsangabe) ohne Verfasser (Verfasserangabe) Seite siehe sogenannte(r) Spalte Teilband und andere und andere mehr und so weiter unter Umständen von Vergleichende Betriebswirtschaftslehre vergleiche zum Beispiel

Einführung

1.

15

Einführung

1.1 Ausgangstage In den 80er Jahren wurde das ethische Handeln in Wirtschaft, Unterneh­ men und Management auch in Deutschland zum „In“-Thema. Ethik bekam Konjunktur. „Wirtschaftsethik“, „Untemehmensethik“ bzw. „Führungs­ ethik“ wurden zu wichtigen Stichworten und zum Pflichtprogramm für Führungsseminare in der Wirtschaft, bei wissenschaftlichen Symposien oder von Dialogprogrammen an Akademien u.s.w. Die Zahl der Veröffentlichungen mit wirtschaftsethischen Inhalten ist mittlerweile nahezu unübersehbar und inhaltlich sehr vielgestaltig. Autoren aus unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft: Philosophen und Theologen sowie Volkswirtschaftler und Betriebswirte fühlen sich ange­ sprochen, zu diesem Themenkomplex ihren wissenschaftlichen Standpunkt zu definieren und ihre Empfehlungen abzugeben. Schließlich sehen sich auch gestandene Wirtschaftspraktiker oder findige Untemehmensberater in der Rolle, „die Ethik“ zu ihrem Thema zu erheben und sich als praxiser­ fahrene Kompetenzträger und zugleich als kompetente Ethikpraktiker aus­ zuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die derzeitige Ethikdiskussion genauso vehe­ ment wie heterogen und ebenso gut gemeint wie wirkungsoffen. Die einge­ brachten Beiträge und Konzepte zur Wirtschafts- und Untemehmensethik zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Niveaus in puncto Reflexions­ grad und Argumentationstiefe sowie Praxisbezug und Anwendungsnähe aus. Zwischen ethischer Theoriediskussion, konkreter Implementierungs­ empfehlung und praktischer Umsetzbarkeit findet allzuoft eine „Dreifel­ derwirtschaft“ statt, bei der ein Feld unbestellt bleibt. Umfassende, reflek­ tierte Ethikmodelle und integrative, implementierende Bemühungen wachsen nur langsam und beginnen sich erst zögernd in der Untemehmensführung durchzusetzen. Aus wissenschaftlicher Perspektive gibt es vereinzelt Bemühungen einer Zusammenstellung und Aufarbeitung des ethischen Fundus in der Be­ triebswirtschaftlehre.1 Darüber hinaus sind in jüngster Zeit Artikel er­

1

vgl. Löhr (1991) sowie Kreikebaum (1996)

16

Einführung

schienen, die sich mit den gegenwärtig im Gespräch befindlichen (deutsch­ sprachigen) wirtschafts- und untemehmensethischen Standpunkten analy­ sierend und kritisierend auseinandersetzen.1

Wirft man nun einen Blick auf die etwa 90-jährige Geschichte der deutsch­ sprachigen Betriebswirtschaftslehre,2 so sieht man sich zu der Einsicht und Feststellung veranlaßt, daß ethische Fragen des betrieblichen Wirtschaf­ tens weder neu noch unbekannt sind. Seit den betriebswirtschaftlichen Wissenschaftsanfangen wurden schon immer von namhaften Fachvertretem ethische Gesichtspunkte mit einbezogen, wofür Namen wie Schär, Nicklisch oder später Marx und Kalveram stellvertretend für alle anderen stehen. Gleichwohl ist einzuräumen, daß eine ethisch verankerte Betriebs­ wirtschaftslehre zwar ein eigenwilliges, aber oft nicht ernst genommenes und wenig geliebtes Kind des „mainstream“ der betriebswirtschaftlichen Fachdisziplin war. Dafür blieb der „ethisch-normativen Richtung“ auch eine skeptische wissenschaftliche Anerkennung und eine eher zweifelhafte, wertbeschwerte, illusionsverdächtige Reputation vorbehalten. Es verwun­ dert nicht, daß selbst die gegenwärtige untemehmensethische Fachdiskus­ sion über diese historischen, ethisch fundierten, betriebswirtschaftlichen Wissensbestände hinwegsieht und eigene Erkenntniszugänge bzw. „zeit­ gemäßere“ Anknüpfungspunkte zum Ethikthema sucht.

1.2 Begriffsverständnis So schwierig es ist, Begriffe und Sichtweisen, um deren Erarbeitung und Darstellung es gerade im Rahmen dieser Arbeit geht, definitionsmäßig vorwegzunehmen, so notwendig ist aus Verständnisgründen doch eine Begriffserklärung. An dieser Stelle soll deshalb eine kurze Erörterung und Abgrenzung der sinnverwandten Begriffe Untemehmensethik, Untemehmensphilosophie und Untemehmenskultur vorgenommen werden. Die Unternehmensethik beschreibt jenen Aspekt der Betriebswirtschafts­ lehre, der sich mit Zielen, Werten, Normen und Folgen des betrieblichen Wirtschaftens beschäftigt und Vorschläge für ein reflektiertes, sachge­

1 2

vgl. Homann, Blome-Drees (1995) sowie Osterloh, Tiemann (1995) vgl. z. B. Klein-Blenkers, Reiß (1993), Sp. 1417ff.

Einführung

17

rechtes, menschenbezogenes und gesellschaftsverträgliches betriebliches Wirtschaften erarbeitet.

Untemehmensethik und Unternehmensphilosophie stehen in einem engen Verhältnis zueinander: ,,‘Untemehmensphilosophie‘ bezeichnet das zu sich selbst gekommene allgemeine Bewußtsein eines Unternehmens.“1 Sie ver­ deutlicht das Selbstbild und das Eigenverständnis eines Unternehmens von sich selbst (Zwecke, Ziele, Aufgaben). Gleichzeitig kommt aber darin auch das Verständnis des Unternehmens von seiner Umwelt, seinen Möglich­ keiten und seiner Rolle in der Gesellschaft zum Ausdruck (auch als Mana­ gementphilosophie).2 Sowohl die Unternehmenskultur als auch die Untemehmensethik beschäf­ tigt sich mit Werten und Normen, die unternehmerische Entscheidungen und Handlungen beeinflussen und bestimmen. In der Untemehmenskultur geht es um die Feststellung der gültigen betrieblichen Werte und Normen mit dem Ziel ihrer erfolgsstrategischen Umsetzung. Bei der Unternehmens ethik wird das Gewicht dagegen auf die Begründung, Rechtfertigung und Implementierung von ökonomischen Zielen, Werten und Handlungen, die über das (unternehmerisch) Zweckrationale hinaus- und auf das (gesell­ schaftlich) Wertrationale hinweisen, gelegt. Es kann von einem „Primat der Ethik vor der Kultur“ gesprochen werden, die vermittels Untemeh­ menskultur in die Untemehmenspraxis hineinwirkt.3

Untemehmensphilosphie, -ethik und -kultur werden hier horizontal mitein­ ander verknüpft, als Handlungssinn, -anleitung und -rahmen. In vertikaler Richtung lassen sich drei ethikrelevante Handlungsebenen unterscheiden: Auf der Gesellschaftsebene ist die Wirtschaftsethik anzusiedeln. Die Or­ ganisationsebene ist der Entfaltungsraum der Unternehmensethik. Schließlich ist auf der personalen Ebene die Führungsethik zu verorten.4 Dieses handlungsorientierte, „anwendungsorientierte “ Ethikmodell von Enderle wird im letzten Kapitel dieses Buches wieder aufgegriffen.

1 2 3 4

Lay (1996), S. 151 vgl. Bleicher (1995), S. 58ff. vgl. Osterloh (1991), S. 154ff. vgl. Enderle (1991), S. 178ff.

Einführung

18

1.3 Arbeitsintention Untersuchungsgegenstand und Arbeitsthesen

Im Rahmen der vorgelegten Arbeit soll der Versuch angetreten werden, einen historisch-vergleichenden Gang durch die „ethische“ Betriebswirt­ schaftslehre zu unternehmen. Dabei besteht die Absicht, den wissenschaft­ lichen Fundus der älteren Ansätze zu sichten und mit den neuen untemehmensethischen Ansätzen zu vergleichen, um durch dieses „Erkenntnis­ experiment“ zu neuen Einsichten, einer systematischen Vertiefung und schließlich zu einer Ergänzung der Gegenwartsdiskussion zu gelangen. Zentraler Gegenstand der Untersuchung sind vier betriebswirtschaftliche Ansätze, die in der Geschichte der deutschsprachigen Betriebswirt­ schaftslehre als „ethische“ Betriebswirtschaftskonzeptionen fachliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben bzw. ziehen. Sie lassen sich durch folgende Namen charakterisieren und in die angegebenen Zeiträume datie­ ren: •

Heinrich Nicklisch:

20er - 30er Jahre



Wilhelm Kalveram:

40er - 50er Jahre



Peter Ulrich:

80er - 90er Jahre



Horst Steinmann:

80er - 90er Jahre

Dieser Untersuchung liegen folgende programmatische Thesen zugrunde: 1. In der gegenwärtigen untemehmensethischen Diskussion werden klassi­ sche, ethische Betriebswirtschaftsmodelle und ihr Wissensfundus über­ gangen. Es ist deshalb erforderlich, die frühere und die gegenwärtige Ethikdiskussion in der (deutschsprachigen) Betriebswirtschaftslehre sy­ stematisch aufzuarbeiten, d. h. zu rekonstruieren, zu analysieren und zu vergleichenden Aussagen zu gelangen.

2. Die Betriebwirtschaftskonzepte von Heinrich Nicklisch, Wilhelm Kalveram, Peter Ulrich und Horst Steinmann werden als repräsentativ für die ethische Betriebswirtschaftslehre angesehen und als fruchtbar für eine erkenntniserweitemde Untersuchung und Diskussion erachtet. Die Methode der Vergleichenden Betriebswirtschaftslehre liefert den sy­ stematischen, explorativen Zugang zu einer gegenüberstellenden Analy­

Einführung

19

se dieser Ansätze und zu den daraus erwachsenden, weiterführenden Schlußfolgerungen.

3. Wirtschafts- und Untemehmensethik wird als „missing link“ einer so­ wohl ökonomisch erfolgreichen als auch einer gesellschaftsforderlichen, Ökologie- und humanverträglichen Wirtschaftsweise betrachtet. In einer modernen, marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft besteht die Notwendigkeit und Möglichkeit für eine angemessene und forderliche Wirtschafts- und Untemehmensethik. Untersuchungsziel und Arbeitsschema

Es ist das Ziel dieser Arbeit, die gegenwärtige untemehmensethische Dis­ kussion im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre durch eine historisch­ vergleichende Analyse zu ergänzen. Sie will damit Auskunft geben über die einzelnen betriebswirtschaftlichen Ethikpositionen sowie Synergiepo­ tentiale und Lösungswege für gegenwärtige wirtschaftsethische Probleme aufzeigen. Die dieser Arbeit zugrundegelegte konzeptionelle Vorgehensweise bein­ haltet eine horizontale und eine vertikale Dimension:

• In horizontaler Richtung geht es um die explorativ-analysierende Dar­ stellung der einzelnen Betriebswirtschaftsmodelle in der Absicht einer fachbezogenen Horizonterweiterung (Kapitel 2 - 5): 1. Skizzierung der philosophisch-weltanschaulichen Grundlagen; 2. Darlegung der damit verknüpften Gesellschafts- und Wirtschafts-, Menschen- und Wissenschaftsbilder;

3. Analyse des betriebswirtschaftlichen Hintergrundes bezüglich Mitar­ beitersicht, Betriebsverständnis, Erfolgsgrößen; 4. Darstellung der Fachauffassung, praxisbezogene Schlußfolgerungen und untemehmensethische Implementierungsvorschläge;

5. Kritische und würdigende Stellungnahme. • In vertikaler Gliederungsrichtung dieser Arbeit werden drei Stufen mit dem Ziel der ethisch-fachlichen Erkenntnisvertiefung durchschritten:

(a) analysierender Einstieg = Erschließungsphase, (erkenntniseröffnende Auseinanderlegung und Beleuchtung der Einzel­ ansätze = Kapitel 2-5)

20

Einführung

$)typologisierende Charakterisierung = Vergleichs- und Verständ­ nisphase,

(erkenntnissteigemde, vergleichende Einordnung der Ansätze gemäß obigen Analysemerkmalen = Kapitel 6)

(c) synthetisierende Folgerung = Erkenntnis- und Ergebnisphase,

(erkenntnisvertiefende und weiterführende Betrachtung der untemehmens-ethischen Ansätze im Rahmen einer gegenwärtigen Wirtschafts­ gesellschaft = Kapitel 7).

1.4 Arbeitsmethode Auswahlentscheidung

Bei der hier getroffenen Festlegung der Untersuchungsobjekte handelt es sich um eine „vorwissenschaftliche Auswahlentscheidung“, die eine gewis­ se Willkürlichkeit und Werttönung nicht verleugnen kann. „Jede Aus­ wahlentscheidung ist... eine Stellungnahme, eine Wertung, die die ausge­ wählten Aspekte bevorzugt gegenüber den nicht berücksichtigten.“1 Zur Begründung der Auswahl ist auszuführen, daß gerade die mit den angeführten Namen verbundenen betriebs- und untemehmensethischen Modelle am häufigsten in der wissenschaftlichen Literatur diskutiert wer­ den. Sie weisen einen beachtlichen theoretischen Ausarbeitungsgrad auf und basieren auf ethisch reflektierten Grundpositionen. Schließlich zeigen sie eine konzeptionelle Durchgängigkeit von der theoretischen Begründung bis zur praktischen Anwendungsorientierung.

Mit der getroffenen Auswahl sindjedoch einige Annahmen verbunden:

(a) Es wird davon ausgegangen, daß die vier zeitlich versetzten Betriebs­ wirtschaftskonzepte einen in sich relativ abgeschlossenen und ver­ gleichbaren Forschungs- und Entwicklungsstand aufweisen. (b) Desweiteren wird vorausgesetzt, daß alle - besonders aber die beiden aktuellen - Ansätze jenes Stadium fundierter Ausarbeitung erreicht ha­ ben, das ihnen eine dauerhafte Aufnahme in den Wissensbestand der betriebswirtschaftlichen Fachdisziplin sichert.

1

Werhahn (1989), S. 5

Einführung

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(c) Schließlich wird angenommen, daß eine vergleichende Aufarbeitung gerade der ausgewählten Konzeptionen eine „Horizonterweiterung“ bewirkt, die fruchtbar und erkenntnisvertiefend auf die derzeitige Ethikdiskussion wirken kann. Forschungsmethode

Die Vergleichende Betriebswirtschaftslehre (VBWL) liefert das methodi­ sche Raster, um die einzelnen, hier zu diskutierenden betriebswirtschaft­ lichen Forschungsansätze in einen sinnvollen, aufschlußreichen und syste­ matischen Zusammenhang zu bringen. Sie stellt ein vielseitiges methodi­ sches Instrumentarium, das zur Analyse, zum Brückenschlag, zur Wis­ sensvertiefung und zur Fortschrittsstimulierung im Rahmen der Betriebs­ wirtschaftslehre beiträgt, dar:

1. Die VBWL ist ein beschreibendes, klassifizierendes Analyseverfahren. 2. Die VBWL ist eine verknüpfende Darstellungs- und Erkenntnisweise. 3. Die VBWL ist ein nutzbringendes „Such- und Erkenntnisexperiment“. 1 Die Konzeption einer „vergleichenden Betriebswirtschaftslehre“ ist mit dem Namen E. Walb verbunden und läßt sich in die 20er Jahre datieren.2 Sie gilt als prädestiniert dafür, den Entwicklungsstand und das Diskussi­ onsniveau einzelner, spezifischer betriebswirtschaftlicher Konzepte zu studieren.3 Es lassen sich verschiedene Vergleichsvarianten unterscheiden:

- historischer Vergleich, - geographischer Vergleich, - global-partialer Vergleich. (b) Vergleichsebenen: - internationale Vergleichsebene, (z. B. „internationaler [theoretischer] Vergleich“) - nationale Vergleichsebene, (z. B. „nationaler betriebswirtschaftlicher Vergleich“) (c) Vergleichsarten: - qualitativer/quantitativer Vergleich, - einfacher/komplexer Vergleich. (d) Vergleichsaussagen: Zustands-, Problem-, Lösungsinformationen.4

(a) Vergleichsmethode:

1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Lachnit (1975), S. 12f. Perridon (1974), Sp. 810 Schranz (1962), S. 181 f. sowie Lachnit (1975), S. 25f. Perridon (1974), Sp. 813ff. sowie Lachnit (1975), S. 26ff.

Einführung

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Die Vergleichende Betriebswirtschaftslehre ist ein „systematisches Er­ kenntnisinstrument", das eine methodisch fundierte, „komparative Aussa­ gengewinnung“ ermöglicht. Im Wege der „betriebswirtschaftlichen Lite­ raturanalyse “ soll hierbei ein Prozeß der „Selbsterkenntnis der betriebswirtschaftlichen Forschung“ vorangebracht werden.1

Die untenstehende Darstellung schafft einen zusammenfassenden Über­ blick über das Untersuchungsvorhaben und -vorgehen dieser Arbeit.

Arbeits- und Methodentableau: 1. Vergleichsgegenstände (Erkenntnisobjekt):

Vier ethisch geprägte, betriebswirtschaftliche Ansätze aus dem deutschen Sprachraum; 2. Vergleichsmethode:

historischer Vergleichsansatz;

3. Vergleichsebene:

nationaler Theorienvergleich;

4. Vergleichsart:

qualitativ (und komplex);

5. Vergleichsziele:

Zustands-, Problem-, Lösungswissen;

6. Vergleichskriterien (Untersuchungsschema): -

philosophisch-theoretischer Bezugsrahmen, (Welt-, Gesellschafts-, Wirtschafts-, Wissenschaftsbild);

-

betriebswirtschaftlicher Forschungsansatz, (Unternehmens-, Mitarbeiterbild, Fachverständnis),

-

betriebspraktische Folgerungen,

(Anwendungsvorschläge, Führungskonzepte); -

würdigende und kritische Bemerkungen.

7. Vergleichsverfahren: -

1

Literaturauswertung

vgl. Schranz (1969), S. 155ff.

(= „klassische Inhaltsanalyse“)

Einführung

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Erkenntnisgrenzen Am Rande des vorgezeigten Erkenntnisweges lauem auch Gefahren. Diese müssen erkannt und benannt werden:1

(l)Eine Literaturauswertung, die im Stile einer „klassischen Inhaltsanaly­ se“ vorgenommen wird, läßt sich charakterisieren als eine „intensive, persönliche Auseinandersetzung mit dem Dokument, welches in seiner Einmaligkeit möglichst umfassend durchleuchtet und interpretiert wird“2. Subjektive, wertbeladene Urteile können dabei nicht umgangen werden, sie stellen mithin den Zweck dieser Untersuchungsart dar. (2) Hermeneutische (verstehende, durchdringende) Erkenntniswege bergen Interpretationsprobleme in sich: Zum einen besteht die Gefahr der Fehlinterpretation, zum andern die einer Überinterpretation („Bedeu­ tungsüberschüsse“) der untersuchten Inhalte. (3) Eine Schwierigkeit bei historisch angelegten Analysen besteht ferner darin, die Aussagen der einzelnen Autoren in ihrem historischen Kon­ text „richtig“ zu verstehen. Dies bedeutet aber, daß Einfuhlungs- und Verständnisdefizite auftreten können. (4) Die Bildung von Typologien, Vergleichskriterien und Merkmalskatalo­ gen bergen das Problem falscher Abgrenzung und unangemessener Bündelung in sich. Diesem Umstand ist ebenfalls kritische Beachtung zu schenken.

In Anschauung und Kenntnis der skizzierten „blinden Flecke“ gilt es, ge­ eignete Strategien aufzuzeigen, um diesen Gefahren - mindestens teilweise - zu begegnen bzw. zu entgehen. Als Gegenstrategien sind vorzuschlagen:3

(a) Erhöhung der Intersubjektivität durch Einfügung von Textbeispielen (Originalzitate); (b) Verwirklichung des „Postulates skeptischer Urteilszurückhaltung“ (Toleranz und Selbstkritik) sowie treffende Zitatbelege;

(c) Bewußtmachung der (eigenen) Denkprämissen, Problemzugänge und Verständnisweisen (Zugangs- und Standpunktreflexion).

1 2 3

vgl. Werhahn( 1989), S. 15f. Werhahn(1989),S. 15 vgl. Werhahn (1989), S. 17f.

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Einführung

1.5 Arbeitsperspektive Es ist wichtig, die ethischen Wurzeln betriebswirtschaftlicher Entwürfe sowie die daraus sich ergebenden Handlungsempfehlungen bzw. betriebs­ wirtschaftlichen Umsetzungsvorschläge zu kennen. Genauso wichtig ist aber auch, die ethischen Konzepte vor dem geistigen, kulturellen und histo­ rischen Hintergrund (Kontext) einzuordnen und zu verstehen. Dies bedeu­ tet, die (herrschende und historische) Situation der Gesellschaft in die Be­ trachtungen einzubeziehen.

Außer dem gewonnenen, besseren Verständnis der einzelnen Ethikpositio­ nen ermöglicht eine Situations- und Gesellschaftsanalyse auch oder gerade Schlußfolgerungen für eine zeitgemäße, angemessene Ethik des Wirt­ schaftens. Diese wird abhängig von der jeweiligen Handlungsebene als Wirtschafts-, Unternehmens- bzw. Führungsethik skizziert und gleichzeitig als umfassendes, integrierendes, konzertiertes Ethikmodell und Anwen­ dungskonzept verstanden. Am Ende dieser Ausarbeitung und als perspek­ tivischer Ausblick werden deshalb (im Gefolge von Georges Enderle) die Gedanken eines ebenenübergreifenden Ethikverständnisses in bzw. für unsere Wirtschaftsgesellschaft formuliert.

Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

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2. Idealistisches Wirtschaftsbild von H. Nicklisch

2.1 Betriebsethische Betrachtungen in den 20er Jahren Das ethisch-normative und wertende Element war von den Anfängen der betriebswirtschaftlichen Fachdisziplin an vorhanden und hat vielfältig Anlässe zu Diskussionen über das wissenschaftliche Fachverständnis ge­ liefert. Ethisch begründete Konzepte und Sichtweisen der Betriebswirt­ schaftslehre (ursprünglich Betriebswissenschaft) wurden bereits in den 10er und 20er Jahren unseres Jahrhunderts ausgearbeitet. Sie lassen sich mit den Namen: Johann Friedrich Schär, Rudolf Dietrich und Heinrich Nicklisch verbinden.1 Schär war darum bemüht, eine „allgemeine Handelsbetriebslehre“ wissen­ schaftlich zu erstellen und ethisch zu begründen. Handel war für ihn frei von Krämergeist und Gewinnsucht ein „nützliches Glied im wirtschaftli­ chen Organismus“. Er besaß eine wichtige gesellschaftlich-soziale Funkti­ on und war von Kaufmannsregeln - wie „Treu und Glauben“ - bestimmt-2 Aus der Sicht des Praktikers war es Dietrich ein ernstes Anliegen, eine praxisanleitende „Betriebswissenschaft“ zu entwickeln. Er hat versucht, die Betriebswirtschaft von der „Betriebs-Ethik“ her aufzubauen und als normative, betriebliche Sozialpolitik zu konzipieren.3

Daneben gab es namhafte Vertreter der deutschsprachigen Betriebswirt­ schaftslehre, die ethisches Gedankengut in ihren betriebswirtschaftlichen Konzepten einflochten oder sich offen damit auseinandersetzten. Zu nen­ nen sind hier Franz Findeisen, Eugen Schmalenbach und Arthur Lisowsky. Findeisen sah im „idealen Betrieb“ und in der Idealfigur des „königlichen Kaufmanns“ maßgebliche Ansatzpunkte und Ziele für die betriebswirt­ schaftliche Forschung. Auch er wandte sich gegen Egoismus und Profitin­ teresse und sprach sich für eine gemeinschaftsorientierte Betriebsausrich­ tung aus.4

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vgl. vgl. vgl. vgl.

die schulemachende Klassifizierung von Isaac (1923) und Schönpflug (1954) Schönpflug (1954), S. 89ff. sowie Keinhorst (1956), S. 40ff. Schönpflug (1954), S. 125ff. sowie Keinhorst (1956), S. 51ff. Keinhorst (1956), S. 62ff

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

Dem Leitgedanken einer ethischen Ausrichtung betriebswirtschaftlichen Gebarens trotz notwendiger Gewinnausrichtung verschafft folgendes Zitat Nachdruck: „Diesem Gewinnstreben sind jedoch Grenzen zu setzen, wel­ che durch die Betriebsethik bestimmt werden. ... Nicht das Strafgesetz allein bestimmt zwischen reell und unreell, sondern das Sittengesetz, die Betriebsethik. ... Nur insofern dürfen wirtschaftliche Zwecke verfolgt wer­ den, als sie nicht gegen höhere sittliche Werte verstoßen.“1 Das betriebse­ thische und betriebspraktische Handeln findet bei Findeisen in der „Be­ triebspolitik“ die konkrete Umsetzung, den Vollzug.2 Nicht zuletzt war es auch Schmalenbach um die „gesamtwirtschaftliche Produktivität“ als wissenschaftliches und wirtschaftspraktisches Leitmotiv (z. B. in seiner „dynamischen Bilanzlehre“) gegangen. Obzwar er um die konkrete Meßbarmachung der privatwirtschaftlichen Leistung (Gewinn) bemüht war, so geschah dies vor dem Hintergrund der „gemeinwirtschaft­ lichen Wirtschaftlichkeit“ und Wohlstandsmehrung.3

In einem dreiteiligen Aufsatz thematisiert Lisowsky das Verhältnis von Ethik und Betriebswirtschaftslehre.4 Darin spricht er sich gegen eine Be­ rücksichtigung von ethischen Positionen in der Wissenschaft, aber für deren Vermittlung im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Lehre aus.

2.2 Philosophische Grundlagen bei Heinrich Nicklisch 2.2.1 Philosophische Wurzeln von Nicklischs Betriebswirtschaft Über den betriebswirtschaftlichen Ansatz von Heinrich Nicklisch gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen und Veröffentlichungen. Er hat ein beachtliches wissenschaftliches Werk hinterlassen und gilt als charakteri­ stischer Vertreter eines „ethisch-normativen Standpunkts“ in der Be­ triebswirtschaftslehre.5

Im vorgegebenen Rahmen können nur bestimmte Aspekte seiner Betriebs­ wirtschaftslehre beleuchtet werden. Dabei wird des öfteren der fast schon

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Findeisen (1925), S. 280 vgl. Findeisen (1925), S. 281 vgl. Keinhorst (1956), S. 66ff. vgl. Lisowsky (1927), S. 257ff. vgl. Schanz (1992), S.791F.

Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

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„klassisch“ zu nennenden Nicklischanalyse von Schönpflug gefolgt, um die Basis von Nicklischs Lehrgebäude transparent zu machen.

Als erstes wollen wir uns dabei den weltanschaulichen Wurzeln zuwenden. Danach lassen sich drei philosophische Strömungen ausmachen: der deut­ sche Idealismus, der naturwissenschaftliche Materialismus und die roman­ tische Weltanschauung.1 Philosophie des deutschen Idealismus (einschließlich Kant)

Aus der Gedankenwelt des Idealismus stammen die Ideen der Freiheit, der Pflicht und der Gemeinschaft in Nicklischs (anthropologischer / ontologi­ scher) Vorstellung von wirtschaftlicher Tätigkeit. Die Frage der Freiheit ist ganz entscheidend für die Beurteilung des (wirtschaftlichen) Handelns. Die Freiheitsidee läßt sich folgendermaßen darstellen: „Sie verlangt nicht nach Evidenz, sondern nach Mitleben und beweist ihre Allgemeingültigkeit dadurch, daß Wirklichkeit ohne dies Apriori nicht gedacht werden kann. Um Wirklichkeit zu gestalten, muß der Mensch frei sein.“2 Sittliches Han­ deln (wirtschaftliches mit eingeschlossen) ist ein Handeln aus „Freiheit zu etwas“ (gemäß Kant). Dieses Handeln aus Freiheit ist nicht egozentri­ sches, selbstbezogenes Vorgehen, sondern Handeln im Sinne und Bewußt­ sein eines größeren Ganzen, d.h. gemeinschaftsverpflichtet und allgemein­ heitsverantwortlich. Nicklisch steht dabei nicht nur in der Tradition von Kant, sondern auch von Hegel und Fichte: Von Hegel stammt die Betonung des Geistigen im Menschen (Geistwesen) und die Vorstellung einer fortschreitenden Ent­ wicklung (ständiges Werden im dialektischen Ablauf).

Aus Fichtes Philosophie entlehnt Nicklisch die Begriffe der Gemeinschaft und des Gewissens-. „Was der Mensch als Einzelindividuum wahrhaft ist, kann sich nur daraus bestimmen, was er aus Gemeinschaft ist. Daß aber diese geistige Verbundenheit des menschlichen Seins überhaupt empfunden werden kann, hat seinen Grund im Bewußtsein.“3 Die Instanz dieses Be­ wußtseins ist das Gewissen. Es ist „Sinnträger für die sittliche Welt“, das dem Menschen einen Maßstab für sein Leben und sein Handeln gibt, eines Handelns im größeren Bezugsrahmen menschlicher Gemeinschaft. „Die 1 2 3

vgl. Schönpflug (1954), S. 193 Schönpflug (1954), S. 194 Schönpflug (1954), S. 196

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

Einheit, die es im Bewußtsein des Einzelnen wirkt, wirkt es auch in der Gemeinschaft.“1 Naturwissenschaftlicher Materialismus

Neben Elementen aus dem Idealismus (der „Welt des Geistes“) nimmt Nicklisch Elemente der naturwissenschaftlichen Anschauung (der „Welt des Stoffes“) in sein Lehrgebäude mit auf. Neben „Bewußtsein“ gibt es auch „Materie“. Materie unterliegt Veränderungen, die durch physische „Kraft“ hervorgerufen werden: „Sie ist die Ursache im tiefsten Sinne des Wortes, die im Bereich der Natur jene Einheit schafft, die im Reiche der Vernunft durch das Gewissen gewirkt wird. Die Natur ist Materie, und als Materie besteht sie aus Kraft.“2 Aus der Kraftentfaltung heraus entstehen in der Natur Wirkungen. „Damit aber aus der Ursache Wirkung wird, muß ein Drittes hinzutreten: der Grund. Durch die Gründe hindurch wirkt die Ursache ihre Wirkungen.“3 Über die „Gründe“ verknüpft Nicklisch die geistige mit der stofflichen Welt und ordnet letztere ersterer unter.

Im ersten Fall spricht Nicklisch von „Naturgründen“ und im zweiten von „Zweckgründen“. Naturgründe entstehen quasi von selbst. Zweckgründe werden bewußt und zielgerichtet durch den Menschen gestaltet. „Die Ur­ sache, die über die Naturgründe nur unbewußt Wirkungen hervorrufen konnte, erhält jetzt Ziel und Richtung vorgeschrieben. Durch das Wirken des Menschen wird die Kraft bewußt, menschlich bewußt und die Wirkun­ gen zweckgerecht; in diesem Falle haben wir es mit Zweckgründen zu tun.“4 Der Mensch macht sich die Natur nutzbar, indem er zielgerichtet und absichtsgeleitet mittels Zweckgründen Zweckwirkungen verursacht. Die Bedeutung des Menschen als Geisteswesen liegt in seiner Möglichkeit der bewußten (d. h. zweckvollen und verantwortlichen), daseinsdienlichen d. h. bedürfnisbefriedigenden und bedarfsmindemden Naturgestaltung: „Der reine Naturvorgang erfahrt hier also dadurch eine Umwertung, daß er ins Geistige emporgehoben und damit den Gesetzen der Logik und der Moral unterstellt wird. Die gewollten Vorgänge sind Bestandteile eines einheitlichen Ganzen, als dessen Schlußergebnis die Zweckwirkung er­

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Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S.

197 198 199 200

Idealistisches Wirtschaffsbild von Heinrich Nicklisch

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scheint.“1 Der Mensch tritt in die Rolle des „Gründeauslösers“ und kann damit seine Bedürfnisse existenzverbessemd befriedigen oder mindern. Er hat dies jedoch nicht kraft eigener Selbstherrlichkeit zu tun, sondern ge­ wissengeleitet und eben sittlich, verantwortungsbewußt: „Nur diejenigen Gründe, Bedürfnisse, Motive und Handlungen haben sittliche Berechti­ gung, die durch das wertende Gewissen gegangen sind.“2 Deutsche Romantik

Die Romantik schließt sich als philosophische Strömung dem Idealismus an und hebt sowohl den Gedanken der Gemeinschaft als auch den der Geßhle und Empfindungen in den Vordergrund. „Sie sucht leidenschaft­ lich danach, die Zusammenhänge des Lebens zu erspüren, den Gleichklang der Gemeinschaft durch alle Bereiche der menschlichen Kultur nachzuwei­ sen, sie glaubt daran, das tausendfältig flutende Leben in einem einheitli­ chen, planvoll geordneten und innerlich zusammenhängenden Gesamtbild, als ein totum universale erschauen zu können.“3

In Nicklischs Modell finden besonders die Ideen des Organismus und des Universalismus Eingang. Die organische Auffassung ist immer eine ganz­ heitliche. In ihrem Mittelpunkt befindet sich der Mensch. Der Univer­ salismus als Weltanschauung beinhaltet die Gemeinschaftsidee. Sie ist der Gegenspieler des Individualismus. Der einzelne Mensch wird im wesentli­ chen als Teil der Gemeinschaft verstanden: „Die Gemeinschaft ist es, die ihn trägt, formt, umbildet, entwickelt.“4 Sie wird als menschlich­ orientierender Entfaltungsrahmen und nicht als ein Zwangsgebilde gese­ hen. „Das Endziel des Universalismus ist nicht die Maximierung der Glückseligkeit (Bentham, Hutcheson), das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl, sondern der höchste Wert der einzelnen Persönlich­ keit.“5

1 2 3 4 5

Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S.

202 203 204 206 207

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

2.2.2 Grundbausteine im System von Nicklisch Die Materie

In seinem Grundlagenwerk „Organisation“ unterscheidet Nicklisch zwi­ schen Mensch (mit Bewußtsein und Willenskraft) und Materie (ohne Be­ wußtsein, mit Seinskraft). Alles, was uns umgibt, ist das Ergebnis einer „Materiebewegung“, die aus einer Ursache (Kraft) vermittels eines Grun­ des eine Wirkung hervorbringt: Natürliche Prozesse verlaufen nach Na­ turgesetzen. Gründe werden als „Naturgründe“ manifest und zeitigen „Naturwirkungen“ vorangetrieben durch die physische Kraft (Seinskraft).

Nicklisch formuliert: „Wir haben die Materie als Kraft erkannt, als die Ursache, die hinter den Wirkungen steht, anschaulich nur in ihrem Wirken wahrnehmbar. Die Wirkungen erfolgen aus Gründen, die gleichfalls Wir­ kungen, früher erfolgte, sind.“1 Der Mensch Für Nicklisch ist der Mensch ein vernunftbegabtes und freies Wesen, das tätig sein Dasein gestaltet. „Das Tun des Menschen fließt aus zwei Quel­ len: Aus dem leiblichen Dasein, dem sinnlichen Ich und aus dem Pflicht­ bewußtsein des Menschen.“2 Die Vemunftbegabung läßt den Menschen dessen Freiheit und Pflicht genauso wie das Sittengesetz erkennen und befolgen:

Was im Bereich der Materie das Naturgesetz ist, das ist in bezug auf den Menschen das Sittengesetz: „Die Handlung, die Pflicht ist, hat in ihrem Ursprünge nichts gemein mit Neigungen und Begierden; sie folgt aus der Übereinstimmung des Willens mit dem moralischen Gesetz.“3 Der aus Leib und Geist bestehende Mensch wird primär als Geistwesen (nicht als Bedürfiiiswesen) verstanden, das fähig ist, seine körperlichen Bedürfnisse zu beherrschen und seine Umwelt daseinsforderlich zu gestal­ ten: „Der Mensch ist organisch wirkende Kraft; ... Der Mensch ist Geist.“4 „Gewissenhaftes“ Handeln ist dem erkenntnisfahigen und mit der

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Nicklisch (1922a), S. 16 Nicklisch (1915), S. 102 Nicklisch (1915), S. 102 Nicklisch (1922a), S. 17

Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

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Orientierungsinstanz des Gewissens ausgestatteten Menschen möglich und damit geboten.

Über die Pflicht wird der Einzelne an das Ganze gebunden und sein Han­ deln in einen größeren Rahmen gestellt. Deshalb schreibt Nicklisch: „Das tiefste Wesen der Pflicht offenbart sich aber darin, daß sie das reinste Ver­ hältnis des Einzelnen zum Ganzen in sich begreift und aus­ drückt. Der Einzelne empfangt sein Leben vom Ganzen und schuldet es ihm. Er ist Glied des Ganzen. Und sein Tun und Lassen muß beherrscht sein durch dieses Verhältnis des Einzelnen zur Gesamtheit. Dies liegt im Begriff der Pflicht.“1 Die skizzierte Lebens- und Gemeinschaftsperspektive ist von viel Harmo­ nie durchdrungen. Selbstbezogenes Handeln gefährdet diese harmonische Stabilität. Deshalb wendet sich Nicklisch scharf gegen selbstbezogene, individualistische und rein nutzenorientierte Einstellungen: „Der Egoismus sieht nicht das Ganze, er sieht nur das Ich, das sich Selbstzweck ist und für das andere Menschen nur Mittel zu seiner Förderung bedeuten. So wirkt er verwirrend, auflösend und zersetzend auf das Ganze.“2 Aus Mangelempfinden heraus setzt sich der Mensch (als Körperwesen) Zwecke. Durch seine (vemunftgeleitete) Wollenskraft kann er „Zweck­ gründe“ (auch „Kunstgründe“ genannt) schaffen, um dadurch „Zweckwir­ kungen“ (auch „Kunstwirkungen“), d. h. die Befriedigung seiner Bedürf­ nisse zu erreichen. In der Gestaltung der Zweckgründe durch seine Willenskraft tritt der Mensch mit der Materie in Berührung. Er muß dies unter Kenntnis und Beachtung der Naturgesetze tun und seine Willenskraft mit der Wirkung der Seinskraft in Einklang bringen: „In den Zweckgrün­ den verknüpft sich die Motivation des menschlichen Bewußtseins und der ursächliche Zusammenhang in der Außenwelt.“3

Die Freiheit des Menschen (als Geistwesen), sich Zwecke zu setzen, Zweckgründe zu gestalten und Zweckwirkungen zu verursachen, um seine Bedürfnisse (als Körperwesen) zu befriedigen, legt ihm eine gewichtige ethische Verantwortung auf. Nicklisch fordert diese mit folgenden Worten ein: „Menschen, die Menschen sind, werten die Bedürfnisse und ihre Moti­

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Nicklisch (1915), S. 102 [Hvh. i. O.] Nicklisch (1915), S. 102 Nicklisch (1922a), S. 42

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

ve im Gewissen. Sie können sie zwingen, durch das eigene Gewissen zu gehen. Das Mittel dazu ist andächtige Sammlung, tiefe, mit Gott verbin­ dende Andacht, in der der Inhalt des Bewußtseins in das tiefste Innere, in das Gewissen, zusammengedrängt wird: Gottesdienst im wahrsten Sinne des Wortes.“1 Die Freiheit des Menschen, der Natur die von ihm gewollten Zweckwir­ kungen abzufordem, macht ihn gleichzeitig zum Herm und zum Haupt­ verantwortlichen gegenüber der Natur. Sie fordert ihn als vernunftbegabtes Wesen zum Handeln und legt ihm als sittliches Wesen die Pflicht zur Ver­ antwortung auf. Die Organisationsgesetze

Nicklisch hält Organisation (= organisches Gestalten) für ein Hauptmerk­ mal des (wirtschaftlich) tätigen Menschen. Dies gilt in besonderer Weise, wenn sein Handeln auf die Behebung von Mangelzuständen ausgerichtet ist, wenn er also seine eigene Kraft und die Materie zur Gestaltung von befriedigungsstiftenden Wirkungen einsetzt. Namentlich im Rahmen eines Wirtschaftsbetriebs wird „inneres“ Wollen zu „äußerem“ Produzieren im Dienste der menschlichen Bedarfsdeckung und Bedürfnisbefriedigung. Die hier zur Befriedigung gebrachten Bedürfnisse sind nicht als egozentrisch­ optimale Selbstbefriedigung, sondern im Sinne einer bedarfsangemesse­ nen, ressourcenschonenden Gemeinschaftsdienlichkeit zu verstehen. Denn es gilt: „Bedürfnisse, und zwar Bedürfnisse anderer sind die Grund­ lage.“2 Diese Wirtschaftsvorgänge vollziehen sich nach Nicklisch in ungeschrie­ benen Organisationsgesetzen: verantwortungsvoller Zwecksetzung, ganz­ heitsbezogenen und betriebserhaltenden Wirtschaftens, den Prinzipien der „Erhaltung“, „Gestaltung“ und „Freiheit“ folgend:

(1) Gesetz der Zwecksetzung (Geist, Gewissen, Freiheit)

Nicklisch sieht dieses als das „oberste Gesetz“ an und erläutert: „Es kommt zur Auswirkung, wenn Zwecke gesetzt werden, die auch von den anderen anerkannt werden können, so daß sie sie als selbstgesetzte empfinden.“3 Die Zwecke müssen demgemäß gemeinschaftsverträglich 1 2 3

Nicklisch (1922a), S. 45 Nicklisch (1928), S. 59 [Hvh. i. O.] Nicklisch (1928), S. 60

Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

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sein (mit Gewissen), mit Bewußtsein gesetzt werden (durch Geist) und einem verantwortlichen Willen entspringen (aus Freiheit). (2) Gesetz der Gestaltung (Gliederung und Einung)

Dieses „zweite der Gesetze“ formuliert Nicklisch wie folgt: „Bei ihm handelt es sich darum, wie räumliche Zweckgebilde entstehen. Sie ent­ stehen in der Weise, daß die gesetzten Zwecke aus dem Bewußtsein der Menschen in ihre Umwelt übertragen werden.“1 Mit anderen Worten geht es um die Errichtung zweckerfüllender Organisationen (Betriebe), durch Arbeitsteilung („Gliederung“: Unterzwecke) und Koordination („Einung“: Hauptzwecke).

(3) Gesetz der Erhaltung

Nicklisch bezieht sich auf Betriebserhalt und -fortbestand, wenn er dies Gesetz formuliert: „Es kommt darin zum Ausdruck, daß ein Kraft­ zentrum, das dauernd nur nach außen wirkt, ohne daß dadurch Rück­ wirkungen entstehen, die die Kraft immer wieder erneuern, zugrunde geht.“2 Dies Gesetz ist im Kontext des Werte- und Wirtschaftskreis­ laufs zu verstehen, wie ihn Nicklisch auf betrieblicher und gesamtwirt­ schaftlicher Ebene sieht und unter dem Blickwinkel des Wirtschaftlich­ keitsprinzips darstellt: „So wird deutlich, daß der Kem des Gesetzes der Erhaltung das ökonomische Prinzip ist, einen Zweck mit möglichst wenig Mitteln zu verwirklichen oder mit gegebenen Mitteln möglichst viel zu erreichen.“3

Nicklisch vollzieht die Verknüpfung der drei Gesetze so, daß er sie unter den Primat des ersten, der Zwecksetzung, stellt: „Wie das Gesetz der Ge­ staltung, so ist auch das Gesetz der Erhaltung im obersten Organisations­ gesetz mitgegeben, in ihm mit innschlossen und kommt wie jenes zur Gel­ tung, indem dieses über Zwecke und Zweckwege aus unserem Bewußtsein in die Außenwelt übertragen wird.“4

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Nicklisch (1928), S. 60f. Nicklisch (1928), S. 61 Nicklisch (1928), S. 62 Nicklisch (1922a), S. 96

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

2.3 Wirtschaft und Gesellschaft bei Nicklisch 2.3.1 Wesen der Wirtschaft Wie obige Ausführungen offengelegt haben, ist das Wesen der Wirtschaft ein Arbeiten an der Materie, um sie menschlichen Zwecken dienlich zu machen. Der Zwecke setzende, vernünftige Mensch sucht Zweckwirkun­ gen zu schaffen, um dadurch seine Bedürfnisse zu stillen und seinen Be­ darf zu decken. Der mit Verstand und Bewußtsein begabte Mensch hat festzulegen, was zu der Befriedigung seiner, der körperlichen Natur ent­ springenden Mangellage, wie zu tun ist. Hierbei wird weniger das „Kör­ perwesen“ als vielmehr das „Geistwesen“ Mensch herausgefordert und von Nicklisch „in die Pflicht“ genommen. Die Pflicht ist es aber auch, zu der der Einzelmensch durch die menschliche Gemeinschaft bewogen wird. Als Gemeinschaftswesen setzt er wirtschaftliche Zwecke primär zugunsten anderer und nur sekundär (als Folgewirkung) für sich selbst. Die Zweck­ wirkungen schafft er sodann nicht alleine, sondern in organisierten Wirt­ schaftseinheiten (Zweckgebilden: Betrieben).

Das Wirtschaften erfüllt nach Nicklischs Auffassung eine Kulturfunktion der Gesellschaft und ist somit gesellschaftsbezogen. Dies findet in den wirtschaftsrelevanten Richtgrößen und Beurteilungsmaßstäben seinen Niederschlag. Das Leitmotiv allen (auch des betrieblichen) Wirtschaftens ist nach Nicklisch die Wirtschaftlichkeit. „Die Kultur im Betriebe ergibt sich aus dem Wesen der Wirtschaftlichkeit und findet sich überall, wo diese herrscht. Wirtschaftlichkeit drückt sich an Wirkungen aus, die sich nach dem ökonomischen Prinzip ergeben.“1 Diese Wirtschaftlichkeit (= ökonomisches Prinzip) ist im Gesamt- wie im Einzelbereich aller Wirt­ schaftssektoren bewußt und allgemein umzusetzen. Aus diesen Darstellungen spricht die Anschauung einer organischen Ver­ bundenheit aller Wirtschaftsebenen. Entsprechend ist das Wirtschaftlich­ keitsprinzip ein alle Wirtschaftsbereiche umfassender „Kulturfaktor“. Vehement wendet sich Nicklisch gegen eine vereinseitigte Festlegung auf das Effizienzmaß „technischer Wirkungsgrad“. Er sieht in ihm eine techni­ sche Optimierung ohne Kulturbezug und ohne Sittenbindung: „Der Wir­ kungsgrad des Ingenieurs aber bedarf des Gewissens nicht durchaus. Auch

1

Nicklisch (1924a), S. 3

Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

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die Zivilisation kann ohne Gewissen sein. Kultur aber ist Gewissensfrucht. Nur wo Gewissen ist, findet man sie.“1 Das Wirtschaftlichkeitsdenken ist also mehr als Ingenieurslogik, nämlich ein Prinzip der Wirtschaft und Kultur, ein „Prinzip des organischen, schöpferischen Lebens“. Nicklischs betriebswirtschaftliches System darf nach dem Erscheinen sei­ nes Hauptwerkes „Die Betriebswirtschaft“ als vollendet angesehen wer­ den.2 Bald danach traten dann die radikalen Veränderungen in der politi­ schen Landschaft Deutschlands auf, die nicht ohne Einfluß auf die Wis­ senschaft und Forschung - namentlich auch bei Nicklisch - blieben. Dem­ entsprechend formuliert Keinhorst: „Die Veröffentlichungen nach 1933 sind im wesentlichen Wiederholungen seiner Grundgedanken, die stärker akzentuiert auf nationalsozialistisches Ideengut ausgerichtet werden.“3 Dies wurde Heinrich Nicklisch später zum Vorwurf gemacht und hat sei­ nen betriebswirtschaftlichen Ansatz diskreditiert. Besondere Entfaltung erfuhr nach 1933 der Gemeinschaftsgedanke bei Nicklisch: Als besonders bedeutsam wird erachtet, im Sinne welcher Welt­ anschauung (Gesinnung) gewirtschaftet wird. Darüberhinaus wird von den Folgen einer liberalen Wirtschaftsweise („freie Wirtschaft“) und einem „freiwütenden Egoismus des Einzelnen“ gewarnt. Beides wird als Ursache für Wirtschaftskrisen (= schrumpfender Auslastungsgrad der Wirtschafts­ kapazität trotz eines Bedarfs und einhergehende Freisetzung von Arbeits­ kräftepotential) gewertet. Vor diesem Hintergrund wird der Entwurf einer bedarfsbestimmenden, „ständischen Wirtschaft“ formuliert, der eine enge Verbindung zwischen „Betriebsgemeinschaft“ und „Volksgemeinschaft“ herstellt. „Die Wirtschaft stirbt am privaten Egoismus der Wirtschaften­ den. Der Wille zur Gemeinschaft dagegen erhält sie, lebendig und fuhrt sie zur Blüte. Ihre dauernde Form ist ständisch.“ 4 Im Jargon jener Zeit galt es, wirtschaftlicherseits eine Abstimmung von „Arbeitsfront“, „Güter­ front“ und „Kräftefront“ anzustreben und herbeizufuhren.5 Schließlich endete alles in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches.

1 2 3 4 5

Nicklisch (1924a), S. 4 vgl. Keinhorst (1956), S. 85 Keinhorst (1956), S. 85 Nicklisch (1933), S. 58 vgl. Nicklisch (1933), S. 80ff.

36

Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

2.3.2 Organische Ganzheit In der organischen Auffassung von Gesellschaft und Wirtschaft steckt das Bild der Harmonie zwischen dem Einzelnen („Glied“) und der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft („Ganzes“). „Auch im Leben des Ganzen ist dann Gliedleben und macht es erst zum ganzen Leben.“1

Das innige Verhältnis von Glied (Betrieb) und Ganzem (Marktgesell­ schaft) zeigt sich deutlich in Nicklischs Modellvorstellung des wirtschaft­ lichen Wertekreislaufs: Im betrieblichen Produktionsprozeß werden Werte verzehrt und Güter geschaffen. Durch die marktliche Nachfrage werden Güter abgesetzt und Geldwerte erlöst. Die zurückfließenden Geldwerte werden zur Aufwandsdeckung und zur Ertragsverteilung eingesetzt. Die Verdienstanteile (Einkommen) und die verteilten Erträge setzen den Be­ schäftigten in die Lage, über den Markt seine Bedürfnisse mit seinen Ein­ künften zu decken. Das Geld fließt sodann als Gegenwertbewegung wieder in den Betrieb u.s.w.2

2.3.3 Egoismuskritik Die organische Auffassung bezüglich Gesellschaft und Wirtschaft bringt es mit sich, daß jeder Art von individueller Selbstbezogenheit im Handeln und Wirtschaften eine deutliche Absage erteilt wird. Einige dieser von Nicklisch formulierten Positionen werden im folgenden herausgearbeitet bzw. zusammengefaßt.

(a) Der Gemeinschaftsgedanke steht bei Nicklisch hoch im Ansehen, weil nur aus der Gemeinschaft heraus Zweckgründe für Zweckwirkungen bestimmt werden können, nie jedoch durch Einzelinteressen: „Gemein­ schaften gehören zu den Gründen von Gemeinschaftswirkungen, sie sind der Wirkungsträger in ihnen; krasse Egoisten aber bindet die Ur­ sache nicht die Einheit dieser Gründe; sie sind Fremdkörper in ihnen in eben dem Sinne und mit eben den Wirkungen, die bereits erörtert wor­ den sind.“3

(b)Der Mensch ist ein geistiges Wesen, das fähig ist, verantwortungsvoll aus Gemeinnützigkeitsverständnis und Pflichtbewußtsein zu handeln, 1 2 3

Nicklisch (1924a), S. 3 vgl. Völker (1961), S. 3Iff. Nicklisch (1922a), S. 14

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sowie dieses Handeln in einen höheren Sinnzusammenhang zu stellen. Dem widerspricht nach Nicklisch egoistisches Handeln: „Das voll­ kommenste Ziel des Egoismus ist die Harmonie in der Befriedigung der sinnlichen Bedürfnisse: Glückseligkeit. ... Aber selbst auf dieser Höhe der Entwicklung fuhrt der Egoismus in seinem Wesen nicht über das Ich hinaus. Zu einem größeren Ganzen, des Glied das Ich ist, hat er keine unmittelbare Beziehung.“1

(c) Nicklisch geißelt die anglo-amerikanische Wirtschaftsauffassung, die von individualistischen und egozentrischen Standpunkten ausgeht, als „Profitmachen“. Nach seiner Auffassung sollte im Bereich der Wirt­ schaftslehre nicht „Profit“ das Erkenntnisinteresse lenken, sondern die dem ökonomischen Gesetz entsprechende Wirtschaftlichkeit. „Privat­ wirtschaftslehre“ wird als „Lehre der Pflicht“ des Einzelnen im Dienste des Ganzen gesehen.2 Freiheit wird falsch verstanden, wenn sie rein individuell, kapital- und wettbewerbsorientiert ausgelegt bzw. ausgelebt wird. Nicklisch furch­ tet, daß dadurch der Mensch zum Mittel dieser Zielvarianten gemacht und seiner Würde entledigt wird (d. h. Verzweckungs- und Entfrem­ dungsgefahr): „Ein Wettbewerb entsteht, der das Materielle in den Vordergrund schiebt und die Menschenkinder sich schließlich um des Lebens Notdurft streiten, balgen und schlagen läßt, nicht ohne daß sich Neid, Haß, Erbitterung entwickeln, die den Gemeinschaftsgedanken zu­ rückdrängen und die Menschen um des körperlichen Lebenswillens ge­ geneinander isoliert.“3

(e) Nicklisch wendet sich schließlich auch gegen die einseitige und egoisti­ sche Gewinnsicht der Aktionäre und deren gebannte Ausrichtung auf die Kapitalrentabilität statt auf den Human- und Arbeitsaspekt. Er be­ dauert diese „kapitalistische“ Sichtweise in dem Satz: „Die kapitalisti­ sche Entwicklung unseres Wirtschaftslebens hat den Gewinnbegriff an das Kapital geknüpft, statt an den des Schöpferischen im Leben, die Arbeit.“4

1 2 3 4

Nicklisch (1915), S. 102 vgl. Nicklisch (1915), S. 103 Nicklisch (1922a), S. 69 Nicklisch (1922a), S. 100

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2.4 Wirtschaftswissenschaft als Normwissenschaft Nicklisch hat ein ethisch-normatives Verständnis von Wissenschaft. „Normativ, seinem sprachlichen Ursprung abgeleitet aus Norm (Norma) = Maßstab, hängt eng mit dem Begriff des Sollens zusammen.“1 Das (auch wirtschaftliche) Handeln des Menschen vollzieht sich im Rahmen von Regeln, die ihm das Gesollte anzeigen. „Diese objektivierte Sollregel, die als Vorbedingung des r i c h t i g e n Handelns dieser vorausgesetzt wird, nennt man Norm.“2 Normen lassen sich nicht empirisch ermitteln oder begründen. Sie stellen etwas verbindlich Vorgegebenes dar, das es anzuerkennen gilt. Als Nor­ men fungieren: a) Werte, Ideen, Ideale; b) Normsätze (Gesetze, Gebote, Imperative). Diese erkenntlich zu machen und der Praxis vorzugeben, ist Aufgabe der normativen Wissenschaft. „Eine normative Wissen schäft ist eine Disziplin, die Normen in Besinnung auf die idealen Grundnormen setzt.“3 Der normative Ansatz geht von einem „objektiv gegebenen System von Normwerten“ aus. Die Einzelwissenschaft hat ihren Gegenstandsbereich hierin einzuordnen: „Aufgabe der Wissenschaft ist es, die für sie adäqua­ ten Sonderwerte zu normieren und sinnvoll in das bestehende oberste Normsystem einzuordnen ,..“4 Daraus läßt sich dann das wissenschaftli­ che Forschungsziel von Nicklisch so formulieren: „Nicht dasjenige, was als seiend in der Wirklichkeit bereits gegeben ist, ist für die Erkenntnis letztlich entscheidend, sondern dasjenige, was in Übereinstimmung mit den höchsten, allgemeinen, absoluten Werten im System der Normen nach­ gewiesen wird. Von den obersten Grundnormen aus erhält alle Erkenntnis erst Ausrichtung, Sinn und Ziel.“5 Also lautet die Forderung an die Normwissenschaft, über reine Wirklichkeitszusammenhänge hinauszuge­ hen, d. h. Seinszusammenhänge zu deuten und ihre Einordnung in das Wertesystem vorzunehmen. „Die Erklärung der Wirklichkeit ist nicht Ziel, sondern Mittel, integrierender Bestandteil einer Untersuchungsmethode,

1 2 3 4 5

Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug (1954), S. Schönpflug(1954), S.

73 74 [Hvh. i. O.] 74 [Hvh. i. O.] 76 77

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deren letztes Erkenntnisziel die Feststellung der Übereinstimmung des Ist mit dem Soll ist.“1

Wertung und Bewertung gehören dann notwendigerweise zur Aufgabe der Wissenschaft. Empirische Befunde haben hier nur am Rande ihre Wichtig­ keit. „Die empirische Wirklichkeit ist für die Normativisten nicht die Grundlage der Erkenntnis, sondern Anwendungsbereich der aufgestellten Normen und Sollenswerte.“2 Sie vergegenwärtigt lediglich den Ist-Zustand in einem als gültig angesehenen und anzustrebenden Soll-Rahmen. Normen gründen wesentlich auf allgemeinverbindlichen Werten, auf „ob­ jektiven“ und „absoluten“ Werten (gemäß einer Wertlehre und Wertethik). Gegenstand der normativen Wissenschaft sind nicht individuelle, subjekti­ ve Werte, Bewertungen oder Urteile, sondern „wahre, ewige“ Werte. „Die normative Erkenntnis hat es mit den Gesetzen und Normen zu tun, die allen Subjekten gemeinsam sind und nach denen der Mensch die Welt der Wirklichkeit und die Welt der Sittlichkeit notwendig erbaut.“3 Was nun die Erkenntnismöglichkeit von Werten anlangt, läßt sich feststellen: „Der Maßstab des 'Richtigen' bestimmt sich allein vom höchsten Wert, der apriorischen Ursprungs ist und durch die Wirklichkeit nicht bewiesen, sondern nur bestätigt werden kann.“4 Werte und Normen lassen sich durch „vernünftiges“ Denken (Vemunftgebrauch) ermitteln.

Den Zweck des normativen Wissenschaftsstrebens präzisiert Schönpflug folgendermaßen: „Ist normative Erkenntnis überhaupt möglich, dann ist der letzte Sinn dieser Erkenntnis nur erfüllt, wenn nicht nur die Werte in ihrer Unbedingtheit und Absolutheit erkannt sind, sondern wenn die Welt der Wirklichkeit der Welt der idealen Normen nahegebracht wird, bis sie letzten Endes mit ihr zusammenfallt.“5 So gesehen ist Wissenschaft nicht nur Analyse und Darstellung, sondern Interpretation und Bewertung der Wirklichkeit: „Normalwissenschaft will nicht 'erklären', sondern 'beurtei­ len', sie will nicht erkennen, um der Erkenntnis willen, sondern um zu 'bes­ sern' und zu 'richten'. Das Werturteil gehört ebenso notwendig zum Begriff

1 2 3 4 5

Schönpflug (1954), Schönpflug (1954), Schönpflug (1954), Schönpflug (1954), Schönpflug (1954),

S. S. S. S. S.

77 77 80 [Hvh. i. O.] 81 82

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der Wissenschaft, wie der Glaube an die Existenz absoluter Werte und an die natürliche Gesetzmäßigkeit alles Geschehens überhaupt.“1

2.5 Menschen- und Betriebsverständnis bei Nicklisch 2.5.1 Der Mensch in der Betriebsgemeinschaft Der Mensch ist Ziel des Wirtschaftens. Durch betriebliche Wertschöpfung überbrückt er die Spanne zwischen Bedürfnis und Befriedigung. Er ist das Bindeglied zwischen Haushalt und Betrieb: „Der wirtschaftende Mensch hat als solcher zwei verschiedene Lebenskreise, den des Erwerbs seiner Kaufkraft und den seines Haushalts.“2 Damit stehen Betriebe nicht für sich, sondern sind mit den Haushalten in einem wirtschaftlichen Aus­ tauschprozeß verbunden. Je nach Umfeld verfolgt auch der Mensch unter­ schiedliche, aber letztlich ergänzende „Wertinteressen“: Im Rahmen des Betriebes wird er nach gemeinschaftlicher Schaffung eines hohen „Wert­ standes“ (Angebot an Realgütem) und persönlich für ein gutes Entgelt (Nominalgüterpotential) streben. Demgegenüber geht es im Haushaltsbe­ reich darum, einen möglichst hohen Bedürfhisbefriedigungsstand (von Realgütem durch Nominalgüter) zu erreichen. Die Betriebswirtschaft soll ein hohes Niveau in beiden Bereichen ermöglichen und somit eine weitge­ hende Überwindung der genannten Bedarfsspanne erreichen.3

Bei Nicklisch steht der Mensch - als Wirtschaftszweck - im Mittelpunkt des betriebswirtschaftlichen Prozesses, neben nachrangigen materiellen und technischen Dingen. „Aber immer ist doch noch der Mensch als Ar­ beitender da. Entweder als Aufseher oder als Zubringer oder als Verbin­ dungsmann zwischen Automaten oder als Abnehmer oder als Stapler oder als Verwalter und Werterhalter und schließlich ja als Verbraucher.“4 Der arbeitende Mensch ist Wert an sich, nicht Betriebsmittel. Er steht zudem nicht als Einzelner (als „Partisan“ seiner Interessen) im Betriebsge­ schehen, sondern er ist in das Betriebsleben durch die Betriebsgemein­ schaft eingebunden. „Der Mensch steht in der Gemeinschaft des Betriebes;

1 2 3 4

Schönpflug (1954), S. 83 Nicklisch (1932), S. 36 vgl. Nicklisch (1932), S. 34ff. Nicklisch (1920), S. 169

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durch ihn wird der Betriebsmechanismus zu einem Organismus; er steht mit seinen Rechten und Pflichten im Betriebe.“1 Gemeinschaft ist erfor­ derlich, um die bedarfsdeckenden „Zweckwirkungen“ hervorzubringen.

Nicklisch sieht den Menschen nicht ausschließlich als Berufsmenschen, sondern als Grenzgänger zwischen verschiedenen Gesellschaftsbereichen, wie: Betrieb, Familie, Staat, eventuell Religionsgemeinschaft u.a.m. Außer dem menschlichen Gemeinschaftsaspekt beschäftigt Heinrich Nicklisch sehr die betriebsorganisatorische Seite und die betriebswirtschaftliche Zielsetzung. Der Mensch arbeitet zur Erfüllung von Zwecken und zur Befriedigung seiner Bedürfnisse. Er vollzieht so die Umgestaltung von Materie in einem bewußten, willentlichen und verantwortlichen Hand­ lungsprozeß, als berufliche Tätigkeit und als menschliche Daseinsberufiing. „Der Beruf ist die organische Verbindung von Gemeinschaft und Arbeitsteilung im einzelnen Menschen, die organische Verbindung von geistigem Wirken und naturgesetzlichem Geschehen.“2

2.5.2 Der Betrieb und die Betriebswirtschaftsziele Organische Betriebsauflassung (Organisationsprozeß): Der Betrieb ist die kleinste Organisationseinheit der Wirtschaft, aber dem Wirtschaftsganzen verpflichtet: „Die Aufgabe des einzelnen Betriebes ist immer Glied der G e s a m t a u f g a b e der W i r t s c h a f t, die Befriedigung der Bedürfnisse der wirtschaftenden Menschen zu ermögli­ chen.“3 Demgemäß ist Nicklischs Betriebsauffassung sehr weitläufig und schließt sowohl private und öffentliche Betriebe als auch wirtschaftende Organisationen und Haushalte ein. Der Betrieb wird von Nicklisch als Organismus betrachtet, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der ertragswirtschaftliche Mecha­ nismus. Diese „organische“ Sichtweise baut auf der Kenntnis von „Orga­ nisationsgesetzen“ auf, die auch bei der Organisation von Wirtschaftsge­ bilden ihre Berücksichtigung beanspruchen. Der „Organisator“ ist ihr

1 2 3

Nicklisch (1920), S. 169 Nicklisch (1922a), S. 93 Nicklisch (1932), S. 234 [Hvh. i. O.]

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intimer Kenner und ihr berufener betriebspraktischer Umgestalter (gewis­ sermaßen der „Schmied des Nibelungenringes“).1 Sozio-ökonomische Betriebsausrichtung (Wirtschaftlichkeit): Die Betriebsauffassung, ihre organisatorische Verwirklichung und die menschen-orientierte Betriebsgestaltung, aber auch die betriebswirtschaft­ liche Verpflichtung auf einen „wirtschaftlichen“ Mitteleinsatz bilden in Nicklischs Vorstellung eine Einheit. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, ist es der Betriebszweck, Leistungen zu erbringen, die die wirtschaftliche Mängelsituation beseitigen helfen. Bedingung des unter­ nehmerischen Fortbestandes ist, so am marktlich organisierten Wirt­ schaftsprozeß (Wertekreislauf) teilzunehmen, daß der durch die Leistungs­ erbringung verzehrte Wertestrom (Ausgaben) über den Absatz auf dem Markt durch den Werterückstrom (Einnahmen) überkompensiert wird. Dabei steht jedoch - wie ausgefuhrt - die Kapitalrentabilität bei Nicklisch nicht (!) im Vordergrund. Genausowenig setzt er auf die Steigerung eines „technisch“ aufgefaßten Wirkungsgrades. Richtschnur des Wirtschaftens muß vielmehr das „ökonomische Prinzip“ (= Wirtschaftlichkeit) sein.

2.5.3 Der Betriebsprozeß und Wertekreislauf Der Betriebsbegriff läßt sich von „bewegen“, „betreiben“ ableiten: „Wenn man im wirtschaftlichen Leben B. [Betrieb; U.N.] sucht findet man ihn überall, wo Bewegung ist. Die Bewegung erweist sich dabei als Wert-, nicht als Mengenbewegung, aber als Wertbewegung, die notwendi­ gerweise die Menge mitreißt.“2 Auf diesen betriebswirtschaftlichen Prozeß der Wert- und Mengenbewe­ gungen und seine Einbindung in den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf gilt es im folgenden näher einzugehen. Der Betriebs- und Wirtschaftskreislauf ist hierbei ökonomisch ein Prozeß der Wertbildung und -Verteilung, be­ trieblich ein Vorgang der Produktion und Distribution, menschlich der Vollzug von Leistungserbringung und Einkommenserwerb und gesell­ schaftlich eine Unterhalts- und Bedarfsdeckung durch Real- und Nomi­ nalgüterversorgung.3

1 2 3

vgl. Nicklisch (1924b), S. 77ff. Nicklisch (1926), Sp. 1044 vgl. Völker (1961), S. 76ff.

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Die einzelnen Aspekte des „Lebens der Betriebe“ und ihr Eingebundensein in einen Wertekreislauf ist aus der „Optik“ von Heinrich Nicklisch zu skizzieren. Anschaulich und verständnisförderlich soll das in der von Nicklisch selbst so geprägten, heute jedoch teilweise anders verstandenen Fachterminologie geschehen: Kennzeichnend ist für das betriebliche Wirt­ schaften gemäß Nicklisch das Bewegungsmoment, d. h. der Prozeß­ charakter, wie folgt: „Die Erörterung des Begriffs vom Betrieb hat uns in Gebilden dieser Art als wesentlich den Prozeß gezeigt, durch den die Be­ triebsleistung entsteht. Überall, wo ein solcher Prozeß sich befindet, muß Betrieb sein.“1 Inhaltlich wird zwischen dem „Betriebsprozeß“ sowie dem „Ertragsverteilungsprozeß“ unterschieden. Vorstellungen zum Betriebsprozeß: Einleitend steht hierfür folgende Definition: „Das Begriffswort 'Betriebsprozeß' faßt alle Vorgänge, die sich in einem Betrieb vollziehen, um seinen Zweck zu verwirklichen, mit der Masse, die sie bewegen, und mit den Kräften, die sie hervorrufen, zu einer Einheit zusammen.“2 Im einzelnen handelt es sich dabei um einen „Produktionsprozeß im engeren Sinne“ (= Produktions- oder Erzeugungsprozeß) sowie einen „Produkti­ onsprozeß im weiteren Sinne“ (= Erzeugungs- und Verteilungsprozeß bzw. Beschaffungs-, Produktions-, Absatzprozeß). Der Produktionsprozeß i.e.S. ist durch ein „Hineinziehen“ von Faktorwerten bzw. -leistungen in einen „inneren Kreislauf* des Betriebes gekennzeichnet.

Demgegenüber ist der Produktionsprozeß i.w.S. als ein „Hinausstoßen“ der betrieblichen Wertschöpfung in einen außerbetrieblichen Wirtschafts­ kreislauf zu verstehen. Schließlich tritt der Betrieb (seinem Zwecke ge­ mäß) mit Produktionswerten (realen Wirtschaftsgütem) zu seiner markt­ wirtschaftlichen Umwelt in Beziehung und leitet damit die Gegenwert­ bewegung (monetäre Verkaufserlöse) ein. Die „Wertbewegung“ (Produk­ tionsprozeß = Gütererzeugung) wird so von der „Gegenwertbewegung “ (Absatzprozeß = Realgüterverteilung) abgelöst, womit dann die „Wert­ verteilung“ (Ertragsverteilungsprozeß = Nominalgüterverteilung) vorge­ nommen werden kann.3

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Nicklisch (1928), S. 12 Nicklisch (1927c), S. 121 vgl. Nicklisch (1927c), S. 122

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In der hier zugrundegelegten Zeitraumbetrachtung wird betriebliches Wirt­ schaften als („kinetischer“, „dynamischer“) Prozeß der Wortschöpfung und Wertverteilung verstanden. Am Anfang stehen die Ausgaben, als ab­ fließende Werte, die Ausgabengegenwerte (Sachgüter, Leistungswerte, Rechte...) zur Folge haben. Die zur Beschaffung der für den betrieblichen Transformationsprozeß notwendigen Faktoren („Kostengegenwerte“) ge­ tätigten Ausgaben werden als Kosten bezeichnet. Diese, auf den Faktor­ märkten beschaffungsseitig zur Erstellung der Betriebsleistung vorge­ nommenen Ausgaben sind als Voraussetzung des Transformations­ prozesses betriebsnotwendig. Sie ermöglichen erst die Güterproduktion. Im Wege des Umsatzes (Veräußerung der nachfragefahigen Betriebsleistung) fließen dem Betrieb dann wieder Werte (als Einnahmen) zu. Die Umsatz­ erlöse sind „der Lohn“ für den (organisch) geleisteten Betriebsaufwand. Die Betriebsleistung (= marktreifes Gut) läßt sich als betriebseigener (Rest)Aufwandswert darstellen, der dadurch zustandekommt, daß vom Ge­ samtaufwandswert die betriebsfremden Vorleistungen abgezogen werden. Die Veräußerung der Betriebsleistung fuhrt durch den Verkaufserlös zu Ertragseinnahmen und leitet so die (aufwands- und ausgabenkompensie ­ rende) Gegenwertbewegung ein.

Beim Umsatzprozeß (Güterabsatz) kommt es zu einer Marktabgleichung des Aufwandswertes mit dem Veräußerungswert der Betriebsleistung. Im Gegenstrom zu den Realgütem (Betriebserzeugnissen) fließen Nominal­ güter (Zahlungsmittel) an den Betrieb zurück. Aus der Güterveräußerung entspringt der Ertrag. „Der Ertrag ist der Gegenwert der Betriebslei­ stung“.1 Er wird in Geldwert ausgedrückt und steht dem betrieblichen Aufwand gegenüber. Nicklisch unterscheidet zwischen „Kapitalertrag“, „Arbeitsertrag“ und „Betriebsertrag“ (von dem eben gesprochen wurde).2

Aus dem Ertrag wird das Einkommen bestritten. „Einkommen entsteht dadurch, daß Ertrag von Personen vereinnahmt wird.“3 Mit „Einkommen“ ist sowohl das Mitarbeiter- als auch das Untemehmereinkommen gemeint. In seinem Einkommensverständnis hebt sich Nicklisch besonders von gän­ gigen Betriebswirtschaftsauffassungen ab. Er faßt nämlich das Arbeitsein­ kommen nicht beschaffungswirtschaftlich als Kosten für den Wert, der 1 2 3

Völker (1961), S. 81 [Hvh. i. O ] vgl. Nicklisch (1922c), S. 195 Nicklisch (1922c), S. 197

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Faktorleistung „Arbeit“ auf. Vielmehr betrachtet er diese absatzwirt­ schaftlich als einen durch den berufstätigen Menschen betrieblich­ persönlich, „am/im Produkt“ erbrachten Arbeitsaufwand und das Arbeits­ einkommen als zustehenden Ertrag für diesen berufsvollziehend geleisteten Aufwand. Mitarbeitsentgeltung ist (wie später genauer auszufuhren ist) somit der Arbeitsertrag für persönlichen Aufwand, der im Rahmen des Produktionsprozesses aufgeboten und damit erbracht wurde.

Der positive Saldo von Ertrag und Aufwand (= „Ertragsrest“) stellt bei Nicklisch den Gewinn der Unternehmung dar.1 Der Gewinn ist die Quelle für die erforderlichen Rücklagen (und eine mögliche Gewinnfinanzierung), für Zinsendienste, sowie des Untemehmereinkommens und zuguterletzt der Mitarbeiterprämie: „Er enthält Sicherungsbeträge, oft auch die Zinsen für das eigene Kapital, Untemehmerlohn, Untemehmergewinne und Gewinn­ anteile der Mitarbeiter.“2 Vorstellungen zum Ertragsverteilungsprozeß: Neben der Ertragserwirtschaftung war für Heinrich Nicklisch die Ertrags­ verteilung die zweite wesentliche Säule des betrieblichen Wirtschaftspro­ zesses, die maßgeblich für das Gelingen der wirtschaftsbestimmenden Bedarfsdeckungsaufgabe verantwortlich ist. Mit der Ertragserwirtschaftung und -Verteilung wird der betriebliche mit dem Wirtschaftskreislauf verknüpft und es wird die dem Güterstrom gegenläufige Wertbewegung eingeleitet.

Da die Ertragserzielung durch Güterproduktion eine betriebliche Gemein­ schaftsaufgabe ist, hat auch die personale Ertragsanteilszumessung einen kollektiven und zweckdienlichen Charakter: nämlich Arbeitskrafterhaltung (Reproduktionsaspekt) und Bedarfsdeckungsermöglichung (Versorgungsund Konsumaspekt). „Die Ertragsverteilung ist nun eine neue Wertbewe­ gung, die von dem zweiten Pfeiler ausgeht und sich in die Richtung auf die einzelnen Glieder der Betriebsgemeinschaft vollzieht, die damit den Ge­ genwert für die Leistungen erhalten, die sie in den Betriebsprozeß hinein­ gegeben haben, so daß auch für sie die Fortsetzung der Arbeit möglich wird.“3 Die andere, volkswirtschaftliche Seite der Ertragsverteilung ist die Ermöglichung der Marktpartizipation und des Güterkonsums jener produ­ 1 2 3

vgl. Nicklisch (1922c), S. 197 Nicklisch (1924a), S. 5 Nicklisch (1928), S. 28

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zierten Güter. „Leistungswert von den Bedürfenden geht an die Betriebe Güterwert von den Betrieben an die Bedürfenden und: Kaufkraft aus dem Ertrage der Betriebe fließt an die Leistenden (Bedürfenden) - Zahlungs­ werte an die Betriebe für gekaufte Werte.“1

Damit enthält der Ertragsverteilungsprozeß eine qualitative und eine quantitative Komponente. „Das Ergebnis einer 'richtigen' Ertragsvertei­ lung sind lebendige Märkte.“2 Das bedeutet, daß eine „gute“ Ertragsverteilung gleichzeitig gerecht und nachfrageforderlich sein soll, ohne dabei allerdings die betriebliche Ertragsfähigkeit zu überfordern. Aus der be­ triebsgemeinschaftlichen (organischen) Auffassung von Nicklisch ergibt sich, daß bei dem „gerechten“ Verteilungsprozeß nicht eine individual­ kausale Leistungszumessung stattfindet, sondern eine allgemein-finalen Gesichtspunkten Rechnung tragende, d. h. eine menschliche Bedarfsge­ sichtspunkte berücksichtigende Sichtweise. Von Bedeutung ist weiterhin das spezifische Arbeits- und Berufsbild bei Nicklisch: Weil Arbeit keine Faktorleistung ist, die als direkte Faktorkosten (Löhne und Gehälter) zu Buche schlägt, ist das Arbeitsverhältnis keine meistbietende Arbeitskraft­ veräußerung für „gutes Geld“. Vielmehr wird in der Arbeitskraftentfaltung ein unveräußerliches, menschliches Arbeitspotential gesehen, das im Rah­ men der betrieblich-beruflichen Tätigkeit eingesetzt und durch ein Arbeits­ entgelt (als Ertrags- und Gewinnpartizipation) für den eingebrachten (zweckdienlichen, nicht selbstbezogenen) Arbeitsaufwand ausgeglichen und gewürdigt wird.3

Die Arbeitsentgeltung läuft zusammengefaßt auf folgende Weisen ab:

□ Erstens werden Löhne und Gehälter ex ante als Arbeitserträge (= Lei­ stungsgegenwert für geleistete Arbeit) unter Abschätzung des zu er­ wartenden Verkaufserlöses (zeitraumbezogen) vorabbezahlt. □ Zweitens werden nach ex post festgestelltem, betrieblichen Periodener­ gebnis aus dem Ertragsrest (= Gewinn) nach Befriedigung der Rücklagenerfordemisse sowie der Zinsendienste und Untemehmeransprüche die Restbeträge als Prämien an die Mitarbeiter (zeitpunktbezogen) nachverteilt.

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Nicklisch (1927c), S. 122 Völker (1961), S. 88 [Hvh. i. O.] vgl. Völker (1961), S.85fF.

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Das zur Wortschöpfung (Realgüterproduktion) benötigte und eingesetzte Arbeitspotential wird den Arbeitsleistenden durch die Realisierung der Umsatzerlöse als Löhne und Gehälter zuzüglich Gewinnprämien vergütet (Nominalgüterversorgung). Somit fließen die „Früchte der Arbeit“ der Betriebsbelegschaft wieder zu und ermöglichen den Arbeitenden die Marktteilnahme zur Deckung ihres Daseinsbedarfs sowie ihrer Bedürfnisse durch die Nachfrage der in den jeweiligen Betriebsprozessen geschaffenen Bedarfsgüter. Die Befolgung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sowie des Gerechtigkeits­ prinzips ist unverzichtbare Voraussetzung für ein „gelingendes“, verant­ wortbares (und damit „ethisches“) Wirtschaften, das kein Marktspiel mit Chancen und Ressourcen bedeutet.

2.5.4 Die Betriebsethik Nicklischs Betriebswirtschaftslehre wird - wie eingangs erwähnt - als „ethisch-normativ“ bezeichnet. Sie gründet auf philosophischen Anschau­ ungen, die einen verbindlichen Orientierungsrahmen für wirtschaftliches Handeln bilden. Der Wirtschaftsprozeß wird gesamthaft gesehen, d. h. vom Wirtschaftsganzen bis zu den kleinsten Wirtschaftseinheiten. Das Wirtschaften selbst wird als eine, den Menschen im Mittelpunkt sehende, zweckgerichtete und verantwortungsträchtige Kulturfunktion verstanden. Die vorhandene Mangellage soll durch die Real- und Nominalgüterversor­ gung vermittels der Wirtschaftseinheiten (Betriebe) in einem weitestmögli­ chen und verantwortbaren Maße behoben werden.

Nicklisch hat sich selbst nie als „Betriebsethiker“ verstanden, sondern es als seine Pflicht angesehen, diese Standpunkte herauszuarbeiten und zu vertreten: „... Männer der Wissenschaft, die den Bewußtseinsvorgängen in ihren Beziehungen und in ihrer Bedeutung fürs Betriebsleben nachgehen, tun einfach ihre Pflicht. Sie handeln weder als Ethiker, noch in irgendeiner anderen vermuteten Eigenschaft, sondern rein als Betriebsforscher.“1 Er selbst verwendet denn auch den Ausdruck „Betriebsethik“ im Sinne von „Kaufinannsmoral“. In dem von ihm herausgegebenen „Handwörterbuch der Betriebswirtschaft“ wendet er sich in diesem Zusammenhang gegen egoistische Vorteilssuche, unlauteren Wettbewerb, Wucher und Macht­ 1

Nicklisch (1932), S. 173

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mißbrauch. Er fordert zu besonnener, verantwortlicher SelbstVerpflichtung auf, ohne jedoch kaufmännisches Handeln ethisch überfor­ men zu wollen: „Der bisher dargestellte Zusammenhang legt den Begriff 'Betriebsethik' nahe. Es wäre durchaus falsch, darin Forderungen zu suchen, die von außen in das K. [Kaufmanns; U.N.] leben eingeführt werden müßten. ... Altruistische Motive für das menschliche Handeln müssen hier unbeachtet bleiben; allein das Gefühl des K. dafür, daß Glied Glied und Ganzes Ganzes sei und daß das Glied wenn es gegen seine Gliedschaft handelt, nicht nur dem Ganzen, sondern auch sich selbst scha­ det, ist hier entscheidend. Das aber ist das Gefühl für die grundlegenden sachlichen Zusammenhänge, die sich in einem so fein gegliederten Orga­ nismus, wie ihn die Wirtschaft darstellt, besonders kräftig zeigen.“1 Nicklisch will weder dem Kaufinann noch dem Organisator die Ethik nä­ herbringen, vielmehr unterstellt und fordert er vom Menschen schlechthin sittliches Handeln. Es ist dies ein Handeln, daß sich einem Menschen-, Wirtschafts- und Weltbild verdankt, in dem Pflichtbewußtsein und Gewis­ sensorientierung dem vernunftbegabten Wesen Mensch denknotwendig eigen sind und ihm deshalb abgefordert werden.

Im Wirtschaftsprozeß ist der Mensch sowohl Objekt (Ziel) als auch Sub­ jekt (Handelnder), nie jedoch Mittel (Produktions- und Kostenfaktor). Dies äußert sich darin, das das für seine Arbeitsleistung ausgezahlte Arbeits­ entgelt nicht als Kostenfaktor (wie Sachaufwendungen) sondern als vor­ geleistete Ertragsverteilung verstanden wird. Darüber hinaus ist eine ge­ rechte Gewinnverteilung eine ethische Selbstverständlichkeit dieses Wirtschafts- und Menschenbildes.

2.6 Betriebswirtschaftslehre als ethisch-normative Wirtschaftslehre 2.6.1 Betriebswirtschaftslehre als Einzelwirtschaftslehre Nicklisch bezeichnet „die Betriebswirtschaft“ als Gegenstand der Be­ triebswirtschaftslehre. Ihr Erkenntnisinteresse wird so beschrieben: „Sie sucht die Gesetzmäßigkeiten, die sich in dieser auswirken, zu erforschen. Dabei unterscheidet sie die Dinge und Zusammenhänge als in Betrieben 1

Nicklisch (1927a), Sp. 518 [Hvh. i. O]

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gebunden (als Betriebsglied, z. B. Bestandteile von Vermögen oder Kapi­ tal) und als frei von dieser Bindung, wenn auch für diesen Zweck gege­ ben.“1

Die Betriebswirtschaftslehre ist keine Untemehmerlehre und nur einge­ schränkt eine Untemehmenslehre 2 Da sie immer den gesamten Wirt­ schaftsbereich im Blick behält, ist sie keine Privatwirtschaftslehre. Genau­ so wenig ist sie eine auf Kapitalinteressen ausgelegte, technokratische Managementlehre. Sondern sie konzentriert ihr Interesse auf die einzelne Wirtschaftseinheit (Betrieb) als Einzelwirtschaftslehre. Nicht der „Profit“ oder die Kapitalrentabilität ist ihr Ziel, sondern das zweckgerichtete, ver­ antwortliche und dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit folgende Vorgehen: „Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre ist das Leben der Einheiten der Wirtschaft, die Betriebe heißen.“3 Die privaten, öffentlichen Betriebe, Organisationen und Haushalte stehen in einer engen Wechselbeziehung zueinander und bilden in ihrer „betriebswirtschaftlichen“ Eigenart und gesamthaften Berücksichtigung das Wirtschaftsganze. In seinem Hauptwerk „Die Betriebswirtschaft“ entwickelt Nicklisch ein geschlossenes System der Betriebswirtschaftslehre, die in ihrem Kem das Wertproblem behandelt. Das darauf aufbauende Lehrgebäude zeichnet sich dadurch aus, daß die Systemteile „doppelt gesichert“ sind, wie Schönpflug formuliert, nämlich durch die Stellung zum Ganzen und durch die Verbindung zum Wertproblem.4 Nicklisch gliedert sein Hauptwerk in drei große Teile:5

(1) Allgemeines und Grundlagen: Hier wird der Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre und Methodenfragen erläutert sowie der Kembereich - das Wertproblem - umrissen.

(2) Der Betrieb: Dieser Zentralbereich des Buches befaßt sich zum einen mit dem „Be­ trieb als Ganzem“ (Wesen, Arten und Formen von Betrieben). Zum an­ deren wird „Bau und Leben des Betriebes“ beschrieben, beginnend mit

1 2 3 4 5

Nicklisch (1926), Sp. 1196 vgl. erste Differenzierungsansätze bei Nicklisch (1915) Nicklisch (1932), S. 6 vgl. Schönpflug (1954), S. 219 vgl. Nicklisch (1932)

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den „Betriebsaufgaben“, dann den „Betriebselementen“ (Arbeit, Ver­ mögen, Kapital) und schließlich den Wertumläufen. Desweiteren wird der „Betriebsprozeß“ (als Gliedprozeß) und die „Gestaltung der Vor­ gänge“ der Ertragserzielung und -Verteilung erläutert. (3) Das Rechnungswesen: Zum Abschluß wird das Rechnungswesen in Nicklischs Betriebskon­ zept eingegliedert und in seinen einzelnen Rechenarten und Berech­ nungsweisen dargestellt. Es ist eine „formale“ Geschlossenheit in der „Architektur dieses Denkge­ bäudes“ festzustellen. Jeder Systemteil besteht aus einem begründenden und einem entfaltenden Teil, wie Schönpflug herausarbeitet.' Dieser Be­ triebstheorie drückt die organische, ganzheitliche Auffassung ihren prä­ genden Stempel auf und macht sie zum Grundbaustein einer „ethisch­ normativen“ Betriebswirtschaftslehre.

2.6.2 Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Mit der Frage der betriebswirtschaftlichen Forschung setzt sich Nicklisch dezidiert auseinander. Er wendet sich gegen eine Verabsolutierung be­ triebswirtschaftlicher Einzelaspekte (Spezialgebiete) und unterstreicht die Bedeutung seiner organischen, gesamthaften Auffassung auch für die For­ schung: „Die Einzelforschung selbst verlangt verschiedene Standpunkte der Beobachtung ... weil sonst die Beziehung zum Ganzen und seiner Mitte nicht gefunden werden können, und es ist notwendig, die Einzelerschei­ nungen unter Beachtung aller Ergebnisse der Einzelforschung auch noch von der Mitte des Ganzen aus zu betrachten, wenn die Ergebnisse voll­ ständig sein sollen. ... Das Verhältnis der Gliedschaft der Einzelheit zum Ganzen und ihre Bedeutung im Ganzen sind gefunden, und es ergeben sich keine unnützen Streitereien.“2

Nicht nur die Betrachtung der Zwecke, Strukturen und Abläufe im Betrieb ist eine bedeutende Forschungsaufgabe, sondern auch eine Zuwendung zu den Betriebsmitteln ist angezeigt. „Wenn bei der Betriebsbetrachtung ne­ ben den Standpunkten der Einzelforschung auch der der Betriebsmittel zur Geltung gebracht wird, verschwinden die Verkürzungen und Verdeckun' 2

vgl. Schönpflug (1954), Abbildung S. 224f. Nicklisch (1927b), S. 97

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gen, auch die Aufblähung der großen Bedeutung der Erfolgsrechnung ver­ schwindet, ohne daß die Frage nach dem Erfolg von ihrem natürlichen (ungekünstelten) Gewicht irgend etwas verliert.“1 Allerdings mißt Nick­ lisch der Informations- und Aufklärungsfunktion von Forschung ein größe­ res Gewicht bei als ihrer unmittelbaren Implementierungs- und Gestal­ tungsfunktion.

Ein wesentlicher, zu thematisierender Punkt ist die Frage des methodi­ schen Vorgehens. Methodisches Vorgehen soll in der betriebswirtschaftli­ chen Forschung zu mehr Erkenntnissicherheit verhelfen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil in der Betriebswirtschaft eine Überschneidung von „natürlichen“ (physischer Transformationsprozeß) und „geistigen“ (Be­ triebsorganisation und -fuhrung) Ereignissen stattfindet, wenngleich der Schwerpunkt auf letzterem liegt.2 Die wissenschaftliche Forschungsmethode muß geeignet sein, die natürli­ chen Vorgänge („in der Umwelt des Menschen“) zu durchdringen, sowie die geistigen Zusammenhänge (die Bewußtseinsakte im Menschen) trans­ parent zu machen. Was die natürlichen Vorgänge betrifft, so schlägt Nick­ lisch die Induktion (d. h. vom Grund/Ursache zur Wirkung voranschrei­ tend) als Forschungsmethode vor. Als Ergänzung und Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse empfiehlt er die Deduktion (von der Wirkung auf den Grund/Ursache schließend).3 „Das Verhältnis zwischen Induktion und Deduktion ist danach dieses: die zweite ist Anwendung von Erkennt­ nissen, die auf dem Wege der ersten gewonnen sind ... Induktion ... ist eine Methode der Forschung, Deduktion eine der Anwendung von Forschungs­ ergebnissen, beides für das Gebiet der natürlichen Zusammenhänge.“4

Bei den geistigen Vorgängen geht es um die Frage der bewußten Zweck­ setzungen des Wirtschaftens. Als Erkenntnisverfahren wird die Intuition als angemessen erachtet. „Sie geht bei jedem Menschen von der unmittel­ baren Erfahrung in seinem Bewußtsein, von seinen Erfahrungen mit seinen eigenen Zwecksetzungen aus.“5 Desweiteren wird zur Ergänzung und Umsetzung des intuitiv Festgestellten die Erziehung empfohlen: „die Er­ 1 2 3 4 5

Nicklisch (1927b), S. 98 vgl. Aufsatz von Nicklisch (1929), S. Iff. vgl. Nicklisch (1932), S. 22ff. Nicklisch (1932), S. 25 Nicklisch (1932), S. 26

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

ziehung wendet das intuitiv Erkannte an, wie die Dekution das, was in­ duktiv erkannt ist.“1 Der Induktion wird die Erkenntnis der „Naturgesetze“ wirtschaftlicher Prozesse zuerkannt, die deduktiv in der Betriebspraxis (gewissermaßen technisch) umzusetzen sind. Der Intuition wird dagegen das Ergründen der noch entscheidenderen „Entwicklungsgesetze“ (z. B. „Organisationsgeset­ ze“) betriebswirtschaftlicher Vorgänge anheimgestellt. Die so gewonnenen Einsichten (über das Wirtschaftswesen) sind auf dem Wege der Erziehung den Wirtschaftenden (d.h. den Akademikern und Führungskräften) zu vermitteln. Die Gesetze gepaart mit menschlicher Erfahrung und Bewußtsein (Ver­ nunft, Gewissen) ermöglichen erst, eine verantwortungsbewußte wirt­ schaftliche Zwecksetzung und Umsetzung vorzunehmen. Während mm die erkannten „Gesetze“ eine sachgemäße, mittelbezogene Handlungsnormie­ rung nahelegen, setzt das Gewissen Wertmaßstäbe und Orientierungs­ punkte für die Wirtschaftszwecke. Diese Zweck-Mittel-Dualität angemes­ sen herauszuarbeiten und eine Zweckbestimmung anzugeben, ist Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft als Normwissenschaft. „Vom Reich der Zwecksetzungen kann es keine wertfreie Wissenschaft geben, deshalb auch nicht von der Betriebswirtschaft.“2 Damit schließt sich der Bogen von der Forschungsbemühung zur Praxis­ umsetzung und gibt ihr Sinn und Ausrichtung. In gleicher Weise schließt sich der Kreis vom Betriebsforscher zum Wirtschaftspraktiker und ver­ mittelt wirtschaftsbezogene Handlungsorientierung. Das wirtschaftende Wesen Mensch erkennt als Subjekt, was es als Objekt zu tun hat und was es als zwecksetzendes, entscheidendes und handelndes Wesen zu verant­ worten hat - gegenüber sich selbst (Gewissen) und der Gesellschaft (sittli­ ches Ganzes).

1 2

Nicklisch (1932), S. 27 Nicklisch(1929), S. 4

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2.7 Kritische Würdigung des Ansatzes von Nicklisch 2.7.1 Zusammenfassende Darstellung Mit Schönpflug darf gefolgert werden, daß Nicklisch ein beeindruckendes Konzept der Betriebswirtschaftslehre vorgelegt hat, das im Menschen den Organisator des Wirtschaftsprozesses sieht. „Ihrer letzten Absicht nach ist die Nicklische Betriebswirtschaftslehre also eine Lehre vom organi­ schen Gestaltwirken des Menschen, eine Organisationslehre.“

Das Leitprinzip von Nicklisch ist die Idee der Gerechtigkeit im Zusam­ menleben und Zusammenwirken von Menschen. Die Wirtschaft ist ein sozialer Lebensbereich des Menschen, die Wirtschaftlichkeit der Leitge­ danke ihrer praktischen Umsetzung im Dienste des Wirtschaftsgüter be­ dürfenden Menschen. Die Betriebswirtschaft hat ihren Platz innerhalb eines gesamtwirtschaftlichen Rahmens. Das Wirtschaften ist bei Nicklisch primär ein geistiger Prozeß, einer der das Bewußtsein (Gewissen) dem Bedürfiiisbefriedigungsstreben voran­ stellt. In dieser geistigen Orientierung des wirtschaftenden Menschen, in seiner verbindlichen Bindung an Werte und Normen liegt die ethische Di­ mension. Insofern wirtschaftliches Handeln im Betriebsprozeß als zweck­ gerichtetes Handeln thematisiert und basiert auf be-/erkannten Wertvorga­ ben dargestellt wird, ist Betriebswirtschaftslehre eine Normwissenschaft7 Nicklisch geht von einer harmonischen Ordnung der Welt aus. Das Wirt­ schaftsgeschehen hat nicht nur im Ganzen, sondern auch in seinen Teilen dieser Harmonie Rechnung zu tragen. Es hat die natürliche Ordnung zu erfüllen, indem deren Gesetze und Normen erkannt und vollzogen werden. Dazu ist Empirie nur am Rande erforderlich, und zwar, um die Diskrepanz des vorfindbaren Ist- zum als richtig erkannten Soll-Zustand offenbar wer­ den zu lassen. In diesem Sinne ist die Betriebswirtschaftslehre ethisch­ normativ und (außer-)überempirisch. Die Tragweite des betriebswirtschaftlichen Systems von Nicklisch wird durch folgende Charakterisierung erkennbar: „Weil weder der einzelne Mensch noch die Betriebsgemeinschaft als Gestalter bewußten Lebens durch dieses Tätigsein persönlichen 'Gewinn' machen kann, d. h. für seine 1 2

Schönpflug (1954), S. 214 vgl. Schönpflug (1954), S. 216f.

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Leistung mehr Gegenwert erhält als es ihrem Wert entspricht und nötig ist, um die Wertumläufe fortzusetzen, darum kann in seiner Betriebswirt­ schaftslehre dem Gewinn keine tragende Rolle eingeräumt werden. Weil der Sinn der Betriebsgemeinschaft nicht die höchste Rentabilität, sondern ihrer Grundidee entsprechend - die höchste Wirtschaftlichkeit ihrer Dienstleistung sein kann, deshalb muß die Wirtschaftlichkeit des Gestal­ tungsprozesses den Kem des Betriebswirtschaftlichen bilden. Weil Lei­ stung und Gegenleistung sich grundsätzlich zu entsprechen haben, darum kann es kein selbständiges 'Lohnproblem' im üblichen Sinn in der Be­ triebswirtschaftslehre geben, sondern nur ein Ertragsverteilungsproblem, dem das Lohnproblem untergeordnet ist. Weil die Bewußtseinsvorgänge im Betriebsleben wirksam sind, aus den letzten Zusammenhängen des Lebens stammen, darum muß die Betriebswirtschaftslehre - nach Nick­ lisch - sich mit den Bewußtseinsvorgängen und ihren Grundlagen be­ schäftigen. Ihrer letzten Absicht nach ist die Nicklische Betriebswirt­ schaftslehre also eine Lehre vom organischen Gestaltwirken des Menschen, eine Organisationslehre.“1 Schönpflug weist auf den „zeitlosen Gehalt“ von Nicklischs Lehre hin, die nicht an eine historische Situation oder ein bestimmtes Wirtschaftssystem gebunden ist: „Auch die kapitali­ stisch organisierte Wirtschaft kann richtige Wirtschaft sein, soweit sie sich nämlich freiwillig und bewußt unter die Herrschaft der normgebenden Soll-Werte stellt.“2 Nicht die Form sondern der Inhalt und das Bewußtsein der Wirtschaftsweise ist entscheidend. „Die Formen der Wirtschaft können wechseln, der in ihr lebendige Geist ist aber ewig und bleibt unverändert durch alle ihre Entwicklungen hindurch.“3 Diesen Geist zu vermitteln, ist ein entscheidendes Erziehungsziel in Wirtschaft und Gesellschaft.

2 .7.2 Kritische Anmerkungen Von erkenntnistheoretischer Seite läßt sich die Transzendenz der Ziele und Werte hinterfragen. Sie stellt eine irrationale Basis dar, die niemals be­ weisbar ist, und dies im Bereich der Wissenschaft, die ja gerade rational sein will. Desgleichen läßt sich Nicklischs Affinität zur Intuition als For­ schungsmethode von analytisch geprägten Wissenschaftlern kritisch be­

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Schönpflug (1954), S. 213f. Schönpflug (1954), S. 218 Schönpflug (1954), S. 218

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trachten. Das Erleben von Wirtschaft als Erkenntnisquelle derselben kann als eine Verwechslung von Methode und Gegenstand gewertet werden. Die Objektivierbarkeit dieser Erkenntnisweise steht dabei in Frage.1

Im Fachverständnis von Nicklisch kommt die Betriebswirtschaftslehre eher einer „Gesinnungslehre“ bzw. „Erziehungslehre“ nahe. In der Darstellung eines Betriebs-Soll-Zustandes kann sie eher als Betriebspädagogik denn als Betriebswissenschaft aufgefaßt werden. Sie ist eine „intuitive Schau“ vor dem Hintergrund einer klaren Weltanschauung mit philosophisch­ idealistischer Prägung. Die daraus gezogenen betriebswirtschaftlichen Schlußfolgerungen und die auf das Gewissen bezogene Handlungsver­ pflichtung lassen keine objektivierbare, wissenschaftliche Überprüfung oder Bestätigung zu.2

Vielfältige kritische Diskussion erfahrt auch die starke Gemeinschafts­ orientierung in Nicklischs Konzeption, die ihn auch dem Verdacht einer Geistesverwandtschaft zum nationalsozialistischen Gedankengut sowie einer Unzeitgemäßheit und Überkommenheit ausgesetzt hat.3 Der einzelne Mensch wird dabei nicht als Individuum wahrgenommen, sondern erhält den Status des Gemeinschaftswesens (eines Gliedes), das auf seine gesell­ schaftlich-sittlichen Pflichten festgelegt wird.4 Nicklischs Denkweise läßt sich mit Hundt charakterisieren als: „die Hoff­ nung auf Befreiung der Ökonomie vom regellosen Auf und Ab der Kon­ junktur, die Beherrschung, wenn nicht Planung der Volkswirtschaft, die Überwindung des wirtschaftlichen Egoismus und die direkte Orientierung an allgemeinen Interessen, die freiwillige Einordnung des Einzelnen, das Gefühl der Geborgenheit, die Betonung von Arbeit, Idealismus und Pflichtgefühl, schließlich die Abgrenzung von Kollektivismus und Klas­ senkampf durch die Harmonisierung gesellschaftlicher Gegensätze in der Volksgemeinschaft ,..“5 Von fachwissenschaftlicher Seite sehen sich besonders Nicklischs Ausfüh­ rungen zur Ertragsverteilung einigen Anwürfen ausgesetzt: Die betriebli­ che Ertragsverteilung nur nach dem Gerechtigkeitsprinzip vorzunehmen, 1 2 3 4 5

vgl. Schönpflug (1954), S. 223f. vgl. Keinhorst (1956), S. 88ff. vgl. Schauenberg (1984), S. 33ff. vgl. Keinhorst (1956), S. 92ff. Hundt (1983), S. 152

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

ist inhaltlich zu wenig präzise und praktisch wenig nachvollziehbar. Wie sollte die Lohnzumessung danach konkret erfolgen, d. h. nach welcher Bemessungsgrundlage und Verteilungsschlüsselung? Das gleiche gilt für die Gewinnzuweisung und besonders die Verlustzumessung.1

Abschließend läßt sich zu den Einwänden sagen, daß Nicklischs Betriebs­ wirtschaftslehre als Harmonielehre anzusehen ist, die vom Zielbild einer „harmonischen, vollkommenen Wirtschaft“ her argumentiert und nicht von einem vorfindbaren Istzustand.2 Schönpflug findet hierzu folgende philo­ sophische Deutung und Begründung: „Wie der letzte Sinn des Ganzen, das symmetron, die Harmonie ist, wie bereits Platon erkannte, so ist der letzte Sinn aller Wirtschaft: die harmonische, die vollkommene Wirtschaft. Wirt­ schaft ist hier als Maximumbegriff gefaßt, der durch folgende Hauptzüge abgegrenzt ist: sie ist grundsätzlich ihrem Wesen nach, ihrer Idee nach: Gemeinschaftswirtschaft; ihrem Ziel nach: Bedarfsdeckungswirtschaft; ihrer moralischen Gesinnung nach: sozialgerechte Wirtschaft; ihrer ethi­ schen Zwecksetzung nach: verantwortungsbewußte Wirtschaft.“3

2 .7.3 Weiterführende Gedanken Raffee spricht in seiner Methodenlehre anerkennend von Nicklischs ge­ meinschaftsorientierter und menschenzentrierter Sichtweise innerhalb der Betriebswirtschaftslehre. Er würdigt die „Geschlossenheit des Systement­ wurfs bei Nicklisch“ und dessen Bestrebung, „die partikularegoistischen Interessen überwinden zu helfen“. In der Betonung des menschlich­ sozialen Aspekts werden „Verbindungslinien“ zu der „modernen Betriebs­ wirtschaftslehre“ gesehen.4 Kritisch-aufgeschlossen äußert sich auch Schanz, wenn er den Ansatz von Nicklisch als „in einem gewissen Sinne überraschend modern“ kennzeich­ net. Er erkennt nämlich darin den Gedanken „der Bedürfhisorientierung der im Betrieb tätigen Menschen“ einerseits und die „Idee der Ertragsbe­ teiligung“ andererseits. Beides findet sich auch in der verhaltensorientier­ ten Betriebswirtschaftslehre wieder.5 „Heinrich Nicklisch gebührt schon 1 2 3 4 5

vgl. Keinhorst (1956), S. 95fF. vgl. Keinhorst (1956), S. 100 Schönpflug (1954), S. 209 vgl. Raffee (1974), S. 61 vgl. Schanz (1988b), S. 68f. sowie Schanz (1992), S. 79ff.

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deshalb ein Ehrenplatz in der Geschichte unserer Disziplin, weil er die Notwendigkeit einer Sozialphilosophie als Grundlage betriebswirtschaftli­ cher Überlegungen klar erkannte.“1

Auf das „wissenschaftliche Erbe“ von Heinrich Nicklisch geht Curt San­ dig (selbst Nicklischschüler) verschiedentlich ein.2 Er stellt würdigend die bei Nicklisch vom Menschen her geprägte Sicht des Betriebes und der Betriebsabläufe dar. Der Betriebszweck, der gesamtwirtschaftlichen Er­ fordernissen dient, fuhrt zu einer Versorgung der Menschen nicht nur mit Realgütem (Produkten, Dienstleistungen), sondern besonders auch mit Nominalgütem (Einkommen, Erträgen). Die Vorstellung des Wertumlaufs und der Gerechtigkeit im Ertragsverteilungsprozeß sind fruchtbare Ansät­ ze für eine zeitgemäße Betriebswirtschaftslehre, die sich nicht nur mit Fragen von Kapital und Vermögen, Erlösmaximierung und Kostenmini­ mierung zu beschäftigen habe: „Man kann das Kapital und seine Rentabi­ lität zum Ausgangspunkt betriebswirtschaftlicher Untersuchungen ma­ chen. Aber man darf die Menschen im Betrieb, die führenden wie die geführten, auf Dauer nicht so behandeln, als wären sie nur Faktoren in einem technischen Gebilde.“3 Der Betrieb ist schließlich nicht nur ein Wirtschaftsgebilde, sondern auch ein Sozialgebilde: „Folgerichtig müßte die Untemehmungsleitung einmal auf Grund betriebswirtschaftlicher und einmal auf Grund betriebssoziologischer Erkenntnisse handeln, ,..“4 In dieser menschenbezogenen Sichtweise der Betriebswirtschaftslehre sieht Sandig (ähnlich wie Raffee und Schanz) einen Weiterführungsbedarf von Nicklischs Gedankengut. Konkrete Weiterführungsmöglichkeiten und notwendigkeiten ergeben sich in betriebspraktischer und untemehmensführungsmäßiger Hinsicht. Dementsprechend wurde von Sandig die „Be­ triebspolitik“ ausgearbeitet und als betriebswirtschaftliche Disziplin eta­ bliert.5 Nicht zuletzt gilt es den Beitrag von Heinrich Nicklisch zu würdigen, die Betriebswirtschaftslehre seiner Zeit nachhaltig entwickelt und in den Rang einer wissenschaftlich anerkannten Fachrichtung gehoben zu haben.

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Schanz (1988b), S. 70 [Hvh. i. O] vgl. Sandig (1967) und Sandig (1976) Sandig (1976), S. 480 Sandig (1967), S. 520 vgl. Sandig (1966)

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Idealistisches Wirtschaftsbild von Heinrich Nicklisch

Schließlich wurde 1926 (dem 50. Geburtsjahr von Nicklisch) diesem Fach das Promotionsrecht zuerkannt.1 Aktuelle Erkenntnisse (50 Jahre nach dem Tode) weisen ein differenzierteres Bild von Heinrich Nicklisch auf als in mancher ablehnenden Kritik. Dies betrifft sowohl seinen Lebensweg und seine persönliche Integrität2 als auch seine wissenschaftliche Leistung und deren zeitlose Relevanz3. Ganz besonders trifft dies auf seine Nachwirkung und Rezeption besonders in Japan zu. „Als einer der bedeutendsten Bausteine der Geschichte der Be­ triebswirtschaftslehre ist Nicklischs Werk zu einem festen Bestandteil des japanischen Lehrgebäudes geworden.“4 So wurde dem sprichwörtlichen Propheten, der nach seinem Tode im eigenen Land nichts mehr galt, und seinem Lehrgebäude noch jüngst (1994) - wie nur wenig anderen - in Japan eine wissenschaftliche Tagung gewidmet.5 Und möglicherweise treffen wir (ungewollt und unerkannt) bei der Rezeption der japanischen Managementkonzepte auf ein (z.B. gemeinschaftsorientiertes) Gedanken­ gut, das aus der älteren deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre - na­ mentlich von Heinrich Nicklisch - herrührt; eingeholt von unserer eigenen (unbewußten) Vergangenheit.

1 2 3 4 5

vgl. Schneider (1981), S. 145 vgl. Loitlsberger, Okashi, Thöndl (1996), S. 628ff. vgl. Loitlsberger, Okashi, Thöndl (1996), S. 632ff. Loitlsberger, Okashi, Thöndl (1996), S. 638 vgl. Loitlsberger, Okashi, Thöndl (1996), S. 639

Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

3.

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Christliche Wirtschaftssicht von W. Kalveram

3.1 Christliche Wirtschaftsauffassung der 50er Jahre Ähnlich wie in den 20er Jahren gab es auch in der deutschsprachigen Be­ triebswirtschaftslehre der 50er Jahre eine Diskussion über Werte und Normen. In diesem Zusammenhang werden besonders die Namen Wilhelm Kalveram und August Marx genannt. Auch Oswald von Nell-Breuning nimmt an dieser Diskussion teil. Während im Rahmen dieses Kapitels der Ansatz von Kalveram ausführlicher diskutiert wird, soll es genügen, ein­ leitend einige Grundideen von Marx und Nell-Breuning zu skizzieren. Die­ sen Fachvertretem ist gemeinsam, daß sie vor dem Hintergrund einer christlichen Glaubenseinstellung und Weitsicht argumentieren.

3.2 Wirtschaft als Kulturfunktion bei August Marx 3.2.1 Wesen und Aufgabe der Wirtschaft August Marx (Betriebswirt und Theologe) hat folgende Vorstellung zum Wesen und zur Funktion von Wirtschaft entwickelt: „Das Wesen der Wirtschaft besteht zunächst in der fortgesetzten und planmäßigen Tätigkeit des Menschen zum Zweck der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. ... Die Aufgabe der Wirtschaft .. besteht in der sinnvollen Bedarfsbe­ friedigung.“1 Die menschliche Entscheidung zur Bedarfsdeckung mit „irdi­ schen Gütern“ und die Art ihres Vollzugs stehen im Mittelpunkt des wirt­ schaftlichen Geschehens: „Dieser Bedarf ist die treibende Kraft für die wirtschaftliche Betätigung, sie ist eine, ja d i e Grundtatsache und bei weitem mehr als nur ein theoretischer Begriff. ... Eben dieser gestal­ tende Vollzug ist aber Ausfluß vernünftiger, planender Überlegungen und nicht Funktion triebhafter Instinkte, er ist Teil der kulturellen Le­ bensäußerung des Menschen und gibt damit Zeugnis seiner weltanschauli­ chen Grundhaltung.“2

Die Wirtschaft ist weder autonom noch Selbstzweckhaft. Sie wird als Chance zur menschlichen und gesellschaftlichen (kulturellen) Gestaltung

1 2

Marx (1952), S. 552 [Hvh. i. O.] Marx (1954), S. 595 [Hvh. i. O.]

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Christliche Wirtschaftsauffassuno von Wilhelm Kalveram

und Entwicklung aufgefaßt. Der Mensch wird nicht als Individuum und Bedürfhiswesen gesehen, sondern wird als Geschöpf in seiner „Leib-SeeleHaftigkeit“ angesprochen. Er kann sich in seiner Bedürftigkeit kraft Ver­ nunft Zwecke setzen und durch geeignete Mittelwahl diese erreichen. Der so charakterisierte Mensch ist nach Marx primär gestaltendes Subjekt (nicht getriebenes Objekt) der Wirtschaft. Anderenfalls „müßte die Wirt­ schaft zum Götzen und er selbst in Sklavendienste diesem Götzen gegen­ über verfallen, der die Maschine bedient, statt sich ihrer zu bedienen“1. Der (körperlich-bedürftige) Mensch als Teil der Gesellschaft ist der Zweck des Wirtschaftens. Im Vordergrund steht nicht die egozentrische Bedürf­ nissättigung vermittels eines funktionalen Wirtschaftsprozesses, vielmehr geht es um die Verwirklichung der Idee einer gesamtgesellschaftlichen Minderung der Bedarfslage mit den Mitteln der Wirtschaft. Demgemäß untersteht die Wirtschaft nach Marx einem übergeordneten Seins- und Sinnzusammenhang, d. h. einer Orientierung an „höheren“ als nur ökono­ mischen Werten und Normen. „Vielfach sind esaußerwirtschaftliehe W e r t e, die als Orientierungsprinzip Anerkennung finden müs­ sen, wenn eben diese Wirtschaft sinnvoll gestaltet und zweckvoll bzw. zweckdienlich ausgerichtet sein soll.“2 Der letztlich außerwirtschaftliche Wertbezug, die Ausrichtung an dem Menschen (als Gattungsbegriff, nicht als Individuum) und an der Sittlich­ keit stellt nach Marx eine „kulturbedingte Seinsnotwendigkeit“, d. h. eine conditio sine qua non jeder Wirtschaft dar. Umgekehrt ist die Art und Wei­ se der Wertschöpfung im wirtschaftlichen Prozeß eine Kulturäußerung der Gesellschaft und Kulturspiegel der menschlich-gemeinschaftlichen Le­ bensbewältigung; „In der Tat ist die Wirtschaft als ein besonderes Kultur­ sachgebiet anzusprechen, mit eigener Zielsetzung, eigener Methode und eigenen Verfahrensregeln, weil ihr Sosein und Dasein Zeugnis ablegt vom Menschen und der ihn erfüllenden geistigen Haltung; sie ist das Werk nach einer geistigen Grundkonzeption, sie ist verwirklichte Idee. Die Wirtschaft muß ferner als gesellschaftlicher Lebensprozeß angesprochen werden, der sich seinsnotwendig aus dem sozialen Charakter des Menschen und der

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Marx (1952), S. 554 Marx (1954), S. 597 [Hvh. i. O.]

Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

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Verpflichtung, zur vollen Entfaltung seiner Persönlichkeit zu streben, er­ gibt.“1

3.2.2 Ethik und Wirtschaft Das Marxsche Wirtschaftskonzept ist also ethisch fundiert und ein Teil gesellschaftlicher Kultur (Kulturäußerung). Auf die Zusammenhänge zwischen ethischer Gebotenheit und ökonomischer Angemessenheit ist deshalb ausführlicher und grundsätzlicher einzugehen: „Die Ethik ist die Lehre von der natürlichen Sittlichkeit; ihr Bereich sind die menschlichen Handlungen, insofern sie bewußt und willentlich vollzogen werden.“2 Die­ se Definition setzt erstens Ethik mit Sittlichkeit gleich und unterstellt zweitens das „richtige“ Erkennen und das „gewollte“ Umsetzen der Werte und Normen durch den Menschen. Die Legitimation dieser Werte und Normen liegt nach Marx' christlicher Anschauung in der göttlichen Schöp­ fungsordnung und ihre Verwirklichung in dem sie (an)erkennenden Ge­ schöpf Mensch. Für das wirtschaftliche Handeln ergeben sich nach Marx zwei entschei­ dende Konsequenzen:

1. Wirtschaften muß „menschen- und wesensgemäß' sein, d. h. es darf nicht nur nützlichkeitsbestimmt und erfolgsorientiert ausgerichtet werden:‘Wer natur- und seinsgemäß handelt, handelt sittlich gut, wer da­ gegen wesenswidrig und damit naturwidrig handelt, der handelt unsitt­ lich im ethischen Sinne, auch wenn der augenblickliche Erfolg trotz dieses wesenswidrigen Verhaltens ein positiver, ja gesteigerter im Sinne des rechenhaften Ergebnisses wäre.“3 2. Wer diese Sichtweise bestreitet, der hat die Beweislast auf seiner Seite und den Gegenbeweis zu erbringen. Er darf sich nicht nur pragmatisch, praktisch darüber hinwegsetzen: „Auf den wirtschaftlichen Bereich übertragen bedeutet diese Feststellung, daß jeder, der die Gesetze des sittlichen Sollens als Postulat für sein praktisches Sein ablehnt, den Nachweis zu erbringen hat, daß man im Wirtschaftsleben auf die

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Marx (1955), S. 47 Marx (1952), S. 554 Marx(1952),S. 555

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Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

Dauer ohne das Ordnungsprinzip der Ethik zweckvoll und zielstre­ big handeln kann.“1 Wirtschaftsethik stellt den relevanten Wertevorrat und Wirtschaftsrahmen zur Verfügung. „Die Wirtschaftsethik als Lehre von der natürli­ chen Sittenordnung innerhalb der Wirtschaft ist hier vordringlich zu nen­ nen, weil sie uns jene Normen nennt, die für uns von Bedeutung sind.“2 Nach Marxscher Auffassung sind es eben die christlichen Wertvorstellun­ gen, die diesen Orientierungsrahmen bilden und das „ökonomische Prin­ zip“ relativieren. Daraus folgt: „Die Wirtschaftsethik hat die Aufgabe, das Spannungsverhältnis, das sich aus dem Streben nach weitgehender Ver­ wirklichung des ökonomischen Prinzips und der Ehrfürcht vor dem Men­ schen, vor der unabdingbaren Würde der Persönlichkeit als Träger geisti­ ger Werte ergibt, zu regulieren ,.“3 Trotz dieser klaren Haltung wird aber nicht einer ethischen Überforderung wirtschaftlicher Abläufe das Wort geredet. Vielmehr wird die Wirtschaft in einen sittlichen und kulturellen Rahmen gestellt, innerhalb dessen sie den ökonomischen Sachgesetzlich­ keiten gemäß ihre Bedarfsdeckungsaufgabe für Mensch und Gesellschaft zu erfüllen hat.

3.2.3 Ethik und Betriebswirtschaftslehre Auch die Betriebswirtschaftslehre steht in einem gesellschaftlichen und kulturellen Kontext und der Mensch in ihrem Mittelpunkt: „Der Mensch ist ja Subjekt und nächstes Ziel der Wirtschaft, nicht etwa die Wirtschaft selbst, die vernünftigerweise gar nicht um ihrer selbst willen betrieben werden kann.“4 Der Gedanke der Menschen als Subjekte in der Betriebswirtschaft und nicht als Produktionsfaktoren und Kostenträger bzw. Substitutionsobjekte („Verobjektivierung ihrer Arbeitskraft“) ist Marx ein wichtiges Anliegen. Er plädiert für den „Arbeiter als Geistträger“ demgegenüber betrieblicher­ seits persönlichkeitsachtende und -entfaltende Pflichten bestehen.5

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Marx (1952), S. 556 [Hvh. i. O.] Marx (1954), S. 601 [Hvh. i. O ] Marx (1954), S. 602 Marx (1955), S. 45 vgl. Marx (1953), S.689ff.

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Der Gedanke des kulturellen und sittlichen Gestaltens wird von Marx appellativ und konzeptionell auf die Betriebswirtschaftslehre übertragen: „Unser Gestalten muß von einem sittlichen Leitgedanken getragen sein, wer diesen ablehnt, trifft die Wirtschaft in ihrem innersten Wesen und gefährdet ihre Ziele, nein, macht die Erfüllung der ihr gestellten Aufgabe unmöglich“^ Was nun die konzeptionelle Anwendung oder Umsetzung ethischer Auffassungen in der Betriebswirtschaftslehre betrifft, so geht Marx von drei Umsetzungsbereichen aus: a. Betriebswirtschaftslehre (= Betriebswirtschaftstheorie); b. Betriebswirtschaftspolitik (= praktische Betriebsfuhrung), c. Betriebstechnik(= betriebswirtschaftliche Maßnahmen).

Nach seiner Meinung sind auch in der „reinen Theorie“ „oberste Normen“ des Wirtschaftens zu beachten. Dennoch liegt der ethische Schwerpunkt in der Betriebspraxis, der Betriebspolitik. Unter konkreter Berücksichtigung von „Sinngebung“ und „Sittengesetz“ wird der Betrieb zu einem entschei­ denden Teil des „Kultursachbereichs“ Wirtschaft. Und schließlich unter­ liegen auch betriebliche Einzelmaßnahmen moralischen Maßstäben.2

3.3 Wirtschaftsethik bei Oswald von Nell-Breuning 3.3.1 Wirtschaftsethische Sicht Oswald von Nell-Breuning (Wissenschaftler und Jesuit) beschäftigt sich, von der Sozial- und Wirtschaftsethik kommend, mit wirtschaftswissen­ schaftlichen und -praktischen Fragestellungen. Dabei ist der wirtschaften­ de Mensch sein zentrales Anliegen. Wichtig ist, einleitend und um zu wissen, wovon geredet wird, eine seman­ tische Verständnisklärung des Begriffes „Wirtschaft“ bzw. „wirtschaft­ lich“ vorzunehmen. Dabei offenbaren sich sehr verschiedene Bedeutungs­ inhalte:

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Marx (1955), S. 52 [Hvh. i. O.) vgl. Marx (1955), S. 53f.

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Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

(a) Wirtschaft ist (gemäß Werner Sombart) eine gesellschaftliche Kultur­ funktion der Unterhaltsfursorge, d. h. „... jenes umfassende menschli­ che Geschehen, das die Beschaffung und Zurverfügungstellung der Deckungsmittel für den menschlichen Bedarf zum Gegenstand hat“.1

(b)Als Adjektiv von „Wirtschaft“ kann „wirtschaftlich“ als Qualität jenes ökonomischen Gebarens verstanden werden, „wie es dem Wesen, dem Sinn und Ziel der Wirtschaft gemäß ist“, d. h. ihrem Versorgungsauf­ trag2

(c) In einer anderen Sicht- und Interpretationsweise kann wirtschaftliches Handeln allerdings auch als Synonym für ein nutzenmaximierendes Handeln nach dem Gewinnprinzip verstanden werden, d. h. eine opti­ male Ausnutzung der Marktchancen.3

Jenachdem welcher Wirtschaftsauffassung man zuneigt: einer sittlich­ wertbewußten oder einer empirisch-wertfreien, ergeben sich unterschied­ lich weitreichende Verständnisweisen. Analog verhält es sich mit dem, was die „ökonomische Rationalität“ ausmacht: zweckgemäßes Handeln, Mit­ teloptimierung, Profitstreben oder Überlebensstrategie. Nell-Breuning ist ein Verfechter einer umfassenden (wert- und kulturbezo­ genen) Wirtschaftsauffassung. Vor diesem Hintergrund arbeitet er in fein­ sinniger Analyse heraus, daß „ökonomische Rationalität“ im Grunde ja­ nusköpfig ist: sowohl sachlich-logisch als auch ethisch-normativ: „Das Rationalprinzip ist ... mehr als eine bloße hypothetisch geltende faktische Norm oder sachliche Unausweichlichkeit. Es enthält eine begriffli­ che Aussage über das Verhältnis von Mittel und Zweck. ... Das Ratio­ nalprinzip ist also eine logische Norm und als solche absolut zwin­ gend, absolut unverletzbar.“4 Andererseits ist das ökonomische Prinzip aber auch eine ethische Norm, weil es Teil einer „sittlichen Vernunftord­ nung“ ist. In diesem Falle gilt: „Mit Dingen, die mir als Mittel zu Gebote stehen, verfahre ich nur dann nach der rechten Vemunftordnung, also sitt­ lich wohlgeordnet, wenn ich sie als das gebrauche, was sie sind, also eben a 1 s Mittel. ... Ist mir aber ein Ziel, aus welchem Grund immer, sittlich

1 2 3 4

v. Nell-Breuning (1951), S. 194 vgl. v. Nell-Breuning (1951), S. 193 vgl. v. Nell-Breuning (1951), S. 194 v. Nell-Breuning (1951), S. 195 [Hvh. i. O.]

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vorgesteckt, dann verlangt die rechte Vemunftordnung von mir, daß ich die Mittel anwende, die mich ans Ziel bringen. ... Das Rationalprinzip ist also unbestreitbar eine ethische Norm.“1

Wirtschaft hat (natürlicherweise) etwas mit Ethik zu tun. Dabei sind ethi­ sche Prinzipien keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern Hand­ lungsrichtlinien für ein sittliches Wirtschaften. Sie können nicht sagen, was „ökonomisch“ richtig oder falsch ist. Aber insofern Wirtschaft in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden und auf den Menschen bezogen somit sittlich verpflichtet - ist, können sie angeben, was bei wirtschaftli­ chem Handeln als sittlich verfehlt anzusehen und damit zu unterlassen bzw. vermeiden ist. ökonomisch rationales und gesellschaftlich verant­ wortungsvolles Wirtschaften ergänzen sich zu einer wirtschaftsethischen Einheit. Damit konkretisiert sich die Frage nach der Wirtschaftsethik und ihrer Stellung. Sie ist die Schnittmenge zwischen Philosophie und Wirtschafts­ wissenschaft: „formell ist diese Zusammenarbeit Philosophie, weil Erkenntnis aus den letzten Gründen suchend; materiell ist sie Wirtschaftswissenschaft, weil ihr Erkenntnisgegenstand die Wirtschaft und nichts anderes als die Wirtschaft ist.“2

Das Zusammenspiel zwischen Wirtschaftswissenschaft und Ethik in bezug auf Zielentscheidung und Mittelauswahl faßt von Nell-Breuning als har­ monisch bzw. ergänzend auf: Die Wirtschaftswissenschaft gibt Aufschluß über die geeigneten Mittel (Sachbezug), die Ethik macht die Anwendung der bezeichneten Mittel zur Pflicht (Personalbezug).3 Wirtschaftsethik ist nicht nur vorgegebene Wirtschaftszielvorstellung, sondern auch gesellschaftlich realisiertes Wirtschaftsergebnis, immanenter Bestandteil der Wirtschaftsweise einer Gesellschaft und ihrer sozio­ kulturellen Entwicklung. Sie findet Ausdruck in der Wirtschaftsgesinnung, dem „Geist der Wirtschaft“, und ihren öko-sozialen Manifestationsformen. Im Gegensatz zum äußerlichen, funktionierenden, gestaltbaren Wirt­ schaftsmechanismus ist der „Wirtschaftsgeist“ das die Wirtschaft „Besee­ lende“, das durch den Menschen in sie Hineinzutragende, „Organische“.

1 2 3

v. Nell-Breuning (1951), S. 196 [Hvh. i. O.] v. Nell-Breuning (1951), S. 199 [Hvh. i. O.] vgl. v. Nell-Breuning (1951), S. 200

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Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

Erst dadurch wird es möglich, im Wirtschaftsprozeß die erhofften und erwünschten (sozial-humanen und bedarfsbefriedigenden) Früchte zur Reife und Ernte zu bringen.

3.3.2 Wissenschaftsverständnis Oswald von Nell-Breuning geht auch in der Darlegung seiner wissen­ schaftlichen Erkenntnissicht vom Sinn und den Wurzeln des Wirtschaftens aus. Dabei steht ihm das „wirtschaftsgemäße Wirtschaften“ (als das dem Dienst an der menschlichen Gemeinschaft verpflichtete) näher als das „nutzenbezogene Wirtschaften“ (im Sinne einer engen Sicht der ökonomi­ schen Rationalität, als Gewinn, Rentabilität und Chancenausbeutung).1 Er erkennt dabei eine „logische“ und „vernünftige“ Verknüpfungsmöglichkeit zwischen fachspezifischen Einzelwissenschaften (z. B. den Wirtschafts­ wissenschaften) sowie den auf die Gesamtwirklichkeit und das Gesell­ schaftsganze bezogenen Disziplinen der Ethik und Sozialphilosophie. Un­ ter Anerkennung des Primats des Ganzen vor dem Teil ist es dann geboten, die Erkenntnisse von Ethik und Sozialphilosophie als Zielvorgaben („Lemmata“) auf die einzelnen Fachwissenschaften zu übertragen und fruchtbar einzubringen. Dies kann in bezug auf die Wirtschaftsdisziplinen mit derselben Begründung erfolgen wie die unverzichtbare Einbeziehung der Erkenntnisse von Mathematik, Statistik oder des Rechts und der Sozi­ alwissenschaften: „Es ist keine Erkenntnis und darum auch kein Lehrgut der Wirtschaftswissenschaft, sondern ist für diese ein sog. 'Lemma', eine Herübemahme aus einer anderen Wissenschaft oder jedenfalls aus einem anderen Wissensbereich, nämlich der Wissenschaft der Ethik, dem Wis­ sensbereich vom menschlichen Handeln, insofern es s i 111 i c h ist.“2 Damit ist der Erkenntnisbereich der Wirtschaftswissenschaften sowohl auf die Berücksichtigung der „Ziele des Wirtschaftens“ (Zielreflexion) als auch auf die dafür „angemessenen Mittel“ (Mitteloptimierung) festgelegt. Wirtschaftsethik ist „wissenschafts- und wirtschaftsimmanent“ insofern, als sie der Wirtschaft sozialethische, menschenbezogene und gesellschafts­ forderliche Absichten unterlegt. Sie befördert ein „wirtschaftsgemäßes Wirtschaften“ im Sinne eines unbezweifelbaren sittlich-verantwortungs­

1 2

vgl. v. Nell-Breuning (1951), S. 193ff. v. Nell-Breuning (1951), S. 197 [Hvh. i. O]

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vollen sowie ganzheitsbezogenen Vorgehens.1 Es gilt dabei zu unterstrei­ chen, daß nicht alles gesellschaftliche Tun Wirtschaften ist, wie umgekehrt nicht alles wirtschaftsbezogene Handeln gesellschaftsdienlich sein muß.

3.3.3 Betriebsverständnis Von Nell-Breuning beschäftigt sich mit dem Betriebsgeschehen in der Be­ triebswirtschaftslehre insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Men­ schen im Betrieb.2 Er entwickelt die Vorstellung eines Wechselverhältnisses von Mensch und Betrieb, die sowohl ökonomische als auch humane Komponenten in sich vereinigt (harmonisiert): „Betrieb und betriebsange­ hörige Menschen stehen, gerade auch was die Ziel- und Zweckordnung angeht, in Wechselbezogenheit zueinander.“3 Damit spricht er den Menschen nicht nur aus der Perspektive betrieblicher Ziele und Erfor­ dernisse (Mensch als Mitte), sondern umgekehrt auch den Betrieb vom Standpunkt berechtigter menschlicher Vorstellungen und Erwartungen (Betrieb als Zweck) an: „Der Mensch im Betrieb, hingeordnet auf die möglichst vollkommene Verwirklichung des Betriebszwecks, der Betrieb umgekehrt darauf hingeordnet, die im Betrieb tätigen Menschen durch diese ihre Betätigung im Betrieb und für den Betrieb zur möglichst reichen Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu fuhren.“4 Nell-Breuning will damit keine „umwälzenden sittlichen Forderungen“ in die Betriebswirtschaftslehre hineintragen, die unter den betrieblich­ praktischen Bedingungen nicht erfüllt werden können. Stattdessen strebt er eine erweiterte, „umwälzende Erkenntnis des Seinsverhaltes“ im Verhältnis Mensch / Betrieb (eine „kopernikanische Wende“ im Menschenbild und Betriebsverständnis) an.5 Eine einseitig festgelegte Sichtweise führt zu falschen Konsequenzen: „Sieht man den Menschen im Betrieb nur als Mittel hingeordnet auf den Betrieb als Zweck, so wird man nur des Zweckes willen dem Mittel all jene pflegliche Sorgfalt zuwenden, die dazu beitragen kann, es als Mittel zum Zweck tauglich oder noch taug­ licher zu erhalten. Man wird den Menschen im Betriebsangehörigen so

1 2 3 4 5

vgl. V. Nell-Breuning (1951), S. 200ff. vgl. v. Nell-Breuning (1950), S. 259ff. v. Nell-Breuning (1950), S. 260 [Hvh. i. O] v. Nell-Breuning (1950), S. 261 f. vgl. v. Nell-Breuning (1950), S. 262ff.

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weit achten, pfleglich behandeln und fördern, als dies sich ersicht­ lich in gesteigerter Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit für den Betrieb bezahlt macht.“1 Stattdessen plädiert er für eine Erweiterung der Fragestellung, für ein neues, umfassenderes „Paradigma“: „Die alte Fragestellung, von der der Betrieb ausging und bei dieser Sicht auch aus­ gehen mußte, war diese: welche Maßnahmen zugunsten der betriebsange­ hörigen Menschen machen sich durch erhöhten Betriebserfolg bezahlt? Die neue Fragestellung dagegen lautet: welche Möglichkeiten bestehen, um den Betrieb und den Ablauf der Arbeit im Betrieb so zu gestalten, daß die Menschen durch ihre Tätigkeit im Betrieb als Persönlichkeit reicher wer­ den?“2 Die wirtschaftlichen und betrieblichen Abläufe stärker unter die christli­ che Perspektive der „Personalität“ (neben Solidarität und Subsidiarität) zu stellen, ist die gedankenleitende Vorstellung der in diesem Kapitel skiz­ zierten und am Beispiel von Wilhelm Kalveram noch weiter auszuführen­ den Autoren.

3.4 Christliche Weltanschauung von Kalveram 3.4.1 Weltanschauliche Grundlagen Auch Wilhelm Kalveram geht bei seiner Darstellung der Wirtschaft von einem „christlichen Ordnungsbild“ aus. Er vertritt den Standpunkt einer christlichen Sozialordnung und Moralvorstellung als richtungsweisend für Wirtschaft und Gesellschaft.3 Es ist dies eine Ordnungsauffassung, die von Harmonie geprägt ist und eine transzendente Ausrichtung aufweist: „Nach christlicher Auffassung ist wirtschaftliche Arbeit Dienst am Reiche Gottes.“4 Die 10 Gebote und die Liebesbotschaft liegen den menschlich­ irdischen Handlungsweisen zugrunde. Gemeinwohl, Gerechtigkeit, Tole­ ranz und christliche Liebe sind die Handlungsmaßstäbe.5 Er sieht die gesamtgesellschaftliche Ordnung als eine Sittenordnung an: „ Die Ethik begründet die sittliche Ordnung, die personalen und sozialen 1 2 3 4 5

v. Nell-Breuning (1950), S. 263 [Hvh. i. O.] v. Nell-Breuning (1950), S. 264 [Hvh. i. O.] vgl. besonders die Bücher von Kalveram (1949b) und (1972) Kalveram (1949b), S. 133 vgl. Kalveram (1949b), S. 130

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Verpflichtungen des Menschen. “1 Ethische Instanzen sind das Gewissen des Einzelnen und das biblische Wissen um den göttlichen Ursprung dieser Ordnung. Das bedeutet: menschliches Verantwortlichsein (als Verantwor­ tungssubjekt) in dem womit und wofür man handelt bzw. tätig wird (als Verantwortungsobjekt) gegenüber Gott (als der Verantwortungsinstanz). „Diese sittliche Ordnung als Teil der gesamten Weltordnung wurzelt im theistischen Weltbild.“2

Kalveram begründet die Gültigkeit wirtschaftlicher Werte und Normen aus einem naturrechtlichen, durch Gottes Schöpfung und Offenbarung ge­ kennzeichneten Hintergrund: Nur die dem Naturgesetz entsprechende Sit­ tenordnung zeichnet die dem Wesen des Menschen und seinem Ziel ent­ sprechende Entfaltung und Vollendung vor. Auch die christliche Lehre hat diese natürliche Offenbarung nicht aufgegeben, sondern bestätigt. „Die Heilsordnung schöpft aus tiefen Quellen neue Motive zur Begründung der natürlichen Sittenordnung, zur Ausrichtung des Wirtschaftsvollzugs auf jene außerwirtschaftlichen Kulturwerte, denen alles Wirtschaften dient.“3 Kalveram folgt dabei den hierarchischen Vorstellungen der Wertethik mit „Dienstwerten“ und „Letztwerten“. Hierbei ist nach seiner Meinung die Wertebene der Wirtschaft naheliegenderweise erstere: „Die wirtschaftli­ chen Werte und Zielgüter sind ihrer Natur nach Dienstwerte, nicht Selbstund Letztwerte.Um so notwendiger sind sie unter den Primat letzterer zu stellen und zu vollziehen. Wirtschaften ist kein Naturereignis, sondern Kulturäußerung, die durch Erzeugung wirtschaftlicher Werte „höheren“ Zielen und Werten dient.

Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft sind in dieses vorgegebene Wert­ raster der Selbst- und Letztwerte konzeptionell einzuordnen: „Die alle Werte und Ziele umfassende Stufenfolge, die Hierarchie der Werte und Ziele, ist für Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft vorgegeben. Wirt­ schaft und Wirtschaftswissenschaft haben keine Weltanschauung aufzu­ bauen, kein Weltbild zu entwerfen.“5 Die Kenntnis von Weltbildern und die Verankerung der Wirtschaftstätigkeit in einer (christlichen) Weltan­ 1 2 3 4 5

Kalveram (1949b), S. 13 Kalveram (1949b), S. 14 Kalveram(1951a), S. 21 Kalveram (1949b), S. 16 Kalveram (1949b), S. 16

[Hvh. i. O] [Hvh. i. O] [Hvh. i. O.] [Hvh. i. O.]

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schauung hält Kalveram für sachlich notwendig und orientierungsmäßig unverzichtbar. Geschieht dies nicht, so übernehmen Sachzwänge, Marktchancen und Existenzstrategien die Rolle der Sinnstiftung, der Ori­ entierung und der „Systemmoral“.

3.4.2 Wirtschaft und Gesellschaft Kalveram erteilt eine deutliche Absage dem Gesellschaftsbild des Libera­ lismus, der den ungehinderten Wettbewerb der Interessen propagiert. Egoi­ stisches Handeln verbunden mit der Vorstellung einer „prästabilisierten Harmonie“ durch das Wirken der „unsichtbaren Hand“, die Entschei­ dungsvorgaben des homo oeconomicus sowie das Streben nach „Gelder­ folg“ sind als wirtschaftliche Leitvorstellungen abzulehnen.1 Die Vorherr­ schaft des Materialistischen, des Kapitals, sowie die Beurteilung der menschlichen Arbeitskraft als zu entgeltendes Tauschobjekt widersprechen Kalverams Auffassung vom Wesen der Wirtschaft und des Menschen.

In einer sozialistischen Zwangswirtschaft bietet sich allerdings keine Al­ ternative, sondern nur der Gegenpol einer ungezügelten Marktwirtschaft: „Diese Umkehr der liberalen Gedankenwelt war keine Abkehr von der materialistischen Grundauffassung einer Zwangsläufigkeit aller ökonomi­ schen Geschehnisse.“2 Der Individualismus wird vielmehr durch Kollekti­ vismus ersetzt, die Herrschaft der Kapitaleigner wird durch die Herrschaft des Staates über die Produktionsmittel abgelöst. Individuelle Ausuferung wirtschaftlicher Macht wird lediglich durch den Staat als „monopolisti­ schen Wirtschaftsherm“ ersetzt.3 Die Alternative ist eine christliche Wirt­ schaftsweise von folgender Gestalt: „Erstrebenswert ist eine Wirtschafts­ form, welche wirtschaftlichen Fortschritt auf Grund möglichst freien, selbstverantwortlichen Handelns mit einer starken sozialen Sicherung von unverschuldeten Wechselfallen, mit einer möglichst weitgehenden Stabili­ sierung und Aufwärtsentwicklung der Lebensbedingungen, sowie mit einer zwar nicht risikolosen aber doch ausgeglichenen besinnlichen Lebensord­ nung am besten zu verbinden weiß.“ 4

1 2 3 4

vgl. Kalveram (1949b), S. 1 lOf. Kalveram (1949b), S. 113 vgl. Kalveram (1949b), S. 122 Kalveram (1949b), S. 118 [Hvh. i. O.]

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Kalveram wendet sich damit expressis verbis gegen Auffassungen von einer „ungehinderten Wirtschaftsautomatik“ und „immanenten Eigenge­ setzlichkeit“ ebenso wie gegen Staatskapitalismus mit entmündigenden Bedarfsfestlegungen.1 Angestrebt wird also eine Kombination aus persön­ licher Freiheitsentfaltung mit dem Bewußtsein von einer höheren sozialen und sittlichen Ordnung. Er plädiert für eine risikobewußte und gemein­ schaftsbezogene Konkurrenzwirtschaft.

3.4.3 Wirtschaft und Ethik Zweckbezogenes Wirtschaften ist Teil der Lebenspraxis und nach Kalveram in einen kulturellen, gesellschaftsdienlichen und menschlichfürsorglichen Rahmen einzuordnen, womit die Geistesverwandtschaft zu August Marx deutlich wird: „Das dem Kulturzweck entsprechende Wirt­ schaftsziel wird nur dann verwirklicht, wenn die in der Wirtschaft Tätigen der ihnen obliegenden Aufgabe der Kulturfürsorge und der Stärkung des bonum commune nicht nur gesinnungsmäßig gerecht zu werden versuchen, sondern auch fachkundig die wirksamsten Mittel einsetzen. ... aber sie ist vor allem ein Betätigungsfeld menschlicher Freiheit und damit der menschlichen Verantwortlichkeit.“2 Vor diesem Hintergrund ist Ethik und Moral ein Grundpfeiler des wirtschaftlichen Geschehens, gleichermaßen in theoretischer Betrachtung und in praktischem Vollzug: „Die Wirtschafts­ moral ist wie die Logik insofern eine Grundlage alles ökonomischen For­ schens und Handelns, als ohne Beachtung ihrer natürlichen Forderung das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gefüge zerreißen muß.“3

Nach Wilhelm Kalveram ist es nicht nur sittlich, sondern auch vernünftig, sich in der Wirtschaft von ethischen Prinzipien leiten zu lassen: „Vernunft und Gewissen können sich nicht widersprechen. Was wider die Ethik verstößt, ist unwi rts chaftl i ch, weil es die Vor­ aussetzungen einer gesunden Wirtschaft mißachtet.“4 Andererseits soll jedoch nicht die Ethik die wirtschaftlichen Normen vorgeben, sondern die­ se müssen sich aus dem Selbstverständnis des (ethisch angelegten und verpflichteten) Wirtschaftens ergeben: „Es ist also abwegig, vom Stand­ 1 2 3 4

vgl. Kalveram (1949b), S. 119 Kalveram (1949a), S. 17 Kalveram (1949a), S. 18 Kalveram (1949a), S. 18 [Hvh. i. O ]

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punkt der Ethik Forderungen hineinzutragen. Sie müssen aus der Beob­ achtung der Beziehung und Abhängigkeit im Sachbereich der Wirtschaft entwickelt werden.“1

Ethische Forderungen müssen wirklichkeitsnah sein und dürfen nicht sach­ fremd vorgegeben werden. Das sittlich Gewünschte und das wirtschaftlich Mögliche müssen angemessen berücksichtigt werden. Dies setzt profunde Praxiskenntnis voraus. „Die Gebote der Wirtschaftsethik lassen sich nicht anders finden als durch genaue Erforschung der wirtschaftlichen Wirklich­ keit.“2 Kalveram geht davon aus, daß der Wirtschaftsprozeß zwar nach inneren Gesetzmäßigkeiten verläuft, aber nicht quasi-naturgesetzlich de­ terminiert ist. Willens- und Handlungsspielräume bleiben noch offen und knüpfen Entscheidungsfreiheiten sowie Handlungsoptionen verantwor­ tungsethisch an deren Ergebnisse und Folgen.

Das „ethische und christliche Grundgesetz aller Wirtschaft“ heißt nach Kalveram: „Wirtschafte wirtschaftlich!“ d. h.: „Wirtschafte so, wie es dem Sinn der Wirtschaft - der richtig verstandenen Wirtschaft! - und ihrer Eigengesetzlichkeit entspricht.“3 Dies wird auch als „ethischer Imperativ“ bezeichnet, der neben einer sittlichen auch eine ökonomische Aufforderung enthält, nämlich: „mit den jeweils verfügbaren Mitteln den bestmöglichen Erfolg erzielen bzw. zur Erzielung eines bestimmten Erfolges mit dem geringstmöglichen Einsatz an Mitteln auskommen“.4 Unter solchen Vor­ aussetzungen wird wirtschaftliches Handeln im gesellschaftlichen Kontext zu einer „Kulturfunktion der Unterhaltsfürsorge “. Der christlichen Welt­ anschauung fällt die maßgebliche Bedeutung zu: „Gerade die christliche Wirtschaftsethik fordert, mit dem ökonomischen Rationalprinzip vollen Emst zu machen.“ 5

1 2 3 4 5

Kalveram (1949a), S. Kalveram (1949b), S. Kalveram (1949b), S. Kalveram (1949b), S. Kalveram (1949b), S.

19 20 [Hvh. i. O ] 19 19 [Hvh. i. O.] 30 [Hvh. i. O.]

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3.4.4 Wirtschaftswissenschaftliches Verständnis Kalveram geht von der „Ganzheit und Einheit der menschlichen Gesell­ schaft“ aus. In seinen wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen ver­ sucht er den Wirtschaftsprozeß in das (kultur- und wertgeprägte) Gesell­ schaftsganze einzufugen: „Für eine solche Schau sind Beziehungen zwischen Wirtschaft und Sittenordnung, Wirtschaft und Christentum nicht etwas Verwunderliches oder Befremdliches, sondern selbstverständlich und lebensnotwendig.“1 Er legt dabei Wert auf einen umfassenden und gesamt­ haften (weltanschaulichen und systemtranszendierenden) Erkenntnisbezug: „Nur aus der Erkenntnis der Ganzheit des personalen und sozialen Lebens kann die wirtschaftliche Teilaufgabe befriedigend gelöst werden.“2

In Kalverams Wissenschaftsauffassung fließen kausale und finale Denk­ elemente zusammen: (l)Weil betriebswirtschaftliche Entscheidungen auf kalkulatorischem Denken und Risikoentscheidungen beruhen, können diese Entschei­ dungsvorgänge kausal erklärt werden.

(2) Weil aber menschliche Entscheidungen in der Wirtschaft nicht streng rational und durch Ursachen determiniert, sondern vielmehr durch Zwecksetzungen, Motive und Willensäußerungen bestimmt sind, haben Kausalerklärungen nur den Status von Arbeitshypothesen. (3) Und weil schließlich die Wirtschaft eine spezifische Art und Weise menschlich-gesellschaftlichen Lebens- und Handlungsvollzuges (näm­ lich der Bedarfsdeckung mit knappen Mitteln) darstellt, haben außer­ wirtschaftliche Verfahrensgrundsätze und Handlungsbegründungen richtungsweisende Bedeutung. Damit stehen aber wirtschaftliche Entscheidungen in einem zweckbezoge­ nen, menschendienlichen (hier christlichen) Orientierungsrahmen, der einen finalen Denkzugang erfordert.3 Die Wirtschaftswissenschaft hat den Bo­ gen vom kausalen Zusammenhangsdenken (Denkzusammenhang) zum finalen Orientierungsdenken (Sinnzusammenhang) zu spannen.

1 2 3

Kalveram (1949b), S. 12 [Hvh. i. O.] Kalveram (1949b), S. 13 [Hvh. i. O.] vgl. Kalveram (1949a), S. 13ff.

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3.5 Mensch und Unternehmung bei Kalveram 3.5.1 Das Menschen- und Mitarbeiterbild Kalverams Auffassung vom Menschen - sein Menschenbild - ist viel­ schichtig. Es enthält Züge des Rationalen wie des Irrationalen, des Willens wie des Fühlens, des zielgerichteten wie des zufallsgeleiteten Handelns und Wirtschaftens:

(a)Einerseits ist der Mensch der bezwingende Gestalter: „Sein ziel­ strebiges Handeln kann die physikalische Kau­ salität in starkem Umfang oder gar gänzlich aufheben. ... Der Mensch als Subjekt verwirklicht in der Wirt­ schaft seine Pläne und zwingt die Kausalität des Naturgeschehens weit­ gehend in seinen Dienst.“1 (b) Andererseits ist er das nicht eindeutig auf die rationale Seite festgelegte, vielmehr von verschiedenen (physischen und psychischen) Einflüssen angefochtene Wesen und Wirtschaftssubjekt: „Das Gefühls- und Wil­ lensmäßige beeinflußt die Wirtschaft oft viel stärker als das Verstan­ desmäßige. Müdigkeit und Erschöpfung, absonderliche Seelen­ komplexe, fruchtbare Einflüsse und Stimmungen sind wichtige Wirt­ schaftsfaktoren.“2

Umso dringlicher bedarf er eines übergeordneten Sinn-, Führungs- und Orientierungsrahmens für sein (allgemeines und auch wirtschaftliches) Handeln: „Erst diese Wegweisung durch überwirtschaftliche und überzeit­ liche Wahrheit bewirkt, daß die Wirtschaft der Lebensgestaltung und Kulturforderung dienen und zur leiblichen und geistigen Aufwärtsent­ wicklung all ihre Glieder führen kann.“3 Die wirtschaftliche Handlungsmöglichkeit des Menschen bedeutet nicht eine Freiheit zu ungehemmter Entwicklung und Entfaltung, ist also nicht grenzenlos. Sie kann nicht grenzenlos (omnipotent) sein, weil es für ihn keine sichere Zugriffsmöglichkeit auf das gewünschte Ergebnis gibt, des­ sen Eintreten zwar menschlicher Strebsamkeit aber auch göttlicher Fügung anheimgegeben ist. Und sie darf nicht maß- und grenzenlos sein, sondern 1 2 3

Kalveram (1949a), S. 15f. [Hvh. i. O.] Kalveram (1951 a), S. 19 Kalveram(1951a), S. 19

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Freiheit muß im Rechts- und Gesellschaftsrahmen ihre Anbindung, in Ge­ wissen und Verantwortungsbewußtsein ihre Rückbindung finden: sie ist nicht Freiheit von der Allverbindlichkeit des Sittengesetzes, sondern eine Freiheit zur Verantwortung, .J41. Kalveram sieht den berufstätigen Menschen als unverrückbaren Mittel­ punkt des Betriebsgeschehens: „Der entscheidende Faktor des Betriebes bleibt trotz aller Mechanisierung der Mensch. Systematische Pflege der Berufsgesinnung und Persönlichkeitswerte sind in allen Betriebsarten von­ nöten.“2 Ihm zufolge ist berufliches Tätigsein menschliche Daseinsgrund­ lage, aber auch gemäß des biblischen Auftrags schöpferische Weiterge­ staltung und Bestandteil einer christengemäßen, sittlichen Lebensführung. „Nach menschlich-christlicher Auffassung ist die Berufsarbeit ein Teil der Gesamtaufgabe der Lebensgestaltung. Sie fuhrt zur Wesenserfüllung des Menschen und ist, weil von Gott gewollt, von hohem sittlichem Wert.“3 Er stellt den Menschen als Person über seine Arbeitsleistung und seinen Er­ gebnisbeitrag.

Berufliche Tätigkeit trägt nicht nur zu einer bestimmungsgemäßen und geglückten Lebensgestaltung bei, sie stellt auch eine unverrückbare Chan­ ce und Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung dar: „Die Berufsarbeit bildet einen Teil in der Gesamtaufgabe der Lebensgestaltung, gerade im Beruf muß sich die Persönlichkeit des Menschen entwickeln. Der Mensch ist nicht nur für den Betrieb, sondern der Betrieb ist auch zur Höherent­ wicklung des Menschen da.“4 Arbeitende Entfaltung folgt hier der Vor­ stellung des beruflich Schöpferischen, nicht den Imperativen egozentri­ scher, bedürfnisbestimmter, selbstaktualisierender Verwirklichungs­ ansprüche. Sie ist bestimmungsgemäß „eine Quelle innerer Befriedigung, persönlichen und sittlichen Reiferwerdens und einer Aufwärtsentwicklung seiner Persönlichkeit“.5 Es gilt dabei, eine „glückliche“ Kombination zwi­ schen persönlicher Entwicklung und betrieblicher Aufgabenbewältigung zu finden und eine Synthese zwischen persönlicher Zufriedenheit und berufli­ cher Pflicht zu verwirklichen.

1 2 3 4 5

Kalveram (1951a), S. 19 Kalveram (1949b), S. 103 Kalveram (1949b), S. 104 [Hvh. i. O ] Kalveram (1951a), S. 22 Kalveram (1949b), S. 91 [Hvh. i. O.]

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Der Mensch ist Träger und Nutznießer der Wirtschaft, d. h. er setzt die Wirtschaftsziele und verwirklicht sie arbeitend. Die Umsetzung geschieht im betrieblichen Arbeitsprozeß durch die Verknüpfung der menschlichen Arbeitskraft mit den „Materialursachen“. Die menschenbewußte Ausge­ staltung dieses Produktionsverhältnisses ist Kalveram ein wichtiges be­ triebswirtschaftliches Anliegen. Der Arbeitskraftgeber - Mensch - ist niemals Objekt, sondern stets Subjekt des Produktionsprozesses, denn: „Jede Arbeit ist Auswirkung persönlicher Würde und Freiheit des Werktä­ tigen, ist sittliche Leistung.“1

Wenn Arbeit neben der wichtigen Einkommenssicherungsfunktion menschliche Entfaltungsmöglichkeit bedeutet, dann ist außer der Frage der richtigen Lohnbemessung und Gewinnbeteiligung die Untemehmenssicherung (und Arbeitsplatzerhaltung) ein wesentliches Betriebsziel.2 Wenn nun im mechanisierten und durchrationalisierten Betriebsablauf die menschli­ che Würde und Motivation eine Rolle spielt, dann ist die Gestaltung der Arbeitsbedingungen eine betriebswirtschaftliche Kernfrage.3 Und schließ­ lich, wenn der Mensch im Produktionsprozeß nicht allein wirkende Ar­ beitskraft, sondern gestaltender Arbeitspartner ist, so müssen sozialethi­ sche, humanzentrierte Maßnahmen (Mitspracherechte, Sozialleistungen, ...) deutlich in das betriebswirtschaftliche Blickfeld gerückt werden.4

Im Produktionsprozeß - unter ökonomischen und sachlichen Zwängen kenntnisreich und wirkungsvoll diese Aspekte einzuflechten und umzuset­ zen, macht die betriebswirtschaftliche Aufgabe letztlich zu einer stetigen Herausforderung. Kalverams Vorschläge für eine sachgemäße und persön­ lichkeitsforderliche Betriebsgestaltung soll weiter nachgegangen werden.

3.5.2 Das Betriebsbild In seiner „Industriebetriebslehre“ entfaltet Kalveram ein sehr weitreichen­ des und anspruchsvolles Betriebs Verständnis: „Der Industriebetrieb ist Glied einer harmonisch zu gestaltenden Volkswirtschaft. Er hat neben privatwirtschaftlichen auch technische, soziale und allgemeinwirtschaftli­

1 2 3 4

Kalveram (1972), S. 99 vgl. Kalveram (1972), S. 99ff. vgl. Kalveram (1972), S. 319ff. vgl. Kalveram (1972), S. 324ff.

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ehe Aufgaben zu lösen.“1 Im Rahmen des wirtschaftlichen Wertekreislaufs einer Industriegesellschaft nimmt der „Betrieb“ den Charakter einer Insti­ tution an: „Der wirtschaftende Betrieb umfaßt die Betriebsstätten mit ihren technischen Einrichtungen als Mittel des Wirtschaftens und die in ihnen wirkenden maschinellen, geistigen und körperlichen Kräfte.“2 Kalveram kontrastiert seine Vorstellungen von „Unternehmung“ und „Be­ trieb“ durch folgende definitorische Festlegung: (a) „Unternehmungen sind Erwerbsgebilde, die objektiv der Gütergewin­ nung und -erzeugung oder der Güterverteilung zum Zweck der Dekkung des Bedarfs fremder Wirtschaftseinheiten, subjektiv der Erzielung eines Reinertrages durch Veräußerung der produzierten Güter an die bestellenden Kunden oder den Markt dienen.“3 Weiter hebt er den Aspekt der rechtlichen Selbständigkeit und der Kapitalausstattung die­ ser Wirtschaftsgebilde hervor. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie einerseits den „Gesetzmäßigkeiten des ökonomischen Lebens“ obliegen, andererseits dem oben beschriebenen Streben der Untemehmensfuhrung und Belegschaft nach Markterfolg anheimgestellt sind. Beides macht die Bereitschaft zur Risikoübemahme erforderlich.4 (b) Betriebe sind nun nicht primär, wie Unternehmungen, marktaktive Wirtschaftssubjekte, sondern haben ihrem Wesen nach eher ökonomi­ sche Objekteigenschaften. Kalveram formuliert dies folgendermaßen: „Das gesamte Leistungsgefüge der planenden, len­ kenden und ausführenden Arbeiten unter Einschluß der erforderlichen technischen Einrichtungen zur Erzeugung marktfähi­ ger Produkte bildet den Betrieb. Er ist im Verhältnis zur Unternehmung vor allem Objekt, besitzt aber auch eine relative Eigenständigkeit und eigene innere Gesetzlichkeit.“5 Dies bedeutet, daß für unternehmerisch erfolgreiches Wirtschaften die Kenntnisse der betrieblichen Gegeben­ heiten sowie der betriebswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten unabding­ bar sind.

1 2 3 4 5

Kalveram (1972), S. 25 Kalveram (1972), S. 32 Kalveram (1972), S. 32f. vgl. Kalveram (1972), S. 33 Kalveram (1972), S. 33 [Hvh. i. O.]

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3.5.3 Die wirtschaftlichen Kenngrößen Es ist Kalverams Anliegen, die betriebliche Leistungsfähigkeit in einen großen Beurteilungsrahmen zu setzen. Dies wird durch ein harmonisches Verhältnis der wirtschaftlichen Erfolgsgrößen: Produktivität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit (ökonomische Rationalität) zu erreichen versucht. Die drei genannten Kenngrößen werden wie folgt definiert: „Die Produkti­ vität zielt hin auf sozialwirtschaftliche Nützlichkeit und Ergiebigkeit. Die Rentabilität stellt ab auf das Maß des privatwirtschaftlichen, unternehme­ rischen Erfolges. Die Wirtschaftlichkeit ist eine für die betriebliche und die gesamtwirtschaftliche Sphäre verwendbare Leistungsgröße.“1

1. In der „Produktivität“ vereinigen sich nach Kalveram „technische, be­ triebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche und sozial-ethische Momen­ te“.2 Sie ist auf gesamtwirtschaftlicher Ebene anzusiedeln. Dazu meint Kalveram: „Jeder ökonomische Werteinsatz soll gesamtwirtschaftlich so fruchtbar wie möglich sich auswirken.“3 Der Einzelbetrieb wird auf seinen sozio-ökonomischen Beitrag festgelegt, und das bedeutet, das Kulturleben, die gesellschaftliche Wohlfahrt u.s.w. durch bedarfsge­ rechte Güter und günstige Preise zu fördern. Somit werden durch die Produktivität nach Kalveram hauptsächlich qualitative Werte, wie die Ziel- und Sinnerfullung der Wirtschaft bestimmt.4 2. Dem gegenüber ist die „Rentabilität“ eine gut quantifizierbare und rein privatwirtschaftliche Größe: Jedes Unternehmen erstrebt Gewinne. Das Verhältnis des erzielten Gewinns zum eingesetzten Kapital wird als Rentabilität ermittelt. Eine gute Rentabilität ermöglicht einerseits eine betriebliche Substanzerhaltung bzw. Fortentwicklung und andererseits eine gute Risikoprämie, Kapitalverzinsung sowie einen positiven Untemehmerlohn. Die Rentabilität drückt somit den privatwirtschaftlichen Ergiebigkeitsgrad einer Unternehmung aus.5 3. Auch die „Wirtschaftlichkeit“ ist nach Kalveram eine auf das Einzeluntemehmen bezogene Größe. Sie gibt Aufschluß über Sparsamkeit und Effektivität des Ressourceneinsatzes. Damit haben organisatori1 2 3 4 5

Kalveram (1949b), S. 34 [Hvh. i. O.] vgl. Kalveram (1949b), S. 34 Kalveram (1949b), S. 34 vgl. Kalveram (1949b), S. 35f. vgl. Kalveram (1949b), S. 36ff.

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sehe Maßnahmen, Produktionsmittel, Arbeitsabläufe und Fragen der Menschenfuhrung ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit. Gleichwohl unterliegt sie auch den Auswirkungen der zwischenbetrieb­ lichen und Markt-Beziehungen: „Wirtschaftlichkeit erheischt, daß der Betrieb Verschiebungen zwischen Bedarf an lebensnotwendigen Gütern und den sog. Randbedürfhissen wie auch den feineren Wandlungen in der Dringlichkeitsstufung rechtzeitig und mit gehöriger Beweglichkeit sich anpaßt.“1

Das Wirtschaftlichkeitsstreben wird von Kalveram in engem Zusammen­ hang mit ökonomischer Zweckrationalität gesehen: „Wirtschaftliche Arbeit ist rationelle, vernunftgemäße Gestaltung der Wirtschaftsmittel und der Wirtschaftsweise.“2 Es ist genauso wirtschaftlich wie rational, die ge­ steckten Wirtschaftsziele mit dem geringsten Mitteleinsatz zu erreichen. Und es ist darüber hinaus nicht nur vernünftig sondern auch ethisch (da nicht verschwenderisch).

Wilhelm Kalveram ist sich der Unterschiedlichkeit der angeführten wirt­ schaftlichen Maßgrößen bewußt und er formuliert dies auch: „Die Maß­ stäbe Produktivität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit (ökonomische Ra­ tionalität) sind weder völlig disparat noch völlig kongruent, sondern überschneiden sich in mehrfacher Hinsicht.“3 Er regt aber an, sie simultan zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Erfolgsmes­ sung einzusetzen. Unternehmungen, die sich nur auf eine Richtgröße be­ schränken, laufen Gefahr, sich nicht im Sinne einer organischen, kulturfördemden, sparsamen und effizienten Wirtschaftsweise zu verhalten. Die zwischen diesen genannten Wirtschaftsmaßstäben möglichen und auf­ tretenden Zielkonflikte lassen sich wie folgt begrenzen und kompatibel machen: □ Wenn Wirtschaftlichkeit in einem umfassenderen Sinne als nur einer „technischen Ausbeute“ und wenn Rentabilität nicht nur kurzfristige Erfolgsermittlung bedeutet, ist eine Parallelität in der Entwicklung von Rentabilität und Wirtschaftlichkeit möglich.4

1 2 3 4

Kalveram (1949b), S. 39 [Hvh. i. O ] Kalveram(1949b), S. 40 Kalveram (1949b), S. 42 [Hvh. i. O.] vgl. Kalveram (1949b), S. 43f.

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Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

□ Wenn Rentabilität längerfristig und zukunftsbezogen die unternehmeri­ sche Entwicklung sieht, läßt sich auch die „sozialwirtschaftliche Ergie­ bigkeit“ der Produktivität mitberücksichtigen. „Die privatwirtschaftli­ che Rentabilität hat sich stets den Forderungen allgemein­ wirtschaftlicher Nützlichkeit und Dringlichkeit einzuordnen, wenn sie mit dieser in Widerspruch gerät.“1 □ Die eher privatwirtschaftlich orientierten Maßgrößen wie Rentabilität und Wirtschaftlichkeit müssen in stärkerem Maße den überbetriebli­ chen, volkswirtschaftlichen Anforderungen (wie Produktivität) Rech­ nung tragen und damit in Einklang gebracht werden: „Gewinn- und Rentabilitätsstreben und wirtschaftliche Erwägungen müssen stets an der volkswirtschaftlichen Aufgabe des Betriebes Maß und Begrenzung finden.“ 2

In der eben beschriebenen Weise strebt Kalveram eine Harmonisierung der genannten wirtschaftlichen Erfolgs- und Leitgrößen im Dienste einer ge­ steigerten privat- und gemeinwirtschaftlichen Nützlichkeit und Kulturfor­ derung an.

3.6 Betriebswirtschaftslehre als Fachwissenschaft 3.6.1 Betriebswirtschaftslehre als Betriebswissenschaft In der ersten Ausgabe der Fachzeitschrift „Betriebswirtschaftliche For­ schung und Praxis“ im Jahre 1949 setzt sich Wilhelm Kalveram (als ihr Mitherausgeber) mit betriebswirtschaftlichen Grundfragen auseinander.3 Sein dort entwickeltes Grundmodell der Betriebswirtschaftslehre lautet: „Die Betriebswirtschaftslehre soll planmäßig Mittel und Verfahren zur besten Erfüllung der den Betrieben, den ökonomischen Individuen, gestell­ ten Aufgaben und für das Zusammenspiel der die wirtschaftlichen Lei­ stungen gestaltenden Kräfte erforschen.“4 Seine Sichtweise der einzelnen „Betriebswirtschaft“ ist jedoch nicht nur eine funktionsbezogene (mittelhafte), sondern in besonderer Weise eine 1 2 3 4

Kalveram (1949b), S. 44 [Hvh. i. O ] Kalveram (1949b), S. 45 [Hvh. i. O] vgl. Artikel von Kalveram (1949a), S. lOff. Kalveram (1949a), S. 10

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kulturbezogene (zweckhafte): „Nicht als Ausfluß von Naturgesetzen kommt wirtschaftliches Handeln zustande; denn alle Wirtschaftseinrich­ tungen sind gewollte Kultureinrichtungen. Sie sind es nach Zweck, Form und Struktur.“1 Demzufolge steht im Brennpunkt des wissenschaftlichen Interesses der Betrieb, sein betriebs- und gesamtwirtschaftlicher (sowie gesellschaftlicher) Beitrag: „Die Betriebswirtschaftslehre stellt den wi rtschaftenden Betrieb in den Blickpunkt ihrer Be­ obachtung und sucht die Bedingungen zu erkennen, unter denen er bei höchster gesamtwirtschaftlicher Nützlichkeit sein privatwirtschaftliches Ziel rationeller und rentabler Arbeit zu verwirklichen vermag.“2

In Kalverams Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaftsdisziplin geht es gleichermaßen um die Ergründung sachlicher wie sittlicher Zusammenhän­ ge, die es nicht nur empirisch-analytisch zu erforschen, sondern auch erkennend-normativ festzulegen gilt: „Auch die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft und Forschung muß den Betrieb stets in sei­ nen ganzheitlichen Zusammenhängen ins Auge fassen. Insofern wird sie zur normativen Wissenschaft.“3

3.6.2 Betriebswirtschaftslehre als Lehre Der Betriebswirtschaftslehre als „Lehre“ wird von Seiten Kalverams eine wichtige Rolle für die fachliche Ausbildung und Persönlichkeitsbildung ihres wissenschaftlich qualifizierten Nachwuchses beigemessen: Einerseits geht es darum, eine fachliche Qualifikation, d. h. Fachwissen zu vermitteln (= Fachwissenschaft). Andererseits sollte auch eine persönlichkeitsfördemde Orientierung in diesem Rahmen sichergestellt werden (= Wirt­ schaftspädagogik): „Sie muß ihre Jünger, denen später führende Stellungen anvertraut werden sollen, so erziehen, daß ihr Handeln einem nicht minder fündierten Ethos entspricht.“4

Gerade im Hinblick auf den praktischen Wirtschaftsvollzug ist ihre ge­ samtbezogene Handlungsausrichtung auf gesellschaftliche Ziele hin zu

1 2 3 4

Kalveram (1949a), Kalveram (1949a), Kalveram (1951a), Kalveram (1951a),

S. S. S. S.

12 12 [Hvh. i. O.] 20 [Hvh. i. O.] 16 [Hvh. i. O.]

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beachten (Kulturfimktion) sowie die handelnde Wirtschaftspersönlichkeit daraufhin zu verpflichten (Wirtschaftsethos). Unterbleibt dies, befurchtet Kalveram Brüche und Verwerfungen: „Wenn die Wirtschaft als unterster und breitester Kultursachbereich unbeschränkte Eigenständigkeit bean­ sprucht und ihr Verflochtensein mit den höheren Bereichen mißachtet, dann muß sie und mit ihr der soziale Organismus entarten, verkümmern, zerfallen und absterben.“1 Wirtschaften setzt somit „Geist“ und „Ethos“ voraus, will sie gegen Miß­ bräuche gewappnet sein und die Gesellschaftsdienlichkeit sowie den Le­ bensbezug wirtschaftlichen Tätigseins sicherstellen. „Wirtschaftsethos ist keine Angelegenheit gemütvoller Stimmung, und Wirtschaftsethik ist nichts Subjektives, sondern etwas ganz und gar Objektives; es geht ihr um etwas so Handfestes und Greifbares wie um den Beitrag der Wirtschaft zu sinnvoller, menschenwürdiger Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens.“2 Vor diesem Hintergrund hat die Betriebswirtschaftslehre nicht nur eine normative Ausrichtung, sondern auch einen wirtschaftspädagogischen Auftrag.

3.6.3 Betriebswirtschaftliches Forschungskonzept Es ist interessant und informativ, an dieser Stelle einen Blick auf Kalverams Forschungsansatz zu werfen. Dabei soll in drei Schritten vorge­ gangen werden:



Beleuchtung des Forschungshintergrundes (-interesses),



Darstellung der Forschungsziele (-absichten),



Präzisierung der Forschungsmethode (-wege).

1. Gemäß der vorgetragenen, ganzheitlichen und harmonischen Wirt­ schaftsgesinnung ist Wirtschaft Teil des „Gesamtlebens“. Sie findet ihre letzte Begründung in außerökonomischen Zweck- und Wertsetzun­ gen. Damit erbringt sie einen maßgeblichen Beitrag zur Lebenserhal­ tung, Lebensgestaltung, zur „Kulturforderung“ und zu der „Aufwärts­ entwicklung der Menschheit“. Eine so ausgerichtete Wirtschaft ist auf den harmonischen Ausgleich potentieller Gegensätzlichkeiten ver­ 1 2

Kalveram (1951a), S. 17 Kalveram (1951a), S. 19f.

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pflichtet (wie: gesamt- und privatwirtschaftliche Ziele, Kapital und Ar­ beit, Rechte und Pflichten, Ertragserwirtschaftung/-verteilung). Kalveram ist sich durchaus der „theoretischen“ und „praktischen“ Aus­ richtung der Betriebswirtschaftslehre (respektive Industriebetriebslehre) bewußt:

Die theoretische Industriebetriebslehre befaßt sich mit der Erkenntnis be­ triebswirtschaftlicher Regelmäßigkeiten sowie der Deutung ihrer Kausal­ zusammenhänge. Hier steht die Frage nach dem „Warum?“, den Gesetz­ mäßigkeiten im Vordergrund.

Demgegenüber ist die praktische Industriebetriebslehre eine Ergänzung, Konkretisierung und Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse („Dienst an der Wirklichkeit“). Sie stellt die Frage nach dem „Wie?“, den Verfah­ rensweisen.1 2. Für Kalveram ist die konkrete Zielsetzung der betriebswirtschaftlichen Forschung die Feststellung und Erklärung der Vorgänge, Zusammen­ hänge und Regelmäßigkeiten von wirtschaftlichen Institutionen. Es geht ihm also darum, vor einem finalen Wirtschaftshintergrund die kausalen Abläufe und Abhängigkeiten auf dem Wege wissenschaftlicher For­ schung zu entschlüsseln. Kalveram definiert ihr Forschungsziel konkret folgendermaßen: „Als dy­ namische Betriebslehre beobachtet sie nicht nur die Elemente 'menschliche Arbeit' und 'sachliche Produktionsmittel' sowie ihre typischen Funktionen, sondern auch die betrieblichen Kreisläufe, Wertbewegungen und Wertum­ wandlungen.“2

Besonderes Augenmerk richtet er auf das Verhältnis von Wirtschaftsethik und Betriebswirtschaftslehre: „Die Wirtschaftsmoral ist wie die Logik insofern eine Grundlage alles Forschens und Handelns, als ohne Beachtung ihrer natürlichen Forderungen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gefüge zerreißen muß.“3 Sie hat eine Integrationsfunktion.

1 2 3

vgl. Kalveram (1972), S. 29ff. Kalveram (1972), S. 25 Kalveram (1972), S. 27

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Die Betriebswirtschaftsforschung wird also gesellschaftlich und kulturell verankert. „Die Industriebetriebslehre untersucht Gestaltung und Zusam­ menhänge innerhalb der einzelnen Betriebe, der ökonomischen Individuen, im Hinblick auf die Verwirklichung des Kulturzieles und die Möglichkei­ ten, einen konkreten Beitrag zu diesem Ziele zu leisten.“1 So wird alles betriebliche Wirtschaften auf eine gesellschaftliche, menschendienliche Zweckbestimmung ausgerichtet („Imperativ der Sittlichkeit“), was im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung in besonderer Weise zu berücksichtigen ist.

3. Die Methode ist der „Weg“, die genannten wirtschaftlichen Perspekti­ ven wissenschaftlich „einzufangen“. Im Falle der Betriebswirtschafts­ lehre gibt Kalveram drei wissenschaftliche Vorgehensweisen an:2

An erster Stelle steht die „wirklichkeitsnahe Betrachtung“ mittels Indukti­ on. Hierbei geht es um das Erkennen und Aufdecken von Kausalzusam­ menhängen und Gesetzmäßigkeiten: Sammlung von Erkenntnissen über Betriebsabläufe, Erforschung von deren Regeln und Gesetzmäßigkeiten, Aufstellung von Kausalzusammenhängen und Formulierung von allgemei­ nen Aussagen. Gleichzeitig wird aber vor einer Beschränkung auf „mecha­ nisch-quantitative Orientierungen“ gewarnt und für die Berücksichtigung von finalen, teleologischen Denkstrukturen plädiert. Der Wirtschaftsprozeß vollzieht sich nicht nur auf der kausalen, zweckra­ tionalen Denkebene, sondern auch soziale, ethische und kulturelle Ele­ mente fordern ihre Berücksichtigung. Dies erfordert ein abstraktes Vorge­ hen im Wege der Deduktion, d. h. von diesen allgemeinen Gegebenheiten betriebswirtschaftliche Anforderungen abzuleiten. Schließlich werden auch historischen und vergleichenden Betrachtungsweisen bzw. Untersuchungen erkenntnisgewinnende und -erweiternde Möglichkeiten zugeschrieben. (Diesem Erkenntnisverfahren wird ja im Rahmen dieser Arbeit mit Hinga­ be gefolgt.)

1 2

Kalveram (1972), S. 28 vgl. Kalveram (1972), S. 28f.

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3.6.4 Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensfiihrung Kalverams Betriebswirtschaftslehre (respektive Industriebetriebslehre) ist nicht in einem unmittelbar-funktionalen Sinne eine Untemehmensfuhrungslehre. Vielmehr ist sie ihrer institutioneilen Ausrichtung gemäß sachaufklärend und mittelbar praxisbezogen. Sie ist jedoch ihrer christli­ chen Hintergrundtönung gemäß in einem praktischen Sinne normativ, inso­ fern Kalveram durchaus konkrete Hinweise gibt, wie und wo der menschli­ che Aspekt im Betrieb besser zur Geltung gebracht werden kann.1

Wilhelm Kalveram analysiert in gleicher Weise die Probleme und Gefah­ ren der Wirtschaft (Istzustand) wie er bemüht ist, Wege und Möglichkeiten der Verbesserung (Sollzustand) aufzuzeigen: □ Eine zunehmende Arbeitsspezialisierung, fortschreitende Technisierung und „Temporaserei“ wird beklagend festgestellt: „Die Arbeit wird durch Zerfaserung des Arbeitsprozesses entseelt, entgeistigt. Eine Ab­ richtung des Menschen zu rein mechanischen und routinemäßig ausfuhrenden Teilarbeiten hat verhängnisvolle Rückwirkungen auf Berufsauf­ fassung, Pflichtgefühl und Arbeitsfreude. “2 Dieser Umstand hat fatale Auswirkungen auf den Menschen und Mitar­ beiter, der seiner Selbständigkeit und Verantwortlichkeit entkleidet, dem Arbeitssinn entfremdet zum unmotivierten, passiven Vollzugsorgan ge­ stempelt wird. „Bei solcher Sinnentleerung der Arbeit, bei solcher Neutra­ lisierung der persönlichen Werte muß die Berufsfreude ersterben.“3 Ein entschlossenes Entgegenwirken dieser Problemlage gegenüber wird in ge­ samthaften, kooperationsforderlichen.Arbeitsstrukturen in „kulturwürdigen Arbeitsbedingungen“ und in sozialen Fürsorgeleistungen des Unterneh­ mens gesehen.4 Kalveram spricht in diesem Zusammenhang von einer „Ethisierung des Arbeitsverhältnisses“ und meint damit: „Sie bedeutet eine bewußte Pflege der menschlichen Beziehungen innerhalb der betrieblichen Gemeinschaft.“5

1 2 3 4 5

vgl. Kalverams Buch (1949b) Kalveram (1949b), S. 92 [Hvh. i. O ] Kalveram (1949b), S. 95 [Hvh. i. O.] vgl. Kalveram (1949b), S. 96ff. Kalveram (1949b), S. 101

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Christliche Wirtschaftsauffassung von Wilhelm Kalveram

□ Die Vorstellungen einer menschengemäßen Betriebsführung im Ver­ ständnis von Kalveram manifestieren sich in einem Vorschlagskatalog für betriebliche und personale Maßnahmen:

(a) Arbeitsentgelt (Lohnfindung und -gestaltung)

Die Arbeitsbewertung und -entlohnung soll drei Anforderungen gerecht werden:1

-

den Lebensbedarf der Arbeitenden decken,

-

den Fortbestand des Unternehmens gewährleisten und

-

den Wirtschaftserfolg für die Gemeinschaft sicherstellen.

Eine diese Kriterien würdigende Entlohnung entspricht also sowohl einer Fürsorgepflicht als auch einer Leistungswürdigung des Arbeitnehmers seitens des Betriebes. (b) Preisfindung und Preisbildung Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist für Kalveram die Preisgerechtig­ keit. Die Preisbestimmung darf nicht primär einem hohen Erlös bzw. einer Kapitalrentabilität unter Ausnutzung aller Marktchancen dienen. Vielmehr steht die Güterversorgung auf dem Markt im Mittelpunkt, die einerseits über den Absatz den Untemehmensbestand sichern soll und andererseits die Kaufkraft der Nachfrager nicht überfordern darf.2 Kalveram vertritt den Standpunkt, daß in der Preiskalkulation die Wiederbeschafiungspreise (nicht die Einstandspreise) der Produktionsfaktoren einzusetzen sind. Grundlage für die Preisfestlegung sind die Selbstkosten.3 Die „Marktmo­ ral“ verbietet eine unbegrenzte und überkompensatorische Kostenüberwäl­ zung auf den Preis. Dies gebietet dann eine Begrenzung betrieblicher Auf­ wendungen und Kosten. Die „Verwirklichung der Preisgerechtigkeit“ ist ein wichtiger untemehmenspraktischer Leitgedanke: „In der Verkehrswirt­ schaft sind gerechte Preise die Voraussetzung für die Sinnerfüllung der Wirtschaft: Unterhaltsfürsorge für das Volksganze und volle Entfaltung jedes einzelnen seiner Glieder.“4

1 2 3 4

vgl. Kalveram (1949b), S. 49 vgl. Kalveram (1949b), S. 66ff. vgl. Kalveram (1949b), S. 69ff. Kalveram (1949b), S. 79 [Hvh. i. O. ]

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(c) Eigentumsbeteiligung der Mitarbeiter

Kalveram hält die Möglichkeit des Eigentumerwerbs in Mitarbeiterhand zum Schutz vor „Daseinsrisiken“ für unerläßlich. Eben dazu soll im unter­ nehmerisch vertretbaren Umfang eine Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter vorgenommen werden: „Der betriebliche Ertrag muß also in sinnvoller Weise zwischen Arbeit und Kapital aufgeteilt werden.“1 Die verschiedenen Formen der Gewinnausschüttung fördern „Arbeitseifer“ und „Arbeitsfreude“. Die Leistung des arbeitenden Menschen wird aner­ kannt und er wird dadurch „in einen angemessenen Mitbesitz der irdischen Güter durch gerechten Leistungsentgelt und eine sinnvolle Ertragsbeteili­ gung“ gebracht.2 Gewinnbeteiligung wird als soziale Ausgleichsleistung und unternehmerische Fürsorge gesehen, die sowohl sozial als auch öko­ nomisch sinnvoll und geboten ist. Damit wird nämlich ermöglicht, die „Proletarität“ und das „Gefühl der Lebensunsicherheit deijenigen, die in fremden Diensten arbeiten“, zu überwinden.3

(d) Sozialversicherungen Neben einer angemessenen Vermögensbeteiligung hält Kalveram die von betrieblicher Seite zu leistenden Sozialversicherungen zugunsten der Mit­ arbeiter für eine wichtige betriebliche Fürsorgemaßnahme bzw. Daseins­ vorsorge.4

(e) Mitbestimmungsmöglichkeiten Eine betriebliche Mitbestimmungsmöglichkeit der Arbeitnehmer ist neben den finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten für den geregelten Betriebsab­ lauf erforderlich. Dies ist bei Kalveram nicht aus Gründen des Ausgleichs von Interessengegensätzen geboten, sondern versteht sich aus dem Be­ wußtsein einer gemeinsamen Aufgabe und einer bestmöglichen persönli­ chen Entfaltung der „mitarbeitenden“ Menschen.5

Kalveram nennt sozial-humane und ökonomische Gründe zur Rechtferti­ gung der Mitbestimmung. „Sie muß eine positive Wirkung erzeugen: Stei­

1 2 3 4 5

Kalveram (1949b), S. 80 vgl. Kalveram (1949b), S. 84 [Hvh. i. O.] vgl. Kalveram (1951b), S. 317ff. vgl. Kalveram (1949b), S. 85 vgl. Kalveram, (1949b), S. 105f.

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gerung des Sozialproduktes, Hebung der Kaufkraft, Ausgleich der sozialen Spannungen.“1 Mitbestimmung steigert in nachhaltiger Weise das „menschlich-persönliche Betriebsverhältnis“, wirkt der „Sinnentleerung der Arbeit und dem Ersterben der Berufsfreude“ entgegen, ist eine „Quelle der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung“ und macht aus dem „Un­ tergebenen“ einen „Mitarbeiter“.2

3.7 Kritische Würdigung von Kalverams Konzeption 3.7.1 Kritische Einwände Der betriebswirtschaftliche Ansatz von Kalveram - mit christlichem Hin­ tergrund - hat Anlaß zu Einwänden gegeben und die Frage: normative versus wertfreie Betriebswirtschaftslehre aufs neue belebt. Ein übliches pro-empirisches und wertnegierendes Argumentationsschema lautet: Die Betriebswirtschaftslehre sollte ihrem Anspruch nach wertfrei und objektiv sein. Ihr Wissenschaftsauftrag gilt nicht einer „idealen“ Wirklichkeit und einem „besseren“ Menschen, weshalb sie auch keine ethischen Wirt­ schaftsnormen liefern bzw. vorgeben kann. Sie sollte die Wirtschaftswirk­ lichkeit zu ihrem bevorzugten Forschungsgegenstand machen. Schließlich ist Betriebswirtschaftslehre weder Wirtschaftspädagogik noch Betriebspo­ litik, wohin letztlich Wertfragen gehörten.3

Max Muss wendet sich gezielt Kalverams Buch „Der christliche Gedanke in der Wirtschaft“ zu und setzt sich konkret mit der christlichen Weltan­ schauung auseinander.4 Das dahinter stehende Wirtschaftsbild ist das einer „geordneten Marktwirtschaft“. Der aufgestellte Wirtschaftsimperativ: Wirtschafle •wirtschaftlich wird dabei als „gar zu einfach“ und „reichlich farblos“ bezeichnet: „Inwieweit diese Maxime gerade christlich sein sollte, ist nicht einzusehen und kann auf keine Weise verständlich gemacht wer­ den.“5 Das „spezifisch Christliche“ in Kalverams Ausführungen ist schwer auszumachen: Gerechtigkeit und Nächstenliebe träten in Kalverams Wirt­

1 2 3 4 5

Kalveram (1950a), S. 12 vgl. Kalveram (1950 a), S. 12ff. vgl. Keinhorst (1956), S. 112fF. vgl. Muss (1950), S. 85f. Muss (1950), S. 86

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schaftslehre kaum hervor, wenngleich Parallelen zur Kirchenlehre des Thomas von Aquin erkennbar seien. Fettel sieht die Betriebswirtschaftslehre als eine „praktische Wissen­ schaft“: „Die Betriebswirtschaftslehre wird zur Erreichung praktischer Ziele gepflegt und gefördert.“1 Mit großer Skepsis begegnet er normativen Bestrebungen. Er befurchtet eine Abhängigkeit von ethisch bemäntelten Machtinteressen und eine kurzsichtige „Verordnung von Rezepturen“ für augenblickliche Nöte.2 Der empirischen Seite zugeneigt bezweifelt Fettel grundsätzlich, daß Werte und Normen Erkenntnisziele von Wissenschaft sind, vielmehr ordnet er sie dem Bereich der Philosophie und Ethik zu. Mit Blick auf Kalverams wirt­ schaftsethische Auffassungen kritisiert er den Versuch, Wirtschaftsnormen des Wirtschaftens herzuleiten. „Kalveram verlangt nicht weniger, als daß die Wirtschaftsethik vom Wirtschaftlichen her begründet werden müsse. Kalveram will sozusagen eine wirtschaftliche Ethik postulieren.“3 Eine Verquickung der wissenschaftlichen Arbeit mit weltanschaulichen Grund­ haltungen ist streng zurückzuweisen: „Der Kardinalfehler aller Normativi­ sten liegt darin, da sie bei der Explikation aus dem Halbdunkel des Gefühls und Wünschens nicht herauskommen und daß sie nicht unterscheiden, was ist, von dem, was nach ihrer Auffassung sein soll.“4 Keine christlich­ moralischen Glaubensannahmen, sondern die Rechtsordnung allein stellt die legale und legitime Beschränkung des wirtschaftlichen Handelns dar, welches durch eine freie Entfaltung der Marktmechanismen das wirt­ schaftliche Optimum und die Harmonie findet bzw. erreicht.

In diesem Zusammenhang rufen auch Kalverams Maßstäbe zur Beurtei­ lung der wirtschaftlichen Leistung ein kritisches Echo hervor: „Auffallend ist zunächst, daß Kalveram ethische, soziale und kulturelle Werte mit den gleichen Maßstäben messen will und daß er bei den betrieblichen Leistun­ gen nicht etwa wirtschaftliche Qualitäten, sondern deren ethischen, sozia­ len und kulturellen Wert beurteilen will.“5 Dies ist aber nunmal im Rah­ men und mit den Mitteln der Betriebswirtschaftslehre nicht möglich. 1 2 3 4 5

Fettel (1949), S. 377 vgl. Fettel (1949), S. 378 Fettel (1949), S. 380 Fettel (1949), S. 380 Fettel (1949), S. 381

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Auch Arthur Lisowsky äußert sich kritisch und distanziert zur Berück­ sichtigung eines Normensystems in der Betriebswirtschaftslehre als Wis­ senschaft, zumal angesichts einer abnehmenden Verbindlichkeit von Wert­ vorstellungen. Sein Plädoyer gilt zugunsten einer „real-wirtschaftlichen“ und nicht einer „abstrakt-wirtschaftlichen“ Betriebswirtschaftslehre. 1 Er fuhrt aus, daß „Wirtschaft“ es mit der Erzeugung von Sachgütern zu tun habe und wertneutral sei. Demzufolge ist „wirtschaftliches Handeln“ ein Vorgehen nach dem ökonomischen Prinzip. Zur Präzisierung des Gegenstandsbereichs der Betriebswirtschaftslehre unterscheidet Lisowsky Wirtschaftspraxis („Wirtschaft als Leben“) und Wirtschaftstheorie (= Wirtschaftsgesetzlichkeiten). Einerseits ist die Be­ triebswirtschaftslehre die Wissenschaft vom Wirtschaften, die ein (wert­ freies) Erkenntnissystem aufzubauen hat, andererseits ist sie (wertbewuß­ te) Lehre: Im Widerspruch zu Nicklischs gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit und Kalverams wirtschaftsgemäßem Wirtschaften for­ dert er, daß wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Normen nicht mitein­ ander verknüpft werden dürfen: „Zwischen ihrem Ziel desErringens eines 'Mehr' (an Ertrag über einen Aufwand) durch eine Organisation im Außen und dem Verzicht auf dieses 'Mehr' aus ethischen Gründen klafft ein Widerspruch, der nicht aufzuheben ist.“2 Es besteht nach Lisowsky keine Zielharmonie, sondern ein unlösbarer und latenter Zielkon­ flikt zwischen Markt und Moral.

Zweifel über die Erkenntnisfahigkeit und Verbindlichkeit von ethischen Normen bewegen Lisowsky, wie bereits aufgezeigt wurde. Er sieht auch Kollisionen solcher Normen in einer freien Marktwirtschaft, „in der doch allein die Nachfrage im täglichen Pläbiszit der Konsumenten bestimmt, was als Marktleistung erwünscht ist und bezahlt werden wird“3. Gleich­ wohl wird eingeräumt, daß der aufgezeigte Gegensatz zwischen „wirt­ schaftlichem Denken“ und „ethischem Handeln“ nur wissenschaftlich­ abstrakt, jedoch nicht wirtschafts-praktisch bestehen muß. Lisowsky for­ dert letztlich sogar eine persönliche Ausrichtung des wirtschaftlich Tätigen nach „inneren Werten“ innerhalb der „äußeren Organisation“: „Die Nor­ mativisten haben somit ganz recht, wenn sie sich an das Innere des Men1 2 3

vgl. Lisowsky (1950), S. 605ff. Lisowsky (1950), S. 611 [Hvh. i. O.] Lisowsky (1950), S. 616

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sehen und die gute Seite darin wenden, sie freizulegen, zu beeinflussen, zu entwickeln und zu fördern suchen.“1 Diese Dinge offenzulegen und im Menschen zu entwickeln ist Aufgabe der Erziehung, der „WirtschaftsPädagogik“. Die betriebswirtschaftliche Erkenntnisumsetzung durch den Entscheidungsträger hat im Sinne eines verantwortlichen, wertbewußten wirtschaftlichen Handelns zu erfolgen. Wirtschaftsethos ist hier gefragt.

3.7.2 Zusammenfassende Stellungnahme Fettel und Keinhorst gehen von einem Welt- und Wissenschaftsbild aus, das sehr stark vom Empirismus (und Positivismus) bestimmt ist. Das Analysieren und Erklären der Dinge, die Feststellung der kausalen Ver­ knüpfungen stehen dabei im Vordergrund. Das Determinierbare, Objekti­ vierbare zählt. Ein anderer (finaler) Zugang ist ihnen fremd und suspekt. Ethisch-normative Standpunkte ordnen sie in den Bereich des Fühlens und Wünschens ein, als nicht objektiv und irrational. Wertrationales Handeln wird bestenfalls im Sinne „ökonomischer Werte“ anerkannt. Eine be­ stimmte Weitsicht, ein konkretes Menschenbild und ein sich daraus erge­ bender Handlungsimperativ hat sowohl vor Fettels als auch vor Keinhorsts Augen keinen Bestand. Demgemäß ordnen sie den Wirtschaftsprozeß, im Gegensatz zu Kalveram, auch nicht in einen höheren Seinszusammenhang ein, sondern sehen in der Wirtschaft nur das empirisch Gegebene und das kausal Funktionierende (den Systemzusammenhang). Sie stehen wirt­ schaftsethischen Gedanken fremd gegenüber und können mit der weitge­ faßten Definitionsweise von Kalverams Meßgrößen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wenig anfangen. Fettels und Keinhorsts Gedankenkreis ist enger, stärker auf das Nur-Ökonomische fixiert und von nicht weiter hinterfragten, sondern festgestellten Prämissen und Ablaufmechanismen geprägt. Dies sind die Gültigkeit der Regeln der freien Marktwirtschaft und deren ausschließliche (legalistische) Begrenzung durch die Rechtsord­ nung. Anderen (legitimen) Regulativen, wie dem Sittengesetz oder dem Verantwortungsprinzip, wird keine erkenntnisbezogene und handlungslei­ tende Bedeutung zugeschrieben. Auch Lisowsky nimmt eine ablehnende Haltung gegenüber Versuchen, Werte und Normen in dem Gegenstandsbereich der Betriebswirtschaftsleh­

1

Lisowsky (1950), S. 618

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re als Wissenschaft zu berücksichtigen, ein. Er votiert für eine Betriebs­ wirtschaftslehre als „realwirtschaftliche Fachwissenschaft“ und gegen einen „abstrakt-wirtschaftlichen“, unversalistischen Ansatz. Die „Wirt­ schaft“ ist ein „wert-neutraler“ Sachbereich, dessen Gesetzmäßigkeiten es (empirisch-wissenschaftlich) zu erhellen gilt. Wirtschaft (= ökonomisches Vorgehen) und Ethik (= außerwirtschaftliche Handlungsanforderungen) stehen im Widerspruch, sieht man von der Möglichkeit ab, Werthaltungen für wirtschaftliche Erfolge zu instrumentalisieren (= Pseudo-Ethik). Werte und Normen lassen sich weder objektivieren noch (wissenschaftlich) all­ gemeinverbindlich machen.

Lisowsky sträubt sich dagegen, mit Nicklisch bzw. Kalveram ethisch be­ gründbare Prämissen und Rahmenvorgaben für das Wirtschaften anzu­ nehmen oder theoretisch „anzudenken“. Er lehnt normative Vorgaben ab, ja er sieht einen unauflösbaren Widerspruch im simultanen Erfüllen von ökonomischen Vorgaben und überökonomischen Werten. Gleichwohl wird die Existenz von außerökonomischen Normen anerkannt und der Philoso­ phie zugeordnet. Bei aller Ablehnung normativer Vorgaben für Wirt­ schaftstheorie und Wirtschaftsform anerkennt Lisowsky trotzdem die Notwendigkeit einer ethischen Orientierung in der Wirtschaftspraxis und in dem Wirtschaftsvollzug. Dies zu gewährleisten ist nicht Aufgabe von vorgebbaren Normen und Wertesystemen, sondern Herausforderung an die wirtschaftlich tätige Person als moralische Persönlichkeit sowie an die konkrete Betriebspolitik. Nicht Wirtschaftsethik ist gefragt, sondern Wirtschaftsethos. Lisowsky sieht daher nicht (wie Nicklisch, Kalveram u.a.) eine diesbezügliche Auf­ gabe der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft oder Lehre gestellt. Vielmehr faßt er die „Formung der menschlichen Seele“ als pädagogischen Auftrag auf, welcher der Wirtschaftspädagogik erteilt wird. Auf diese Weise wird ein geformter Mensch erwartet, der wertbewußt und sachkun­ dig wirtschaftlich handelt. Betriebswirtschaftslehre als erkenntnisschöp­ fende Wissenschaft ist allerdings nicht gleichzusetzen mit Wirtschaftspäd­ agogik als persönlichkeitsbildende Lehre.

Nell-Breuning verteidigt die Wirtschafts- und Wissenschaftsauffassung Kalverams und macht sich zum Fürsprecher des Imperativs: Wirtschafte wirtschaftlich. „Wirtschaftlich“ meint in diesem Zusammenhang: dem Wesen der Wirtschaft gemäß, d. h. also wirtschaftsgemäß. Wirtschafts­

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gemäßes Wirtschaften entspricht dem ökonomischen Rationalprinzip und ist auch logisch richtig (Vemunftprinzip). Was der „rechten Vemunftordnung“ entspricht, ist auch „sittlich wohlgeordnet“. Demzufolge besteht kein grundsätzlicher Widerspruch, sondern eine Wechselseitigkeit zwi­ schen ethisch begründetem und wirtschaftlich sachgemäßem Handeln. Was nun wirtschaftlich geboten und ethisch richtig ist, ist nicht allein eine wirt­ schaftswissenschaftliche Frage (als Funktionsstandpunkt), sondern auch eine der Ethik und Sozialphilosophie (als Ganzheitsstandpunkt). Es kommt nun darauf an, das wirtschaftlich Notwendige (Mittelebene) sach- und fachgemäß mit dem ethisch Gesellten (Zielebene) zu verbinden und anzu­ wenden. Zielgerechter Mitteleinsatz ist wirtschaftlich und ethisch geboten und ermöglicht somit wirtschaftliches Wirtschaften.1 Fettel, Muss, Lisowsky und Keinhorst bemühen sich, die Betriebswirt­ schaftslehre aus der Binnensicht der empirischen Wirtschaftswirklichkeit zu begründen. Sie analysieren, erklären und stellen Kausalzusammenhänge von Wirtschaftsabläufen her (kausal-funktionale Sichtweise). Implizit wird von der Gültigkeit und Richtigkeit der marktwirtschaftlichen Wirtschafts­ ordnung sowie den darin enthaltenen klassisch-liberalen Verhaltensprämis­ sen und Wirtschaftsmechanismen ausgegangen. Demgegenüber ist für Marx, Kalveram oder von Nell-Breuning die Wirtschaft kein Kausalsy­ stem, sondern ein historisch-gesellschaftliches Kulturphänomen, das es zu ergründen, einzuordnen und in einen zweckbezogenen Zusammenhang zu bringen gilt (finale Sicht). Wenn die Wirtschaft nicht nur ein Funktionsme­ chanismus ist, sondern gesellschaftlich-kulturelle Äußerung, so ist nach den Zwecken, den Orientierungspunkten zu fragen und ihre innere Ord­ nung vor dem Hintergrund des Menschheitswissens zu ergründen. Dabei beziehen die drei genannten Autoren einen metaökonomischen Standpunkt aus christlicher Weitsicht.

Sie geben einen ethisch-christlichen Rahmen für wirtschaftliches Gestalten vor, der die Wirtschaft nicht nur an die Legalität und die Beachtung der Funktionsimperative bindet, sondern ihr auch noch Rechenschaft und Legitimitätsnachweise gegenüber weltanschaulichen Vorgaben abverlangt. Auf diese Weise wird der Versuch unternommen, die Wirtschaft in einen menschendienlichen, kulturellen Kontext zu stellen und durch außeröko­

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vgl. v. Nell-Breuning (1951), S. 193ff.

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nomische Wertvorgaben innerökonomische Wirtschaftsabläufe und -ergebnisse positiv zu beeinflussen. Gleichzeitig will man die gegebenen Wirtschaftsvorgänge den zielbildhaften, außerökonomischen Zweckset­ zungen näherbringen und dadurch legitimieren.

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

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4. Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von P. Ulrich

4.1 Wertüberlegungen in der Betriebswirtschaftslehre Die Frage nach den relevanten Werten des (betrieblichen) Wirtschaftens und ihre angemessene Berücksichtigung im Rahmen der Betriebswirt­ schaftslehre wurde wiederholt gestellt. Sie spielt auch bei untemehmensethischen Betrachtungen eine besondere Rolle. Deshalb sollen hier einige Gedanken dazu den weiteren Ausführungen vorangestellt werden: Es war Josef Löffelholz, der in Anlehnung an die Wertlehre (Wertethik von Max Scheler und Nicolai Hartmann) den wirtschaftlichen Werten („Güterwerten“) einen mittleren Platz in der Werthierarchie zuwies. Das bedeutet, daß die durch den Wirtschaftsprozeß geschaffenen Werte (Wert­ schöpfung) nicht „autonome“ und „höchste“ Werte sind, sondern „Dienstwerte“. Als solche sind sie nur Mittel zur Verwirklichung gesell­ schaftlich-sittlicher (und damit außer- oder überökonomisch angesiedelter) „Letztwerte“) Der Sinn eines Betriebes besteht darin, mittels knapper Ressourcen Güter bereitzustellen, um die (materielle) menschlich-gesell­ schaftliche Bedarfslage zu reduzieren und damit „die Last des Daseins“ zu mildem. Dies bedeutet, daß ökonomische Ziele als Mittel zur Verwirkli­ chung außerökonomischer („höherer“) Ziele verfolgt werden.

Die Berücksichtigung von nicht-ökonomischen Werten in der Betriebswirt­ schaftslehre läßt sich nach Reinmar Fürst auf drei Wegen bewerkstelli­ gen:2 (l)Im Rahmen der Betriebswirtschaftlichen Forschung sind neben den wirtschaftlichen und technischen Aspekten auch soziale, politische und ethische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. (2) Die Betriebswirtschaftliche Lehre hat ein wertgeprägtes „Welt- und Selbstverständnis“ als tragfahige, handlungsanleitende Orientierungs­ möglichkeit neben dem Fachwissen zu vermitteln. (3) In bezug auf die Betriebswirtschaftliche Praxis ist eine sach- und wertbezogene Untemehmensfuhrung und Betriebswirtschaftspolitik wichtig und unumgänglich. „Sie ist gleichzeitig der Schnittpunkt zwi-

1 2

vgl. Löffelholz (1955), S. 26ff. vgl. Fürst (1966), S.474F

96

WIRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

sehen Theorie und Praxis und zwischen Normen, die abgeleitet werden aus einer betriebswirtschaftlichen Theorie und solchen, die im Ethi­ schen wurzeln.“1

Auch Wolfgang Staehle plädiert für eine „gesellschaftsbezogene Betriebs­ wirtschaftslehre“, die humane, soziale und personale Aspekte mitberück­ sichtigt und sogar normative Aussagen dazu trifft.2 Ähnlich plädiert auch Hans Raffee für eine gesellschafts- und wirtschaftskritische Betriebswirt­ schaftslehre, die damit einen gesellschaftsdienlichen, aufklärerischverändemden Beitrag erbringen kann: „Eine Betriebswirtschaftslehre, die das Wirtschaftssystem als Datum setzt, muß sich in der Tat den Vorwurf gefallen lassen, daß sie Herrschaftswissen produziert und zur Systemver­ änderung keinen Beitrag leistet. “3 Der sach- und fachkundige Wirt­ schaftswissenschaftler wird sogar aufgefordert, Hilfestellung zur Praxis­ gestaltung durch wertende Aussagen zu geben. Raffee legt dabei großen Wert auf klärende, „umfassende Kommunikationsprozesse“ über wissen­ schaftliche Ergebnisse und Empfehlungen. Demgegenüber steht die Ein­ nahme einer Wertfreiheitsposition in der Gefahr einer „Selbstschutz­ ideologie von Elfenbeinturmbewohnem“ 4

Für eine betriebswirtschaftliche Rationalität, die über ein Kapitalverwer­ tungsinteresse hinausgeht und die Interessen der Beschäftigten in den Mit­ telpunkt betrieblichen Wirtschaftens rückt, treten auch die Vertreter der Arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre (AOEWL) ein. Diese - von einer Projektgruppe am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes (WSI) in den 70er Jahren entwickelte - Wirtschaftsauffassung setzt an die Stelle der ökonomischen, kapitalori­ entierten die „emanzipatorische, arbeitsorientierte Rationalität" ? Eine neue Qualität des Lebens und Arbeitens wird gefordert. Neben gesamt­ wirtschaftlichen Aspekten werden konkrete, einzelwirtschaftliche Interes­ sen und Forderungen aus Arbeitnehmersicht formuliert. In diesem Programm wird besonderes Gewicht auf die Sicherung der Arbeitsplätze,

1 2 3 4 3

Fürst (1966), S. 475 [Hvh. i. O.] vgl. Staehle (1973), S. 194ff. Raffee (1974), S. 76 [Hvh. i.O.] vgl. Raffee (1974), S. 77 vgl. Raffee (1974), S. 114ff. sowie Schanz (1992), S. 124ff.

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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die Einkommenssicherheit und -gerechtigkeit sowie eine humane Arbeits­ gestaltung und Mitbestimmung gelegt.1 Die Betriebswirtschaftslehre versteht sich als angewandte Disziplin, die praxisdienlich sein will (als „Entscheidungs-“, „Instrumental-“ oder „Ma­ nagementtheorie“). Nach Erich Loitlsberger geht sie dabei von fragwürdi­ gen Vereinfachungen aus, die sich in zwei „Hypothesen“ fassen lassen:2 (a) „Hypothese der Gleichartigkeit der Faktoren Sie besagt, daß die betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren als „Sachgüter“ angesehen werden. Dies gilt insbesondere für die entrich­ tete menschliche Arbeit, die als Ware und nicht als „Wertgut“ angese­ hen wird.

(b) „Hypothese der unvollständigen Auswirkungsbeschreibung Die zur praktischen Anwendung empfohlenen (und gebrachten) be­ triebswirtschaftlichen Konzepte, Modelle bzw. Vorschläge rufen neben beabsichtigten Wirkungen auch (kalkulatorisch nicht erfaßbare) Ne­ benwirkungen hervor und beinhalten nicht beschriebene Anwendungs­ risiken, die dann eben einfach und billigend in Kauf zu nehmen sind.

Erich Loitlsberger wendet sich zum einen gegen die Annahme einer Uni­ formität und Gleichwertigkeit betriebswirtschaftlicher Produktionsfakto­ ren. Dies gilt besonders für die menschliche Arbeitskraft, hinter der ja immer eine konkrete Person und ein Menschenschicksal steht. Desgleichen plädiert er für eine Offenlegung der metaökonomischen Wertvorstellungen (Prämissen), die hinter bestimmten betriebswirtschaftlichen Ansätzen ste­ hen durch „Axiomatisierung“. „Unter einer solchen Axiomatisierung wird verstanden, daß die zugrunde gelegten metaökonomischen Wertvor­ stellungen als Prämissen in das System eingeführt werden.“3 Eine von Loitlsberger angeregte Explizierung der Grundannahmen und Reflexion der Wertemuster führt einerseits zu einem besseren Modellverständnis und ermöglicht andererseits dessen Kritik und eventuelle Revision.

In neuerer Zeit weisen auch Martin Büscher und Wilfried Holleis auf die Wertbezogenheit der Wirtschaftswissenschaften hin: Diese hängt zum einen an der Tendenz zu einer Publikationseuphorie von „Forschermei­ 1 2 3

vgl. Schanz (1992), S. 126ff. vgl. Loitlsberger (1971), S. 85f. Loitlsberger (1971), S. 98f.

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Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

nungen “ (Publish-or-perish Trend). Sie werden weitgehend losgelöst von einer soliden, methodisch-wissenschaftlichen Erkenntnisbasis angeboten (ganz zu schweigen von den Popperschen Vorstellungen über Falsifizierbarkeit, Intersubjektivität und Erkenntnisbescheidenheit).1 Zum anderen kämpft ein Wissenschaftsverständnis, das sich die „Absolution der Wert­ freiheit“ erteilt hat damit, „daß bei allem Verzicht auf Wertungen doch immanente Werturteile immer vorhanden bleiben“, die jedoch nicht weiter reflektiert werden und die es deshalb aufzuklären gilt.2

Die beiden Autoren benennen das wissenschaftliche Problem folgenderma­ ßen: „Der heutige 'Skandal' in den Wirtschaftswissenschaften besteht nicht darin, daß das methodische Ziel Forschung im wertfreien Raum ist, son­ dern vielmehr darin, daß hinter der hehren Fassade der Wertfreiheit der Partisanenkrieg der wertgeladenen Interessen tobt. Wertfrei' kann Wirt­ schaftswissenschaft offenbar nie sein, aber Werte können selbstverständ­ lich und damit unhinterfragt Ausgangsbasis des Denkens sein oder eben zur Diskussion stehen.“3 Ist man sich dieser Lage bewußt, so gilt es, im Rahmen einer „wertbewußten Wirtschaftswissenschaft“ sich mit Wertfra­ gen und deren Offenlegung dezidiert auseinanderzusetzen.

In diesem Sinne sollten sich die Wirtschaftswissenschaften der Diskussion der Ziele, Werte, Menschen- und Gesellschaftsbilder „rational“ stellen, um einem lebenspraktischen, sozialen und ökonomischen Beitrag gerecht zu werden. Deshalb ist es unverzichtbar, sich auch über den Modemisierungsprozeß in Industriegesellschaften und seine Auswirkungen ein Bild zu machen.4 Günter Schanz schlußendlich geht davon aus, daß man Betriebswirt­ schaftslehre entweder als wertfreie oder als normative Wissenschaft kon­ zipieren kann.5 Trotz seines „wertfreien“ Standpunktes räumt er ein, daß gerade in den Bereichen Unternehmenspolitik und Untemehmensethik Norm- und Wertfragen im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre zum „Ge­ genstand wissenschaftlicher Beurteilung“ gemacht werden.6 1 2 $ 4 5 6

vgl. Büscher, Holleis (1990), S. 12 vgl. Büscher, Holleis (1990), S. 14 [Hvh. i. O.] Büscher, Holleis (1990), S. 14 vgl. Büscher, Holleis (1990), S. 16ff. vgl. Schanz (1988a), S. 97 vgl. Schanz (1988a), S. 109ff.

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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Die Ausführungen zur Wertediskussion sind deshalb von Interesse, weil die neuen untemehmensethischen Ansätze solche Fragen wieder (unter Legitimations- und Akzeptanzgesichtspunkten) aufwerfen. Besonders Pe­ ter Ulrich, aber auch Horst Steinmann ordnen betriebliches Wirtschaften in einen übergeordneten, menschlich-gesellschaftlichen Sinnzusammen­ hang ein. Die instrumentelle Mittelebene wird zwar auch angesprochen, aber in eine übergeordnete Zweckebene integriert. Betriebswirtschaftsleh­ re als anwendungsbezogene Untemehmensführungslehre ist dann mehr als erfolgsorientierte (integrierende, optimierende) Managementtechnik, sie ist menschenbezogene (umweltgerechte, sinnerfüllende, legitimierte) Ressour­ cenverwertung als ökonomischer Beitrag zu einer lebensweltlichen Da­ seinsgestaltung. Den Vorstellungen von Peter Ulrich zu den ökonomischen Lebensweltbezügen als „positive, externe Effekte“ sollen die nun folgenden Ausführungen gelten.

4.2 Philosophische Grundlagen bei Peter Ulrich 4.2.1 Kritische Theorie als Fundament In seinen wirtschaftstheoretischen und -praktischen Analysen lehnt sich Ulrich eng an den sozialphilosophischen Ansatz der „Kritischen Theorie“ (Gesellschafts-, Kultur- und Ideologiekritik der sog. Frankfurter Schule) an. Diese versucht einerseits als kritische geschichts-philosophische Me­ thode eine neue Gesellschaftstheorie zu entwickeln. Als Wissenschaftsund Technikkritik wendet sie sich andererseits gegen den „eindimensiona­ len“ und „instrumenteilen“ Vemunftgebrauch. Und schließlich weist sie in ihrer wissenschaftsbezogenen Erkenntniskritik auf den engen Zusammen­ hang von „Erkenntnis“ und „Interesse“ hin.1 Die Kritische Theorie hat zwei Entwicklungsstufen erlebt:

-

Die „frühe“ Kritische Theorie der „Frankfürter Schule“ ist eng mit den Namen Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Herbert Markuse verbunden. In ihrer aufklärerischen Grundhaltung verstand sie sich so­ wohl als „emanzipatorische Gesellschaftskritik“ als auch als Erkennt­ nis- und Technologiekritik (Kulturkritik) der modernen, industria­ lisierten, kapitalistischen Gesellschaft. Letztlich bleibt ihre kritische

1

vgl. Höffe (1986), S. 139

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Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

Haltung aber selbst „eindimensional“ und mündet in einer Flucht aus der Rationalität in die Irrationalität.1 -

Die Kritische Theorie findet ihre Weiterentwicklung in der sprach­ pragmatischen Wendung“ der Entwürfe von Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel. In erkenntniskritischer Absicht wird auf den engen Zu­ sammenhang von Erkenntnis und Interesse hingewiesen.

Im Bereich der Wissenschaft wird den Erkenntnisbestrebungen einer technokratisch „szientistischen“ Verfiigbarmachung von Welt (= Kritik am Kritischen Rationalismus im sogenannten „Positivismusstreit“) der Ansatz einer Verständigungswissenschaft entgegengestellt. Gesellschaftlich wird der Weg aus der technokratischen wie kritizistischen „Eindimensionalität“ zu einem „zweidimensionalen Paradigma gesellschaftlicher Rationalisie­ rung“ von „System“ und „Lebenswelt“ gewiesen: Verfügbarkeitsmechanismen von Menschen über Menschen sind in herrschaftsfreie Verständigungsverhältnisse von Beteiligten und Betroffenen zu überfuh­ ren. Unter der „regulativen Idee der rationalen Konsensfindung“ ist eine „Entschränkung der Kommunikationssituation“ als Voraussetzung für einen „vernünftigen Diskurs“, d. h. die Gültigkeit des „besseren Argu­ ments“ herbeizufuhren.2 Jürgen Habermas fuhrt die „Diskursethik“ ein, die bei Peter Ulrich eine bedeutende Rolle zugewiesen erhält.

4.2.2 Kritik des Utilitarismus Peter Ulrich wendet sich kritisch gegen die utilitaristische Vernunft (als „kalkulatorische Nutzenmechanik“). Er setzt sie in Beziehung zu einer rationalen Verfügbarmachung der Welt - einem „Mißverständnis“ von Ökonomie - und macht sie eben dafür verantwortlich. Er beklagt eine „Theoretisierung der Ökonomie“ (ethisch neutral, „rein“ und „autonom“) als lebensfernen „Ökonomismus“, der sich in seinen analytischen Werk­ zeugen und der Produktion von Verfugungswissen (ohne Orientierungsge­ halt) erschöpft. Das „Nicht-Systemische“ bleibt unbeachtet und generiert ein soziales Vakuum.3

1 2 3

vgl. Ulrich (1987d), Sp. 2049f. vgl. Ulrich (1987d), Sp. 2051ff. vgl. Ulrich (1993a), S. 173ff.

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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Der Utilitarismus (im Sinne von Nutzenoptimierung und „Handlungsuti­ litarismus“) wird als Verursacher einer Herauslösung der Ökonomie aus der Moralphilosophie und aus einer ganzheitsbezogenen Weltinterpretation angesehen. Die Konzeption des klassischen Wirtschaftsmodells, das auf dem utilitaristischen Gedankengut fußt, veranschaulicht Ulrich in einem „teleologischen Trichter des homo oeconomicus“:1

• • »

Gewinn als Formalziel, zweckrationaler Mitteleinsatz sowie Gemeinwohlsteigerung durch Nutzenmaximierung.

Dies ist ein „falsches“ Ökonomieverständnis, in dem keine Anknüpfung zur menschlichen Lebens- und Erfahrungswelt hergestellt wird. Es basiert auf der Verfiigbarmachung und dem rigorosen Verbrauch aller wirtschaft­ lich notwendigen und vorhandenen Ressourcen. Eine „sprachpragmati­ sche Wende “ von einer ökonomischen Rationalitätskonzeption (des Handlungs- und Regelutilitarismus) zur „regulativen Idee“ einer kommu­ nikativ-praktischen Vernunft (im Diskurs) erscheint ihm dringlich geboten.

4.2.3 Programm der kommunikativ-ethischen Vernunft Peter Ulrich verfolgt in seiner (wirtschaftsgesellschaftlichen) Konzeption die Idee einer „metaphysikfreien, humanistischen Vemunftethik“. Damit geht er den Schritt von einer theoretischen Verstandeshandlung zu einer praktischen Verständigungshandlung?- Sein Ausgangspunkt ist (in An­ lehnung an Apel und Habermas) „das doppelte Apriori der Kommunikati­ onsgemeinschaft“. Dieses beinhaltet einerseits „das Argumentationsapriori der idealen Kommunikationsgemeinschaft“, welches in einer Sprechsitua­ tion von der wechselseitigen Anerkennung der Menschen als Argumentati­ onssubjekte einer unhintergehbaren Kommunikationsgemeinschaft ausgeht.3 Andererseits wird vom „Erfahrungsapriori der realen Kommuni­ kationsgemeinschaft“ und einer „Ethik der Mündigkeit“ ausgegangen.4 Beides fordert den Diskurs als Mittel der Verständigung und Legitimation von Entscheidungen im Rahmen einer Kommunikationsethik. 1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Ulrich (1993a), S. 199ff. Ulrich (1993a), S. 269ff. Ulrich (1993a), S.268ff. Ulrich (1993a), S. 295ff.

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Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

Ulrich möchte das gegenwärtig herrschende Rationalisierungsmuster einer „sprachpragmatischen Wende“ unterwerfen und die ökonomische Ratio­ nalität auf die Basis einer kommunikativen Ethik stellen. Die Kommunika­ tionsgemeinschaft soll mittels Diskurs die Legitimationsgrundlage und das Regulativ für wirtschaftliche, wissenschaftliche und gesellschaftsbezogene Entscheidungen und Handlungen sicherstellen. Auf diese Weise kann die autokratische „Verfiigungsordnung“ in eine demokratische „Verständi­ gungsordnung“ überfuhrt werden. Das „System“ (Wirtschaftsbereich) und die „Lebenswelt“ (Sozialbereich) lassen sich dadurch versöhnen und posi­ tiv aufeinander beziehen. Der Mensch wird durch seine Vernünftigkeit und Sprachlichkeit (d. h. durch sich selbst und die richtige Methode) aus Sy­ stem- und Funktionszwängen befreit. Ein „Gestaltungsdiskurs“ wird mög­ lich.1

4.3 Wirtschaft und Gesellschaft 4.3.1 Kritische gesellschaftliche Bestandsaufnahme In seinem Buch „Transformation der ökonomischen Vernunft“ unternimmt Peter Ulrich eine historisch angelegte Bestandsaufnahme der bürgerlichen und marktlichen Gesellschaft im Industriezeitalter. Er stellt eine Krise der Industriegesellschaft fest, die durch einen zweifelhaften Fortschritt von Wissenschaft und Technik die Gesellschaft in Fortschrittsgläubige und Kulturpessimisten spaltet. Die modernen Rationalitätsformen lassen den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang und damit eine „lebensprakti­ sche“ Vernunft vermissen.2 Im einzelnen stellt Ulrich folgenden als (pa­ thologisch ausgewiesenen) Gesellschaftszustand dar:

□ Die Entkoppelung von (sozio-ökologischer) „Lebenswelt“ und (tech­ nisch-ökonomischer) „Systemwelt“, die einhergeht mit einer Funktionalisierung der Lebenswelt und des Bewußtseins und einer „Sprachlosigkeit“ („Verödung kommunikativer Kapazitäten“) wird mit kritischem Nachdruck festgestellt.3

1 2 3

vgl. Ulrich (1993a), S.269ff. vgl. Ulrich (1993a), S. 2Iff. vgl. Ulrich (1993a), S. 77ff.

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□ Es läßt sich ein Spannungsverhältnis zwischen einer (bestehenden) „funktionalen Systemrationalisierung“ und einer (gewünschten) „kom­ munikativen Rationalisierung der Lebenswelt“ ausmachen. Begründet wird dieses Spannungsverhältnis durch die allgemein herrschende öko­ nomische Rationalität („Marktrationalität“) und eine gesellschaftlich angewandte Systemtheorie und Sozialkybemetik („Systemtheologie“).1 □ Ein weiteres Problem liegt in der „Durchökonomisierung“ von Arbeits­ und Lebenswelt („Panökonomismus“), in welche der Mensch als ani­ mal laborans et consumens zwischen Berufsarbeit und Konsumarbeit („kompensatorischer Konsum“) gestellt ist.2 □ Die Demokratisierung der Gesellschaft ist nach Ulrich nur partiell und selektiv (nicht basisdemokratisch) verwirklicht worden. Andererseits ist aber die Bürokratisierung der Gesellschaft fortgeschritten. Darüber hinaus feiert die „Verwissenschaftlichung“ der Gesellschaft fröhliche Urständ. Ausdruck dafür sind ein großer Technologiefortschritt (Tech­ nikeuphorie), eine weitgehende Sozialsteuerung (Sozialtechnologie) und eine bis in die Politik hineinreichende Expertenkultur und Technokra­ tie.3

4.3.2 Wirtschaft und Gesellschaft Für Ulrich gilt angesichts der beschriebenen Lage das „Apriori der poli­ tisch-ökonomischen Kommunikationsgemeinschaft“, einer Verständi­ gungsordnung, die den Übergang vom Kalkül zum Konsens bewerk­ stelligt. Dadurch sollen neue Lebenschancen eröffnet und neue Lebensfor­ men ermöglicht werden: Er plädiert für eine „kommunikative Rationalisie­ rung“ des ökonomischen Systems und für eine Rekonstruktion der Sozialökonomie aus dem „Blickwinkel der Lebenswelt“. Es gilt der „Pri­ mat einer kommunikativ rationalen Verständigungsordnung vor jeder (funktionsrationalen) Verfügungsordnung“f Desweiteren gilt es, eine Umkehrung des Verhältnisses von Systemwelt und Lebenswelt zu vollzie­ hen: „In einer freien Gesellschaft mündiger Bürger soll nicht das System

1 2 3 4

vgl. Ulrich (1993a), S.92ff. vgl. Ulrich (1993a), S. 101 ff. vgl. Ulrich (1993a), S. 12Iff. Ulrich (1993a), S. 373 [Hvh. i. O.]

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die Lebenswelt kontrollieren (Technokratie), sondern die lebensweltliche Kommunikationsgemeinschaft das System (Demokratie). Die skizzierten Überlegungen werden gebündelt in der These und Auffor­ derung nach „Systembegrenzung und Lebensweltentfaltung“, die in der „Rekonstruktion des sozialökonomischen Fortschrittsproblems aus dem Blickwinkel der Lebenswelt“ ihr Ziel sieht. Für Ulrich sind Systement­ wicklung und Lebensweltentfaltung keine unversöhnlichen Gegensätze, vielmehr sieht er in der ökonomischen „Entkolonisierung der Lebenswelt“ den gangbaren Weg des erfolgversprechenden Kompromisses.2

Konkrete Schritte auf diesem Weg werden vorgeschlagen mittels einer Wirtschaftsform, die eine „duale Lebensform“ des Wirtschaftens und Lebens in einer „homogenen“ Gesellschaft (ohne Insider und Outsider, Ein- oder Aussteiger) anstrebt. Strukturell wird die Umwandlung von einer „service-economy“ in eine „self-service-economy “ mit Arbeitsverteilung, Zeitsouveränität, Lebensweltentwicklung und kooperativen Selbsthilfenet­ zen vorgeschlagen. In kultureller Hinsicht gilt es, Arbeit und Leben zu versöhnen durch eine „transkonsumistische Tätigkeitsethik“.3 Der Fort­ schritt der sozialökonomischen Vernunft beinhaltet schlußendlich auch eine „emanzipatorische Sozialpolitik“ im Sinne der Stärkung von Selbst­ hilfe, Subsidiarität, Solidarität sowie eine gerechte Verteilungspolitik.

4.3.3 Wirtschaftswissenschaftliche Neukonzeption Ulrich entwirft ein „neues Paradigma“ der Wirtschaftswissenschaft, das er als „praktische Sozialökonomie“ bezeichnet. Durch die „Wiederankop­ pelung der wissenschaftlichen Ökonomie an die Lebenswelt“ versucht er die Transformation von einer „autonomen Ökonomik“ zu einer „prakti­ schen Sozialökonomie“ und damit die „Moralisierung der Ökonomie“. Die kommunikative Ethik ist der Lösungsweg zur Berücksichtigung des lebensweltlichen Erfahrungszusammenhangs in der Wirtschaft.4 Nach Ulrichs Auffassung muß die praktisch ausgerichtete und sozial verpflich­ tete Wirtschaftswissenschaft ganz bewußt als „politische Ökonomie“

1 2 3 4

Ulrich (1993a), S. 384 [Hvh. i. O.] vgl. Ulrich (1993a), S. 4431T. vgl. Ulrich (1993a), S. 460ff vgl. Ulrich (1993a), S. 341 ff.

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gedacht und verstanden werden, d. h. weder autonom, abstrakt noch wert­ frei:

Eine Überwindung der „ökonomischen Rationalität“ ist geboten und durch die Einführung der „sozialökonomischen Rationalitätskonzeption“ mög­ lich. Der Übergang von einer Verfiigungs- zu einer Verständigungskon­ zeption ist erforderlich: „Die Frage nach 'effizientem' Wirtschaften wird begrifflich unablösbar in die Frage nach der rationalen Gestaltung der sozialen Beziehungen (Verständigungsverhältnisse) unter allen Beteiligten und Betroffenen eingebettet.“1 Ebendies erfordert eine soziale und politi­ sche Ökonomieperspektive. Erst vor dem Hintergrund einer solch „umfas­ senden ökonomischen Rationalitätsperspektive“ ist die gegenwärtige Herausforderung - nämlich die Bewältigung des „Knappheitsmoments“ und des politisch-ökonomischen „Konfliktmoments“ - sinnvoll möglich. Es wird von Ulrichs Seite die Institutionalisierung seiner Ökonomievor­ stellung in einer „dreistufigen Konzeption“ vorgeschlagen: „Insgesamt ergeben sich damit drei institutionelle Ebenen - des Gesellschaftsvertrags (Verständigungsordnung), der Systemsteuerung (Verfugungsordnung) und des Tauschvertrags - denen je eine unterschiedliche sozial-ökonomische Rationalitätsperspektive - kommunikativ-ethische (Verfassungs-) Ratio­ nalität, strategische (System-) Rationalität bzw. kalkulatorische (Erfolgs-) Rationalität - entspricht.“2 Das grundsätzlich Neue bei Ulrichs Modell ist, neben einer funktional-ökonomischen Systemsteuerung eine ethisch­ politisch-ökonomische System- und Sozialintegration zu versuchen bzw. anzuregen.

4.4 Wirtschaftsethik 4.4.1 „Zwei-Welten-Konzeption“ von Ökonomik und Ethik Mit der Entwicklung der modernen Wissenschaften gingen Bestrebungen einher, wertende Urteile herauszuhalten bzw. zu eliminieren (Werturteils-, Positivismusstreit). Dies trifft im besonderen Maße auf die Wirtschafts­ wissenschaften zu. Ulrich nennt diese Bestrebungen eine „Purifizierung“ und ein „szientistisches Selbst(miß)verständnis“ von Wirtschaftswissen­ 1 2

Ulrich (1989c), S. 88f. Ulrich (1989c), S. 93

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schäft.1 In der gegenwärtigen wirtschaftsethischen Diskussion wird nun wieder der Versuch gestartet, „ökonomische Rationalität“ und „Moralität“ miteinander zu verknüpfen und die „zwei Welten“: Ökonomik und Ethik zusammenzufuhren. Ziel ist, die „externen Effekte“ des Wirtschaftens wieder in die wirtschaftstheoretischen Überlegungen mit einzubeziehen und damit wirtschaftliche Tätigkeit als verantwortlichen Teil gesellschaftlicher Praxis zu sehen. In diesem Zusammenhang werden drei Modelle disku­ tiert.2 (a) Das Anwendungsmodell der Wirtschaftsethik

In diesem Modell wird vorgeschlagen, die Ethik auf die Ökonomik anzu­ wenden. Wirtschaftsethik wird dabei als „Domestizierung“ der Ökonomie durch die Ethik verstanden; d. h. die ökonomische Rationalität wird durch Moralprinzipien eingeschränkt und diesen unterworfen. Die Ethik kommt autoritär, „von oben“ zur Ökonomie. In letzter Instanz gelten ethische Grundsätze als bindend gegenüber ökonomischen Entscheidungen (deshalb ist auch vom „Anwendungsmodell“ die Rede). Der „systemischen Sachra­ tionalität“ wird im Bedarfsfall eine „ethische Rationalität“ vorgeordnet. Die Ethik ist der „situative Lückenbüßer“ in konfliktträchtigen Wirt­ schaftssituationen (deshalb auch „Reparaturethik“). Ulrich gelangt zu folgender Beurteilung: „Der korrektive Ansatz ist zu deuten als teilmoder­ nisierte Form des traditionalen Autoritätsmodells des Verhältnisses von Ethik und Wirtschaft.“3 (b)Das Grundlegungsmodell der Wirtschaftsethik In diesem Modell wird in umgekehrter Weise die Ökonomie auf die Ethik angewendet: „Folgerichtig wird Moral als öffentliches Gut und knappe Ressource interpretiert, deren Fehlen hohe Transaktionskosten (soziale 'Reibungskosten') verursacht und deren soziale Geltung deshalb im kollek­ tiven Interesse der Wirtschaftssubjekte liegt.“4 Ulrich nennt diesen Ansatz „rationale Klugheitsethik“. Dieser „funktionale“ Ansatz unterstellt eine marktwirtschaftliche „Bin­ nenmoral“. Diese verdankt sich einerseits einem bürgerlichen Wirtschafts1 2 3 4

vgl. Ulrich (1988d),S. 4 vgl. Ulrich (1988d), S. 8ff.; insbesondere Übersicht auf S. 9 Ulrich (1990b), S. 184 [Hvh. i. O.J Ulrich (1988d), S. 11 [Hvh. i. O]

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ethos (z. B. der „protestantischen Ethik“ nach Max Weber) und anderer­ seits einer Nützlichkeits- und Harmonievorstellung (z. B. der „unsichtba­ ren Hand“ bei Adam Smith).1 „Das ökonomische System ist nun nicht mehr der latente Feind, sondern weitgehend der Garant einer ethisch guten und gerechten Gesellschaft.“2 (c) Wirtschaftsethik als „ Vernunftethik des Wirtschaftens“ Peter Ulrich schlägt einen dritten Weg vor, der weder eine ethische „Do­ mestizierung“ der ökonomischen Rationalität (Anwendungsmodell) noch eine nutzenorientierte Ökonomisierung der Ethik (Grundlegungsmodell) vorsieht. Er versucht eine Überwindung beider Ansätze, denn „es geht nicht um die außerökonomische Begründung einer ethischen Gegenratio­ nalität gegen die ökonomische Sachlogik, sondern um die Entfaltung einer vemunftethischen Binnenperspektive des Wirtschaftens als des Wertschaffens'“.3 Damit strebt er eine „ethisch-philosophische Erweiterung der öko­ nomischen Rationalitäts- oder Effizienzidee von unten“ an.

4.4.2 Grundlagenkritische Wirtschaftsethik Der wirtschaftsethische Ansatz, wie ihn Peter Ulrich versteht, zeichnet sich dadurch aus, „das teleologische Element der ökonomischen Rationa­ lität mit dem unverzichtbaren deontologischen Element ethisch-praktischer Vernunft methodisch zu vermitteln“.4 Wirtschaftsethik beinhaltet also weder die moralische Eingrenzung ökonomischer Rationalität noch die schlichte Anwendung der Zweckrationalität auf die Ethik (siehe obige Diskussion). Stattdessen geht es Ulrich um die drei folgenden Kemgedanken:

□ das Fundament „teleologischer“ Ansätze um eine „deontologische“ Komponente zu erweitern; □ die empirisch begründete, individuelle Präferenzordnung „kritisch“ zu hinterfragen und

1 2 3 4

vgl. Ulrich (1990b), S. 184ff. Ulrich (1990b), S. 187 vgl. Ulrich (1988d), S. 17 Ulrich (1990a), S. 25 [Hvh. i. O.]

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□ die systemische Betrachtungsperspektive um die „lebensweltliche“ zu erweitern.1

(l)Deontologische Elemente in das ökonomische Denken einzubeziehen bedeutet nach Ulrich zweierlei:

(a) den „humanen Eigenwert“ d. h. die „Subjektstellung“ des Menschen im Wirtschaftsprozeß (d. h. das Selbstzweckhafte nicht das Mittelhafte des Menschen) zu berücksichtigen bzw. herauszustreichen;

(b)die „Verallgemeinerungsfahigkeit“ (Universalisierungsgrundsatz) wirt­ schaftlichen Entscheidens und Handelns anzuerkennen.2

Als „deontologischen Kem“ leitet Ulrich für die moderne Industriegesell­ schaft die „Idee rationaler zwischenmenschlicher Kommunikation und Konsensfindung“ her und erläutert sie als: „die wechselseitige Anerken­ nung der Gesprächspartner als mündige Subjekte und die Einsicht in den humanen Eigenwert einer gewaltfreien, konsensuellen Interessenabstim­ mung und Konfliktlösung“.3 (2) Ulrich bindet jedes Wirtschaftssubjekt an die „Pflicht“ zu einem re­ flektierten, wohlverstandenen Eigeninteresse, d. h. zur „einseitigen Ände­ rung seiner Präferenzen“ aus vemunftethischer (argumentationsbestimmter und diskursiver) Sicht. Auf diese Weise lassen sich einerseits „externe Effekte“ des Wirtschaftens und andererseits ein „soziales Vakuum“ aufhe­ ben. (3) Nach Ulrich bedarf eine fortschrittliche Industriegesellschaft einer um­ fassenden Perspektive „vernünftigen Wirtschaftens aus dem Blickwinkel der Lebenswelt“. Eine reine, „funktionale Systemintegration“ ist durch eine gesellschaftsbezogene „normative Sozialintegration“ zu ergänzen.4 Hierbei handelt es sich um die Einbeziehung „lebensweltlicher Sinnkriteri­ en“ in die „ökonomische Systemdynamik“. Somit findet ein „Themen­ wechsel“ in der Wirtschaftsbetrachtung statt: von Eigentums- und Vermögensfragen zur Mitsprache; von der Knappheitsbewältigung zur

1 2 3 4

vgl. Ulrich (1990a), S. 25 vgl. Ulrich (1990a), S. 26 Ulrich (1990a), S. 27 vgl. Ulrich (1990a), S. 33f.

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Konfliktlösung. Wirtschaftsethik soll also nicht eine „Remoralisierung“ sondern eine (prozedurale) „institutionalistische Wendung“ bewirken.1

Ulrich stellt fest, daß Wirtschaftsethik nicht eine Sozialtechnologie zur Lösung konkreter Einzelprobleme sein kann. Es ist auch nicht möglich, das Lösen (ethischer) Konflikte in der Praxis der Wissenschaft zu übertra­ gen. Die Wissenschaft kann der Praxis nur „Denkmöglichkeiten“ liefern und Denkzwänge aufdecken. So gesehen ist auch die „sozialökonomische Rationalitätsidee“ ein Ansatz, „um elementare Leitfragen für den wirt­ schaftsethischen Diskurs innerhalb der ökonomischen Rationalitätsper­ spektive zu formulieren“.2

4.4.3 Integrative Untemehmensethik In jüngster Zeit hat Peter Ulrich eine „integrative Wirtschafts- und Unter­ nehmensethik“ ausgearbeitet und damit ein überarbeitetes Konzept vorge­ legt3. Dabei handelt es sich um eine „Institutionenethik der Unter­ nehmung“, in der die ethischen Anforderungen an die „Unternehmung als gesellschaftliche Institution“ herausgearbeitet werden.4 Ausgehend von der Untemehmensebene und dem dort verankerten „sozial­ ökonomisch rationalen unternehmerischen Handeln“ besteht der integrati­ ve Grundgedanke in der Vereinigungsforderung der Verantwortbarkeit mit der Zumutbarkeit? Die „erfolgsrationale Zumutbarkeit“ soll dabei auf drei Ebenen eingelöst werden:

-

der „unternehmerischen Handlungsverantwortung“, der „untemehmenspolitischen Präferenzordnung“ sowie den „ordnungspolitischen Rahmenbedingungen“.

Vor diesem Hintergrund formuliert Ulrich drei „Postulate“ (d.h. Ziel- und Durchführungsvorstellungen) für eine angemessene Umsetzung: -

Die „innovative, geschäftsstrategische Synthese“ (= grundlagenkriti­ sche Untemehmensethik) soll eine Auswahl (nur) jener Untemehmens-

1 2 3 4 5

vgl. Ulrich (1990a), S. 36ff. Ulrich (1988d), S. 25 [Hvh. i. O.] vgl. Ulrich (1994) und (1997) vgl. Ulrich (1994), S. 88fT. vgl. Ulrich (1994), S. 92ff.

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Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

Strategien sicherstellen, die gleichzeitig erfolgssichemd und gesell­ schaftsförderlich sind.1 Eine „dialogische Unternehmespolitik“ (= kommunikative Untemehmesethik) soll bewirken, daß alle von einer unternehmerischen Ent­ scheidung Betroffenen (im Sinne einer konsensorientierten Unter­ nehmenspolitik) an den erforderlichen Entscheidungen partizipieren und diese dadurch legitimieren.2 Durch die Übernahme einer „ordnungspolitischen Mitverantwortung“ (= republikanische Untemehmensethik) ist die Unternehmensleitung ge­ halten, ordnungspolitische Reformbemühungen zu fördern und einer „organisierten Unverantwortlichkeit“ entgengenzuwirken.3

4.5 Mensch und Unternehmung bei Ulrich 4.5.1 Das Unternehmensbild Dem Thema eines Unternehmensleitbildes in unserer modernen Wirt­ schaftswirklichkeit widmete Ulrich ein ganzes Buch: „Die Großuntemehmung als quasi-öffentliche Institution“.4 Darin entwirft er das Bild des Unternehmens als einer politischen und gesellschaftlichen Institution, die nicht Privatinteressen sondern Gesellschaftszielen zu dienen hat. In seinen Ausführungen wird ein „politologisches“ Grundmodell des Unternehmens als angemessen in der heutigen, „fortgeschrittenen kapitalistischen Indu­ striegesellschaft“ unterstellt. Ulrich identifiziert die Kriterien einer „fortge­ schrittenen“ Untemehmungskonzeption als die „Demokratiekriterien“: Partizipation, Sozialstaatlichkeit und Pluralismus^ Diese werden auf die privatwirtschaftlich strukturierte, (groß-)untemehmerische Industrieland­ schaft übertragen. Es entsteht so die „Konzeption der quasi-öffentlichen Unternehmung“, die nicht eine privatistische (kapitalorientierte), sondern eine pluralistische (gesellschaftsbezogene) Legitimation unternehmerischen Handelns fordert.6

1 2 3 4 5 6

vgl. Ulrich (1994), S. 93ff. vgl. Ulrich (1994), S. 951T. vgl. Ulrich (1994), S. lOOff. vgl. Ulrichs Buch (1977) vgl. Ulrich (1977), S. 11 Iff. vgl. Ulrich (1977), S. 161ff.

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

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Peter Ulrich wendet sich gegen eine individualethische Selbstverantwor­ tung und plädiert für ein „gesellschaftlich rationales Konzept der Unter­ nehmensverantwortung“. Er fordert eine multifunktionale Ausrichtung unternehmerischer Aktivitäten im Sinne: (a) einer grundsätzlichen Funktionsausrichtung gegenüber externen An­ spruchsgruppen sowie der internen Belegschaft (Interessenvertretung und Entscheidungspartizipation); (b) einer „situativen Funktionsausrichtung“ gemäß den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den unternehmerischen Erfordernissen (als abgelei­ tete Verantwortlichkeit); (c) einer „professionellen Einstellung“ der Unternehmer / Manager (im Sinne moralischer Selbstverantwortung).1

Ulrich hält eine nach sachgerechten und menschengemäßen Kriterien funktionsfähige Unternehmung für letztlich entscheidend: „Eine komplexe, leistungsfähige Wirtschaftsorganisation bedarf eines hochentwickelten Steuerungssystems, das von permanenten politisch-ökonomischen Wert­ konflikten und ethischen Ansprüchen partiell entlastet ist und teilweise nach Organisationsprinzipien verständigungsfreier Handlungskoordination 'funktionieren' kann.“2

4.5.2 Das Menschenbild Neben einem klar umrissenen Untemehmensbild hat Peter Ulrich auch deutliche Vorstellungen dem Gesellschafts- und Menschenbild gegenüber. Anthropologische Grundfragen werden besonders in seinem Buch „Trans­ formation der ökonomischen Vernunft“ zum Thema erhoben. Er stellt besonders die Vernunftfähigkeit und Sprachbegabung des Menschen als Interessenwesen heraus. Desweiteren wird weniger der menschliche Indi­ vidualismus, dafür aber die Soziabilität und Gesellschaftsbezogenheit des Menschen in den Vordergrund gestellt.3

Der Mensch wird als freier und mündiger Bürger angesprochen. Als sol­ cher hat er ständig gegen Herrschafts- und Bürokratiezwänge anzukämp­ fen und steht in der aktuellen Gefahr, von gesellschaftlichen Institutionen 1 2 3

vgl. Ulrich (1977), S.222ff. Ulrich (1987b), S. 131 [Hvh. i. O.] vgl. Ulrich (1993a), S. 3Iff.

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WIRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

wissenschaftlicher, technischer oder ökonomischer Art vereinnahmt zu werden (Ent- und Verfremdungsproblem).

Ulrich tritt gegen wissenschaftlich vereinseitigte Menschenbilder und Ver­ haltenstheorien an, wie z. B. homo oeconomicus, - sociologicus, admini­ strative bzw. social man oder REMM (resourceful evaluative maximizing man). Er beanstandet die egozentrischen und verhaltenskonditionierenden (und damit vemunftfemen) Annahmen, die darin mitschwingen. In beson­ derem Maße aber kritisiert er die „Sozialarmut“ und „Sprachlosigkeit“, die diesen Modellen zugrunde liegt.1 Der Mensch ist als freies, mündiges, Vernunft- und sprachbegabtes Wesen in der Lage, seine Vorstellungen, Interessen und Ziele selbst zu artikulieren, wenn er von traditionellen Ge­ sellschaftszwängen befreit wird und sich seiner (statuierten) Grundrechte gemäß gegenüber bzw. in Institutionen kommunikativ-argumentativ ein­ bringen kann. In Kommunikationsgemeinschaften können die Menschen alle Probleme und Aufgaben sowie Konflikte diskursiv und konsensuell, sprich ohne jegliche „Bevormundung“ (politischer, wissenschaftlicher, ökonomischer ... Art) lösen: „Freie Bürger in einer offenen Gesellschaft brauchen keine wissenschaftlichen Bedürfnisrechtfertigungen, sondern gerechtfertigte (sozialverträgliche) Freiräume zur Verwirklichung au­ thentischer Lebensformen.

4.5.3 Das Zielbild Gegenwärtig besteht eine Dikrepanz zwischen der „ökonomischen Sachlo­ gik“ und „unsachlichen Moralansprüchen“ an die Wirtschaft. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels brechen Wert- und Interessenkonflikte auf. Andererseits machen sich in modernen Industriegesellschaften „externe Effekte“ und „soziale Kosten“ des Wirtschaftens immer deutlicher be­ merkbar. In dieser Situation steckt die Untemehmensführung (und der einzelne Manager) in einem „moralischen Dilemma“: Sie stehen in der Mitte zwischen dem Zwang einer „betriebswirtschaftlichen Sachlogik“ (Wettbewerbssituation) und den negativen Nebenfolgen (sozialer, ökologi­ scher Art) ihrer unternehmerischen Entscheidungen und Handlungen. Eine verantwortliche Vermittlung zwischen untemehmensintemen Zielen und

1 2

vgl. Ulrich (1993a), S.234ff. Ulrich (1993a), S. 366 [Hvh. i. O ]

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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untemehmensextemen Ansprüchen stellt das Problem dar, dem „Unter­ nehmensethik“ beikommen soll. Die Lösung ist nach Ulrich weder eine „außerökonomische Ethik“ noch eine „betriebliche Sonderethik“, son­ dern eine „betriebswirtschaftliche Vemunftethik.1

Dieser hier favorisierte Ansatz stellt die Konzeption einer neuen, „zeitge­ mäßen“ und „realitätsgerechten“ betriebswirtschaftlichen Vernunft dar. Es handelt sich um eine Erweiterung der ökonomischen Rationalität „von innen wobei es darauf ankommt, „ethisch-praktische Vernunft“ in das betriebswirtschaftliche Rationalitätsverständnis „hineinzutragen“. „Es ergibt sich der umfassende Ansatz der Unternehmensethik als Vernunft­ ethik der Unternehmensfiihrung im Ganzen.“2 Ulrich wendet dabei seine, unter der „Wirtschaftsethik“ bereits diskutierte, diskursethische Konzepti­ on auf die Unternehmung an. Auf diese Weise soll die Verwirklichung seines Unternehmens- und Menschenbildes in der Praxis fluchten und gelingen.

4.6 Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft 4.6.1 Betriebswirtschaftliche Wissenschaftskonzepte In einer Grundlagendiskussion über Wissenschaftsverständnis und Wissen­ schaftsprogramme der Betriebswirtschaftslehre zeigt Peter Ulrich zwei widerstreitende Ansätze auf: (a)Die „handlungstheoretische Wissenschaftskonzeption“ unternimmt den Versuch, die BWL als ökonomische Theorie zu „rekonstruieren“. Hierbei geht es darum, „die alte Theorie kritisch auseinander[zu]nehmen und sie in höherwertiger, zeitgemäßer Form neu zusammenfzujsetzen“.3

(b)Im Rahmen einer „anwendungsorientierten Wissenschaftskonzeption“ soll die BWL zu einer „ multi- oder interdisziplinären Management­ wissenschaft “ „erweitert“ werden. Ihr Sinn und Ziel liegt dabei in der

1 2 3

vgl. Ulrich (1987c), S. 4llf. Ulrich (1988a), S. 100 [Hvh. i. O.] vgl. Ulrich (1995a), S. 180f.

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Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

„Nützlichkeit für die Erklärung und Lösung von realen Problemen der Wirtschaftspraxis“.1

Ulrich nimmt seinerseits eine integrierende Position ein. Er nimmt für die BWL sowohl einen ökonomisch-theoretischen als auch einen management­ praktischen Standpunkt in Anspruch: „Betriebswirtschaftliche Fragen sind doch in Wirklichkeit stets beides zugleich - sowohl praktische Führungs­ aufgaben als auch Fragen nach gutem betrieblichen Wirtschaften'.“2 Die­ ses „Paradigma“ schließt sowohl Praxisbezug (Managementlehre) als auch Theorieorientierung (Wirtschaftswissenschaft) mit ein: „Der me­ thodische Weg zu einem integrationsfähigen Paradigma der BWL führt über die Rekonstruktion der ökonomischen Grundproblematik der Untemehmensfuhrung. "3 Die vorgeschlagene Synthese entspricht dem Ulrichschen Programm einer Betriebswirtschaftslehre als „praktischer Sozialökonomie “.

Ausgehend von der „Leitidee sozialökonomischer Rationalität“ übt Peter Ulrich Kritik an einer „rein ökonomischen“ Rationalitätsauffassung: Ei­ nerseits stellt er die „Interessenneutralität“ eines „Formalziels“ in Frage, das auf „Gewinnoptimierung“ ausgerichtet ist. Andererseits wendet er sich gegen die billigende Inkaufnahme der „externen Effekte“ des betrieblichen Wirtschaftsprozesses. Er argumentiert gegen die Annahme eines „rein betriebswirtschaftlichen Standpunktes“ (Sachzwangargument) und wirft die Frage auf, für wen denn das Wirtschaften effizient sein solle. Die Ant­ wort lautet: nicht nur für das Unternehmen allein, sondern auch für die Gesellschaft.4

4.6.2 Theoriebezug der praktischen Sozialökonomie Die Betriebswirtschaftslehre bedarf einer soliden theoretischen Veranke­ rung. Ulrich schlägt dazu ein „ 3-Ebenen-Konzept sozialökonomischer Rationalität“ vor:

1 2 3 4

vgl. Ulrich (1995a), S. 181f. Ulrich (1995a), S. 183 Ulrich (1995a), S. 183 [Hvh. i. O.] vgl. Ulrich (1995a), S. 184f.

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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(l)auf der Gesellschaftsebene eine „Verständigungsordnung“ (Ebene kommunikativ-ethischer Rationalität); (2) auf der Ebene des Wirtschaftssystems die „Lebensqualität“ (Ebene sozialtechnologischer Rationalität); (3) auf der personalen Handlungsebene der „Ressourceneinsatz“ (Ebene kalkulatorischer Rationalität).1

Auf der „ersten Rationalisierungsebene“ (Verständigungsordnung) geht es um das Finden und Formulieren einer „kollektiven Präferenzordnung der Unternehmung“ gemeinsam mit den mitspracheberechtigten „An­ spruchsgruppen“. Dies vollzieht sich in einem Prozeß untemehmenspolitischer Verständigung und vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich­ sozialen Verantwortung. Konkret wird ein „unternehmungspolitischer Dialog“ vorgeschlagen, der sich unter der „regulativen Idee konsensorien­ tierter Untemehmungspolitik“ vollzieht. Institutionelle Voraussetzung ist eine „offene“ Unternehmensverfassung, „die die strukturelle Kommuni­ kationschancen aller Anspruchsgruppen regelt“.2 Auf der „zweiten Rationalisierungsebene “ (Verfiigungsordnung) setzt die „strategische Systemsteuerung“ ein. Diese ist auf den „Aufbau strategi­ scher Erfolgspotentiale“ ausgerichtet. Im Vordergrund steht die Multi­ funktionalität und Effektivität des Unternehmens unter den gegebenen sozio-ökonomischen Bedingungen.3

Die „dritte Rationalisierungsebene“ umfaßt den „operativen Ressour­ ceneinsatz“: „sie betrifft den Aufbau und die Ausschöpfung betrieblicher Produktivitätspotentiale durch die optimale Kombination der Produktions­ faktoren (Gutenberg), um den permanenten 'Kostendruck', wie er einer funktionierenden Marktwirtschaft immanent ist, aufzufangen.“4 Es geht hier um effiziente Ressourcenverwertung unter Einsatz bekannter Führungs- und Kontrollinstrumente.

1 2 3 4

vgl. Ulrich (1987b), S. vgl. Ulrich (1995a), S. vgl. Ulrich (1995a), S. Ulrich (1995a), S. 195

132; vgl. auch Ulrich (1995a), Übersicht auf S. 192 191f. 194f. [Hvh. i. O ]

116

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

4.6.3 Praxisbezug der sozialökonomischen Konzeption Peter Ulrich sieht die Praxisrelevanz einer sozialökonomisch ausgerichte­ ten Betriebswirtschaftslehre als begründet an. Sein sozialökonomisches Konzept läßt sich auch betriebswirtschaftlich auslegen und auf untemehmensrelevante Managementaspekte anwenden. Dabei werden folgende „Unternehmensethische Handlungsebenen“ angeführt:1

Wirtschaftspolitische Ebene: Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen; (= ordnungspolitische Mitverantwortung) Untemehmenspolitische Ebene: untemehmenspolitische Verständigung; (= normatives Management) Geschäftsstrategische Ebene: strategische Systemsteuerung; (= strategisches Management) Operative Ebene: optimaler Ressourceneinsatz; (= operatives Management). Der Praxisrahmen für eine Sozialökonomie und ihre Implementierung läßt sich folgendermaßen beschreiben:

(a) gesellschaftliche Offenheit und Werteberücksichtigung

Durch die Untemehmenspolitik und -Verfassung wird eine gesellschaftliche Offenheit im Sinne der Berücksichtigung gesellschaftlicher Wertpräferen­ zen bei unternehmerischen Zielsetzungen ermöglicht. Eine „gesellschafts­ bezogene BWL“ ist sowohl kritisch als auch selbstkritisch gegenüber ökonomischen Theorieentwürfen: „sie ist einem Ansatz verpflichtet, der sich seiner eigenen normativen (kommunikativ-ethischen) Voraussetzungen bewußt ist und Raum für den rationalen Umgang mit verschiedenen Wert­ standpunkten eröffnet“.2 Der Gesellschaftsbezug wird „intern“ durch hohe Ansprüche an die „Sozialverträglichkeit“ von Arbeitsformen und von Technologien gewährleistet. Wertgesichtspunkte werden nicht im Sinne eines strengen „Ökonomismus“ berücksichtigt, sondern im Sinne „exter­ ner“, d. h. gesellschaftlich relevanter Zwecke und verträglicher Wirkungen ökonomischen Handelns festgelegt. Die pluralistische Einbringung von Werten und Interessen durch eine hinreichend große Zahl von Betroffenen wird durch eine „kommunikative“ Unternehmenspolitik und eine „offe­ 1 2

vgl. Ulrich (1987b), S. 136; Ulrich (1995a), S. 192 und Ulrich (1994), S. 99 Ulrich (1995a), S. 197

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

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ne “ Unternermensverfassung sichergestellt. Durch die unabdingbare und nicht hintergehbare Berücksichtigung wirtschaftlicher Sachgesetzlichkeiten wird der Untemehmensbestand nicht gefährdet. (b) Funktionalität und kritischer Praxisbezug

Durch das Konzept einer „Differenzierung des Praxisbezugs nach Hand­ lungsebenen“ versucht Ulrich sowohl der Funktionalität als auch sozial­ kritischen Aspekten Rechnung zu tragen. In bewährter Weise werden ja die Instrumente und Methoden eines strategischen und operativen Mana­ gements angewandt; „neu ist nur die Möglichkeit des selbstkritischen Um­ gangs mit den lebenspraktischen Wert- und Sinnzusammenhängen dieser Funktionalisierung innerhalb der BWL, nämlich auf der Rationalisie­ rungsebene der Untemehmungspolitik“1. Es geht hier schließlich darum, durch die „Idee der kommunikativen Rationalisierung des Managements“ der gegenwärtig vorfindbaren Lage einer eigensinnigen sozialtechnologi­ schen Rationalisierung und Funktionalisierung zu begegnen.2 (c) Betriebswirtschaft als lebenspraktische Vernünftigkeit „Die BWL wird als praktische Sozialökonomie praktisch, indem die so­ zialökonomische Rationalitätsidee selbst schon kritische Kraft entfal­ tet. “3 D. h. das Praktische und das Ethisch-Kritische werden von Ulrich zum „lebenspraktisch Vernünftigen“ verbunden. Dieses lebenspraktisch Vernünftige muß und kann über einen tragfahigen Ansatz der kommuni­ kativen Untemehmensethik und Untemehmenspolitik in die Wirt­ schaftspraxis Eingang finden. Auf diese Weise wird es möglich, sowohl unternehmerisch erfolgreich als auch gesellschaftlich verträglich zu fuhren bzw. zu wirtschaften.

4.6.4 Empirische Befunde Es wurden von Ulrich und Mitarbeitern Bemühungen unternommen, die Validität und Praktikabilität der vorgetragenen Betriebswirtschaftskon­ zeption mit sozialökonomischem und diskursethischem Hintergrund zu ermitteln. Dazu war es angebracht, sowohl die herrschenden (ethischen)

1 2 3

Ulrich (1995a), S. 198 [Hvh. i. O.] vgl. Ulrich (1995a), S. 199 Ulrich (1995a), S. 199 [Hvh. i. O.]

118

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

Managementeinstellungen festzustellen, als auch die Entwicklungsrichtung der (betriebsrelevanten) Managementansätze nachzuzeichnen sowie die Umsetzung von „Ethikmaßnahmen“ in der Untemehmenspraxis zu eruie­ ren. Hierzu liegen nun drei Studien vor:

□ Zum einen wurde eine Untersuchung bei schweizerischen Führungs­ kräften durchgefiihrt, um die ethisch-moralischen Handlungs- und Be­ gründungsmuster in den „Köpfen und Herzen“ der befragten Managergruppe zu ermitteln. Die Auswertung der empirischen Studie hat ergeben: Vertreter einer harmonischen, ethikentbehrlichen Auffassung der markt­ wirtschaftlichen Wirtschaftsabläufe bilden die überwiegende Mehrheit mit 75 % der Befragten. Jene mit einer konfliktären, ethiknotwendigen Auffas­ sung von Marktwirtschaft und Gesellschaft machen nur 25 % aus.1 Die Tatsache, daß gerade jüngere Führungskräfte eher konfliktbewußt und reformorientiert sowie aufgeschlossener gegenüber neuen, gesellschafts­ verträglichen Untemehmensfiihrungsweisen sind, stimmt die Verfasser der Studie optimistisch, „daß mit dem natürlichen Nachrücken jüngerer Füh­ rungskräfte die Dominanz des ökonomischen Denkens in den Chefetagen der Wirtschaft sich nach und nach abschwächen wird“.2

Dem Ulrichschen Wirtschaftsethikansatz am nächsten kommt der Typus des „Neuen Unternehmers“. Dieser sieht zwar ein Spannungsverhältnis zwischen ethischer Einstellung und Erfolgsstreben, das sich aber in einer Synthese („integrativer Ansatz untemehmensethischer Vermittlung“) auf­ heben läßt. In der Konsequenz dieser Sichtweise geht es um die synchrone Wahrnehmung untemehmensethischer Verantwortlichkeit: einerseits in Gestalt einer betriebsbezogenen „dialogischen Untemehmungspolitik“ und andererseits in Form einer gesellschaftsbezogenen „ordnungspolitischen Mitverantwortung“ der unternehmerisch Tätigen.3 Kurz gefaßt hat die Studie zutage gefördert, daß sich derzeit überwiegend „ökonomistische“ und „konventionalistische“ Denkweisen und Begrün­ dungen nachweisen lassen. Der Typus des „idealistisch“ eingestellten „Wirtschaftlers“ war fast nicht auszumachen, währenddessen der „reform­ 1 2 3

vgl. Ulrich, Thielemann (1992), S. 93fT. sowie dieselben (1993), S. 663ff. Ulrich, Thielemann (1992), S. 110 [Hvh. i. O ] vgl. Ulrich, Thielemann (1992), S. 82ff.

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

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orientierte“ Manager weit unterrepräsentiert war. Immerhin wird mit Op­ timismus festgestellt, daß der reformorientierte „neue Unternehmer“, der von seinen Vorstellungen her dem Ulrichschen Ansatz am nächsten kommt, in der Zukunft gute Durchsetzungs- und Entwicklungschancen hat. Dieses Ergebnis ermutigt, in einer untemehmensethischen und sozial­ ökonomischen Richtung weiterzuarbeiten.

□ Zweitens wurde im Rahmen einer Untersuchung über die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Büro- und Dienstleistungsbereich von Peter Ulrich und Mitarbeitern die Notwen­ digkeiten und Möglichkeiten ethikbewußter Organisationsgestaltung untersucht.1 Darin werden Thesen zur „Entwicklung betriebswirt­ schaftlicher Rationalisierungsmuster“ aufgestellt und erhärtet. Ausgangsthese ist die Annahme, daß es in der „Wirtschaftspraxis“ zu einer „endogenen Erweiterung des betriebswirtschaftlichen Rationalitäts­ verständnisses“ durch die historische Abfolge verschiedener Management­ ansätze kam: Die drei prägnantesten Managementkonzepte (a - c) und die dadurch intendierten bzw. bewerkstelligten Problemlösungen werden so formuliert:

(a) operatives Management - kalkulatorische Optimierung beim Einsatz betrieblicher Produktionsfaktoren (= „ tayloristischer Rationalisierungstyp “); (b) strategisches Management - Festigung strategischer Erfolgspositionen, Beherrschung von Ungewißheit und Komplexität (= „systemischer Rationalisierungstyp“)-, (c) kommunikatives Management - untemehmungspolitische Zielfindung durch untemehmensrelevante Bezugs- und Anspruchsgruppen, Öffnung von Verständigungspotentialen (= „ kommunikativer Rationalisierungstyp ") 2 Diese „Ausgangsthese“ (von einer Management-Trilogie) läßt sich in drei „Elementarthesen“ darstellen, die verschiedene Abhängigkeiten, Wech­

1 2

vgl. Publikationen von Ulrich (1991 a und b) sowie Ulrich (1992a), S. 183ff. vgl. Ulrich (1991a), S. 149f.

120

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

selwirkungen bzw. Ausprägungen und Kombinationen der eben skizzierten Managementkonzepte postulieren.1

1. Differenzierungsthese:

[erst a, dann b, schließlich c]

„Die Entwicklung technikgestützter Rationalisierungskonzepte folgt nicht einem technologischen Determinismus, sondern der Veränderung der erfolgsentscheidenden betriebswirtschafllichen Führungsprobleme. In diesem Falle lösen sich die Managementansätze in Abhängigkeit der Gege­ benheiten und Problemlagen einfach und ohne große Überschneidungen ab.

2. Überlagerungsthese:

[a fließend abgelöst von b, analog b und c]

„In Praxis und betriebswirtschaftlicher Theorie lösen sich die drei Ra­ tionalisierungstypen nicht einfach ab, sondern sie differenzieren und überlagern sich sukzessive in der genannten Reihenfolge. "3 Dies bedeu­ tet, daß die genannten Managementformen sich in ihren „Lebenszyklen“ überlappend ablösen und dabei die ungelösten Probleme des Vormodells in der neuen Form (Paradigmawechsel) zu beheben versuchen.

3. Vollständigkeitsthese:

[zeitgleich sowohl a als auch b und c]

„Die dreistufige Konzeption der betriebswirtschaftlichen Rationalisie­ rungsproblematik ist aus handlungstheoretischer Sicht systematisch er­ schöpfend, d. h. sie umfaßt sämtliche Rationalitätsaspekte sozial­ ökonomischen Handelns, die in dem Sinne elementar sind, daß sich kei­ ner der Aspekte mehr auf einen anderen reduzieren läßt. "4 Hierbei wer­ den die drei betriebswirtschaftlichen Rationalitäts- und Management­ formen von Peter Ulrich und Mitarbeitern als unabhängig und nebeneinan­ der stehend, d. h. situationsspezifisch und simultan angesehen.

Die vor dem Hintergrund der genannten Thesen durchgefiihrte Untersu­ chung hat zu einer empirischen Bestätigung des „Strukturwandels be­ triebswirtschaftlicher Rationalisierung“ geführt.

Insbesondere wurde die „ Überlagerungsthese “ (Lebenszyklusmodell) der beschriebenen Rationalisierungstypen als zutreffend verifiziert:5 Gemäß 1 2 3 4 5

vgl. Ulrich (1991a), S. Ulrich (1991a), S. 149 Ulrich (1991a), S. 150 Ulrich (1991a), S. 151 vgl. Ulrich (1991a), S.

148ff. [Hvh. i. O.] [Hvh. i. O.] [Hvh. i. O.] 162ff.

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

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dieser Darstellung leben wir derzeit in einer Umbruchsituation, das be­ deutet ein gleichzeitiges Nebeneinander der drei Rationalitätskonzepte und Managementmodelle. Während aber der tayloristische Typ ausläuft und das systemische Konzept schon seinen Zenit erreicht bzw. überschritten hat, steht dem kommunikativen Modell die „Karriere“ noch bevor.

Fazit: Alle drei Managementansätze haben ihre spezifische Bedeutung als Antwort auf betriebswirtschaftliche Probleme. Insbesondere ist aber das sozialökonomische, kommunikationsorientierte Konzept zukunftsweisend und erfolgsforderlich. Sowohl diese Befunde sprechen für eine untemehmensethische, sozialökonomisch ausgerichtete Betriebswirtschaftslehre, als auch die kommunikationsoffene Einstellung des „neuen“ Managertyps, der eine „dialogische“ Untemehmensfuhrung favorisiert.

□ Schließlich beschäftigen sich drittens Ulrich und Lunau in einer erst kürzlich erschienenen Studie mit praktizierten 'ßthikmaßnahmen“ ) Bei dieser Untersuchung geht es darum, mögliche ethikrelevante Maß­ nahmen zu identifizieren und ihre praktische Relevanz in schweizeri­ schen und deutschen Unternehmen zu überprüfen. Die Autoren dieser Studie gehen davon aus, daß es möglich und notwendig ist, Untemehmensethik in der Wirtschaftspraxis zu institutionalisieren, wenngleich nicht in der Art einer Managementtechnik. „Moderne (Unter­ nehmens-) Ethik liefert kein 'anwendbares' instrumentelles Verfugungswissen (know how), sondern entfaltet argumentatives Orientierungswissen im Sinne begründeter Grundsätze und Leitideen legitimen (untemehmensethischen) Handelns (know what).^

In „Ethikmaßnahmen“ erkennen sie einen geeigneten Weg des Öffnens und Begrenzens unternehmerischer Entscheidungs- und Handlungsfelder. Die Doppelrolle ethischer Maßnahmen und Verfahrensweisen „des Öffnens von ethisch-kritischer Kommunikation einerseits und des durch sie be­ gründeten Schließens ethisch nicht verantwortbarer Handlungsoptionen andererseits“ bilden das Kemverständnis der betrieblichen Ethikinstitutio-

1 2

vgl. Ulrich, Lunau (1997) Ulrich, Lunau (1997), S. 51 [Hvh. i.O ]

122

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

nalisierung von Ulrich und Lunau.1 Hierbei werden Ethikmaßnahmen unterschiedlichen Typs herausgearbeitet:2

- dokumentenorientiert-.

Ethik-Kodizes, -Leitfäden, -Fallstudien...;

- zuständigkeitsorientiert-.

Ethik-Kommissionen, -Ombudspersonen;

- ausbildungsorientiert-.

Ethik-Seminare, -Workshops...;

-gedankenaustauschorientiert-. Ethik-Diskussionsforen, -Hotlines ...; - rechenschaftsorientiert'.

Sozial-/Öko-/Moralbilanzen, Ethik-Audits.

Was nun die Relevanz dieser „Ethikmaßnahmen“ für die Praxis schweize­ rischer und deutscher Unternehmen betrifft, ist das ermittelte Ergebnis ernüchternd: Der Großteil dieser Maßnahmen ist bei den meisten Unter­ nehmen „unbekannt“ bzw. wird als „irrelevant“ eingestuft.3 Positiver sieht das Bild aus, wenn es um die Frage „realisierter“ oder „geplanter“ Ethikmaßnahmen geht: Etwa 2/3 der Unternehmen praktizieren mindestens eine Maßnahme und ca. 1/3 wollen Ethikmaßnahmen einführen.4 Im Ver­ gleich zu USA-Studien hinken die „Ethikaktivitäten“ im DeutschSchweizer-Raum quantitativ nach. Allerdings ist damit noch nichts über die Qualität und Intensität der Maßnahmen bzw. Bemühungen ausgesagt.5 Die Schlußfolgerung lautet, daß hinsichtlich der Institutionalisierung von Untemehmensethik in der Wirtschaftspraxis noch einiges zu tun bleibt, nämlich: „ in Richtung der unternehmens- und situationsspezifischen Ent­ wicklung eines tragfahigen Orientierungswissens, eines geschärften ethi­ schen Bewußtseins bei möglichst allen Untemehmensangehörigen und schließlich der umfassend institutionalisierten untemehmensethischen Selbstbindung kontinuierlich zu arbeitend

1 2 $ 4

6

vgl. Ulrich, Lunau (1997), S. 52 vgl. Ulrich, Lunau (1997), S. 54ff. vgl. Ulrich, Lunau (1997), besonders Schaubild S. 59 vgl. Ulrich, Lunau (1997), S. 59f. vgl. Ulrich, Lunau (1997), besonders Übersicht S. 61 Ulrich, Lunau (1997), S. 63 [Hvh. i. O.]

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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4.7 Betriebswirtschaftslehre als Managementlehre 4.7.1 Managementkonzeption von Peter Ulrich Nach den theoretischen Betrachtungen zu den Wirtschaftswissenschaften allgemein und der Betriebswirtschaftslehre im besondem geht es darum, eine praxisbezogene Umsetzung in Form einer Managementlehre zu ent­ wickeln. Die Unternehmung wird dabei als „ offenes System “ angesehen, das folgende Prägungen aufweist: (a) (b) (c)

„multifiinktionales System“ (quasi-öffentlich, mit Teilumwelten), „soziotechnisches System“ (Mensch, Maschine, Arbeitsteilung), „wirtschaftlich selbsttragendes System“ (Existenzerhaltung).1

Die Betriebswirtschaftslehre, die sich auf die Umsetzung einer bestimmten Untemehmensvorstellung in einer konkreten Situation unter Gestaltung der unternehmerischen Handlungsspielräume einläßt, wird zur Management­ konzeption (d. h. Untemehmensfuhrungslehre). „Management ist die Lei­ tung soziotechnischer Systeme in personen- und sachbezogener Hinsicht mit Hilfe von professionellen Methoden.“2 Es spielt sich auf verschiedenen „Handlungsebenen“ ab, als: normatives (konsensorientiertes), strategi­ sches, operatives Management.3 Untemehmensfuhrung wird zu einer zielorientierten, erfolgsbestimmten, instrumentellen und effizienten Gestaltung von untemehmensspezifischen Funktionsbereichen:

1. 2. 3. 4.

Untemehmungsphilosophie, -ethik und -politik, Untemehmungsplanung und -kontrolle, Unternehmerische Organisation und Führung, Führungskräfteentwicklung (Personalentwicklung).

(l)Die beiden Autoren schnüren Philosophie, Ethik und Politik zu einem Paket als wesentlichen Aspekt der Untemehmensfuhrung zusammen:

Unternehmensphilosophie: Eine Managementkonzeption muß drei „Bil­ der“ (Menschenbild, Wirtschaftsvorstellung und Untemehmensleitbild)

1 2 3

vgl. Ulrich, Fluri (1995), S. 30ff. Ulrich, Fluri (1995), S. 13 vgl. Ulrich, Fluri (1995), S. 18ff.

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Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

stimmig vereinen. In diesen Rahmen sind die unternehmerischen Zielvor­ stellungen und Nebenwirkungen einzufiigen und die Untemehmenspolitik zu definieren. Eine ganzheitliche Untemehmungsbetrachtung muß dabei Werte, Normen und ethische Aspekte in Gestalt einer Untemehmensethik umfassen. Diese hat die gesellschaftlichen Belange (externe Effekte, so­ ziale Kosten) in ihren Betrachtungskreis mit einzubeziehen und unterneh­ merischem Handeln als soziale Verantwortung im Sinne einer „quasiöffentlichen Institution“ zur Verwirklichung zu verhelfen.1 Unternehmensethik: Nach Ulrich und Fluri läßt sich eine zeitgemäße, pragmatische Unternehmensethik auf mehreren Stufen diskutieren und verwirklichen:2 Auf der Ebene des personalen Handelns gilt das Prinzip der „dialogischen Verantwortungsethik“, während auf der institutionellen Organisationsebene die Idee der „offenen Untemehmensverfassung“ zur Anwendung kommt. Beide werden von der „kommunikativen Ethik“ über­ spannt, die der Leitidee der „sozial-ökonomisch rationalen Untemehmensfuhrung“ folgt. Von zentraler, aktueller Bedeutung ist die Vorstellung einer „integrativen“ Untemehmensethik (Ethik + Erfolg).3 Unternehmenspolitik: Sie wird im klassischen Sinne vön „Politik“ (= Organisation menschlichen Zusammenlebens) aufgefaßt. Eine so defi­ nierte „Politik der Unternehmung“ setzt eine Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen und Interessen von Beteiligten und Betroffenen voraus. Dafür ist der Aufbau von Verständigungspotentialen wichtig, die Mög­ lichkeiten für eine „argumentative Konsensfindung“ bieten. Kommunikati­ on und Kooperation sind die Grundpfeiler der beschriebenen Unter­ nehmenspolitik.4

Zur Transparenz und Verbindlichkeit des untemehmungspolitischen Wil­ lensbildungsprozesses wird die schriftliche Ausformulierung der Unter­ nehmenspolitik in „Leitsätzen“ und „Unternehmungsleitbildem “ emp­ fohlen. Diese sollten Untemehmensfünktion, Verhaltensgrundsätze und Leitungskonzepte enthalten.3

1 2 3 4 5

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Ulrich, Fluri (1995), S. 53 Ulrich, Fluri (1995), S. 62ff. Ulrich, Fluri (1995), S. 66ff. Ulrich, Fluri (1995), S.771F. Ulrich, Fluri (1995), S. 92ff.

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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(2) Weitere wichtige Managementfunktionen sind Planung, Kontrolle und Informationsverarbeitung. Sie dienen einer nachhaltigen und wir­ kungsvollen Steuerung des Untemehmensprozesses:

-

zur Erreichung der untemehmenspolitisch festgelegten Zielsetzungen, unter der Bedingung dynamischer Umweltentwicklung und pluralisti­ scher Umweltbeziehungen, in Anbetracht der Komplexität des eigenen Untemehmenssystems, unter Berücksichtigung der Einstellungen, Erwartungen und Interessen der beteiligten und betroffenen Personen und Personengruppen.1

(3) Von besonderer ethischer Relevanz sind die Bereiche Führung und Organisation. „Organisation und Führung sind die Leitungsfunktionen, mit deren Hilfe das Verhalten der Systemmitglieder so strukturiert und koordiniert wird, daß die in der Untemehmungspolitik umrissenen und in der Planung konkretisierten Ziele und Maßnahmen realisiert werden können.“2 „Organisation“ wird primär auf formaler und strukturaler Ebene gesehen. Demgegenüber ist „Führung“ eine zielgerichtete, per­ sonale Verhaltensbeeinflussung. Neben dem klassischen Führungsin­ strument „Organisationsstruktur“ spielen aber auch weniger konkretisierbare, greifbare oder beeinflußbare Größen, z. B. Organisa­ tionskultur, eine wichtige Rolle.3 Konzeptionell wird zur Gestaltung sozialer Systeme auf die Organisationsentwicklung zurückgegriffen 4 (4) Schließlich ist die Personalentwicklung und besonders die Nachwuchs­ förderung eine wichtige Herausforderung eines guten Managements. Qualifizierte und kompetente Führungskräfte sind nämlich die Voraus­ setzung für die Funktions- sowie Leistungsfähigkeit von Planungs- und Kontrollsystemen bzw. für die Wirkungsentfaltung von Organisationsund Führungsmethoden. Zur Schließung der „Management-Lücke“ zwischen unternehmerischer Führungsanforderung und erforderlichem Führungspotential nimmt nach Ulrich, Fluri das „Management Deve­ lopment“ eine prominente Stellung ein.5

1 2 3 4 5

vgl. Ulrich, Fluri (1995), S. 107ff. Ulrich, Fluri (1995), S. 161 vgl. Ulrich (1993b), Sp. 4360ff. vgl. Ulrich, Fluri (1995), S.205ff. vgl. Ulrich, Fluri (1995), S.255ff.

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WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

4.7.2 Ethik der Kooperation Kooperation in Organisationen ist ein zeitgemäßes Thema.1 Ulrich plädiert in diesem Zusammenhang für eine „Kooperationsethik in Organisationen“. Um dies deutlicher zu kontrastieren, verweist er auf die gegenwärtig übli­ chen Untemehmensstrukturen mit starken bürokratischen Tendenzen und effizienzorientierten, sozialtechnischen Steuerungsversuchen, die in Ver­ bindung stehen mit einem „traditional-hochkulturellen Pflicht- und Gehor­ samsethos“.2 Diese vorherrschende „traditionale Gehorsamsethik“ ist (auch) aus Gründen moderner, ökonomischer Funktionserfordemisse durch eine „postkonventionelle Kommunikationsethik“ (= Ethik der Zusammen­ arbeit) zu ersetzen. Durch kooperierende Gegenseitigkeit können Gestal­ tungspotential und Leistungsfähigkeit von Organisationen erhöht bzw. zeitgemäß gestaltet werden. Die praxisübliche, „funktionale Systemratio­ nalisierung“ kann auf dem Wege einer „kommunikativen Sozialinte­ gration “ im Sinne einer sachgemäßeren und menschengerechteren Organi­ sationsgestaltung überwunden werden. Durch „kommunikative Rationali­ sierung“ lassen sich nicht nur Konflikte besser bewältigen, sondern vor allem eine Funktionssteigerung im Interesse aller Beteiligten bewirken.3 Es gilt, im Rahmen einer aktualisierten „Organisationsphilosophie“ die „wei­ chen“ Faktoren (Untemehmenskultur und -ethik) stärker zur Geltung zu bringen. Technokratisch-funktionalistische Führungskonzepte lassen sich hinsichtlich ihrer Erfolgswirksamkeit durch „normative Sozialintegration“ merklich steigern.4

Peter Ulrich benennt einige „Elemente dialogischer Interaktion als Metho­ de der Handlungskoordination “ im Sinne seiner „kooperationsförder­ lichen Organisationsphilosophie “. Es handelt sich dabei um bereits be­ kannte Führungs-, Personal- und Organisationsmaßnahmen wie beispiels­ weise partizipative Führung, organische Organisationsstruktur, teil­ autonome Arbeitsgruppen, Lemstattmodelle, Organisationsentwicklung und Prozeßberatung.5

1 2 3 4 5

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Endress (1991), S. 13ff. Ulrich (1988c), S.4ff. Ulrich (1988c), S.8ff. Ulrich (1988c), S. 12ff. Ulrich (1988c), S. 18

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

127

Vor dem Hintergrund der „Kooperationsethik“ und der Erkenntnisse über Selbstverwaltung werden drei handlungsentscheidende Organisations­ aspekte formuliert und ihre Verwirklichung angeregt: 1 . organisationskultureller Aspekt: arbeitsethischer Sinnzusammenhang In diesem Zusammenhang wird für die „Subjektstellung des Mitarbei­ ters“, für einen „konsensuell getragenen Sinnzusammenhang“ sowie für eine eigenwertige, autonome Arbeit in Sinne von „Tätigkeit“ gestrit­ ten.1

2 organisationspolitischer Aspekt: institutioneller Interessenbezug Konflikte sollten präventiv gelöst werden, dadurch daß in einer Unter­ nehmensverfassung die „Grundrechte aller Organisationsmitglieder“ verankert werden. Eine „konsensorientierte Untemehmenspolitik“ hat für deren angemessene Umsetzung Sorge zu tragen.2 3 organisationsstruktureller Aspekt: Umgang mit Sozialtechnologien Es wird für die Auflösung des Spannungsverhältnisses von „fünktionaler Systemintegration“ und „kommunikativer Sozialintegration“ plä­ diert. Dieses soll die Untemehmensverfassung auf der untemehmenspolitischen Führungsebene und die konsensuelle Sozialintegration auf der operativen Ebene leisten.3

4.8 Kritische Würdigung von Ulrichs Ansatz 4.8.1 Einwände gegen diesen Ansatz In der Fachliteratur werden verschiedentlich Einwände gegen die wirt­ schaftswissenschaftlich-ethische Konzeption von Ulrich vorgebracht. An dieser Stelle sollen drei kritische Stellungnahmen das Wort erhalten: (1) Kritik grundsätzlicher Art üben Karl Homann und seine Mitarbeiter.4 Sie sehen die ethische Vemunfts- und Verallgemeinerungsforderung (von Kant und Habermas), die Peter Ulrich aufgreift, als zu streng an. Ihre Kritik gilt den der „kognitivistischen Ethik“ innewohnenden Vorausset­ zungen sowie einer Moralbegründung aus Vernunft statt aus Interesse. 1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Ulrich (1988c), S. 2Iff. Ulrich (1988c), S. 24ff. Ulrich (1988c), S.27ff. Homann, Suchanek (1987), S. lllf.

128

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

Ein weiterer grundsätzlicher Kritikpunkt geht in die Richtung, daß die wirtschaftlich-ethischen Probleme und Spannungen nicht über die Unter­ nehmung gelöst werden können. Es ist verfehlt - ein „Ebenenfehler“ - im Wirtschaftsuntemehmen den change agent für gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen zu sehen und damit ordnungspolitische Probleme auf Untemehmensebene (also „vor Ort“) lösen zu wollen.1 Es wird an Ulrichs Ansatz bemängelt, daß wegen der ständigen Grundla­ gendiskussion die Anwendungsproblematik untemehmensethischer Ent­ würfe zu kurz kommt. Dabei ist es aber unabdingbar, „eine ökonomisch angeleitete Wirksamkeitsprüfiing auf Implementationstauglichkeit be­ stimmter vorgeschlagener Normen durchzufuhren“.2 Schließlich wird auch an Peter Ulrichs (altruistischem) Untemehmensverständnis als einer „öf­ fentlichen Institution“ Anstoß genommen, das - mit seiner ethischen Fracht - in einer Marktwirtschaft mit hartem Wettbewerb nicht überlebensfahig sei.3 (2) Für Dieter Schneider ist „eigenverantwortlicher Einkommenserwerb“ unter dem Banner des Gewinnprinzips ein legitimes, ja mitunter ethisch gebotenes Vorgehen. Damit wird nämlich erst ermöglicht, die eigene Bedürfiiislage und die anderer zu mildem. Eine der Marktentfaltung der Wirtschaftskräfte überlassene, gesetzlich eingegrenzte Wirtschaftsweise kann durchaus dem „sozialethischen Subsidiaritätsprinzip“ Genüge lei­ sten.4 Er wendet sich vehement gegen eine „Gewinnsteuerung“ und eine „unter­ nehmensethische Normierung“ wirtschaftlichen Handelns. Theoretisch­ abstraktes, betriebswirtschaftliches „Sozialgeschwätz“ muß einer „Offen­ legung der ethischen Basiswerturteile“ und ihrer Begründungsmuster wei­ chen. Gesellschaftsverpflichtetes Handeln ist nur in bezug auf den konkretisierten Einzelfall möglich und nicht a priori (abstrakt-theoretisch) formulierbar.5

1 2 3 4 5

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Homann, Blome-Drees (1992), S. 182f.; Pies, Blome-Drees (1993), S. 762f. Homann, Blome-Drees (1992), S. 184f. Homann, Blome-Drees (1995), S. 108 Schneider (1990), S. 869 Schneider (1990), S. 871

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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In provokant-kritischer Absicht stellt Schneider die These auf, es gehe der Untemehmensethik um eine Wiederbelebung der „wirtschaftsgeschichtlich unfruchtbaren ethisch-normativen Betriebswirtschaftslehre“, bei der die Vorstellung der „Unternehmung als Sozialverband“ Pate stehe. Dabei lie­ ßen sich bekanntermaßen untemehmensethische Normen wissenschaftlich nicht begründen. Deshalb darf Betriebswirtschaftslehre weder auf eine praktisch-normative noch auf eine ethisch-normative Untemehmenslehre bezogen bleiben.1 Ein weiterer Einwand von Schneider richtet sich gegen die „regulative Idee“ eines multipersonalen, herrschaftsfreien Diskurses zur Lösung von Interessenkonflikten: Haben mehrere Personen über mehrere Altemativmöglichkeiten zu entscheiden (zumal bei Unsicherheit und Ungleichvertei­ lung des Wissens), ist ein Mindestmaß an Zwang für das Zustandekom­ men einer kollektiven Entscheidungspräferenz unabdingbar (gemäß „Unmöglichkeitstheorem von Arrow“ oder des „Theorems von Gibbard und Satterthwait“). Denn: „Es gibt keine kollektive Entscheidungsfunkti­ on, die zugleich manipulationsfrei und nicht diktatorisch ist.“2

Die Einwände von Schneider enthalten einige interessante Diskussion­ aspekte in bezug auf Peter Ulrichs Ansatz. Andererseits muß aber auch auf das unterschiedliche Wissenschaftsverständnis der Betriebswirt­ schaftslehre bei Schneider bzw. Ulrich hingewiesen werden: a. Während ersterer die „Erfahrungswissenschaft“ favorisiert und Hand­ lungsempfehlungen für erfolgreiches Wirtschaften bei vordefinierten Zielen (z. B. Gewinn) ableiten will, plädiert letzterer für eine „Verstän­ digungswissenschaft “, die diskursiv sowohl wirtschaftliche Ziele als auch Handlungsformen feststellen und legitimieren will. b. Während Schneider auf den Inhalt wissenschaftlicher Aussagen abhebt (erklären, messen, empfehlen) und eine Begründung von (ethisch­ normativen) Werturteilen einfordert, argumentiert Ulrich formal, pra­ xisbezogen, und strebt an, wirtschaftliches Handeln in Gestalt von ethisch-vernünftig begründeten Vorgehensweisen zu institutionalisie­ ren.

1 2

vgl. Schneider (1990), S. 887ff. Schneider (1990), S. 886

130

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

c. Während für Schneider wirtschaftliche Freiheit die Möglichkeit und Voraussetzung „sozialethischen“ Handelns (= eigenverantwortlicher Einkommenserwerb nach dem Gewinnprinzip) bietet, argumentiert Ul­ rich konträr: „Sozialökonomisches“ Wirtschaften (= selbstkritische Reflexion der Möglichkeit des Wirtschaftens auf kommunikativ - ethi­ schem Wege) soll vorneweg gesellschaftliche Freiheitsgrade schaffen und in die „lebensweltliche Perspektive“ ex ante ökonomische Ent­ scheidungen einbeziehen (= Legitimations- und Akzeptanzgrundsatz), tun gesellschaftlichen Inkompatibilitäten vorzubeugen.1 ( 3) Horst Steinmann und Albert Löhr erheben mit ihrem im nächsten Ka­ pitel zu diskutierenden untemehmensethischen Konzept Einspruch gegen den weitläufigen Ansatz von Peter Ulrich. Sie unterscheiden sich in mar­ kanten Aspekten von Ulrichs Vorstellungen:

a. in der Definitionsweise der Untemehmensverfassung, b. im Verhältnis von Untemehmespolitik und Untemehmensstrategie, c. in der ethischen Bewertung des betriebswirtschaftlichen Gewinnziels und von dessen Legitimität.2

Zum ersten plädieren sie für eine „interessenpluralistische“ Untemehmens­ verfassung der am Betriebsprozeß Beteiligten, statt (wie Ulrich) für eine „offene“ Untemehmensverfassung als Argumentationsforum für alle vom betrieblichen Wirtschaften Betroffenen.3 Steinmann und Löhr haben be­ sonders die betriebswirtschaftliche Praktikabilität im Blick, „um unter den historischen Bedingungen hoher Arbeitsteiligkeit überhaupt von einer gu­ ten Chance für die Lösung von strukturellen Konfliktsituationen in der Wirtschaft sprechen zu können“.4 Zum zweiten besteht ein Dissenz in der Frage des Primats der unterneh­ menspolitischen Verständigung und der strategischen Systemsteuerung. Dahinter verbergen sich unterschiedliche Sichtweisen im Grundlagenver­ ständnis von Untemehmensethik und der Rolle des Managements. Ulrich will die Untemehmensaktivitäten zuerst (generell) untemehmensethisch und -politisch begründet bzw. legitimiert wissen, bevor deren manage­ 1 2 3 4

vgl. Diskussion: Ulrich (1991c.), S. 529ff. und Schneider (1991), S. 537IT. vgl. Steinmann, Löhr (1987), S. 451 ff. sowie Steinmann, Löhr (1994), S. 155ff. vgl. Steinmann, Löhr (1987), S. 452f. Steinmann, Löhr (1987), S. 453

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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mentstrategische Umsetzung erfolgt. Dagegen unterstellen Steinmann/Löhr ein ethisch legitimiertes unternehmerischen Handelns, stellen strategische Untemehmenssteuerung in den Vordergrund und die dialogische Verstän­ digung - für den konkreten Konfliktfall - hintenan.1

Zum dritten betrachten sie das Gewinnprinzip als „an sich“ legitim und Untemehmensethik nur als „situationales Korrektiv“ in prekären ökono­ misch-gesellschaftlichen Spannungsfallen. Sie gehen von der Richtig­ keitsannahme des wettbewerbswirtschaftlichen Systems mit dem Erfor­ dernis einer unternehmerischen Gewinnerwirtschaftung aus.2 In Entgegen­ setzung zu Ulrich sehen Steinmann und Mitarbeiter das gewinnwirtschaft­ liche Vorgehen als in ethischer Hinsicht unverdächtig an. Nur im Aus­ nahmefall ist eine ethisch begründete Einschränkung des Gewinnstrebens geboten. ( 4) Von einem anwendungsorientierten Standpunkt aus nehmen auch Osterloh und Tiemann kritisch Stellung zu den untemehmensethischen Vorstellungen von Peter Ulrich.3 Sie haben die Vorstellung einer „ange­ wandten“ Untemehmensethik, die „Orientierungshilfen über das gute und gerechte Handeln“ zur Verfügung stellt. Vor diesem Hintergrund wird die praktische Umsetzbarkeit des diskursethischen Ansatzes von Ulrich in Frage gestellt. Konkret wenden sie sich gegen eine „unbegrenzte Öffent­ lichkeit“ und plädieren für eine „Stellvertreterregelung“ im Rahmen einer kommunikationsethischen Problembewältigung (exemplifiziert am „BrentSpar-Beispiel“ - der „wellenschlagenden“ Versenkung bzw. Entsorgung der Shell-Ölplattform).4

4 .8.2 Kostenbetrachtung des Konsensus-Managements An dieser Stelle scheint es angebracht, aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Kostenseite eines „dialogisch-kommunikativen“ Managements im Verhältnis zu einer „management-technischen“ Vorgehensweise kritisch zu beleuchten:

1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Steinmann, Löhr (1994), S. 157ff. Steinmann, Löhr (1987), S. 454ff. Osterloh, Tiemann (1995), S. 327ff. sowie (1996) Osterloh, Tiemann (1995), S. 332ff. und dies. (1996), 48f.

132

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

Wie im obigen Abschnitt bereits angeklungen ist, steigt der Entschei­ dungsaufwand und die Kosten des Willensbildungsprozesses mit zuneh­ mender Anzahl von Entscheidungsbeteiligten (und Hierarchiestufen) an. Ihm gegenüber stehen aber die Durchsetzungskosten in der Implementie­ rungsphase der getroffenen Entscheidungen. Hier, bei der Entscheidungs­ umsetzung verhalten sich die Kostenverläufe mit zunehmender Anzahl der Beteiligten gerade umgekehrt, nämlich fallend.1

Weiter zu berücksichtigen sind „Störungen durch pathologische Phänome­ ne“ in Organisationen wie: Orientierungs-, Motivations-, Identitäts-, Konformitäts-, Etablierungs-, Abstimmungs- und Kooperationsstörungen. Diese „suboptimalen“ Organisationsverhältnisse können folgende Kosten­ formen hervorrufen: • • • • •

Herrschaftskosten (Durchsetzungsaufwand bei Dissens), Mängelkosten (bei Fluktuation, Leistungs-, Qualitätsminderung), Kompensationskosten (bei zusätzlichen Anreizen, Kontrollen), soziale Kosten (bei konfliktären Sozialbeziehungen), psychische Kosten (bei komplexen psychologischen Lagen).

Es darf davon ausgegangen werden, daß auch die hierdurch entstehenden „Kosten“ bei zunehmender Anzahl und Intensität der Beteiligung deutlich abnehmend verlaufen, ähnlich den Implementierungs- und Durchsetzungs­ kosten.2 Die betriebswirtschaftliche Betrachtung spricht also für das par­ tizipative und dialogorientierte Management.

Fazit: „Konsensus-Management, das die Betroffenen in die Entschei­ dungsfindung einbezieht, ist somit kostengünstiger als technisch-rationales Management (...).“3 Hier schlägt eine Kritik an Ulrich fehl.

1 2 3

vgl. Thom (1989), S. 145ff. sowie Ulrich (1983), S. 38fF. vgl. Thom (1989), S. 154ff. sowie Türk (1980), Sp. 1860ff. Thom (1989), S. 161

Wirtschaftsphilosophischer Ansatz von Peter Ulrich

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4 .8.3 Zusammenfassende Stellungnahme Vor dem Hintergrund des Traditionsverlustes und Werteverfalls in fortge­ schrittenen Industriegesellschaften setzt Peter Ulrich auf die Karte der Vernunft. Er glaubt (optimistischerweise) an die Substituierbarkeit einer traditionalen und emotionalen Handlungssteuerung durch die Rationalität und unterstellt schlichtweg die Vemunftbereitschaft und Mündigkeitsbe­ strebung des Menschen. Ulrich ist somit um einen Übergang von individu­ ellen, subjektiv-normativen Präferenzvorstellungen zu reflektierten, kollektivbezogenen, ökonomischen Vemunftentscheidungen bemüht.

Die Verallgemeinerungsfahigkeit und der Sozialbezug sowie die Umwelt­ entlastung wirtschaftlichen Handelns sind m. E. wichtige Diskussionsge­ sichtspunkte. Es gilt nämlich, den Wirtschaftssinn in einer Überfluß­ gesellschaft festzulegen und nicht nur auf „die List“ des Wirtschaftsme­ chanismus zu vertrauen. Die Ressourcenschonung, das Offenhalten von Zukunftsoptionen und Handlungsspielräumen sowie Versuche zur Vermei­ dung von „reflexiven“ (d. h. auf sich selbst zurückfallenden) Wirtschafts­ abläufen sind wichtige Ziele. Gerade in Zeiten, in denen die Dringlichkeit einer Handlung ihre Wertigkeit zu bestimmen droht, ist „vernünftiges“ Reflektieren „Bürgerpflicht“.

Bedenklich stimmen allerdings die geringen Entscheidungs- und Hand­ lungsspielräume sowie die Gefahr einer diskursiv-prozeduralen Entschei­ dungsaufblähung in der betrieblichen Praxis. Es könnten Spannungen auftreten zwischen der Legitimität und der Effizienz der von Ulrich als wünschenswert skizzierten Vorgehensweisen unter kontingenten ökonomi­ schen Verhältnissen. Einige kritische Fragen sind deshalb zu stellen: -

Können Vorgesetze und Mitarbeiter bei so viel Umweltdynamik, Kom­ plexitätsanstieg und Wettbewerbsdruck dem gesetzten Diskursanspruch genügen, dessen Validität und Praktikabilität auch noch offen steht?

-

Sind die Anforderungen an den „vernünftigen Menschen“ nicht in ähn­ licher Weise zu idealistisch, wie sie beim homo oeconomicus zu praxis­ enthoben und irreal sind. Stellen beide Menschenbilder nicht eher nur wissenschaftliche Modellannahmen anstelle von Realtypen dar?

-

Desweiteren ist zu fragen, ob für Ulrichs diskursgestütztes Manage­ ment genügend (Risiko-)Kapitalgeber vorhanden wären. Lassen sich

134

WlRTSCHAFTSPHILOSOPHISCHER ANSATZ VON PETER ULRICH

die erwarteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile von Ul­ richs Modell positiv vermitteln, oder würden sie nur als zusätzliches Wirtschaftsrisiko und Managementlähmung empfunden? -

Kann der „mündige“ und „vernünftige“ Mensch nur im Kollektiv der Argumentationsgemeinschaft ethisch vertretbare - legitime - Entschei­ dungen treffen? Und ist damit auch schon die situationsadäquate und erfolgreiche Umsetzung (und Umsetzbarkeit) gesichert?

Ulrich hat im ganzen mehr Vertrauen in die Vemunftbereitschaft und Argumentationsfahigkeit des als mündig betitelten „Interessenbekunders“ denn in die Urteilskompetenz und Verantwortungsbereitschaft der Unter­ nehmensführer. Es wird auch davon ausgegangen, daß partizipativ legiti­ mierte und diskursive Problemlösungsansätze auch zielführend sind für den praktischen Problemlösungsvollzug und für eine letztlich nebenfol­ genenthobene Verwirklichung. Entscheiden und Handeln werden teilweise voneinander gelöst, die klassische Organisationsregel einer Deckung des Entscheidungs- mit dem Kompetenz- und dem Verantwortungsbereich „arbeitsteilig“ aufgehoben. Daß dabei nicht auch ein - untemehmensgefahrdendes sowie gesellschaftlich nicht wünschbares - Ethikrisiko mit­ schwingt, müßte noch bewiesen werden.

Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

5.

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Unternehmensethischer Ansatz von H. Steinmann

5.1 Verantwortung als unternehmerische Aufgabe Sowohl im Bereich der Wirtschaftspraxis (Unternehmen und Management) als auch in der Betriebswirtschaftslehre gab es in Anbetracht manch uner­ freulicher Wirtschaftsfolgen von Untemehmensentscheidungen eine Dis­ kussion über ein verantwortungsvolles (wirtschaftliches) Handeln. An dieser Stelle sollen einige Anmerkungen zu untemehmensethischen Ver­ antwortungsdefiziten gemacht, über Bemühungen zu einer verantwortli­ chen Untemehmensführung gesprochen und über Verantwortungsaspekte in der Betriebswirtschaftslehre nachgedacht werden. In der Praxis treten immer wieder Verantwortungslücken auf, die daraus resultieren, daß der Anspruch an die Verantwortlichkeit immer größer ist, als unter kontingenten Bedingungen die Entscheidungsspielräume und die Handlungsmöglichkeiten erlauben. Mitunter werden auch wettbewerbsbe­ dingt, im Marktkampf, selbstbezogene, auf den eigenen Vorteil und Erfolg bedachte Vorgehensweisen honoriert, deren negative Konsequenzen Anlaß zu Beanstandungen und Einwänden geben. Eine auf Wettbewerb gegrün­ dete Wirtschaft fuhrt nicht zwangsläufig zu mehr Harmonie und Wohl­ fahrt, sondern zeitigt auch Disharmonie und Moralerosion.1

5.1.1 Verantwortungsdefizite unternehmerischen Handelns Der Marktwettbewerb wird durch den rechtlichen Rahmen eingeschränkt und gelenkt. Dennoch lassen sich unterhalb der (juristischen) Legalitäts­ schwelle auch Managementpraktiken ausmachen, die als wenig gesell­ schaftsverantwortlich bzw. ethisch legitim einzustufen sind. Beispiele da­ für wären:2

(a) Der Verkauf fragwürdiger Erzeugnisse „deren Herstellung, Verbrauch, Gebrauch oder Entsorgung den Erwerbern, Bedarfsträgern oder Men­ schen um sich herum schaden können“3 Das können z. B. chemische oder pharmazeutische Produkte, Nahrungs- und Genußmittel für die

1 2 3

vgl. Steinmann, Gerum (1992), S. 291f. sowie Steinmann, Schreyögg (1982) vgl. dazu Dichtl (1991), S. 389ff. Dichtl (1991), S. 389 [Hvh. i. O ]

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Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

Dritte Welt - dafür aber ungeeignet oder unzureichend im Gebrauch unter den dort vorfindbaren Verhältnissen - sein. (b)Die Belieferung von „problematischen Abnehmern“ (z. B. Waffenex­ porte in Krisengebiete, organisierter Sextourismus durch Unternehmen der Tourismusbranche). (c)Die Wahrnehmung von Marktchancen mit bedenklichen Mitteln und Praktiken wie: Bestechung von Entscheidungsträgem, dubiose Misch­ kalkulationen oder Dumpingpreise (einschließlich Sozial- und Öko­ dumping). Dazu zählt auch die Wahrnehmung von Absatzchancen mit dubiosen Produkten (z. B. HIV-infizierte Blutpräparate) oder der Ex­ port von Erzeugnissen in die Dritte Welt, die in den Industriestaaten verboten wurden (beispielsweise bestimmte Pestizide, Insektizide oder Düngemittel).

Schwachstellen zeigen sich oft an der Schnittstelle von der Unternehmung zu den Kunden. Es lassen sich beispielhaft folgende problematische Mar­ ketingpraktiken und Verantwortungsmißbräuche aufzeigen: -

Irreführung und Kundentäuschung, mangelnde Aufklärung, Information und Beratung, Schädigung, Gefährdung, Instrumentalisierung des Marktpartners, Erziehung zum Konsummaterialismus, mangelhafte Übernahme von gesellschaftlichen Folgelasten.1

5.1.2 „Soziale Verantwortung“ des Unternehmers Der Mensch hat als freies und vemunftfahiges Wesen die besondere Mög­ lichkeit, durch sein Handeln und Entscheiden die Welt nachhaltig zu ver­ ändern. Dies legt ihm aber auch die Last der Verantwortung für sein Tun auf - beispielsweise: □ als Verantwortung des Menschen vor Gott (in der Bibel), □ als „Verantwortungsethik “ des Entscheidungsträgers (bei Max Weber), □ als Fürsorge- und Zukunftsverantwortung des Menschen im techni­ schen Zeitalter (gemäß Hans Jonas) u. a. m.

Auch hinsichtlich des unternehmerischen Bereiches gibt es eine jahrzehn­ telange Tradition der Verantwortungsdiskussion, die als „Vorläufer der 1

vgl. Hansen (1988), S. 712

Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

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heutigen Untemehmensethikdebatte“ betrachtet werden kann.1 Es handelt sich darum, das Unternehmen über seinen ökonomischen Beitrag für das menschliche Wohl hinaus, noch stärker und allgemeiner in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Ein Ausfluß dieser Bestrebungen war in den 70er Jahren das sogenannte „Davoser Manifest“. Darin machen es sich die Unternehmer und Manager zur Aufgabe, die verschiedenen Interessen- und Anspruchsgruppen (Kunden, Mitarbeiter, Kapitalgeber und Gesellschaft) in weitestmöglicher Weise bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen.2

In der Tradition der „sozialen Verantwortung der Unternehmensfuhrung “ steht auch Elisabeth Göbel mit ihrem Beitrag zur Untemehmensethik:3 Sie versucht eine Verknüpfung der individuellen, persönlichen Verantwor­ tungsebene des Managers (= Individualethik) mit der höheren, ökonomi­ schen und sozialen Verantwortungsebene der Unternehmung (= Untemeh­ mensethik). Dem Verständnis eines Unternehmens als einer sozialökonomischen Institution folgend, welche auch gesellschaftlichen Anforde­ rungen zu genügen hat (Social responsiveness- und Stakeholder-Ansatz), verankert sie diese Verantwortung im unternehmerischen Zieleset und im strategischen Management. Ihre Zielsetzung ist, den Verantwortungsge­ danken in die Unternehmung hineinzutragen und eine systematische, an­ wendungsbezogene - m.E. beachtenswerte - ethische Konzeption hierzu vorzulegen.4

Den eingangs dargestellten und beschriebenen Mißständen stehen bestän­ dige, aktuelle Bemühungen auf unternehmerischer Ebene entgegen, das Heft der sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtung wieder stärker in die Hand zu nehmen: Wie empirische Studien belegen, gehen nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa bzw. Deutschland mehr und mehr Unternehmen dazu über, ethische Grundsätze in Form von Un­ ternehmenskodizes niederzulegen und verbindlich zu machen.5 „Kodizes formulieren ethische Ideale, die über gesetzlich gegebene Verpflichtungen hinausgehen.“6 Sie sind sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet

1 2 3 4 5 6

vgl. Homann, Blome-Drees (1992), S. 269 vgl. Homann, Blome-Drees (1992), S. 169 vgl. Publikation von Göbel (1992) vgl. Göbel (1992), besonders „Einführung“ und „Schlußbemerkungen“ vgl. Untersuchungen: Hoffmann (1989), S. 167ff; Schlegelmilch (1990), S. 365ff. Schlegelmilch (1990), S. 367

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Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

und wollen dem Wirtschaften einen Rahmen setzen, um es in mehrere Richtungen „verträglich“ zu machen. Es werden in diesem Zusammenhang sieben unterschiedliche Themenkreise angesprochen:

• • • • • • •

Beziehungen zu Mitarbeitern, Verhältnis zu Gesellschaft und Umwelt, Beziehungen zu Kunden, Beziehungen zu Aktionären, Beziehungen zu Zulieferern, politische Statements sowie Innovation und Technologie.1

Als Maßnahmen zur Sicherung ethisch-verantwortlicher Verhaltensweisen stehen sie neben anderen wie: Ethikseminare, Ethikkomitees, Sozialbe­ richte u.a.m.

5.1.3 Verantwortung in der Wirtschaftswissenschaft Angesichts von problematischen Wirtschaftspraktiken im Gegenstandsbe­ reich der Wirtschaftswissenschaft (hier speziell der Betriebswirtschaftsleh­ re) läßt sich die Frage nach der Verantwortung „ innerhalb “ der Betriebs­ wirtschaftslehre (und -Forschung) stellen.2 Aus wissenschaftlicher Sicht lassen sich drei Richtungen (Verantwortungsbestände) unterscheiden und dem Wirtschaftswissenschaftler nahelegen:

1. Erkenntnisgewinnung versus Wirtschaftsberatung: Ein betriebswirt­ schaftlich übliches, anwendungsorientiertes Verständnis will mehr als nur Erkenntnisgewinnung - nämlich auch Praxisberatung - betreiben. Dies zieht notwendigerweise Verantwortungsprobleme für diese Beratung und deren Konsequenzen mit sich, denn: „Wer die Wirtschaft beraten will, übernimmt auch Verantwortung für die Ziele und Folgen dieses Han­ delns.“3

2. Wertneutralität versus Zielorientierung: Da es in einer praxisbezoge­ nen Betriebswirtschaftslehre um Aussagen über optimale Mittelentschei­ dungen und Entscheidungsaltemativen geht, kann die Frage der Entschei­ 1 2 3

vgl. Schlegelmilch (1990), S. 370ff. vgl. Küpper (1988), S. 318 Küpper(1988), S. 321

Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

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dungsziele nicht ausgeblendet werden. Das heißt, daß auch die Ziele des Wirtschaftens zu bedenken und beurteilen (bewerten und gewichten) sind.1

3. Wirtschaftssystembedingtheit versus Entscheidungsfreiheit: Betriebli­ ches Wirtschaften unter Marktbedingungen verläuft immer unter System­ imperativen und Handlungsrestriktionen ab. Unter Verantwortungsge­ sichtspunkten muß stets ein „Sowohl-als-auch“ beachtet werden.2 Es herrscht risikobedingt ein Mangel an Klarheit und Sicherheit. Mit Bezug auf die Praxis der Betriebsfuhrung wurden einige konkretere Verantwortungskonzepte „angedacht“ und beachtenswerte Empfehlungen formuliert:

□ Das „Prinzip Verantwortung“ läßt sich beispielsweise gut im Rahmen einer umfassenderen „Management-Philosophie“ verankern und zur Anwendung bringen.3 Hierbei werden im „Bewußtsein der Wertorientiertheit von untemehmenspolitischen Entscheidungen“ ethische Über­ legungen „zur selbstverständlichen Pflicht einer verantwortlichen Untemehmungspolitik und Betriebsfuhrung“ erhoben.4 Kernpunkt der gemeinten verantwortlichen Untemehmensfuhrung ist, „Langzeitent­ scheide“ im Sinne einer „Langzeitverantwortung“ zu treffen. In beson­ derer Weise sind dabei die Risiken und Folgen der Managerentschei­ dungen unter Rückbindung auf das wertbezogene, zukunftsbewußte, unternehmerische „Gewissen“ zu reflektieren.5 □ In besonderer Verantwortung gegenüber dem Unternehmen („Gewinnund Umsatzziel“) und der Gesellschaft („Verantwortlichkeit für Betrof­ fene“) - sowohl in der Kurzfrist- als auch in der Langfristperspektive findet sich der Marketingmanager.6 Verantwortungsdefizite („ethische Lücken“) im Marketingmanagement tun sich wahmehmungs-, urteils-, entscheidungs- und informationsverarbeitungsbedingt auf und verursa­ chen Konflikte. Lösungsstrategien (im Sinne der „sozialen Verantwort­ lichkeit des Marketing“) werden in der Institutionalisierung des Dialogs mit Konsumenten gesehen. Aber vor durchsichtigen Manövem einer 1 2 3 4 5 6

vgl. Küpper (1988), S. 321 vgl. Küpper (1988), S. 322 vgl. Jäger (1981), S.47ff. vgl. Jäger (1981), S. 49 vgl. Jäger (1981), S. 51ff. vgl. Hansen (1988), S. 713f.

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Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

vorgetäuschten Verantwortungsbereitschaft ist zu warnen, denn sie fuhrt letztlich zu einer Belohnung ä la „Pechmarie“ (nicht „Goldmarie“).1

5.2 Philosophische Grundlagen bei Horst Steinmann 5.2.1 Konstruktive Philosophie und Ethik Der von Steinmann und Mitarbeitern (besonders Albert Löhr) zugrunde­ gelegte philosophische Ansatz ist der Konstruktivismus (Erlanger Schule). Hierbei geht es um die „Rekonstruktion von Aufgaben und Bedingungen der Bildung menschlichen Wissen“ und dessen methodische Begründung durch die Philosophie und Wissenschaft. Dieses Wissen soll handlungsan­ leitend für die Praxis werden, d. h. eine Beratung zu einer „vernünftigen Bewältigung“ von konfliktären Situationen ermöglichen. Das Hauptziel des Konstruktivismus besteht folglich darin, in die Geschehnisse einzu­ greifen, das heißt, „unser Reden, Handeln und Herstellen zu rekonstruieren und vorzubereiten“.2 Die konstruktivistische Denkweise räumt der Praxis eine der Theorie vorund nachgeordnete Stellung ein. Die Theorie soll der Praxis dienen, des­ halb gilt: „Die Ziele von wissenschaftlichem Reden - vor aller Differenzie­ rung in Fachwissenschaften - müssen aus der vorwissenschaftlichen Praxis des Menschen bestimmt werden.“3 Die Fachwissenschaften werden aufge­ fordert, auf dieser „vorwissenschaftlichen“ Grundlage ihren (theoreti­ schen) Beitrag zur Gestaltung der Lebenspraxis zu gründen.

Das bedeutet, daß es nicht nur um Aussagen über technisch-ökonomische Mittel zur Lebensbewältigung gehen kann, sondern daß es auch um die Betrachtung der Lebenszwecke selbst gehen muß, für die die Mittel einge­ setzt werden (= politisch-gesellschaftlicher Aspekt). Konstruktivistisch gesehen geht es also einerseits um die technisch-effiziente Mittelbereit­ stellung für den Lebensvollzug und andererseits auch um die Verantwor­

* 2 3

vgl. Hansen (1988), S. 718ff. vgl. Höffe (1986), S. 134 Lorenzen (1991), S. 42

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tung für die ethisch-politische Praxis des gesellschaftlichen Zusammenle­ bens (im Sinne von Gerechtigkeit und Frieden).1

Das von der Wissenschaft erwartete, „gültige“ Wissen soll zur „Stützung“ und „Begründung“ und damit einer besseren Bewältigung der Praxis die­ nen (Konfliktlösung, Problembewältigung). Der Weg der konkreten Um­ setzung sowohl der technischen als auch der politischen Vernunft in eine „vernünftige Praxis“ ist der Dialog bzw. Diskurs. „Vernünftige, d. h. transsubjektive Argumentation über konfliktrelevante Maßnahmen ist mo­ ralische Pflicht.“2 Nicht das „gute Leben“ oder die „transzendentale Rechtfertigung von Sitt­ lichkeit“ sind das Ethik-Thema im Konstruktivismus: „Vielmehr be­ schränkt sich die Konstruktive Ethik - unter der Voraussetzung eines ele­ mentaren Interesses an konfliktfreiem Miteinanderleben - auf die Analyse und Begründung jener Regeln der Beratung, die zu vernünftiger, d. h. ar­ gumentativ vermittelter, gewaltloser Gemeinsamkeit des Handelns füh­ ren.“3 Auf der Grundlage des „ Vernunftprinzips “ sowie des „Moralprin­ zips “ werden situations- und kulturinvariante Regeln formuliert, „die die Aufstellung gemeinsam überprüfbarer und annehmbarer Sätze als Hand­ lungsvorschläge zum Zweck vernünftiger Konfliktbewältigung ermögli­ chen“.4

5.2.2 Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft Nach dem konstruktiven (= konstruktivistischen) Verständnis ist der Mensch ein technisch-ökonomisches, aber auch ein politisch-soziales Wesen: Für seinen Lebensvollzug setzt er sich Zwecke, die er durch geeig­ nete Mittel zu erreichen versucht (= „Lebensmittel“). Die Technik ermög­ licht es, die „Effizienz“ der Mittel für die gegebenen und gesetzten Zwecke zu erhöhen sowie die Verwirklichung der Zwecke zu fördern. Im Laufe der menschlichen Kulturgeschichte wurde die Zweck-Mittel-Abfolge immer länger und vielschichtiger. Mittel wurden zu Unterzwecken, und für die Mittelbeschaffüng zur Zweckerfüllung wurde Arbeit notwendig.

1 2 3 4

vgl. Lorenzen (1991), S. 45ff. Lorenzen (1991), S. 64 Höffe(1986), S. 134 vgl. Höffe (1986), S. 134

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In Hochkulturen fand eine immer weitergehendere Institutionalisierung dieser Abläufe statt. „Wirtschaftssysteme“ bildeten sich aus. Zur Mittel­ beschaffung und Güterherstellung wurde „Arbeitsteilung“ eingefuhrt und diese im Rahmen von „Organisationen“ (d. h. Wirtschaftsuntemehmen) vollzogen. Das wirtschaftliche Element gewann in der Gesellschaft immer größere Bedeutung („Wirtschaft als organisierte Technik“). Im System der Marktwirtschaft findet in einem „Spiel der Kräfte“ eine Selbstregulierung der Güterproduktion und -allokation statt. Der „marktwirtschaftliche Kampf4 (ein pausenloses, moralfreies Kräftespiel) wird auf technisch­ ökonomischer Ebene zwischen Angebot (Arbeit, Produktion) und Nach­ frage (Bedürfnis, Konsumtion) ausgetragen.1 Mit der Diffusion der ökonomisch-technischen Vernunft in den gesell­ schaftlich-kulturellen Entwicklungsprozeß ging auch eine Ausdifferenzie­ rung der Lebensformen und Lebensstile einher („Lebensformeklektizis­ mus“). Diese Lebensformen stehen miteinander im Wettstreit, der auch über das Agieren auf Märkten (durch Angebot und Nachfrage) ausgetra­ gen wird. Nun ist aber der Mensch nicht nur „ein Tier im marktwirt­ schaftlichen Dschungel“ (d. h. ein „technisch effizienter Raubaffe“), son­ dern auch ein „politisches Wesen Effektive Techniken und marktwirtschaftliche Gestaltungsmechanismen sind schließlich keine „In­ stinktleistungen“, sondern viel eher „Kulturleistungen“. Die menschliche Kulturentfaltung läßt sich wiederum nicht nur evolutionsbiologisch, darwinistisch (im Sinne eben eines „Raubaffen“) deuten. Menschen und Ge­ sellschaften haben sich ja schließlich eine politische, soziale, rechtliche und sittliche Ordnung (Institutionen) gegeben bzw. hervorgebracht. Diese werden gesellschaftlich-politisch kodifiziert, staatlich organisiert und rechtlich überwacht (zwecks Machtkontrolle und Willküreindämmung).2 Die technisch-ökonomische Differenzierung in den Hochkulturen hat eine Vielfalt an Lebensweisen und einen Pluralismus an Lebensansprüchen hervorgebracht. Gleichzeitig damit stiegen auch soziale Unverträglichkei­ ten und gesellschaftliche Konfliktpotentiale. Diese Spannungen sind nicht institutionslos zu bewältigen, vielmehr bedürfen sie einer politisch­ gesetzlichen Regelung. In einer Demokratie laufen diese Vorgänge parla­

1 2

vgl. Lorenzen (1991), S. 43ff. vgl. Lorenzen (1991), S. 45f.

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mentarisch legitimiert und gesteuert ab. Unterschiedliche Lebensauffas­ sungen finden in den politisch-parlamentarischen Fraktionen ihre Bünde­ lung, kämpfen (institutionalisiert) um die Mehrheit und gehen Kom­ promisse ein. Es findet so eine Verbindung des technisch-ökonomischen Aspekts mit dem ethisch-politischen Gesellschaftsentwurf des Menschen statt und beansprucht gesellschaftliche Verbindlichkeit.1 In der beschriebenen gesellschaftlichen Lage ist es erforderlich, „ethisch­ politisches Wissen zur Stützung der vorwissenschaftlichen Praxis“ bereit­ zustellen. Die politische und gesetzgeberische Macht sollte nach konstruk­ tivistischer Auffassung danach streben, „den sozialen Frieden stabiler zu machen“. Auf einen Beitrag zu diesem Ziel wird auch die Wissenschaft festgelegt. Das Friedensziel in der gesellschaftlichen Praxis schließt eine Konfliktreduzierung sowie den Abbau von Spannungen mittels wissen­ schaftlicher Erkenntnisse ein. Wie es „Theorien zur Stützung der techni­ schen Praxis“ (mit dem Efifizienzziel) gibt, sind auch „Theorien zur Stüt­ zung der ethisch-politischen Praxis“ (mit dem Friedensziel) erforderlich.2

Der einzelne Bürger wird aufgefordert, sich die Belange, Ziele und Erfor­ dernisse des Gemeinwesens selbst zueigen zu machen („Republikanis­ mus“). Kompetente Bürger sollen argumentierend („Argumentationskul­ tur“) sich auf dialogischer Basis (konsensorientiert, transsubjektiv) um die Lösung der gemeinsamen Probleme und Aufgaben bemühen. „Politische Vernunft“ (konsensorientiertes Argumentieren) soll auf der Gesellschafts­ ebene die „technische Vernunft“ (machtpolitische Verstandesregelungen) ergänzen, mithin ersetzen.3

5.2.3 Konstruktivistisches Wissenschaftsverständnis Konfliktpotentiale werden sowohl auf der Zweck- als auch auf der Mittel­ ebene des Wirtschaftens lokalisiert:

□ einerseits können ökonomische Konflikte aus der Unverträglichkeit der Zwecke resultieren (normative Problematik)-, □ andererseits entstehen ökonomische Spannungen auch durch unange­ messenen Mitteleinsatz (technische Problematik). 1 2 3

vgl. Lorenzen (1991), S. 47f. vgl. Lorenzen (1991), S. 58f. vgl. Lorenzen (1991), S. 59ff.

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Aus dieser Sicht ergeben sich dann - konstruktivistisch/konstruktiv - die Aufgaben der Wissenschaft, nämlich einen Beitrag zur Minderung oder Lösung der Konflikte bzw. Spannungen auf beiden genannten Ebenen gesellschaftlicher Praxis zu leisten.

Konstruktive Philosophie und Wissenschaftstheorie befaßt sich mit der methodischen Rechtfertigung von Normen. Ein sich darauf gründendes wirtschaftswissenschaftliches Forschungsprogramm wird anschließend vorgestellt. Das Verständnis einer Betriebswirtschaftslehre als wertbezo­ gener, normativer Handlungswissenschaft und die Öffnung des untemehmensethischen Blickfeldes sollen den Abschluß dieses Betrachtungsspek­ trums bilden. (a) Theorie und Praxis in konstruktiver Sicht

Der Konstruktivismus verbindet mit „Theorie“ einen Oberbegriff für Phi­ losophie, Wissenschaftstheorie und Wissenschaft. Das, was demgegenüber unter „Praxis“ verstanden wird, läßt sich (als Defizitbereich) so deutlich machen: „Praxis im weiteren Sinne ist dann das 'gewöhnliche Leben', in dem in bestimmten gesellschaftlichen Situationen über Zwecke entschieden und Mittel zu ihrer Verfolgung gewählt werden müssen. Dabei ergeben sich Konflikt- und Mangelsituationen dadurch, daß Zwecke verfolgt wer­ den, die sich gegenseitig be- oder verhindern und zu verträglichen Zwecken nicht geeignete oder nicht ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.“1 Das Wissenschaftsverständnis verdichtet sich nun zu der Auffassung, einen methodisch abgesicherten Beitrag zu der beschriebenen, unzu­ länglichen Praxis - wie folgt - zu leisten: „Wissenschaft wird nun als die Tätigkeit verstanden, die dazu dienen soll, die Bewältigung von Konfliktund Mangelsituationen vorzubereiten. Aufgabe der Philosophie und Wis­ senschaftstheorie ist es, die Methoden wissenschaftlicher Problemlösungen bereitzustellen. Ausgangspunkt wissenschaftlicher Bemühungen sind also praktische Probleme (Konflikt- und Mangelsituationen). Ziel der theoreti­ schen Bemühungen ist es, einen Beitrag zur vernünftigen Bewältigung dieser Probleme zu leisten.“2

Im Mittelpunkt wissenschaftlicher Erkenntnisziele steht die Gestaltung der Praxis, d. h. die situativ vorgegebene, gesellschaftliche Praxis in eine 1 2

Steinmann u. a. (1976), S. 61 Steinmann u. a. (1976), S. 62 [Hvh. i. O.J

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„vernünftige Praxis“ zu überfuhren. Die konstruktivistische Vorgehens­ weise ist die, daß die vorhandene Praxis („elementare Praxis“) unter Zuhil­ fenahme von Philosophie und Wissenschaftstheorie („methodische Pra­ xis“) und der Fach- und Einzelwissenschaften zu wissenschaftlichen Aussagen („allgemeine Praxis“) für die Gestaltung der vorfindbaren Pra­ xis führen soll. Die aus diesen praktischen Erfordernissen betriebene Wis­ senschaft kann (und soll) mit ihren Erkenntnissen und Aussagen von einer faktischen Praxis {Istzustand) in Richtung einer vernünftigen Praxis {Soll­ zustand) fuhren. Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie leisten dabei wichtige Dienste für ein methodisches Geleit. (b) Ethik aus konstruktiver Sicht Der Ethik wird inhaltsmäßig die Aufgabe zugedacht, Prinzipien (Ver­ nunft- und Moralprinzip) zur praktischen Problembewältigung aufzustel­ len. Verfahrensmäßig soll die Situationsbewältigung durch Argumentation und Beratung (d. h. im „transsubjektiven Dialog“) erfolgen.

Die Bewältigung der Lebenspraxis macht gemeinsames Handeln not­ wendig. Eine rationale und moralische Situationsbewältigung, wie sie hier angestrebt wird, ist auf transsubjektive Weise nur dialogisch, konsensuell möglich. Verallgemeinerung läßt sich auf dem Wege des Diskurses (eben auch argumentativ und konsensorientiert) erreichen. Damit werden Ent­ scheidungsziele und Handlungsnormen in der zu bewältigenden Lebens­ praxis verallgemeinerungsfähig (gemäß Vernunftprinzip) und gleichzeitig allgemeinverträglich (gemäß Moralprinzip).1

(c) Logik aus konstruktiver Sicht Nach konstruktivem Verständnis ist die Bestimmung der Methoden und Verfahren zur Begründung und Rechtfertigung von dialogfahigen und vernünftigen Argumenten sicherzustellen (Vermeidung von logischen Fehl­ schlüssen; „Münchhausen Trilemma“). Dabei gilt der Rekurs auf den Pri­ mat der (vorwissenschaftlichen) Praxis: „Ebenso wie die ethischen Prinzi­ pien aus der Praxis des Miteinanderhandelns einsichtig gemacht werden können, bestimmt sich der Anfang jeder Rechtfertigung und Begründung wissenschaftlicher Sätze aus einer vorwissenschaftlichen 'Erfahrungs-

1

vgl. Steinmann u. a. (1976), S. 63ff.

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Welt'.“1 Die Unterlegung einer vorwissenschaftlichen Praxis bedeutet, auf die Inanspruchnahme theoriebeladener Voraussetzungen bei der Aufstel­ lung wissenschaftlicher Aussagen zu verzichten. Begründungen und Rechtfertigungen müssen ihren Gültigkeitsanspruch stets im praktischen Dialog erneuern und erhärten und nicht formalen bzw. empirischen Krite­ rien oder dogmatischen Vorgaben genügen. Im Rahmen der konstruktiven Wissenschaftsauffassung haben Ethik und Logik die methodische Entla­ stungsarbeit zu leisten (d) Wissenschaftstheorie aus konstruktiver Sicht

In der Praxis kommt es zu Konfliktsituationen wegen nicht verträglichen Zwecken, Mitteln und Normen. Diese Konfliktsituationen im gesellschaft­ lichen Lebenszusammenhang zu reduzieren, ist Aufgabe der Wissenschaft. Die konstruktive Wissenschaftstheorie weist zwei Richtungen aus: 1. eine Theorie der Rechtfertigung sowie 2. eine Theorie der Begründung von Zwecken, Zielen und Normen.2 (1) Im Rahmen der Theorie der Rechtfertigung besteht die Aufgabe darin, von einer „faktischen Genese“ konkreter, konfliktärer Handlungssituatio­ nen zu einer „normativen (ethischen) Genese“ zu gelangen, um die Kon­ fliktsituation zu überwinden. Dazu ist ein Beurteilungserfordemis der Bedürfnisse und Zwecke hinsichtlich ihrer Gerechtfertigung und Begrün­ detheit gegeben. Einen besseren Verständniszugang dazu verschafft die Unterscheidung und Definition von primären und sekundären Zwecken:



„Die Primärzwecke, die von jedem verfolgt werden müssen,..., sind die Zwecke, die die Befriedigung der Bedürfnisse und Zwecke zum Inhalt haben, die Bedingung des Lebens sind (Naturbedürfnisse).“3 Primär­ zwecke sind dadurch gerechtfertigt, daß sie lebenserhaltende, naturbe­ dingte Zwecke (Bedürfnisse) darstellen, die in einer „gemeinsamen Bedürfiiisbefriedigungspraxis“ angestrebt und erfüllt werden (müssen).



Anders verhält es sich bei „Sekundärzwecken“, die eine Befriedigung von „Kulturbedürfnissen“ zum Ziel haben. In diesem Fall rückt die Beurteilung der zur Erreichung der Ziele erforderlichen Mittel ins

1 2 3

Steinmann u. a. (1976), S. 67 vgl. Steinmann u. a. (1976), S. 69ff.; Schreyögg, Steinmann (1980), Sp. 2397f. Steinmann u. a. (1976), S. 71 [Hvh. i. O.]

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Blickfeld. Je nach Zugriffsmöglichkeit (Verfiigungsmacht) können die­ se auch zur Befriedigung „individueller Begehrungen“ eingesetzt wer­ den. D. h., daß die kulturbedingten Zwecke und Bedürfnisse nicht schon aus sich heraus begründet sind, sondern erst einen Rechtferti­ gungstest bestehen müssen. (2) Mittels der Theorie der Rechtfertigung sollen - wie eben ausgeführt Methoden bereitgestellt werden, mit deren Hilfe eine vernünftige Bewälti­ gung von Konfliktsituationen auf der Zweckebene geleistet werden soll. Nun will die Theorie der Begründung ihrerseits auf der Mittelebene ähn­ liches leisten. Entscheidend für eine friedliche Praxis ist nämlich nicht nur die Lösung konfligierender Zwecke, sondern auch die unangemessene Mittelkombination und -anwendung in Anbetracht der Güterknappheit. Es ist zu prüfen, ob die Zwecke selbst geeignet sind, als Mittel gesellschaftli­ che Ziele zu verwirklichen. Erst dann ist die Herbeiführung von Situatio­ nen zur Zweckerreichung und Bedürfnisbefriedigung vertretbar. Desglei­ chen geht es im Rahmen einer Zweck-Mittel-Hierarchie um die Frage der Wirkungen und Folgen: „Es müssen also die Zwecke auch daraufhin über­ prüft werden, ob sie als Mittel geeignet sind, die intendierten Wirkungen das gesellschaftlich notwendige und historisch mögliche Maß an vernünf­ tiger Selbstbestimmung - herbeizuführen.“1 Reformerische Lebensgestal­ tung („Kulturreform“) ist neben Erkenntnisgewinnung über Zwecke und Mittel der andere Aspekt von (Wirtschafts-)Wissenschaft. Die Autoren greifen die „kritisch rationale“ Wahrheitsauffassung von wissenschaftlichen Sätzen an. Sie argumentieren gegen eine sich im Selbstvollzug als wertfrei definierende Wissenschaft und charakterisieren dieses Vorgehen als praxisfemes, wertfreies Theoretisieren. „Eine Wissen­ schaft und mit ihr eine Wissenschaftstheorie, die aber weder der Beratung von Menschen dient, 'die im Konflikt leben, weil sie miteinander unver­ trägliche Zwecke gesetzt haben', noch der 'Beratung von Menschen, die nicht wissen, mit welchen Mitteln sie miteinander verträgliche Zwecke erreichen können', möchten wir lieber als Spiel - und zwar als Spiel, das auf Kosten der Gesellschaft geht - bezeichnen, denn als Wissenschaft.“2

1 2

Steinmann u. a. (1976), S. 76 [Hvh. i. O.] Steinmann u. a. (1976), S. 60

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5.3 Wirtschaftswissenschaftliche Grundkonzeption 5.3.1 Wirtschaftswissenschaftliches Forschungsprogramm Die Wirtschaftswissenschaft soll einer besseren Bewältigung der Lebens­ praxis dienstbar sein („Wirtschaftswissenschaft in praktischer Absicht“). Das bedeutet die Bewältigung von Mangel- und Knappheitssituationen im Sinne von nicht-konfligierenden Zielen und mit angemessenen Mitteln. Aus der Knappheitsbedingung, dem Mangel an angemessenen Befriedigungssituationen und der Ambivalenz von Aufwand und Nutzen entstehen Konflikte:

-

Es erhebt sich bei Horst Steinmann u. a. die wirtschaftswissenschaft­ lich relevante Frage nach der Berechtigung der Güterherstellung sowie nach der Verallgemeinerbarkeit von Bedürfnissen und Interessen: „Die bloße Existenz bestimmter Bedürfnisse und Interessen kann dem­ zufolge noch keine entsprechende Güterproduktion rechtfertigen, denn eine normative Ökonomie ist ja gerade daran interessiert, das bloß Faktische von dem Vernünftigen zu scheiden. Erst die Auszeichnung vernünftiger Interessen und Bedürfnisse läßt die Bestimmung einer ge­ rechtfertigten Güterproduktion zu.“1 Die Auseinandersetzung mit der Begründbarkeit und Rechtfertigbarkeit von Interessen und Bedürfnissen wird somit der Wirtschaftswissenschaft als Betrachtungsgegenstand zugeschrieben.

-

Ein Konfliktpunkt, der einer wirtschaftswissenschaftlichen Erhellung bedarf, manifestiert sich auch in dem Umstand, daß zur Befriedigung von Bedürfnissen (durch Güterbereitstellung) ein Aufwand getrieben werden muß, der seinerseits wieder Mängel und Defizite schaffen kann. Die Rede ist vom menschlichen Arbeitsaufwand (d. h. Arbeitskraftein­ satz), der „im Tausch“ für das Produkt einzubringen ist.

„Arbeit“ wird hier als Tätigkeit im Rahmen der Produktion von Gütern zur Befriedigung konkreter Bedürfnisse verstanden. Da sie (subjektbezogen) einen Aufwand darstellt, kann sie aber auch selbst zu Mängel- und Kon­ fliktsituationen (Arbeitsleid) bei dem Arbeitsleistenden fuhren. Diese kön­ nen einerseits in dem durch Arbeitseinsatz auftretenden Kräfteverbrauch

1

Steinmann u. a. (1976), S. 80 [Hvh. i. O.]

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deutlich werden oder sich andererseits in der um den Arbeitszeitaufwand verkürzten Konsumzeit manifestieren. So gesehen kann in dem Verzicht oder der Vorenthaltung der Arbeitsleistung selbst schon ein Lust- und Zeitgewinn (d. h. alternative Befriedigungsoptionen) stecken, der nicht erst über den Weg des Arbeitseinsatzes zur Güterherstellung und Konsumtion zur Befriedigung gebracht werden muß.1 Betrachtet man nun Arbeit in der beschriebenen Weise selbst als „knappe Ressource“, die bei ihrem „Verbrauch“ Mängelzustände hervorrufen kann, so entfaltet sich ein weiteres Forschungsfeld für die Wirtschaftswissen­ schaften: Die Erstellung von Gütern (durch Arbeitseinsatz) zur Einschrän­ kung von Mängellagen und zur Nutzensteigerung (Erhöhung der Annehm­ lichkeiten) ist substitutiv verknüpft mit einer im Arbeitsaufwand liegenden Nutzenminderung des Betroffenen (durch Streß, Zeitverbrauch, Sinndefi­ zit).2 Daraus ergibt sich also die Untersuchung einer menschenbezogenen, ökonomischen Arbeitseinsatzoptimierung als Forschungsgegenstand. Es ist Aufgabe einer praktisch-orientierten Wirtschaftswissenschaft, auf diese Probleme einzugehen und Lösungsvorschläge auszuarbeiten. In dem beschriebenen Sinne ist diese Betriebswirtschaftsvorstellung nicht nur praxisnah und anwendungsorientiert, sondern kritisch-praktisch und be­ ratend-reformerisch zugleich. „Wie für alle Wissenschaften gilt vorweg als Obemorm die Aufforderung, methodisch zur Lösung praktischer Pro­ bleme beizutragen. Die daraus ableitbare Aufgabenstellung ist zweigeteilt, und zwar sollen die Wirtschaftswissenschaften zum einen der Beratung von Menschen dienen, die im Konflikt leben, weil sie sich unverträgliche Zwecke setzen, und zum anderen der Beratung von Menschen, die nicht wissen, mit welchen Mitteln sie miteinander verträgliche Zwecke erreichen können.“^

5.3.2 Unternehmensethisches Anwendungsprogramm (1) Methodisch-konstruktive Begriffsbestimmung Die untemehmensethische Sichtweise von Steinmann und Mitarbeitern rekuriert nach eigenem Bekunden auf folgende philosophische Ansätze: die 1 2

vgl. Steinmann (1976), S. 80f. vgl. Steinmann (1976), S. 80f. Steinmann u. a. (1976), S. 82 [Hvh. i. O.J

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Diskursethik (Habermas), die Kommunikationsgemeinschaft (Apel) und in besonderem Maße die konstruktive Philosophie und Wissenschaftstheorie (Lorenzen) - wie vorne ausgeführt. Dabei wird die im folgenden beschrie­ bene Vorgehensweise beschritten: „den Begriff der Untemehmensethik im Sinne eines speziellen Worteinfiihrungsverfahrens zu konstituieren, der sogenannten 'Ideation' (Aphairesis). Dies Verfahren stellt methodisch aus­ drücklich auf die Gewinnung eines begrifflichen Instrumentariums aus der Lebenspraxis ab, ...“J Folgende methodischen Schritte gelten hierbei:

-

Begriffsentwicklung aus der Praxis: Konstruktivistisch gesehen geht es erstmal darum, „gelungene“ Praxisabläufe zu identifizieren. Danach werden diese gewissermaßen „aufgearbeitet“ („aphairetische Begriffsbildung“) und dann den vorfindbaren, kontingenten Gegebenheiten („elementare Praxis“) vorgelegt und empfohlen. Somit kann die kon­ fliktgeladene Situation in eine friedlichere („vernünftige Praxis“) über­ geleitet werden. Der „Fall Nestle“ gilt als gelungenes Beispiel hierfür:

Der Nestle Konzern hat das Mißfallen der Öffentlichkeit (bzw. bestimmter Interessengruppen) auf sich gelenkt, weil er Babynahrung in Ländern der Dritten Welt abgesetzt hatte und es zu Krankheits- und sogar Todesfällen bei Säuglingen kam. Nach einer Phase der Eskalation zwischen Firma Nestle und den gegen sie protestierenden und prozessierenden Interessen­ gruppen (= Konfliktphase) kam es zu einem Dialog und Vereinbarungen zwischen den Kontrahenten (= Kompromißphase). Schließlich wurde ein 11 Verhaltensregeln umfassender Einigungskatalog (= Konsensphase) erstellt und eine Selbstverpflichtung von Nestle bezüglich seiner Pro­ duktabsatzpolitik und der Einhaltung der Kodizes vereinbart.2 In der Wirt­ schaftspraxis liegen nach diesem Verständnis implizit schon die richtigen Lösungsmuster vorgezeichnet. Diese müssen durch Begriffsbildung nur herausgehoben und bewußtgemacht werden. - Aphairetische Methode zur Begriffsbildung: Steinmann und Löhr be­ dienen sich bei der begrifflichen Herausarbeitung von Untemehmens­ ethik des Verfahrens der „Ideation“ bzw. „Aphairesis“. Die „aphaireti­ sche Rede über Handlungsnormen“ in der Untemehmensethik aufgrund des Nestle-Falles dient nicht primär einer „technischen“, vielmehr einer 1 2

Steinmann, Löhr (1988a), S. 16 vgl. Steinmann, Oppenrieder (1985), S. 171 f.,

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„politischen“ Handlungspraxis, d. h. der Herstellung institutioneller Regelungen (Normen) für die ökonomische (betriebliche) Praxis.1

Resümee: Die von Steinmann und Mitarbeitern vorgeschlagene Lösung von konkret gegebenen Konfliktsituationen fuhrt vom Konflikt über den Konsens zum Kompromiß. Die vereinbarten Verhaltensregeln beanspru­ chen Verbindlichkeit und werden den Kontrahenten als Selbstverpflichtung auferlegt. (2) Unternehmensethischer Steuerungsmechanismus

Bezogen auf die Ebene der Einzeluntemehmung gilt nach Steinmann, Löhr prima vista die „Richtigkeitsvermutung “ gegenüber dem Prinzip der Ge­ winnsteuerung sowie die Unhintergehbarkeit der Rechtsvorschriften: „Vom Grundsatz her setzt der vorzuschlagende Begriff von Untemehmensethik also schon voraus, daß das Prinzip der Gewinnerzielung einer marktwirt­ schaftlichen Ordnung gerecht ist, und zwar insoweit, wie im Einzelfall von den entstehenden Wirkungen der Gewinnverfolgung her gesehen keine vernünftigen Argumente dagegen vorgebracht werden (können).“2 Auf der Untemehmensebene ist das Gewinnprinzip als „Formalziel“ und die dar­ aus folgende materielle Mittelwahl „ im allgemeinen “ als richtig anzuse­ hen. Darüber hinaus wird jedoch nicht verkannt, daß Folge- und Neben­ wirkungen auftreten können, die unerwünscht und rechtfertigungsbedürftig sind. Hier wird die Untemehmensethik ins Spiel gebracht. Sie hat sich einerseits mit den unerwünschten Folgen und Wirkungen unternehmeri­ schen Handelns und andererseits mit deren Begrenzung zu befassen. Gleichzeitig damit sollen die „Chancen der friedlichen Koordination wirt­ schaftlicher Handlungen“ nicht zu Lasten der wettbewerbsnotwendigen, unternehmerischen Entscheidungs- und Handlungsspielräume gehen.3 Die Defizite und Grenzen der Steuerung von Markt und Recht machen also Untemehmensethik notwendig. Steinmann und Mitarbeiter sind zuver­ sichtlich, was die Möglichkeiten der Untemehmensethik betreffen. Sie plädieren für eine situationsabhängige Einschränkung des Gewinnziels auf ethischem Wege: „Vom Grundsatz her kann es hier nicht um eine gänzliche Eliminierung, sondern nur um eine situationale Beschränkung 1 2 3

vgl. Steinmann, Löhr (1988b), S. 311 Steinmann, Löhr (1988a), S. 13 vgl. Steinmann, Löhr (1991b), S. 8f.

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des Gewinnziels gehen. Das bedeutet mit anderen Worten, daß untemehmensethische Normen als Obemormen für besondere (konfliktträch­ tige) Einzelfalle zu verstehen sind. Dies impliziert wiederum zum einen, daß das Gewinnprinzip als Formalziel aller Untemehmensaktivitäten für den Normalfall schon gerechtfertigt sein muß; Untemehmensethik ist dann ein Korrektiv für den Ausnahmefall. Zum anderen darf Untemehmensethik (als Obemorm) nicht bewußt als Mittel zum Zwecke der Gewinnerzielung konzipiert und eingesetzt werden; es soll sich also nicht ex ante eine Ren­ tabilität der Normensetzung begründen lassen. Denn wenn Untemehmens­ ethik von vomeherein in einer funktionalen Beziehung zum Gewinnprinzip stünde, wäre sie eben keine Obernorm mit eigenständigem Konflikt­ lösungspotential mehr.“1 (3) Unternehmensethisches Grundkonzept

Untemehmensethik stellt eine Forderung nach ethischer Orientierung von unternehmerischen Entscheidungen und Vorgehensweisen dar. Von Steinmann/Löhr werden verschiedene Anforderungen und unterschiedliche pro­ grammatische „Ethikfacetten“ vor konstruktivistischem Hintergrund her­ ausgearbeitet und angemahnt:2 -

Untemehmensethik als normative und prozessuale Ethik; Untemehmensethik als Vemunftethik; Untemehmensethik als kommunikative Ethik; Untemehmensethik als ergänzende und beschränkende Entscheidungs­ orientierung neben dem Gewinnprinzip; Untemehmensethik als Folgenethik; Untemehmensethik als Selbstbeschränkung.

Die untemehmensethischen Frage- und Aufgabenstellungen lassen sich praktisch auf zwei Ebenen lokalisieren:

(a) auf der Ebene der Außenbeziehungen (Systemebene), d. h. der Unter­ nehmensaktivitäten im Wettbewerb und in der Marktsituation (Käufer, Lieferanten, Konkurrenten, Anspruchsgruppen);

1 2

Steinmann, Löhr (1988a), S. 12 [Hvh. i. O.] vgl. Steinmann, Löhr (1988a.), S. lOff. sowie dies. (1991b), S. lOff.

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(b)auf der betriebsinternen Ebene durch innerorganisatorische Gegeben­ heiten (Untemehmensstruktur, Organisationsweise, Mitarbeiter, Es ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß sowohl eine (gesellschaftli­ che) Kompatibilität der Ziele als auch die (wirtschaftliche) Sicherung des Untemehmensbestandes im Marktwettkampf durch geeignete Mittel ge­ währleistet wird. Steinmann setzt sowohl auf der Ebene der Zwecke (Ziele) als auch auf jener der Mittel (Maßnahmen) auf dialogische Verständigung und Konsensbestrebung (Konfliktabbau, Friedensförderung). Auf der Managementebene geht es konkret um die Förderung einer Wertorientie­ rung, einer mitarbeiterbezogenen Führungsweise und die Beseitigung von „ organisatorischen und soziologischen Blockaden worauf noch näher einzugehen ist.

Zusammenfassend läßt sich das Verständnis von Horst Steinmann und Albert Löhr so definieren: „Untemehmensethik umfaßt alle durch dialogi­ sche Verständigung mit den Betroffenen begründeten bzw. begründbaren materialen und prozessualen Normen, die von einer Unternehmung zum Zwecke der Selbstbindung verbindlich in Kraft gesetzt werden, um die konfliktrelevanten Auswirkungen des Gewinnprinzips bei der Steuerung der konkreten Untemehmensaktivitäten zu begrenzen.“2 Die genannten inner- und außeruntemehmerischen Aspekte finden ihre Bündelung und Systematisierung in einer „republikanischen“ Untemehmensethik.3

5.4 Mensch und Unternehmung bei Steinmann 5.4.1 Unternehmensbild und Mitarbeiterverständnis Unternehmungen lassen sich nach Steinmann und Mitarbeitern als Interes­ senverband betrachten und analysieren.4 Nach Steinmann und Gerum sind die Interessenlagen im Wirtschaftsprozeß „interessenpluralistisch“ zu se­ hen (nämlich: Konsumenten, Arbeitnehmer, Kapitaleigner und öffentliche Interessen).5 Die Politik namentlich von Großuntemehmungen ist an die

1 2 3 4 5

vgl. Steinmann, Löhr (1991b), S. 14f. Steinmann, Löhr (1991b), S. 10 sowie (1988a), S. 15 vgl. Steinmann, Löhr (1994a), S. 12If. sowie (1994b) vgl. Steinmann u. a. (1976), S. Iff vgl. Steinmann, Gerum (1992), S. 219ff.

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gesellschaftliche Verantwortung gebunden.1 Die Untemehmenspolitik muß dem gesellschaftlichen (Werte-)Wandel Rechnung tragen und die Umwelt beachten. Um dies zu gewährleisten, müssen neben rechtlich­ institutionellen und organisatorischen Aspekten insbesondere sozial­ ethische Aspekte einer verantwortungsbewußten Untemehmensfuhrung hinzutreten und berücksichtigt werden.2 Vor dem Hintergrund der Frage nach der Steuerung des Untemehmensgeschehens gewinnt das Untemehmensbild von Steinmann u. a. an Kontur: Danach ist die Unternehmung nicht nur eine „ökonomische Institution“, sondern auch ein „ Ort ethischer Reflexion Untemehmensethik ist dabei nicht nur „Angelegenheit der oberen Führungsetagen“, sondern der ge­ samten, arbeitsteiligen, zielgerichteten Organisation.3 Der Mensch bzw. Mitarbeiter wird hierbei als redendes und handelndes Wesen gesehen, das sich nicht in einem blinden, verhaltensgesteuerten Tun ergeht.4 Er wird aufgefordert, unter dem Leitbild des „ Organisationsbür­ gers“ die „Sache“ der Unternehmung zu seiner eigenen zu machen und verantwortlich gestaltend darin zu wirken.5

Nun wird plausibel, daß Horst Steinmann und seine Mitarbeiter als unter­ nehmerische Ziel- und Orientierungsgröße nicht allein den Gewinn anse­ hen. Vielmehr gilt ein situativ und gesellschaftlich eingeschränktes (d. h. verträgliches) Gewinnprinzip als Richtschnur für unternehmerische Ent­ scheidungen.

5.4.2 Sozio-ökonomische Mängelliste Der hier zur Betrachtung anstehende Problemkomplex innerorganisatori­ scher Barrieren wird von Steinmann und Löhr (angelehnt an Waters) in zwei Richtungen ausgearbeitet: der Organisationsstruktur einerseits und der Orgänisationskultur andererseits. Hinzu treten schließlich persönlich­ keitsbedingte Schwächend

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vgl. Steinmann, Schreyögg (1982), S. 515ff. vgl. Steinmann, Schreyögg (1982), S. 528ff. vgl. Steinmann, Löhr (1991b), S. 9f. vgl. Steinmann (1978), S. 74 vgl. Steinmann, Löhr (1994a), S. 162ff. vgl. Untersuchung von Waters zitiert in Steinmann, Löhr (1991a), S. 281 ff.

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(a) Organisationsstrukturbedingte Blockaden: Insgesamt ist die Gestal­ tung und Durchführung eines multipersonalen, arbeitsteiligen, effizienten Produktionsprozesses eine Induktionsquelle für untemehmensethisch frag­ würdige Effekte:1

- Arbeitsteilung: Sie fordert Ressortdenken und Selbstbeschränkung, hochgradige Spezialisierung, Expertenmacht und schließlich Verant­ wortungsbegrenzung und Unverantwortlichkeit. - diffuse Entscheidungskompetenzen: Diese sind das Ergebnis einer „vertikalen“ Arbeitsteilung mit Informationsfilterung und unkoordi­ nierten Vorgehensweisen, die von Machtkämpfen begleitet werden. ineffiziente Befehlshierarchien: Amtswege, komplizierte „Befehlsket­ ten“ und Verantwortungseinschränkungen führen hierbei zu uner­ wünschten Blockaden mit Initiativenhemmung und Ineffizienzsteige­ rung. (b) Organisationskulturbezogene Blockaden: Auch die in einer Unter­ nehmung herrschende Kultur kann Hemmnisse darstellen, die aus unter­ nehmensethischer Sicht problematisch sind. Hierbei werden folgende vier Aspekte aufgezeigt:2

-

-

-

1 2

organisationale Verhaltenserwartungen gegenüber Mitarbeitern: Bestimmte (negative) betrieblich-berufliche Sozialisationsbedingungen, Rollenvorstellungen und Sanktionsmechanismen führen zu einem An­ passungsdruck auf den einzelnen Mitarbeiter und zu negativen Soziali­ sationswirkungen (z. B. Abbau moralischer Hemmschwellen). dysfunktional wirkende Gruppenkohäsion: Ein großer Gruppenzu­ sammenhalt („Wagenburgmentalität“) führt dazu, daß sich Gruppen­ praktiken einschleifen und verfestigen, die gegenüber moralischen Kri­ terien immun sind. Darüber hinaus treten Rivalitäten und Feindschaften zwischen Arbeitsgruppen auf, die die Kommunikations- und Koopera­ tionsbereitschaft reduzieren und die Erreichung des gemeinschaftlichen Betriebszieles gefährden. unklare (problematische) Zielkriterien: Widersprüchliche Kriterien für Entscheidungen und Handlungen, das Vernachlässigen und Überge­ hen von moralischen Standpunkten oder rein pragmatische, quantitative

vgl. Steinmann, Löhr (1994a), S. 29ff. vgl. Steinmann, Löhr (1994a), S. 39ff.

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Zielvorgaben (d. h. reine Erfolgsorientierung) fuhren zu Spannungen und wirken kontraproduktiv.

- Abschottung gegenüber „äußeren“ Einwänden: Auch eine Ab­ schottungsmentalität durch Informationsverzögerung oder -Zurück­ haltung hat problematische Auswirkungen: einerseits hinsichtlich untemehmensintemer Lernprozesse und Betriebsklima, andererseits ge­ genüber einer interessierten Öffentlichkeit und von außen kommenden Anregungen.

(c) Menschlich-personenbedingte Schwächen: Außer auf der Systemund der Organisationsebene treten auch auf der Personalebene ethische Problemzonen zutage: Empirische Untersuchungen über Werthaltungen von Führungskräften belegen ein Kleinschreiben von „Ethik“ und „Ethos“ in der Wirtschaftspraxis. Der feststellbare Wertewandel fuhrt in Richtung eines selbstverwirklichenden „Egotrips“. So läßt sich vor diesem Hinter­ grund ein „eher pessimistisches Gesamtbild über die moralische Qualität der befragten Manager“ zeichnen.1 Referenzquelle ist eine Studie von F.X. Kaufmann, W. Kerber und P.M. Zulehner. Die Autoren konstatieren darin eine „opportunistische Grund­ einstellung“ bei (aktuellen und potentiellen) Führungskräften verbunden mit einem „Verzicht auf ethische Anstrengungen“.2 Im einzelnen fuhrt Walter Kerber in diesem Zusammenhang folgende ermittelten Merkmale, die er unter dem Schlagwort „ Opportunismus “ zusammenfaßt, auf:3 Ichzentrierung, Erfolgsorientierung um jeden Preis, materiell-hedonistische Haltung, Moralbeurteilung als Gefühlssache.

5.4.3 Unternehmensethische Lösungswege Nach der Vorstellung von Horst Steinmann und Albert Löhr soll sich Un­ temehmensethik nicht im Theoretisieren erschöpfen. Vielmehr plädieren sie für eine „angewandte Ethik“, deren Ziel es ist, „Bedeutung im wirt­ schaftlichen Handlungszusammenhang“ zu erlangend Dabei werden Lö­

1 2 3 4

vgl. Steinmann, Löhr (1994a), S. 46ff. vgl. Buch von Kaufmann, Kerber, Zulehner (1986) vgl. Kerber (1991), S. 310 vgl. Steinmann, Löhr (1994a), S. 94fT.

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sungsvorschläge hinsichtlich der Untemehmensorganisation, des Perso­ nalwesen und des „Führungshandeln “ genannt - wie folgt: (a) Unternehmensorganisation: Organisationsstrukturen sind orga­ nisch und ethisch zu konzipieren. Dabei sollen sie untemehmensethischen Kommunikationsanforderungen geöffnet werden und den Partizipationssowie Identifikationsvorstellungen der Mitarbeiter Rechnung tragen:

1. ethisch begründete Strukturveränderungen innerhalb der organisatrischen Machtstrukturen: - Einrichtung von Stellen für Vertrauensleute, Ombutsmänner; - Umorganisation arbeitsteiliger Prozesse durch reintegrierende, arbeits­ organisatorische Maßnahmen (z. B. Arbeitsgruppen); - Stärkung dialogfördemder Potentiale sowie konfliktlösender Bemühun­ gen.1 2. untemehmensethische Strukturveränderungen außerhalb der organi­ satorischen Machtstrukturen: Einrichtung von Organen, die dem Druck der Machtstrukturen entzogen sind, beispielsweise EthikKommissionen zur Überwachung der Einhaltung ethischer Standards.2

3. Veränderung der Ablauforganisation und Implementierung ethischer Organisationsmuster: - Schaffung von kommunikationsfördemden, konflikt- und problemlö­ senden Organisationsabläufen; - Implementierung organisatorischer, interaktionsfördemder, kommuni­ kationsdienlicher Strukturmuster.3 4. Maßnahmen im Rahmen der Unternehmenskultur: Schließlich plädie­ ren die Autoren für eine dialogfördemde, nicht manipulierend­ vereinnahmende Organisationskultur. 4

(b)Personalbereich: Auf der Personalebene gilt die Personalbeschaffüng und Personalentwicklung als wichtige untemehmensethische Maßnahme. Dabei haben Steinmann und Löhr das Leitbild des „Organisationsbürgers“

1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Steinmann, Löhr (1994a), S. Steinmann, Löhr (1994a), S. Steinmann, Löhr (1994a), S. Steinmann, Löhr (1994a), S.

148ff. 150ff. 155ff. 158ff.

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Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

vor Augen, der sich engagiert, dialogfahig und reflexionsstark für die Be­ lange des betrieblichen Wirtschaftens einsetzt.1 Die soziale, kommunikative, moralische Kompetenz der Mitarbeiter ist im Rahmen der Aus- und Weiterbildung zu fördern und „Reaktionsformen gegen unethische Zumutungen“ auszuprägen (z. B. „moralische Lemstatt“). Außerdem sind durch Arbeitsorganisationsmaßnahmen (patholo­ gische) Sozialisations- und Entwicklungsbedingungen der Mitarbeiter ethikverträglich und moralstärkend zu gestalten.2 Schließlich sind auch die Fragen einer gerechten Lohnfindung ethische Herausforderungen an das Personalwesen.3

(c) Führungsebene: * Im Rahmen der Personalfuhrung plädieren Steinmann/Löhr für ein konsensorientiertes Management sowie einen partizipativen Füh­ rungsstil. • Hinsichtlich des Vorgesetztenverhaltens wird eine „Führungsethik“ empfohlen, die situationsgerecht betriebswirtschaftliche Funktionszu­ sammenhänge und Mitarbeiteraspekte zu berücksichtigen hat. • Auf der Ebene der Untemehmensfuhrung (Management) wird fiir die Betonung „strategischer Wachsamkeits- und Umsteuerungspotentiale“ eingetreten.4

5.5 Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft und Führungslehre 5.5.1 Betriebswirtschaftslehre als Handlungswissenschaft Die Betriebswirtschaftslehre ist für Steinmann eine „normative Hand­ lungswissenschaft“. Das Wissenschaftsbild, das er von einer solchen Be­ triebswirtschaftslehre entwirft, läßt sich durch „drei Anforderungen“ ver­ anschaulichen:

1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Steinmann, Löhr (1992c), Sp. 849ff. Steinmann, Löhr (1992c), Sp. 849ff. Steinmann, Löhr (1992d), Sp. 1284ff. Steinmann, Löhr (1994a), S. 199ff.

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1. Betriebswirtschaftslehre soll eine „Kulturwissenschaft“ sein, die das Handeln (nicht Verhalten) von Menschen in Betrieben zum Gegenstand hat. 2. Betriebswirtschaftslehre wird als „normativ-kritische Wissenschaft“ angesehen, die sich nicht nur mit den Mitteln, sondern gleichwohl auch mit den Zwecken ökonomischen Handelns befaßt. 3. Betriebswirtschaftslehre ist eine „praxisorientierte Wissenschaft“, die Gestaltungsempfehlungen in wirtschaftlichen Konfliktsituationen zu­ gunsten einer besseren und „gerechtfertigten Lebenspraxis“ geben soll.1 (1) Kulturwissenschaft: Im Gegensatz zu Naturphänomenen (als Ergeb­ nis von Verhaltensweisen, Gesetzmäßigkeiten,...), die in den Naturwissen­ schaften näher zu untersuchen sind, wendet sich die Kulturwissenschaft dem „Kulturphänomen“ (als Ergebnis menschlichen Handelns) zu. Zum klareren Verständnis: „unter Kulturphänomen werden dabei von Menschen hergestellte und veränderbare Sachverhalte, wie sie etwa Organisationen (...) oder Organisationsstrukturen (...) darstellen, verstanden.“2 Die Be­ triebswirtschaftslehre als Kulturwissenschaft hat sich demgemäß mit menschlichen Handlungen und Konsequenzen in und außerhalb von Betrie­ ben zu befassen.

Wirtschaftliches Handeln ist auch insofern kulturbezogen, als es im Ge­ gensatz zum reinen Verhalten (oder Quasi-Verhalten) ein gemeinschaftli­ ches und „argumentationsvorbereitetes Handeln“ sein kann (und sollte). Die handlungsbewirkenden Zwecke und Situationen sind wissenschaftli­ cherseits bewußtzumachen und deren Handlungshintergründe zu beleuch­ ten. Diese Sichtweise legt nahe, daß ökonomische Handlungsweisen nicht primär (empirisch-naturwissenschaftlich) zu erklären, sondern vielmehr (konstruktiv-kulturwissenschaftlich) zu deuten sind. Das empirisch­ analytische Instrumentarium der Erkenntnisgewinnung wird nicht verwor­ fen, tritt aber in den Hintergrund zugunsten (hermeneutischer) Deutungs­ methoden über Zwecke und Handlungsabsichten des Wirtschaftens bzw. der Wirtschaftenden im jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld. (2) normativ-kritische Wissenschaft: Das kulturwissenschaftliche Deuten von Handlungen und deren Veranlassung (Zwecke und Situationen) ist 1 2

vgl. Steinmann (1978), S. 73 Schreyögg, Steinmann (1980), Sp. 2399

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wie beschrieben - eine wichtige Seite. Konstruktives Wissenschaftsver­ ständnis fordert aber noch mehr, nämlich: „die Betriebswirtschaftslehre als Handlungswissenschaft soll in begründender Absicht (auch) über Hand­ lungszwecke von (in) Betrieben reden, d. h. sich als normativ-kritische Wissenschaft begreifen.“1 Es wird hier an die ältere Betriebswirtschaftslehre (Heinrich Nicklisch u. a.) erinnert und angeknüpft, die sich der Pflicht der Betrachtung von ober­ sten betriebswirtschaftlichen Handlungsprinzipien und Wirtschaftszwekken unterwarf. Und gerade diese Auseinandersetzung machte ihren bedeut­ samen, kritischen und normativen Charakter aus: Kritisch hat sie sich mit Handlungszielen (wie Gewinnmaximierung) und Wirtschaftszwecken (wie Bedürfnisbefriedigung) auseinanderzusetzen. Normativ (und nicht wert­ frei) hat sie zu sein, wenn sie vor diesem Hintergrund begründete Emp­ fehlungen für eine zu erstrebende, (konfliktärmere) betriebswirtschaftliche Praxis geben will.2

(3) praxisorientierte Wissenschaft: Damit wären wir bei der Forderung nach einer praxisverpflichteten, betriebswirtschaftlichen Wissenschafts­ auffassung: „die Betriebswirtschaftslehre soll sich nicht der Lösung ir­ gendwelcher (beliebigen) Probleme zuwenden, sondern solchen Problemen, die sich in der Lebenspraxis im Rahmen menschlichen Handelns zur Be­ dürfnisbefriedigung gerechtfertigt stellen, und sie soll ihre Aussagen des­ halb auch der Absicht nach nicht als bloße Information (über die Realität), sondern bewußt als Empfehlung zur Gestaltung praktischen Handelns begreifen.“3 Ein anderes Ziel und Vorgehen wird somit als wissenschaftli­ che „Ressourcenvergeudung“ auf Kosten der Gesellschaft, aber ohne nachhaltigen, positiven Bezug zur Lebenspraxis betrachtet.4

5.5.2 Betriebswirtschaftslehre - angewandte Managementlehre Der Entwurf eines Managementkonzepts stellt den Übergang von der be­ triebswirtschaftlichen Theorie zur praxisrelevanten Untemehmensfuhrung her: „Management ist ein Komplex von Steuerungsaufgaben, die bei der

1 2 3 4

Steinmann (1978), S. 83 [Hvh. i. O ] vgl. Steinmann (1978), S. 83ff. Steinmann (1978), S. 92 [Hvh. i. O.] vgl. Steinmann (1978), S. 93ff.

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Leistungserstellung und -Sicherung in arbeitsteiligen Systemen erbracht werden müssen.“1 In der traditionellen (angelsächsischen) Management­ lehre wurde Management als Gestaltungsprozeß von fünf klassischen Managementfunktionen: Planung, Organisation, Personaleinsatz, Füh­ rung und Kontrolle aufgefaßt. Es galt der Primat der Planung, und die restlichen Funktionen waren auf die Planumsetzung ausgerichtet („plandeterministische Untemehmensfuhrung“)2 Untersuchungen (z. B. von Henry Mintzberg) haben zutagegefördert, daß die tatsächlich wahrgenom­ menen Managementaufgaben (Manager-Rollen) mitunter beträchtlich an­ ders aussehen als die unterstellte Wahrnehmung von Managementaufga­ ben. Das Ziel ist, unter Kenntnisnahme der tatsächlichen Managerrollen und auf der Grundlage der Managementfunktionen „Sollensansätze“ zu entwickeln, die einer unternehmerischen Aufgabenerfullung sowie „guten und effizienten Ergebnissen“ dienlich sind.3

(a) Rekonstruktion der Managementfunktionen Es kann unter den heute herrschenden komplexen Wirtschaftsverhältnissen nicht mehr nur um eine planungsgesteuerte Strategierealisierung gehen. Die „Idee der plandeterminierten Untemehmensfuhrung“ wird aufgegeben. Der klassische Managementansatz wird als unfruchtbar, weil mit zu viel unrealistischen Annahmen befrachtet, zurückgewiesen.4 Der „Neuansatz“ des Managementprozesses muß umfassender und differenzierter zugleich sein: „Er muß die Managementfunktion im Spannungsfeld von Strate­ gieentwurf bzw. -revision und Strategierealisierung verankern.“5 Dies bedeutet aber, daß eine Etablierung und Verknüpfung eines Planungs-, Durchfuhrungs- und Sicherungssystems vollzogen werden muß. Dabei soll im Planungssystem erstens der „Orientierungsrahmen“ vorgegeben wer­ den, der zweitens im Durchfuhrungssystem zu einem effizienten Vollzug gebracht wird und drittens durch das Sicherungssystem auf seine Effekti­ vität, Gültigkeit bzw. Veränderbarkeit („Sicherung der Strategiepotentiale durch Strategierevision“) geprüft wird.6

1 2 3 4 5 6

Steinmann, Schreyögg (1997), S. 7 vgl. Steinmann, Schreyögg (1997), S. 8ff. vgl. Steinmann, Schreyögg (1997), S. 18ff. vgl. Steinmann, Walter (1990), S. 340ff; Steinmann, Schreyögg (1997), S. 121 ff. Steinmann, Hasselberg (1988), S. 1312 vgl. Steinmann, Hasselberg (1988), S. 1313ff.

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Die fünf Funktionen des Managementprozesses (Planung, Organisation, Personal, Führung und Kontrolle) sind somit nicht lediglich auf der strate­ gischen und operativen Ebene der Unternehmenssteuerung notwendiger­ weise einzusetzen (zur Zweckerfüllung'. „Lokomotionsfunktion“). Viel­ mehr werden diese Führungsinstrumente unter den genannten Aspekten (der Selektivität, Kompensation und Entwicklung des Systems) auch für die Unternehmensstabilisierung in Anspruch genommen (zur Systempfle­ ge'. „Kohäsionsfunktion“). Es besteht dabei die Hoffnung, Flexibilität, Innovation, Effizienz anzuregen und gleichzeitig Komplexität, Unsicher­ heit und Selektionsrisiko in der Untemehmen-Umwelt-Beziehung zu kom­ pensieren.1 Steinmann und Schreyögg streben damit simultan eine nach innen gerichtete Funktionssteigerung und Untemehmensstabilisierung und eine nach außen gerichtete Flexibilisierung und Umweltanpassung der Unternehmung an.

(b) Unternehmensmanagement und Unternehmensethik

Von Bedeutung ist nicht nur die Rolle des Managements für die Unter­ nehmung (Untemehmensfuhrung), sondern auch das Verständnis des Ma­ nagements im Ordnungssystem der Marktwirtschaft. Es stellt sich somit die Frage nach der Handlungskoordination, den Handlungsfteiräumen sowie den Handlungserfordemissen der gegebenen Wirtschaftsordnung und gegenüber den Bezugsgruppen der Unternehmung. Steinmann und Schreyögg unterscheiden dabei erfolgsorientiertes und verständigungs­ orientiertes Handeln als Lösung der betriebswirtschaftlichen bzw. unter­ nehmerischen Erfordernisse.

Das erfolgsorientierte Handeln mit seiner subjektbezogenen Handlungs­ rationalität ^ökonomische Zweckrationalität) verfolgt das Ziel der Kom­ plexitätsbewältigung, der dynamischen Anpassung und effizienten Lösung des wirtschaftlichen Koordinationsproblems 2 Dennoch kann nicht be­ hauptet werden, daß das unternehmerische Handeln im marktwirtschaftli­ chen System durch Erfolgsorientierung und Preisregulierung vollständig und ausreichend bestimmt wäre. Empirisch nachweisbar sind Steuerungs­ defizite angesichts unerwünschter, externer Effekte (Interessenkollisionen), Trennung von Eigentum (Kapitalinteressen) und Verfügungsgewalt (Ma­ 1 2

vgl. Steinmann, Schreyögg (1997), S. 126ff. vgl. Steinmann, Schreyögg (1997), S. 79ff.

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nagerziele) sowie Vermachtungserscheinungen in der Wirtschaft (durch Großunternehmen und „Managerkapitalismus“).1 Diese Lage macht eine Ergänzung des erfolgsorientierten durch verständigungsorientiertes Han­ deln plausibel und erforderlich, damit ein umfassend-effektives Wirt­ schaften praktiziert werden kann. Das verständigungsorientierte Handeln folgt einer kommunikativen Rationalität (Sprachregelung und Konsensfin­ dung) und fuhrt über die zwanglose Argumentation (als Entscheidungsund Legitimationsbasis) zu einer Handlungskoordination der Konfliktbe­ wältigung und Friedenserhaltung.

Die Verknüpfungsweise des erfolgs- und des verständigungsorientierten Handelns in der Managementpraxis sieht dann so aus: Zum ersten wird der Manager aufgefordert, als „Republikaner“ den „inneren, sozialen Frieden“ zu seiner Sache zu machen. Zum anderen wird auf die Notwendigkeit einer systematischen Verknüpfung der Untemehmensethik mit den fünf Mana­ gementfunktionen hingewiesen. Diese kann sich nicht in Form einer „ethi­ schen Zusatzdimension“ zu den betriebswirtschaftlichen Zielen, Mitteln und Funktionen realisieren, sondern bedarf des Bedenkens von neuen „Wirkungszusammenhängen“.2

(c) Unternehmensethik und Effizienz Wie ist es nun um die Veträglichkeit von Ethik und Effizienz bestellt? In diesem Zusammenhang verwerfen Horst Steinmann und Birgit Gerhard die „Unmöglichkeitsthese“ von Ethik und Effizienz und stimmen für eine „Harmoniethese“: „Wir sind der Auffassung, daß eine Vereinbarkeit von Ethik und Effizienz in der Untemehmensführung in dem Maße möglich wird, wie der Wettbewerb der Zukunft eine stärkere strategische Orientie­ rung des Managementprozesses verlangt.“3 Sie plädieren für ein strategi­ sches Management der Zukunft mit den erforderlichen und beschriebenen Umstellungen der Untemehmensabläufe. Die aus Wettbewerbsgründen zu ergreifenden organisatorischen und personalen Maßnahmen zur Steigerung der Untemehmenseffizienz sind nach Auffassung der Autoren kompatibel (sogar kongruent) mit den aus untemehmensethischer Sicht erforderlichen Maßnahmen. „Strategische Untemehmensführung ist aus Effizienzgründen

1 2 3

vgl. Steinmann, Schreyögg (1997), S. 89fF. vgl. Steinmann, Schreyögg (1997), S. 11 Iff. Steinmann, Gerhard (1991), S. 4 [Hvh. i. O.]

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ebenso wie die Praktizierung einer Untemehmensethik auf dezentrale und argumentationsfördemde personale und strukturelle Voraussetzungen an­ gewiesen.“1 Der im vorigen Abschnitt beschriebene Prozeß eines zukunftsweisenden, strategischen Managements trägt seinerseits zu einer positiven Verknüp­ fung von Ethik und Effizienz bei. Es wird nämlich von der tayloristischen Trennung von Denken (Planen) und Ausfuhren (Umsetzen) Abstand ge­ nommen. Das Modell einer „maximalen ökonomischen Effizienz“ und einer „minimalen ethischen Sensibilität“ wird überwunden. „Plan- und kontrolldeterminierte“ Feedback - Prozesse werden zugunsten von Partizi­ pation und Mitverantwortlichkeit der Mitarbeiter umgestellt. Eine „strate­ gische Denkkultur“ wird eingefuhrt. Eine autonomiestärkende und argumentationsfordemde Ausrichtung von Organisationsstrukturen befreit ebenfalls zusätzliche Mitarbeiterpotentiale in ethischer wie in effizienter Weise. Das abschließende Urteil bezüglich des Verhältnisses von Ethik und Effizienz fallt durchgehend positiv aus: „Ethik und Effizienz lassen sich wohl in Zukunft eher als das in der Vergangenheit der Fall war auf der Ebene der betriebswirtschaftlichen Mittelwahl zur Steuerung der Un­ ternehmung, also auf der Ebene der Managementfiinktionen, versöhnen.“2

(d) Unternehmensethik und Dialog

In praktischer und konkretisierender Absicht kommen Steinmann und Mit­ arbeiter in jüngerer Zeit wieder auf das Dialogkonzept (analog dem NestleBeispiel) zurück. Dabei wird im Dissensfalle ein systematisch gestalteter Untemehmensdialog als praktizierte Untemehmensethik zwischen Betei­ ligten und Betroffenen eingeleitet. Am Beispiel von Procter & Gamble wird gezeigt, wie unterschiedliche Interessenträger zu tragfahigen, gemein­ samen Lösungen („Konsensinseln“) geführt werden können.3 Greifbares Ergebnis sind überprüfbare Kodizes, die sowohl den Untemehmensaktivitäten eine neue Richtung geben, als auch die Einwände relevanter Gruppen berücksichtigen und damit in eine konfliktlösende, sozialverträgliche und friedenstiftende Richtung weisen. „Das Dialogprogramm fuhrt also nicht nur zu Aufforderungen an das initiierende Unternehmen, sondern ebenso

1 2 3

Steinmann, Gerhard (1991), S. 4 Steinmann, Gerhard (1991), S. 29 [Hvh. i. O.] vgl. Steinmann, Löhr (1994b), S. 171 ff.

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zum Aufweis von Handlungsoptionen für alle Akteure und zum Anstoß von Lösungen auf übergeordneter Ebene, beispielsweise durch die Etablie­ rung von Branchen- bzw. Verbandskodizes oder auf dem Wege der staatli­ chen Gesetzgebung.“1 Dies kann als Beweis dafür gewertet werden, daß Untemehmensethik nötig, möglich und erfolgreich im Rahmen unseres Wirtschaftssystems zu praktizieren ist.

5.6 Kritische Sicht des Modells von Steinmann 5.6.1 Kritische Stellungnahmen Es lassen sich einige Einwände und Anfragen an Horst Steinmanns (und Albert Löhrs) Konzeption formulieren, betreffend das methodische Vorge­ hen, die wirtschaftsethische Grundposition sowie die betriebswirtschaftli­ chen Vorstellungen und praktischen Konsequenzen: (a) Einwände zur konstruktiven Methode

Nach Hans Raffee geht es in der Betriebswirtschaftslehre sowohl um die „Erklärung von Wirkungszusammenhängen“ als auch die „Erfassung von Sinnzusammenhängen“. Es bedarf deshalb sowohl der „Methode des Er­ klärens“ als auch der „Methode des Verstehens“ (= Hermeneutik) zur Entschlüsselung betriebswirtschaftlicher Sachverhalte. Raffee wendet sich jedoch gegen ein Überbewerten der Hermeneutik als betriebswirtschaftli­ che Methode, da er in ihr nur eine „heuristische“ nicht aber eine aufklä­ rende, „kritische“ Funktion angelegt sieht.2 Der Beitrag des Konstrukti­ vismus zur „Realisation kritischer Wissenschaftsziele“ gilt somit als begrenzt.3 Einwände ergeben sich konkret gegenüber der „aphairetischen Methode“ zur Rekonstruktion von Normen und zur „Begriffseinfuhrung“ von Unter­ nehmensethik:4 Es ist zu fragen, wodurch sich der Nestle-Fall begründet als Ausgangsbeispiel einer gelungenen Lebenspraxis ausweist und emp­ fiehlt. Inwieweit wurde er überhaupt richtig konstruiert und eingeordnet bzw. wie willkürlich? Immerhin besteht folgende Gefahr: „die untemeh1 2 3 4

Steinmann, Löhr (1994b), S. 173 vgl. Raffee (1993), S. 14f. vgl. Raffee (1993), S.23f. vgl. Lenz, Zundel (1989), S. 320ff.

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mensethische Praxis wird auf die Paßform des Begriffs der Untemeh­ mensethik getrimmt, indem in die Realität Eigenschaften hineingedeutet werden, die nach Maßgabe des gewählten Begriffes der Untemehmensethik dort vorhanden sein müßten“.1

Die Frage einer „vermarktungsabstinenten“ Selbstverpflichtung der Firma Nestle aus Einsicht (Konsensfindungsphase) scheint nicht eindeutig ge­ klärt. Insofern stellt die Berufung darauf eine unsichere Basis dar. Unter­ nehmensethik auf Selbstverpflichtungsbasis steht immer in der Gefahr, das Gewinnprinzip zu unterstützen, statt es situationsbedingt einzuschränken.2

(b) Anfragen zum wirtschaftsethischen Verständnis Steinmann und Löhr sehen die Untemehmensethik - wie ausgefuhrt - in der Funktion, „in bestimmten Situationen eine zusätzliche moralische Hand­ lungsorientierung ökonomischer Handlungsvollzüge zu etablieren“.3 Sie gehen von einem prinzipiellen Konflikt zwischen Moral und Gewinn aus, der zwei situationsbedingte Formen unternehmerischen Handelns zuläßt:

□ im Indifferenzfall gilt die „ethische Richtigkeitsvermutung“ einer am Gewinnziel ausgerichteten Untemehmensfuhrung, □ im Konfliktfall dagegen wird die Notwendigkeit einer (friedensstiften­ den) ethischen Einschränkung des Gewinnprinzips postuliert. „Steinmann und Löhr setzen ihre Argumentation im moralischen Kon­ fliktfall an und empfehlen hier eine situationale Beschränkung des Ge­ winnprinzips.“4 Mit anderen Worten lösen sie die moralische Konfliktsi­ tuation durch Transformation in einen ökonomischen Konfliktfall (Gewinnverzicht), der den Untemehmensbestand gefährden könnte. Um aber eine solche Gefährdung auszuschließen, plädieren Steinmann, Löhr wiederum dafür, das moralische Korrektiv nur im Falle unternehmerischer Handlungsspielräume anzuwenden. Damit wird aber die Untemehmense­ thik zu einer Variablen „kontingenter Umstände“ und nur für den wirt­ schaftlichen Posperitätsfall gedacht bzw. praktizierbar, in dem man sich

1 2 3 4

Lenz, Zundel (1989), S. 322 vgl. auch Lenz, Zundel (1989), S. 318ff. vgl. Homann, Blome-Drees (1992), S. 174 Homann, Blome-Drees (1992), S. 176

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Moral „leisten kann“. Letztlich entspricht diese Art Untemehmensethik also einer „Konjunkturtheorie der Moral“.1

Der Kreis um Homann bekräftigt seinen „ökonomistischen“ Standpunkt, daß Wettbewerbswirtschaft unabhängig von den Motiven der Akteure positive Folgen zeitigt. Sofern es negative Wirtschaftsergebnisse gibt, sind diese nur auf der Ordnungsebene („Spielregeln“) systemverträglich zu beseitigen, nicht jedoch auf der Untemehmensebene („Spielzüge“).2 Aus untemehmensethischer Perspektive fallt es schwer, diesen Ausschließlich­ keitsstandpunkt und institutionellen Handlungsdeterminismus hinzuneh­ men. Von Steinmann und Löhr wird deshalb neben der wirtschaftlichen Rahmenordnung beständig auf die Entscheidungs- und Handlungsspiel­ räume sowie Handlungsoptionen der Wirtschaftsakteure (Manager und Unternehmungen) hingewiesen. Dies macht ethische Überlegungen und moralische Handlungen eben auch auf der Untemehmensebene erforderlich und unumgänglich.3 Aus seiner , fundamentalkritischen“ Position nimmt auch Peter Ulrich die untemehmensethische Konzeption von Steinmann und Löhr kritisch ins Visier. Dabei geht es ihm besonders um vier Aspekte:

1. Steinmanns Untemehmensethik ist darauf angelegt, wirtschaftliche Nebenwirkungen und gesellschaftliche Folgeprobleme durch eine „situationale Beschränkung des Gewinnziels“ (kasual) in den Griff zu be­ kommen. Dagegen wird eingewandt, daß die Untemehmensethik „von oben “ (im Sinne des „Anwendungsmodells“) eingefuhrt wird. Der be­ triebswirtschaftlichen Rationalität (bzw. dem Rationalitätsdefizit) wird also korrigierend oder kompensierend eine „Gegenrationalität“ überge­ stülpt („ethische Domestizierung“).4 2. Das Steinmannsche Konzept ist eine „Unternehmensethik für den Ausnahmefall“, da ja der legitime Normalfall das Wirtschaften nach dem Gewinnprinzip darstellt. Diese Sichtweise geht von „situativen“ und nicht von „strukturellen“ Problemen des betrieblichen Wirtschaf­ tens aus. Sie ist als Konfliktmanagement (und „ad hoc Krisenmanage­ ment“) aufzufassen. Damit wird jedoch die Untemehmensethik auf 1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Homann, Blome-Drees (1992), S. 176f. Homann (1994); Homann, Blome-Drees (1995); Pies, Blome-Drees (1995) neuere Darstellungen von Steinmann, Löhr (1994a/b) und (1995) Ulrich (1991d), S. 19HT.

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Sonderfalle „marginalisiert“, ohne Allgemeingültigkeit und unter Ver­ zicht auf eine krisenlösende „Grundlagenreflexion“.1 3. Das untemehmensethische Konzept von Steinmann/Löhr ist somit kein „kritisches Regulativ“ für fehlgeleitete Wirtschaftsweisen, sondern ein „Führungsinstrument unterhalb des Gewinnprinzips“. Sie ist ein „Handwerkzeug“ zur Konfliktausbesserung in der Untemehmenspraxis. Ihr Ziel ist nicht eine „vemunftethische Legitimation“, vielmehr dient sie nur einer „strategischen Akzeptanzsicherung“. Sie als „kom­ munikative Untemehmensethik“ auszuweisen und dabei das Diskurs­ prinzip anzuwenden wird von Ulrich als „strategische List“ im Dienste eines verkürzten Praxisverständnisses gewertet.2 4. Schlußendlich spricht auch das „geschlossene“ Untemehmensverfassungsverständnis bei Steinmann und Mitarbeitern für eine falsche Op­ tik. Es werden dadurch nur „situative ad-hoc-Konflikte“ nicht jedoch „strukturelle Dauerkonflikte“ bereinigt. Dies ist für Ulrich ein weiteres Indiz dafür, daß Steinmanns Vorstellungen einer „Managementethik“ näher stehen als einer „umfassenden“ Ethik der Unternehmung.3

In der Tat besteht die untemehmensethische Kontroverse zwischen Ulrich und Steinmann/Löhr in der Fage des Primats der Untemehmensverfassung vor der Untemehmensstrategie oder umgekehrt, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde (siehe 4.8.1.).

(c) Fragen zum Betriebswirtschaftsverständnis Kritische Einwände gegen das untemehmensethische Ansinnen von Horst Steinmann und seinen Mitarbeitern formulieren aus „neoliberaler“ be­ triebswirtschaftlicher Sicht Dieter Schneider und Herbert Hax. Für ihn bietet dieser Ansatz mehrere Angriffsflächen:

1. Schneider sieht in der Sozialen Marktwirtschaft ein hinreichendes In­ strumentarium, die auftretenden, sozio-ökonomischen Verwerfungen zu beherrschen, ohne das Gewinnprinzip als Regulativ („von außen“ bzw. durch gezielte betriebswirtschaftliche Maßnahmen) außer Kraft zu set­ zen. Insbesondere ist gegenzufragen, welche (ökonomischen, sozialen) Folgen und Nebenwirkungen besondere ethische Einschränkungen auf 1 2 3

vgl. Ulrich (1991 d), S. 194ff. vgl. Ulrich (1991d), S. 199ff. vgl. Ulrich (1991d), S. 204ff.

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das Unternehmen und den marktlichen Verteilungsmechanismus und letztlich die Gesellschaft haben können. Eine „Beschränkung des Ge­ winnprinzips“ ist Schneider zufolge weder „situational“ noch „altrui­ stisch“ geboten, will man nicht das Optimierungsregulativ (= Gewinn­ orientierung) einer Marktwirtschaft gefährden.1 2. Auch auf die Gefahr der Verwässerung von „Untemehmensethik als Vermarktungstechnologie“, die einer Modeströmung folgt, ist hinzu­ weisen.2 Dabei handelt es sich beispielsweise um „ethische Produkte“, „Ethik-Fonds“ und nicht zuletzt auch um den Wunsch nach neuen un­ ternehmerischen „strategischen Erfolgspotentialen“. 3. Der Vorschlag zur Einrichtung von Ethik-Kommissionen stößt auf Skepsis. Auch in diesem Falle reichen nach Schneider die bestehenden Rechtsnormen und Regulative aus, unternehmerische Entscheidungen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Im Grunde wirft der Vorschlag einer solchen Ethikinstitutionalisierung mehr Fragen auf als damit ge­ löst werden können.3 Die Widersprüche des diskursethischen Problemlösungskonzeptes aus der Sicht der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie wurden schon an anderer Stelle (siehe 4.8.1) ausgefuhrt. Eine Erhöhung des Zeit- und Kommunikationsaufwands sowie der Transaktionskosten ist durch zusätz­ liche Entscheidungsgremien und Partizipationsberechtigte allemal verbun­ den.4 Dabei ist die Gewähr für eine ökonomisch „richtige“ Entscheidung nicht gegeben, von Umsetzungsproblemen (und „lags“) ganz abgesehen. Die pragmatische, effizienz- und anwendungsorientierte Kritik enthält m. E. durchaus nachvollziehbare Einwände gegen eine diskursethische Über­ formung und Heilserwartung sowie eine Egoismusverkennung und Kom­ petenzüberschätzung von kollektivorientierten Problemlösungsstrategien.5 Allerdings leidet sie selbst auch an einem „blinden Fleck“ ihres Paradig­ mas, nämlich einer mangelnden Wahrnehmung des Betriebes bzw. Unter­ nehmens als soziales Gebilde in einer demokratischen Gesellschaft.

1 2 3 4 5

vgl. Schneider (1990), S. vgl. Schneider (1990), S. vgl. Schneider (1990), S. vgl. Schneider (1990), S. vgl. Hax (1995), S. 180f.

870 883f. 884f. sowie Hax (1993), S. 772 886f.

170

Unternehmensethischer Ansatz von Horst Steinmann

5.6.2 Weiterführende Anmerkungen □ Der von Horst Steinmann und seinen Mitarbeitern vertretene (kon­ struktive) untemehmensethische Ansatz versteht sich als praxisrelevant und kulturwissenschaftlich ausgerichtet. Sein Erklärungsgegenstand sind Handlungen als absichtsgeleitete, menschliche Aktivitäten, die ra­ tional rekonstruiert und verstehbar gemacht werden, um dann der Pra­ xis als wissenschaftliches und forderliches Lösungsmuster zu dienen. Zu fragen steht jedoch, ob damit das angestrebte Aufklärungs- und Steuerungspotential durch die Wirtschaftswissenschaften (hier BWL) wirklich aufgeboten werden kann und ob die Praxis es auch wirklich annimmt und selbst als wertvoll und hilfreich erachtet. Das von Stein­ mann beschriebene und beabsichtigte praxisrelevante Wissenschafts­ verständnis ist ja ein von der Wissenschaft geprägtes SelbstVerständnis und nicht unbedingt auch ein von der Praxis so eingefor­ dertes (wenngleich vernünftiges) „Angebot“. Hilfreich wäre ein Fra­ genkatalog von Seiten der Wirtschaftspraxis selbst. □ Verhältnismäßig wenig Berücksichtigung findet die Frage der Voraus­ setzungen und Bedingungen als „Reflexion der Möglichkeiten“, die er­ füllt sein müssen, damit dem untemehmensethischen Vorhaben auch ein Gelingen beschieden sein kann. Anwendungsnahe und abgestufte (ebe­ nenspezifische) Implementierungsschritte anzudenken und auszuarbei­ ten ist sinnvoll und notwendig. Hierbei sind reflektierte, verfahrensori­ entierte Untemehmensethikformen durch konkrete, inhaltsorientierte Untemehmensethikpraktiken zu ergänzen. Von den skizzierten Bedenken gegenüber dem Steinmannschen Modell abgesehen, sind darin wertvolle Analysen der betrieblichen Praxis und hilfreiche Vorschläge zur Problembewältigung enthalten. Es handelt sich hierbei mit Sicherheit um mehr als eine „Werktagsfrucht“ untemehmens­ ethischen Ansinnens.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

6.

171

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Betriebswirtschaftsmodelle

6.1 Charakterisierend-klassifizierende Darstellung Nach der explorativen Analyse der betriebswirtschaftlichen Konzeptionen von Nicklisch, Kalveram, Ulrich und Steinmann in ethikbezogener Er­ kenntnisabsicht soll nun eine vergleichende Gegenüberstellung dieser An­ sätze erfolgen. Vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Analyse­ kriterien (Vergleichsmerkmale) soll eine gegenüberstellende Charakterisie­ rung und Typologisierung vorgenommen werden.

6.1.1 Weltbild, Menschenbild und philosophischer Hintergrund Heinrich Nicklisch vereinigt im wesentlichen Gedankengut des deutschen Idealismus, eines naturwissenschaftlichen Materialismus sowie der Ro­ mantik. Im Zentrum steht für ihn die Frage des aus Freiheit wirkenden und gestaltenden Menschen. Der Mensch wird als „Geistwesen“ gesehen, das über ein Bewußtsein und eine Sinngebung verfugt. Er gestaltet und handelt aus Gewissen und Pflicht. Neben dem „Bewußtsein“ (geistige Welt) exi­ stiert auch „Materie“ (materiale Welt). In den „Gründen“, die aus be­ stimmten Ursachen konkrete Wirkungen erzeugen, werden beide Bereiche miteinander verknüpft. Der „Grund“ (Zweck) der Reduzierung von Man­ gellagen und der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse durch den wirt­ schaftlichen Transformationsprozeß verbindet die Geistes- mit der Naturwelt. Der Mensch ist es, der gewissenhaft die Zwecke festsetzt und auf dem Wege des Wirtschaftens in einer verantwortlichen Ressourcen­ verwertung zu erfüllen trachtet. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Gemäß dieser Bestimmung ist ihm auferlegt, seinen Beitrag zu einer sittlich-harmonischen Gestaltung des Gemeinschaftsdaseins zu erbringen. Die romantischen Anklänge in Nick­ lischs Weitsicht äußern sich gerade in der Wertschätzung von Gemein­ schaftsempfindungen und Gemeinschaftssinn. Deshalb bestimmt auch eine Ganzheitlichkeit und Einheitlichkeit menschlicher Lebens- und Zusam­ menlebensgestaltung sein Wirtschaftskonzept. Menschliches Streben und Gestalten weiß sich also nicht dem Selbst, sondern dem Ganzen verpflich­ tet, für das es sich bewußt, verantwortungsvoll und pflichterfüllt einsetzt.

172 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

Die wirtschaftliche Tätigkeit soll der Entwicklung des Menschen und der Förderung einer harmonischen Gemeinschaft dienen. Jeder einzelne hat im Rahmen seiner Möglichkeiten und seines Entwicklungspotentials sowie aus vernünftiger Einsicht und Freiheit diesem Ziel zu dienen. Es herrscht das Bild einer homogenen, „geschlossenen“ Gesellschaft vor, die sich nicht dynamisch und diffus entwickelt, sondern sich stetig und geordnet gestal­ ten läßt.

Wilhelm Kalveram gründet seine Weltanschauung auf christliches Gedan­ kengut. In seiner christlichen Vorstellung ist das irdische Leben und Wir­ ken vorläufig und heilsbedürftig. Arbeit ist Teil menschlicher Bestimmung auf Erden und Möglichkeit zur Vervollständigung der christlichen Sit­ tenordnung. Handlungen und Tätigkeiten von Menschen sind in eine menschliche Gemeinschaft und Kultur eingebettet. Sie haben nach christli­ cher Moralvorstellung im Sinne von Gemeinwohl, Gerechtigkeit, Toleranz und Nächstenliebe zu erfolgen. Das von Verständnis und Harmonie ge­ prägte Gesellschaftsbild Kalverams ist jene Sittenordnung, die die perso­ nale und soziale Verpflichtung des Menschen als gemeinschafts­ konstituierend erkennt und voraussetzt. Sie weiß sich einer naturrechtli­ chen Sicht verbunden und anerkennt Gottes Schöpfung sowie die biblische Offenbarung. Der „Christenmensch“ ist ihr Träger und Vollender.

Bei Kalveram ist die Wirtschaft in eine Gesellschaft und damit in eine außerökonomische Kulturwelt eingebettet. Demgemäß werden Wirt­ schaftswerte als daseinserleichtemde „Dienstwerte“ angesehen, die aber außerökonomischen, kulturbedingten „Letztwerten“ unterzuordnen sind. An der Übergangsgrenze von Sittenordnung zu Wirtschaft ist die Wirt­ schaftsethik angesiedelt. Sie ist verbindendes Element menschlich-sittlicher Wirtschaftstätigkeit und Kulturförderlichkeit. Der Wirtschaft als Form und Ausdruck menschlicher Daseinsgestaltung wird die „Kulturfunktion der Unterhaltsfursorge“ zugedacht. Auch Kalveram hat (ähnlich wie Nicklisch) ein zielbildhaftes, jedoch of­ fenbarungsgeprägtes Menschen- und Gesellschaftsbild. Der Gott verant­ wortliche, tätige Mensch hat dieser, seiner Bestimmung gemäß zu handeln. Er ist nicht sich selbst und seinen Bedürfnissen, sondern seinem Tätigwer­ den für den Nächsten verpflichtet. In dieser Bestimmung auf den Nächsten und der Gewißheit auf Gottes Liebe und Heil ist es ihm möglich, befreit und geleitet an einem wirtschaftlichen und menschlichen Zusammenleben

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

173

mitzuwirken. Durch die Bereitschaft zur Anerkennung der Schöpfüngsordnung und die Öffnung gegenüber der göttlichen Offenbarung und Heilsverkündigung wird der Mensch frei, seine Bestimmung anzunehmen und an der Entfaltung einer harmonischen Sozialordnung teilzuhaben.

Peter Ulrich macht seine philosophisch-geistigen Anleihen bei der Kriti­ schen Theorie (Frankfurter Schule). Diese beinhaltet eine Grundsatzkritik an der modernen (technisierten) Wirtschaftsgesellschaft und dem von ihr einseitig geprägten Menschen. In einer umfassenden Gesellschafts-, Wirt­ schafts- und Technikkritik wird der „eindimensionale“ Mensch und der „instrumentelle“ Vemunftgebrauch gegeißelt. Es wird die eigensinnige Abkoppelung der wirtschaftlichen „Systemwelt“ von der „Lebenswelt“ aufgezeigt, bei der die Systemimperative und ökonomischen Rationali­ tätsmuster dominant gegenüber einer humanen Gesellschaft und ihrer so­ zialen Rationalität werden. Empfehlungen für eine „emanzipatorische“, gesellschaftliche Umgestal­ tung in einer sozial-humanen Richtung werden auf der Grundlage einer Handlungstheorie (im Gegensatz zur Systemtheorie) ausgearbeitet. Mittels „herrschaftsfreiem Diskurs“ im Rahmen einer Kommunikationsgemeinschaft soll eine Verknüpfung von System- und Lebenswelt bewerkstelligt werden. Partizipativ-diskursive Entscheidungsverfahren über (ökonomi­ sche) Ziele und Mittel sollen auf dem Wege der Kommunikation und Argumentation befördert werden. Damit läßt sich dann Akzeptanz, Sozial­ verträglichkeit und Verallgemeinerbarkeit für ökonomisch-technische Ent­ scheidungen und Handlungen finden.

Ulrich überträgt die Idee der Kommunikationsgemeinschaft und der Dis­ kursethik in den Bereich der Ökonomie. Seine Absicht ist die Erweiterung der ökonomischen Rationalität in Richtung auf eine gesellschaftsverträgli­ che, lebenspraktische und soziale Rationalität. Über seine Vernünftigkeit und Sprachlichkeit ist der Mensch aus den Sach-, System- und Funktions­ zwängen zu befreien. Damit wird es möglich, „Denkzwänge“ zu eliminie­ ren und einer „Durchökonomisierung“ der Arbeits- und Lebenswelt menschenverträglich entgegenzuwirken.

Durch die Idee einer kommunikativen Ethik wird sowohl das einzelne Ge­ sellschaftsmitglied aufgefordert, seine Interessen zu vertreten, als auch die Organisation veranlaßt, in ihrem Rahmen geeignete Diskussionsforen zu

174 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

eröffnen. Der Mensch als interessengeleitetes und (uneingeschränkt) ur­ teilsfähiges Wesen kann sich aufgrund seiner (realisierten) Vernünftigkeit und Sprachbegabung gegenüber seinen Mitmenschen argumentativ für eine gemeinschaftliche Problemlösung einbringen.

Horst Steinmann (und seine Mitarbeiter) haben als philosophische Grundlage den Konstruktivismus (Erlanger Schule) gewählt. Dieser baut auf einer methodischen Rekonstruktion von Wissen auf. Eine als gelungen (d. h. konfliktlösend) betrachtete Praxisbewältigung wird auf wissen­ schaftlichem Wege herausgearbeitet. Die Praxis dient der Theorie als Er­ kenntnisvorlage. Die daraus gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse werden wiederum im Rahmen einer Praxisberatung und -gestaltung ver­ besserungswirksam umgesetzt. Ziel wissenschaftlichen Bemühens ist, die gegenwärtige, unzulängliche und konfliktgeladene Wirtschafts- und Ge­ sellschaftspraxis (friedensstiftend) weiterzuentwickeln. Es geht also um die „vernünftige“ Bewältigung von konfliktären menschlichen, gesellschaftli­ chen Lebenssituationen.

Wirtschaft und Technik sind Mittel der menschlichen Daseinsverbesserung. Während Wirtschaft und Technik als Teile einer Gesellschaft gese­ hen werden, die das Ziel einer „technisch-effizienten Mittelbereitstellung“ haben, ist Gesellschaft selbst noch mehr. Sie erhält nämlich ihre entschei­ dende Prägung und Bestimmung durch sittliche, politische Kulturfaktoren als „ethisch-politische Praxis“. Das Verhältnis zwischen dem ökonomi­ schen und politischen Bereich ist labil und spannungsgeladen, mitunter friedensgefahrdend. Um so wichtiger ist es, die verträglichen Ziele und angemessenen Mittel zu kennen, die eine gesellschaftliche, sozial- und friedensstabilisierende Wirkung („Kulturreform“) erzeugen. Der Mensch wird in diesem Gefüge als vernünftiger Problemloser ange­ sprochen. Er wird aufgefordert, sich wissend und argumentierend in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belange einzuschalten, d. h. diese Fragen zu seiner eigenen Sache zu machen (Republikanismus). Die Gesell­ schaftsgestaltung und Wissensumsetzung darf nicht einseitig, im Sinne eines „technisch-effizienten Raubaffen“, erfolgen. Vielmehr gilt es, friedensorientiert in Richtung einer politisch-vernünftigen Praxis zu wirken, da der Mensch vornehmlich ein politisch-soziales Wesen ist.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

175

Steinmann sieht in der konstruktivistischen Philosophie und Wissen­ schaftskonzeption das Instrumentarium des Menschen, seine Gesellschaft und ihre verschiedenen Bereiche in eine konfliktärmere, friedlichere Zu­ kunft zu fuhren. Der Einzelne wird zum Einsatz in diesem Sinne aufgefor­ dert. Er soll in Wirtschaft und Gesellschaft einer „vernünftigeren Praxis“ zuarbeiten.

6.1.2 Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft Das gesellschaftliche Ganze, innerhalb dessen das menschliche Individuum ein integrierter Teil ist, steht bei Nicklisch im Mittelpunkt. Allerdings ist dies als „organisches“ Verhältnis zwischen „Glied“ und „Ganzem“ zu sehen und als Symbiose von gegenseitigen Rechten und Pflichten, Chancen und Möglichkeiten zu verstehen. Nach Nicklisch ist der Mensch als ein freies Gemeinschaftswesen zu betrachten, das zudem vernunftbegabt ist. Menschliche Freiheit, Erkenntnisfahigkeit, Vernunft und Pflichtbewußtsein legen den individuellen Handlungsweisen erstens das Sittengesetz zugrun­ de, ermöglichen zweitens verantwortungsvolles Handeln und stellen drit­ tens dieses freie Handeln in den Dienst der Gesellschaft. Die körperliche Bedürftigkeit veranlaßt den Menschen zu einer bewußten Gestaltung der Materie zum Zwecke seiner Bedürfnisbefriedigung und Mängelreduzierung. Das Wesen der Wirtschaft ist das Arbeiten an der Materie, um diese in eine menschliche Zweckdienlichkeit (der Bedarfsdekkung) zu transformieren. Die Wirtschaft ist also ein Teil der Gesellschaft und dadurch auch ein Kulturfaktor mit Sittenbindung. Auch in ihr gilt der Primat des Ganzen vor dem Teil, also der Gemeinschaftsbezug: Der ein­ zelne „dient“ sich selbst, indem er die Zwecke anderer zu verwirklichen trachtet. Dementsprechend geißelt Nicklisch eine individualistische Bedürfhiszentrierung und damit eine egoistische und kapitalistische Profit­ wirtschaft. Sie beschädigt ein harmonisches, menschliches Gemein­ schaftsleben, das Nicklisch als Vemunftform menschlichen Zusammenle­ bens gilt und zu erstreben sei. Der Wissenschaft fallt die Rolle zu, die höchsten gesellschaftlichen Werte, denen das Wirtschaften dient, zu erkennen und zu berücksichtigen sowie an einer Annäherung der Wirklichkeit an diese idealen Wertvorgaben zu wirken. Der Wirtschaftswissenschaft, speziell der Betriebswirtschaftslehre als normativer Einzelwissenschaft obliegt, das außerökonomische Wertsy-

176 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

stem in ihren Erkenntnisrahmen einzuarbeiten und ihren Gegenstandsbe­ reich darauf auszurichten. Nach diesem betriebswirtschaftlichen Wissenschaftsverständnis als Normwissenschaft kommt es nicht entscheidend auf die empirische Er­ kenntnis der Wirtschaftswirklichkeit an. Statt auf die Rekonstruktion der Seinszusammenhänge kommt es hier auf die Herstellung der Sollenszu­ sammenhänge an. Die empirischen Befunde sind nur insofern ihr Erkennt­ nisziel, als sie ermöglichen, die Abweichung zwischen dem Gegebenen und dem Gesellten festzustellen. Werte und Normen lassen sich nicht empi­ risch ermitteln, sondern nur erkennen bzw. setzen. Die empirische, kontin­ gente Situation kann also nicht ihre Erkenntnisgrundlage sein, umso mehr ist sie aber der Anwendungsbereich dieser Werte und Normen. Wissenschaftsziel ist nach Nicklisch, einerseits zu erklären und zu beur­ teilen, andererseits richtigzustellen und zu verbessern. Sein Wissenschafts­ verständnis weist daher in beide Richtungen, „Explikation“ und „Teleologik“. Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft (Betriebswirtschafts­ lehre) ist eine erkenntnisgeleitete sowie wertbewußte (ethische, normative) Wirtschaftsgestaltung. Ihr fallt die Rolle des Vordenkers und Vorreiters der Praxis zu. Die Wirtschaft ist nach Kalveram ein gesellschaftliches Kulturgebilde mit einer speziellen Funktion, nämlich der gesellschaftsforderlichen Zurverfü­ gungstellung von Bedarfsdeckungsmitteln. In diesem Sinne ist Arbeiten und Wirtschaften ein Dienst an der menschlichen Gemeinschaft. Dem ein­ zelnen wird aufgetragen, sein gottgefugtes Schicksal anzunehmen und seinen Beitrag zur Errichtung einer sittlich-christlichen Ordnung unter den Menschen zu leisten. Menschliches Wirtschaften in seinem institutioneilen und vollziehenden Charakter ist Ausdruck und Merkmal einer menschlich-gesellschaftlichen Daseinsgestaltung und gleichzeitig von spezifischen (ethisch-sittlichen) Kulturwerten bestimmt (d. h. nicht autonom und beliebig übertragbar). Der jenseitigem göttlichen Heil und Gnade empfohlene, aber gleichzeitig seiner diesseitigen körperlichen Bedürftigkeit ausgelieferte Mensch steht in ihrem Mittelpunkt. Das Wirtschaften dient so dem persönlichen und auch dem Gemeinschaftszweck (bonum commune). Damit ist die Wirtschaft kein Selbstzweck, sie ist „Kulturfursorge“.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

177

Menschliche Freiheit ist keine erworbene, sondern eine geschenkte Freiheit im Glauben. Sie äußert sich nach Kalveram in der Wirtschaft als selbst­ verantwortliche Entfaltung im Rahmen der ökonomischen Logik und der wirtschaftlichen Verhältnisse. Vernunft und Glaube sind das „innere Licht“, das diesen Weg erhellt. Demzufolge kann, was logisch richtig und ethisch geboten ist, nicht unwirtschaftlich sein. Selbstredend ist, daß sich Kalveram gegen egoistischen Wettbewerb, Gelderfolg als Wirtschaftsmaß­ stab und eine dem Selbstlauf überantwortete Wirtschaftsentwicklung wen­ det. Seine Fortschrittsvorstellung vereinigt verantwortungsgebundene Selbstentfaltung, soziale gesellschaftliche Stabilisierung und wirtschafts­ angemessenes Erfolgshandeln.

Aus Kalverams Blickwinkel ist die Wirtschaftswissenschaft (Betriebswirt­ schaftslehre) „nur“ eine Fachwissenschaft, die letztgültige Sinn- und Wertfragen nicht zu beantworten vermag, aber diese gleichwohl anzuer­ kennen und zu berücksichtigen hat. Demgemäß sind ökonomische Werte nur Sekundärwerte, die vor dem Hintergrund christlich-sittlicher Grund­ werte zu sehen sind. Kalveram tritt dafür ein, daß die Wirtschaftswissen­ schaft ihre außerfachlichen, weltanschaulichen Anleihen und Veranke­ rungen in einer christlichen Weltordnung und Moralvorstellung sucht und findet. Sie hat bei der Gestaltung des Wirtschaftsprozesses dahin zu wir­ ken, daß diese Werte eine ökonomisch angemessene und kulturell förderli­ che Umsetzung erfahren. Ethische und gemeinschaftliche Kulturziele sind im Rahmen der wirtschaftlichen Sachziele und Mittelentscheidungen situations- und systemadäquat zu verwirklichen. Es gibt demnach keine Wertekonkurrenz, sondern nur eine angemessene Ergänzung. Ulrich zeichnet ein Bild der Krise in fortgeschrittenen Industriegesell­ schaften. Dafür wird ein einseitiges, ökonomisch-technisches Rationalisie­ rungsmuster verantwortlich gemacht, das die „lebenspraktische Vernunft“ weitgehend suspendiert. Das Denken in Funktions- und Wirkungszusam­ menhängen (Systemwelt) verliert den Blick für lebensbezogene Seinszusammenhänge (Lebenswelt).

Die Gesellschaft folgt einer Fortschrittsgläubigkeit und die Wissenschaft wiederum übt sich in Sozialsteuerungstechniken. Die Politik trägt das Stigma fragwürdigen Expertentums und technokratischer Verkrustung mit wenig basisdemokratischen und menschenbezogenen Elementen. Die Wirt­ schaft wird von einer „funktionalen Systemrationalität“ (Wettbewerbs-

178 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

und Marktrationalität) beherrscht. Es sind darin Züge einer „Systemtheo­ logie“ erkennbar, und die Durchökonomisierung der gesellschaftlichen Lebensbereiche schreitet voran. Die Wirtschaftswissenschaft schließlich bewegt sich in einem Medium selbstauferlegter und selbstbeschiedener Wertfreiheit als „reine“, „autonome“ und damit „abgehobene“ Ökonomik. Der eigensinnigen, um sich greifenden Systemrationalität setzt Ulrich seine Vorstellung einer kommunikativ-ethischen Rationalität für alle Lebensbe­ reiche entgegen. Sein Bild des mündigen, interessenbewußten, urteilsfähi­ gen und argumentationsbereiten Menschen stattet ihn mit der Hoffnung (ja Gewißheit) aus, daß die Systemimperative auf die beschriebene Weise „domestizierbar“ wären. Es bedarf demnach der entsprechenden Leitidee sowie des Willens und der Bereitschaft, Kommunikationsstrukturen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft zu institutionalisieren sowie Argumen­ tationsprozesse anzuregen, um alle anstehenden Probleme zu lösen.

In der Ökonomie kommt es wesentlich darauf an, sie als „Werteschaffüng“ zu verstehen, statt sie auf eine quantitative Erfolgslogik und Nutzenopti­ mierung zu beschränken. Geboten ist ein modernes, zeitgemäßes Wirt­ schaftsverständnis, das externe Effekte und soziale Kosten zu internalisieren trachtet. Die ökonomische Rationalität ist deshalb in eine soziale, gesellschaftsbezogene Perspektive einzubetten. Wirtschaftsethik wird in diesem Zusammenhang nicht als eine Sonderethik, vielmehr als eine „ Vernunftethik des Wirtschaftens “ verstanden. Diese läßt sich ver­ wirklichen, wenn (und indem) auf verschiedenen Ebenen eine diskursiv­ kommunikative Öffnung wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse für alle Betroffenen und Beteiligten erfolgt. Wissenschaftlicherseits wird einer menschen- und lebensweltbezogenen „Moralisierung der Ökonomie“ das Wort geredet. Das schließt ein nicht­ wertabstinentes Verständnis von Ökonomik ein. In diesem Kontext fordert Ulrich denn auch eine „politische Ökonomie“ (Volkswirtschaftslehre) bzw. eine „Sozialökonomie“ (Betriebswirtschaftslehre). Ziel ist in jedem Falle eine Verknüpfung von Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Primat lebenspraktischer, diskursiver, konsensorientierter Entscheidungen - geför­ dert durch eine wertbewußte, soziale und politische Wirtschaftswissen­ schaft.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

179

Im Verständnis von Steinmann sind Wirtschaft und Gesellschaft unzu­ länglich und konfliktär angelegt. Es besteht eine Spannung zwischen dem sozial-politischen und dem ökonomisch-technischen Bereich. Als ausge­ macht gilt, daß die dafür ursächliche Begründung bei den unverträglichen Zielen und unangemessenen Mitteln liegt. Erst ihre Beseitigung führt zu gesellschaftlicher Prosperität. Ein friedensstiftender Konfliktabbau und eine „bessere Praxis“ ist das erklärte Ziel, zu dessen Erreichung dem Wis­ senschaftsbereich ein monumentaler Beitrag abverlangt wird. Der Wissenschaft wird in Anlehnung an den Konstruktivismus von Stein­ mann eine aktive und kurative Rolle gegenüber einer mängelbehafteten, unzureichenden Wirtschafts- und Gesellschaftspraxis übertragen. Zu die­ sem Zweck hat sich die Wirtschaftswissenschaft einer Analyse ökonomi­ scher Konfliktpotentiale in zwei Richtungen zuzuwenden:

a) auf der Zweckebene - Untersuchung unverträglicher Zwecke, b) auf der Mittelebene - Untersuchung unangemessener Mittel. Auf dieser Grundlage sind wissenschaftliche Aussagen zu verträglichen Zielen und Zwecken sowie zugunsten angemessener Mittel zu treffen. Die­ se wissenschaftlichen Hilfestellungen sind geeignet, einer „positiven“ (ver­ nünftigen, spannungsmindemden) Entfaltung der (Wirtschafts-)Praxis zu dienen. Somit zielt konstruktives Wissenschaftsverständnis einerseits auf die methodische Erarbeitung und Rechtfertigung von (verträglichen) Zwecken und andererseits auf darauf gründende, praxisverbessemde (normative) Mittelempfehlungen. Wissenschaft zu treiben ist kein akademisches Spiel von selbstbestimmter Wissensproduktion, sondern sie steht in einem gesellschaftlichen Auftrag. Es geht um eine begründete und reflektierte Bewältigung und Verbesse­ rung von Praxisproblemen bzw. Konfliktzuständen. Die Wirtschaftswis­ senschaft (speziell Betriebswirtschaftslehre) - als „normative Handlungs­ wissenschaft“ verstanden - soll Hilfe und Rechtfertigung zugunsten einer „vernünftigen Wirtschaftspraxis“ sein. Die hier entwickelte Wissen­ schaftsvorstellung läßt sich mit der Metapher eines Transmissionsriemens veranschaulichen: von der Praxis über die Theorie wieder zur Praxis.

180 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

6.1.3 Betriebswirtschaftliches Forschungsverständnis Von wesentlichem Erkenntnisinteresse ist für Nicklisch der (innere) Be­ triebsprozeß, den er als Teil des (äußeren) wirtschaftlichen Wertekreis­ laufs identifiziert. Besondere Aufmerksamkeit genießt der Produktionsund Ertragsverteilungsprozeß als maßgeblich für eine gut funktionierende Betriebswirtschaft. Der innere (betriebliche) Wertekreislauf ist naturge­ mäß von Einfluß auf den äußeren (gesamtwirtschaftlichen) Wertekreislauf und umgekehrt. D. h. der Betrieb ist in die zu- und abfließenden Wert­ ströme der Wirtschaft (hinsichtlich Produktionsgütem, Arbeitskräften, Rohstoffen, Kapital und Erlösen) involviert. In diesem betriebswirtschaftlichen Wissenschaftskonzept nimmt die „orga­ nische Auffassung“ der Betriebsabläufe und die Beschäftigung mit den „Organisationsgesetzen“ (der Zwecksetzung, Gestaltung und Erhaltung) eine Kemrolle ein. „Organisation“ ist für Heinrich Nicklisch die entschei­ dende betriebswirtschaftliche Führungs- und Gestaltungsaufgabe im Dien­ ste der betrieblichen Aufwärtsentwicklung. Das Wissenschaftsverständnis der Betriebswirtschaftslehre ist bei Nick­ lisch das einer (institutionellen) Unternehmensgestaltungslehre und nicht das einer (instrumentellen) Unternehmensführungslehre. Sein Erkenntnis­ ziel ist nicht eine unternehmerische (kapitalbezogene) Erfolgsmaximierung im Sinne einer „Privatwirtschaftslehre“. Vielmehr geht er von einer „nor­ mativen Einzelwirtschaftslehre“ aus, die betriebliches Wirtschaften in einen menschlich-gesellschaftlichen Bedarfsdeckungsauftrag und einen sittlichen Kontext eingebunden sieht. Die Funktion einer Betriebswirt­ schaft sieht er nicht im Selbsterhaltungs- und Selbstreproduktionsprinzip begründet, sondern in einer knappheitsbewußten, ressourcensparenden und überökonomischen Zwecken verpflichteten Wirtschaftsweise. Die Betriebswirtschaftslehre ist aufgefordert, dafür geeignete, konsistente Konzeptionen zu entwickeln. Heinrich Nicklisch hat in seinem Hauptwerk eine „Architektur dieses Denkgebäudes“ vorgelegt und zur Anwendung empfohlen. Sein Forschungsansatz, der auf die ökonomischen Prozesse und geistigen Abläufe in einer „Betriebswirtschaft“ abziehlt, sieht die Aufklärungs- und Gestaltungsfunktion im Mittelpunkt. Er verwirklicht dieses Vorhaben wissenschaftlich-methodisch durch ein deduktives, intui­ tives Vorgehen. Da Nicklisch betriebliches Wirtschaften vom Wert und

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

181

Zweck her bestimmt und nicht von der situativ-optimalen Mittelkombina­ tion bzw. einer erfolgszentrierten Untemehmensfuhrung her sieht, scheint ihm ein empirischer, induktiver Erkenntnisweg als unangemessen. Kalveram legt in seiner institutionsgeprägten „Industriebetriebslehre“ ein beachtetes Modell vor. Darin werden umfassend die volks- und betriebs­ wirtschaftlichen Vorstellungen, die wert- und ftinktionsbezogenen Wirt­ schaftszusammenhänge dargestellt. In der betriebswirtschaftlichen Fach­ disziplin sieht er die Bereiche: Lehre, Forschung und Praxis vereinigt. Betriebswirtschaftslehre als „Lehre “ zielt auf die Vermittlung von fachli­ chem Wissen bei den Wirtschaftsakademikem ab. Hierbei geht es auch tun die Verinnerlichung eines Wirtschaftsethos, das die zukünftigen Führungs­ kräfte nicht durch ihren Selbstverwirklichungsanspruch ausweist, sondern den gesellschaftlichen und kulturgeprägten Auftrag einer verantwortlichen Wirtschaftstätigkeit verdeutlicht. „Wirtschaftsgemäßes Wirtschaften“ als Zielsetzung hat neben der ökonomisch-erfolgreichen Komponente auch noch eine ethisch-sittliche, dem rein Ökonomischen übergeordnete, wirt­ schaftsethische Verbindlichkeit. Und Wirtschaftsethik zielt auf eine sinnerfullte, menschenwürdige Daseins- bzw. Gemeinschaftsgestaltung mittels Wirtschaft ab.

Die betriebswirtschaftliche Forschung hat sich bei der Erforschung be­ triebswirtschaftlicher Wirkungszusammenhänge dieser übergeordneten (abendländisch-christlich geprägten) Sinnzusammenhänge bewußt zu sein. Ein bloßer betrieblicher Funktions- und Wirkungsbezug bzw. eine Mittel-, Instrumenten- oder Modellempfehlung stellt daher eine zu schmale und punktuelle Fokussierung des Gegenstandes dar. Wilhelm Kalveram kommt es nicht primär auf die privatwirtschaftliche Untemehmensoptimierung an, sondern auf ein ganzheitsbezogenes, rationelles und rentables Arbeiten eines Betriebes in seinem sozio-ökonomischen (kulturellen) Umfeld. Betriebswirtschaftliche Forschungsziele sind einerseits die betrieblichen „Elemente“: „menschliche Arbeit“ und „sachliche Produktionsmittel“, andererseits die betrieblichen Kreisläufe und Wertumwandlungsprozesse. Diese versucht er methodisch mittels des Induktionsverfahrens zu erfor­ schen. Aus der Untersuchung der betrieblichen Abläufe folgt die Ermitt­ lung von allgemeingültigen Kausalzusammenhängen. Damit hat es aber nicht sein Bewenden. Der anspruchsvolle weitere Schritt der Forschung ist die Verbindung von kausalen Zusammenhängen (betrieblichen Prozessen)

182 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

mit finalen Zwecken (sittlich-kulturellen Wirtschaftszielen). Kalveram geht also über die Erforschung von empirischen Sachzusammenhängen hinaus zu normativ-ethischen Sinnzusammenhängen des betrieblichen Wirtschaftens. Beides hat die betriebswirtschaftliche Forschung zu er­ gründen bzw. als praxisbezogene Lehre zu vermitteln. Wirtschaften ist nach Ulrich Wortschöpfung, die nicht um ihrer selbst willen in einer „Systemwelt“ unter Sachzwängen betrieben wird. Vielmehr steht das „Werte schaffen“ in einem überökonomischen, gesellschaftlichen Bezug, d. h. es bedarf der Anknüpfung an die „Lebenswelt“. Unternehme­ risches Wirtschaften im Rahmen von Markt und Wettbewerb wird somit einer „sozialökonomischen Rationalität“ überantwortet und hat deren Anforderungen zu genügen. Durch Beteiligung aller Interessen- und An­ spruchsgruppen im Rahmen eines kommunikativen Diskurses soll es mög­ lich werden, ökonomische Ziel- und Interessenkonflikte zu lösen, externe Effekte zu internalisieren sowie die soziale wie ökologische Adäquanz und Akzeptanz ökonomischer Entscheidungen zu sichern. Ulrich schlägt zur Realisierung dieser Zielvorstellung ein gesellschaftsund untemehmensverbindendes Drei-Ebenen-Konzept vor:

a) auf der Gesellschaftsebene eine „Verständigungsordnung“, b) auf der Wirtschaftsebene ein „Lebensqualitätsbezug“, c) auf der Untemehmensebene die „Ressourcenoptimierung“.

Für eine angemessene Untemehmensfuhrung läßt sich daraus ein vierglied­ riges integratives Managementkonzept ableiten: 1. 2. 3. 4.

gesellschaftsbezogen: ordnungspolitische Mitverantwortung untemehmenspolitisch: normatives (ethisches) Management, untemehmensstrategisch: strategische Systemsteuerung, betrieblich-operativ: optimales Ressourcenmanagement.

Die Dominanz einer „ökonomischen Sachrationalität“ ist für Ulrich ur­ sächlich verantwortlich für eine „eigensinnige Systemdynamik“ und letzt­ endlich die „lebenspraktische Sinnkrise“. Entsprechend obiger Ebenen­ charakterisierung gilt nur eine unternehmerische „Entwicklungslogik“ als zielführend, die auf der kommunikativ-ethischen Ebene ansetzt und über die systemisch-erfolgsstrategische Ausrichtung schließlich zu ihrem tradi­ tionellen, kalkulatorischen Rationalisierungsmuster kommt. Damit stellt er sein betriebswirtschaftliches Modell unter die „Leitidee kommunikativ-

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

183

ethischer Unternehmensführung“. Dieser diskursethische Leitstern weist den Weg der Implementierung: beginnend bei einer „offenen“ Untemeh­ mensverfassung, über die umzustrukturierenden Organisations- und Ar­ beitsprozesse bis hin zu einem partizipativen, „konsensorientierten Management“. Ulrichs wissenschaftliches Vorgehen ist eine theoriegeleitete, von der Kri­ tischen Theorie geprägte, wertbewußte Erkenntnisweise, die durch empiri­ sche Untersuchungen und Praxiskenntnisse erhärtet (verifiziert) wird. Es handelt sich um einen normativ-gestaltenden Untemehmensführungsansatz mit philosophisch-ethischem Hintergrund, dessen Absicht in einer ver­ nunftgeleiteten, menschenbezogenen und gesellschaftsbewußten Unter­ nehmensberatung liegt. Damit wird der Versuch unternommen, die potentiellen oder aktuellen Zielkonflikte aus ökonomischen, sozial­ humanen bzw. ökologischen Zielbestimmungen in einen gesellschaftsfor­ derlichen Zielkompromiß umzuprägen.

Unternehmen sind nach Steinmann in einer Marktwirtschaftsordnung einer harten Konkurrenzsituation ausgesetzt und zusätzlich dem Druck gesellschaftsverträglichen Wirtschaftens ausgeliefert. Ihr erfolgreicher Fortbestand hängt nicht alleine von ihrer Marktposition und ihrer inneren Konstitution ab, sondern auch maßgeblich von der Erfüllung politisch­ rechtlicher Anforderungen sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz.

Im Verständnis von Horst Steinmann hat die Wissenschaft eine Transfor­ mationshilfe von einer gegebenen, „elementaren“ Praxis zu einer ge­ wünschten, „vernünftigen“ Praxis zu übernehmen. Die Betriebswirt­ schaftslehre, von Steinmann als „normative Handlungswissenschaft“ beti­ telt, hat die verträglichen Ziele und angemessenen Mittel zu benennen, die im Spannungsfeld von Wettbewerbssituation und gesellschaftlichen An­ forderungen dem unternehmerischen Erfolg sowie dem gesellschaftlichen Frieden forderlich sind. Dieses betriebswirtschaftliche Wissenschaftskon­ zept zeichnet sich durch drei charakteristische Merkmale (und Ziele) aus: a) als Kulturwissenschaft (gesellschaftsforderliches Handeln), b) als normativ-kritische Wissenschaft (verträgliche Ziele/Mittel), c) als praxisorientierte Wissenschaft (verbessernde Lebenspraxis).

Das Wissenschaftsverständnis folgt einem hermeneutisch geprägten Ver­ stehen von Wirtschaftszusammenhängen mit der Intention einer Praxisfor-

184 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

derung und besseren Wirtschaftsgestaltung (Konfliktreduzierung, Pro­ blemlösung). Konkret werden betriebliche (institutionelle, organisatori­ sche, personelle) Schwachstellen und wirtschaftliche Situationszwänge (Komplexitäts-, Konkurrenz-, Zeit-, Informations-, Kosten- und Entschei­ dungsdruck) als zu berücksichtigende Kontextfaktoren analysiert, deren Beachtung für den wirtschaftlichen Erfolg von wesentlicher Bedeutung ist.

In der Umsetzung seiner Konzeption und der Beseitigung von praktischen Hemmnissen und Unzulänglichkeiten setzt Steinmann einerseits auf den Menschen und andererseits auf eine richtige, diskursethische Verfahrens­ weise. Auf ökonomischer Seite werden einige technische Lösungs- und Implementierungsvorschläge (organisatorisch, personal-, führungsbezogen) angeboten. Diese werden integrativ begleitet durch formal­ prozessuale (philosophisch-politische) Lösungsvorstellungen (Friedensund Diskursethik). Die von Steinmann und Mitarbeitern entwickelte be­ triebswirtschaftliche Konzeption stellt gleichermaßen hohe Anforderungen an den Wirtschaftswissenschaftler wie auch den Wirtschaftspraktiker.

6.1.4 Mitarbeiterbild, Unternehmenskonzept und -ethik Der Mensch steht bei Heinrich Nicklisch im Mittelpunkt des wirtschaftli­ chen und betrieblichen Prozesses. Er ist Subjekt (Handelnder) und Objekt (Zweck) des Wirtschaftens. Seine Wirtschaftstätigkeit vollzieht er sowohl als Konsument als auch als Produzent von Wirtschaftsgütem. Seine Arbeit und Berufstätigkeit verrichtet er in einer arbeitsteiligen und gleichzeitig „organischen“ Arbeitsgemeinschaft. Der Mitarbeiter ist somit Bestandteil des Betriebsprozesses, damit an der Betriebsgemeinschaft beteiligt und in das „Betriebsleben“ integriert. Er wird als „Glied“ des Betriebsganzen gesehen und mit allen Rechten (Möglichkeiten) und Pflichten (Anforderun­ gen) ausgestattet.

Das Untemehmensbild von Nicklisch ist das einer „Betriebswirtschaft“ (= Einzelwirtschaft) mit einer ausgeprägten Arbeitsgemeinschaft, die in einem produktiv-transformierenden Betriebsprozeß den gemeinschaftsdienenden Betriebszweck erfüllt. Dahinter steht die Vorstellung eines Organismus, der nach innen aus Teilen besteht, die eine symbiotische Einheit bilden und nach außen wiederum Teil („Organ“) eines größeren Wirtschaftsganzen (des Wertekreislaufs) ist. Der Betrieb ist also ein organisiertes, in einen

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Wirtschaftskreislauf eingebundenes Wirtschaftsgebilde und kein beliebiger Wirtschaftsakteur oder Betriebsmechanismus. Der Betriebsprozeß wird in einen Erzeugungsprozeß sowie einen Ertrags­ verteilungsprozeß aufgeteilt. Im ersten Fall werden Güterwerte hergestellt und Ertragswerte erlöst (= Realgüterversorgung). Im zweiten Fall werden die Erlöse zur Deckung der Kosten verwandt und die Erträge verteilt, um dadurch den Mitarbeitern die Möglichkeit des Einkommens und Konsums zu schaffen (= Nominalgüterversorgung). Vor dem Hintergrund dieser Betriebszwecke lassen sich die Betriebsziele: Wirtschaftlichkeit und Ver­ teilungsgerechtigkeit identifizieren. Nach Nicklisch ist das betriebswirt­ schaftliche Ziel nicht die (unternehmerische) Erhöhung des Kapitalertrags (Rentabilität), vielmehr geht es um die Wirtschaftlichkeit der Wertschöp­ fung gemäß dem „ökonomischen Gesetz“ (Minimierung des Ressour­ ceneinsatzes, Maximierung der Ausbringung). Der Mitarbeiter ist demgemäß in diesem Wirtschaftsprozeß nicht Produktions- bzw. Kosten­ faktor, sondern selbstzweckhafte Wirtschaftspersönlichkeit in einer Wirt­ schaftsgemeinschaft. Entsprechend faßt Nicklisch das Arbeitsentgelt nicht als Kostenanteil, sondern als vorverteilten Betriebsertrag auf. Die gerechte Gewinn- und Ertragsverteilung unter angemessener Mitarbeiterbeteiligung ist ihm das zweite wichtige betriebswirtschaftliche Anliegen (neben der wirtschaftlichen Güterproduktion und Ertragserzielung).

Eine spezielle „Betriebsethik“ unter Aufbietung von wirtschaftsfremden, altruistischen Moralpositionen ist Nicklisch fremd. Seine, als „ethisch­ normativ“ apostrophierte Betriebswirtschaftsposition hat einen anderen Hintergrund. Sie ist Ausdruck eines bestimmten Wirtschaftsverständnis­ ses: nämlich von einem menschenzentrierten, gemeinschaftsfördemden, sittlich-verantwortungsvollen und damit zugleich sach- und menschenan­ gemessenen betrieblichen Wirtschaften. Der Mensch ist nach Wilhelm Kalveram ein Wirtschaftssubjekt mit öko­ nomisch-rationalen, aber auch gefuhlsgeleiteten-irrationalen Seiten. Daher bedarf er eines übergeordneten Orientierungsrahmens und einer außeröko­ nomischen, überzeitlichen Wegweisung, worin er aufgehoben ist, aber auch zu einer verantwortlichen (Wirtschafts-)Tätigkeit angehalten wird.

Sinn und Ziel von Wirtschaftsuntemehmen (insbesondere Industriebetrie­ ben) ist die Güterversorgung der Gesellschaft, die zur Minderung der Da­

186 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

seinsnöte des Menschen beiträgt. Der Mensch hat als Geschöpf Gottes und in dessen Statthalterschaft arbeitend seiner (irdischen) Bestimmung zu folgen. Diese besteht allerdings nicht in der Schaffung wirtschaftlicher Reichtümer, sondern in angemessener Daseinsvorsorge, und erfahrt ihre letztgültige Vollendung im Jenseits. Kalverams Betriebsbild ist von einer Harmonievorstellung nach „außen“ und „innen“ geprägt. Nach „außen“ wirkt der Betrieb als handelndes Wirtschaftssubjekt. Gleichzeitig wird er als Kulturgebilde und Objekt einer wirtschaftenden (harmonisch-sittlichen) Gesellschaft auch selbst (nach „innen“) geprägt.

Vor diesem Hintergrund lassen sich nun drei Wirtschaftsgrößen als rele­ vante Wirtschaftsziele benennen: Produktivität, Rentabilität und Wirt­ schaftlichkeit. Die Produktivität wird als Maß für die gesamtwirt­ schaftliche Effektivität betrieblichen Wirtschaftens angesehen. Die Renta­ bilität ist eine privatwirtschaftliche Meßgröße, die den kapitalbezogenen Untemehmenserfolg abbildet. Die Wirtschaftlichkeit ist schließlich diejeni­ ge Zielgröße, welche die Optimalität und Effizienz in der Anwendung des ökonomischen Prinzips (= rationeller Mitteleinsatz) widerspiegelt.

Für eine erfolgreiche Betriebsfuhrung kommt es nach Kalveram darauf an, einerseits einen guten Zielgrößenmix zu erreichen. Andererseits ist für ihn die Humanorientierung ein ganz zentraler Anspruch gelungener Betriebs­ führung. Darin ist der Mitarbeiter in seiner menschlichen Würde und Per­ sonalität anzuerkennen bzw. zu fördern. Im betrieblichen Prozeß ist es unverzichtbar, persönliche Entwicklungs- und Gestaltungsräume aber auch Absicherung zu erhalten. In dieser Zielvorstellung verbinden sich christliche Gedanken der Persona­ lität und Dienstpflicht mit solchen der Solidarität und Fürsorgepflicht. Konsequent tritt Kalveram für betriebliche Mitbestimmung und Gewinn­ beteiligung ein. Er fordert kooperationsfördemde Arbeitsstrukturen, kul­ turgemäße Arbeitsbedingungen sowie ein fürsorgliches Führungsver­ ständnis. Verfehlt sind Arbeitsprozeßstrukturen mit Überspezialisierung, Hochtechnisierung und „Temporaserei“, denn sie schränken Arbeitsfreude, Tätigkeitssinn und Verantwortungsbereitschaft ein. Die Wirtschaftsethik ist das Verbindungselement zwischen Sittenordnung und Wirtschaftstätigkeit. Ihr Leitmotiv ist nach Kalveram „wirtschaftsgemäßes Wirtschaften“. Sie ist die Umsetzung christlicher Moralvorstellung im Kontext des praktischen Wirtschaftsvollzugs: Der glaubensbefreite

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Mensch wird dazu angehalten, unter Aufbietung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten und unter Achtung des ökonomischen Rationalprinzips zu wirtschaften. Dies ist dann erfolgreich und legitim, wenn es auf den Näch­ sten ausgerichtet ist und der Förderung einer christlichen Sittenordnung dient.

Peter Ulrich sieht im wirtschaftenden Menschen und Mitarbeiter einen vernünftigen, sprachbegabten, interessenbewußten und sozial-solidarisch veranlagten Menschen. Dieser Mensch ist als betrieblicher Mitarbeiter sowohl in seinem wirtschaftlichen Umfeld als auch in seiner gesellschaftli­ chen Lebenswelt verankert, woraus Konflikte erwachsen können. Es ge­ lingt jedoch, im Verbund mit anderen Betroffenen und Beteiligten dialogfördemde Strukturen vorausgesetzt - konfligierende Entscheidungs­ probleme sozial akzeptabel und ökonomisch erfolgreich zu bewältigen. Auf dieser Grundlage wird es möglich, die Systemzwänge und Wirt­ schaftsimperative auf eine ethisch humane, sozial verträgliche und sachlich angemessene Weise zu lösen. Ulrichs Leitbild ist eine kommunikative Unternehmensethik auf der ober­ sten, „normativen“ Untemehmensführungsebene (als „Vemunftethik der Untemehmensfuhrung“ verstanden). Sie findet ihre Ausgestaltung sowohl in einer dialogorientierten Untemehmensverfassung, als auch in kooperati­ onsorientierten Arbeitsstrukturen sowie in einem „konsensorientierten Management“. Der wirtschaftende Mensch und Mitarbeiter ist nach dem Menschenbild von Horst Steinmann ein vernünftiges, einsichts- und dialogfähiges We­ sen. Er kann zur Verantwortungsübemahme und zur Gegensteuerung ge­ gen pathologische Wirtschaftsentwicklungen mobilisiert werden. Als „Organisationsbürger“ ist er bereit und befähigt, im unternehmerischen Rahmen einen Gleichklang von ökonomischen Anforderungen und gesell­ schaftlichen Belangen herbeizuführen.

Die Unternehmung ist eine Wirtschaftsorganisation im Marktwettbewerb, die ökonomische, soziale und „transsubjektive“ Interessen verfolgt. Zur Sicherung ihrer Untemehmensexistenz im Rahmen einer wirtschaftlichen Konkurrenzordnung hat sie legitimerweise Gewinnziele zu verfolgen. Nach Steinmann gilt aber unter gesellschaftlicher Rücksichtnahme nur ein „ ein­ geschränktes Gewinnprinzip“. Dies besagt, daß im „Normalfall“ eine

188 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

„Richtigkeitsvermutung“ gegenüber dem gewinnorientierten Entscheiden und Handeln Gültigkeit hat. Im „Konfliktfall“ zwischen ökonomischen und sozial-humanen, außerökonomischen Zielen gilt aber eine das Gewinnstre­ ben einschränkende, ethische Entscheidungsdeterminierung. Hier wird die Untemehmensethik ins Spiel gebracht. Untemehmensethik ist nach diesem Verständnis ein Verknüpfen von menschlichen, ökonomischen und gesell­ schaftlichen Interessen. In einer marktorientierten Wettbewerbswirtschaft gilt einerseits das untemehmenserhaltende Gewinnerwirtschaftungsziel, das andererseits unter den Vorbehalt allgemeinverträglicher Wirkungen gestellt wird. Somit ist die Unternehmung zwar primär eine „ökonomische Institution“, aber sie bleibt ein Ort ethisch rückgebundener Entscheidungs, Handlungs- und Wirkungsfragen.

6.1.5 Betriebswirtschaftliches Anwendungsverständnis Die unmittelbare Anwendungsorientierung der Betriebswirtschaftslehre war nicht das Hauptanliegen von Heinrich Nicklisch. Ihm ging es mehr um die richtige Erkenntnis des Wesens der Betriebswirtschaft, die Einfü­ gung des Betriebes in wirtschaftliche Wertekreisläufe sowie ihre Einbet­ tung in ein gesellschaftlich-sittliches Umfeld. Der Betrieb ist Glied eines wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ganzen. Er ist das Zweckgebilde, in dem das bedürfhisbestimmte Körperwesen Mensch in einer vom freien, vernunftbegabten Geistwesen Mensch erkannten Werte- und Sittenordnung wirtschaftlich gestaltend tätig wird. Eine Betriebswirtschaftslehre muß sich auch mit Sinn- und Wertfragen beschäftigen, wenn sie dem Menschen und seiner Gemeinschaft hilfreich sein will. Nicklischs Betriebswirtschaftslehre setzt sich demzufolge mit Wert-, Wesens- und Zweckbestimmungen des Betriebes auseinander (Fi­ nalsicht) und thematisiert dann Fragen über Betriebsaufbau und Funkti­ onsweise (Kausalsicht). Sie geht nicht vom Selbsterhaltungsbestreben und der Konkurrenznotwendigkeit eines Betriebes aus, dessen Funktionsberei­ che zu stärken oder für dessen Führung geeignete Mittel, Instrumente oder Modelle zu konzipieren wären. Der betriebliche Wertschöpfüngsprozeß unterliegt letztendlich außerökonomischen Ziel- und Wertsetzungen. Be­ triebswirtschaftliche Fachkenntnisse über Kausalzusammenhänge dienen somit nicht der Erfolgsoptimierung, sondern einer besseren Ausrichtung auf die finalen Betriebszwecke.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Der Wirtschaftspraxis wird Nicklischs Betriebswirtschaftsmodell - gleich­ sam als Zielbild zur Verwirklichung nahegelegt. Der Praxisbezug dieser Betriebswirtschaftslehre ist indirekt, optional. Sie setzt auf breiter Front „Wirtschaftler“ voraus, die diese „Wirtschaftsidee“ zur Umsetzung brin­ gen wollen und legt großes Gewicht auf die Lehre und Ausbildung der zukünftigen, wirtschaftlichen Entscheidungsträger. Als Wirtschaftspäd­ agogik will sie neben der Vermittlung von Fachwissen gerade die Wirt­ schaftspersönlichkeiten heranbilden, denen es ein Anliegen ist, diesem betriebswirtschaftlichen Zielbild zu folgen. Die Betriebs- und Wirt­ schaftspraxis wird demnach nicht durch Theorien und Modelle verändert, sondern durch fachlich kompetente Verantwortungsträger, durch ethisch geleitete, wirtschaftsgestaltende Persönlichkeiten.

Betriebliches Arbeiten versteht Wilhelm Kalveram als menschliches Wer­ ken in Freiheit und Würde gemäß einem christlichen Glaubens- und Da­ seinsverständnis. Wirtschaftliche Tätigkeit ist ein Teil der Bewußtwerdung und Weiterführung der göttlichen Schöpfung in Gottes Auftrag. Sie dient nicht vorrangig einer paradiesischen (parvenühaften) Befriedigung menschlicher Neigungen und Bedürfnisse, sondern ist Gestaltungselement einer christlicher Moral- und Existenzvorstellung genügenden Lebensord­ nung. Auf diese Weise tritt der Mensch den biblischen Auftrag von der Statthalterschaft Gottes auf Erden an. Kalveram geht es um betriebswirtschaftliche Praxisempfehlungen (basie­ rend auf Personalität, Fürsorglichkeit und Solidarität), die es im Wirt­ schaftsleben stetig anzustreben gilt. Die Betriebswirtschaftslehre soll neben Faktenvermittlung und Kausalzusammenhängen auch ein Bewußt­ sein für eine harmonische und gemeinschaftsstiftende Art des praktischen Wirtschaftens vermitteln. Es kommt ihm nicht nur auf eine betriebsbezo­ gene „Erfolgsethik“, sondern ein soziales, humanes und ressourcensparen­ des (eben „wirtschaftsgemäßes“) Wirtschaften an. Peter Ulrich fuhrt sein betriebswirtschaftliches Konzept als „Leitidee kommunikativ-ethischer Untemehmensfuhrung“ aus, die er der Wirt­ schaftspraxis vorlegt und in ihr verwirklicht sehen will. Diese „Idee“ baut auf die Institutionalisierung des Dialogs, beginnend bei einer „offenen Untemehmensverfassung“ bis hin zu einem „konsensorientierten Manage­

190 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

ment“. Die Praxisrelevanz einer als „sozialökonomisch“ verstandenen Betriebswirtschaftslehre manifestiert sich in drei Punkten: a) der kommunikativ-diskursiven Offenheit, b) dem funktionalen und zugleich kritischen Praxisbezug, c) der lebenspraktischen, akzeptanzforderlichen Vernünftigkeit.

In seiner Managementlehre charakterisiert Ulrich die Unternehmung als „offenes System“ (d. h. multifunktional, soziotechnisch und wirtschaftlich selbstverantwortlich) das personenspezifischen, aufgabenbezogenen und soziokulturellen Einflüssen unterliegt. Peter Ulrich verfolgt das Konzept einer reflektierten, kommunikationsorientierten und fuhrungsbezogenen Betriebswirtschaftslehre. Unter dem Eindruck von Marktzwängen, Zielkonflikten und zunehmenden externen Effekten sieht er die Wirtschaftswissenschaft in der Gralsrolle, eine Wirt­ schafts- und Untemehmensfuhrungsweise auf kritisch-grundlagenreflektierter Basis so zu begründen, daß ein ökonomisch-erfolgreiches, sozialförderliches und umwelt-verantwortliches Wirtschaften möglich wird.

Das betriebswirtschaftliche Modell und Wissenschaftsverständnis von Horst Steinmann und Mitarbeitern ist in vierfacher Weise an die Praxis angeschlossen bzw. auf sie bezogen: 1. Als konstruktivistische Wissenschaft nimmt sie die Praxis als Erkennt­ nisgrundlage zur wissenschaftlichen Rekonstruktion der Theorie. 2. Als normative Wissenschaft strebt sie eine idealere, vernünftigere und friedvollere Praxis an. 3. Als Handlungswissenschaft ist sie bestrebt, theoriegestützt die Wirt­ schaftspraxis positiv zu gestalten. 4. Als Managementlehre gibt sie Handreichungen für eine erfolgreiche Untemehmensfuhrung. Steinmann u.a. stellen die Unternehmung in einen menschlichen, gesell­ schaftlichen und wettbewerbsgeprägten Bezugsrahmen. Die dabei auftre­ tenden Konfliktfelder werden benannt und Mängelprofile herausgearbeitet. In Kenntnis untemehmensintemer Hemmnisse sowie einer wettbewerbsbe­ drängten Handlungssituation werden Handlungsempfehlungen und Imple­ mentationsvorschläge für eine erfolgversprechende Untemehmensfuhrung unterbreitet: institutionell, organisatorisch und führungsmäßig.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Im Rahmen einer ausgearbeiteten Führungskonzeption werden wichtige Managementfunktionen dargestellt und in erfolgversprechender, untemehmensstabilisierender Weise rekombiniert. Dabei wurden zeitlich, organi­ satorisch und personell ausgerichtete „strategische Umsteuerungspoten­ tiale“ entwickelt. Diese haben das Ziel, die Untemehmens-UmweltDifferenz zu reduzieren und einen entscheidenden Beitrag zur Untemehmensstabilisierung in einer komplexen, dynamischen und unsicheren Wett­ bewerbsumwelt zu leisten. Erfolgreiche Untemehmensfuhrung ist schließlich eine Idealkombination „erfolgsorientierten“ und „verständi­ gungsorientierten“ Handelns.

6.2 Vergleichend-typologisierende Übersicht Es folgt nun eine vergleichende Übersicht der vier hier analysierten und diskutierten ethisch-betriebswirtschaftlichen Konzeptionen gemäß den zugrundegelegten und ausfurlich dargestellten Vergleichsmerkmalen:

Abbildung: I Autoren/ Merkmale Weltan­ schauung Ethik­ position Men­ schenbild

Übersicht allgemeiner Vergleichskriterien

Heinrich Nicklisch Idealismus, Romantik Pflicht- und Wertethik Feies „Geist­ wesen“ (und Körperwesen) Homogene, Gesell­ geschlossene schaft Gemeinschaft Wirtschaft Integraler Gesellschafts­ bestandteil Wissen­ Wertbezoge­ ner Erkennt­ schaft nisbereich

Wilhelm Kalveram Christliche Lehre Christliche Moral, Sitte Heils/fiihrungsbedürftiges Geschöpf Naturgesetzlich-christliche Sozialordnung Gesellschaftli­ cher Daseins-/ Kulturbereich Kulturbezoge­ ner Erkennt­ nisbereich

Peter Ulrich Kritische Theorie Diskursethik / Vemunftethik Mündiges, vernünftiges Sozialwesen Ganzheit von System- und Lebenswelt Gesellschafts­ dominierendes System Aufklärerisch­ emanzipieren­ des Vorhaben

Horst Steinmann

Konstruktive Philosophie Diskusethik / Friedensethik Ökonomisch­ politisches Wesen Konfliktgela­ denes Sozial­ gebilde Technisch­ effizienter Kulturbereich Gesellschafts­ verbessemde Institution

192 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

Abbildung:

Übersicht betriebswirtschaftlicher Kriterien Heinrich Nicklisch Normative Kulturwissen­ schaft

Wilhelm Peter Kalveram Ulrich Wertbewußte Einzelwirt­ schaftliche politische Sozialöko­ Erkenntnis­ nomie wissenschaft MultifimktioWirtschafts­ Betriebsbild Organische Ziel-/Zwecknale, quasisubjekt und gemeinschaft Gesellschafts­ öffentliche Institution objekt Vernünftiger, Teil der Mitarbei­ Arbeitende, tätige Persön­ kompetenter terbild Betriebsge­ Mitarbeiter meinschaft lichkeit Unterneh­ Wirtschaft­ Produktivität, Sozial­ mensziele lichkeit, Rentabilität, ökonomische Verteilungs­ Wirtschaft­ Wirtschafts­ gerechtigkeit lichkeit ziele Gemein­ Unterneh­ Christliches, Diskursive, mensethik schaftlich-sitt­ kulturforder­ solidarische Vemunftethik liche Pflicht­ liches Wirt­ erfüllung schaften Unter­ Wirtschafts­ sachgerechte Partizipative, Betriebs-/Perethos, Sach-, nehmens­ integrative Gesamtfüh­ und Gemein­ sönlichkeitsführung rung schaftsbezug, entfaltung

Autoren / Merkmale Betriebs­ wirtschafts­ lehre

Horst Steinmann Normative Handlungs­ wissenschaft Marktabhän­ gige, sozial­ verpflichtete Organisation Dialogfahiger Organisati­ onsbürger Sozial­ limitiertes Gewinn­ prinzip Dialog­ gestützte Führungs­ ethik Erfblgs-/Verständigungsorientiertes Management

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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6.3 Thesenhaft zusammengefaßte Vergleichsergebnisse Neben den in der Vergleichsübersicht abgebildeten Profilen der vier unter­ suchten betriebswirtschaftlichen Ansätze lassen sich die Zusammenhänge der früheren ethisch-orientierten Betriebswirtschaftslehren (Nicklisch und Kalveram) und der neueren untemehmensethischen Modellen (Ulrich und Steinmann) nun in Thesenform herausarbeiten und bilanzieren: 1. Die untersuchten Betriebswirtschaftsmodelle haben einen jeweils eige­ nen philosophisch-weltanschaulichen Hintergrund und ethischen Vorstellungsrahmen. Nicklisch und Kalveram versuchten die Betriebswirtschaftslehre auf die Säulen des Idealismus, Humanismus und Christentums zu stellen. Sie legen dabei eine feste, außerökonomische Wertordnung (Letztwerte) zu­ grunde, innerhalb der sich die ökonomische Wertschöpfung (Dienstwerte) vollzieht. Demgemäß hat das (betriebliche) Wirtschaften eine definierte Funktion im Rahmen der menschlichen Gesellschaft und Kultur und ist zugleich deren Derivat.

Ulrich und Steinmann dagegen nehmen Bezug auf moderne philosophi­ sche, gesellschaftskritische Ansätze (Frankfurter bzw. Erlanger Schule). Sie sind bestrebt, die ökonomische Rationalität um eine lebensweltliche Perspektive zu erweitern. Dabei wird von einer ausdifferenzierten, indu­ striellen Gesellschaftsstruktur ausgegangen, für deren Gestaltung es we­ sentlich ist, die einzelnen Bereiche auf einen gemeinsamen, akzeptablen und fruchtbaren Nenner zu bringen. Auch sie streben ein „gutes“ Wirt­ schaften an, wobei dieses nicht inhaltlich, sondern formal festgelegt wird (über Dialog, Diskurs, Akzeptanz). „Gut“ ist in diesem Zusammenhang dann nicht, was sich an festen Werten und Normen orientiert, sondern was über bestimmte (verallgemeinernde) Verfahrensweisen - kollektiv und argumentativ - ermittelt und festgelegt wird. 2. Die Menschenbilder verdanken sich sehr verschiedenen anthropologi­ schen Vorstellungen mit spezifischen Zielen, Möglichkeiten und Begründungen „richtigen“ Handelns.

Der Mensch ist bei Nicklisch und Kalveram ein Wesen (Geschöpf), das einer Führung und eines Orientierungsrahmens bedarf sowie zum Guten

194 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

hin erzogen werden kann (sollte). Er bedarf eines Werterückhaltes sowie der kulturellen Erfahrung und Orientierung aber auch des Ansporns, das als richtig Erkannte zum Ziel und zur Aufgabe seines Handelns zu ma­ chen. Dabei ist ein idealisierter, wünschenswerter Sollzustand das, worauf menschliche (wirtschaftliche) Entscheidungs- und Handlungsweisen aus­ zurichten sind. Dieses erstrebenswerte Zielbild behält selbst dann, wenn ihm eine Verwirklichung und Vollendung versagt bleibt, seine Leuchtkraft bzw. seine Verbindlichkeit. Auch im Bereich der Wirtschaft ist ein sittli­ ches, verantwortungsvolles Handeln immer notwendig, um das gewünschte „gute Ergebnis“ auch zu erreichen. Menschenmöglich ist allerdings nur das strebende Bemühen, nicht der Zu- oder Vorgriff auf das Ergebnis (= Ergebnisoffenheit). Erst in dem anhaltenden Bemühen (Handlungsintenti­ on) liegt die Chance nachhaltiger Verbesserung der Wirtschaftslage und Gesellschaftspraxis.

Bei Ulrich und Steinmann ist der Mensch schon definitionsgemäß ein ver­ nünftiges und urteilsfähiges Wesen. Er bedarf deshalb nur eines geeigneten Rahmens, sich erfolgswirksam zu aktualisieren. Gemeint sind damit dis­ kursfähige Kommunikationsstrukturen („Kommunikationsgemeinschaf­ ten“). Wenn bestimmte Entscheidungsprozesse und Verfahrenswege geschaffen und eingehalten werden, läßt sich die Erfolgs- und Ergebnisof­ fenheit deutlich reduzieren sowie die Ergebnisakzeptanz erhöhen (Hand­ lungsfolgen). Im Idealfall ist es sogar möglich, die „Ergebnisherrschaft“ zu übernehmen. Weniger das persönliche Bemühen, als vielmehr das Ver­ fahrenswissen und die angemessene Verfahrensweise sind hierfür entschei­ dend (und ethisch legitimiert).

3. Die zugrundegelegten Gesellschaftsbilder und Wirtschaftsvorstellungen bewegen sich in einem Spektrum von homogen und harmonisch bis zu komplex und konfliktär. Das Gesellschaftsbild von Nicklisch und Kalveram ist eher geschlossen, homogen und statisch. Die Gesellschaft kann als übersichtlich, gegliedert angesehen werden. Sie läßt sich nach Ideen und Werten gestalten und ent­ wickeln, wenn die „richtigen“ Werte erkannt, verinnerlicht und verwirk­ licht werden. Es wird als Aufgabe des Einzelnen angesehen, dieses auch zu tun und zu der Entwicklung einer harmonischen Gesellschaft seinen Anteil beizutragen (Subsidiarität). Aus dieser Perspektive werden auch die Wirt­

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Schaftsaktivitäten gesehen, nämlich als gesellschaftsbezogene, menschen­ dienliche und kulturforderliche Wertverwirklichung.

Von größerer Komplexität, Konfliktträchtigkeit und Ausdifferenziertheit ist das Gesellschaftsbild von Ulrich bzw. Steinmann geprägt. Die nationa­ le, kulturelle und wertbezogene Geschlossenheit wurde in einer modernen Gesellschaft aufgebrochen und eingebüßt. Die Entwicklung einer fortge­ schrittenen Industriegesellschaft hat zu Verwerfungen und Widersprüchen geführt, die mit Spannungen, Konflikten und Nebenfolgen einhergehen oder andere Probleme zeitigen. Der einzelne Mensch kann gesellschaftlich nur innerhalb von demokratischen Strukturen Wirkung entfalten. In diesem Kontext müssen Zielkonflikte, Folgenprobleme und Interessengegensätze argumentativ („vernünftig“) zu problemlösenden Konsensen geführt wer­ den. Spannungsverläufe und Problemstrukturen bestimmen auch die Wirt­ schaft als Teil der Gesellschaft. Demgemäß müssen auch hier argumentative und diskursive Verfahren Anwendung finden. Es besteht dabei ein sehr großer Optimismus gegenüber der Problemidentifikation und der Problemlösungskapazität, der Rationalitätsbereitschaft und Sozi­ alverantwortung des Menschen angesichts vielfältiger Unsicherheits- und Risikosituationen. 4. Das zugrundeliegende Wissenschaftsverständnis ist normativ­ wertgetönt, d. h. nicht bloß kausal, sondern final und nicht nur instrumentell, sondern institutionell ausgerichtet. Nicklisch und Kalveram sehen wissenschaftliche Forschung und Lehre verschwistert. Die Forschung hat sich mit Erkenntnisgewinnung und Wis­ sensmehrung abzugeben. Die wirtschaftlichen (betriebswirtschaftlichen) Forschungsgegenstände (Erkenntnisobjekte: Betrieb, Betriebsabläufe) sind einerseits empirisch gegeben, sind aber auch andererseits intentional (zweckbestimmt, nicht zufällig) entwickelt worden, d. h. sie lassen sich in einen höheren Sinnzusammenhang einordnen. Sie sind nicht mechanistisch geprägt oder deterministisch bestimmbar, sondern entspringen einem (ver­ nünftigen) menschlichen Willen. Das bedeutet, daß sie nicht als rein kausal oder determiniert anzusehen sind. Vielmehr steht ihre absichtgeleitete und wesensmäßige Bestimmung im Vordergrund des Erkenntnisziels. In diesem Zusammenhang gesehen, haben wissenschaftliche Aussagen nicht nur eine sach- und fachbezogene Erhellungsabsicht bezüglich dem faktischen

196 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

Seinszusammenhang, sondern auch eine gegenstandsgemäße, wertbe­ stimmte Einordnung gegenüber einem zu Wollenden Sollenszustand zu enthalten. Maßgeblich ist die Sicht des Betriebes als Gemeinschafts- und Sozialgebilde.

Im Rahmen der Lehre soll dieses umfassende (kausale und finale) Wissen dem Studierenden und künftigen Wirtschaftspraktiker nähergebracht wer­ den. Dadurch ist er in einer umfassenden, nicht bloß fachlichen Hinsicht zu bilden und profilieren (Ethos und Persönlichkeit). Auf diesem Wege ist auch der Keim zu legen, der in der jeweiligen wirtschaftlichen Entschei­ dungs- und Handlungssituation praxisgerechte und ethisch „gute“ Früchte trägt. Anders gestaltet sich das Wissenschaftskonzept von Ulrich und Stein­ mann. Sie vertreten einen kritisch-gestaltenden bzw. helfend-reformierenden Ansatz, der nicht bei Gegenstandsanalysen und Mittelempfeh­ lungen halt macht. Es wird versucht, die lebenspraktische und friedens­ stiftende Perspektive in die betriebswirtschaftliche Fachrationalität zu integrieren, um diese praxisangemessen und gesellschaftsbezogen zu er­ weitern. Ziel der Wissenschaft ist nach diesem Verständnis die Verbesserung der unzulänglichen Praxis durch eine reflektierte Problemanalyse (Grundla­ genreflexion) und eine untemehmensberatende Problemlösung (Untemehmensführungskonzeption). Zur Lösung der konkreten sozio-ökonomischen Probleme werden Anleihen bei zeitgenössischen philosophischen Ansätzen gemacht. Sie sollen helfen, menschen- und gesellschaftsdienliche Lö­ sungswege von ökonomieinduzierten Konfliktsituationen zu finden. Da­ hinter steht ein ausgeprägter Problemlösungswunsch, der mit einer optimistischen Problemlösungshoffnung verbunden ist bzw. sich gegen eine resignative Hinnahme stemmt.

5. In Fragen des betriebswirtschaftlichen Ansatzes besteht eine gemein­ same Ablehnungsfront gegenüber betriebstechnisch-instrumentellen Be­ strebungen und zugunsten einer legitimen (reflektierten, akzeptierten, sozialförderlichen) betrieblichen Wirtschaftsweise. Wenn Nicklisch und Kalveram von Betriebswirtschaftslehre sprechen, so meinen sie zum einen die Erforschung des Betriebsgeschehens und dessen

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Abläufe als Analyse und Aufklärung von Kausal- und Sinnzusammenhän­ gen. Zum anderen gilt ihr pädagogisches Bemühen der Konzeptionierung einer Betriebswirtschafts-ZeAre unter Berücksichtigung der erforschten sachlichen und wertbezogenen Zusammenhänge. Sinn und Ziel dieser Leh­ re ist eine fachliche Wissens- und Orientierungsvermittlung über eben diese betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge. Am Ende steht eine Wirt­ schaftspersönlichkeit, die sowohl in wirtschaftlichen Sachfragen kompe­ tent als auch in einer ethischen Wirtschaftsgesinnung „sozialisiert“ ist.

Bei Ulrich und Steinmann findet sich die Auffassung der Betriebswirt­ schaftslehre als einer kritischen, sozialökonomischen bzw. normativen Handlungswissenschaft. Sie will neben der Erkenntnisvertiefiing ihres Gegenstandes handlungsbezogene Leitideen und Führungskonzepte ver­ mitteln, die philosophisch reflektiert und diskursiv begründet sind. Es geht ihnen darum, einer bedrängten Wirtschaftspraxis wissenschaftlichen Rat und Beistand bei der Problembeurteilung und -bewältigung in Richtung einer konfliktversöhnten Praxis zu geben. Dabei legen sie diskursethische Verfahrensweisen zugrunde und hoffen auf eine menschlich-vernünftige Konsensbereitschaft, eine hohe Problemlösungskapazität und in ihrem Gefolge auch eine große Erfolgswahrscheinlichkeit, Sozialverträglichkeit sowie Akzeptanzbereitschaft. 6. Das Mitarbeiterbild fallt je nach philosophisch-anthropologischer Sichtweise und Wirtschaftsauffassung unterschiedlich aus. Konsens besteht aber darin, daß der arbeitstätige Mensch als Person anzuerken­ nen und nicht als Produktions-, Kostenfaktor oder Humankapital „zu verwerten“ ist.

Der Mitarbeiter erfüllt im Betrieb gemäß Nicklisch und Kalveram eine gesellschaftliche, menschendienliche Funktion, die sowohl kulturgeprägt als auch kulturprägend ist. Beide wollen den berufstätigen Menschen als Subjekt des Wirtschaftens, d. h. als Person und Selbstzweck, nicht als Faktorgröße verstanden wissen. Er sollte sich in der arbeitsteiligen, be­ trieblichen Gemeinschaft gemäß seiner Einsicht, Pflicht und Bestimmung entfalten können und dabei dem Betriebszweck dienen. Das beinhaltet konkret eine Zuweisung von Rechten und Pflichten an ihn und sein Han­ deln. Sein wirtschaftliches Wirken vollendet sich nicht im Selbstgenuß, vielmehr wird es als kollektiver Dienst an der Gemeinschaft und an besse­

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ren Lebensverhältnissen verstanden. Dem Mitarbeiter gegenüber steht der verantwortungsvolle und fürsorgliche Unternehmer, der seinen Anteil an wirtschaftlicher Sicherheit (Arbeitsplatz, Einkommensmöglichkeit) und menschlichem Wohlergehen (Einbringungs- und Entfaltungsmöglichkeit) zu erbringen hat. Demgegenüber vertreten Ulrich und Steinmann einen individualistischen Standpunkt, bei dem der einzelne Mensch und Wirtschaftsakteur „demo­ kratisch“ seinen persönlichen Gemeinschaftsanteil einbringt. Sie wollen der „menschlichen“ Gesellschaft über die Interessen und Fähigkeiten des Einzelnen näherkommen. Die Vemunftbereitschaft, Problemlösungsfahigkeit, Sozialorientierung und Mündigkeit des Einzelmenschen zum Nutzen der Lebensgemeinschaft werden sehr positiv eingestuft. Strukturelle Bar­ rieren sind in Richtung auf befreiende, partizipative und innovative Wirt­ schaftsstrukturen umzubauen. Auf diesem Wege lassen sich zugleich ökonomische Effektivität und soziale Akzeptanz, d. h. die Integration von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zielvorstellungen, erfolgreich ver­ wirklichen. 7. Das sozial-humane Untemehmensziel und der ökonomische Betriebs­ zweck haben nur insoweit betriebswirtschaftlichen Gewinnperspektiven und Rentabilitätswünschen zu genügen, als sie gesellschaftlichen und untemehmensethischen Anforderungen entsprechen.

Der Bestimmung des Menschen gemäß und der Erfüllung einer Sozial- und Sittenordnung zu dienen, ist bei Nicklisch und Kalveram der Betrieb aus­ gerichtet. Unternehmerische Entscheidungs- und Handlungsfreiräume wer­ den vorausgesetzt, so daß der Betriebserfolg und die Arbeitsgestaltung im wesentlichen eine Frage des richtigen Wissens und Wollens sind. Ethos und Gewissensbindung sind Grundpfeiler betrieblichen Wirtschaftens und nicht eine wie auch immer begründete Erfolgsethik. Der Würde des Mitar­ beiters wird durch bestimmte Formen der Mitbestimmung, eine gerechte Entlohnung und Erfolgsbeteiligung sowie eine sozialfürsorgliche Füh­ rungsweise Rechnung getragen. Es gelten die Regeln einer sittlich­ verantwortungsvollen Geschäftsführung und das Gebaren eines „ehrbaren Kaufmanns“ Untemehmenszweck ist die Bestversorgung der Menschen mit Bedarfsgütern und Geldeinkommen sowie eine Ressourcenoptimierung gemäß dem ökonomischen Prinzip und der Wirtschaftlichkeit.

Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

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Ulrich und Steinmann geht es um eine gesellschaftsverträgliche Selbstak­ tualisierung des Menschen als Untemehmensmitarbeiter und um die Rück­ bindung bzw. Verträglichmachung unternehmerischer Entscheidungen gegenüber einer übergeordneten gesellschaftlichen Rationalität. Im Rahmen einer Konkurrenzwirtschaft ist erfolgreiches unternehmeri­ sches Entscheiden und Handeln an zwei Polen verankert:

-

der gesellschaftlichen (sozialen, moralischen, ökologischen) Akzeptanz sowie an der ökonomischen Effizienz und Wettbewerbsresistenz.

Ein sorgfältiges Austarieren beider Richtungen ist notwendig, denn bereits eine Einseitigkeit in der Ausrichtung oder eine Nichtbeachtung einer der Komponenten kann den Untemehmensuntergang bedeuten.

Die Lösungsvorschläge der beiden letztgenannten Autoren zielen deshalb auf eine weitgehende Partizipations- und Entfaltungsmöglichkeit von Mit­ arbeitern und Anspruchsgruppen in der Unternehmung ab und versuchen, auf diese Weise den untemehmensstabilisierenden Balanceakt zu meistem. Sie unterstellen dabei unternehmerische Spielräume in ökonomischer, zeit­ licher, wettbewerblicher Richtung, die solche Partizipationschancen bieten bzw. ihre Inanspruchnahme tolerieren. Darüber hinaus sind Maßnahmen erforderlich, die in einer institutionellen Öffnung, in entfaltungsfreundlichen Organisations- und Personalmaßnahmen und nicht zuletzt in einem partizipationsorientierten Führungsstil münden. Auf diesem Wege wird der soziale und ökonomische Untemehmenserfolg angestrebt und zu verwirkli­ chen gesucht.

8. Der Anwendungsbezug dieser zeitlich so unterschiedlich plazierten, ethischen Betriebswirtschaftsauffassungen fallt recht verschieden aus und muß im jeweiligen sozialen und paradigmatischen Kontext gesehen werden. Aus dem bisher Gesagten wird erkennbar, daß Nicklisch und Kalveram auf die Praxiswirksamkeit ihres betriebswirtschaftlichen Lehrkonzeptes setzen. Sie verfolgen damit kein unmittelbares Untemehmensberatungsziel. Dennoch geben sie Hilfestellungen und Orientierungen in der Beschreibung von Funktions- und Sinnzusammenhängen eines verantwortungsvollen, gemeinschaftsforderlichen und menschenangemessenen betrieblichen Wirt­ schaftens. Ihr Optimismus gilt nicht einer unmittelbar praxisfahigen und

200 Vergleichende Gegenüberstellung der diskutierten Modelle

problemreduzierenden Betriebswirtschaftslehre. Sie beschreiten stattdessen einen wirtschaftspädagogischen Pfad. Über die Aus- und Heranbildung einer gleichermaßen fachlich qualifizierten wie pflichtbewußten, sittlichen Wirtschaftspersönlichkeit gelingt es, die sachlichen Anforderungen und ethischen Fehlentwicklungen im Wirtschaftsbereich (Betrieb) zu meistem und positiv zu gestalten. Darüber hinaus geben sie natürlich auch ethisch begründete, betriebswirtschaftlich praktische Empfehlungen. Anders verhält es sich bei Ulrich und Steinmann. Beide sind bemüht, in ausgearbeiteten Managementmodellen konkrete (untememensethische) Führungsempfehlungen der Wirtschaftspraxis (Untemehmensfuhrung) zu geben. Sie werden von der Überzeugung geleitet, daß ihre ausgearbeiteten Ansätze in direkter Anwendung (Implementierung) den gewünschten Untemehmenserfolg bringen. Dieser wird in einem sozial-humanen und doch auch ökonomisch-effektiven Fortschritt definiert und als ausgleichende soziale, politische, ökologische und ökonomische Untemehmensgestaltung implementiert. Der wirtschaftende (vernünftige) Mensch wird in der Lage gesehen, sein risikoreiches Schicksal in eigener Regie erfolgreich und ohne problemlösende Problemgenerierung zu bewältigen.

Einordnung und Ausblick

7.

201

Einordnung und Ausblick

7.1 Gesellschaftlich-kultureller Verständniszugang Wirtschafts- und Untemehmensethik hängen in starkem Maße mit gesell­ schaftlichen Zielvorstellungen zusammen und formulieren Antworten auf wirtschaftliche Gegebenheiten.1 Eine Betrachtung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontextes liefert die „Kulisse“, vor welcher betriebsund untemehmensethische Bestrebungen erst ihre richtige Darstellung und Rechtfertigung finden. Die Einlassung auf eine Gesellschaftsbetrachtung am Ende dieser Arbeit will zweierlei bewirken: Erstens soll das Verständnis der untersuchten, ethisch-betriebswirtschaftlichen Modelle durch die Einordnung in einen (historischen) gesellschaftlichen Zusammenhang erhöht werden. Zweitens sollen auf dieser Basis qualifizierte Schlüsse für eine gegenwartsangemes­ sene wirtschafts- und untemehmensethische Konzeption gezogen werden. •

Das abendländische, moderne Gesellschaftsbild (geprägt von Wettbe­ werb, kapitalistischem Lebensstil und Fremdmoral) liefert m.E. den Verständnisrahmen für die ethischen Betriebswirtschaftskonzeptionen von Nicklisch und Kalveram. Die postmodernen gesellschaftlichen Fortschrittsmuster (mit Ausdifferenzierung, Doppelvemunft, Wertever­ fall und Risiko) bilden demgegenüber den Verständnishintergrund für die gegenwärtige untemehmensethische Diskussion, verbunden mit den Namen Ulrich und Steinmann.



Eine marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaft bewegt sich auf einem ethischen Niveau, das nicht maximalen Moralansprüchen genü­ gen kann, aber durch ständige Verbesserungen eine nachhaltige Stabili­ sierung erfahrt. Auf gesellschaftlicher Ebene wirkt das Koordinations­ modell der sozialen Marktwirtschaft in diesem Sinne. Ergänzend sind jedoch auch auf Branchen-, Verbands-, Unternehmens- und Individual­ ebene entsprechende Anstrengungen zur Defizitreduzierung und Moral­ niveaustabilisierung unerläßlich.

1

vgl. Koslowski (1994), S. 4f.

202

Einordnung und Ausblick

7.2 Moderne Gesellschaft und Wirtschaftsethik 7.2.1 Rational orientierter Mensch und Gesellschaft Der Prozeß einer durchgreifenden Rationalisierung, der Antritt der „Ratio­ nalitätsherrschaft“, war nach Max Weber die entscheidende Wende zur industrialisierten, kapitalistisch-bürokratischen, „modernen“ Gesellschaft. Sie griff durch vom Staat (Rechtsstaat, Bürokratie) über die Wirtschaft (ökonomische bzw. Zweckrationalität), die Wissenschaft (Kausalprinzip), bis in die Verästelungen der persönlichen Lebensführung (Berufs- und Fachmensch).1

Im Gefolge dieses Rationalisierungsprogramms vollzog sich eine Wende zur Sachlichkeit, Liberalität und Individualisierung, die eng verknüpft war mit einer sich durchsetzenden, rationalen, auf Kapital und Wettbewerb gegründeten Marktwirtschaftsform. Zuguterletzt konnte sogar von einem „Kapitalismus als moderner Lebensstil“ (Vierkandt) gesprochen werden. Diese „Tendenz zur Sachlichkeit“ zeichnet sich durch den Bedeutungs­ gewinn der Zwecksysteme und Wirkungswerte synchron zu einem Bedeu­ tungsschwund der Person, des Persönlichkeitswertes und des Verantwor­ tungsbewußtseins aus.2 Das Sozialleben wird „zweckmäßiger“ und „objekthafter“, schlicht beziehungsärmer („Interessenorientierung statt Sozialgeist“).3 Die „sozialen Verhältnisse“ wandeln sich damit von einer menschlich-wertbezogenen, selbstzweckhaften „Gemeinschaft“ zu einer zweckbezogenen, interessengeleiteten, egozentrischen „Gesellschaft“.4 Es entwickelt sich mithin ein Individualismus, der den Menschen aus einer sozialen und „religiösen Geborgenheit“ in eine „kosmische Einsamkeit“ entläßt und einer „Herrschaft des Fremden im Sozialleben“ Vorschub lei­ stet.5

7.2.2 Kapitalistischer Betrieb und Wirtschaft Als Wirtschaftssystem setzt sich im Zuge der voranschreitenden Industria­ lisierung und „Modernisierung“ eine auf Privateigentum und Wettbe­ l 2 3 4 5

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Weber (1992), S. 340ff. sowie Vierkandt (1959b), S. 143fE Vierkandt (1959b), S. 160ff. Briefs (1959b), S. 160ff. Tönnies (1959), S. 180ff. Vierkandt (1959b), S. 157

Einordnung und Ausblick

203

werbsfreiheit gegründete, kapitalistische Marktwirtschaftsweise durch. Sie weist sich durch eine „Wirtschaftsgesinnung“ (= „subjektiver Geist“) mit folgender Charakteristik aus: Erwerbsprinzip, Individualismus und öko­ nomisches Rationalprinzip.1 Im Gefolge dieser Wirtschaftsauffassung vollzieht sich eine Schwerpunktverlagerung von der Person zur Organisa­ tion, vom „organischen“ Betrieb zur „unpersönlichen“ Unternehmung, d. h. „die Emporhebung eines selbständigen Wirtschaftsorganismus über die einzelnen lebendigen Menschen hinaus ...“2.

Wirtschaftsuntemehmen weisen eine Trennung (mitunter Isolation) des „Betriebs-, Zweck- oder Werkraumes“ vom „Lebensraum“ auf. Es prägt sich eine unpersönliche, vertragsbezogene, objekthafte, konkurrenzielle Beziehung des menschlichen (zweckhaften) Zusammenwirkens aus, die mit sozialer Anonymität, Fremdheit und Entpersönlichung einhergeht.3 Dieses betriebswirtschaftliche Sozialgebilde steht unter dem Druck von System­ kongruenz und -konformität und wirtschaftsliberalen Marktregeln (d. h. Zweckrationalität, Erwerbsausrichtung, Konkurrenzausgesetztheit).4 Das ist der Preis für eine (marktliche) effiziente Produktion und effektive Allo­ kation von Wirtschaftsgütem unter Wohlfahrtsaspekten.

7.2.3 Sozial-ethische Auswirkungen Die Entwicklung einer rational und kapitalistisch durchdrungenen, „mo­ dernen“ Gesellschaft hat ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Sozialgefuge (soziale Distanz, geschwächtes Sozialethos). Diese „bürger­ liche“ Gesellschaft favorisiert nunmehr Vital- und Nützlichkeitswerte ge­ genüber Selbst- und Letztwerten.5 Es entsteht immer ausgeprägter eine gruppenzentrierte Moral, in deren Gefolge eine „dualistische Ethik“ gilt, die genau zwischen „Gruppenmoral“ und „Fremdmoral“ (bis hin zu „Feindmoral“) zu differenzieren weiß und demgemäß zu handeln veran­ laßt.6 Im Rahmen einer Wettbewerbsgesellschaft treten diese Gruppen (und Organisationen) dann unter dem Druck einer selektierenden Sy­

1 2 3 4 5 6

vgl. Sombart (1959b), S. 258ff. Sombart (1959b), S. 261 vgl. Briefs (1959a), S.36ff. vgl. Briefs (1959a), S. 46 vgl. Vierkandt (1959c), S. 533 vgl. Vierkandt (1959c), S. 536ff.

204

Einordnung und Ausblick

stemangemessenheit gegeneinander an (sogar bis zur Einbeziehung des Gruppenethos und des Moralniveaus als vorteilsforderliches Unterschei­ dungsmerkmal und als positionssichemder „Erfolgsfaktor“).

7.2.4 Ethisch-betriebswirtschaftliche Antworten Vor diesem sozialen Wissenshintergrund und mit dieser Gesellschafts­ kenntnis ist es nun leichter möglich, die historische Situation und das „Pa­ radigma“ zu verstehen, das für die im Rahmen dieser Arbeit diskutierten „älteren Betriebswirte“ Heinrich Nicklisch und Wilhelm Kalveram maß­ geblich war. Den obersten Zweck des Wirtschaftens erkannten sie in dem Ziel und der Funktion „menschlicher Unterhaltsfürsorge“ (gemäß Werner Sombart) und Gemeinschaftsdienlichkeit. Sie haben die „anthropologischen Grundtatsa­ chen“ des Menschen als Gemeinschaftswesen und „soziales Selbstwesen“ im Auge.1 In Fortsetzung dieser Denkrichtung steht bei beiden der wirt­ schaftende Mensch nicht unter dem Sozialisations- und Erfolgsdruck der bereits beschriebenen „kapitalistischen Wirtschaftsgesinnung“, sondern als freie und einsichtige, an Pflicht und Verantwortung gebundene Persönlich­ keit (bei Nicklisch) bzw. als glaubensbefreiter, heils- und führungsbedürf­ tiger „Christenmensch“ und Daseinsgestalter (bei Kalveram).

Mit ihren Vorstellungen treten diese Betriebswirtschaftler den negativen Ausformungen von Sozialethos und Wirtschaftsgeist im Wirtschaftsleben (Betrieb) überzeugt entgegen. Der Betrieb ist in den volkswirtschaftlichen Wertschöpfungskreislauf (Nicklisch) eingebunden und ein gesellschaftsbe­ zogener Kulturfaktor (Kalveram). Mit der Gemeinschaftsidee im Hinter­ grund steht die einzelne „Betriebswirtschaft“ einer „organischen“ Sozial­ einheit näher als der Vorstellung eines „unpersönlichen“ Interessengebil­ des. Der Betrieb wird als „finaler Zweckverband“ (nicht als Erwerbsinteressen­ verband) angesehen. Bei Heinrich Nicklisch wird er gar als „organisches Ganzes“, d. h. als eine Verschmelzung von Verband und Mitglied aufge­ faßt.2 Darin erfahrt der arbeitende Mensch (nicht entfremdet), als „Glied“

1 2

vgl. Terminologie bei Sombart (1959a), S. 221 ff. vgl. analoge Ausführungen von Sombart (1959a), S. 227ff.

Einordnung und Ausblick

205

und „Person“ sein Wirkungsfeld und seine Wertschätzung, sowie seine gesellschaftsdienliche Herausforderung und daseinserfüllende Bestätigung. Wilhelm Kalveram fühlt sich (in Übereinstimmung mit der christlichen Soziallehre) besonders den Prinzipien: Personalität, Solidarität und Subsi­ diarität verbunden und strebt deren tätige betriebliche Umsetzung an. Es wird dabei großer Wert auf eine „Wirtschaftskultur“ mit ethischer Gesin­ nung („Wirtschaftsgeist“) gelegt, deren Träger letztlich die gesittete Wirt­ schaftspersönlichkeit („Wirtschaftsethos“) ist. „Betriebswirtschaftliche Ethik“ wird im wesentlichen als persönliche und soziale Verantwor­ tungsethik verstanden.

7.3 Postmoderne Gesellschaft und wirtschaftsethische Konsequenzen 7.3.1 Post-rationale Wirtschaftsgesellschaft Die geistigen Wurzeln der beschriebenen historischen Gesellschaftsent­ wicklung liegen in der „protestantischen Ethik“ des aufstrebenden Indu­ striebürgertums.1 Wie Max Weber in seiner vielbeachteten soziologischen Analyse zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ herausstellt, gibt es drei mögliche Stellungnahmen zur Welt:

1. Weltbejahung und Weltanpassung mit einer traditionalen, pragmati­ schen und opportunistischen Einstellung; 2. Weltverneinung und damit verbunden Weltflucht, die sich in Irrationa­ lität, Ästhetik oder Indifferenz äußert; 3. Weltverneinung kombiniert mit einer weltzugewandten Weltbearbei­ tung und verknüpft mit einer protestantisch-asketischen, rationalen, wissensorientierten Lebenshaltung.2

Diese dritte Position und „effiziente Erfolgskombination“ von Weltableh­ nung mit gleichzeitiger Weltbearbeitung bildet den Kem der „okzidentalen Rationalisierung“. Die Weiterentwicklung dieses Rationalisierungsprozes­ ses in Wirtschaft und Gesellschaft bis in die Gegenwart läßt sich anhand eines Vier-Phasen-Modells veranschaulichen. Dieses macht vier Entwick­

1 2

vgl. Weber (1992), S. 3571T. vgl. Weber (1992), S. 441 ff. sowie Spinner (1985), S. 823ff.

206

Einordnung und Ausblick

lungsstufen deutlich: beginnend bei einer theologisch-philosophischen Wertorientierung über eine gesellschaftliche Regelorientierung zu einer funktionalen Prozessorientierung und mündend in einer pragmatischen Resultatsorientierung) Die Wertorientierung und die anderen Formen treten in der Gegenwart zugunsten einer resultatsorientierten Problemlö­ sung zurück und weisen auf ein differenziertes und aufgefachertes Ratio­ nalitätsspektrum hin. Die - nach Spinner - einzelproblemorientierte „Okkasionelle Rationalität“ (auch „Gelegenheitsvemunft“ - bei Max Weber im Charismatischen an­ gelegt) ist „das Andere“ der (okzidentalen) „Prinzipiellen Rationalität“ (auch „Grundsatzvemunft “), mit welcher sich Weber so ausführlich be­ schäftigt hat. Im Gegensatz zur Grundsatzvernunft, die auf Prinzipien und Regeln aufbaut (also regelgebunden, alltäglich, routiniert ist), basiert die Gelegenheitsvernunft auf „Okkasion & Opportunität“ (ist demgemäß regelffemd, außeralltäglich, innovativ-kreativ). Ihr Metier ist die „Ausnüt­ zung des Besonderen“, d. h. der Gelegenheit, Situation, Problemlage, Per­ sonenkonstellation sowie Zeit und Ort.2 Diese beiden Rationalitätsformen stellen als „Doppelvemunft“ die Extrempositionen in einem Kontinuum mit verschiedensten Rationalitätsvariationen dar. Sie ermöglichen das Ver­ ständnis der Entwicklung postmoderner, abendländischer Industriegesell­ schaften und ihrer Phänomene: weg von einer Einheitsausrichtung, hin zu einer Ausdifferenzierung. Der Mensch bedarf in einer postmodernen (und postrationalen) Gesell­ schaft einer Sinn-, Sozial- und Handlungsorientierung, die heute mehr eine Wissens-, Dialog-, Situations- als eine Wertorientierung ist. Der „Orientie­ rungsrahmen“ (als „Rationalitätsorientierung“) ist der eigenständige Fak­ tor, der sich in die „Mensch-Welt-Beziehung“ verbindend, vermittelnd und verfügend schiebt (= Mensch-Orientierung-Welt). Die ganze Palette der Doppelvemunft ist das Orientierungs-Arsenal, das dem Menschen zur Verfügung steht, seine Ziele und Zwecke (rational, dezisionistisch bzw. moralisch) zu erkennen, zu setzen, zu erreichen oder (gegebenenfalls auch) zu verfehlen.3

1 2 3

vgl. Spinner (1985), S. 826f. vgl. Spinner (1985), S. 829ff. vgl. Spinner (o. J.), S. 3f.

Einordnung und Ausblick

207

Zur Veranschaulichung der beiden antagonistischen Rationalitätspositio­ nen (und Orientierungsoptionen) der „DoppelverminfC hier folgende Übersicht:1

Grundsatzvernunft

Gelegenheitsvernunft

Welt

nach Sinn und Sach­ zusammenhang gebildet

fragmentiertes Universum (ultramodeme Datenbank)

Gesellschaft

soziales System

Dschungel, Montage, Haufen

Mensch

prinzipiengeleitete Persönlichkeit

„Momentpersönlichkeit“

Wissenschaft

theoretischer Erkennt­ nisstil, griechische, universale Theorie­ wissenschaft

additiver Erkenntnisstil, vorgriechische Listen- und Tabellenwissenschaft

Wirtschaft

kapitalistisches „Gesamt­ kunstwerk“ mit ethischen Grundsätzen („Geist“ und Gesinnung)

kapitalistischer Krieg wild­ wüchsiger Interessen („temperierender“ Geist ist abhandengekommen)

Leben

methodische Lebens­ führung mit transzen­ denten Zielen und Hand­ lungsmotiven

Abenteuer ohne geregelten Sinn und Ablauf (ego- und erfolgszentriert dezisionistisch)

Die Handlungsorientierung ist maßgeblich für die Handlungsziele, die Auswahl der Handlungsoptionen und die Art und Weise des Handlungs­ vollzugs auf den konkreten Handlungsebenen.

1

angelehnt an die Beschreibung von Spinner (1986), S. 935

208

Einordnung und Ausblick

7.3.2 Post-moderne Risikogesellschaft „Postmodem“ kann auch als „Codewort für Ratlosigkeit“ oder als „antimodernistisches Szenario“ (Ulrich Beck) gelten und eine Gesellschaft be­ schreiben, die sich nicht auf dem Königsweg in eine strahlende, vielmehr auf dem Holzweg in eine gefährdete Zukunft befinden.1 Die postmoderne „Leitidee einer reflexiven Modernisierung der Industriegesellschaft “ beinhaltet und begünstigt nicht die Fortschrittsvorstellung, sondern deren Kehrseite: den Fortschrittsrückschlag einer auf Wohlstandsmehrung be­ dachten, tatsächlich aber der Risikoproduktion anheimgegebenen Indu­ striegesellschaft. Wir existieren in einer von unerwünschten (ökologischen und sozialen) Nebenwirkungen begleiteten Wirtschaftsgesellschaft, die zudem mit einem allzeit zum Ausbruch fähigen „Allgemeinrisiko “ leben und rechnen muß.2 Das Neuartige ist die globale Tendenz und die uneindämmbare Dynamik dieser von Menschenhand selbst verursachten Gefährdungsrisiken (z. B. in Gestalt von weitreichenden Chemie- oder entfesselten Atomunfällen). Ein „anthropologischer Schock“ macht sich im Angesicht dieser Risikoentfes­ selung und der Erfahrung einer neuen „Naturabhängigkeit“ breit, der durch das Bewußtsein um die allumfassende Zerstörungskraft menschli­ chen Irrtums und Unzulänglichkeit noch gesteigert wird. Was bleibt, ist die „Resthoffiiung“ auf günstige Naturvariablen (wie Wind, Wetterlage, Nie­ derschlag) - weit genug entfernt vom locus horribilis.3

Die Risikogesellschaft zeitigt einschneidende Wirkungen:



Die ökonomische Wohlstandsmehrung geht unvermeidlich mit Risiko­ produktion einher und mündet in eine wohlstandsbedingte Gefähr­ dungsverelendung („Zivilisationsverelendung“).4 Es herrscht eine Pro­ blementsorgung not, die mehr Wert auf Beseitigung statt Verhinderung der Probleme legt, aber damit gerade neue Probleme schafft (Problem­ lösungsspirale)



Die praktizierte Wirtschaftsweise fuhrt zu einer „ Wegmodernisierung “ von Arbeitsplätzen durch neue Arbeits-, Produktions- und Organisati­

1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Beck (1986), Beck (1986), Beck (1986), Beck (1986),

S. 14ff. sowie ders. (1993), Sp. 913ff. S. 17 sowie Kleinfeld-Wernicke, Koslowski (1993), Sp. 741 ff. S. 8ff. S.67ff.

Einordnung und Ausblick

209

onstechniken mit der Folge einer „pluralen Unterbeschäftigung“ (Lean­ management als zeitgemäßes Beispiel). Diese soziale und ethische „De­ fizitproduktion“ ist der „Preis“ eines marktwirtschftlichen Wirtschaf­ tens.1 Die moderne, ökonomisch-gesellschaftliche Entwicklung leitet aber außer der Entlassung aus Sekundärgruppenbeziehungen ( z.B. dem Arbeitsver­ hältnis) auch einen Auflösungsprozeß von Primärgruppen (z.B. der Fami­ lienstrukturen) ein und leistet so einem Industrienomadentum Vorschub: „In dem zu Ende gedachten Marktmodell der Moderne wird die familienund ehelose Gesellschaft unterstellt. Jeder muß selbständig, frei für die Erfordernisse des Marktes sein, um seine ökonomische Existenz zu si­ chern. Das Marktsubjekt ist in letzter Konsequenz das alleinstehende, nicht partnerschafts-, ehe- oder familien-'behinderte' Individuum“.2 Die Freiset­ zung aus Arbeitsverhältnis und Privatbeziehung sowie die Vereinzelung von Lebenslagen und Lebensstilen zerstört in letzter Konsequenz die sozial-stabilisierende „Achse der Lebensführung“.3 Zusammenfassend ist nach Beck die „Postmoderne“ eine problematische, gefährliche und unausweichliche „Reflexivität von Modernisierung“ und als solche eine sich stetig öffnende Büchse der Pandora. „Die dadurch ausgelösten epochalen Irritationen sind durchweg Ergebnisse des Erfolges von Modernisierung, die jetzt nicht mehr in den, sondern gegen die Bahnen und Kategorien der Industriegesellschaft verlaufen.“4

7.3.3 Post-materialistische Wertegesellschaft Post-moderne Gesellschaften zeichnen sich durch einen Strukturwandel aus, der bis in das Wertgefüge hineinreicht. Es bilden sich neue, „postma­ terielle“ Werte (Inglehart) heraus, welche die individuelle, persönliche Lebensausrichtung aus „überkommenen“ Vorstellungen löst und nachhal­ tig verändert. Traditionelle Wertvorstellungen werden durch unkonventio­ nelle Wertemuster überlagert. Schließlich bildet sich ein Wertepluralismus

1 2 3 4

vgl. Beck (1986), S. 115ff. sowie Homann (1993), Sp. 652ff. Beck (1986), S. 191 [Hvh. i.O ] vgl. Beck (1986), S. 205 Beck (1986), S. 19 [Hvh. i.O]

210

Einordnung und Ausblick

aus; verbindliche Wertorientierungen werden durch optionale (okkasionel­ le) „Wertesets“ substituiert.1

Wertewandel kann aber außer zu neuen Horizonten in einer auf Wettbe­ werb gegründeten Gesellschaft auch zu Moralerosion oder Werteverfall fuhren und dadurch das erreichte Kultumiveau gefährden. So weist die marktwirtschaftliche Wirtschaftsbilanz auf der Passivseite den Verbrauch von sozial-ethischen Reserven auf, ohne diese hinreichend „aus sich her­ aus“ zu erneuern.2 • Aus ökonomischer Sicht ist festzuhalten, daß in einer Konkurrenzwirt­ schaft die realen (kontingenten) Märkte nicht „ideal“ funktionieren, son­ dern sich durch verschiedene Elastizitäten und Offenheiten gegenüber Wettbewerbsdruck auszeichnen. Sie ermöglichen gerade jenen „Selbstin­ teressenten“ (= Marktteilnehmern) „Differentialrenten“ (= Ergebniszu­ wächse), die den weiteren moralischen Spielraum (und dementsprechend die geringere moralische Bindung) aufweisen.3 Es pendelt sich ein labiles moralisches Niveau („Grenzmoral“) ein. In einem subtilen Substitutions­ effekt von Erfolgen, die auf Kosten des („intramarginalen“) Ethos erzielt werden, ist dieses in einer Unterlegenheitsposition und somit einem starken („submarginalen“) Erosionsdruck ausgesetzt. Dies Phänomen hat Götz Briefs so beschrieben: „Bei scharfem Wettbewerb oder bei ausgeprägtem Gewinnstreben gilt tendenziell, daß das jeweilige Grenzethos submargina­ lem Druck ausgesetzt war; ferner, daß da, wo dieser Druck die höheren Ertragsaussichten bot, er die Neigung hatte, das bestehende Grenzethos abzusenken. Was anfangs submarginale Praxis war, wird zur neuen Grenzmoral.“4 Genauer betrachtet wird der Differenzbereich und Phasen­ übergang zwischen gültiger Grenzmoral (d. h. unterer Moralgrenze) und Sanktionsbeginn (d. h. oberer Sanktionierungsgrenze) ökonomisch für den eigenen Erfolgszuwachs („Differentialrente“) ausgenützt. Dies geschieht auf Kosten derer, die an der Grenzmoral festhalten, letztlich aber nicht die Marktmacht besitzen, dieses Moralniveau zu verteidigen oder als verbind­ lich zu stabilisieren. Moral wird so zur eigennützig ausbeutbaren „Res­ source“. 1 2 3 4

vgl. Honecker (1993), Sp. 1259ff. vgl. Röpke (1955/1981), S. 448 vgl. Briefs (1957), S. 98 Briefs (1957), S. 101

Einordnung und Ausblick

211

• Im betrieblichen Bereich sind über die genannten Beispiele hinaus sozial-moralische Probleme und Konflikte - und zwar besonders in Gestalt von sozial-emotionalen und erfolgszentriert-solidarischen Cliquenbildun­ gen - nachzuweisen.1 So sehr die Palette informeller Gruppenbeziehungen bekannt ist und beschrieben wurde, so parasitär können deren Auswirkun­ gen von einem ethischen Standpunkt aus sein. Beispiel hierfür ist die jün­ gere Diskussion über Seilschaftsbildungen und Mobbingsituationen'.

Seilschaften organisieren sich unter gruppenbezogenen (egoistischen) Nutzengesichtspunkten, um in „solidarischen Beutezügen“ die Firmen­ organisation für ihre Ziele und Interessen zu instrumentalisieren. 2 - Unter anderem bei Arbeitsstreßbedingungen bilden sich, wie jüngste Untersuchungen in Skandinavien zeigen, Mobbinggemeinschaften, die einen „Psychoterror am Arbeitsplatz“ verbreiten, dadurch daß einzelne Mitarbeiter zuerst stigmatisiert, dann ausgegrenzt und zuguterletzt in ausweglose, berufliche Lagen gebracht werden, die nachhaltige, zerstö­ rerische persönlich-psychische Folgen haben können.3

-

7.3.4 Untemehmensethische Antworten Nicht nur das „moderne“, sondern auch das „postmoderne“ Paradigma hat zu wirtschaftsethischen Betrachtungen und untemehmensethischen Kon­ zeptionen Anlaß gegeben. In diesen Diskussionskontext sind auch die hier besonders untersuchten Positionen und Beiträge von Peter Ulrich und Horst Steinmann einzuordnen: Der Zweck der Wirtschaftsuntemehmung ist nicht nur ein ökonomischer, sondern ein gesellschaftsdienlicher und gemeinschaftsforderlicher. Be­ triebliches Wirtschaften wird unter die Generalklausel der Gesellschafts­ verträglichkeit (bei Steinmann) gestellt und in den Rang einer (sozialen, politischen) „öffentlichen Institution“ (bei Ulrich) gehoben. Kommunikative und diskursive Sozial- und Wirtschaftsstrukturen werden sowohl von Ulrich als auch von Steinmann als vorzugswürdig gegenüber traditionellen Formen betrachtet. Der Mensch gilt hierbei als autonom, selbstbewußt, argumentationsbereit und souverän gegenüber allen Proble1 2 3

vgl. Endress (1991), S. 44ff. vgl. Paris (1991), S. 1167ff. vgl. dazu Leymann (1993a) sowie ders. (1993b)

212

Einordnung und Ausblick

men, Restriktionen und Widersprüchen. Seine Vemunftbegabung und So­ ziabilität ermöglicht es ihm, die Herausforderung einer postmodernen Ge­ sellschaft in puncto Handlungsorientierung, Risikobewältigung und Gemeinschaftsstabilisierung zu meistem. Voraussetzung ist gemäß Ulrich und Steinmann allerdings die „richtige“ (dialogisch partizipative) Verfah­ rensweise, die schließlich in der „Diskursethik“ erkannt wird. Sie stellt gewissermaßen den „Archimedischen Punkt“ zur Lösung der politischen, ökonomischen und sozialen Konflikte, Probleme bzw. Spannungen unserer differenzierten, dynamischen und komplexen Gesellschaft dar. Damit wird die wirtschafts- und untemehmensethische „Resozialisierung“ einer gesell­ schaftlich „losgelösten“ Wirtschaft möglich.

7.4 Wirtschafts- / unternehmensethische Perspektiven 7.4.1 Ethisch-wirtschaftliche Handlungsebenen Wie bereits im Einfuhrungskapitel angedeutet wurde, sollen die wirtschafts -ethischen Standpunkte synthetisierend aufeinander bezogen und zusammengefuhrt werden. Dies läßt sich m.E. unter Zugrundelegung der Vor­ stellung unterschiedlicher Handlungsebenen1 sinnvoll darstellen:

Handlungsdimension

Handlungsebene Makroebene (System)

Handlungsbedingungen

Ethikbereich

Wirtschaftsethik

Mesoebene (Organisation) Handlungsfreiräume

Unternehmensethik

Mikroebene (Person)

Führungsethik

Handlungsträger

Entscheidend ist die Einsicht, daß die Handlungsgegebenheiten: Bedingun­ gen, Freiräume und Akteure eng und wechselseitig miteinander verbunden sind. Der Handlungsrahmen und die handelnden Personen sind dialektisch miteinander verschränkt, so daß das Handlungsergebnis eine Synthese von beiden darstellt. Ethisch betrachtet haben wir eine solche Verknüpfung auch zwischen Moral (= äußere Handlungsregeln) und Ethos (= innere Handlungsverpflichtung), wobei das Moralniveau das gemeinsame Ergeb-

1

vgl. Aufsatz von Enderle (1991)

Einordnung und Ausblick

213

nis widerspiegelt.1 Dieser Befund ist auf die oben genannten Handlungs ebenen übertragbar.

Diskursethische Ansätze greifen zu kurz, weil sie sich nur im Entschei­ dungsbereich abspielen und - implizit - auch den Handlungsvollzug und das Handlungsergebnis mit legitimieren. Tatsächlich aber fehlt ihnen jede Möglichkeit eines Vorgriffs auf Vollzug und Ergebnis. Entscheidungen und Handlungen werden dabei voneinander getrennt und somit auch die „Gesinnung“ (= gewollte Ziele, Interessen) von der „Verantwortung“ (= tatsächliche Ergebnisse, Folgen). Es entsteht eine Umsetzungs- und Ver­ antwortungslücke. Kollektive (ethische) Entscheidungen müssen deshalb durch eigenverantwortliche Handlungen der Akteure in dem verfügbaren Rahmen (der Handlungssituation sowie der Handlungsebene) ergänzt wer­ den. Dafür ist bei den Handelnden eine „Gesinnung zur Verantwortung“ zu fordern bzw. zu verankern. Kollektives, diskursives Entscheiden und individuelles, verantwortungsvolles Handeln ergänzen sich erst dann zu einer umfassenden „organisierten Verantwortlichkeit“.

7.4.2 Gesamtgesellschaftliche, wirtschaftsethische Ebene Die „Marktwirtschaft“ darf als wohlstandsforderliche und erfolgreiche Wirtschaftsform einer zeitgemäßen Industriegesellschaft angesehen wer­ den. Da sie der Freiheit, Selbstentfaltung, Gerechtigkeit und Wohlfahrt forderlich ist, gilt sie auch als ethisch vorzugswürdig gegenüber anderen Wirtschaftsordnungen. Auf einer „fiktiven Ethikskala“ nimmt die Markt­ wirtschaft einerseits wegen ihrer positiven Nutzen- und Wohlfahrtseffekte und andererseits aufgrund egozentrischer, eigennutzenbedachter Unvoll­ kommenheiten eine „ethische Mittellage“ ein. Es wäre deshalb verfehlt, sie mit maximalen ethischen Forderungen und Erwartungen konfrontieren zu wollen. Ebensowenig ist aber auch eine ökonomische Selbstgefälligkeit und Ignoranz gegenüber ethisch bedenklichen (sozialen, ökologischen, ...) Nebenwirkungen und Erosionseffekten angebracht. Eine marktgesteuerte Wirtschaftsform bedarf stets einer Niveaustabilisierung durch politisch­ rechtliche und sozial-moralische Nachsteuerung bzw. Zurüstung.2

1 2

vgl. auch Enderle (1991), S. 173ff. vgl. Röpke (1955/1981), S. 444ff.

214

Einordnung und Ausblick

Die Soziale Marktwirtschaft darf als Erfolgsmodell für einen ethischpolitisch-wirtschaftlichen Stabilisierungskurs betrachtet werden. Im Ge­ gensatz zu einer „laissez-fairen Wirtschaft“, die dem „natürlichen“ und selektierenden Marktgeschehen allein überlassen wird, bedeutet die „so­ ziale Marktwirtschaft“ eine „sinnvolle Ordnung der Wirtschaftsabläufe“ durch eine staatliche, fortschrittsförderliche Rahmen- und Ausgleichspoli­ tik. Die „Leitidee“ dieses „sozialen“ Wirtschaftsmodells ist der friedliche Interessensausgleich unterschiedlicher Anspruchsgruppen und Gesell­ schaftskräfte („irenische Formel“). Ihr „Programm“ vereinigt unter dem Primat der Marktkonformität und der Sicherung des Wettbewerbs die Wirtschafts- mit der Sozial- und Gesellschaftspolitik.1

Die geistigen und ethischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft grün­ den im Ordoliberalismus und in der kirchlichen Soziallehre.2 Auf dieser Verständnisbasis leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität und Prosperität der „ethischen Höhenlage“ in unserer Wirtschaft und Gesell­ schaft. Allerdings ist auch eine sozial-ethisch „temperierte“ Marktwirt­ schaft den postmodernen Zeitläufen ausgesetzt und bedarf einer dementsprechenden gesellschaftsförderlichen „Nachjustierung“.3 Ziel muß dabei eine beständige Verbesserung der politischen, ökonomischen und ethischen Koordination von Wirtschaft und Gesellschaft sein.

Da sich ein marktgesteuertes Wirtschaftssystem in einer ethischen Mittel­ lage bewegt und über erwünschte, eigene Steuerungskräfte verfügt, ist jede aufgestülpte Maximalpolitik und Maximalmoral gefährlich kontraproduk­ tiv und muß mit einer Ethilrfolgenabschätzung konfrontiert werden. Um­ gekehrt ist jede Minimalpolitik und Minimalmoral mit dem selbstgefälligen Hinweis auf die Systemsteuerung und Marktüberlegenheit unzureichend und durch eine Wirtschaftsfolgendarstellung zu relativieren. Als wirt­ schaftsethisch angemessen wird eine minimale Maximalmoral („von oben“) und eine maximale Minimalmoral („von unten“) erachtet. Da­ durch kann sowohl eine Ethik „für “ als auch „ in “ der Wirtschaftsgesell­ schaft etabliert und gefördert werden.

1 2 3

vgl. Müller-Armack (1956), S. 390ff. sowie Blum (1988), Sp. 1242ff. vgl. Brakeimann (1991) vgl. Blum (1988), Sp. 1243ff.

Einordnung und Ausblick

215

Zur Bewältigung der postmodernen Herausforderungen ist die Wirt­ schaftspolitik aufgerufen, den ordnungspolitischen Rahmen den Gegeben­ heiten anzugleichen, den wirtschaftlichen Ablaufprozeß „auf Kurs“ zu halten und Handlungsspielräume zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen auf Branchen- bzw. Verbandsebene ethische Standards vertreten und ein­ gehalten werden. Schließlich sind die Wirtschaftsakteure selbst aufgefor­ dert, Verantwortung für ein zielfuhrendes Wirtschaftsethos und die ge­ wünschte Wirtschaftskultur zu übernehmen. In einer konzertierten Ethik­ aktion aller wirtschaftsrelevanten Kräfte und Ebenen sind Synergien anzu­ streben, um das marktwirtschaftlich mögliche Ethikoptimum und Moral­ niveau zu erreichen bzw. auszubauen. Auch der Unternehmens- und Führungsethik fallt dabei eine wesentliche Rolle moralischen Handelns zu. Die folgende Übersicht zeigt ebenenbezogen geeignete Wege und Maß­ nahmen einer sich ergänzenden ethischen Systemjustierung auf:1 Entscheidungsebenen Individualebene

Gruppen(fuhrungs)ebene Unternehmens(führungs)ebene

Wirtschafts(branchen)ebene

Staats(politische)ebene

1

Ethisch förderliche Maßnahmen sozial-personale Maßnahmen: Ethikseminare, Verantwortungs- und Kooperationsstärkung; Führungsstil und Führungsmaßnahmen: Information, Kommunikation, Partizipa­ tion, Beziehungs-, Arbeitsorganisation, unternehmenspolitische Maßnahmen: Untemehmensverfassung, -philosophic; inteme/exteme Gruppenansprüche achten; unternehmensorganisatorische Maßnahm.: Barrierenabbau bei Struktur und Kultur; Wirtschaftsverbände: Einhaltung von Ethikkodizes und Selbstverpflichtungen; Kooperationsformen zwischen Unterneh­ men auch auf ethischer Basis gründen; Verbraucherverbände: kritische Verbrau­ cherinformationen, Konsumethik; Rechts-/ordnungspolitische Maßnahmen: gesellschaftsangemessene Rahmenordnung, wirtschaftliche Spielraumsicherung, ge­ setzliche Regelungen, Mißbrauchahndung.

vgl. auch moralische Handlungsebenen bei McCoy (1992), S. 8

216

Einordnung und Ausblick

7.4.3 Einzelwirtschaftliche, unternehmensethische Ebene In der vorliegenden Untersuchung der vier Modelle haben sich aus be­ triebswirtschaftlich-ethischer Sicht zwei Positionen herauskristallisiert: Einerseits ist die verantwortungsgebundene Wirtschaftspersönlichkeit (mit Ethos und Gesinnung) besonders zu beachten, wie sie gerade von Nicklisch und Kalveram in den Vordergrund gehoben wurde. Andererseits ist der legitimierte Untemehmensprozeß, die ethische Verfahrensweise (als Dialog- und Diskursethik) deutlich zu unterstreichen, die von Ulrich und Steinmann besonders in Betracht gezogen wurde.

Schlußfolgernd gilt festzuhalten, daß „die“ Untemehmensethik ein duales Ethikmodell darstellt: Sie ist sowohl eine Personalethik der Wirtschafts­ akteure und zugleich auch eine Prozessualethik der Wirtschaftsorganisati­ on. Diese Sichtweise fuhrt nun dazu, innerhalb eines integrierenden Untemehmensmanagements sowohl eine Verfahrensethik „für“ die Unter­ nehmung als auch eine Verantwortungsethik „in" der Unternehmung zu entwickeln und zu fördern. „Top down“ sind dann strukturelle, prozedu­ rale und prozessuale Führungsmaßnahmen im Sinne der dialogethischen Vorstellung zu etablieren und zu implementieren. „Bottom up“ müssen personenzentrierte, verantwortungsorientierte Individual-, Gruppen- und Führungsethiken entwickelt und gefördert werden. Im Ergebnis kann (soll!) gleichzeitig und ergänzend organisatorisch­ ethisches Managementwissen für das und personal-ethische Verantwor­ tungsbereitschaft in dem Unternehmen erzeugt werden. Als kreativ, inte­ grativ und erfolgreich kann eine Untemehmensfuhrung dann angesehen werden, wenn sie neben einem (zweckrationalen) methodisch-technischen Verfugungswissen auch noch (wertrationales) ethisches Orientierungswis­ sen generiert. Das den Herausforderungen einer modernen Wirtschaft an­ gemessene, integrierende Management liegt in einer Synthese von dialog­ ethisch orientierter Untemehmensfuhrung und verantwortungsethisch ba­ siertem Betriebsablauf. Die folgende Übersicht soll diese Zusammenhänge veranschaulichen:

217

Einordnung und Ausblick

Management-

Prozeßethik

Personalethik

Ebene

(Dialogethik)

(Verantwortungsethik)

Normative

Strategische

Operative

• ziel- + dialogförderliche Untemehmensverfassung

• ethische Führungsgrund­ sätze

• ziel- + konsenorientierte Untemehmenspolitik

• Ombudsmänner- und Ethikkommissionen

• identitätsförderliche Organisationsstruktur

• verantwortungsorientierte Personalpolitik

• dialogförderliche Organisationskultur

• ethisch fundamentierte Personalentwicklung

• Vertrauensorganisation

• kooperative Führung

•integrativer Arbeitsprozeß

•sozial-ethischer Lernprozeß

•partizipativer Arbeitsablauf

•Verantwortungsübertragung

•kommunikative Arbeitsform •kreativ-kritische Mitarbeiter

Angesichts der gesellschaftlichen Lage und der ethischen Erwartungen gegenüber der Wirtschaft ist es nun möglich, mittels dieses dualen Ethik­ modells auf der Untemehmensebene einen geeigneten Ethikbeitrag für das Unternehmen selbst, aber auch aus dem Unternehmen heraus zu erbringen. Die beschriebene „Ethikinnovation“ stellt nicht nur einen Gewinn für die gesellschaftliche (sozial-moralische) Stabilisierung, sondern auch eine zukunftsweisende, orientierende Perspektive für die Belegschaft und zu­ guterletzt ein akzeptanzstärkendes, unternehmerisches Erfolgspotential dar. Das duale Ethikmodell für die Unternehmung stellt eine Kombination der kommunikativen Ethik von Ulrich und Steinmann mit der verantwor­ tungsethischen Position von Marx und Kalveram dar. Sie vereinigt darüber hinaus die unternehmensinterne mit der unternehmensexternen Kompo­ nente und ist somit eine anwendbare „Ethik für Organisationen“1:

1

vgl. McCoy (1992)

218

Einordnung und Ausblick

Ethikform und Unternehmenssicht

Dialog

Verantwortung

Intern

bei Organisationsgestal­ im Management und tung und Arbeitsabläufen personalen Bereich

Extern

durch Berücksichtigung / im Marketing bzw. in Einbeziehung von sozialer UnternehmensVerantwortung Anspruchsgruppen

7.4.4 Personale, fiihrungsethische Ebene Auf der untersten, personalen Ebene sind die vertikalen und horizontalen zwischenmenschlichen Arbeitsbeziehungen sowie das individuelle Ent­ scheiden und Handeln angesprochen. Hier ist die Führungsethik angesie­ delt. Dabei spielt das Verhältnis zwischen Entscheidungsträgem, Mitarbeitern sowie Zielen, Aufgaben die zentrale Rolle.1 Führungsethik konzentriert sich also auf drei Aspekte:

(1) Führungspersönlichkeit, unternehmerisch handelnde Personen (2) Verhältnis von Führungsverantwortlichen zu Mitarbeitenden (3) Art und Weise der gemeinsamen Aufgabenerfiillung

1. Führungspersonen unterstehen aufgrund ihrer besonderen Position einer hohen Verantwortung gegenüber den unternehmerischen Zielen und ihren Mitarbeitern. Ihnen obliegt, das „Sachgemäße“ mit dem „Menschenge­ rechten“ situativ angemessen zu verbinden. Sie haben dabei Erwartungen zu erfüllen, die nicht nur in der Aufgabenbewältigung liegen, sondern auch an eine sittliche, integere Persönlichkeit gestellt werden. Hilfreiche ethische Orientierungen können die Goldene Regel, die Kardinaltugenden oder/und der kategorische Imperativ bzw. Leitsätze bieten.2 Die Bereitschaft zur Verantwortungsübemahme und „reflektierende Kompetenz“3 sind wichtige Persönlichkeitsmerkmale, die es gilt zusammen mit der Situationsanalyse permanent zu schärfen und in Ethikseminaren weiterzuentwickeln.4

1 2 3 4

vgl. vgl. vgl. vgl.

Lay (1996), S. 136ff. z.B. Enderle (1986); Schmidt (1986); Ulrich (1995); Lay (1996) Staffelbach (1994), S. 420ff Dahm (1993/94)

Einordnung und Ausblick

219

2. Das Verhältnis von Führungskräften zu Mitarbeitern ist für das Unter­ nehmen bestandsentscheidend. Die freisetzbaren kulturellen und „religiö­ sen Ressourcen“ sind als beachtlicher „strategischer Erfolgsfaktor“ einzustufen.1 Führungsethisch besonders relevant ist die Anerkennung der Grundrechte der Mitarbeiter aber auch eine „identitätsorientierte Arbeits­ und Beziehungsgestaltung“.2 Der mitarbeitergerechten (sinn- und orientie­ rungvermittelnden) Gestaltung personaler „Anreizsysteme“ kommt eine große Bedeutung zu.3 Nicht zuletzt spielen Personalentwicklung und „Führungspädagogik“ (Vorgesetzter als Mentor oder Coach seiner Mitar­ beiter)4 eine herausgehobene Rolle. 3. Schließlich erhält die Führungsbeziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern erst duch die gemeinsam zu erreichenden Ziele bzw. zu be­ wältigenden Aufgaben ihre Begründung und Rechtfertigung. Hier erfahren die diskutierten dialog- und verantwortungsorientierten Ethikpositionen ihre konkrete Umsetzung: Als eine zugleich mitarbeiter- und aufgabenori­ entierte, zielbewußte und situationsbezogene Führungsweise gilt z.B. das „Führen mit Aufträgen“5. Dabei wird der Mitarbeiter als individuelle Per­ son und demokratisch-gesellschaftlicher Bürger anerkannt und in die Auf­ gabenerfüllung sowie Ergebnisverantwortung systematisch und effizient eingebunden. Der Vorgesetzte wird zur Führungswahmehmung angehal­ ten. Er hat seine Vorbildrolle sowie Fürsorge und Verantwortung gegen­ über seinen Mitarbeitern wahrzunehmen, Aufgaben (partizipativ) zu definieren, zu strukturieren, zu delegieren und zu überprüfen bzw. korri­ gieren. Die Mitarbeiter sind mit den erforderlichen Mitteln und Informa­ tionen so auszustatten, daß sie unter gegebenen Bedingungen und definierten Zielen ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahmehmen kön­ nen.6

1 2 3 4 5 6

vgl. Hoffmann, Härle (1992) vgl. Ulrich (1995) Sp. 566ff. vgl. Neugebauer, Grosser (1996), S. 918f. vgl. Dubs (1995) vgl. Wellershoff(1992) vgl. Wellershoff(1992), S. 158

220

Einordnung und Ausblick

Kompetenz (Urteilsfähigkeit statt Opportunismus und Seilschaftsverhal­ ten) in der Situationsbeurteilung, Zielsetzung und Aufgabendefinition, Verantwortungsübemahme (Geradlinigkeit und Verläßlichkeit statt Taktie­ rerei und Durchwurstelei) in der Aufgabenwahmehmung sowie persönliche Festigkeit (Selbstkritikfähigkeit statt Schönfärberei und Schuldigensuche) gegenüber den Ergebnissen und Folgen sind tragende Säulen einer Füh­ rungsethik.

SCHLUßBETRACHTUNG

221

8. Schlußbetrachtung In Anbetracht der gegenwärtigen, vielfältigen Diskussionen über Wirt­ schafts-, Unternehmens- und Führungsethik wurde es als wichtig und not­ wendig erachtet, markante, in der deutschsprachigen Betriebswirt­ schaftslehre vorfindbare ethische Ansätze näher zu beleuchten. Dies ge­ schah in der Absicht, die vorhandenen Wissensbestände zu sichten, zu analysieren und in einen systematischen Zusammenhang zu bringen. Aus­ gehend von ihren philosophisch-ethischen Wurzeln bestand die Absicht, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Modelle in einer vergleichenden Betrachtung herauszuarbeiten und zu verdeutlichen. Diesem Vorhaben wurde die etwas in Vergessenheit geratene Methode der „ Vergleichenden Betriebswirtschaftslehre “ zugrundegelegt. Damit ließen sich charakteristi­ sche Konturen einer „Altemativströmung“ in der deutschsprachigen Be­ triebswirtschaftslehre herausarbeiten. Zum besseren Verständnis (Einord­ nung) der ethischen (normativen) Betriebswirtschaftsauffassungen von Heinrich Nicklisch, Wilhelm Kalveram, Peter Ulrich und Horst Steinmann wurde das kulturspezifische, industrielle Modemisierungsprofil unserer Gesellschaft nachgezeichnet. Schlußfolgerungen für die weitere wirtschafts -ethische Diskussion und eine unternehmens- sowie fuhrungsethische Per­ spektive runden diese Untersuchung ab. Abschließend ist es nun geboten, das Vorhaben kritisch zu würdigen und wesentliche Ergebnisse und Erkenntnisse zu bilanzieren. Dies soll in drei Schritten erfolgen:

1. Erkenntniskritik: Welche Erkenntnisperspektiven und Ergebnisse liefert der Vergleich der im Rahmen dieser Arbeit untersuchten ethischen Betriebswirtschaftsmodelle?

2. Methodenkritik: Welche Erkenntniswege und -möglichkeiten weist der historische Vergleich und die Methode der Vergleichenden Betriebswirtschaftslehre auf? 3. Perspektivenkritik: Welche Schlußfolgerungen und Ausblicke ergeben sich aus der Vergleichs­ analyse unter Berücksichtigung der aktuellen gesellschaftlichen Gegeben­ heiten?

222

SCHLUßBETRACHTUNG

Erkenntniskritik Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, daß ein reicher Fundus an betriebswirt­ schaftlich-ethischem Fachwissen vorhanden ist, der es wert ist, beachtet und systematisiert zu werden. Eine über die Jahrzehnte hinweg immer wieder aufflammende Diskussion über eine ethische Betriebs- bzw. Unternehmensfuhrung kann als Beleg dafür genommen werden, daß diese The­ matik nicht neu und doch immer aktuell ist. Sie macht ferner deutlich, daß Betriebswirtschaftslehre früher wie heute auch weiter gefaßt wurde, denn nur als instrumentelle, funktionale und erfolgsbezogene Untemehmensführungslehre. Es darf als realitätsangemessen und legitim angesehen werden, „ethische“ Standpunkte in die Betriebswirtschaftslehre einzubeziehen, welche die „blinden Flecke“ einer Nützlichkeits- und Erfolgsbezogenheit human, so­ zial, moralisch oder ressourcenorientiert, ökologisch, friedensstiftend aus­ gleichen. Die Intention dieser Arbeit bestand darin, die Vielfalt philosophisch-ethischer bzw. christlich-moralischer Wurzeln betriebswirt­ schaftlichen Denkens „auszugraben“ und die daraus entwickelten unter­ nehmensethischen Betriebswirtschaftsansätze mit ihren theoretischen Grundgedanken und praxisbezogenen Schlußfolgerungen sowie Bildungs­ zielen und Handlungsempfehlungen zu erörtern.

Mit dem eingangs skizzierten Untersuchungsprofil wurde ein Erkenntnisgewinn über die ausgewählten Modelle angestrebt und m. E. auch erreicht. Deutlich wurde dabei, daß die Ansätze nicht aufeinander aufbauen, aber jeweils auf ihre Weise das „gute“ (gemeinschaftsdienliche und gesamtver­ antwortliche) betriebliche Wirtschaften zu fördern bestrebt sind. Die sie vertretenden Betriebswirtschaftler stehen unter dem Einfluß von weltan­ schaulichen Strömungen, von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ge­ gebenheiten sowie prägenden Zeiterfahrungen. Ihr gemeinsamer „ethischer Nenner“ ist in der Intention zu sehen, eine menschendienliche, gesell­ schaftsförderliche und verantwortungsbezogene Art und Weise betriebli­ chen Wirtschaftens - fachlich kompetent und theoretisch reflektiert auszuarbeiten. Sie verweigern damit einer nur auf marktgegebener Chan­ cenausbeutung gegründeten Wirtschaftsweise, welche allein auf eine untemehmensförderliche Wirkung setzt, die Akkreditierung und „Abso­ lution“. Eine allgemeinverträgliche und verallgemeinerbare, „legitime“ Form betrieblichen Wirtschaftens ist gerade das, was die hier untersuch-

SCHLUßBETRACHTUNG

223

ten Betriebswirtschaftsmodelle anstreben und was das sie einende Band ausmacht. Ebendies ist es aber auch, was sie als „ethisch“ ausweist und von „pseudoethischen“ und ethisch verbrämten, „cleveren“ Erfolgsrezep­ ten, d. h. rein eigennützigen „Untemehmenserfolgsethiken“ abgrenzt. Aus den Ausführungen über die untemehmensethischen Modelle läßt sich folgern, daß nur fündierte und umfassende Ethikprogramme hilfreich und angemessen sind. Als abschließender Beitrag dieser Arbeit wird eine ebe­ nenübergreifende konzertierte Wirtschaftsethik, eine modellüberspannende duale Unternehmensethik und eine abrundende personale Führungsethik entwickelt.

Methodenkritik Die Methode der Vergleichenden Betriebswirtschaftslehre darf (auch) nach den Erfahrungen dieser Arbeit als gut geeignet angesehen werden, be­ triebswirtschaftliche Ansätze zu analysieren und in einen Zusammenhang zu stellen. Sie erlaubt ein systematisches Vorgehen und eine vergleichende Übersicht der untersuchten Merkmale. Konkret ermöglicht sie eine Erkenntnisvertiefüng über die Einzelheiten und Besonderheiten der Betriebs­ wirtschaftsmodelle von Nicklisch, Kalveram, Ulrich und Steinmann.

Nicht nur der Sondierung und Sicherung von Wissensbeständen (Gemein­ samkeiten und Unterschiedlichkeiten) ist die Vergleichende Betriebswirt­ schaftslehre dienlich. Sie fordert darüber hinaus ein besseres Fach­ verständnis mit konstruktiven Schlußfolgerungen in wissenschaftlicher wie in praktischer Richtung. Die durch diese Arbeitsmethode gewonnenen Erkenntnisse dürfen deshalb als sinnvolle Ergänzung der Ethikdiskussion in der Betriebswirtschaftslehre angesehen werden.

Perspektivenkritik Die Analyse und Gegenüberstellung verschiedener ethischer Betriebswirt­ schaftsmodelle ist erkenntnisförderlich. Die Skizze gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten ist verständnisförderlich. Beides zusam­ men ermöglicht erst die sinnvolle Perspektive für eine Wirtschafts- und Untemehmensethik, die m. E. dann praxisförderlich ist. Die marktwirtschaftliche Wirtschaftsweise führt einerseits zu Wohlstands­ gesellschaften aber andererseits auch zu sozialen Verwerfungen und Mo­

224

SCHLUßBETRACHTUNG

ralerosion. Eine durchdachte politische, ökonomische und ethische Steue­ rung kann jedoch die Wohlfahrt und das sozial-moralische Gefüge gleich­ zeitig fördern bzw. stabilisieren. Die Soziale Marktwirtschaft darf als ein solches Erfolgsmodell angesehen werden, obzwar auch sie ständig aktuel­ len Gegebenheiten und defizitären Entwicklungen gerecht werden muß.

Das mittlere ethische Niveau entspricht den Möglichkeiten einer modernen Wirtschaftsgesellschaft. Dabei erlaubt eine minimale Maximalmoral eine ethische (institutionelle) Grobjustierung des marktgesteuerten Wirtschafts­ ablaufs. Komplementär dazu ist eine (personifizierte) maximale Minimal­ moral erforderlich, um im verfügbaren Entscheidungs- und Handlungs­ rahmen ökonomischer Binnenregulierung die Feinjustierung zu über­ nehmen.

Auch auf der Ebene der Unternehmung ist es geboten, eine ökonomische, sozial-humane, ökologische und ethische Prosperität durch eine integrie­ rende Unternehmensfiihrung zu ermöglichen. Dazu kann eine duale Un­ ternehmensethik maßgeblich beitragen: Sie ist „top down“ als prozeßbezogene Dialogethik und „bottom up“ als personenbezogene Ver­ antwortungsethik über alle Managementebenen hinweg zu betreiben und führungsethisch abzurunden. Eine gesellschaftsförderliche, akzeptanzsteigemde und nebenfolgenmindemde Wirtschaftsweise bedarf schließlich einer dauernden und „konzer­ tierten" ethischen Bemühung und moralischen Anstrengung auf allen relevanten Feldern und Ebenen - des einzelnen Handelnden, des Unter­ nehmens wie der Wirtschaft und Gesellschaft. Darauf ist auch beständig in Wissenschaft und Lehre hinzuweisen bzw. hinzuwirken.

Ethisches Reflektieren und moralisches Handeln ist stets und zuguterletzt mit den zum Handeln befähigten und an seinem Handeln gemessenen Men­ schen (als Wirtschaftsgemeinschft, als Wirtschaftsorganisation sowie als Wirtschaftssubjekt) verbunden. Er hat sein Tun (und Unterlassen), sein Wollen (und Bewirken), sein Erkennen (und Verfehlen), sein Vermögen (und Scheitern), sein Bedürfen (und Verbrauchen) zu verantworten. Wie diese Verantwortung persönlich, zwischenmenschlich und gemeinschaftlich an- und wahrgenommen wird, entscheidet über seine eigene Kultur und über zukünftiger Generationen Schicksal.

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