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German Pages 501 Year 1980
Die Betriebswirtschaftslehre als Lehre von der sozialen Leistungsordnung Eine Einführung in die Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft
Von
Josef Kolbinger
Duncker & Humblot . Berlin
JOSEF KOLBINGER
Die Betriebswirtschaftslehre als Lehre von der sozialen Leistungsordnung
JOSEF K O L B I N G E R
Die Betriebswirtschaftslehre als Lehre v o n der sozialen Leistungsordnung Eine Einführung in die Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschafit
D U N C K E R & H U M B L O T / B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1980 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1980 bei Zippel-Druck in Firma Büro-Technik GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISBN 3 428 04520 3
Vorwort
Oie Anknüpfung dieses Buches erfolgt an eine bedeutsame nationalökonomische wie betriebswirtschaftliche Tradition: Nationalökonomisch gesehen sind es vor allem drei Fachvertreter, die für die von uns vertretene Grundauffassung maßgeblich sind: Othmar Spann, Max Weber und Werner Sombart „Alle Wirtschaft meint Gesellschaft, alle Wirtschaftsbetrachtung ist Gesellschaftsbetrachtung. Im Leben, in der Gesellschaft wird Wirtschaft geboren, als Teil von ihr erhält sie Wesen und Gestalt." (O. Spann) „Wirtschaft und Gesellschaft" heißt das große Werk Max Webers: Wirtschaften ist von sozialer Natur, „... als es das Verhalten Dritter mit in Betracht zieht". „Die Wirtschaft gehört... zu denjenigen Kulturbereichen, die Gesellschaft sind, zum Unterschied von denen, die Gesellschaft haben ... Die Wirtschaft gehört mit Recht und Staat zum Bereiche des organisierenden Handelns und ist deshalb Gesellschaft." (W. Sombart) Die von uns in Betracht gezogeneBetnebswirtschaftslehre besitzt einen engen Bezug zu den Obigen: Schon für M. Wey ermann kennzeichnet die „... historische Schule ... in der Volkswirtschaftslehre den Fortschritt, durch welchen dem ,Wirtschaftsmenschen' der Klassiker der Stempel der Unzulänglichkeit aufgedrückt worden ist". H. Nicklisch ist - mit E. Schmalenbach - Schüler des Historikers K. Bücher; dessen Organisationsformenlehre nicht ohne Eindruck auf diesen geblieben sein dürfte. Im übrigen ist er „Neoromantiker" wie Spann. Für ihn ist der Betrieb ein soziales Gebilde, denn: „Als Gliedbetriebe letzten Grades müssen die einzelnen Arbeiter auf ihrer Arbeitsstelle (einschließlich ihrer Ausrüstung für die Arbeit) angesehen werden." Im weiteren hat „... im Bereich der Betriebswirtschaftslehre ..." H. Töndury „... als erster eine Verbindung dieser Disziplin mit der Soziologie herzustellen versucht". (F. Schönpflug). Dieser erklärt: „Die soziologische Betrachtungsweise geht aus vom sozialen Ganzen ..., das in sich eine ganze Reihe von Teilganzen ... umfaßt. Ein solches Teilganzes ist die Wirtschaft." Diese Worte stammen aus einem Vortrag an der Hochschule für Welthandel in Wien. Der Bezug zu Spann (wie der Nicklischs) ist offensichtlich. F. Schönpflug vollendet diesen Ansatz in seinen „Untersuchungen über den Erkenntnisgegenstand der allgemeinen und theoretischen Betriebswirtschaftslehre als Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden. (1936)
VI
Vorwort
Hier galt es fortzuführen: Fritz Schönpflug stellt zwar auf den Zusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft ab, zerreißt aber diesen zugleich wieder mit der Unterscheidung von Form (Gesellschaft) und Inhalt (Wirtschaft). Sein Wirtschaftsbegriff war nicht geeignet, einer weiterführenden Entfaltung zu einer hierauf fußenden Gesamtordnung dienlich zu sein. Der „Methodenstreit" um 1950 bestätigte dies. Das „Soziale" erschien nach wie vor - und jetzt erst recht - als ein „Anhängsel" an die „Wirtschaft" (im Sinne von deren "Humanisierung"), beide daher nicht als Einheit. Wir haben daher hier angesetzt und die Wirtschaft als eine Teilordnung der Gesellschaft, in die die übrigen Teilordnungen in ihrer Weise eingehen und denen andererseits Wirtschaft als ihr dienender Bereich gegenübertritt, als Soziale Leistungsordnung dargestellt. Der entscheidende weiterführende Schritt mußte die Entfaltung dieses Begriffes der sozialen Leistungsordnung in die sie konstituierenden Teilordnungen, in ihre Funktionsbereiche sein, die sich logisch aus dem Ordnungsganzen ableiten ließen und zugleich den bei Schönpflug noch völlig fehlenden Zusammenhang mit der betriebswirtschaftlichen Funkhtionenordnung herstellt. Grundlegend war hiebei die für die gewählte Betrachtungsweise gültige Unterscheidung von zwei Funktionsgruppen: den Funktionen der Gestaltbildung und den Funktionen der Hervorbringung. Gewisse Hinweise hiefür ergaben sich auch aus der Organisationslehre. Allgemeine Betriebswirtschaftslehre ist daher zuvörderst die Lehre von den Gestaltbildenden Funktionen, deren Besonderung durch ihren Bezug auf die Hervorbringungsfunktionen erfolgt (ζ. B. als Organisation des Erzeugungswesens mit all seinen möglichen und denkbaren Differenzierungen - im Gegensatz zur Besonderung im Verkehrswesen usw.). Nicht zuletzt war es damit möglich, ζ. B. die „Finanzierung", die in andersgearteten Ansätzen keinen systematischen Platz fand oder findet, völlig zwanglos als Teilbereich der „Assoziierung" zu lokalisieren. Soziale Leistungsordnung findet ihr Pendant in der sozialen Geltungs- und Geltungsgrößenordnung; sie ist das Gefolgerte, ausgehend von Arbeits- und Spargeltungen, integriert nach Maßgabe der Struktur und der laufenden oder fallweisen Umstrukturierung sozialer Leistungssysteme. Der Gedanke der Leistung srechnung scheint uns hier vollgültig entwickelt und entwickelbar. Der „Gewinn" etwa - in all seinen Formen - erscheint aus Ersatzvorgängen gefolgert: Austausch ersatznotwendiger Mittel gegen nichtersatznotwendige (ζ. B. Arbeitslohn gegen Nutzung von Naturkräften auf Grund von Erfindungen, Organisationsänderungen, sonstigen „Umgliederungen" des sozialen Leistungssystems, etwa Verfahrensänderungen in der Werbung usw.). Unsere Betrachtungsweise in der Analyse und Darstellung unseres Objektes ist ganzheitlich-verstehend. An die Stelle des „Richtens" (vgl. W. Sombart, Die drei Nationalökonomien) tritt die Stiltheorie sozialer Leistungssysteme (gleichgültig
Vorwort
VII
ob kapitalistisch oder kommunistisch) mit der Darlegung der Konsequenzen aus einer solchen Stilwahl. Damit vollendet sich - vom Wirtschaftsbegriff ausgehend - die funktionale Betrachtung über die morphologische in der stiltheoretischen. Diese Arbeit entsprang unserem Kopfe, nicht wie Athene dem Kopfe des Zeus. Über eine Reihe unveröffentlichter und veröffentlichter Arbeiten erstreckte sich der Entfaltungsweg: Erste Gedanken entwickelten sich vor mehr als 20 Jahren: „Der Betrieb als eine Stufe in der Gesellschaft" (1956), „Bauplan sozialer Betriebsführung" (1957). Der Projektgedanke verdichtete sich: „Grundfragen einer ganzheitlichen Betriebswirtschaftslehre" (Festschrift für W. Heinrich, 1963). Die „Elemente der Bankwirtschaftslehre" (1964) erscheinen nur äußerlich als Abweg: hier wurde der Gedanke geboren, daß Kredit ebenfalls ein sozialwissenschaftliches Phänomen ist, daß der Sparprozeß „assoziativ" verläuft, schließlich: daß ein Grundbereich der sozialen Leistungsordnung die „Assoziierung von Arbeits- und Sparbeteiligten" (in spezifischen Formen des „Beteiligtseins") ist, woraus sich ein gedanklicher Fortschritt im allgemeinen wie im besonderen ergab. Im gleichen Verlag, in dem dieses Buch erscheint, erschien 1966 der Beitrag „Soziale Betriebsführung - Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft". Viele Gedanken wurden aus den Arbeiten über das „Betriebliche Personalwesen" (1961/19722) gewonnen, so auch in dem Aufsatz zur Festschrift von A Marx: „Das betriebliche Personalwesen in der sozialwissenschaftlichen Konzeption der Betriebswirtschaftslehre" (1972). Überschlagen wir die weiteren Jahre und nennen wir nun den sozusagen unmittelbaren Vorgänger, das kleinere Ebenbild zu dieser Arbeit: „Werdegang und Grundstruktur einer Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft" (Eröffnungsvortrag anläßlich der wissenschaftlichen Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft vom 8 bis 12. Juni 1976 zu Linz: Personal- und Sozialorientierung der Betriebswirtschaftslehre). Der Weg, den wir eben beschrieben, war hart, vielfach enttäuschend. Ohne verstehende und helfende Wegbegleiter; denen ich hiermit danken möchte, ohne ihnen ihre Hilfe vergelten zu können, wäre diese - in Wahrheit natürlich immer nur vorläufige - Endstation nicht erreichbar, das Manuskript nicht publizierbar gewesen. So danke ich zunächst für das Verstehen dem Verlag, der dieses Buch trotz offensichtlicher Bedenken in Ansehung des Verkaufserfolges, daher wohl eher aus Freundschaft denn aus Geschäftsgeist, zur Drucklegung und verlagsmäßigen Betreuung übernommen hat: allen voran seinem Inhaber, Ministerialrat Dr. Broermann. Ich danke dem objektiven Geist und der Tradition deutschsprachiger Betriebswirtschaftslehre, die meinen subjektiven Geist befruchteten und als deren Glied ich mich fühle. Niemand schafft aus sich allein, vieles mag heute neu erscheinen, was es nicht ist, „entdeckt", weil nicht „gewußt". Ich danke den Vätern, als deren Sohn ich mich fühle, als Erbe, nicht als Begründer.
Vili
Vorwort
Ich danke meiner Familie, insbesondere meiner Frau Ida, die neben unserem Sohn Wolf gang und unserer Tochter Irina noch mich und erst recht mich zu betreuen hatte. Sie alle hatten in den vergangenen zwanzig Jahren wenig von mir, ich um so mehr von ihnen. Nicht zuletzt aber danke ich meiner Institutsgemeinschaft: Meinen wissenschaftlichen Mitarbeitern, aber auch - und nicht minder - den beiden Mitarbeiterinnen. Ich danke nicht für Einzelnes. Ich danke für die Geisteshaltung, ich danke für die Freundschaft. Ich danke für die Freundschaft, die sich in unserer „Kleinen Gemeinschaft" trotz Bürokratisierung der Universität und Perhorreszierung von Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen im alten Glanz gegenseitiger Treue erhalten und entfaltet hat. So ist mir diese „Kleine Gemeinschaft", diese „Unmittelbare Demokratie" (M. Weber) der beste Beweis für den richtigen Ansatz meiner Lehre, der Garant des Lebens gegenüber bloßer Bücherweisheit. Möge dieser Geist zur inneren Konsolidierung und zur Abwehr aller äußeren Machtansprüche und Entropieanstrengungen gegenüber unseren demokratischen, freien, d. h. parteipolitisch indifferenten Universitäten beitragen; mögen sie als besondere Formen sozialer Leistungsordnungen wieder zum Gegengewicht werden gegen jede Form der Diktatur, gegen jedes scheindemokratische Bonzentum, das in Wahrheit nur herrschen, niemals aber im Dienste des Volkes in seiner natürlichen Gestaltung dienen will. Und noch ein Dank ist abzustatten: dem Sohn meines Freundes, Diethard Schwarz, der meine laienhaften Zeichnungen in fachgerechte, druckfähige Zeichnungen „übersetzt" hat. Ich danke schließlich all jenen, die dieses Buch je in die Hand nehmen sollten, denn sie sind ja die Gemeinten. Nicht Vollendetes, nur vorläufig Fertiges bieten wir - nur Anerkennung unseres Bemühens erhoffen wir. Bad Vöslau, Linz im November 1979
Josef Kolbinger
Inhaltsübersicht
L Abschnitt: Der Zentralbegriff der „Wirtschaft" als Ordnungsmittelpunkt des Begriffssystems sozialer Leistungssysteme
1
Vorlesung Nr. 1 : Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff als Grundanliegen der Wirtschaftswissenschaften und seine Ableitung aus ganzheitlichem Gesellschaftsbefunde
1
Vorlesung Nr. 2: Der ganzheitliche Wirtschaft^begriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff und seine innere Entfaltung zum Begriffssystem des sozialen Leistungssystems
32
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
82
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich der Konsum- und Leistungsgemeinschaft
83
Vorlesung Nr. 4: Die Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
105
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung als marktliche Integration assoziativ besonderter sozialer Leistungssysteme
145
Vorlesung Nr. 6: Organisation als Aufgabengestaltung sozialer Leistungssysteme
195
HL Abschnitt: Einführung in die Geltungs- und Abgeltungsgrößenordnung sozialer Leistungssysteme
253
Vorlesung Nr. 7: Der Elementar- und Faktoraspekt der Geltungsgrößenbildung sozialer Leistungssysteme
253
Vorlesung Nr. 8: Grundfragen struktureller Geltungsgrößenfindung sozialer Leistungssysteme
295
χ
Inhaltsverzeichnis
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie und unterstuflicher selektiver Geltungsgrößenbildung sozialer Leistungssysteme
328
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte der Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft
420
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den lehrgeschichtlich-theoretischen Entwicklungsverlauf der „Betriebswirtschaftslehre" (insbesondere zur Sozialwissenschaft)
420
Literaturnachweis
481
Verzeichnis der Abbildungen
1: Mittelbares und unmittelbares Gemeinschafts- und Existenzbewußtsein 2: Teilinhalte der Wirtschaft 3: Stuf en werte der Gestaltbildung 4: Stuf en werte der Assoziierungsfunktionen 5: Kostenoptimale Abstimmung von Erzeugungs und Lagerhaltungsmenge 6: Beispiele der Marktsegmentierung 7: Prozeß sozialer Leistungssysteme unter Marketing-Aspekten 8: Marketing-Organisation Sozialer Leistungssysteme (Beispiel) 9: Beispiel eines Arbeitsgesanges (Bücher) 10: Pyramide menschlicher Bedürfnisse nach Maslow 11 : Subsystem innerbetrieblicher Werbung, Assoziierungs- und Organisationsfunktion 12: F. Nordsiecks Aufgabenverteilung nach Funktionen 13: Beispiel einer Aufgabenkoordination nach F. Nordsieck 14: Beispiele für den Abgeltungsverlauf (linear- und S-kurvenförmig)... 15: Skalenverläufe der Geltung 16: Beispiele für Geltungsdifferenzierungen 17: Schichten des Kosten- und Gewinnbegriffes 18: Korrelation von Personbereichen und Leistungsbereichen sozialer Leistungssysteme 19: „Umordnung" von „Faktorentgelten" in „Kosten" im „Umordnungsverlauf" 20: Linearer und nichtlinearer (S-förmiger) Kostenverlauf 21: Kostenverlauf bei mengenmäßiger Anpassung 22: „Traditioneller" und „neuerer" Gesamtkostenverlauf (linear) 23: S-förmiger Gesamtkostenverlauf 24: Beispiel für einen S-förmigen Kosten verlauf: Kosten der Kontrolle durch Meister 25: Ertragsgestaltung von „Fixpotentialen" 26: Wuchsgesetzlicher Ertragsverlauf 27: Empirischer Verlauf von Werbemitteleinsatz (Größe) und Werbe-„Ertrag" (Aufmerksamkeitswerbung) 28: Empirischer Ertragsverlauf beim Einsatz von Werbemitteln (Quadratwurzelgesetz der Aufmerksamkeitswirkung)
21 67 79 130 152 166 168 168 208 220 237 239 240 262 265 278 305 314 316 335 344 352 353 354 363 376 381 382
Erster Abschnitt
Der Zentralbegriff der „Wirtschaft" als Ordnungsmittelpunkt des Begriffssystems sozialer Leistungssysteme
Vorlesung Nr. 1
Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff als Grundanliegen der Wirtschaftswissenschaften und seine Ableitung aus ganzheitlichem Gesellschaftsbefunde
Gliederung Einleitung A. Markante Versuche zur Klärung des Wirtschaftsbegriffes schaftswissenschaften 1. Grundrichtungen betriebswirtschaftlicher
als Grundanliegen
der Wirt-
Klärungsansätze
a) Subjektive und objektive Bestimmungsversuche des Wesens und Begriffes Wirtschaft b) „Wirtschaft und Gesellschaft" bei F. Schönpflug 2.
Grundrichtungen „Wirtschaft"
außerbetriebswirtschaftlicher
Klärungsansätze
zum Begnff der
a) Grundrichtungen mittelbarer Klärungsansätze aa) Betrachtungsweisen des Produktbegriffes bb) Analogien i m Produktivitätsbegriff 1) Oikonomia und Chrematistik 2) Allgemeine Aussagen zur Fruchtbarkeitslehre b) Grundrichtungen unmittelbarer Klärungsansätze aa) Beiträge in Richtung des Dienstbegriffes 1) Proudhons Begriff des „Mutualismus" 2) J. B. Says Begriff des „Dienstes" (Service) bb) Bestimmungsversuche des Verhältnisses von Soziologie und Nationalökonomie sowie von Wirtschaft und Gesellschaft 1) Ältere Bestimmungshinweise 1
Kolbinger
2
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft 2) Das Dreigestirn Max Weber - Werner Sombart - Othmar Spann 20) Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft" 21) Werner Sombarts „Nationalökonomie und Soziologie" 22) Othmar Spanns kritische Stellungnahme
B. Die Ableitung des Begnffes der „Wirtschaft" 1.
Wirtschaft
aus ganzheitlichem Gesellschaftsbefunde
und Gesellschaft
a) Einzelner und Gesellschaft b) Die gesellschaftlichen Inhalte und die „Wirtschaft" in ihnen aa) Grundsätzliche Korrelation der Inhalte von Individualbewußtsein und Objektivationsgehalten der Gesellschaft bb) Die gesellschaftlichen Teilinhalte und die „Wirtschaft" in ihnen 1) Zu den „geistursprünglichen" Gesellschaftsbereichen 2) Zu den Bereichen der Wiedervervollkommnung und des Handelns 2. Der Wirtschaftsbegriff
Othmar Spanns (Ableitung und Problemrest)
a) Begriff und Art von „Mitteln" aa) Allgemeines zum Begriff des Mittels und das besondere Verhältnis menschlicher „Wertwelt" und „Naturwelt" bb) Mittel und Selbstzweck in der Welt der Werte der Kultur als Fragestellung der Bestimmung des Begriffes Wirtschaft b) Die Wiederkehr der „Arten der Mittel" in den „Arten der Wirtschaft"
Einleitung „Der Begriff der Wirtschaft ist das Fundament der ganzen Volkswirtschaftslehre ... Wie aber die Frage nach dem Begriff der Wirtschaft zu stellen sei, darauf weisen uns alle Grundfragen der Wirtschaftsbetrachtung. »Alles Metall meint Gold1, sagt der alte Spruch, ebenso gilt auch: alle Wirtschaft meint Gesellschaft; alle Wirtschaftsbetrachtung ist Gesellschaftsbetrachtung. Darum ist auch der alte Streit um das (erkenntnisschaffende, J. K.) Verfahren zuletzt immer nur ein Streit um die Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Gesellschaft, um die Bestimmung der Wirtschaft als Bestandteil der Gesellschaft gewesen. Wirtschaft ist eben nichts für sich, sie ist nur ein Feld des weiten Reiches der menschlichen Gesellschaft. Das Leben des Menschen ist nicht nur ein Leben in der Gesellschaft - der äußeren Form und Weise nach; sondern auch ein Leben aus Gesellschaft - dem Wesen, der inneren Form nach. Die Volkswirtschaftslehre muß daher von dort ausgehen, wo ihr Gegenstand entspringt und wird. Ihr Gegenstand ist die Wirtschaft, deren Ursprung und Seinsweise ist Gesellschaft - eben weil Wirtschaft als Teil jedes Einzellebens verwirklicht wird, das, wie wir sagten, ein Leben aus Gesellschaft, das seiner Seinsweise nach gesellschaftlich isti." 1
Spann, (Fundament), S. 3 f.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
3
Hieraus aber folgt: „Soll die Wirtschaftswissenschaft mit dem Begriffe ihres Gegenstandes einen fruchtbaren Anfang machen, so muß sie sich.. " 2 von jeder anderen Art von Fragestellung befreien, die nicht von der Gesellschaft her ihre Richtung erhält, denn: „Die Wirtschaftswissenschaft muß als Gesellschaftswissenschaft begründet werden3." Wenn Spann oben in diesem Sinne vom Fundament der Volkswirtschaftslehre spricht, so gilt dies nicht minder für ein Fundament der Betriebswirtschaftslehre als jener wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin, welche mit der Wirtschaftswissenschaft alle ihre Grundbegriffe gemein hat. Auch wir müssen daher fragen, wie wir zum Begriff der Wirtschaft gelangen, um von dort her die Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft begründen und systematisch entfalten und so kraft der Schau auf die inneren Zusammenhänge das „Allgemeine", also die Gesamtordnung unseres Gegenstandes, erkennen und damit als Wissenschaft erbauen zu können. Der zu begehende Weg scheint uns damit prinzipiell gewiesen zu sein: Vorerst Prüfung bestimmter Beiträge zur Gewinnung begrifflicher Einsichten in das Wesen der Wirtschaft, hernach vorzüglich Verfolgung des Entfaltungsweges des ganzheitlichen Ansatzes im Sinne der Klärung und Verfolgung des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesellschaft.
A. Markante Versuche zur Klärung des Wirtschaftsbegriffes als Grundanliegen der Wirtschaftswissenschaften Es scheint angemessen und sinnvoll zu sein, zunächst innerhalb unserer Betriebswirtschaftslehre selbst nach markanten und aussagekräftigen Klärungsversuchen des Begriffes der Wirtschaft, als unserem allgemeinen, eigenen Gegenstande auszugehen, und zwar so, wie wir ihn schon innerhalb unserer Disziplin vorfinden. Wesentlich wird dabei für uns sein, inwieweit hier Vorstellungen über das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft in dieser Gegenstandsbestimmung dominant sind oder zumindest gedanklich mitschwingen.
1. Grundrichtungen betriebswirtschaftlicher Klärungsansätze
Das Bemühen um den Wirtschaftsbegriff ist eine Frage schulischer Betrachtungsweisen und Betrachtungsunterschiede. Dabei kann natürlich keine Richtung wirklich auf die Bestimmung ihres Gegenstandes, der nun einmal „Wirtschaft" ist, gänzlich verzichten. Entscheidend ist aber immer die Frage, ob es sich hier um eine objektive oder subjektive Bestimmungsintention handelt. 2 Ebenda, S. 17. 3
1*
Ebenda
4
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
a) Subjektive oder objektive Bestimmungsversuche des Wesens und Begriffes der Wirtschaft Epigrammatisch können wir folgende Stellungnahmen von Betriebswirten zum Wirtschaftsbegriff ins Auge fassen: (a) Typisch für die Privatwirtschaftslehre in ihrer theoretischen Richtung vorzüglich von W. Rieger repräsentiert - ist eine eher negative Bestimmung der Wirtschaft, nämlich ihre Ablehnung als Dienstbarkeit, denn: „Daß eine Unternehmung sich als Aufgabe die Versorgung des Marktes setzt, ist eine ganz unmögliche Vorstellung.. . 4 Vielmehr zählt nur der Gewinn, also ein subjektives Einkommen, dem ggf. Leistung slosigkeit (etwa im Sinne der Mehrwerttheorie) zukommt. Gewinn wird nach Rieger ausschließlich durch finanzielle Betätigung des kapitalistischen Unternehmers in der Unternehmung erzielt. Von diesem Standpunkt aus erscheint daher jede Produktion irrelevant. Rieger geht es u m die kapitalistischen Unternehmer, „... Exponenten der Geldwirtschaft und des K a p i t a l i s m u s . . U n d bei diesen drängen „... die finanziellen Probleme die technischen zurück" 5 . Unter technisch versteht Rieger alles Nichtfinanzielle, in seinem Sinne damit alles Betriebliche: „Nur wenn diese Voraussetzungen zutreffen, sprechen wir von Unternehmung ..." sagt Rieger 6. M a n darf allerdings auch hier u. E. einen Hinweis über das Subjektive hinaus auf die Objektive nicht übersehen, wenn es zudem heißt: „Die zweckbewußte Ausrichtung der Produktion, die Eingliederung in den Gesamtorganismus erst stempelt eine Produktion zum Wirtschaften 7 ."
(b) Läßt Rieger das Objektive der Wirtschaft sozusagen nur im verborgenen blühen, so tritt dieses bei den Vertretern der Betriebswirtschaftslehre (als Gegensatz zur Äiegrerschen Privatwirtschaftslehre verstanden) um so mehr hervor (aa) W. MaMberg kommt, leider vereinseitigt, was die Abstellung auf die Erscheinungsform Betrieb betrifft, dem Sinngehalt des Wirtschaftsbegriffes u. E. sehr nahe: Wirtschaft bedeutet ihm „die Lebensordnung eines Volkes...". Sie umfaßt „... die vielen Millionen von Einzelbetrieben und das gegenseitige Tätigsein dieser Betriebe füreinander. Die Wirtschaft besteht..daher „... aus den einzelnen Wirtschaften und diesem Für-einander-tätig-sein" 8. Lebensordnung, Wechselbeziehungen und Universalität sind u. E. die Attribute dieses uns recht bedeutsam erscheinenden Begriffes. Mahlberg erklärt: Will man „... den Begriff der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft erkennen..., so müssen wir u n s . . . Klarheit über das Wesen der Wirtschaft selbst verschaffen". Und das heißt: „Die Wirtschaft besteht aus... Betrieben und dem Verkehr der Betriebe untereinander. Aus beiden Dingen setzt sich die Lebensorganisation eines Volkes zusam4
Rieger, (Privatwirtschaftslehre), S. 44.
5
Ebenda, S. 15.
6 Ebenda, S. 307. 7
Ebenda, S. 34.
8
Mahlberg, (Betriebsbegriff), S. 35.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
5
men...", gleichgültig ob es sich u m „... Fabriken, Handelshäuser, Banken, Rechtsanwälte, Schriftsteller, Künstler u. a . . . h a n d e l t , denn „... es gibt keinen wirklichen G r u n d . . d i e letzteren „... nicht ebenfalls hierher zu rechnen" 9 .
(bb) K. Mellerowicz schließt an W. Sombart an, wonach Betneb technisch, Wirtschaft zweckorientiert ist: „Wirtschaft ist Deckungsbeschaffung für vorhandene Bedürfnisse zum Zwecke der Unterhalts- und Erwerbsfürsorge. Ihr Ziel ist, Bedarf und Deckung in Einklang zu bringen... Technik, der Betrieb, ist Mittelwahl zur Erzielung einer Leistung; Wirtschaft aber ist Zweckwahl zur Verwertung vorhandener Mittel 10 ." (cc) Typisch für H. Nicklisch und H. Töndury ist ihre soziologische Betriebsbetrachtung. Wirtschaft kulminiert für Nicklisch in der Werterzeugung bzw. im Wertumlauf der Betnebe. Wirtschaft ist der Raum zwischen dem Bedürfnis zu wirtschaften sowie seiner Befriedigung einerseits und den ursprünglichen Bedürfnissen... sowie ihrer Befriedigung (Konsum, J. K.) andererseits" 11.
b) „Wirtschaft
und Gesellschaft" bei F. Schönpflug
Von H. Nicklisch und H. Töndury geistig geleitet, führt F. Schönpflug den der Betriebswirtschaftslehre - wie gezeigt - nicht fremden Gesichtspunkt des Zusammenhanges von Wirtschaft und Gesellschaft einem ersten Höhepunkt zu: „Im Problem des Betriebes, so wie es sich der Betriebswirtschaftslehre stellt, durchkreuzen und überschneiden sich zwei Sonderprobleme, die nicht ohne weiteres zur Deckung kommen (wohl einander aber offenbar stark berühren, J. K.), und die in der methodologischen Untersuchung getrennt betrachtet werden müssen. Das eine ist die Frage nach dem Wesen des Betriebes als soziales Gebilde überhaupt. Dies ist ... kein wirtschaftswissenschaftliches Problem allein, sondern ein... soziologisches Problem der Form. Das andere ist die Frage, welche ... Tatbestände den in seinem allgemeinen Wesen erkannten Betrieb zu einem besonderen Gebilde der Wirtschaft qualifizieren, d. h. in welcher begrifflichen Bedeutung er für die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung als Objekt der Erkenntnis gemeint ist. Dies ist ein Problem des Inhalts und geht als solches die Betriebswirtschaftslehre unmittelbar an12." (a) Die Bestimmung des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesellschaft erhält bereits durch den Titel der Untersuchung Schönpflugs - Untersuchungen über den Erkenntnisgegenstand der allgemeinen und theoretischen Betriebswirtschaftslehre als Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden - seinen ersten Richtungshinweis. 9 Mcüüberg, (Betriebsbegriff), S. 2. 10
Mellerowicz,
11
Nicklisch, (Betriebswirtschaft), S. 11.
12
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 87.
K., (Betriebswirtschaftslehre), S. 12.
6
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
(b) Schönpflug geht von folgenden Bereichen des gesellschaftlichen Handelns („Hauptobjekte der gebundenen Handlung") aus 13 : 1. 2. 3. 4.
Das Das Das Das
Gebiet Gebiet Gebiet Gebiet
der der der der
Artpflege Raumpflege Güterpflege Geistespflege
(c) Für jeden dieser Bereiche gibt es 4 „Grundarten der rationalen Regelung der menschlichen Zweckhandlungen"14: 1. 2. 3. 4.
Den Den Den Den
technischen Gesichtspunkt ökonomischen Gesichtspunkt sozialen Gesichtspunkt ethischen Gesichtspunkt
Es gibt eine Art Rangfolge von Zielen (Werten), wobei das jeweils obere das untere begrenzt und beschränkt: Ist der ökonomische Gesichtspunkt menschlichen Zweckhandelns, d. i. „... derjenige der Wirtschaft....... der aus der Handlung erzielbare Nutzen für das handelnde Subjekt..." 15, so ist dem der technische Gesichtspunkt unter-, hingegen sind ihm der soziale und (erst recht) der ethische Gesichtspunkt übergeordnet. „Der Gesichtspunkt der Technik ist der der sachlichen Entsprechung oder sachlichen Vollkommenheit; derjenige der Wirtschaft der der subjektiven Entsprechung, d. h. der aus der Handlung erzielbare Nutzen für das handelnde Subjekt; der Sinn des sozialen Gesichtspunktes liegt in der rationalen Ordnung der gesellschaftlichen Beziehungen unter dem Zielpunkt der sozialen Entsprechung des Ganzen oder der Gerechtigkeit. Der Gesichtspunkt der Ethik schließlich ist der des Guten oder absolut Guten, d. h. der absoluten Entsprechung i m Sinne der universalen Einheit des höchsten Ganzen und der Einheit des Ich mit dem Allganzen... Begrenzt kann ... ein Gesichtspunkt nur durch den i h m vorgeordneten werden... Welcher von ihnen das Primat erringt, das ist für die konkrete Gestaltung der gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen von grundlegender Bedeutung... Unabhängig (aber, J. K.) von diesem empirischen Geltungsverhältnis besteht unter den vier Gesichtspunkten eine natürliche Hierarchie.. . 1 6 ."
(d) Damit können und müssen wir uns der Frage zuwenden, in welchem Sinne und bis zu welchem Grade diese, aus dem Betrachtungszusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft abgeleitete Systemidee zum systematischen Ganzen der Betriebswirtschaftslehre gediehen ist: (aa) Auszugehen ist vom ökonomischen Gesichtspunkt, den Schönpflug kritisch dem ökonomischen Prinzip entgegensetzt: „Wir fragen... nicht nach einem nichtexistierenden ökonomischen Prinzip, sondern nach dem besonderen Verhalten, bei dessen Anwendung das allgemeingültige Rationalprinzip jene Form annimmt, die als die Form des Wirtschaftlichen bestimmt ist17." 13
Vgl. ebenda, S. 96.
14
Vgl. ebenda, S. 97. Vgl. ebenda, S. 98.
15 16
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 98 f.
17
Ebenda, S. 113 f.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
7
„Mit anderen Worten: W i r haben nicht das ökonomische Prinzip, sondern den ökonomischen Gesichtspunkt festzulegen, den wir als eine der Grundarten kennengelernt haben, unter welchen die rationale Regelung der menschlichen Zweckhandlungen erfolgen kann 1 8 ." Er spricht sich damit gegen K. Büchers mathematisches Paradoxon aus: „Mit den geringsten Mitteln den größtmöglichen Erfolg zu erzielen." Gegen Sombart und Amonn, welche zwar das ökonomische Prinzip ebenfalls eliminieren, wendet er ein, sie eliminierten mit ihrer „nur-soziologischen" Betrachtung die Wirtschaft überhaupt. Gegen v. Gotti richtet sich der Einwand, für diesen sei Wirtschaft gleich Technik. Schließlich wendet er gegen Mahlberg, Mellerowicz und selbst Nicklisch die Verwechslung von Form (Betrieb) und Inhalt (Wirtschaft) e i n 1 9 : „Die Organisation von Wertumläufen ist das Kriterium für die Leistung des organisierenden Menschen überhaupt, nicht allein des wirtschaftlichen 20 ."
(bb) Fragen wir uns an dieser Stelle, wohin und wieweit F. Schönpflug in der Frage „Wirtschaft und Gesellschaft" in Ansehung des Verhältnisses beider und damit letztlich des Verhältnisses von „Form" und „Inhalt" gelangte. Sein sogenannter ökonomischer Gesichtspunkt als subjektiver Nutzenstandpunkt mit dem Ziele der Erringungen eines „Maximalen D" (D als Differenz zwischen Einsatz und Ergebnis) unterscheidet sich vom subjektiven Betrachtungsstandpunkt - etwa eines Riegers - nur dadurch, daß diesem Gesichtspunkt und dem damit verbundenen Verhalten und Streben Grenzen gesetzt sind: Diese im Sozialen und Ethischen gelegenen Grenzen machen somit den Unterschied zwischen einem wertfreien und einem normativen Gewinnstreben, als einer besonderen Form des Wirtschaftlichen aus. Davon ausgehend formuliert F. Schönpflug eine Art Wissenschaftsprogramm der „Allgemeinen und theoretischen Betriebswirtschaftslehre": 1. Die Betriebswirtschaftslehre „... ist Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und hat als solche das Verhältnis und die Abhängigkeiten von Aufwand und Ertrag funktionell unter dem Gesichtspunkt der differentiellen Wertspanne zur Darstellung zu bringen". 2. Dabei „... lassen sich die Probleme der Betriebswirtschaftslehre in vier Problemkreise einordnen..."; a) Begriffsbestimmung des Betriebes, Einordnungslehre in die Gesamtwirtschaft, Führungslehre. b) Darstellung und Analyse der Betriebselemente (Arbeit, Kapital) sowie der Betriebsorganisation. c) Der dritte Problemkreis spaltet sich in 2 Teilkreise: aa) Sicherung des Betriebskreislaufes bb) Ertragserzielung und Ertragsverteilung d) „Der vierte Problemkreis... hat es... mit der Organisation des betrieblichen Rechnungswesens zu t u n . . . 2 1 ".
(cc) Das Ergebnis der Untersuchungen Schönpflugs brachte einerseits gewisse, nicht zu leugnende systematische Gewinne für die Betriebswirtschaftslehre, andererseits ist u. E. kritisch festzuhalten: 18
Ebenda, S. 114.
19
Vgl. ebenda, S. 81 ff.
20
Ebenda, S. 86.
21
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 168 f.
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
8
(1) Schönpflug ~ und mit ihm die sozialwissenschaftlich ausgerichtete normative Schule der Betriebswirtschaftslehre - klammert im Grunde den Wirtschaftsbegriff aus. Betrieb und Wirtschaft, als Form und Inhalt, gelangen letztlich nicht zur Einheit, sondern werden eher auseinandergerissen. Schönpflug verwechselt das Verhältnis von Form zu Form (von Betrieb zu Nichtbetrieb) mit dem Verhältnis vom Ganzem zum Teil (von Wirtschaft zu Gesellschaft)! (2) Damit kann er auch keine folgerichtige Entfaltung des Wirtschaftsbegriffes vollziehen. Das Wissenschaftsprogramm ist eher Anhängsel als begrifflich stringente Entfaltung des Gesamtgegenstandes der Betriebswirtschaftslehre. (3) Schließlich ist dem ökonomischen Standpunkt kritisch entgegenzuhalten, daß sich das der Wirtschaft arteigene, objektive Vollkommenheitsstreben nicht in bloßen Mengenrelationen realisiert, sondern nach Maßgabe der den konkreten Teilinhalten immanenten gestalthaften Vollkommenheitsstrebungen (z. B. als Werbevollkommenheitsprinzip, als Assoziierungsvollkommenheitsprinzip etc.). Entscheidend ist, daß zuerst der Inhalt eines Gegenstandes bestimmt werden muß, bevor man Vollkommenheitsweisen (z. B. schön - schöner - am schönsten, wirtschaftlich - wirtschaftlicher - am wirtschaftlichsten) erkennen und bestimmen kann. Mit anderen Worten: Der wirtschaftliche Gesichtspunkt kann das Problem des Begriffes Wirtschaft, um das es schließlich gehen muß, nicht lösen. Abschließend bleibt festzuhalten, daß insbesondere Nicklisch, Töndury und Schönpflug in ihrem Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft jener Schule der Nationalökonomie nicht fernestehen, die durch O. Spann das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft einer weitgehenden Klärung zuführte. 2. Grundrichtungen außerbetriebswirtschaftlicher Klärungsansätze zum Begriff der „Wirtschaft"
Wie uns Hinweise O. Spanns, insbesondere aber auch ein Einblick in die Dogmengeschichte der Volkswirtschaftslehre 22 zeigen, ist auch in ihr der Begriff der Wirtschaft eher problematisch geblieben. Wir wollen im folgenden einigen mittelbaren und unmittelbaren Klärungsansätzen nachgehen. a) Grundrichtungen
mittelbarer
Klärungsansätze
Mittelbare Hinweise auf den Wirtschaftsbegriff oder was man als solchen vermutete), finden sich u. E. im Produkt- und Produktivitätsbegriff. aa) Betrachtungsweisen des Produktbegriffes Ob eine Betätigung wirtschaftseigen sei, hing lange Zeit davon ab, ob das Hervorgebrachte „materieller" oder „ideeller" Natur sei: 22
Vgl. dazu Gide & Rist, (Geschichte).
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
9
Für die Physiokraten, teilweise aber auch noch für A. Smith und D. Ricardo, aber auch andere (so Malthus und J. St. Mill) war die Auffassung typisch, daß nur materielle Dinge Gutscharakter besäßen. Diesen Umstand setzten sie offenbar mit den Grenzen jener Tätigkeiten gleich, die sie als Wirtschaft empfanden. Demgegenüber ist es insbesondere J. B. Say, welcher der Lehre von den immateriellen Gütern zum Durchbruch verhalf und damit insofern den Wirtschaftsbegriff erweiterte. Noch Smith „... nannte die Arbeit des Arztes, des Richters, des Rechtsanwalts oder des Künstlers unproduktiv. Anders Say: „Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern überall wird die Natur gezwungen, mit dem Menschen zu arbeiten... Was die Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler usw. anbelangt, so kann man gar nicht leugnen, daß sie ebenfalls an der Gütererzeugung beteiligt sind23." „Malthus scheint noch der Lehre von den immateriellen Erzeugnissen ablehnend gegenüberzustehen, aber Lauderdale, Tooke, Mac Culloch und Senior nehmen sie an, und sie schien endgültig gesichert, als Stuart Mill von neuem den Sinn des Wortes Produkt allein auf die materiellen Erzeugnisse beschränkte." Andererseits hat „schon Germain Garnier.. : gegen..." die „... Ausschließung..." der immateriellen Produkte „... protestiert" 2 4 · 2 5 .
In der Meinung, die Wirtschaft habe es nur mit dem Materiellen zu tun, liegt selbst heute noch der Widerschein der Meinung aus der Zeit des Beginnes und der Entwicklung der Volkswirtschaftslehre. Wie sich noch später ergeben wird, liegt hier auch die Frage nach Gegensatz und Zusammenhang von „Mittelhaftigkeit" und „Selbstzweck" im Sinne von Wirtschaft und NichtWirtschaft (in der gesellschaftlichen Inhaltsordnung) beschlossen. bb) Analogien im Produktivitätsbegriff Die Frage, was produktiv, d. h. „produzierend", i. S. v. „hervorbringend" ist oder nicht, hängt natürlich auch mit der Frage zusammen, ob man nur das „Materielle" oder auch das „Immaterielle" als Produkt anzusehen geneigt ist. 1) Oikonomia und Chrematistik Schon Aristoteles unterschied besonders deutlich zwischen Ackerbau und Handel, damit zwischen Oikonomia und Chrematistik, wobei insbesondere die Fruchtbarkeit des Handels in Frage gestellt wird. Sismondi bringt einen analogen Einwand gegen die „Chrematistische Schule" (Smith, Ricardo): „In ihren Augen ... ist die Volkswirtschaft die Wissenschaft des Reichtums; sie ist, wie Aristoteles sagte, eine ,chrematistische' Wissenschaft. Der wirkliche Gegenstand der Wissenschaft ist aber der Mensch, genauer, das »physische Wohlsein des Menschen'. Nichts führt sicherer in die Irre, als wenn man den Reichtum für 23
Gide & Rist, (Geschichte), S. 122.
24
Ebenda, S. 122.
25
Orientierungsdaten: Quesnay 1694-1774 (Physiokrat. Hauptwerke 1756/78); Malthus 1766-1836 (Hauptwerk 1798); St. J. Mill 1806-1873; Garnier ist der Übersetzer des Smithschen Werkes, Mc Culloch ein Schüler Ricardos, Nassau-Senior hat ab 1825 den ersten Lehrstuhl für Nationalökonomie in Oxford inne.
10
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
sich selbst betrachtet ,und den Menschen darüber vergißt' " 2 6 . Problematisch erscheint hier insbesondere die Produktivität und damit die Wirtschaftseigenschaft des Handels: „Arbeit und Tausch sind zwei Reihen allgemeiner Tatsachen, die durch ihre Natur voneinander verschieden sind... Arbeiten heißt produzieren: Handel treiben, austauschen, erhält nicht die geringste Idee einer Produktivität 27." 2) Allgemeine Aussagen zur Fruchtbarkeitslehre In Parallele zur Gutsunterscheidung geht es hier mehr oder weniger detailliert um die Hervorbringungsfähigkeit materieller (körperlicher) und/oder ideeller (geistiger) Kräfte, wobei immer wieder zugleich auch auf die besagte Gutsunterscheidung zurückgegriffen wird, um so Wirtschaft und NichtWirtschaft zu trennen. Für die Physiokraten ist Wirtschaft eben gleich Landwirtschaft, weil sie in allen anderen Tätigkeitsbereichen nur eine Art der Weiterverarbeitung bzw. Verzehr von Bodenprodukten sehen. Der Physiokrat Mercier de la Rivieré erklärt, die Industrie überdecke „... Schicht um Schicht, einen Wert mit weiteren Werten, aber sie schafft keinen, der nicht schon vorher bestanden hätte..analog den Kauf leuten, die wie Spiegel „... die Gegenstände zu vermehren..scheinen, in Wahrheit also nur Hervorbringung vortäuschen28. Hingegen erkennt A. Smith auch die Arbeit als fruchtbar an, allerdings mit eingeschränkter Gutseigenschaft. Von hier geht der Blick unmittelbar zur Marxschen Mehrwertlehre - mit allen Vorläufern und Schattierungen - die ζ. B. auch den Gegensatz der Produzierenden und Intellektuellen einschließt. „In der marxistischen Auffassung wird die Revolution von den Produzenten (was sicherlich die nur mit der Hand Arbeitenden heißen soll) gemacht, die, an die Ordnung der Werkstatt in der Großindustrie gewöhnt, die Intellektuellen als einfache Angestellte verwenden werden, deren Aufgabe die Erfüllung möglichst wenig zahlreicher Arbeiten sein wird 29 ." Bei Ricardo tritt schließlich die Fruchtbarkeitseigenschaft des Kapitals hervor. Güter- und Fruchtbarkeitsbegriff, Unterscheidung materieller und immaterieller Güter und Hervorbringungskräfte weisen zwar auf den Begriff und Unterschied von „Wirtschaft" gegenüber anderem (NichtWirtschaft) hin, fassen aber diesen Begriff im eigentlichen Sinne nicht.
2
6 Gide & Rist, (Geschichte), S. 200 f.
27
Dunoyer, (liberté), S. 599, zit. nach Gide & Rist, (Geschichte), S. 394.
28
Gide & Rist, (Geschichte), S. 15 bzw. 32.
2 9
Sorel, (Marxisme), S. 51, zit. nach Gide & Rist, (Geschichte), S. 537; besonders verweisen wir auf: Boxa, (Produktivitätstheorie).
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
b) Grundrichtungen
unmittelbarer
11
Klärungsansätze
Wir unterscheiden in der Folge Beiträge in Richtung des Dienstbarkeitsbegriffes und hernach insbesondere jene, welche spezifischer auf das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft eingehen. aa) Beiträge in Richtung des Dienstbegriffes 1) Proudhons Begriff
des „.Mutualismus"
„ ,Tu einem jeden, was du willst, daß er dir tue', dieses Prinzip der ewigen Gerechtigkeit läßt sich wirtschaftlich durch die Gegenseitigkeit und die Reziprozität der Dienste ausdrücken. Die Gegenseitigkeit oder der Mutualismus, das ist das neue Prinzip, das uns in der Organisation der wirtschaftlichen Gesellschaftsbeziehungen leiten soll30." Der Mutualismus verbindet sich aber in weiterer Folge mehr und mehr mit dem Gedanken einer ausgleichenden (!) Solidarität. U. E. liegt im reinen Begriff der Gegenseitigkeit der Gesellschaftsglieder der ebenso reine Wirtschaftsbegriff beschlossen31. 2) J. B. Says Begriff
des „Dienstes" (Service)
Ausgang dieser uns interessant erscheinenden Lehre ist Bastiate Theorie des Dienstwertes. Die Theorie Ricardos berichtigt schon Carey insofern, „... daß der Wert nicht von der geleisteten Arbeit, sondern von der ersparten Arbeit bestimmt wird". Bastiat sucht darin die Grundlage für seine wirtschaftliche Harmonie: „Da erleuchtet ein Lichtstrahl seinen Geist: Ist diese ersparte Arbeit nicht ein dem Erwerber geleisteter Dienst? Damit hat er die so lange gesuchte Erklärung endlich gefunden: ,Der Wert ist das Verhältnis zweier ausgetauschter Dienste321." Inwieweit dies einer „objektiven" Geltungs- bzw. Austauschgrößenbestimmung genügt, ist hier für uns nicht die Frage. Wenn wir Say in der Überschrift anführten, so deshalb, weil schon er das Wort Dienst (service) angewendet hat, „... ohne aber damit irgendeine normative Bedeutung zu verbinden, sondern nur um die Reichtümer, die in Handlungen bestehen, von denen, die materielle Erzeugnisse sind, zu unterscheiden"33. Die große systematische Bedeutung dieses Begriffes blieb u. E. unerkannt und selbst Gide & Rist sehen darin zwar eine Zukunftsnorm, aber keinen allgemeinen analytischen Begriff, der auf das engste mit Wirtschaft verbunden ist. Obwohl Gide Sc Rist Bastiats Lehre „... für verfehlt a n s e h e n . . b l e i b t die Formel doch immerhin eine höchst geistreiche, und man könnte vielleicht sogar sagen, eine geniale Einge30
Gide Sc Rist, (Geschichte), S. 336 f.
31
Ebenda, S. 679 bzw. 685.
32
Gide / Rist, (Geschichte), S. 375.
33
Ebenda, S. 377.
12
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
bung. Der Beweis dafür ist, daß sie Heimatrecht in der volkswirtschaftlichen Sprache erlangt hat: W i r finden sie später wieder und dies insbesondere in der Terminologie der auf ihre strenge Methode besonders stolzen hedonistischen und mathematischen Schule: Dort spricht man beständig von produktiven Diensten', und es würde viel Mühe kosten, ein anderes Wort zu finden, das sie alle umschließt. Dieses Wort »Dienste' ist zwar geeignet, auf Grund des Gedankens an ein höheres Interesse und an professionelle Ehre, die mit i h m verbunden ist - so wie man früher sagte ,im Dienste des Königsr - über viele wirtschaftliche Beziehungen der bestehenden (! J. K.) Ordnung der Dinge Irrtümer aufkommen zu lassen. Trotzdem kann man sich aber kein besseres vorstellen, u m das, was die zukünftige soziale Ordnung sein sollte, zu bezeichnen. Das Wort,Dienste' drückt ungefähr die gleiche Idee aus, die Auguste Comte und viele nach i h m mit dem Wort »soziale Funktion' ausdrücken wollte oder was Professor Marshall in einer kürzlich gehaltenen Rede ,die Ritterlichkeit in der Volkswirtschaft' nennt. Wenn wir versuchen, uns die zukünftige oder doch wenigstens die wünschenswerte Gesellschaft vorzustellen, so fühlen wir uns zu der Hoffnung verpflichtet, daß die Triebkraft der ganzen wirtschaftlichen Tätigkeit, die heute die Profitsucht ist, nach und nach dem Gedanken des sozialen Dienstes Platz macht. An dem Tag wird man Bastiat ein Denkmal setzen können 3 4 ."
Da die Begriffe nicht von ihrer empirischen Anerkennung abhängen, ist dieser eben genannte Zeitpunkt längst gekommen, nicht nur für Bastiat, sondern für alle jene, welche in der Wirtschaft soziale Dienste erkannten und (aber) darüber hinaus auch hieraus einen umgreifenden Ordnungsplan von Wirtschaft und Gesellschaft (Betrieb und Gesellschaft) abzuleiten und zu entfalten vermochten. bb) Bestimmungsversuche des Verhältnisses von Soziologie und Nationalökonomie sowie von Wirtschaft und Gesellschaft Versuche, den Gegenstand und Begriff der Wirtschaft aus der Produkt- und Produktivitätslehre herzuleiten, werden gemäß der Art unserer Fragestellung überhöht durch den Gegenstandsbestimmungsversuch aus dem Verhältnis von Soziologie und Nationalökonomie bzw. Wirtschaft und Gesellschaft. Dies kam schon in unserer Einleitung zum Ausdruck und wird uns nunmehr weiter leiten. 1) Ältere Bestimmungshinweise In seinem „Cours de philosophie positive" wollte Auguste Comte „... in Summa ... die »Soziologie'..." begründen, davon wiederum „... ist die Nationalökonomie nur ein Teil". Dies verbindet ihn wieder mit der historischen Schule der Nationalökonomie, denn auch diese „... Schule wollte mehr oder weniger, hauptsächlich mit Knies, eine soziologische Auffassung der Nationalökonomie durchsetzen" 3 5 . Auf den Begriff der sozialen Funktion Comtes haben wir schon anderweitig hingewiesen. Dieser grundlegende Gedanke, die Wirtschaft als einen bestimmten Teilbereich der Gesellschaft zu erklären, weist in weiterer Folge von den Historikern auf Sismondi zurück: Er „... betrachtete die Nationalökonomie als eine,moralische' Wissenschaft, in der,alles zusammenhängt'. Er wollte, daß 34
Ebenda, S. 378 f.
35
Gide & Rist, (Geschichte), S. 462 f.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
13
man die ökonomischen Phänomene in dem sozialen und politischen Milieu, in dem sie auftraten, studiere36." 2) Das Dreigestirn
Max Weber - Werner Sombart - Othmar Spann
Wenn von Wirtschaft und Gesellschaft bzw. Soziologie und Nationalökonomie die Rede ist, so darf man bedenkenlos an die drei oben genannten Nationalökonomen, die sich immer zugleiche als Soziologen verstanden, in erster Linie denken: Ein Dreigestirn, in dem Werner Sombart den vermittelnden Pol darstellte, wenngleich auch zwischen Weber und Spann weder fachliche noch persönliche Gegnerschaft bestand, wie man mitunter annimmt. Im lehrgeschichtlichen Teil werden wir hierauf noch zurückkommen, hier geht es nur um die Stellungnahmen zu dem Verhältnis Wirtschaft und Gesellschaft bzw. Nationalökonomie und Soziologie, ein Verhältnis, das ganz im Sinne der älteren Bestimmungsweisen verstanden und weitergeführt wurde. 20) Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft" 37 (a) Folgende Aussagen Max Webers sind im Sinne unserer Fragestellung hervorzuheben: Soll „... Soziologie... heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen ... und ursächlich erklären will...", so ist Wirtschaft insofern von sozialer Natur, „... als es das Verhalten Dritter mit in Betracht zieht"38. „Wirtschaften soll eine friedliche Ausübung von Verfügungsgewalt heißen ... »Wirtschaft' soll ein autokephal,,Wirtschaftsbetrieb' ein betriebsmäßig geordnetes kontinuierliches Wirtschaften heißen39." „,Wirtschaftlich orientiertes Handeln' im Gegensatz zu .Wirtschaften' soll jenes Handeln heißen, welches ... primär an anderen Zwecken orientiert ist, aber auf den »wirtschaftlichen Sachverhalt' (die subjektiv erkannte Notwendigkeit der wirtschaftlichen Vorsorge) in seinem Ablauf Rücksicht nimmt 40 ." Damit trifft Weber offenbar die Unterscheidung zwischen einer Art „Hauptwirtschaft" und einer „Nebenwirtschaft" (ζ. B. „Wirtschaftlich orientiertes Handeln" in Kirchen, Kunstinstitutionen, Rechtswesen usw.). (b) Das Thema Wirtschaft und Gesellschaft kann u. E. in der Weberschen Schau in folgenden Teilinhalten (Teilthema) gesehen werden: 1. Das allgemeine Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft 2. Grundformen und Typenbildung der Wirtschaft a) Grundformen 36
Ebenda, S. 433.
37
Vgl. Weber, (Wirtschaft).
38
Ebenda, S. 1.
39
Ebenda, S. 11.
40
Ebenda, S. 31.
14
Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft aa) Sinntypen (traditionale/rationale Wirtschaft) bb) Strukturtypen (Selbstversorgungstypen, Fremdversorgungstypen) b) Typenbildung der Wirtschaft nach ihren Teilordnungen aa) Hervorbringungstypen (Typen leitungs-, arbeits- und produktmäßiger Art) bb) Leistungsverwertungstypen (1) Rechnungsfremde Leistungsverwertung (Kommunistisch-irrationale Verteilung) (2) Rationale Leistungsverwertungsformen (Rationalistische „Chancen-Verwertung") 3. Wirtschaft und Herrschaft 4 1
Betrieb, so können wir abschließend herausstellen, ist für Weber... ein kontinuierliches Zweckhandeln bestimmter Art.. " 4 2 . Wesentlich bleibt seine Verbindung mit Wirtschaft oder wirtschaftlich orientiertem Handeln. 21) Werner Sombarts „Nationalökonomie und Soziologie43 Gemäß unserer Fragestellung ist folgendes hervorzuheben: „Soziologie ist die Lehre vom menschlichen Zusammenleben, die Lehre von der menschlichen Gesellschaft, von dem Leben für und durch andere44." „Die Wirtschaft gehört zu jenen Kulturbereichen, die Gesellschaft sind, zum Unterschiede von denen, die Gesellschaft haben ... Diese beiden Gruppen sind im wesentlichen die von Schleiermacher unterschiedenen Bereiche des organisierenden und symbolisierenden Handelns. Die Wirtschaft gehört mit Recht und Staat zum Bereiche des organisierenden Handelns und ist deshalb Gesellschaft«." Daraus läßt sich folgendes Denksystem der „Kultur W i r k l i c h k e i t " ableiten46: A. Philosophie B. Wissenschaften 1. Normative 2. Explikative a)
Solche, die Gesellschaft haben (z.B. Religionswissenschaft, Kunstwissenschaft)
b)
Solche, die Gesellschaft sind (Rechts-, Staats-, Wirtschaftswissenschaft und deren Subwissenschaften)
Wirtschaft
ist zu bestimmen als Grundidee und Gestaltidee:
A. Grundidee 41
W i r müssen betonen, daß diese Schau ein rein persönlicher Versuch zur Gewinnung eines Leitfadens durch M. Webers Wirtschaft und Gesellschaft ist. 42 Weber, (Wirtschaft), S. 28. 43
Sombart, (Soziologie).
44
Ebenda, S. 3.
45
Sombart, (Nationalökonomien), S. 178.
46
Ebenda, S. 4 ff.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
15
1. Die „... auf die Besorgung von Sachgütern gerichtete menschliche Tätigkeit" 4 7 . Es handelt sich u m einen Kulturbereich, nicht u m ein Ratipnalprinzip. 2. Die Grundidee realisiert sich als Güteridee in Form von drei Teilideen: a)
Gütererzeugungsidee (Vorgangsweisen, Ertragsgesetze)
b)
Gütertransport(-idee)
c)
Güterverteilung(-sidee)
B. Gestaltidee 1. Vorkapitalismus 2. Frühkapitalismus 3. Hochkapitalismus 4. Nachkapitalismus
Wesentlich für Werner Sombart ist vor allem die Unterscheidung von Idee (ζ. B. als Strukturgesetze) und Geschichte als teils freie, teils historisch bedingte menschliche Entscheidung, beide jedoch als Chance (M. Weber) sich in der Zeit zu realisieren. 22) Othmar Spanns kritische Stellungnahme Wir gehen hier nur auf die kritische Betrachtung Spanns zum Thema Wirtschaftsbegriff in Verbindung zu den beiden oben behandelten Beiträgen zu Wirtschaft und Gesellschaft wie folgt ein. Spann geht in seiner Kritik 4 8 von der Vermengung bzw. Verwechslung Wirtschaft und Technik aus, die von Quesnay herstammt 49.
von
Im Hinblick auf die für seinen Wirtschaftsbegriff maßgebliche Unterscheidung von Bereichen der Selbstzwecke und demBereic/ι der Mittel rügt er alle jene Begriffsbestimmungsversuche, welche diese Unterscheidung zu wenig klar treffen. „Die zweite große Schwierigkeit i m Begriffe der Wirtschaft... ist die, daß zwar das Stoffliche und Technische aus dem Wesen und Begriffe der Wirtschaft möglichst ausgeschieden, aber die Wirtschaft vom Verbrauch (,Konsumtion'), die Mittel oder Güter von den Bedürfnissen (Zielen, Zwecken) nicht streng getrennt wurden 5 0 ."
Aber auch der soziologische Ansatz schlechthin genügt Spann nicht: Zur Lösung der gestellten Aufgabe „... genügt es nicht, der Volkswirtschaftslehre eine gesellschaftswissenschaftliche Wendung geben zu wollen, sie zur gesellschaftswissenschaftlichen (»soziologischen') Lehre zu stempeln"51. Dies dann nicht, wenn die Wirtschaft als besondere Teilordnung der Gesellschaft nicht genügend klar gegen andere Teilinhalte und Teilordnungen abgehoben erscheint, ja einfach in Gesellschaft konturlos aufgeht. Zu Vertretern dieser Richtung zählt 47
Sombart, (Nationalökonomien), S. 173.
48
Vgl. Spann, (Fundament), S. 6 ff.
49
Diesbezüglich sei auf unsere Darstellungen der Produktlehre verwiesen.
5 0
Spann, (Fundament), S. 8.
51
Ebenda, S. X V I .
16
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Spann u. a. Alfred Amonn 52 , sowie Stammler 53 undDiehl 5*, vor allem aber Friedrich Gotti Denn schon vor Amonn hat „Friedrich Gotti ... den geistvollen, aber mißlungenen Versuch gemacht, den Begriff der Wirtschaft als Grundbegriff der Volkswirtschaftslehre womöglich überhaupt auszuschalten"55. Grundsätzlich Gleiches gilt für Amonn, trotz des richtigen Gedankens: „Die Nationalökonomie will eine Sozialwissenschaft sein.. . 56 ." Die Schwäche der Begriffsbestimmungsversuche von R. Stammler und Κ.Diehl scheint Spann „... in der Unterscheidung von Form und Stoff (,Inhalt').. ." 57 gelegen zu sein, eine Entgegensetzung, die uns auch bei F. Schönpflug (Betrieb als Form, Wirtschaft - als letztlich doch nicht eindeutig bestimmter - Inhalt dieser Form) als Exponenten der Betriebswirtschaftslehre bereits begegnete. Fragen wir uns schließlich nach dem Verhältnis Weber-Sombart-Spann, so gilt es hier nur festzustellen, daß sich Weber und Sombart, insbesondere letzterer, mit Spanns Wirtschaftsbegriff zum Teil kritisch, in vielfacher Beziehung aber durchaus bejahend auseinandersetzten. In unserem lehrgeschichtlichen Abschnitt werden wir darauf näher zurückkommen 58. Damit können wir uns spezifisch der ganzheitlichen Auffassung von Wirtschaft und Gesellschaft zur näheren Bestimmung des Begriffes Wirtschaft, als Teilbereich der Gesellschaft, mit Blick auf seine Weiterentfaltung zur Grundlage einer Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft zuwenden.
B. Die Ableitung des Begriffes der „Wirtschaft" aus ganzheitlichem Gesellschaftsbefunde Wir kehren hier zu den grundlegenden Sätzen Othmar Spanns zurück: „Der Begriff der Wirtschaft ist das Fundament der ganzen Volkswirtschaftslehre...", und dies bedeutet zugleich: alle Wirtschaft meint Gesellschaft". Der Begriff der Wirtschaft und dessen gesellschaftlicher Einordnungsbezug gilt auch für die Betriebswirtschaftslehre. Daher gilt es, Spanns Ausführungen bis zu jenem Punkte seiner Ableitungslinie zu folgen, an dem wir selbst die Weiterentfaltung des Wirtschaftsbegriffes in die Hand nehmen wollen. 52 Amonn, (Objekt). 53
Stammler, (Wirtschaft).
5 4
Diehl, (Nationalökonomie).
55
Spann, (Fundament), S. 11.
56
Ebenda.
57
Ebenda, S. 13. 58 So nimmt M. Weber auf Spann in (Wirtschaft) auf S. 8 kritisch Bezug, auf W. Sombart an verschiedenen Stellen (S. 57,296,367 ff„ 383,720 ff). Dieser wieder behandelt in (Nationalökonomien) sehr eingehend die Lehre Spanns (S. 7,11, 36 ff., 62 f., 71 ff., 142,160,167, 220 ff., 238 f., 296 f., 306, 324; insbesondere ζ. B. die Wesens- oder Strukturgesetze in der Wirtschaft S. 257 ff., bes. S. 258).
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
17
1. Wirtschaft und Gesellschaft
Wenn Wirtschaft ein Teilgegenstand, eine Teilordnung der menschlichen Gesellschaft bzw. der Gesellschaftsgesamtordnung ist, so müssen wir zumindest einen orientierenden Blick auf die Begriffsbestimmung der Gesellschaft, ihr Verhältnis zum Einzelnen und schließlich ihre Inhalte - deren einer eben die Wirtschaft ist - werfen. a) Einzelner und Gesellschaft Das Verhältnis von Einzelnem (also Mensch) und Gesellschaft bildet in seinem Gegenseitigkeitsverhältnis als Ganzes (als Stufen des Ganzen) ebenso wie in Ansehung ihrer inhaltlichen Entsprechung die Grundfrage und Grundlage der ganzheitlichen Gesellschafts- und damit verbundenen Wirtschaftsauffassung. Nur thesenhaft können wir hierauf wie folgt eingehen: (aa) Grundlegend ist die kategoriale Aussage des Vorranges des Ganzen vor dem Teil 59 . In unmittelbarer Anwendung dieser Fundamentaleinsicht folgt eine analoge Aussage für den Bereich der Gesellschaftslehre 60 wie folgt: „Wesentlich ... ist: Daß das Erste (Primäre), die ursprüngliche Wirklichkeit von der sich alles ableitet, nicht der Einzelne ist, sondern die Ganzheit, die Gesellschaft 61." Dieser Satz vom Primat der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen könnte mißverständlich sein,'wurde auch häufig mißverstanden und bedarf natürlich (abgesehen von seiner logischen Einsichtigkeit) immerhin auch hier einer näheren Begründung und Absicherung. (1) Den Primat der Gesellschaft begründet die universalistische Gesellschaftslehre wie folgt: „Worin das entscheidende Merkmal und die Rechtfertigung des Universalismus liegt, ist die ontologische (seinsmäßige) Gegenseitigkeit, ist die Gesellschaftlichkeit des menschlichen Geistes. Daß die Geburt des Geistes wie seine immerwährende Neubildung ein gesellschaftlicher Vorgang ist, daß sie nur in Gezweiung erfolgt, daß sie sich nur innerhalb der schöpferischen Gegenseitigkeit der Einzelnen... vollzieht, das ist der Hauptsatz des Universalismus. Universalistisch ist jede Auffassung der Gesellschaft, welche im geistigen Miteinander der Einzelnen ein schöpferisches Prinzip erblickt, indem es die Einzelnen zum Gliede eines über sie hinausgehenden Ganzen macht, den logischen Vorrang (die Priorität), vor den Gliedern zuschreibt62." Damit ist natürlich auch jede Robinson-Idylle, jedes Robinson-Wissen, jede Robinson-Kunst, jede Robin·
2
59
Vgl. Spann, (Kategorienlehre), § 1-8.
60
Vgl. ders. (Gesellschaftslehre).
61
Ebenda, S. 100.
62
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 122 f.
Kolbinger
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
18
son-Sprache und last not least natürlich auch jede Robinson-Wirtschaft ausgeschlossen. Umgekehrt: Jede Wirtschaft muß dann natürlich Gesellschaft meinen, wie ja auch die Soziologie kraft dieses Primats erst einen eigenen Gegenstand erhält, der nicht nur „Beziehung von (an sich schon fertigen, autarken) Einzelnen" ist. Dieser grundlegende Lehrsatz, wonach die Gesellschaft als geistige Ganzheit (also physisch und der nur physisch ungegenständlich) charakterisiert erscheint, kehrt in vielen detaillierten Ausführungen wieder. Eine Leseprobe möge dies verdeutlichen: Der Mensch ist nach ganzheitlichem Befunde ein „... dem anderen geistig Zugehöriger" 63 . „Nicht ruhendes Sein ist das Wesen des menschlichen Geistes..sondern eine unaufhörliche Neuschöpfung, ein stetes Angefacht- und Erwecktwerden durch den Geist des Anderen ... Erwecktwerden und Erwecken bildet das Wesen der geistigen Gemeinschaft,... der Gezweiung 64 ." Grundlegendste Beispiele hierfür sind Freundschaft, Liebe, Geselligkeit, Familiengemeinschaft, Erziehung (als geistiger Erweckungsakt, als Gezweiungsakt zwischen Lehrer und Schüler verstanden) usw.: So ist Freundschaft „... durch das bestimmt, was s i c h . . F r e u n d e geistig geben. E i n spezielleres Beispiel hierfür: „Indem der Musiker dem anderen die Welt der Musik eröffnet..." eröffnet ζ. B. der andere Freund, der Maler, seinem Musikerfreund die „... Welt eines Grünewald, eines Dürer, eines S c h w i n d . . S o kommt daher der Gesellschaft die sittliche (!) Aufgabe der Geisteserweckung zu. Sagen doch schon die Pythagoräer: „Wie die Harmonie auf einer Mehrheit von Tönen, die Figur auf einer Mehrheit von Linien, der Körper auf einer Mehrheit von Flächen beruht, so die Welt auf einer Mehrheit von Wesen." So bedeutet daher Gesellschaft letztlich: „Selbstsein durch Seiirim andern 6 5 ."
Die Gesellschaft weist natürlich ebenso wie der Einzelnen auch die Züge des Biologischen (Sinnlich-Vitalen) auf und auch hier herrscht noch Gezweiung, wenngleich freilich Eros und nicht Sexus als Höchstformen gelten. Und daher ist im Mann-Frau-Verhältnis wohl auch biologische Gezweiung, steht also ontologisch die Zweiheit von Mann-Frau über ihrer Einzelheitlichkeit, da das Menschsein im Schöße der Zweiheit seine Kontinuität und nicht in der Vereinzeltheit besitzt, weshalb auch jede Emanzipation zum Scheitern verurteilt ist und den Modernismus Lügen straft. Was aber höher, inniger rangiert, das ist, was sich Mann und Frau geistig, gefühlsmäßig usw. zu geben vermögen und auch ihren Kindern zu vermitteln vermögen, womit auch die Gezweiung Jugend-Reif e-Alter gesichert erscheint. Spann bezieht durchaus auch das Krisenhafte der Gesellschaft in sein soziologisches System mit ein und liegt mit dieser „Entdeckung" schon zeitlich weit vor vielen modernen „Krisensoziologen", wenn er hervorhebt: „Wie in der Natur nicht alles Licht, kann in der Gesellschaft nicht alles Liebe sein, nicht nur aus Unvollkommenheit der Menschen, sondern aus wesenhaften Baugesetzen." So ist auch das fortlaufende Werden der Gesellschaft nicht einfach Liebe, son-
63
Ebenda, S. 100.
64
Ebenda, S. 101.
65
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 102 ff.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
19
dem ein unaufhörliches geistiges Werden,... sei es auch in Gegensätzen und Rückbildungen66." (2) Sprachen wir oben vom Primat der Gesellschaft, so folgt hieraus die Notwendigkeit, erst recht die Frage nach der Stellung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und der etwaigen Gefahr eines Pansoziologismus in der ganzheitlichen Gesellschaftslehre zu stellen. (20) Bezüglich des Verhältnisses von Einzelnen und Gesellschaft gilt: „Der Universalismus ist... keineswegs jene Theorie, für welche der Einzelne nichts, die Gesamtheit (insbesondere der Staat) alles ist. Das ist vielmehr gerade eine mechanistische (atomistische) Auffassung vom Universalismus, die ihn... sinnlos macht", denn „... grundsätzlich... muß der Einzelne auch für das universalistische Denken seinen unverlierbaren inneren Wert, sein Eigenleben, seine sittliche Freiheit behalten. Die Würde des Einzelnen braucht beim Universalismus nicht geringer zu sein als beim Individualismus"67. I m einzelnen bedeutet dies68: a) Vorauszusetzen ist immer ein Erweckbares, also die Anlage. b) Alles Erweckbare verbleibt immer ein Besonderes, Individuelles. c) Gerade der Universalismus begründet logisch die Notwendigkeit der Individualität. d) Schließlich ergibt sich i m Rückgriff auf die Geisteslehre die Ichform des Geistes und seine spezifische Autonomie seines Werdens.
Ad a): Primär gilt also „... der Einzelne als bloße Anlage (Potenz). Der Blinde kann in keiner Gezweiung zum Maler, der Taube nicht zum Flötenspieler gebildet werden" 69. Allerdings gilt eben auch umgekehrt: „... alles, als was der Einzelne sich tatsächlich findet, ist er durch Aktualisierung seiner Anlage in Gezweiung. Die Ganzheit als auferweckende ist auch die einzig Wirklichkeit verleihende"70. Entscheidend an der universalistischen Erklärung des Ich-Du-Wir-Verhältnisses (Gesellschaft) ist also offenbar die besondere Bedeutung, die der gegenseitigen Berührung des menschlichen Geistes, eben der Erweckung von Geist durch Geist, von Art durch Art, beigemessen wird: „Vor allem zeigt sich, daß der Einzelne die geistige Verbindung mit anderen nicht als Fertiger eingeht... Die geistige Gezweiung zeigt sich kraft ihrer schöpferischen Eigenschaft vor allem als solche, in welcher beide Glieder als Werdende erscheinen 71 ."
Ad b): Immer wird die Anlage von subjektiver, also letztlich einzigartiger Natur sein. Die Gesellschaft (Gezweiung) bedeutet allerdings auch ein Einwirken auf die Richtung und Ausprägung, welche die Potenz in ihrer Entfaltung nimmt bzw. erfährt. 66
*
Ebenda, S. 115.
67
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 99.
6 8
Vgl. ebenda, S. 123 ff.
69
Ebenda, S. 123.
70
Ebenda
71
Ebenda.
20
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
„Beethoven und Mozart mögen wie immer musikalisch erzogen und aktualisiert worden sein, sie waren in gewisser Art immer sie selbst geblieben. Seine Einzigartigkeit bleibt dem Einzelnen schon als unzerstörbare Anlage ... Potenz war schon vor der Gesellschaft (die durch Aktualisierung der Potenz ist). Die Wirklichkeit zwar ist ganz und gar gesellschaftlicher Art, ist nur gezweite Wirklichkeit: Aber eine vorgesellschaftliche Tatsache ist die Anlage des Einzelnen." Indessen behält hier der Einzelne und die Gesellschaft ihre arteigene Bedeutung, denn: I n der Gezweiung wird in den Menschen ein seelisches Element geweckt, umgebildet, angefeuert, entwickelt, aber auch rückgebildet, richtiggestellt, oder sogar abgetötet, vernichtet. Daher ergibt sich: Nachdem jemand ein geistiges Verhältnis hinter sich und durchgemacht hat, ist er ein anderer als vorher (in bezug auf den betreffenden geistigen Inhalt) 7 2 ."
Ad c): Nur der Universalismus besitzt die geistige Waffe gegen den Kollektivismus und rettet daher den Einzelnen vor Despotie und Versklavung, denn: „Ein letztes Bestimmungsstück der Aktualisierung der Potenz ist die Einzigartigkeit. Die Gemeinschaft aktualisiert nicht durch Erweckung im Allgemeinen - ζ. B. das Musikalische, das Sittliche, sondern nur durch besonderte, handgreifliche Erweckung 73." „Gezweiung schafft Individualität, schafft den unwiederholbaren Einzigartigen... Ganz allgemein gefaßt, ergibt sich von der Ganzheit her die Notwendigkeit einzigartiger Glieder. Die Ganzheit fordert Ausgliederung in geschichteten, daher besonderten und unwiederholbaren Gliedern aus begrifflicher Notwendigkeit... Der Individualismus dagegen kann die Einzigartigkeit der Einzelnen, der Atome, nicht begrifflich ableiten. Die in sich beruhenden Einzelnen könnten auch gleich sein. Dem Individualismus ist die Einzigartigkeit der Individualität unableitbar, sie ist i h m - Zufall! M a n kann dies das individualistische Paradoxon nennen 7 4 ".
Ad d): Schließlich nimmt die Frage nach der Stellung Einzelner - Gesellschaft die Richtung auf die Geisteslehre (Psychologie). „Eine Grundtatsache, welche die zergliedernde Gesellschaftslehre vorfindet, ist: Ichheit, Ichförmigkeit aller geistigen Vorgänge in der Gezweiung. Es ist ja der Einzelne, welcher selbst denken muß. Und damit geht es eindeutig um die Autonomiefrage des Einzelnen75." Spann hebt hier hervor: „Das Denken kann gestärkt, geübt, berichtigt werden, aber als Denken wird es dem Einzelnen auch dann nicht abgenommen, wenn i h m die Gedankenreihen vorgesagt werden... Die Gemeinschaft kann nicht für den Einzelnen fühlen, wollen und denken." Und hier entsteht die Frage: „Vernichtet das aber nicht... den Universalismus, weil die Ichpunkte logisch und sittlich autonom (selbständig) sind 7 6 ."
Die hier angesprochene Frage ist letztlich die Krönung der Erkenntnis des Verhältnisses von „Subjektivem Geist" (Ich) und „Objektivem Geist" (Wir, Gesellschaft), insbesondere auch als Frage des ontologischen, logischen und temporalen Prius. Hierauf wollen wir ganz kurz im Anschluß eingehen. (21) Es geht letztlich um die Frage nach Selbstmacht und Grenzen des subjektiven Geistes, in weiterer Folge des Geistes gegenüber allem Andersartigen überhaupt. 7 2
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 124.
73
Ebenda
74
Ebenda S. 125.
75
Ebenda S. 126.
76
Ebenda
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
21
(210) Im Bereiche der Gesellschaftslehre selbst stellt sich diese Grundsatzfrage zunächst in der besonderen Form, inwieweit der Einzelne die Macht besitzt, auf die Berührung, den geistigen Rapport mit anderen, letztlich also der Gesellschaft, verzichten zu können. Spann nennt diese, im übrigen jeden Vorwurf des Pansoziologismus ad absurdum führende Möglichkeit die Abgeschiedenheit „Durch Abgeschiedenheit wird die menschliche Gesellschaft gemieden... Der Abgeschiedene sucht und spürt nur eines, nur göttliche Wesenheit, die hinter der Welt steht. Gemeinschaft mit diesem erfühlten Weltgeiste, Gemeinschaft ohne Vermittlung durch Natur oder Seele, unmittelbare Gemeinschaft mit dem Göttlichen selbst - das ist das Wesen der Abgeschiedenheit77." Abgeschiedenheit ist kein Individualismus. Denn nichts von Insichgegründetheit des Einzelnen, nichts vön Selbstwüchsigkeit, nur völlige, höchste Vergemeinschaftung mit dem Göttlichen beherrscht das abgeschiedene Leben. So hat die Abgeschiedenheit die gleiche Wurzel wie der Universalismus78." Dies in dem Sinne, daß der Mensch entweder mittelbar oder, wie im Falle der Abgeschiedenheit, unmittelbar dem letzten Zentrum rückverbunden ist: Ν Ebene der
U
Urmitte
Ebene dqr Gemeinschaften Ebene der E i n z e l n e n Abb. 1: Mittelbares
und unmittelbares Gemeinschafts· und Existembewußtsein
Während i m Normalfalle der Mensch nur vermittelt... die schöpferische Einwirkung der Urmitte erfährt ( O ) . . i s t er i m Falle der Abgeschiedenheit, also „... in einem gleichsam ekstatischen Zustande imstande..., unvermittelt mit der Urmitte in Rapport zu kommen"79.
(211) Die ganzheitliche Geisteslehre, die hier natürlich nur angedeutet werden kann, steht u. E. im Sinne unserer Fragestellung vielleicht am ehesten unter dem Leitsatz: Wer in die Welt geboren werden will, erfährt sein Sein und Werden in weltlicher, also vorzüglich menschlicher Gezweiung. Grundlegend sind folgende Einsichten: Von allgemeiner Bedeutung ist die Bestimmung des Primats von Geist und Stoff, damit des logischen Prius des (subjektiven) Geistes gegenüber den Sinnen, denen nur die Stellung der „Anregung des Vorbewußten", nicht jedoch der Bildung des „Bewußtseins" zukommt, wie dies der Sensualismus-Empirismus behauptet(e). Ausgehend von Francis Bacon gelangt der Empirismus bei John Locke zu dem Ergebnis, es gäbe keine angeborenen Vorstellungen (Geistesgehalte) und findet (über Hobbes) bei Condillac insofern die klassische Form, „... als er den Sensualismus, auf den ja jeder Empirismus hinausläuft, wirklich zu Ende dachte. Er 77
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 184 f.
78
Ebenda, S. 185.
79
Ebenda.
22
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
geht von der Unterstellung einer steinernen Bildsäule aus, welcher nach und nach alle Sinne eingesetzt werden" 80. Leibniz bricht mit dem Empirismus, indem er dessen Grundthese „nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu" sein „nisi intellectus ipse" bahnbrechend für eine Wiederentdeckung der Seele entgegensetzt, nachdem schon Descartes sein „Ich denke, daher bin ich" (cogito ergo sum - je pense, donc je suis) formuliert hatte und worauf Fichte das Prius des Geistes mit dem Satz bestimmt „Das Ich setzt sich selbst81." Den Sinnen wird damit die zweite Stelle im Werden des Bewußtseins zugewiesen, die Seele, der subjektive Geist wird zur Realität. Hier kommt nunmehr auch der spezielle Satz Spanns zum Tragen, den wir schon vordem zitierten und der hier, nunmehr in der Geisteslehre, zu dem Ergebnis führt: Alles Denken, Fühlen, Wollen beruht auf Gezweiung, nicht auf Vereinzelung. Damit der Mensch das Menschsein erwirbt, darf er - unbeschadet einer dem Ich, dem subjektiven Geist eigenen Selbstmächtigkeit, sich selbst zu erkennen, ohne jede Unterstützung von außen - nicht bei sich selbst stehen bleiben, er muß zur Vollverwirklichung über sich hinausgreifen, über die Menschen, über die Gemeinschaft, die Gesellschaft usw. Und in diesem Sinne, als Vervollkommnungsprinzip ist Gemeinschaft, Gesellschaft vor Individuum, widerspricht der Solipsie. Sinne und Geist, ebenso aber auch Einzelner und Gemeinschaft (Gesellschaft) besitzen arteigene Entfaltungsmacht; der einzelne ist daher nicht der, der Gesellschaft schlechthin Ausgelieferte, wohl aber der ihrer zu seiner Vollverwirklichung Bedürftige, die Gesellschaft und alle ihre Teilinhalte (Objektivationssysteme) sind daher nicht subjektiv indifferent-selbstmächtig-allein-herrschend, wohl aber mehr als die Summe ihrer Teile (Subjekte). Der Mensch ist daher als einzelner ein zum Teil sich selbst Gehörender (insbsondere kraft Anlage und kraft Ich-Macht) des Bewußtwerdens, zum anderen aber ein erst in der Mit- und Umwelt und an diesen Werdender (als richtiger Kern jedweder „Milieutheorie"). b) Die gesellschaftlichen
Inhalte und die „ Wirtschaft
w
in ihnen
Wurde oben kurz formal das Wesen der „Gesellschaft" und ihres Verhältnisses zum einzelnen in ihrer Gegenseitigkeit bestimmt, so muß es nunmehr unser Anliegen sein, die Inhalte von subjektivem und objektivem Geist und damit auch erstmalig die Stellung der Wirtschaft in diesen näher kennenzulernen. aa) Grundsätzliche Korrelation der Inhalte von Individualbewußtsein und Objektivationsgehalten der Gesellschaft Spann fragt selbst bezüglich der gesellschaftlichen Inhalte: „Gibt es einen Grundsatz für die Ableitung dieser Inhalte?' Und er antwortet hierauf bejahend: 80
Spann, (Logik), S. 8.
81
Vgl. Amtmann, (Geisteslehre).
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
23
„Dieser Leitfaden kann nur im Gesellschaftsganzen selbst liegen. Aber Gesellschaft ist objektiver Geist, der Einzelne sein Glied und daher auch sein Ebenbild (Kategorie der Ebenbildlichkeit des Gliedes). Sofern nuh die gesellschaftlichen Teilinhalte am Einzelnen selbst zur Erscheinung kommen, biete sich am Einzelnen ein Unterscheidungs- und Ableitungsgrundsatz für die Teilganzen82." „Überall findet und versteht der Mensch die Welt in einem tieferen Sinne nicht von außen, sondern, da er Glied dieser Welt ist, durch die Deutung seines eigenen Inneren. In seine eigene Tiefe hinabzusteigen, ist das letzte Heil des Menschen. Der Mensch ist nicht nur das kleine All (Mikrokosmos), er ist auch die kleine Gesellschaft (Mikrooikonomia). Jedes Glied spiegelt sein Ganzes wider, es ist ebenbildlich. Darum, wer in seine eigene Tiefe hinabsteigt, steigt in die Tiefe der Gesellschaft hinab... Die Gliedhaftigkeit des einzelnen Menschen im Gesamtgeiste der Gesellschaft; und die Ebenbildlichkeit des Einzelgeistes als Glied des Gesamtgeistes sind es, die uns erlauben, an einzelnen Menschen das Ganze zu erklären, aber auch vom Ganzen aus den Einzelnen zu deuten83." bb) Die gesellschaftlichen Teilinhalte und die „Wirtschaft" in ihnen Wir überspringen die Ableitung als solche und halten nur einen Satz Spanns über die Grundgliederung der Teilinhalte der korrespondierenden Stufen der Ganzheit Einzelner - Gesellschaft (i. w. S.) wie folgt fest: „Gesellschaft verwirklicht sich stets nur in geistigen und handelnden Inhalten...; Empfindung und Handlung sind die zwei letzten Bestandteilte jeder gesellschaftlichen Erscheinung, jeglichen gesellschaftlichen Lebens84." An anderer Stelle wird dies bei Spann etwas deutlicher gemacht in einer Übersicht über die Teilinhalte der Gesellschaft: 1. Die rein geistigen Inhalte oder die rein geistigen Gemeinschaften (ζ. B. Wissenschaft, Kunst, Religion). 2. Die handelnden Teilinhalte (darunter insbesondere Wirtschaft.. .)85" Wir glauben mit Spann folgende Gliederung der Teilinhalte der Gesellschaft ins Auge fassen zu dürfen: 1. „Das Geistursprüngliche" a) Religion b) Wissenschaft c) Kunst d) Sinnlichkeit 2. Sittlichkeit und Recht (Wiedervervollkommungsordnungen) 82
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 259.
83
Ebenda, S. 271.
84
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 258. Ebenda, S. 251.
85
24
Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
3. „Arten des Handelns" a) Ausdrückendes oder Darstellendes (darunter die Sprache) b) Mittelbeschaffendes Handeln: Wirtschaft™. 1) Zu den „geistursprünglichen"
Gesellschaftsbereichen
Nicht zuletzt, oder gerade weil die geistursprünglichen oder sogenannten Selbstzweckbereiche begriffen werden müssen, um den Wirtschaftsbegriff vollgültig klarzustellen, seien diese nachfolgend kurz wie folgt skizziert: (a) Vorweg hat Spann erklärt, daß man die Analyse des subjektiven und objektiven Geistes von den Teilinhalten (Bereichen, Schichten) der Religion und Philosophie her beginnen müsse, doch sprächen Verstehungsgründe für eine Nachreihung 87. Glaube ist anzusehen, als „... ursprünglichste Grundtatsache unseres Bewußtseins, die das ganze Bewußtsein durchtränkt.. Λ also alle Teilinhalte des subjektiven und objektiven Geistes stimuliert. „Ontologisch und geschichtlich-gesellschaftlich (von oben herab) betrachtet, ist Religion das Erste, auf dem sich das Geistesleben der Gemeinschaft und ihrer Glieder ... aufbaut.. . 88 ." So begründet der Glaube das Tiefste im Gemeinschaftsleben nach dem scholastischen Satze: „Coniunctio hominis cum deo est coniunctio hominum inter se." Die Religion ist es auch, welche subjektiv wie gesellschaftlich „«.. zuletzt das höchste Vollkommenheitsideal bestimmt... So wird die gesellschaftliche Leistung der Religion zugleich eine sittliche wie eine rechtlich-staatliche"89. Philosophie ist Spann nur Zweig der gleichen Grunderscheinung, der Glaube und Religion entspringt, eben „... das metaphysische Element im menschlichen Geiste..." Die Philosophie unternimmt von der begrifflich-bewußten Seite her, also von einem Denken in höchsten logischen Inhalten, dasselbe wie die „... Religion von der unmittelbaren Seite her, von der Seite des Erlebnisses und der Ahnung, des Symbols und des Kultes"90. Es darf hier hinzugefügt werden, daß der „Normativismus" (Nicklisch-Töndury-Schönpflug) das Normenwissen als Voraussetzung alles gefolgerten Wissens durchaus im Sinne Spanns begreift. (b) Die Frage, was Wissenschaft dem subjektiven und objektiven Geist bedeute, läßt Spann von Aristoteles wie folgt beantworten: „Alle Menschen verlangen von Natur nach dem Wissen91." Wissenschaft bedeutet denkendes Nachschaf86
Spann fügt unter 3. noch gesondert „Veranstaltung oder Organisation" (c)) an, doch erscheint uns dies entbehrlich und i m gegebenen Zusammenhang eher problematisch. 87
Vgl. Spann, (Gesellschaftslehre), S. 274.
88
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 335.
89
Ebenda, S. 336.
90
Ebenda, S. 353.
91
Ebenda, S. 278.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
25
fen des Seins. Für die Gesellschaft leistet Wissenschaft dreierlei: Sie ist reine Kulturleistung (Gesellschaft als Wissensgemeinschaft), Zurechtfindungsiel· stung (ζ. B. in der Natur usw.), schließlich praktische Verwertungsleistung (ζ. B. als Erfindung). Hier klingt m. E. auch schon „Wirtschaft" mit an. (c) Ebenso wie nach dem Wissen verlangen die Menschen nach der Kunst, denn „... das Wissen des Gegenstandes (vgl. Wissenschaft, Denken, J. K.) und das Gestalten...", die Kunst, sind Grundtatsachen des menschlichen Geistes. Gestaltbewußtsein ergänzt den Verstand, das Denken, denn „... was man nur von außen durch den Verstand erkennt, hat man noch nicht erlebt" 92. Somit ist „... die grundsätzliche Stellung der Kunst im menschlichen Geiste ... dahin zu kennzeichnen: Sie schließt uns... den Gegenstand durch die Gestalt, im gestalthaften Erlebnis auf und dadurch ein Stück von unserem eigenen Selbst"93. Als Beispiel führt Spann an: „Wer Shakespeare's,Romeo und Julia', wer Goethes .Wahlverwandtschaften 4 in sich aufnimmt, der weiß nun, was Leidenschaft und Liebe heißt, auch wenn seine eigenen Erlebnisse es ihn nie gelehrt hatten 9 4 ."
Die Jugend will sich heute - vielfach in problematischer Rebellion - das Gefühl wieder zurückerobern. Und gerade hier zeigt sich die besondere gesellschaftliche Relevanz der Kunst, eben „... in der beispiellosen Gemeinsammachung persönlicher Inhalte..." 9 5 weit über das hinaus, was diskursives Denken vermag. (d) Hiermit betritt Spann den letzten, weil endlichsten Bereich des subjektiven wie objektiven menschlichen Lebens, den Bereich des Biologischen oder wie er es nennt: Der Sinnlichkeit und Vitalität Auf die Frage der sich hier vollziehenden Berührung von Geist und Stoff („Gezweiung höherer Ordnung") ist hier nur hinzuweisen. Hervorhebenswert ist hingegen im besonderen die Funktion der Sinnenwelt, welche dem Menschen die Welt zwar nicht in ihrer inneren Wesenheit, wohl aber in ihrer äußeren Erscheinung vermittelt. Die Gesellschaftlichkeit mag hier ebenso in der Gemeinschaftlichkeit des Gaumens („Wiener Küche") wie der Sinnhaf tigkeit der Farben nach Kulturkreisen bestehen. Weiß bedeutet ζ. B. in der westlichen Welt Freude, in Japan Trauer. Letztlich ist aber auch das biologische Werden des Einzelnen, die Zeugung von gesellschaftlicher, und soweit den Körper betreffend, eben von sinnlich-vitaler Qualität. Darüber hinaus aber auch eine letzte Vereinigung, eine Gezweiung, in der Geist (Eros) und Stoff (Sexus) sich in Liebe zum Ganzen fügen, sich als Teile diesem Ganzen rückverbinden.
92
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 302 f.
93
Ebenda
94
Ebenda, S. 301.
95
Ebenda
26
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
2) Zu den Bereichen der Wiedervervollkommnung
und des Handelns
Wo in der Ableitung die beiden Bereiche rangieren, mag unbeantwortet bleiben, wie überhaupt festgehalten werden muß, daß die Bereiche des Handelns uns später, gerade bei Behandlung des Begriffes Wirtschaft in besonderer Weise beschäftigen werden. Auch sinnliche Liebe, um ein Kontrastbeispiel zu bringen, wäre nicht einfach äußerliches Handeln, sondern innerer Gehalt desselben. So ist daher für Spann die erste Form einer nicht Inhalt, sondern nur Veräußerlichung darstellenden Erscheinung des Handelns das mitteilende Handeln, ζ. B. die Sprache, über deren gesellschaftliche Bedeutung kaum ein Wort verloren zu werden braucht. Inhalte vermitteln sich ja von Mund zu Mund, führen von der Innerlichkeit zur Veräußerlichung und von hier wieder zur Verinnerlichung. Die Sprache aber ist Hilfeleistung, nicht Inhalt, nicht eigentlicher Sinngehalt des menschlichen Seins (insbesondere Geistes). Hier schließt Spann dann auch Überlegungen zum organisierenden und mittelbeschaffenden Handeln, letztlich also die Wirtschaft betreffende Ausführungen an. Viel auf schlußreicher erscheinen uns aber die Aussagen im „Fundament der Volkswirtschaftslehre", weshalb wir ab hier diese Quelle anstatt der „Gesellschaftslehre" in Betracht ziehen werden. 2. Der Wirtschaftsbegriff Othmar Spanns (Ableitung und Problemrest) 9 6
Spanns Unterscheidung von Bereichen des Geistursprünglichen (einschließlich Sittlichkeit und Recht) und Arten bzw. Bereichen des Handelns korrespondieren im wesentlichen mit der Entgegensetzung von Welt der Selbstzwecke und Welt der Mittel im Bereiche seiner Wirtschaftstheorie. Entscheidend wird daher diese genannte Grunddifferenzierung der Elemente subjektiven und gesellschaftlichen (objektiven) Seins und der damit verbundene Grundbegriff, aus dem der der Wirtschaft für Spann folgt: Begriff und Arten der Mittel. a) Begriff
und Art von „Mitteln"
Im Begriff des Mittels liegt der der Wirtschaft mitbeschlossen. Zur Bestimmung des Begriffes Mittel durchschreiten wir die beiden folgenden Ableitungsstufen. aa) Allgemeines zum Begriff des Mittels und das besondere Verhältnis menschlicher „Wertwelt" und „Naturwelt" Spann unterscheidet also grundsätzlich „... Gebiete, die dem Bereich der Werte angehören...", also „... Wert- oder Zwecksysteme wie Wissenschaft, Kunst, Sittlichkeit; und solche, die dem Bereich der Mittel angehören, die Wirtschaft" 97. 96 Wir können hier ohne Einschränkungen, ggf. nur unter Hinzufügung verbindender Hinweise unsere Ausführungen wiedergeben aus: Kolbinger, (Spann).
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
27
Die Wertwelt - im Gegensatz zur Ursächlichkeit - gliedert sich also in autonome und abhängige (mittelbare) Werte. Letzteres wäre ζ. B. Maschine oder auch die menschliche Arbeit im Hinblick auf das Erzeugnis, nicht aber für sich. „Jene Ursächlichkeit, welche Werte verwirklicht, heißt Mittel." Denn es ist nur „... die Beziehung auf den Wert, was jene Ursächlichkeitsstücke zu Mitteln macht. Diese »Beziehung auf den Wert 1 ..." nennt Spann „... das zweckhafte, teleologische, finale oder axiologische oder werthafte Merkmal im Begriff des Mittels98." Es wird hier die Frage nach dem Verhältnis von Natur und Kultur, von Humanwelt und Welt des Außermenschlichen zu beantworten sein, einerseits zur Bestimmung des Begriffes Mittel auf erster Ableitungsstufe, darüber hinaus aber als Grundlage mancher Verstehensmomente in den späteren Lehrkapiteln der Wirtschaftsfunktionen- und -gestaltlehre. Wir können von dem einfachen Beispiel ausgehen, daß ζ. B. eine Tanne zum einen Glied der Natur, Teil des „Waldes" (als Naturganzheit eigener Art) ist. Was Spann mit seiner Beziehung auf den Wert meint, womit besagte Tanne zum Mittel wird, indem sie aus der Natur herausgehoben und zugleich in die Welt des Menschlich-Sozialen eingegliedert wird, ist leicht einzusehen: Erst der Bezug der Tanne auf das Religiöse macht sie zum Weihnachtsbaum. Und in ähnlichem Sinne wird das Ei des Huhnes zum Osterei. Und auch das Federkleid des Straußes hat nur solange die Eigenschaft des Wertes, also der gliedhaften Geltung im Humanbereich, als es etwa fähig ist, Frauenträume wahrzumachen. I m übrigen und außerhalb der Human weit bleiben alle Naturglieder ihrem eigenen Seinsbereich allein verhaftet, sinnvoll verbunden. Maßgeblich für das Verhältnis Humanbereich (Gesellschaft) und Naturbereich und damit auch von .Wirtschaft (Mittelbereich) und Natur ist der an späterer Stelle deutlicher in Erscheinung tretende Begriff der Gezweiung höherer Ordnung, womit sich die Arten der Ganzheit voneinander besondern, zugleich aber miteinander verbunden bleiben, allerdings nicht auf gleicher, sondern verschiedener Ebene einer Seinsgliederung, die wir hier wie folgt skizzieren wollen: Gezweiung höherer Ordnung (Seinsganzes Kultur-Natur) Geistige Ganzheiten (Menschsein individuell/ gesellschaftlich)
r^turg^zheiten^^ Biotisch-bewußte Tier Tierwelt
Unbewußte
Pflanze Pflanzenwelt
Dieses Verhältnis Mensch (Kultur) - Natur (Tier, Pflanze: Systeme des Stoffes) wird immer mehr zu einem Menschheits- und damit Wirtschaftsproblem erster 97
Spann, (Fundament), S. 20.
98
Ebenda, S. 23.
28
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Ordnung. Das muß selbst von denen zur Kenntnis genommen und in das Wirtschaftsdenken einbezogen werden, die dies bislang aus freien Stücken nicht taten, die in der Natur keinen autonomen, wenn auch nicht den Menschen betreffenden Akt der Schöpfung anzuerkennen vermochten und in der Natur nur das Ding, nicht aber ein Glied im „Ganzen höherer Ordnung" sahen. Dieses, wie man sagen könnte, Recht der Natur auf Eigenwertgeltung vermag sich insbesondere dann, und dies nicht zuletzt zum Nutzen des Menschen und seiner Kulturwelt und der Welt der Kulturwerte, Geltung zu verschaffen, wenn es in das kulturelle und damit auch das wirtschaftliche Normensystem eingeht. Zwar stehen Natur und Kultur rangmäßig nicht auf gleicher Ebene, es handelt sich aber dennoch nicht um getrennte Welten, wobei die eine nur für die andere, im gegebenen Falle die Natur nur für den Menschen da zu sein hat, ohne daß dieser ihre Eigengeltung zu berücksichtigen brauchte und diese Nichtbeachtung noch unter das Vollkommenheitsprinzip der Wirtschaft zu subsummieren vermöchte. Die Natur wird also mit dem Eintritt in die Welt der Kultur zum Mittel, wird aber gegebenenfalls selbst wieder zu einem Ziele, dem die von ihr gewonnenen Mittel dienen. Darüber hinaus aber vermag die Natur selbstverständlich auch menschliche Kräfte als Mittel zu nutzen, wenn sie zum Ziele derselben wird, insofern sie in die Zweckwelt der Kultur und nicht nur in die Welt ihrer Mittel integriert wird. In der Tat kann die Natur, vorzüglich etwa Pflanze und Tier, erst ihre Geltung wahrmachen, wenn es ihr gelingt, im Gegensatz zu einer Art Vor-Wert innerhalb der Natur selbst, zu einem Wert der Kultur zu werden. Wir werden an den entsprechenden Stellen nicht verabsäumen, auch auf den Wertzusammenhang, der aus der Gezweiung höherer Ordnung resultiert, einzugehen. Denn was wir eben bezüglich der Eigengeltung der Natur, unbeschadet ihrer Mittelhaftigkeit für die Kultur, zum Ausdruck brachten, findet seine sinngemäße Fortsetzung in allen geistigen Ganzheiten (bzw. Kulturbereichen), so daß sich auch dort die Frage nach dem Verhältnis von Selbstzweck und Mittel in ähnlicher Weise stellt.
bb) Mittel und Selbstzweck in der Welt der Werte der Kultur als Fragestellung der Bestimmung des Begriffes Wirtschaft Haben wir es oben mit der Differenzierung des Geltungssystems der Natur gegenüber der Kultur zu tun gehabt, die uns bereits zeigte, wie etwas in der einen Sinnrichtung Mittel zu sein vermag, es in der anderen aber nicht ist und diesen Charakter auch verliert, wenn ζ. B. der Weihnachtsbaum seine Funktion erfüllt hat oder eben aus dem Naturzusammenhang gar nicht in den Kulturbezug eingeordnet worden ist, so steigert sich die Problematik der Bestimmung des Begriffes Mittel, wenn wir nunmehr in den von Spann so genannten Bereich der Wertwelt als Kulturwelt eindringen. Hier geht es um die Frage ursprünglicher und abgeleiteter Geltung bzw. Werte. Dies ist jene bedeutsame Unterscheidung,
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen um den Wirtschaftsbegriff
29
die uns die Lösungsrichtung des Problems des Begriffes Wirtschaft weist, indem wir zwischen Arten von Mitteln wie folgt unterscheiden: Zum einen sogenannte reine Mittel, dann Mittel höheren Stammes. Es ist u. E. am sinnvollsten, sofort auf die Ausführungen Spanns zu letzteren einzugehen: „Das einzige Gebiet,... dem der Wert in jenem Sinne des Selbstzweckes fehlt, ist die Wirtschaft... »Wirtschaft 1 ist ein Inbegriff von Mitteln für Ziele." Von dieser eindeutigen Bestimmung ausgehend, erklärt Spann bedauernd: „Was nun den Gegensatz von Mittel und Ziel so verdunkelt, was bisher verhindert hat, daß er zur Achse des Begriffes Wirtschaft wurde, sind vornehmlich drei Erscheinungen: Erstens, daß fast jedes Mittel auch Eigenwert, Selbstzweck sein kann." Andererseits: „Echte W e r t e . . d i e ihre Rechtfertigung ganz aus sich selbst zu schöpfen vermögen, können in mancher Beziehung zugleich doch wieder Mittel ... werden." Er nennt diese letzteren „... Mittel höheren Stammes..."." Für die Autonomie (Selbstgeltung) echter Werte gilt Spann: „Werte sind Endzwecke, die zu ihrer Rechtfertigung eines Höheren nicht bedürfen, sondern diese Rechtfertigung schon in sich selbst haben, wie das Heilige, Wahre, Gute, Schöne, Edle ... Wert (dieser Art, J. K.) ist sonach alles, was kraft seines eigenen Wesens gilt, was kraft seines sinnvollen, inneren, apriorischen Gesetzes, was kraft seiner apriorisch-kategorialen Bestimmtheit gilt 100 ." Das obige bezieht Spann zugleich auf: „1. Die Handlung oder die Arbeit... 2. Leibesübungen... 3. die Leistungen des Staates... 4. Erziehung... als Vermittlungsmaschinerie von Kenntnissen101." Da Wirtschaft ja primär auf Arbeit beruht (vgl. unsere Assoziierungs- bzw. Faktorenlehre), also eben keine Warensammlung darstellt, wie Spann gegen K. Marx einwendet, so interessiert hier zuvörderst die Frage dieses zugleich für diese: Arbeit ist „... zwar zunächst nur Mittel, da sie als Mühe und Leid nicht selbst (um ihrer selbst, J. K.) gewollt wird. Sofern die Arbeit aber doch aus Freude an der Betätigung der Kräfte und um des sittlichen Wertes willen, der in ihr steckt..., gewollt wird, insofern ist sie zugleich Selbstzweck, nicht mehr Mittel (allein, J. K.) 102 ." Bezieht Spann diese Aussage zunächst auf „ H ö h e r e Verrichtungen" (ζ. B. des Staatsmannes, Schauspielers, Forschers, Künstlers usw.), so doch schließlich auf jede Art von Arbeit, denn: „Selbst von dem, der die gröbste Arbeit macht, verlangt man, er möge seinen Beruf mit Hingebung, mit Pflichtgefühl, mit Liebe ausüben, das heißt aber. Er möge sie zugleich als sittliches Werk, in dem er seine Bestimmung erfüllt, als Selbstzweck ansehen103." 99
Spann, (Fundament), S. 26, zweitens und drittens folgt später.
100
Ebenda, S. 21.
101
Ebenda, S. 27 f.
102
Ebenda. 103 Spann, (Fundament), S. 28.
30
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Viel weniger überzeugend, aber unendlich glücklich über ihr Dasein, führt Spann zu den sogenannten reinen Mitteln aus: „Was bei gegebener Gültigkeit der Ziele... jeweils nur der Erreichung eines Zieles dient und niemals Ziel (Eigenwert) ist...", bedeutet „... reines Mittel..." wozu Spann rechnet: „... alle stofflichen Mittel... und von Arbeitsleistungen diejenigen, die nach den gegebenen (!) Wertungen... niemals um ihrer selbst vollbracht würden 104." Erscheinen ihm die Mittel höheren Stammes, für welche das zugleich maßgeblich ist, irgendwie begrifflich verwickelt, so finden sich seiner Meinung nach „... zum Glück... noch Mittel genug, die unter allen gewöhnlichen Umständen (welchen? J. K.) Mittel bleiben, wie die meisten Sachdinge"105 - eben reine Mittel. Daß hier Inkonsequenzen vorliegen, die uns noch beschäftigen werden, ist offenbar. Führen wir jedoch zunächst Spanns Gedanken ohne besondere Kritik weiter und insofern zu Ende. b) Die Wiederkehr
der Arten der Mittel" in den Arten der Wirtschaft"
Spann zieht aus den obigen Ausführungen und der dort getroffenen Grundunterscheidung die Konsequenz, daß es zwei Arten der Wirtschaft entsprechend den zwei Arten der Mittel geben müsse: Dem reinen Mittel entspricht die reine Wirtschaft Sie ist es, welche für Spann „... den wesentlichsten Gegenstand der Theorie bildet" 106 . Als Wirtschaft höherer Ordnung oder als Nebenwirtschaft, wie Spann begrifflich formuliert, gilt hingegen jene Art von Wirtschaft, „... die bloß von einem gewissen Punkte des Wirtschaftens an einsetzt, nämlich bei Mitteln, welche nicht durch eigene wirtschaftliche (mittelschaffende) Tätigkeit, sondern durch andere, in sich selbst gerechtfertigte Zwecktätigkeiten entstanden..." sind und die durch „...die Verwendung dieser..." Selbstzweckprodukte „...als Mittel..." zum Fall einer „... bloß nebenher laufenden Wirtschaft wird" 107 . So fällt in diesem Fall nach Spann „... die Hervorbringung... nicht in den Bereich dieser Wirtschaft ...", woraus folgt, „... daß die abgeleitete Wirtschaft in ihrer reinen Gestalt (was ist das?, J. K.) erzeugungslose Wirtschaft ist, also wohl Weiterveredlung, Handel, Kredit, Haushalt sich des Mittels verwertend bemächtigen, aber die erste Erzeugung als wirtschaftlicher Akt fehlt" 108 . Daß dies nicht befriedigt, liegt auf der Hand und wird den Ausgangspunkt unserer Weiterführung und Berichtigung des Spannschen Ansatzes zum Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlichem Leistungsbegriff zu bedeuten haben. 104
Ebenda, S. 26.
105
Ebenda
106
Ebenda, S. 75.
107
Spann, (Fundament), S. 75.
108
Ebenda S. 73.
Vorlesung Nr. 1: Bemühungen u m den Wirtschaftsbegriff
31
Literaturhinweise zum Studium Spann, (Fundament); ders., (Gesellschaftslehre); Mahlberg, (Betriebsbegriff); Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand); Kolbinger, (Spann); Gide & Rist, (Geschichte).
Vorlesung Nr. 2
Der ganzheitliche Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff und seine innere Entfaltung zum Begriffssystem des sozialen Leistungssystems
Gliederung A. Entfaltung des ganzheitlichen Ansatzes zum Begriff lichen Leistungsbegrìff 1. Die allgemeine (kategoHale) 2. „ Wirtschaft"
der Wirtschaft
als sozialwissenschaft-
Seite des Leistungsbegriffes
als sozialwissenschaftlicher
Leistungsbegriff
a) Vollendung des Wirtschaftsbegriffes b) Klärende und verfestigende Ergänzungen zum sozialwissenschaftlichen Leistungs- bzw. Wirtschaftsbegriff aa) Bemerkungen zum „Materiellen" sowie zum genetischen Mittelbegriff und zum Leistungsrang bb) Hinweise auf das Wesen und die Stellung der Wirtschaftlichkeit B. Die innere Entfaltung des WirtschaftsbegHffes rung sozialer Leistungssysteme 1. Die funktionale stungsbegriff
Entfaltung
zur funktionalen
des Wirtschaftsbegriffes
und gestalthaften
Gliede-
als sozialwissenschaftlicher
Lei-
a) Die Hilfestellung der Organisationstheorie b) Weiterführung des Wirtschaftsbegriffes zu seiner Entfaltung als Funktionenordnung sozialer Leistungssysteme aa) Gestaltbildende Funktionen bb) Hervorbringende Funktionen cc) Genereller Leistungsteilbereichsplan sozialer Leistungssysteme 2. Morphologische Grundaspekte der „ Wirtschaft" Parallelaspekt der Geltungsgrößenordnung
als soziale Leistungsordnung und der
a) Morphologische Grundaspekte der „Wirtschaft" als soziale Leistungsordnung aa) Der morphologische Allgemeinaspekt sozialer Leistungssysteme 1)
Einführende Hinweise zur Stellung von Funktionenlehre und Morphologie sozialer Leistungssysteme
2)
Morphologieaspekte G. Weisser s
20)
Zur „Morphologie der Betriebe"
21)
Zu „Form und Wesen der Einzelwirtschaften"
3)
Richtpunkte ganzheitlicher Morphologie sozialer Leistungssysteme
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
3
Kolbinger
33
30)
Ebenbildlich-korrelative Vermannigfaltigung als Gegenstand morphologischer Betrachtung
300)
Entsprechung und Ebenbildlichkeit als morphologischer Ausgangsbefund
3000)
Grundaussagen Spanns zum Morphologieaspekt der Wirtschaft
3001)
Wechselseitigkeit und Entsprechung ebenbildlicher Glieder von Ganzheiten als morphologische Grundtatbestände
30010)
Wechselseitigkeit und Entsprechung als Bedingung der Vermannigfaltigung
30011)
Ebenbildlichkeitsweisen als Gegenstand entsprechungsmäßiger Gebildegestaltung
300110)
Ebenbildlichkeit
300111)
Die Weisen und Vollkommenheitsweisen der teilinhaltlichen Ebenbildlichkeit von Ganzheiten
3001110)
Teilinhaltliche und eigenlebensmäßige Ebenbildlichkeitsweisen von Ganzheiten
3001111)
Die Stufe als Moment ebenbildlicher Besonderung in Teilinhalte und Eigenleben
300112)
Zusammenschau der Baugesetze korrelativ-ebenbildlicher Gestaltbildung von Ganzheiten
301)
Ebenbildlichkeitsweisen von Ganzheiten sozialer Leistungssysteme als Gegenstand ganzheitlich-morphologischer Aussagen
3010)
Arten der Ganzheiten als primäre Ebenbildlichkeitsweisen
3011)
Vermannigfaltigende Strukturierung sozialer Leistungssysteme nach Teilinhalten und Eigenleben
30110)
Die teilinhaltliche Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme
301100)
„Verhältnismäßig-teilinhaltliche" Vermannigfaltigung
3011000)
Die rein teilinhaltlich-allgemeine Ausgliederung als Ausgangspunkt der Betrachtung
3011001)
Die teilinhaltlich-verhältnismäßige Vermannigfaltigung soziar 1er Leistungssysteme
301101)
Vervollkommenheitsmäßig-teilinhaltliche Vermannigfaltigung als Begleitbesonderung sozialer Leistungssysteme
30111)
Eigenlebensmäßige stungssysteme
301110)
Zeitindifferente eigenlebensmäßige Besonderungsweisen der Stufen sozialer Leistungssysteme
301111 )
Zeitbezogene oder geschichtliche Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme
31)
Arbeitshypothesen zu Sinngehalt und Bedingungen korrelativ ebenbildlicher Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme
310)
Sinnrichtung ebenbildlicher Vermannigfaltigung an sich
Besonderungsweisen
3100)
Begriff des „Stuf en wertes"
3101)
Arbeitshypothesen der Stufenwertbildung
311)
Thesen zur Stufenwertbildung in der Zeit
sozialer
Lei-
34
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft bb ) Beispielhafte Verdeutlichung gestalthafter Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme 1)
Der Begriff „Betrieb" als Gestaltmoment der „Betriebs-Wirtschaft"
2)
Graphik gestaltbildnerischer Differenzierung und teilinhaltsorientierter Gestaltbegriffsanalyse
20)
Graphik teilinhaltlich-stuflicher Gestaltbildung
21)
Gestalttypologie der „mittelständischen Unternehmung"
b) Vollendung des Wirtschaftsbegriffes in der Korrelation von Strukturmomenten und Geltungsgrößen
Spann ist um den Gegensatz von Mittel und Ziel so besorgt, daß man ein gewisses Zögern verspürt, das zu vollenden, was er mit dem Begriffe des Mittels höherer Ordnung im Grunde schon begonnen hatte: Sozusagen die „Janushäuptigkeit" aller Dinge, ihre zugleiche Mittel- wie Selbstzweckhaftigkeit zum Mittelpunkte der Bestimmung von Begriff und Wesen der Wirtschaft, als Teilordnung der Gesellschaft, in die in ihrer Weise auch die Selbstzweckbereiche in spezifischer Weise eingehen, zu erheben. Hier gilt es daher, das so Begonnene zu vollenden, zum einen, indem wir den Wirtschaftsbegriff vollenden, zum anderen, indem wir ihn in die ihn konstituierenden (leistungsmäßigen) Teilinhalte zergliedern und diese zugleich in ihrem inneren Zusammenhang als Teilbereiche der „Sozialen Leistungsordnung" erkennen.
A. Entfaltung des ganzheitlichen Ansatzes zum Begriff der Wirtschaft als sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriff Wir rufen uns die folgenden Aussagen, insbesondere auch implicite in diese eingeschlossenen Bedenken Spanns wie folgt in unser Gedächtnis: Es gilt, daß „... das einzige Gebiet,... dem der Wert in jedem Sinne des Selbstzwecks fehlt, ... die Wirtschaft..ist. Hier erwachsen aber nunmehr offenbar Schwierigkeiten für diese Unterscheidung, wenn Spann fortfährt: „Was nun den Gegensatz von Mittel und Ziel (d. h. Mittel und Selbstzweck, Wirtschaftsbereich und Selbstzweckbereiche der Gesellschaft, J. K.) so verdunkelt, was bisher verhindert hat, daß er zur Achse des Begriffes der Wirtschaft wurde, sind vornehmlich drei Erscheinungen . . v o n denen hier vorzüglich die erste interessiert, nämlich: „Daß fast jedes Mittel a u c h (Sperrung, J. K.) Eigenwert hat, Selbstzweck sein kann.. Des weiteren: „... daß die Gültigkeit der Werte für verschiedene Menschen verschieden sein k a n n . . u n d daß die Glieder von Werten, ζ. B. die Töne in
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
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einem Lied fälschlich als ,Mittel1 betrachtet werden, während sie in Wahrheit dem Werte selbst zugehören, seine gliedlichen Bestandteile sind1." Im wesentlichen geht es um dieses „Auch", und zwar in seiner Ausschließlichkeit, in seinem „Überhaupt" oder nur in seiner Beschränkung auf bestimmte Mittel, die allein sowohl Selbstzweck wie Mittelcharakter besitzen können. Hier setzt unsere Fragestellung zur Vollendung des Wirtschaftsbegriffes nunmehr ein. 1. Die allgemeine (kategoriale) Seite des Leistungsbegriffes
Die Entgegensetzung von Mittel und Selbstzweck, d. h. von Mittel und Ziel schließt jenen Begriff ein, welcher dem der Wirtschaft entspricht und als Leistung bezeichnet werden muß, wenngleich er sich in seiner Besonderheit erst vollendet, wenn der besondere Ganzheitszusammenhang zugleich angegeben wird (ζ. B. Tierreich, Pflanzenreich, insgesamt also Natur oder aber Mensch, Gesellschaft, also letztlich Kultur), in welcher dieser Ziel-Mittelbezug, eben die Dienstbarkeit zum Tragen kommt. Wollen wir also das begonnene Werk vollenden, so scheint es angebracht, kurz dem allgemeinsten Gehalt des Leistungsbegrìffes wie folgt nachzugehen2: „Der Begriff der Leistung gibt in der »Anteilnahme1 des Gliedes am Ganzen jene Gliedlichkeit (d. h. Einordnungsweise, Sinnbestimmung, J. K.) an, die im »Mittelsein' des Gliedes für das Ganze - das von da auch als »Zier bestimmt werden muß - besteht3." Als Beispiele werden gebracht: „Im Organismus leistet jedes Organ, z. B. das Zentralnervensystem, das Herz, die Lunge... je etwas Bestimmtes, etwas Arteigenes. Diese Leistungen zu erforschen, ist die Aufgabe der Physiologie, welche wesentlich eine Leistungslehre ist. I n der Wirtschaft leisten sämtliche Organe das ihre auf arteigene Weise: I n der Landwirtschaft sind es Grund, Dünger und Geräte...; in der Fabrik die Antriebs-, Übertragungs- und Arbeitsmaschinen ...; i m Bank- und Finanzwesen die Kapitalien und Kredite; außerdem auf allen diesen Gebieten die zugehörigen leitenden und geleiteten Arbeitshandlungen der Menschen .. A"
Wesentlich ist es hier zu vermerken, daß jene Ausgliederung in Glieder (Teilinhalte, Teilgebilde), von denen hier die Rede ist, immer zweierlei bedeutet: zum einen Selbstverwirklichung des Ganzen in all seinen Gliedern, aus denen und in denen es ja besteht; zum anderen aber eben das Dasein jedes dieser Glieder für das Ganze, und zwar offenbar in der konkreten Form des Ermöglichens der Existenz der anderen Glieder durch sein Dienen für diese. 1
Spann, (Fundament), S. 25.
2
Vgl. Spann, (Kategorienlehre), insbes. § 16 Leistung (S. 160 ff.); Lehrsatz 6: Der Ganzheitsgehalt ... des Gliedes hat die Weise arteigener Anteilnahme der Glieder am Ganzen oder der Leistung.
*
3
Spann, (Kategorienlehre), S. 161.
4
Ebenda; vgl. dazu auch: ders., (Fundament), S. 92 ff.
36
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Mittel ist immer das dem Ziel (Selbstzweck) Subordinierte, also da& uasof ern) Rangniedrigere, dessen Geltung selbst wieder von der Bedeutung des Selbstzweckes (Zieles) innerhalb anderer Selbstzwecke (Ziele) bestimmt wird. So gilt: „Im Begriff des Mittels ist der des Gliedes mit dem des Ranges verbunden... flitter ist notwendig dasjenige Glied, das... dient; in diesem Beatme (!) ist Mittel, was... Vorziel gegenüber einem eigentlichen Ziel (Endziel) ist.5" Die grundlegendste Änderung, die im Mittelsein auftritt, ist somit die, daß jeder Selbstzweck nunmehr aus seiner Autonomieebene herausgehoben und einem anderen Selbstzweck (oder mehreren) zu dessen Verwirklichung subordiniert ist; er erhält daher auch von diesem her, aber auch kraft der leistungsmäßigen Gegenseitigkeit mehrerer zum Mittel gewordener Selbstzwecke seinen Rang, einerseits den Ziel- und andererseits den Mittelrang. Dient ζ. B. Musik der Religion, so erhält sie in dieser Beziehung als Mittel ihren Rang vom Rang der Religion innerhalb der Ränge aller Selbstzwecke. Die Religion als Ziel weist ihr des weiteren i m ganzen Mittelsystem, das ihr dient, die aus der Religionsverwlrklichungslogik sich herleitende Geltung, den arteigenen Mittelrang innerhalb des Mittelganzen zu, denn, es sind ja „... auch die Leistungen nur als Ganzheit, als Gesamtheit, denkbar" 6 .
Nur am Rande interessieren noch die folgenden Momente am Mittel und damit an der Leistung, als dem, was aus dem Mittelsein für ein Ziel (ein Gewidmetsein, ein Tätig- oder bloß Dasein für ein solches) folgt: „Der Begriff des Mittels und seiner Leistung ist (auch, J. K.)... einem bestimmten ursächlich-technischen Komplex zugeordnet. Das Primäre im Begriffe des Mittels ist aber das Verhältnis Glied: Ganzes, oder (teleologisch gefaßt) Vorzweck: Endzweck.. Λ" Mittelsein ist also, wie zu unterstreichen ist, so gesehen eine „Teleologische Beziehungseigenschaft", der Mittelbegriff also ein ebensolcher Beziehungsbegriff. Neben dem Tatbestand der Besonderung der Leistung nach Leistungsarten, Leistungsrang (Geltung), Konkretisierung in Organen, scheint uns insbesondere ein Umstand im gegebenen Zusammenhang entscheidend, den wir nur in seiner lapidarsten Kürze und damit aber zugleich auch größten sinnhaften Reinheit wie folgt abschließend übernehmen: „Glied ist nicht durch Leistung allein erschöpft 8." Gerade diesem hier durchund aufscheinenden Zugleich gilt es u. E. nachzugehen.
2. „Wirtschaft" als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
Wir haben insbesondere die Frage dieses „Zugleich" hier zu untersuchen; hernach sind noch gewisse Ergänzungen anzubringen, um die Klarheit des von uns angestrebten Wirtschaftsbegriffes noch zu erhöhen. 5
Spann, (Kategorienlehre), S. 150.
« Ebenda, S. 162. 7
Ebenda
8
Ebenda, S. 168.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
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a) Vollendung des Wirtschaftsbegriffes Spann formuliert einen für die Fortführung und Vollendung des Wirtschaftsbegriffes nicht hoch genug einzuschätzenden Gedanken wie folgt: „Indem der Mittelbegriff in einen teleologischen Beziehungsbegriff (man könnte auch sagen: gliedlichen Beziehungsbegriff verwandelt) wird - die Beziehung zum höheren Zweck ist es ja allein, die ihn ausmacht -, wird die Gefahr der Substanzi· ierung des Mittels vermieden9." Mißverständlich wird u. E. von Spann hier der Begriff Substanziierung gebraucht, der eigentlich Verabsolutierung heißen müßte, denn es geht hier gar nicht mehr um Ursächlichkeit, Kausalität, „Substanz" also im stofflich-technischen Sinne; es ist eben schon bestimmt, daß es nur die gliedliche Beziehung ist, was aus einem Ding ein Mittel, aus Technik z. B. Wirtschaft macht. Spann ist u. E. zu sehr besorgt, daß Zielwelt und Mittelwelt konfundiert werden, gilt für ihn doch der Satz: „In der strengen Abgrenzung, in der unbedingten Auseinanderhaltung der Mittel von den Zielen liegt das wichtigste Geheimnis des Begriffes Wirtschaft beschlossen10." Um so befremdlicher aber seine doch auf Verabsolutierung hinauslaufende Freude darüber, daß es Mittel gibt, die unter allen gewöhnlichen Umständen Mittel bleiben11. Die Vollendung des Wirtschaftsbegriffes zeigt u. E. Spann selbst in den folgenden Sätzen an, die wir daher nur unter Abstreifung aller Bedenken von einer Konfundierung von Wirtschaft und NichtWirtschaft fortzuführen haben, um u. E. genau das Ziel zu erreichen, das Spann ins Auge f aßte: (a) „Im teleologischen Begriff des Mittels liegt nichts, als daß es keine eigenen Werte in sich schließt, sondern nur der Weg zum Werte, nur Haltestelle dazu, nur Vorstufe, Vorzweck sei12." (b) Eine Bestätigung findet dieser Satz in dem Folgenden: „Die Frage, die sich hier erhebt und die auch im Rahmen des Begriffes der Wirtschaft gelöst werden muß, ist viel allgemeiner. Sie besteht darin, festzustellen: ob ein Wechselverhältnis von Mittel und Ziel besteht, d. h. in welchem Sinne von einer (nur!!, J. K.) verhältnismäßigen Selbständigkeit des Mittels..." und damit vice versa u. E. auch einer nur verhältnismäßigen (bedingungsweisen) Selbständigkeit der Selbstzwecke „... gesprochen werden darf 113 . (c) Was Spann nachher anführt, verkehrt diese an sich logisch-verfahrensmäßig richtige Frage, die u. E. nur eine Antwort of f enläßt, geradezu in ihr Gegenteil, wenn er Logik durch Historismus ersetzt Wenn „... auch das Mittel seinem Begriffe nach auch nur Diener ist, so liegt schon im Gegeben- und Vorhandensein des Mittels und in dem ,Darauf-Eingerichtet-Sein' eine geschichtlich erworbene 9
Spann, O., (Fundament), S. 36.
10
Ebenda, S. 38.
11
Vgl. ebenda.
12
Ebenda, S. 24.
13
Spann, (Fundament), S. 41.
38
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Stellung, also eine beziehungsweise Selbständigkeit, ein beziehungsweises Eigenes, mit dem gerechnet werden muß"14. Ersetzen wir doch dieses völlig nichtssagende „Beziehungsweise" durch historisch-bedingt und ziehen wir ein Beispiel Spanns in Betracht, so wissen wir, worum es wirklich geht und was diesem beziehungsweise entgegenzusetzen ist: Gelte uns „... ζ. B. die Gliederung in Fabriksarbeiter und Fabrikanten..als „... ein erwünschtes Ziel, so können Änderungen gewiß durchgesetzt werden: aber sie müssen erst gegen die bisherigen Tatsachen gegen das Schwergewicht des Bestehenden durchgesetzt werden, und wie? - indem auf die Vorteile der bisherigen Gliederung der Mittel (ζ. B. deren Produktivität) verzichtet wird" 15 .! Er fährt fort: „Man könnte sogar den reinen Industriearbeiterberuf abschaffen, indem man ζ. B. organisatorisch vorsieht, daß die Fabrikarbeiter zu gewissen Zeiten landwirtschaftliche Arbeiten verrichten; aber man wird dann auf andere durch den jetzigen Wohlhabenheitsgrad erreichte Ziele verzichten müssen. Wir nennen diesen Verzicht Zielverlust 16." Rein intentionell klafft hier ein Widerspruch, wenn Spann anderweitig ausführte: „Sofern die Arbeit... aus Freude... und um des sittlichen Wertes willen, der in ihr steckt, also um ihrer selbst willen gewollt wird, insofern ist sie zugleich (!!, J. K.) Selbstzweck.. , 17 ." Und schließlich: „Dies ist ein für den Aufbau jeder Kultur wichtiges Bestandsstück, weil die Wirtschaft dadurch gleichsam entwirtschaftet wird - in demselben Maße als sie ihre Mittelhaftigkeit verliert 18!" Insgesamt heißt es an dieser Stelle: „Dieser Zwittercharakter wohnt in weit höherem Maße den Leistungen und geistigen Gütern inne, als der gewöhnlichen Anschauung geläufig ist. Selbst von dem, der die gröbste Arbeit macht, verlangt man, er möge seinen Beruf mit Hingebung, mit Pflichtgefühl, mit Liebe ausüben, das heißt aber seine Leistungen mögen i h m nicht reines M i t t e l . . . bleiben.. ." (nämlich zum Erwerb, also wegen der Gegenleistungen), „er möge sie zugleich als sittliches Werk, in dem er seine Bestimmung erfüllt, als Selbstzweck ansehen. Der in Ruhe getretene Beamte, den es unwiderstehlich zu seiner alten, liebgewonnenen Arbeitsstätte treibt, jeder, der ,gern arbeitet', jeder, der etwas von der eigenen Persönlichkeit in seinem Beruf und Werk einsetzt - sie alle legen Zeugnis davon ab, wie weit das Mittel zugleich zum Ziel, zum Mittel (höheren Stammes; Klammer J. K.) werden kann". Spann spricht nur von „... Mittel höheren Stammes", doch halten wir uns kraft seiner eigenen Ausführungen für berechtigt, die Einschränkung des höheren Stammes zu ignorieren.
Ziehen wir diese Ausführungen in Betracht, so kann es uns nicht schwerfallen, den Wirtschaftsbegriff als das zu formulieren, was er ist: sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff: (a) Vorweg müssen wir uns von allen Spann sehen Einschränkungen befreien, die auf eine Einschränkung des Ambivalenzcharakters aller Dinge und Handlun14
Ebenda.
15
Ebenda.
16
Ebenda Spann, (Fundament), S. 28.
18
Ebenda.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
39
gen in ihrem zugleichen Selbstzweck- und Mittel-, also Wirtschaftscharakter hinauslaufen. Vorweg gilt dies für jene Einschränkung, die wir oben als „Historismus" bezeichneten und zugleich mit „Psychologismus" in die Schranken weisen müssen, geht es doch immer in der Wissenschaft um den logischen Begriff eines (Denk-)Gegenstandes. Ob daher ζ. B. ein Arbeiter die - zugleiche - Selbstzweckhaftigkeit seiner Arbeit kraft Eigenvermögens zu deuten und zu empfinden vermag, ist für den reinen Begriff der Wirtschaft irrelevant. Gleiches gilt für die geschichtlich-konkreten Verhältnisse, bleibt doch - logisch gesprochen - selbst der gestaltlosest-eintönigsten Arbeit immer noch ihr reiner Opferund damit Sittlichkeitscharakter.
Was Spann daher im Grunde im Auge hat, das ist - so gesehen - nicht der Begriff der Wirtschaft, sondern der Wirtschaftsunvollkommenheit. Er wollte dies sicherlich nicht zum Ziel der Wirtschaftswissenschaft erheben, sondern fiel gewissen - u. E. unbegründeten - Befürchtungen zum Opfer. Letztlich könne alles in Wirtschaft aufgehen, wie es der „Geschichtliche Materialismus" ja tatsächlich in seiner einseitigen Mittelbetrachtung meinte oder meinen konnte. Jenem ist daher die gegen Spann gerichtete Kritik, die im übrigen nur in bezug auf die Mißdeutung des Ambivalenzcharakters von Mittel- und Selbstzweckeigenschaft in ein und demselben Gegenstand (also einer Ganzheit) von uns behauptet wird, mit umgekehrten Vorzeichen und in toto entgegenzusetzen. (b) Demgegenüber ergibt sich für den sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriff den wir als die zu vollziehende Weiterführung des Spann sehen Ansatzes des Begriffes Wirtschaft ansehen, das Folgende:
(aa) Mittel und damit Wirtschaft ist alles, was dient, und zwar (nur) insoweit und sofern es dient Dienen aber heißt leisten, und dies wieder heißt da sein, wirken für ein Anderes. Bestimmt man dieses Andere so und nur so als Selbstzweck oder Ziel, so wirkt dieses Andere im Wechselverhältnis für das Dienende. Selbstzweckhaftes Dasein ist nur möglich um den Preis des Dienens, eben um den Preis der Leistung. Bezieht man diesen an sich allgemeinen (kategorialen) Tatbestand auf den Menschen, damit aber auf die Gesellschaft, so erweist sich der Begriff der Wirtschaft als gesellschaftlicher, wissenschaftlich gesprochen als ein sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff. Im Mittel und damit in der Wirtschaft ist logisch nichts an Selbstzweck, sondern immer nur reinste Dienstbarkeit, reinstes Dasein für ein Anderes, sei es ein anderer Teilinhalt (der damit für alle anderen zum Selbstzweck wird), sei es eine konkrete Stufe (ζ. B. hier der Bauer, dort der Wissenschaftler, Künstler, Staatsmann usw.). Aus der Gliederung der Gesellschaft in inre Teilinhalte (Religion, Wissenschaft, Kunst, Recht usw.) folgt die Notwendigkeit von deren gegenseitiger Dienstbarkeit, da ein Teilinhalt ohne die Dienstbarkeit aller anderen ebensowenig bestehen kann, wie etwa das Herz ohne die übrigen Organe im menschlichen Körper. Damit erst erklärt sich ja Spanns kategoriale Aussage über jene und nur jene Gliedlichkeit, welche die Selbstzwecke wechselseitig (unbeschadet ihres Selbstzweckzusammenhanges) in Dienstbarkeit aufeinanderzuordnet (logisch)
40
Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
bzw. als zuordnungsbedürftig (faktisch-handlungsmäßig) erweist. (Wir erinnern an diese Aussage wie folgt: „Der Begriff der Leistung gibt in der Anteilnahme des Gliedes jene Gliedlichkeit an, die ,im Mittelsein4 des Gliedes für das Ganze - das von da aus (und nur von da aus, J. K.) als ,Ziel' bestimmt werden muß - besteht19." Wollen wir den WirtschaftsbegHff als sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriff noch besonders abheben, so ist nur zu bedenken, daß Leistungen immer nach Art der Ganzheit in Erscheinung treten, im Sinne der Ganzheitslehre somit als Leistungen in geistigen, biotischen, aber auch (in einem eher grenzhaften Sinne) in unbewußt-mechanischen, also letztlich auch stofflichen Ganzheiten. Wirtschaft kann daher abschließend noch einmal präzisiert werden als primär geistige Leistungsordnung, der das Nichtgeistige (ζ. B. auch die Leistung von Pflanze, Tier und Stoff) subordiniert ist, so daß letztlich Wirtschaft in diesem Sinne kurz als die Leistungsordnung der Gesellschaft begrifflich bestimmt werden kann. (bb) Im Sinne des sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriffes Wirtschaft tritt uns die Gesellschaft somit in ihrer Totalität als Leistungsordnung wechselseitig aufeinander angewiesener und einander dienender Glieder (Teilinhalte, Stufen) entgegen (etwa auch Wirtschaftsbereiche, Berufsgruppen, ein Volk in seiner Totalität gegenüber anderen Völkern usw.). Unbeschadet dessen gliedert sich die Gesellschaft zugleich, und zwar wieder in ihrer Totalität, in alle anderen teilinhaltlichen Ordnungen aus, etwa als Religionsordnung, Wissensordnung, Kunstordnung, Sinnlichkeits- und Vitalitätsordnung (ζ. B. als System körperlicher Sondermerkmale, Rasse u. ä.), schließlich als Wiedervervollkommungs-, also Sittlichkeits- und Rechtsordnung. Alle Bereiche umspannen also immer das gesellschaftliche Ganze, zum einen als Selbstzweckbereiche, zum anderen als Glieder wechselseitiger Dienstbarkeit. In diesem Sinne darf daher bezüglich aller Teilinhalte der Gesellschaft von einer zugleichen Selbstzweck- wie Dienstbarkeitseigenschaft, mithin von einer Ambivalenz der beiden Grundrichtungen gesprochen werden, die man in den einfachen Satz fassen kann:
Nichts ist nur Mittel, nichts ist nur Selbstzweck, nichts ist nur um seiner selbst willen, ein anderes nur um des anderen willen da, nichts darf nur geopfert, nicht nur erlöst werden! Kategorial gesprochen realisiert sich hier die ganzheitliche Kategorie der Rückverbindung in der Zweck-Mitteleigenschaft aller Ganzheiten, aller Ganzheitsglieder und -gehalte. Selbst das, was diese Wechselseitigkeit konkret herbeiführt, n i m m t an dieser Ambivalenz, an dieser Rückverbindungsfolge teil (letztlich eben nicht minder, als dies schon anderweitig jedem Grobschmied oder Hilfsarbeiter bescheinigt wurde). Entscheidend ist hier, daß immer jedes Mittel zugleich seinem Selbstzweck in ein und demselben Gegenstand rückverbunden bleibt, ähnlich dem, was die Ganzheitslehre in den Satz faßt „Nichts ist nur Mitte, nichts ist nur Umkreis 2 0 . 4 4 Es ist allerdings zu bedenken, daß es sich hier nur u m eine 19
Spann, (Kategorienlehre), S. 161.
20
Spann, (Kategorienlehre), S. 254.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
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Ähnlichkeit, nicht das reine Zugleich handelt. So, wenn der Arbeiter an der Drehbank... Umkreis gegenüber dem Betriebseigner, aber in seinem eigensten Arbeitskreis... allein König ..." ist. W i r würden sagen: E r ist schon an seiner Drehbank, beim Weben oder Schmieden zugleich ein Dienender, Wirtschaftender, Glied der Leistungsordnung (für den Käufer des Hufeisens, usw.), aber indem er schon das Gestalten als Selbstverwirklichung empfindet, ist er insofern sich selbst Zweck, also Selbstzweck.
(cc) Abstrakt wie konkret, uno actu wie im zeitlichen Wechselverhältnis realisiert sich also das Glied des sozialen Ganzen. Zum einen als Selbstzweck, zum anderen als Dienender, als Leistender, als ein für einen anderen, ein anderes Daseiendes. Der zugleich Selbstzweckcharakter stört daher weder faktisch noch logisch den zugleichen Dienstbarkeitscharakter. Wollen wir uns dies abschließend bildhaft vergegenständlichen, so kann dies in folgenden Weisen erfolgen: (1) Uno-actu-Ambivalenz
von Mittel-/Selbstzweck der Arbeit
Dienst, Wirtschaft, Mittel
Arbeit
1
Selbstzweck, Selbstverwirklichung
(2) Ambivalenz-Bilanzen: Wechsel von Ziel-/Mitteleigenschaft Genußwarenhervorbringung
Religiöse Feier
Mittel
Ziel
Mittel
Ziel
Arbeitsmoral (Religion)
Sinnlich-vitale Bedürfnisbefriedigung (z. B. „Torte")
Sinnlich-vitale M. (Meßwein)
z. B. Meßfeier
Kunstfertigkeit (Formgebung)
Kunst (Orgelspiel) Wissen (Liturgie; Kirchenbau)
Wissen (Ernährungslehre)
Muskelkraft (Mesner)
Muskelkraft
(3) Berufliche
Gegenseitigkeit
Leistungswechsel oben/unten
Arzt Landw. P.
1001 Arztleistung
Bauer 100
Empf. Leistung
1001 Landw. Prod.
100
Man könnte dasselbe auch in anderer Form wie folgt darstellen: Arzt [•Ärztearbeit
100 Ertrag (in landw. P.)
Bauer Aufwand (Arbeit) 100 Heilungserfolg
100«!
100
Wie immer wir uns den Zusammenhang von Mittel- und Selbstzweckhaftigkeit zur Bestimmung des Wesens der Wirtschaft bildhaft vergegenständlichen
42
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
mögen, so bedeutet dieser immer: Gleichzeitige Ambivalenz (jede Dienstbarkeit ist immer zugleich Selbstentfaltung) und/oder wechselseitige Ambivalenz (im Sinne von: nichts ist nur aus sich allein konkretisierbar, alles bedarf immer auch des anderen). Wissen um diesen Tatbestand bedeutet für den Einzelmenschen, wie für die Gesellschaft, das Prinzip gegenseitiger Anerkennung und Achtung (trotz Leistungsunterschieden in diesem wohlverstandenen Sinne: Gleichheit unter Ungleichen), bedeutet aber auch gegenüber dem Außermenschlichen Vermeidung von Machtmißbrauch und Ausbeutung, Verzicht auf Opfer (ζ. B. einer gequälten, nur als Opfer, niemals als Selbstzweck gesehenen Tier-, ggf. Pflanzenwelt), bedeutet letztlich Ineinssetzung von Gestaltung und Erhaltung (wie es u. E. schon H. Nicklisch verstand), bedeutet daher auch Wirtschaftsvoll· kommenheit gegenüber Wirtschaftsunvollkommenheit, beinhaltet doch der reine Wirtschaftsbegriff Dienstbarkeit ohne Vernichtung oder Kränkung irgendeines Selbstzweckes. So stellt der reine Begriff ebenso eine logische Tat, wie eine sittliche Aufgabe zu seiner handelnden Verwirklichung dar; so realisiert sich natürlich geschichtliche Wirtschaft auch nur nach Maßgabe der Erkenntnis des und des Willens zum Vollkommenen; so gibt es daher auch positive und normative Wirtschaft, positive und normative Leistungsordnung der Gesellschaft und von hier aus letztlich die Einheit von Menschen-, Natur- und Universalordnung 21 . b) Klärende und verfestigende Ergänzungen zum sozialwissenschaftlichen Leistungs- bzw. Wirtschaftsbegriff Einer gewissen klärenden und verfestigenden Verstärkung bedarf der obige Wirtschaftsbegriff u. E. noch in folgenden Bezügen: Endgültige Ausschaltung der Vorstellung „Wirtschaft = Bereich des Materiellen", Bemerkungen zu genetischen Leistungsaspekten, welche die Ausschaltung der Vorstellung des reinen Mittels bestreitbar machen könnten, Klärung von Ambivalenz und Rang, schließlich - last not least - Hinweise auf das Wesen der Wirtschaftlichkeit. aa) Bemerkungen zum „Materiellen" sowie zum genetischen Mittelbegriff und zum Leistungsrang (a) Die Wirtschaft zum „Materiellen" zu rechnen ist nur mehr ein Restbestand der alten ökonomischen Güterlehre, wie wir sie schon darlegten. Immerhin gibt es auch heute noch Vertreter dieser Auffassung, so wenn F. Lenz als Wirtschaft die „... gesellschaftliche Reproduktion unseres matenellen Daseins als eine Seite der zu erkennenden (sozialen) Wirklichkeit bestimmt"22. 21 Die heutigen, freilich nur nothaften Bemühungen u m den Umweltschutz, der Umschwung vom Taylorismus zur gestalthaften Arbeit da und dort, zeigt, daß sich das Normative, das Gesetz ggf. auch autonome Anerkennung verschafft. 22
Lem, (Sozialwissenschaften), S. 23 f.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
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Wir halten dem entgegen, daß die Frage, ob es sich um stoffliche oder nichtstoffliche Leistungen handelt, für den Wirtschaftsbegriff irrelevant ist. Eine andere Bedeutung aber kann „materiell"nicht haben und ist daher für die Begriffsbestimmung gemäß unserer Ausführungen irrelevant. (b) Man könnte auch zu der Auffassung kommen, daß eine unvollendete Arbeit, so etwa auch noch nicht der Verwendung zugeführte Rohstoffe, ggf. auch Maschinen, schließlich irgendwelche Halbfabrikate, das sein könnten, was Spann als reine Mittel zu retten versuchte. Wir halten dem entgegen, daß dies für Kunstwerke ebenso gilt wie etwas für unfertige Rohgußteile oder im Ofen befindliches Brot usw. Die genetische Betrachtung verdunkelt also nur den eigentlichen Gegensatz, um den es geht, indem sie einander statt Mittel und Selbstzwecke, Unfertiges und Fertiges, partielle statt endgültige Zielerreichung gegenüberstellt (was natürlich für das Bild des Künstlers ebenso wie für Maschinenteile usw). Auch Maschinen, Werkzeuge etc. teilen dieses Schicksal, daß sie im Grunde etwas Unfertiges darstellen, andererseits aber durchaus Manifestationen der Wissenschaft usw. zu sein vermögen, also insofern Selbstzwecke bedeuten. (c) Wenn wir schließlich für alle Handlungen und Dinge die zugleiche Mittelwie Selbstzweckhaftigkeit behaupten, so heißt dies nicht, daß außer dieser allgemeinen Gleichartigkeit aller Dinge und Handlungen, diese durch ihren Mitteleigenschaft etwa ihre unterschiedliche Geltung, ihren Rang verlieren, und zwar so wenig, wie die Denkleistung des Gelehrten als Selbstzweck gleich wäre der Denkleistung des Hilfsarbeiters als Dienstbarkeit.
bb) Hinweise auf das Wesen und die Stellung der Wirtschaftlichkeit Grundsätzlich ist zu dem oben Angesprochenen das Folgende zu vermerken: (a) Wirtschaftlich ist zunächst alles, was leistet, was also in dem oben ausgeführten Sinne Mitteleigenschaft besitzt, und zwar soweit und solange und in der Blickrichtung, als es um diese und nur diese Eigenschaft geht. (b) Wirtschaftlichkeit als Vollkommenheitsbegriff setzt den Wirtschaftsbegriff voraus, da man diese Vollkommenheitsweisen ebensowenig vorweg zu bestimmen vermöchte als man etwas „schön-schöner-am schönsten" bestimmen könnte, ehe man weiß, was das Schöne (das Ästhetische) überhaupt, also als Grundeigenschaft ist. In der herkömmlichen Fassung ist Wirtschaftlichkeit eine Flucht aus dem Begrifflichen in das Quantitative, ohne daß man damit eine Lösung für die Frage fände, was „Wirtschaft" sei, welche Arten von Handlungen und -inhalten sie umfasse, wie daher ihre Subinhalte (Werbung, Assoziierung usw.) zu bestimmen, wie sie als Teile des Ganzen beschaffen wären. (c) Demgegenüber können wir u. E. diese Vollkommenheitsweisen (bewußt als Pluralismus gefaßt, weil teilinhaltsbezogen allein faß- und operationalisierbar)
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I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
als folgende Prinzipien bzw. Imperativa (Vollkommenheit hat immer Imperativischen Charakter) skizzenhaft fassen:
1. Verbrauche nicht, sondern bringe hervor. Nutze daher ein Maximum an unverbrauchlichen („ideellen", ggf. „kostenlosen", natürlichen) Mitteln - kurz: Gestalte! (Prinzip der Maximierung unverbrauchlich-ideell-kostenlosen Mitteleinsat zes). Die folgenden Sätze sind nur die Konsequenz aus diesem Prinzip: 2. Aus obigem folgt insbesondere (beispielhaft): a) Werbe nicht durch Reizanhäufung (z. B. Lautstärke, kostspielige Wiederholung u. ä.), sondern durch Sinnhaftigkeit und Anmutungsqualität. Vermeide die „Konstanzhypothese", womit Werbung zugleich Mittel wie Kulturgut (Selbstzweckerscheinung) zu sein vermag und gesellschaftlich nicht negiert wird. b) Assoziiere, indem Du ein Maximum an sinnvoll gestuftem Gemeinschaftsinteresse Arbeits- und Sparfähiger aktivierst, ein Maximum an Gemeinschaftswillen hervorbringst. Stelle Entsprechung her zwischen Spar- und Arbeitsbedürfnis, sowie Spar- und Arbeitsbereitschaft im sozialen Leistungssystem (im Sparfalle: Maximiere die Korrelationsregel der Liquidität). c) Im Sinne der modernen „Marketing-Lehre" könnte man formulieren: Gestalte die Austauschbeziehungen in Freiheit; befriedige Bedürfnisse, als ob Du selber der Bedürfende wärest. d) Organisiere die menschliche Arbeit nach dem Prinzip der Aufgabe; gestalte die Aufgabengliederung, aber zerreiße keine Aufgabenzusammenhänge (Prinzip der gestalthaften Arbeit). (d) Demnach können wir die Grundmerkmale des sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriffes als Begriff der Wirtschaft wie folgt abschließend fassen: (aa) Universalität des Gutsbegriffes wie der Handlungsinhalte als Objekte der Wirtschaft: Materielle und immaterielle Güter bilden hier keinen Gegensatz. Dem entspricht auch die Aufhebung der Trennung von reinen Mitteln und Mitteln höherer Ordnung nach dem Satze: Nichts ist nur Mittel, nichts ist nur Selbstzweck! (bb) Der Begriff der Wirtschaft meinschaftsbildung, und zwar:
erweist sich eindeutig als ein Begriff
der Ge-
(1) Teilinhaltlich-abstrakt im Sinne wechselseitiger Angewiesenheit aller Teilinhalte eines Ganzen aufeinander, im Sinne des Wechsels zwischen Ziel- und Mittelstellung ein- und desselben Teilinhaltes, je nach seiner Selbstzweck- oder Dienstbarkeitsrolle (z. B. Kunst als Selbstzweck, Kunst als Mittel der Sakralhandlung; und umgekehrt). (2) Stuflich-konkret im Sinne wechselseitiger Angewiesenheit konkreter Ganzheiten, von Einzelnen mit Einzelnen, von derart gebildeten kleinen Gemeinschaften mit umfassenderen usw., gegliedert.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
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1. Primär als wechselseitige Dienstbarkeit von Gliedern menschlicher Gemeinschaften. 2. Dann aber auch übergreifend auf die Mensch-Natur-Gemeinschaften, in denen zwar mit niedrigerem Range, dessenungeachtet aber auch nicht bloß als reine Mittel Stoff, Pflanze und Tier mit dem Menschen in Symbiose zusammenwirken als Ganzheiten höherer Ordnung. So bedeutet ζ. B. Landwirtschaft ein inniges Vertrautsein des Menschen m i t Pflanzenund Tierwelt, ein besonderes Verständnis eben dieses Menschen für die Bedürfnisse dieser Tiere und Pflanzen. Ahnliches gilt für Jagd und Fischerei usw. und man könnte sagen: Indem naturale Bedürfnisse befriedigt werden, wird den biotischen Ganzheiten der Dienst am und für den Menschen ermöglicht; auch hier herrscht Wechselseitigkeit und auch das Tier ζ. B. ist niemals reines Mittel, sein Tod ζ. B. ist Opfer. Hier setzt sich erst allmählich der Gedanke durch, daß diese Wechselseitigkeit in neuer Sicht neugestaltet werden muß und manche Rationalismen müssen hier wohl beseitigt werden und dies nicht zum Schaden der Mensch-Tier-Pf lanze-Symbiose 23 . Echte Verbundenheit selbst mit den mechanischen (Quasi-)Ganzheiten ist letztlich die Voraussetzung für den technischen Erfolg.
Gerade hier auch erweist sich der obige Satz - Nichts ist nur Mittel - als Grundlage der Sittlichkeit der Wirtschaft, der begrifflichen Verneinung jedweder Art von società leonina - auch der Natur gegenüber! (cc) Und gerade in der oben behandelten Vollkommenheitsfrage erweist sich der Begriff der Wirtschaft als unabdingbare Voraussetzung für den der Wirtschaftlichkeit. Erst in teilinhaltlich-qualitativer Fassung, als teilinhaltlich-stufliche Gestaltungsprinzipien (-gesetze) erweist er sich als einsichtig und konkret handhabbar, demgegenüber der herkömmliche, mengenmäßig orientierte Begriff nur schattenhaft-diffus, im Grunde inoperabel, seine Unzulänglichkeit für konkrete Gestalten erweist.
B. Die innere Entfaltung des Wirtschaftsbegriffes zur funktionalen und gestalthaften Gliederung sozialer Leistungssysteme Ein Begriff hat seine Gültigkeit insbesondere dadurch unter Beweis zu stellen, daß er als Träger einer Gesamtordnung die Ordnungselemente in voller Klarheit zu entfalten gestattet. Wir unterscheiden hier vorzüglich deren zwei, hiervon wird der erste nochmals in seine beiden Grundgehalte untergliedert: 1. Der funktional-morphologische Gehalt, mithin die Entfaltung des Wirtschaftsbegriffes a) funktional b) gestalthaft-integral-differenziell (morphologisch) 23 Otto König berichtet in der Zeitschrift „Mensch und Tier", Wien, Heft 5/1973, daß in Där nemark die „Intensivhaltung" von Hühnern und Kälbern verboten ist, ohne damit der führenden Rolle dieses Landes in der Landwirtschaft Abbruch zu tun.
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I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
2. Der Leistungs- bzw. geltungsgrößenmäßige Gehalt, mithin die Abspiegelungsebene funktional-morphologischer Tatbestände sozialer Leistungssysteme, sozialer Leistungsordnungen. 1. Die funktionale Entfaltung des Wirtschaftsbegriffes als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
Die Betriebswirtschaftslehre hat verschiedentliche, aber innerlich nicht verbundene Funktionenlehren geschaffen. Erst recht blieb der, die Funktionalanalysen überhöhende Gestaltbegriff, mithin die Morphologie und damit im Grunde die Gebildelehre (Lehre vom funktionalen Leistungsverbund, der funktionalen Gegenseitigkeit) im wesentlichen unausgeführt. Wie Schäfer ausführt, hat u m 1920 bereits Walb die morphologische Betrachtung als „Vergleichende Betriebswirtschaftslehre" gefordert. Die funktionale Betrachtung ist dem aber weitaus vorangestellt, wiewohl ihre Anwendung „... am wenigsten und am spätesten i m Kernfach der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre . . P l a t z griff. I m übrigen ist es aber „... nicht schwer zu erkennen, d a ß . . . die Funktionalbetrachtung in die wirtschaftsmorphologische Betrachtung einmündet" 2 4 .
Es steht somit außer Zweifel, daß der Wirtschaftsbegriff als Ganzheit die ihn konstituierenden Teilinhalte, also eben die Funktionen sozialer Leistungssysteme umschließt, daß daher seine analytische Auf Schließung eine funktionale Gesamtordnung erkennen lassen muß, in der nicht zuletzt auch die von uns vorweg behandelten Bereiche von Werbung, Assoziierung, Organisation und Handel/Marketing als Teile in sinnvoller geordneter Gegenseitigkeit enthalten sein müssen. Schließlich muß auch eine Weiterführung der Funktionenanalyse, soweit diese für uns relevant erscheint, möglich sein, unser partikularer Ansatz muß daher hier seine ganzheitliche Vollendung erfahren.
a) Die Hilfestellung
der Organisationstheorie
Im Grunde ist es von vornherein die Aufgabe jedweder Organisationstheorie, den inneren Aufbau sozialer Leistungssysteme klarzustellen, transparent zu machen25. Uns mag es genügen, den Weg funktionaler Wesensauslegung des Wirtschaftsbegriffes mit Hinweisen H. Fayols, W. Schramms und F. Nordsiecks einzuleiten, womit zugleich wieder eine gewisse Vorgedachtheit dieses Weges innerhalb der Betriebswirtschaftslehre, die sohin also nur weitergeführt zu werden braucht, evident wird. Bei H. Fay ol zeigt sich deutlich eine Zäsur zwischen jenen Aufgabenbereichen (Funktionen), die er mit Verwaltung überschreibt gegenüber allen anderen (technische Funktion: Erzeugung, kommerzielle Funktion: Handel, finanzwirt2 4
Schäfer, (Funktionalbetrachtung), S. 23.
25
Vgl. etwa F. NordsiecJc „Das Schaubild macht die Organisation sichtbar."
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
47
schaftliche Funktion, Sicherungsfunktion und Funktion der Rechnungslegung): Keine dieser fünf Funktionen hat die Aufgabe „... den allgemeinen Wirtschaftsplan der Unternehmung aufzustellen, sie zu einer sozialen Gemeinschaft zu machen, die Kräfte zuzuordnen und die Tätigkeiten untereinander in Einklang zu bringen. Diese Verrichtungen bilden eine andere Funktion, die man gewöhnlich mit dem Namen /Verwaltung* bezeichnet"26. Was sich oben bei Fayol in gröbsten Konturen andeutet, wird u. E. von W. Schramm zumindest manchen Schritt weitergeführt, wenn er folgende Funktionen unterscheidet27: 1. Kernfunktionen a) Beschaffung (von Geld, Sachen, Personal) b) Produktion i. w. S. c) Vertrieb 2. Zusatzfunktionen a) Verwaltung (Personal- und Sachverwaltung) b) Leitung
F. Nordsieck hebt das für uns Entscheidende im Rahmen seiner Funktionenanalyse hervor: „Bei der Betrachtung der beiden großen Gruppen von Gliedaufgaben, 1. den unmittelbaren oder eigentlichen Aufgaben des Betriebes und 2. den mittelbaren Aufgaben der Betriebsverwaltung, welche den Betrieb selbst und seine Teile zum Gegenstand haben..." ergibt sich das „... Prinzip der Ausgliederung ... der Verwaltungsaufgaben auf der ersten Gliederungsstufe 28." Entscheidend an diesen drei Hinweisen ist für uns ausschließlich der Gedanke, daß jedwedes soziale Leistungssystem - hier ist von Betrieb die Rede - zwei Leistungsgrundbereiche zur Entfaltung bringt, nach Nordsieck eben jene, welche den Betrieb selbst zum Gegenstand haben, zum andern die, welche sich dieses Gebildes bedienen, um ihre Aufgaben (ζ. B. Erzeugung) erfüllen zu können, die nicht darin bestehen, den Betrieb selbst zu gestalten.
b) Weiterführung des Wirtschaftsbegriffes zu seiner Entfaltung als Funktionenordnung sozialer Leistungssysteme Was in den obigen Aussagen von Organisationstheoretikern vorgebildet worden ist, kommt uns in deç Weiterführung des Begriffes und sozialen Gegenstandes Wirtschaft zur leistungsmäßigen Teilinhaltsordnung sozialer Leistungssysteme zumindest prinzipiell zugute. Dabei haben wir zu bedenken, daß der Kern aller dieser die Wirtschaft konstituierenden besonderen Teilleistungen 26
Fayol, (Verwaltung), S. 6 f.
27
Vgl. Schramm, (Funktionen), S. 18 ff.
28
H. Nordsieck-Schröer,
(Organisationslehren), S. 22.
48
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
primär darauf gerichtet sein muß, jene soziale Ordnung wechselseitiger Dienstbarkeit als solche zu begründen, aus denen hernach jene Leistungen folgen, welche erst die eigentliche Zielerreichung ermöglichen. Wir brauchen bloß die organisationstheoretischen Aussagen mit dem Grundgedanken zu verbinden, die Wirtschaftswissenschaft und damit die Betriebswirtschaftslehre müsse als Sozialwissenschaft begründet werden, um zu einer entsprechenden funktionalen Ordnung zu gelangen, die durchaus dem Gedanken entsprechen, wir hätten zum einen Funktionen zu bedenken, welche das soziale Leistungssystem als solches betreffen, während alles übrige sich in dessen Rahmen entfaltet. Genauer gesagt, die gebildegestaltenden Funktionen bilden die Voraussetzung für die Hervorbringung, weil ohne sie eine solche nicht möglich wäre. aa) Gestaltbildende Funktionen Die Grundordnung und Theorie sozialer Leistungssysteme fußt u. E. auf der Unterscheidung zweier Leistungshauptbereiche, wie sie oben anklangen und von uns wie folgt bezeichnet werden: 1. Funktionen (Leistungsbereiche) des Gebildeaufbaues 2. Funktionen der „Zielgüterhervorbringung". Wollen wir daher soziale Leistungssysteme in gestaltbildende und hervorbringende Funktionen zergliedern, so haben wir zunächst bezüglich der Gestaltbildungsfunktionen sozialer Leistungssysteme folgenden inneren Ordnungszusammenhang in Betracht zu ziehen: (a) Soziale Leistungssysteme bestehen nicht, sondern müssen gebildet, gestaltet, also als spezifisch soziale Handlüngssysteme begründet und fortlaufend gestaltet werden. Die Bildung einer Rahmenordnung und die kontinuierliche Setzung gestaltbildender Handlungen begründen und erhalten somit soziale Leistungssysteme, sind deren Bestandsgrund. (b) Bedeutet Wirtschaft wechselseitige soziale Dienstbarkeit, so sind es die gestaltbildenden Funktionen, welche diese Wechsel- und Gegenseitigkeit herzustellen haben, kraft derer erst „Hervorbringung" möglich wird. Die teilinhaltliche Ordnung dieser gestaltbildenden Funktionen kann dabei u.E. wie folgt bestimmt (und im weiteren Verlaufe unserer Analyse der Leistungsordnung sozialer Leistungssysteme näher untersucht und entfaltet) werden: (aa) Werbung begründet, gestaltet und erhält, wie anderweitig ausführlich dargestellt die Konsumentengemeinschaft als den einen Teil sozialer Leistungssysteme ebenso wie die Leistungsgemeinschaft (der Arbeits- und Sparleistungsbereitstellungswilligen), den anderen Teil sozialer Leistungssysteme. (bb) Oie Assoziierung führt den durch Werbung eingeleiteten Vergemeinschaftungsvorgang weiter, konsolidiert und perpetuiert ihn sozusagen. Dies gilt je nach Leistungsgrundformensystem entweder nur für die Spar- und Arbeitsas·
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
49
soziation, wogegen die Konsumentengemeinschaft üblicherweise die Rolle des Marktpartners einnimmt 29 . (cc) Die Organisation begründet das System arbeitsteilig-wechselseitiger Dienstbarkeit der „(Ober-)Aufgabengemeinschaft", somit die gebildeinternen Leistungsaustauschverhältnisse der am Gestaltbildungs- oder Hervorbringungsprozeß Beteiligten. (dd) Würde man den in der herkömmlichen Lehre gültigen Begriff des geschlossenen (Leistungs-)Systems30 gelten lassen, so wäre mit den drei genannten gestaltbildenden Funktionen das Auslangen zu finden. Da es aber im Grunde immer nur Grade der Offenheit gibt, muß noch bedacht werden, daß die Leistungen aller Teilsysteme eines sozialen Leistungsgesamtsystems miteinander in Austauschbeziehung treten, womit ein vierter Bereich der Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme in Erscheinung tritt, eben der Bereich der Austauschbeziehungsfunktionen. Nimmt man hier den Grad der Geschlossenheit in die Betrachtung herein, so gibt es etwa im Sinne Ph. Kotlers: (1) Die Austauschbeziehungsleistungen im Sinne des Begriffes von Handel und Marketing. Herkömmlicherweise gilt dies für das durch den Markt charakterisierte sogenannte System der Verkehrswirtschaft (2) Ist die Austauschbeziehung jedoch nicht „marktlicher" Natur, vollzieht sie sich sozusagen intern in einem eher als hauswirtschaftlich gedachten Rahmen, so tritt eine neue Form der Austauschbeziehungsfunktion in Erscheinung, die Ph. Kotler Meta-Marketing nennt. Hierher gehören z. B. jene Austauschbeziehungsformen, die der Staat mit seinen Bürgern (als solchen) vollzieht, und die insbesondere nicht dem Prinzip des „do ut des", sondern dem sozialen Ausgleich dienen. In gewisser Beziehung handelt es sich sohin um einen innerassoziativen Austausch, wofür der Begriff abgeschlossenen Gebildes als Vorstellungsbild in Geltung bleiben mag. Damit ist u. E. der innere Zusammenhang und Sinn der genannten vier Grundfunktionen sozialer Leistungssysteme bzw. -Ordnungen, eben die der „Gestaltbildung" zur Effektuierung der notwendigen sozialen Gegenseitigkeit evident, diese Funktionengruppe als Teil der Wirtschaft insofern klargestellt. bb) Hervorbringende Funktionen Fragen wir nach der differenzierten Ordnung geschichtlicher sozialer Leistungssysteme oder auch nur nach der oben noch nicht zu Ende geführten Lei29 Vgl. Vorlesung 5: Auch die Konsumgemeinschaft kann uno actu integriert werden; idealtypisch i m Haushalt, aber auch in Zwischenformen der Identifikation; vgl. z. B. die Möglichkeiten von Verbrauchergenossenschaften oder die Freigemeinwirtschaftliche Unternehmung, bzw. die Vollverstaatlichung, womit teilweise eine - niemals vollständige, daher nur - Quasi-Marktaufhebung zustandekommt. 30 Vgl. z. B. geschlossene Hauswirtschaft oder bei O. Spann monogenetisches Gebilde.
4
Kolbinger
50
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
stungsgliederung im Bereiche der Hervorbringung, so ergeben sich folgende Einsichten: (a) „Hervorbringungsbereiche" umfassen alle anderweitig als Selbstzweckbereiche gefaßten, auf Bedürfnisbefriedigung drängenden Inhalte des subjektiven Geistes, denen sich entsprechende soziale Leistungssysteme und ihnen entsprechend Objektstrukturen dienend zur Verfügung stellen, eben die Hervorbringungsbereiche von: 1. Religionsgütern 2. Wissensgütern 3. Kunstgütern
4. Vitalgütern 5. Rechtsgütern
In der Tat tritt keiner dieser Hervorbringungsbereiche rein und für sich auf, sondern in sinnhaften Verbindungen, in Güterganzheiten (so wenn ζ. B. das Vitalgut nicht nur gut schmeckt, sondern auch die Augen erfreut oder etwa die Harmonie mit Gott zugleich die Nerven entlastet, im wahren Sinne also befriedigt, genauer befriedet). (b) Die von uns herausgestellten, den Kerninhalt der Betriebswirtschaftslehre bildenden gestaltbildenden Funktionen erfordêrn noch folgende prinzipielle Ergänzungshinweise: (aa) Sie sind schlechthin die Voraussetzung, also das Primäre gegenüber jeder Art von Hervorbringung. Sie sind also gegenüber dieser im logischen Sinne mit Priorität ausgestattet, sind vorrangig; in sich selbst sind sie wieder nach Rang gestuft. (bb) Da sie immer in Verbindung mit Hervorbringungsfunktionen auftreten, diese eben ermöglichen, besondern sie sich nach Art der Hervorbringungsbereiche, deren Grundlage sie bilden, denen sie dienen. Hieraus ergibt sich folgende „Funktionenmatrix":
^^Hervorbringung Wissen
Kunst
Vitalb.
Recht
für Religionsgüter
für Wissensgüter
Kunstgüter
Vitalgüter
Rechtsgüter
für Religionsgüter
für Wissensgüter
Kunstgüter
Vitalgüter
Rechtsgüter
Religion Gestaltbildung
1. Werbung 2. Assoziation (ζ. B. „Finanzierung") usw.
usw.
Wir haben also im Grunde nie Werbung allgemein (abgesehen von den theoretischen Grundsätzen), sondern Religions-, Kunst-, Vitalgüterwerbung usw.; ebenso etwa Wissensfinanzierung im Gegensatz zur Vitalgüterfinanzierung
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
51
(ζ. B. in Form eines Produktions- oder Konsumtionskredits) usw. Hier liegt im übrigen auch der Ansatz aller speziellen Betnebswirtschaftslehren beschlossen, und zwar funktional (Werbelehre oder Assoziierungs- oder Handels- und Marketing-Lehre usw.) oder institutional (ζ. Β. als Fertigungswirtschaftslehre mit den Teilinhalten: Fertigungswerbung, Fertigungsassoziation, Fertigungsorganisation, Anschluß an Marketing). (c) Auch die herkömmlichen Unterscheidungen von Produktion, Verkehr, Lagerhaltung finden hier ihre eindeutigen theoretischen Erklärungen: Es handelt sich hier um die insbesondere an den äußeren Erscheinungsformen (Stoff, Raum, Zeit) orientierten Leistungsunterscheidungen nach der Reifeform: Stoffreife, Ortsreife, Zeitreife. (d) Fragt man etwa nach weiteren Subfunktionalisierungen, so ergeben sich insbesondere die folgenden Aspekte: (aa) Jede Art von Leistung (gestaltbildende wie hervorbringende) durchläuft folgende (noch differenziertere) Reifestadien: -
Ideegewinnung (ζ. B. Erfinden) Ideenvermittlung (ζ. B. Sprechen, Mitteilung) Ideenaufschließung (Lehren und Lernen) Ideenvollzug (eben sukzessive Stoffreifung usw.) Ideenvollzugssicherung (wegen Leistungsbedrohung)
Das eben Angeführte soll noch etwas verdeutlicht werden: Ganz generell gilt, daß sich an jede dieser Subfunktionen - in Verbindung mit den entsprechenden gestaltbildenden Leistungen - besondere Formen von Hervorbringungen anschließen können. Greifen wir die letzte Subfunktion heraus, so treffen wir ζ. B. auf das Versicherungswesen, in welchem sich zwei Momente begegnen: (1) Das allgemeine Sachmoment der Unsicherheit in der Zielerreichung sozialer Leistungssysteme als eine allgemeine Möglichkeit zur Unvollkommenheit und damit teilweiser oder vollständiger Zielverfehlung. Daher muß auch immer etwas in Reserve gehalten werden. (2) Zum anderen sehen wir besondere Zusammenhänge mit der Assoziierungsfunktion, innerhalb welcher das Soziale Bezug nimmt auf die Vorsorgeordnung: Hier wird Versicherung zu einer spezifischen Vergesellschaftungsaufgabe bzw. die Gesellschaft tritt uns hier in einer ganz besonderen Weise entgegen, eben als Schadensausgleichsgemeinschaft Zum Teil bestätigt sich dieser Zusammenhang in gewissen Bezügen zwischen Banken und Versicherungen, wie wohl letztere sich von ersteren durchaus wesentlich unterscheiden, indem sie eben dem Schadenausgleich, während die Banken der (allgemeinen) „Sparassoziierung" dienen. (e) Letztlich wollen wir unsere analytischen Möglichkeiten noch an relativ problematischen Fällen der geschichtlich empirischen Wirklichkeit erproben: Wie *
52
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
ordnet sich ein Heiratsinstitut oder der Fremdenverkehr in die soziale Leistungsordnung ein. Wir glauben dies so beantworten zu können, daß hier eine pure Gezweiung zum Gegenstand der Wirtschaft, eben wechselseitiger Dienstbarkeit wird: im ersten Falle, um den Lebenspartner zu finden, im anderen Falle, um ζ. B. neue Völker kennenzulernen, sei es insgesamt (Globaltourismus), sei es um volksbesondere Teilinhalte (ζ. B. Kunsttourismus, aber sogar Gaumenergötzungs-Tourismus usw.). Noch weitere differenziertere Entfaltungen sind und wären möglich (so ζ. B. auch im Sinne der Unterscheidung etwa von Neben- und Hauptfunktionen, welche die konkreten Gebildetypen nach ihrem Schwerpunkt begründen; Selbstversorgungsleistungen wie sie ζ. B. Werksküchen als Restbestände einer hauswirtschaftlichen Tradition des „Betriebes" entsprechen u. v. a. m.). Viele empirisch-geschichtliche Sondererscheinungen bedürfen einer solchen Analyse, teils aus wissenschaftlichem, teils aus praktischem Interesse. Doch glauben wir mit dem Ausgeführten klar genug herausgestellt zu haben, wie sich Wirtschaft als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff in seine Teilinhalte zergliedert, wie sich Wirtschaft in Ansehung konkreter Gestaltungsinhalte spezifiziert und damit auch „operationalisierbar" machen läßt, indem man immer weiter in die Leistungs- und Aufgabengestaltungsanalyse eindringt. Fassen wir schließlich den generellen Leistungsteilbereichsplan sozialer Leistungssysteme nach Maßgabe des Ausgeführten ins Auge, so ergibt sich in abgekürzter Form folgendes Ordnungsbild: cc) Genereller Leistungsbereichsplan sozialer Leistungssysteme Soziales Leistungssystem Wirtschaft
Gestaltbildende Funktionen
-Werbung -Assoziierung -Organisation -Austauschbeziehungsfunktion
Hervorbringende Funktionen
-Erzeugung -Verkehr •-Lagerung
-Religionsgüter -Wissensgüter -Kunstgüter -Vitalgüter ^Rechtsgüter
-Erfinden -Vermitteln -Lehren -Vollziehen -(Ver-)Sichern
Wir haben nur die Vitalgüterhervorbringung voll durchgegliedert, doch ist sinngemäß mit allen gestalt- wie hervorbringenden Bereichen zu verfahren; ggf. sind weitere analytische Entfaltungsschritte zu setzen.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
53
2. Morphologische Grundaspekte der „Wirtschaft" als soziale Leistungsordnung und der Parallelaspekt der Geltungsgrößenordnung
Bislang war im Grunde vom Begriffe der Ganzheit, in welchem alle Funktionen als deren Teilinhalte auftreten - gestaltbildende wie hervorbringende - noch kaum die Rede. Dies wird hier nunmehr nachzuholen sein, in der Morphologie sozialer Leistungssysteme, in welcher sich Wirtschaftsbegriff und funktionale Ordnung betrachtungsgemäß vollendet. Morphologie bedeutet die Lehre von der allgemeinen wie der besonderen Ganzheitsgestaltung sozialer Leistungssysteme kraft gestaltbildender Funktionen. Insbesondere geht es hier um die allgemeinen Gesichtspunkte des integrativen Zusammenwirkens (mit Spann würde man sagen: die Rückverbindung)der gestaltbildenden Funktionen einerseits (allgemein morphologischer Aspekt) und andererseits um die Frage der Besonderung (Konkretisierung) als spezifische, konkrete, daher letztlich auch historische Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme. Selbstverständlich kann es auch in diesem Belange nur um eine einführende Erstorientierung gehen, kraft der sich der Blick auf die Grundordnung sozialer Leistungssysteme vollendet. Da der Gestaltordnung sozialer Leistungssysteme eine Geltungs- bzw. Geltungsgrößenordnung korrelativ entspricht, ist dieser Gesichtspunkt hier unmittelbar anzuschließen. a) Morphologische Grundaspekte der „Wirtschaft"
als soziale Leistungsordnung
Wir möchten im Sinne der obigen Ausführungen zunächst die allgemeinen Morphologieaspekte und hernach Gestaltformenbeispiele darstellen. aa) Der morphologische Allgemeinaspekt sozialer Leistungssysteme Wir gehen von Hinweisen auf die Relevanz des Morphologieaspekts aus, um hernach zwei Allgemeinansätze der Morphologie im Sinne unserer Fragestellung nach den Allgemeingehalten einer Morphologie sozialer Leistungssysteme einer Kurzanalyse zu unterziehen 1) Einführende Hinweise zur Stellung von Funktionenlehre und Morphologie sozialer Leistungssysteme Für E. Schäfer ist es „... nicht schwer, zu erkennen, daß die Funktionalbetrachtung in die wirtschaftsmorphologische Betrachtung einmündet"31. Analog heißt es bei O. Spann: „Die bisherige Untersuchung hat jeweils nur einzelne Leistungen für sich betrachtet. Nun ist der formelle Zusammenschluß dieser Leistungen zu Teilganzen und Vollganzen zu untersuchen: die Morphologie oder Gestaltenlehre der Leistungen32." 31
Schäfer, (Funktionalbetrachtung), S. 23.
32
Spann, (Fundament), S. 115.
54
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Er fährt fort: „Die erste Erkenntnis, die hier der Betrachtung auf stößt, ist die ... Tatsache, daß die einzelnen Leistungen jeweils notwendig mit anderen auftreten; denn keine Leistung vermag allein zu stehen, stets vermögen nur die Leistungen mehrerer verschiedener Handlungen und Güter zum Ziele führen 33." Schließlich sei uns noch ein hierhergehörender Gedanke W. Sombarts anzuführen gestattet: Der Zusammenhang von Grundidee und Gestaltidee der Wirtschaft: Die (Grund-) „... Idee der Wirtschaft ist ein räum- und zeitloser Vernunftbegriff: sie erfaßt ungestalteten, objektiven Geist"34. Hingegen gilt für die Gestaltidee: „Alle Kultur, somit alle Wirtschaft, wenn sie wirklich ist, ist Geschichte. Die Idee der Wirtschaft konkretisiert sich also immer in bestimmten, historischen Erscheinungen: die Wirtschaft in der Geschichte nimmt stets Gestalt an: ist gestalteter objektiver Geist35." Das System gestaltet sich nach Sombart aus der Gestaltidee, wird durch diese sozusagen zusammengehalten in seiner Besonderheit. Sie tritt in Erscheinung als Wirtschaftsgesinnung, bestimmte Wirtschaftsordnung und eine ihr dienende bestimmte Technik. Hieraus bildet sich das Wirtschaftssystem. Für Sombart gilt, „... daß mit der Idee des Wirtschaftssystems die Nationalökonomie als Wissenschaft steht und fällt" 36. Zu betonen ist hier, daß Sombarts Morphologie spezifisch auf die gestalthafte Besonderung abzielt, der gegenüber eine Allgemeinmorphologie sozialer Leistungssysteme zu unterscheiden ist. In der Folge behandeln wir morphologische Theorieaspekte einer vor allem an Weber und Sombart orientierten Allgemeinmorphologie zum einen, die ganzheitliche O. Spanns zum anderen. 2) Morphologieaspekte
G. Weissers
Zweckmäßigerweise behandeln wir im Sinne des soeben Angeführten zunächst die morphologische Betrachtung G. Weissers, um hernach der allgemeinen ganzheitlichen Gestaltlehre nachzugehen. 20) Zur „Morphologie der Betriebe" 37 Der logische Standort der Morphologie der Betriebe erscheint fürs erste bestimmt, als sie „... nicht, oder nicht unmittelbar die Funktionen der Einzelwirtschaften ..sondern... die Gestalt (Struktur) jener Gebilde zum Gegenstand des Forschens ..." macht 38 . 33
Ebenda.
34
Sombart, (Nationalökonomie), S. 183.
35
Ebenda, S. 185.
36
Ebenda. Vgl. Weisser, (Betriebe), Sp. 4036 ff.
37 3
» Ebenda, Sp. 4036 f.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
Entwicklungsmäßig lassen sich folgende Sachetappen wie Vertreter phologie bestimmen:
55
der Mor-
(a) Sachlich tritt die Morphologie zunächst als Rechtsformenlehre der Betriebe in Erscheinung; insbesondere erscheint sie in dieser Entwicklung auch als Genossenschaftsformenlehre 39. Sie ist im übrigen das große Anliegen der Historischen Schule der Nationalökonomie.
(b) Personell handelt es sich um mehr oder weniger die Morphologie berührende Beiträge von Nicklisch, Seyffert, Eisfeld, Gutenberg, Draheim, Henzler, Niesch lag. Von besonderer Bedeutung ist aber F. Lehmanns Werk 4 0 „Rechtsformen und Wirtschaftssystem der privaten Unternehmung". Zweifellos bildet auch die Auseinandersetzung zwischen W. Rieger und H. Nicklisch über den Gegenstand der Betriebs- oder Unternehmenswirtschaftslehre eine morphologische Fragestellung erster Ordnung, insbesondere in Ansehung der Frage der Sinngebung der Wirtschaft Entscheidend ist die Frage nach den grundlegenden Momenten der Gestaltbildung von „Einzelwirtschaften", die G. Weisser so bestimmt: „Die Ergiebigkeit morphologischer Erforschung einzelwirtschaftlicher Gebilde zeigt sich in vollem Umfang erst, wenn zur Gewinnung von Typenbegriffen mögliche Merkmale der organisatorischen Form mit solchen des Sinnes kombiniert und dabei auch jene objektiven Bedingungen erfaßt werden ... die von Klima, geographischer Lage, politischer Ordnung u. dgl. gestellt werden 41." Letztere sind als Um- und Mitweltmerkmale zu verstehen. Weisser empfiehlt, „... Typen, die aus der Kombination von Merkmalen der organisatorischen Form und des Sinnes bei Beachtung jener objektiven Bedingungen gebildet werden, als Stiltypen einzelwirtschaftlicher Gebilde zu bezeichnen"42. Man könnte diesen gestaltbildenden Grundzusammenhang wie folgt skizzieren: Einzelwirtschaftliche Gestaltbildung
I
"
Eigengestaltbildungsfaktoren
ι —
—
1
1
1 Umweltdetermination
— — I
Sinngebung
Formgebung
(ζ. B. „Soziale Grundgestalt")
Zu den obigen Kriterien der Gestaltbildung von Einzelwirtschaften lassen sich aus Weissere Aussagen vielleicht die folgenden Grundeinsichten gewinnen: (1) Typenbildung und Typenerforschung sind kognitive Prozesse, denen die Logik ihre allgemeinen Begriffsmittel (Erkenntnishilfen) zur Verfügung stellt. 39
Vgl. Draheim, (Genossenschaftsformen).
40
Lehmann, (Rechtsformen).
41
Weisser; (Betriebe), Sp. 4043.
42
Ebenda.
56
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
(2) In bezug auf die gestaltbildenden Kriterien von Sinngebung, Formgebung, Umwelteinfluß ist insbesondere zu bedenken: (20) Die Sinngebung einer Einzelwirtschaft muß nicht eine nur mittelbare (Gewinn, Erwerb), sondern kann ebenso eine unmittelbare sein (ζ. B. Arbeitsfreude). Typisch ist hier die von Nicklisch angewandte Unterscheidung von Entgeltsmotiv und Dienstmotiv 43. (21) Was die Typologie der organisatorischen Formen (Formgebung) betrifft (die sich offenbar den kongenialen Sinngebungen zur Verfügung stellen) so gilt: (210) Ausgangspunkt sind die Rechtsformen. (211) Seit Fritz Lehmann treten hierzu folgende Merkmale: Trägerschaft (Eigentumsverhältnisse) Formen der Wissensbildung Größe Maß und Art der Verpflichtung Verwendung des Wirtschaftsergebnisses.
(212) Weisser sieht heute eine Weiterführung dieses Katalogs der organisatorischen Alternativen in Gutenbergs Unterscheidung systemindifferenter und systembezogener Tatbestände, meldet u. E. aber zugleich Bedenken bezüglich der konkreten Möglichkeit der Systemindifferenz an. In der Tat ist dies ein Angelpunkt der morphologischen Lehre, weil sie ja gerade nicht das Allgemeine (ζ. B. der Funktionen), sondern dessen konkretisierende Besonderung (ζ. B. Alleinbestimmung/Mitbestimmung) ist. (22) Die gestaltbildende Relevanz des Faktors Umwelt läßt sich u. E. wohl am besten in der Genossenschaftstypenlehre etwa Seraphims erkennen, und hier wieder in den Antitypen von einzelwirtschaftlich ausgerichteter Genossenschaft (Westlicher Typ) und klassenausgerichteter Genossenschaft (östlicher Typ). Wir vermerken hier nur noch, daß sich in der Betriebswirtschaftslehre ein Zug zur Morphologie ζ. B. auch bei Kirsch, nicht minder aber bei H. Ulrich** abzeichnet, wie eben auch unsere Auffassung eine grundsätzlich gestaltanalytischmorphologische genannt werden kann. Beschließen wir unseren Auf riß mit der Skizzierung der Leistungen der Morphologie, wie sie G. Weisser erwartet 45: 1. Ausbruch der Betriebswirtschaftslehre aus Chrematistik und Umklammerung durch die Rechtslehre. 2. Statt dessen soziologische Grundorientierung 3. Theoretische wie praktische Erfaßbarkeit der Fülle einzelwirtschaftlicher Erscheinungen 43
Vgl. ebenda, Sp. 4041.
44
Ulrich, (System).
45
Vgl. Weisser, (Betriebe), Sp. 4043 f.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
57
4. Kognitive Gestaltung einzelwirtschaftlicher Systeme und Vermeidung von Fehlentwicklungen wie negativem Konservativismus gegenüber neuen Wirtschaftsgestalten. 21) Zu „Form und Wesen der Einzelwirtschaften" 46 Für G. Weisser stellen sich drei Fragen: „ Wer wirtschaftet? Sodann fragen wir: Zu wessen Wohl wird gewirtschaftet? Nunmehr stellen wir die Frage: Wie wird gewirtschaftet 47?4 Ziehen wir „Wer" und „Wie" zur Formgebung zusammen, so bedeutet das „Wessen" die Sinngebung. Damit können wir G. Weissere Aussagen wie folgt gruppieren: (1) Sinngebung (die Leistungsgemeinten) (2) Formgebung (20) Objektive Formgebung („Wirtschaftssystem") (21) Subjektive Formgebung („Wer wirtschaftet?") (210) Trägerschaft (211) Leitungsform (212) Art und Maß der Verflechtung (213) Gebildegröße Die Sinngebung als eine Frage der Zweckbestimmung sozialer Leistungssysteme bezieht sich auf die Leistungsgemeinten und erscheint als Frage wie folgt formuliert: „Für wessen Wohl wird gewirtschaftet 48?' Die Antwort führt auf drei Sinngebungstypen: Gemeinnützige, fremdem Wohl und schließlich dem eigenen Wohle des Trägers dienende Wirtschaftsgebilde. Fremdem Wohl dienen Stiftungen, eigenem Privatwirtschaften, Gemeinnützigkeit liegt sozusagen dazwischen. Der Sinngebung entspricht die Formgebung, und zwar „objektiv" wie „subjektiv". Die Frage „Wie wird gewirtschaftet?' beantwortet Weisser mit: Selbstversorgungswirtschaft, Verwaltungswirtschaft, Tauschwirtschaft (er spricht hier vom: „Wirtschaftssystem"). Dem „ Wie w entspricht offenbar ein „ Wer" wobei folgende Momente als (subjektive) Gestaltbildungsfaktoren der Formgebung in Betracht gezogen werden: (a) Als Trägerschaft kommen Einzelne, Gruppen und die Gesamtheit in Frage (Einzel- und Gruppenträgerwirtschaft, öffentliche Wirtschaft). (b) Die so zustandekommenden Gebilde sind weiter bestimmt und differenziert durch die Leitungsform: Selbstleitung oder Leitung durch Beauftragte. 46
Vgl. Weisser, (Einzelwirtschaften); schon F. Schönpflug sprach von Eimelwirtschaftslehre und wir müssen uns u. E. fragen, ob in morphologischer Sicht nicht gerade diese Bezeichnung zutreffender als Betriebswirtschaftlehre ist. 47
Ebenda, S. 86.
48
Ebenda
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I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
(c) Nach dem Grade der Verflechtung unterscheiden sich: Nichtverflochtene und verflochtene Wirtschaften (letztere als: Hilf s wirtschaf ten, Kartell- oder konzerngebundene Wirtschaften). (d) Alle diese Gebilde unterscheiden sich des weiteren - u. E. in gewisser Verbindung mit anderen Besonderungsfaktoren - durch ihre Größe: Klein-, Mittel-, Großgebilde (bzw. -wirtschaften). So ist z. B. „... das Dogma von der unbedingten Überlegenheit des Großbetriebes... erschüttert, und Wirtschaft ebenso wie die Wirtschaftsverwaltung werden so in die Lage versetzt, wirtschaftliche und sozialpolitische Gründe für die Auflockerung der Großunternehmen unbefangen zu prüfen" 49. Größe und andere Besonderungsmomente bilden u. E. ggf. ein ganz spezifisches Korrelat, so ζ. B. etwa Größe und Verflechtungsgrad (Kleingebilde benötigen mehr „Verflechtung", ζ. B. genossenschaftliche, als Großgebilde, die ja schon intern genug „verflochten" sind). Fragt man schließlich wie materielle Sinn- und Formgebung mit der Rechtsform korrelieren, so müssen wir uns fragen, „... welche Gebilde sich das wirtschaftende Volk schafft, und dann erst, welche Rechtformen in ihrem gesunden Sinne gesichert werden sollen"50. Materielle Sinngebung ist somit vor rechtlicher Sinnsicherung. 3) Richtpunkte ganzheitlicher Morphologie sozialer Leistungssysteme Wir fragen zum einen nach den Weisen (dem Wie) der Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme, zum anderen interessieren uns Sinnrichtung und Bedingungen dieser Vermannigfaltigung, in letzter Konsequenz also die Vermannigfaltigungsgründe korrelativer Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme. Daß es sich hier nur um eine Einführung zum Zwecke der Gewinnung des morphologischen Grundverständnisses handeln kann, liegt auf der Hand 51 . 30) Ebenbildlich-korrelative Vermannigfaltigung als Gegenstand morphologischer Betrachtung Die aus den vier gestaltbildenden Funktionen hervorgehenden Gebilde bauen sich in ebenbildlich-korrelativer Vermannigfaltigung von Ganzheiten auf. Dies ist der morphologische Grundtatbestand, dem es hier in seinen Tätigkeitsweisen nachzugehen gilt. 300) Entsprechung und Ebenbildlichkeit als morphologischer Ausgangsbefund Wir wollen von der Spanischen Grundaussage zum Wesen der Wirtschaftsmorphologie ausgehen, um von hier auf Entsprechung und Ebenbildlichkeit 49
Weisser; (Einzelwirtschaften), S. 50. so Ebenda, S. 102.
51 W i r stützen uns in den folgenden Ausführungen über die Grundlagen ganzheitlicher Morphologie sozialer Leistungssysteme auf folgende Quellen: Spann, (Fundament), ders. (Kategorienlehre), ders. (Logik).
als
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
Grundlagen ebenbildlich-vermannigfaltigend-korrelativer ler Leistungssysteme einzugehen.
59
Gestaltbildung
sozia-
3000) Grundaussagen Spanns zum Morphologieaspekt der Wirtschaft „Die bisherige Untersuchung 52 hat jeweils nur einzelne Leistungen für sich betrachtet. Nun ist der formelle Zusammenschluß dieser Leistungen zu Teilganzen und Vollganzen zu untersuchen: Die Morphologie oder Gestaltenlehre der Leistungen 53." „Alle Arten von Leistungen... sind stets nur als Leistungen im Gebilde möglich, denn notwendig müssen alle Mittel, die Dienste verrichten, diese Dienste in einem bestimmten Zusammenwirkungsverhältnis mit anderen, um dasselbe Ziel gruppierten Mitteln, also im Gebilde verrichten. Außerhalb eines Gebildes, vereinzelt, können Leistungen nicht auftreten.. . 54 ." 3001) Wechselseitigkeit und Entsprechung ebenbildlicher Glieder von Ganzheiten als morphologische Grundtatbestände Der Aufbau von Gebilden setzt formal ebenso das Verschiedenartige wie die Integrationsfähigkeit dieses Verschiedenartigen zum Ganzen voraus (z.B. von Menschen unterschiedlicher Begabungsrichtung und -Vollkommenheit). Damit aber ist Wechselseitigkeit und Entsprechung, die Bedingung des Lebens von mannigfaltigen Gliedern miteinander, die Voraussetzung. Die Vermannigfaltigung vollzieht sich in allem Sein daher von vornherein nicht ungeleitet, sondern in der Form, daß sich Artverwandtes, d. h. Ebenbildliches, zusammenzufinden und zum Ganzen zu integrieren vermag. Das Ganze wirkt daher schon als jenes Leitende in der Vermannigfaltigung mit, das verhindert, daß Mannigfaltigkeit Chaos bedeutet. 30010) Wechselseitigkeit und Entsprechung als Bedingung der Vermannigfaltigung Damit Ganzes und Teilganzes miteinander nicht in Widerspruch geraten, muß das sich Vermannigf altigende dem ganzheitlichen Baugesetz der Wechselseitigkeit und Entsprechung unterworfen bleiben. Weil nur einander in ihrer Geartetheit sich ergänzende Glieder ein Ganzes bilden können und leistungsmäßig sinnhafterweise zusammenwirken vermögen, muß zwischen ihnen ein spezifisches Gegenseitigkeits- oder Wechselverhältnis bestehen, ein Moment, das wir schon im Wirtschaftsbegriff immanent vorfanden und zwar im Begriffe der „Wechselseitigkeit von Gliedern sozialer Ganzheiten". In diesem Sinne erklärt Spann: „Das formelle Gesetz des Gefüges besteht 52
Vgl. unsere Zergliederung des Wirtschaftsbegriffes.
53
Spann, (Fundament), S. 115.
54
Spann, (Fundament), S. 117.
60
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
in der Abgestimmtheit aller Teile aufeinander, in ihrer »Korrelation4, wie man in der Biologie, oder »Komplementarität', wie man in der Geometrie sagt; wir wollen sie Entsprechung nennen; auch sinnvolle »Verhältnismäßigkeit', »Angelegtsein aufeinander 4, sinnvolle ,Zusammenstimmung' sind richtige Bezeichnungen ... Fassen wir diese Erwägungen zusammen, so können wir den allgemeinen Satz aufstellen: Die Kategorie des baulichen Gefüges der Gebilde ist die Entsprechung, oder, wie wir es ausdrücken wollen: Entsprechung ist das allgemeine Baugesetz des Gebildes oder die Kategorie des Gefüges der Leistungen, sie ist die Gefügekategorie alles Verrichtsamen, wie überhaupt alles dessen, was als Glied einem Ganzen angehört 55 ." Läßt Wechselseitigkeit in ihrer Allgemeinheit noch die Frage offen, woraus sie erforderlich wird, so drückt dies Entsprechung gerade in Ansehung dieses Erfordernisses deutlicher aus: „Entsprechung muß hergestellt werden zwischen ebenbildlichen Gliedern eines Ganzen oder anders gesehen: Entsprechungsherstellung setzt die Erkenntnis der Ebenbildlichkeit solcher Glieder voraus, aus denen ein Ganzes aufgebaut werden soll." Daher führt Spann diesbezüglich noch das Folgende aus: „Wenn... die... »Entsprechung4 nichts anderes wie »Wechselseitigkeit' hieße, so bedeutete sie nur,Gliederung"... Nun ist aber ,Ausgliederung' noch ein formaler, ein verhältnismäßig noch leerer..., Erfüllung heischender Begriff, welcher durch die Weise der Ebenbildlichkeit erst inhaltlich bestimmt wird.. . 56 ." Nur indem man die Aufeinanderbezogenheit von Gliedern eines Ganzen in ihren besonderen Weisen (Spann nennt sie Ebenbildlichkeitsweisen: Mann und Frau ζ. B. sind einander ebenbildlich, daher herrscht zwischen ihnen eine andere Form der Wechselseitigkeit als etwa zwischen Mutter und Kind, Jugend und Alter, Mensch und Natur usw.) ins Auge faßt, wird aus der formalen (allgemeinen) Wechselseitigkeit die konkrete(re) artspezifische Entsprechung: „Die ... Entsprechung ist... nicht mehr eine bloß formale... und auch nicht bloß im allgemeinen eine seinsbegründende, sondern nimmt in allen Kategorien, die sich ergeben, Gestalt an 57 ." Spann verweist auf vier Entsprechungsweisen, die in der Folge noch deutlich werden: artmäßige (teilinhaltliche), rangmäßige, stufenmäßige (Befassungsweisen der Ganzheitsstufen) und damit unmittelbar verbunden, die Entsprechung im Eigenleben. 30011) Ebenbildlichkeitsweisen als Gegenstand entsprechungsmäßiger Gebildegestaltung Entsprechung verweist darauf, daß jede Vermannigfaltigung von Ganzheiten im allgemeinen (ζ. B. von einzelnen Menschen) schon von vornherein auf arteigene Gegenseitigkeit hinauslaufen muß: Somit wird von besagter Entsprechung, als allgemeinstem Baugesetz von Ganzheiten, zugleich der kategoriale 55
Spann, (Fundament), S. 119.
56
Ebenda.
57
Spann, (Kategorienlehre), S. 176 f.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozial wissenschaftlicher Leistungsbegriff
61
wie verstehensmäßige Weg zum Formgebungsgesetz ebenbildlicher Vermannigfaltigung und damit zugleich der Übergang von allgemeiner zu besonderer Morphologie als Theorie der Sondergestaltbildung gewiesen. 300110) Ebenbildlichkeit Drei Lehrsätze sind hier zusammenzuschauen58: 1. Das Ganze als solches hat kein Dasein 2. Das Ganze wird in den Gliedern geboren 3. Glieder werden in Ganzheit ebenbildlicherweise
„geboren"
Der 1. Satz „... ist in buchstäblichem, handgreiflichem Sinne zu verstehen: Das Ganze als solches kann niemals gesehen, ergriffen..., niemals als daseiend gefunden werden..." Dem entspricht der 2. Satz: „Das Ganze wird in den Gliedern geboren59." „Das »Lebewesen1 als solches ist nicht zu finden, aber wohl einzelne Lebewesen ... ,Die menschliche Gesellschaft' als solche ist nicht zu finden..." Wir finden auch „die »Volkswirtschaft 4 als solche nicht, aber den werktätigen Wirtschafter und Erfinder Krupp, den Börsianer Rothschild, den Drechsler Bebel 60" Damit wird auch der zweite Satz verständlich: Wir finden nicht das Vereinzelte, sondern nur Glieder von Ganzheiten: eben Krupp als Erfinder, Bebel als Drechsler usw. Damit können wir uns dem maßgeblichen 3. Satze zuwenden, der das Sein und damit den Aufbau von Ganzheiten als ebenbildliche Besonderung in zwei einander ergänzenden und bedingenden Tatbeständen der Ebenbildlichkeit wie folgt erklärt: (a) Das Bewahrende, als das die Ganzheit sichernde Element der Ebenbildlichkeit: „Jede Ganzheit muß durch und durch ihr Wesen bewahren und auf jeder Stufe in jedem Teile sich selbst darstellen, wenn sie als Ganzheit bestehen und nicht der Vernichtung anheimfallen will 61 ." (b) Das die korrelative Gegenseitigkeit Bewirkende, die auf Gegenseitigkeit gerichtete Vermannigfaltigung: Ergibt sich also aus dem Moment des Bewahrens, „... 1. daß es die Ganzheit selbst ist, die sich in jedem Teile darstellt (wodurch das Artgemäße der Teile gesichert, die Fremdheit der Teile ausgeschlossen ist.. .)"62; so folgt das Moment der Vermannigfaltigung daraus, daß die Ganzheit ihr Erscheinen in den bewahrenden Teilen „... auf mannigfaltigste Weise tun muß. Sollen ,Dinge', soll »Vieles1 überhaupt sein, dann kann Ganzheit nicht einfach Ab58
Vgl. Spann, (Kategorienlehre), & 55.
59
Ebenda, S. 56.
60
Ebenda.
61
Spann, (Kategorienlehre), S. 114. Ebenda, S. 121.
62
62
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
klatsch ihrer selbst geben... Denn wenn ein Doppelgänger der Ganzheit entstehen würde, dann gäbe es kein gegliedertes Ganzes, kein Sich-Darstellen in mannigfaltigen Teilen.. " 6 3 . 300111) Die Weisen und Vollkommenheitsweisen teilinhaltlicher Ebenbildlichkeit von Ganzheiten Stellt sich Ganzheit immer nur ebenbildlich, also immer nur in begrenzter, gliedhaft-korrelativer Weise dar, so fragt es sich, welche Formen (Weisen) diese Ebenbildlichkeit annimmt. 3001110) Teilinhalte und eigenlebensmäßige Ebenbildlichkeitsweisen von Ganzheiten Auszugehen ist gemäß den Lehrsätzen der Kategorienlehre davon, daß sich ein Ganzes immer in ebenbildliche, also ganzheitseigene Teilinhalte ausgliedert: „Die auslegende oder wesenverleihende Ebenbildlichkeit hat die Weise der Auseinanderlegung des Sachgehaltes der Ganzheit in Grundgebiete bestimmten Ganzheitsgehaltes oder Teilganze... Aus dem Begriff des Teilganzen folgt: daß der erste logische Schritt der ebenbildlichen Selbstdarstellung des Ganzen in seiner Auseinanderlegung in allgemeine Teilganze oder... Teilinhalte besteht64." Jeder Teilinhalt ist also zwar von der Art des Ganzen, dem er angehört, doch stellt sich dieses in ihm nur in bestimmter, d. h. ebenbildlicher Weise dar. Dies gilt ζ. B. für die teilinhaltliche Auseinanderlegung des Begriffes Wirtschaft, wonach Werbung, Assoziierung usw. ebenbildliche Formen der Wirtschaft als Ganzes bedeuten. Diese ebenbildlichen Teilganzen unterscheiden sich nunmehr im Rahmen des Ganzen durch zwei ihre Ebenbildlichkeit weiter besondernde Umstände: (a) Durch die unterschiedliche Gliedbedeutung eines Teilinhaltes, dem Range also, den ein solcher Teilinhalt im Rahmen des Ganzen besitzen und sich in dieser Weise vom anderen unterscheiden kann. Verschiedenwesentlichkeit gilt der ganzheitlichen Kategorienlehre als bestimmte Form der Vollkommenheit Es genügt hier der kategoriale Satz: „Verschiedene Wesentlichkeit... oder Rang ist... dem Teilganzen... eigen65," um diese vollkommenheitsmäßige Ebenbildlichkeitsweise in ihrer allgemeinen Geartetheit klar genug hervortreten zu lassen. (b) Es gibt aber noch eine andere Vollkommenheitsform als bestimmte Art von Ebenbildlichkeit: Ging es oben um ein Ebenbildlichkeitsmaß der Teilinhalte untereinander, so nunmehr um ein solches, das sie in sich besitzen: Jeder Teilinhalt kann sich vollkommener oder unvollkommener darstellen (ζ. B. als vollkomme63
Ebenda.
64
Spann, (Kategorienlehre), S. 124.
65
Ebenda, S. 150.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
63
neres Erfindertalent beim Konstrukteur als beim Betriebsingenieur usw.; oder in der Schule: „sehr gut" bis „nicht genügend" in Mathematik, musischer Bildung usw.). Der Lehrsatz der Ganzheitslehre hiezu lautet: „Das Ganze wird in den Teilen verschieden vollkommen geboren... Es zeigt sich, daß es einen objektiven Maßstab für die Vollkommenheit gibt: die Ganzheit selbst in ihrem Sachgehalte sowie in ihrem diesem Sachgehalte entsprechenden Bau oder Gefüge 66." 3001111) Die Stufe als Moment ebenbildlicher Besonderung in Teilinhalte und Eigenleben Wir haben oben die teilinhaltlichen Besonderungs-, also Ebenbildlichkeitsweisen immer noch abstrakt, also auf sich selbst bezogen, betrachtet. Erst indem wir den Begriff der Stufe in Betracht ziehen, vollendet sich der Begriff abstufender Ebenbildlichkeit (gegenüber bloß teilinhaltlicher): „Nach der auslegenden Ebenbildlichkeit können sich die..." ebenbildlichen „... Teilganzen wie in einem Kranze um einen Mittelpunkt versammeln. Das wäre gleichsam eine reine Breitengliederung... So kann aber ein Ganzes niemals aussehen... Darum muß zu jener (ebenbildlichen, J. K.) Breitengliederung, die in den Teilganzen vorliegt, noch eine Tiefengliederung hinzukommen. Die zunächst gleichsam nur abstrakt ausgegliederten Teilganzen müssen sich stufenweise, stockwerkartig herabsteigend, zu immer konkreteren Gliedern besondern." Dies bedeutet „... eine herabsteigende, stufenbauende Ebenbildlichkeit"
67
.
Wie wir später noch deutlicher machen werden: Ein „Betrieb" gliedert sich in Sub-Betriebe, diese in Abteilungen, diese in Arbeitsgruppen und schließlich von da abwärts in einzelne Leistungsträger. Und sie alle tragen die Teilinhalte in immer mehr sich besondernder Weise in sich. Beziehen wir die stufenbauende Ebenbildlichkeit auf die Teilinhalte, so bedeutet dies folgende Möglichkeiten ebenbildlicher Abstufung, korrelativer Vermannigfaltigung: (a) Die einzelnen Abteilungen (bis zu ihren Mitarbeitern) übernehmen aus allen Teilinhalten unterschiedliche Proportionen (woraus ja ihre primäre Besonderung resultiert). (b) Diese Aufgabenteilung kann sich aber nach Art der Vollkommenheit und des Ranges vollziehen, wie wir es oben schon grundsätzlich herausgestellt haben, hier aber auf die Besonderung der konkreten Träger derartiger Leistungen abstellen. Im Stufenbau ist nunmehr aber noch ein weiterer mit der teilinhaltlichen abstufenden Vermannigfaltigung einhergehender Moment der Ebenbildlichkeit in Betracht zu ziehen, nämlich der, des dem Stufenbau folgenden Ebenbildlich66
Ebenda, S. 155.
67
Spann, (Kategorienlehre), S. 125 f.
64
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
keitsweisen des Eigenlebens, die immer im Range sowie in der allgemeinen Vollkommenheit (eben der stufeneigenen Freiheit) ihren Ausdruck finden. Hier gilt der Satz: „Es ist die Weise der Ganzheit, sich nicht nur in Sachgehalte des Teilganzen und in den Abstufungen innerhalb derselben darzustellen, sondern auch jedem Teilganzen (jeder Stufe, jedem teilinhaltlich differenzierten Teilgebilde bzw. Subganzen, J. K.), jedem Zwischenganzen und jedem Gliede die ausgliedernde Macht selbst wieder zu verleihen68." „Mit der bloß ausgliedernden (teilinhaltlichen) und tiefengliedernden (teilinhaltsabstufenden) Ebenbildlichkeit (korrelativen Vermannigfaltigung, J. K.) wäre das Ziel, ein Ganzes aus Gliedern hervorzubringen, welches durch und durch die Art des Ganzen hat und darum selbst aktiv setzend, lebendig ist, noch immer nicht erreicht. Erst ein durch und durch lebendiges Ganzes erreicht dieses Ziel69." 300112) Zusammenschau der Baugesetze korrelativ-ebenbildlicher Gestaltbildung von Ganzheiten Verschaffen wir uns ein Gesamtbild über das eben Vorgetragene, so können wir folgendes in Betracht ziehen: (a) Allgemeiner Aufbaugrundsatz (allgemeinstes Strukturgesetz) von Ganzheiten ist der (das) der Entsprechung. Diese Entsprechung konkretisiert sich nach den Ebenbildlichkeitsweisen, die Glieder von Ganzheiten annehmen können und gemäß der sie - nunmehr schon eben in besonderer Weise - miteinander im Ganzen zur Erfüllung wechselseitiger Gliedaufgaben in Zusammenhang gebracht werden müssen. (b) In der Lehre von der Ebenbildlichkeit als entsprechungsmäßige Besonderung von Gliedern von Ganzen kommen zwei Momente zum Tragen: (aa) Das u. E. als abstrakt zu bezeichnende Moment der teilinhaltlichen Ebenbildlichkeit, und zwar in Ansehung der Ebenbildlichkeit der Teilinhalte an sich, wie ihrer weiteren ebenbildlichen Besonderungsweisen des Ranges und der Vollkommenheit (bb) Konkret-ebenbildlich-entsprechungsmäßige Besonderung erfordert grundsätzlich die Berücksichtigung der stufenmäßigen Ebenbildlichkeit, und zwar wie folgt: (1) Erst in der stufenbaulichen Abstufung liegt die Abstufung der Teilinhalte nach ihrer verhältnismäßigen Zuteilung auf einzelne Stufen, wie der dabei zugleich in Betracht zu ziehenden damit verbundenen Ränge und Vollkommenheitsweisen beschlossen: So hat eben ζ. B. ein Assoziationsdisponent einen anderen Anteil an der Assoziierungsleistung als ein Meister: umfänglich, rangmäßig, vollkommenheitsmäßig. Und damit vollzieht sich die „ebenbildlich-teilinhalt6 8
Spann, (Kategorienlehre), S. 129.
69
Ebenda.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
65
lich-rang- und vollkommenheits-entsprechungsmäßige Besonderung" von Teilgebilden von Ganzheiten konkret. (2) Und im Stufenbau vollzieht sich natürlich erst recht und ausschließlich die ebenbildliche Konkretisierung des Eigenlebens das seiner Besonderungseigenart nur in den Formen des Ranges und der Vollkommenheit zu vollziehen vermag, die im Stufenbau gemäß der Stufenhöhe (Direktor... Direktionsassistent... Hilfsarbeiter) gegeben ist. Schauen wir daher nunmehr endgültig die Momente Entsprechung und Ebenbildlichkeitsweisen von Gliedern von Ganzheiten zusammen, so ergibt sich folgendes strukturgesetzliches Ordnungsbild: Ganzes
II
Entsprechung der Glieder nach ihren ebenbildlichen Besonderungsweisen
Ebenbildliche Besonderungsweisen der Glieder von Ganzheiten (als Stufen ) Stuflich-teilinhaltliche Ebenbildlichkeit
Stuflich -eigenlebensmäßige (Begleit-) Besonderung
-Teilhabemaß
hRangmäßige
-Teilhabe-
Lvollkommen-
vollkommenheit
heitsmäßige
•Teilhaberang
Ein Ganzes erhält sohin Gestalt im Sinne korrelativer Vermannigfaltigung, daß es sich aus ebenbildlich-korrelativen Gliedern teilinhaltlich-eigenlebensmäßiger Art aufbaut (und damit, gerade wegen der damit gegebenen Notwendigkeit einander wechselseitig zu ergänzen, einer solchen „Ebenbildlichen Gestaltbildung" bedürfen und damit unsere Gestaltbildungsfunktionen iridiese Richtung in Gang setzten bzw. ihnen ihre allgemeine und zugleich besondere-besondernde Aufgabe weisen). Die folgenden Ausführungen werden dies noch verdeutlichen. 301) Ebenbildlichkeitsweisen von Ganzheiten sozialer Leistungssysteme als Gegenstand ganzheitlich-morphologischer Aussagen Können wir den Gegenstand der Morphologie sozialer Leistungssysteme auf obiges Ordnungsbild stützen, Gestalt daher als teilinhaltlich-ebenbildlich-abstufende Ganzheitsstrukturierung (als Tatbestand wie als Aufgabe) charakterisieren, so brauchen wir in der Folge nur den obigen Gesichtspunkten der ebenbildlichen Ausgliederung in ihren Grundformen und Vollkommenheitsweisen nachzugehen.
5
Kolbinger
66
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
3010) Arten der Ganzheit als primäre Ebenbildlichkeitsweisen Die Ganzheit als solche (die kein Dasein hat) konkretisiert und vermannigfaltigt sich auf erster Ebene in korrelative Arten der Ganzheit 1. Humanganzheiten (geistige Ganzheiten) 2. Naturganzheiten a) Biotische b) Nichtbiotische (mechanische, chemische usw.) Es liegt auf der Hand, daß hieraus folgende Grundformen korrelativer Vermannigfaltigung im Sinne der Ganzheitslehre als Formen der „Gezweiung", nämlich höherer und niederer Ordnung ableitbar sind: 1. Als Mensch-Natur-Ganzheiten a) im biotischen Bereich b) im nichtbiotischen Bereich 2. Als Besonderungen von Mensch-Mensch-Ganzheiten. Grundsätzliche Mensch-Naturganzheiten schlagen sich nieder in: Sozialen Leistungssystemen der biotischen Integration, ζ. B. Land- und Forstwirtschaftsgebilde; im nichtbiotischen Bereich als Gebilde der Rohstoffgewinnung, der chemischen Aufbereitung, der mechanischen Verarbeitung in den verschiedensten Formen. Nach Art der Mensch-Mensch-Ganzheiten, die sich mit den Naturganzheiten in der eben genannten Form zur Ganzheit höherer Ordnung verbinden, kann man wohl insbesondere eine Vermannigfaltigungsform ins Auge fassen: Frauenbetriebe und Männerbetriebe sowie Mischtypen zwischen beiden70. 3011) Vermannigfaltigende Strukturierung sozialer Leistungssysteme nach Teilinhalten und Eigenleben Von der korrelativen Vermannigfaltigung nach den Arten der Ganzheit ausgehend, vollzieht sich die weitere Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme nach den oben bereits systematisch herausgearbeiteten Weisen teilinhaltlicher Vermannigfaltigung und Besonderungsformen des Eigenlebens. 30110) Die teilinhaltliche Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme Die teilinhaltliche Vermannigfaltigung kann eine verhältnismäßige vollkommenheitsmäßige sein. Beide greifen korrelativ ineinander.
und eine
301100) „Verhältnismäßig-teilinhaltliche" Vermannigfaltung Wir gehen von der bloßen Breitengliederung der Teilinhalte aus, um hernach die verhältnismäßig-teilinhaltliche Vermannigfaltigung hieraus abzuleiten. ™ Vgl. Heinrich, (Ganzheit).
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
67
3011000) Die rein teilinhaltlich-allgemeine Ausgliederung als Ausgangspunkt der Betrachtung Ziehen wir als Ausgangspunkt unserer teilinhaltlichen Vermannigfaltigung zunächst schon die bei der Ausgliederung des Wirtschaftsbegriffes gewonnenen Einblicke in die diesen konstituierenden Teilinhalte in Betracht, so können wir auf Spann zurückgreifen: „Sachlich setzt sich ein Gebilde aus Leistungen verschiedenen Inhalts ... zusammen71." Ziehen wir nur diesen Tatbestand in Betracht, so sehen wir die Wirtschaft vor uns, sozusagen als einziges, ungestuftes Gebilde, als eine einzige Ganzheit, die wir bildlich als Kreis mit entsprechenden Segmenten der teilinhaltlichen Ordnung wie folgt ins Auge fassen dürfen: Legende: Innerer Kreis: Gestaltbildende Funktionen w = Werbung a = Assoziierung t = Austauschbeziebungen ο = Organisation Äußerer Kreis: E = Erzeugung (Stoff rei fe) V = Verkehr (Ortsreife) L = Lagerhaltung (Zeitreife) Abb.
2:
Teilinhalte
der
Wirtschaft
Die ganzheitliche Kategorienlehre spricht hier von der „Wesensverleihung" an ein Ganzes, weil sich eben jedwedes Ganze, jede Gestalt auf erster Wirklichkeitsebene in bestimmten Inhalten (vgl. die Ganzheit „Wirtschaft" und ihre Teilinhalte) entfaltet 72, darstellt. Die ganzheitliche Logik bemerkt hiezu: „,Teil-'inhalte oder auch ,Teil-'ganze sagen wir deshalb, weil jeder einzelne Inhalt, jedes Merkmal, nur gliedhaft als Teil im Gesamtganzen eines Inhalts besteht und einen Sinn erhält 73." 3011001) Die teilinhaltlich-verhältnismäßige Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme Tritt uns oben die Wirtschaft sozusagen in völlig proportionaler (unbesondert-allgemeiner) Segmentierung entgegen, so erscheint es theoretisch wie pragmatisch einsichtig, daß sich bei Auseinandertreten dieses „Einheitsgebildes" in mehrere Teilgebilde eine neue Form dieser Segmentierung einstellt, indem und sobald sich jede Stufe unterschiedlich mit derartigen Teilinhalts-Segmenten sozusagen auffüllt und dabei verhältnismäßig besondert (entsprechungsmäßig 71 Spann, (Fundament), S. 118. 72 vgl. Spann, (Kategorienlehre), S. 121 ff. 73
5*
Ders.. (Logik), S. 37.
68
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
vermannigfaltigt): So kann ζ. B. ein Teilgebilde einen höheren Organisationsanteil, das andere ein verhältnismäßig breiteres Segment der Werbung übernehmen. Ähnliches kann sich in der Assoziierung, im Austauschbeziehungssektor und schließlich natürlich auch im Hervorbringungsbereich (also verhältnismäßige Vermannigfaltigung im Erzeugungsanteil, Verkehrs- und Lagerhaltungsbereich) vollziehen. Wir können dies in der Folge in seinen zwei Grundformen verhältnismäßiger teilinhaltlicher Vermannigfaltigung ins Auge fassen. Greifen wir diesen Fall als Art quantitativer Arbeitsteilung zunächst für sozusagen das kleinste Teilgebilde mit dem Mittelpunkt Mensch auf (Nicklisch spricht vom Arbeitsplatz als kleinstem Betrieb):
H. Fayol verteilt ζ. B. die von ihm ins Auge gefaßten Funktionen (Teilinhalte) in unterschiedlichen Proportionen (also eben „verhältnismäßig") auf den Arbeiter, den Meister, den Direktor:
Funktion (Teilinhalt) Administrative Technische Kommerzielle Finanzwirtschaftliche Sicherheitswesen Rechnungswesen
Arbeiter 5% 85% -
5% 5%
Proportion Meister 15 °/o 60% 5% -
10% 10%
Direktor 40% 15 % 15% 10 % 10% 10%
Wir sehen hier die korrelative Vermannigfaltigung, als bestimmte Form der Gegenseitigkeit von Gliedern eines sozialen Leistungssystems, im Sinne der Bildung von Subgebilden als Gliedern des Ganzen, in denen sich dieses Ganze in verschiedener, teilinhaltlicher Proportionierung konkretisiert. Es ist nicht schwierig, diesen Tatbestand zu verallgemeinern und von einer Gesamtstufe auf ein weiteres Stufensystem auszuweiten, wie es uns ζ. B. in der Gesamtwirtschaft (ζ. B. Volkswirtschaft) entgegentritt. Nach dem Prinzip teilinhaltlich-verhältnismäßiger Vermannigfaltigung werden dann Glieder (Stufen) einer solchen Gesamtwirtschaft als korrelative Gliedstufen hervorgebracht: Solche der Gestaltbildung (Werbebetriebe, Assoziierungsbetriebe, ζ. B. Banken, Organisationsbetriebe, Austauschbetriebe, ζ. B. als Handelsbetriebe) und solche der Hervorbringung mit allen weiteren verhältnismäßigen Proportionierungs- und damit verbundenen Vermannigfaltigungsmöglichkeiten von Erzeugungsgebilden (gegliedert nach unseren Selbstzweckbereichen wie Recht, Vitalgüter usw.), Verkehrs- und Lagerhaltungsgebilden. Sie sind immer ein (korrelatives Glied-) Ganzes mit allen, jedoch verhältnismäßig besonderten Teilinhalten. In Verbindung mit dem Kriterium der Vermannigfaltigung nach den „Arten der Ganzheit", ergibt dies bereits eine ungeheure Fülle „ebenbildlicher" Subganzhei-
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
69
ten eines „Gesamtganzen", eben von teilinhaltlich-verhältnismäßig differenzierten Stufenganzen. 301101) Vollkommenheitsmäßig-teilinhaltliche Vermannigfaltigung als Begleitbesonderung sozialer Leistungssysteme Wir können uns hier besonders kurz fassen, da wir in der Geltungsgrößenlehre sozialer Leistungssysteme auf diesen Gesichtspunkt noch deutlich zurückkommen werden. Im Rahmen verhältnismäßig-teilinhaltlicher Besonderung wirken noch folgende Momente der Vollkommenheitsbesonderung mit: Zum einen ist es einsichtig, daß ζ. B. die Organisationsquote des Arbeiters gegenüber der des Direktors nicht nur umfänglich, sondern auch qualitativ eine andere sein wird. Innerartenmäßig ergeben sich also im Vollzug teilinhaltlichverhältnismäßiger Besonderung zugleich solche in der Vollkommenheit, von der schon oben die Rede war. Andererseits gibt es noch eine besondere Form der Vollkommenheit, die sich von obiger deutlich abhebt, die Bezeichnung Rang führt und eine weitere Begleiterscheinung teilinhaltlich-verhältnismäßiger Vermannigfaltigung (in korrelativer Gegenseitigkeit dermaßen differenzierter Glieder sozialer Ganzheiten) darstellt, welche wir eine interartenmäßige zu nennen geneigt sind: Ein Schüler kann ζ. B. in Mathematik die Note „sehr gut", ein anderer bloß „genügend" erhalten; dies ist innerartenmäßige Vollkommenheitsbesonderung. Begänne man aber nun etwa zu erwägen, welche Bedeutung etwa Mathematik in Relation zu einem anderen Gegenstand (ζ. B. Leibeserziehung) hätte, wenn es also um die Frage teilinhaltlicher Mehr- oderMinderwesentlichkeit geht, so befinden wir uns im Bereiche der Vollkommenheitsweise Rang; damit haben wir einen weiteren Besonderungs- bzw. Vermannigfaltigungsfall, der zur rein vollkommenheitsmäßigen noch hinzutritt. Die teilinhaltliche Besonderung und Vermannigfaltigung korrelativ einander ergänzender Stufen sozialer Leistungssysteme erreicht hier ihre spezifische Gestaltbildungsfülle. 30111) Eigenlebensmäßige Besonderungsweisen sozialer Leistungssysteme Die Besonderung und korrelative Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme nach der Art des Stufeneigenlebens läßt sich in zeitindifferenter bezogener Perspektive ins Auge fassen.
und zeit-
301110) Zeitindifferente eigenlebensmäßige Besonderungsweisen der Stufen sozialer Leistungssysteme Hier läßt sich von den Arten der Ganzheit her die Besonderung im Eigenleben vom Grundsätzlichen her ins Auge fassen: u. zw. primär in dem Unterschied von Bewußtem und Unbewußtem, von Geist und Stoff in den Gezweiungsweisen der Natur und des Menschen:
70
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Während der Stoff (die Maschine etc.) grundsätzlich nur Spuren von Eigenleben aufweist, also fremdbestimmt (naturgesetzlich-determiniert) ist, weist der Mensch und damit der Geist (in verminderter Form das Bewußte in Tier und Pflanze) eine viel weiter reichende Eigen Verfügbarkeit, Freiheit, eben Eigenleben auf. Soziale Leistungssysteme werden wesentlich mitbestimmt, je nach dem Anteil, mit dem sie Naturgesetzen oder den Gesetzen des Geistes unterliegen, in welchem Grade sie daher Anpassung vollziehen, sich selbsttätig einem Wandel unterwerfen oder am Gegebenen festzuhalten vermögen, mobil oder immobil sind. Hier hat bekanntlich der kostentheoretische Methodenstreit sozusagen seine Triumphe gefeiert. In weiterer Folge erscheint Eigenleben als Vermannigf altigungsweise sozialer Leistungssysteme nach der Art ihrer Selbständigkeit Hierher gehören folgende Grundbegriffe und in der betriebswirtschaftlichen wie spezifisch-morphologischen Literatur in Betracht gezogene Tatbestände: (a) Von der teilinhaltlichen Sicht her ist ein Gebilde um so selbständiger, je lükkenloser diese Teilinhaltsstruktur ist. So kann ζ. B. das eine Gebilde nur einen Spezialteil einer Maschine produzieren, während ein anderes Stufensystem ζ. B. Schuhe74 von der Kuhhaut und den Gummiplantagen bis zum weltweiten Austauschbeziehungssystem hervorbringt. (b) Die stuflich-eigenlebensmäßige Besonderung trifft sich insbesondere mit dem Teilinhalt der Assoziierung, woraus sich folgende korrelative Vermannigfaltigung herleitet: (aa) Der Größe nach kann sie personal (Einzelunternehmung, OHG) oder transpersonal (GmbH., Aktiengesellschaft) orientiert sein und auch Übergangsformen implizieren (Stille Gesellschaft/Kommanditgesellschaft); schließlich kann sie auch auf Ergänzungsformen zurückgreifen (Arbeits- und Kreditverhältnisse); (bb) Jede dieser Stufen kann die ihr an sich zukommende Freiheit (und Verantwortung) haben, eine weitere Vermannigfaltigung und Differenzierung aber noch nach den Formen der einzelwirtschaftlichen Stufenintegration (Verflechtung) eingehen (beim Konzern ζ. B. anders als beim Trust); (cc) Schließlich kann man das Vermannigf altigungsmoment des Eigenlebens auf Formen des Übersichhinaus seins und damit der „Bindung von oben" und der „Bindung von unten" zurückführen: (1) Als Konträrpositionen würden sich hier (die noch zu behandelnden) Grundformen der absoluten Eigeninteressenwirtschaft (vgl. kapitalistische Unternehmung) und der (genossenschaftlichen oder staatlichen) Gemeinwirtschaft gegenübertreten. (2) Die Vermannigfaltigung annehmen: 74
Vgl. Baia, (Tat).
im Eigenleben kann insgesamt folgende Formen
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozial wissenschaftlicher Leistungsbegriff
71
1. Zentralisierung des Eigenlebens oben als a) Gesamtwirtschaft "Zentralverwaltungswirtschaft) b) Teilwirtschaft (ζ. B. alle Initiative in wenigen Händen, am Arbeitsplatz reines Befehlssystem) 2. Demgegenüber Dezentralisierung (Freie Wirtschaft) a) Gesamtwirtschaft (Marktwirtschaft) b) Einzelwirtschaft (Dezentralisierung des Eigenlebens, selbstverantwortliche Subsysteme wie Werkstätten etc., schließlich Selbstverwaltung am Arbeitsplatz) In der Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme nach den Formen des Übersichhinausseins liegt ein erheblicher Teil der menschlichen Freiheit überhaupt und damit der ebenbildlichen Selbstverwirklichungsmöglichkeit des Menschen und seiner Gezweiungen beschlossen. Im übrigen muß hier noch hinzugefügt werden, daß sich die Vermannigfaltigung nach Maßgabe des Eigenlebens immer als ein integriertes Ganzes vollzieht, also alle Teilinhalte korrelativ miteinbezogen werden. 301111) Zeitbezogene oder geschichtliche Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme Leben und Zeit sind miteinander eng verbunden, so daß man sagen kann, alles was lebt, lebt in der Zeit und damit in einer bestimmten Form des Nacheinanders, letztlich das, was wir Werden und Vergehen nennen. Teilinhaltliche und eigenlebensmäßige Vermannigfaltigung vollziehen sich in concreto als Zeitgestal· ten , denen wir daher noch kurz nachzugehen haben. Prinzipiell ist hiezu folgendes auszuführen: (a) Wie in aller Ebenbildlichkeit liegt auch in der Ebenbildlichkeit in der Zeit etwas Bewahrendes (Tradierendes) und Wandelndes (Entfaltung, Fortschritt). „Die Wirklichkeit kennt... nur Ganze, die sich in der Zeit darstellen." Zur bloßen ebenbildlichen Darstellung in dem oben skizzierten Sinne kommt „... jedoch ... Eines hinzu: daß die ausgegliederten Bestimmungsstücke in der Reihenfolge der Zeit erscheinen (Man denke nur an die Unterscheidung von Jugend, Reife, Alter!). Es treten auf dieser Grundlage neue Sonderweisen auf, die nur der zeitlichen Ausgliederungsform, der Entfaltung angehören"75. (b) Als besondernd-vermannigfaltigende Weisen der Gebildegestaltung bzw. -gestalt, fassen wir das Folgende ins Auge: (aa) Zum einen haben wir es mit der Besonderungsform des Kreislaufes, der stationären (ggf. auch traditionalen) Wirtschaft zu tun, denn: „Alles, was geschieht, hat den ,Pulsschlag der Zeit', geschieht in regelmäßigen wiederkehrenden Formen oder Kreisläufen 76." 75
Spann, (Kategorienlehre), S. 210.
76
Ebenda.
72
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
(bb) Neben dem Kreislauf „... müssen auch Zeitstufen (Altersstufen, Epochen, Stadien, Zeitregionen) entstehen. Die stufenbauliche Ebenbildlichkeit ist es, welche die Zeitstufe schafft und damit jene Forderung erfüllt, die im Begriffe der »organischen Zeit 1 ... ganz allgemein und logisch gelegen ist" 77 . Fassen wir diese Formen von (aa) und (bb) ins Auge, so können wir hieraus folgende gestaltbildend-vermannigfaltigende Schlüsse für die korrelative Besonderung sozialer Leistungssysteme ziehen: (1) In der großen Linie sehen wir hier die Wirtschaftsstufen (der Wirtschaftssysteme) vor uns, wie es die Historische Schule der Nationalökonomie beschreibt. Grundmerkmale können hier der Traditionalismus und der Rationalismus (wie überhaupt die Prävalenz einer Selbstzweckhaltung) sein. (2) Im übrigen finden kreislaufförmige und evolutorische Prozesse in allen von uns geschilderten Vermannigfaltigungsbereichen sozialer Leistungssysteme statt (Veränderungen im Zusammenwirken der Arten der Ganzheit, Veränderungen in der teilinhaltlichen wie der eigenlebensmäßigen Vermannigfaltigung). Auf einen Betrieb bezogen könnte man ζ. B. folgende Reifestadien gabe sinnvoller Entfaltung in der „organischen" Zeit festhalten:
nach Maß-
(20) Gründungsstadium (und „Kampf ums Dasein") (21) Konsolidierungs- und Wachstumsstadium („Evolution") (22) Traditionalisierungsstadium (vgl. „Kreislauf") (23) Reduktionsstadium (ggf. bis zum „Tode" des sozialen Leistungssystems) Schließen wir mit dem Satze Spanns: „Entfaltung ist... Geschichte. Sie zeigt, daß alles, was geschieht, nur an einer bestimmten zeitlichen Stelle so geschehen kann, wie es geschieht... ,kairos', der rechte Zeitpunkt, heißt es im Griechischen ... Der Begriff der Entfaltung lehrt uns die absolute Geschichtlichkeit alles Daseins verstehen, ohne aber die theoretische Erforschungsmöglichkeit der Ganzheit auszuschließen78." In diesem Satze liegt auch Verbindliches zwischen Ganzheitslehre (O. Spann) und Verstehender Nationalökonomie (Wirtschaftstheorie überhaupt) beschlossen. Zudem klärt es das häufig mißverstandene Verhältnis von Theorie und Praxis als Verhältnis von Allgemeinem und Mannigfaltigem. 31) Arbeitshypothesen zu Sinngehalt und Bedingungen korrelativ-ebenbildlicher Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme Wir versuchen hier - nur noch als Denkanstoß - einige Arbeitshypothesen zu formulieren, welche sich mit Sinn- und Sinnrichtung sowie Bedingungen ebenbildlicher Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme an sich und in der Zeit beschäftigen. 77
Spann, (Kategorienlehre), S. 210.
78
Ebenda, S. 187.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
73
310) Sinnrichtung ebenbildlicher Vermannigfaltigung an sich Wir gehen aus vom Begnff des Stufenwertes und fragen uns hernach, was ihn als Vermannigfaltiger bestimmen mag, nicht zuletzt teilinhaltlich wie eigenlebensmäßig. 3100) Der Begriff des „Stufenwertes" Die Ganzheitliche Logik 79 geht bei diesem Begriff von den abstrakten Teilinhalten aus, welche sich nach Maßgabe der Bildung von Stufen besondern und damit die Vermannigfaltigung par excellence bedeuten: „Die Teilinhalte sind dadurch gekennzeichnet, daß sie durch alle Stufen hindurchgehen. Man kann sie daher nicht eigentlich »Merkmale1, sondern muß sie genauer durchgängige Merkmale nennen... Der stufenbauliche Begriff (aber, J. K.) gibt den (die Besonderung und Vermannigfaltigung tragenden, J. K.) Stufenwert der Teilinhalte... 80" oder, wie wir vereinfachend sagen möchten, die stufenspezifische Funktionalqualität an. Spann deutet diese „stufenwertmäßige" Vermannigfaltigung: „Der Begriff der Wirtschaft... ergibt... die überall wesensnotwendigen Arten..." von Teilinhalten: „... Organisation ... Erfindung, Lehre ..." usw. „Diese Teilinhalte ... bilden daher den teilinhaltlichen Begriff der Wirtschaft; während ihre Veränderung auf den Stufen... den stufenbaulichen Begriff bildet. So hat das »Kapital höherer Ordnung1 auf der Weltwirtschaftsstufe die Form des Handelsvertrages, auf der Betriebsstufe die Form der Betriebsordnung.. . 81 ." Auf unsere Teilinhalte braucht hier nicht mehr besonders eingegangen werden; vielmehr ist hinzuzufügen, daß es nicht nur einen Stufenwert derselben, sondern natürlich ebenso einen des Eigenlebens als Besonderungs- und (korrelativer) gestaltbildender Vermannigfaltigungsmoment ins Auge zu fassen gilt. 3101) Arbeitshypothesen der Stufenwertbildung (a) Wir gehen davon aus, daß Vermannigfaltigung ein schöpferisches Prinzip darstellt, womit erst die Formenfülle des Lebens zustandekommt, während die bloß teilinhaltliche Besonderung ein recht armes Sein bedeuten würde. Stufe ist daher die spezifisch schöpferische Kategorie des Seins, des natürlichen wie des aus Menschenhand hervorgehenden. Da damit zugleich eine wesenhafte Angelegenheit der einander bedürfenden, besonderten Glieder mitbestimmt erscheint, bedeutet dies den Anstoß zur Gemeinschaft, ist also offenbar Bedingung eines Ursinnes des Seins; ganzheitlich gesprochen: der Gezweiung, eben das Füreinanderdasein von Mensch zu Mensch und Mensch zu Natur. Schon das Ebenbildlichkeitspostulat etwa der christlichen Religionen von Vater (Gott) und Sohn weist u. E. auf diesen Ursinn der Mannigfaltigkeit, des Urbild-Abbildver79
Vgl. Spann, (Logik), S. 36.
80 Ebenda. ei Ebenda.
74
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
hältnisses als Sinn der schöpferischen Vermannigfaltigung hin, damit diese Urbeziehung möglich, letztlich Setzung und Entgegensetzung, geistiges Bewegtsein möglich ist. So ist eben Wirtschaft auch Dialog. (b) Wesentlich realistischer mag die Frage sein, welchen rational erfaßbaren Kriterien die teilinhaltlich-eigenlebensmäßige Vermannigfaltigung zuzuordnen ist. Wir versuchen diese Frage andeutungsweise als Arbeitshypothese wie folgt zu beantworten: (1) Jedwede Vermannigfaltigung in ihrer eigentlichen konkreten Differenziertheit geht auf das schon genannte Verhältnis Urbild-Abbild dermaßen zurück, daß es sich auf jeder Stufe immer mehr auseinander entwickelt, womit ζ. B. Menschsein und Einzelmensch Müller und alle Zwischenstufen in ein spezifisches Urbild-Abbild-Besonderungsverhältnis treten. (2) Wir können von hier noch konkreter auf die Relation Person-Institution abstellen und dabei den Ordnungsbegriff der Größe der Institution einführen: Je größer die Institution, um so kleiner der Abbildcharakter der ihr als deren Glied gegenübertretenden Einzelperson(en). Es handelt sich hier um im eigentlichen Sinne nichts Meßbares, als vielmehr eine Art semantischer Differenzierung: „klein" (Ich-Ich-Verhältnis) - „mittel" (etwa 2-3 Personen, selten mehr; Ich-WirVerhältnis) - „groß" (Ich-Es-Verhältnis). (3) Es gibt hier eine Reihe von Hinweisen, welche diese Art Stufenwertbildung meinen: (30) Wir begegnen in der Soziologie in diesem größenmäßig-semantischen Qualifizierungssinne den allgemeinen Gestaltbegriffen von Gemeinschaft (Gruppe) - Gesellschaft - abstraktes Kollektiv - Masse. (31) In Ansehung der zentralen Stufenwertbildung sozialer Leistungssysteme können wir u. E. hieran unmittelbar anschließend den Teilbereich der Assoaiierung und damit die herkömmlichen Assoziierungs-Rechtsformen ins Auge fassen: (310) Einzelunternehmung („klein") (311) Offene Handelsgesellschaft (3110) Einfache („mittel") (3111) Erweiterte (ζ. B. Kommanditgesellschaft Grenzbereich von „mittel") (312) Aktiengesellschaft („groß" - ggf. abstraktes Kollektiv) (313) Das gleiche gilt ζ. B. auch für Kredit- und Arbeitsverhältnisse in ihrer spezifischen Größenordnung und Größenrelation zu den Grundassoziierungen. (32) Nach dem Baugesetz der Korrelation (alle Teilinhalte und das Eigenleben stehen miteinander immer in Entsprechung) ist der einfache Schluß zulässig, daß die eben herausgestellte semantisch-größenmäßig verstehbare Stufenwertbildung alle weiteren Teilinhalte sozialer Leistungssysteme gestaltbildend-vermannigfaltigend erfaßt und umfaßt. Diese Stufenwerte bedingen sich gegensei-
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
75
tig, wobei persönliche Intention (Eigenleben-Interesse) und Sachzwang der zu lösenden Aufgabe miteinander in Entsprechung zu bringen sind, um so konkrete Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme zu vollziehen. Ein besonderer Akzent liegt dabei u. E. insbesondere auf der Korrelation der Assoziierungsgestalt mit den übrigen gestaltbildenden und von hier den hervorbringenden Funktionen. (4) Wohin die Stufenwertdifferenzen den werden:
tendieren, mag folgendermaßen verstan-
(40) Teilinhaltlich; Mit zunehmender Gebildegröße reduziert sich der teilinhaltliche Umfang der Funktionen der Substufen, d. h. die Funktionen beginnen sich schwerpunktmäßig immer mehr zu differenzieren. So teilen sich ζ. B. in den Assoziierungs-Größenformen immer mehr deren funktionale Teilinhalte auf einzelne Funktionäre auf (ζ. B. alle Funktionen in der Hand des Einzelunternehmers; jedoch spezifische Trennung ζ. B. von Kürund Kontrollfunktion - der Aktionäre - von der Führungsfunktion des Vorstandes - bei der Aktiengesellschaft). F. Lehmann hat dies als einer der ersten Betriebswirte in allgemeingültiger Weise herausgearbeitet 82. In anderen Teilinhalten finden wir hiezu eine ebenbildliche Korrelation: so ζ. B. Zunahme der Arbeitsteilung (Bereich der Organisation) mit zunehmender Betriebsgröße (unbeschadet unüberschreitbarer Grenzen der Arbeitsteilung). (41) Eigenlebensmäßig: Mit der Reduktion des Ich-Abbildes (Einzelunternehmer) durch die verschiedenen (Größen-)Stufen hindurch bis zum Größensystem eines Konzerns oder Trusts reduziert sich das Eigenleben seiner Mitglieder. Es reduziert sich aber auch das Eigenleben der darüber hinausgehenden Stufen, weil ggf. immer mehr Wettbewerb durch Konzentration und Macht ersetzt wird. Auch das Eigenleben läßt sich aber beeinflussen, so daß es im weiteren noch darauf ankommt, ob das Prinzip der Zentralisation oder Dezentralisation den gestaltbildenden Stufenwert bestimmt. (42) Schließlich darf noch bemerkt werden, daß die Prägnanz der Stufenwertdifferenzen das Typische wie Atypische bestimmt. Es kann auch von Stil gesprochen werden. 311) Thesen zur Stufenwertbildung in der Zeit Wir müssen uns hier noch kürzer fassen und uns auf folgende Bemerkungen zur zeitlichen Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme beschränken: (a) Es gibt auch ein schöpferisches Prinzip in der Zeit Was die Grenzen des Raumes hic et nunc vom Sein ausschließen, vermag im Nacheinander, im Werden, in der Zeit sich zu entfalten.
82
Lehmann, (Rechtsform).
76
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
(b) Hiebei tritt zugleich ein Ausleseprinzip in Erscheinung: Nur das Wesentliche wird tradiert (und bildet damit das Bewahrende im Moment der Ebenbildlichkeit in der Zeit), das Novatorische erfüllt damit den neu gewonnenen Raum (ζ. B. ebenso etwa bei Kirchenbauten wie in Ansehung familiären Werdens und Vergehens einschließlich damit verbundener personaler Unternehmen etc.). (c) Bezüglich der Sinnrichtung zeitlich-historischer Vermannigfaltigung läßt sich u. E. bedenken: (aa) Es tritt eine Vermannigfaltigung
im Sinne des Reifens ein.
(bb) Die Wirtschaftsepochen, die selbst solche Reifeeigenschaft besitzen, sind Begleiter des Reifens des Menschen, mögen sie phylogenetisch, mögen sie metaphysisch bedingt gesehen werden. Sie stellen in der Regel Zäsuren der Neuorientierung von Grundverhältnissen der Gezweiung dar: (1) Zwischen den Menschen (ζ. B. Aufhebung der Sklaverei) (2) Zwischen Mensch und Natur (ζ. B. Versiegen von Energiequellen; neue Erkenntnis über den Selbstzweckcharakter der Natur). (3) In der großen Linie mag es sich um Näherung von Ur- und Abbild, mithin um Abwendung und Heilung handeln. (cc) Vollziehend tritt hier nicht zuletzt in Ansehung des Eigenlebens ein Wandel ein: Die homines novi lösen die Nur-Traditionalisten ab. W. Sombart würde hier vom Rhythmus als Prinzip der ökonomischen Entwicklung sprechen. bb) Beispielhafte Verdeutlichung gestalthafter Vermannigfaltigung sozialer Leistungssysteme Es erscheint uns sinnvoll, die obigen Ausführungen noch beispielhaft zu verdeutlichen. Dabei wollen wir zum einen die morphologische Ableitung des unser Fachgebiet tragenden Grundbegriffes, nämlich des Betriebes als Morphologieaspekt der sich damit besondernden Wirtschaft zur betrieblichen Gestalt in Angriff nehmen. Zum anderen wollen wir die teilinhaltliche Vermannigfaltigung graphisch verdeutlichen, um hernach einen spezifischen Gestaltbegriff der Wirtschaft nach Maßgabe unserer Teilinhaltsordnung zu analysieren. 1) Der Begriff
„Betrieb" als Gestaltmoment der „Betriebs-Wirtschaft"
Es geht uns hier um die Begriffsableitung F. Schönpflugs, die wir vorweg graphisch darstellen: Zu den einzelnen Ableitungsstufen
ist folgendes zu sagen:
(a) Ganzheitlich nennt Schönpflug z. B. die geschlossene Hauswirtschaft. Einzelheitlich sind die von Familien und sonstigen ganzheitlichen Gebilden gegliederten Teilwirtschaften.
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
77
Soziale Gebilde (Interdependentes Handeln)
II
I ι
Höherer Stufe
"
1 Einzelheitliche
Ganzheitliche
1
Niederer Stufe
Ι Ι Offene
1
Geschlossene . — " — ,
Veranstaltung Höherer Stufe Unternehmung
Betrieb Niederer Stufe 11 Nichtunternehmung
II Universalhistorische
Partikularhistorische
(b) Ein Gebilde höherer Stufe ist ζ. B. die Volkswirtschaft gegenüber einer Einzelwirtschaft, der Betrieb gegenüber seinen Abteilungen usw. (c) Einzelheitliche Gebilde können sich offen oder geschlossen zu höheren Stufen zusammenschließen: im ersten Falle über den Markt (Offen = Verkehrswirtschaft), im zweiten als Zentralverwaltungswirtschaft. (d) Geschlossene Gebilde (höherer oder niederer Stufe) können sozusagen fallweise oder dauernd in Tätigkeit sein: Hier unterscheiden sich die geschlossenen Gebilde in Veranstaltung und Betrieb. Wendet man hier wieder das Merkmal höher und niedrig an, so treten einander Gesamtbetrieb (Zentralverwaltungswirtschaft) und Einzelbetrieb (sowohl als Glied der offenen oder geschlossenen Gesamtwirtschaft) gegenüber. (e) In der offenen Gesamtwirtschaft nimmt der Betneb die Gestalt der Unternehmung, in der geschlossenen vorzüglich die der Nichtunternehmung an. (f ) Unternehmungen können nunmehr nach Maßgabe des novatorischen Prinzips die Art der universalhistorischen Unternehmung annehmen oder die partikularhistorische Form der kapitalistischen Unternehmung bilden. Betriebs-Wirtschaft hat also die Gestalt des Betriebes (mit Subformierbarkeiten), womit es sinnvoll erscheint, diese Wirtschaftsgestalt unter freier Verwendung Schönpflugscher Definitionsansätze gestalttheoretisch (morphologisch) wie folgt zu bestimmen: Betriebswirtschaft ist ein geschlossenes einzelheitliches Dauergebilde höherer oder niederer Stufe, das in der (offenen) Verkehrswirtschaft (nicht in der Zentralverwaltungswirtschaft) die Form der Unternehmung annimmt, und zwar in den grundsätzlichen Subformen der universalhistorischen oder partikularhistorischen (kapitalistischen) Sinngebung83. 83 w i r verweisen auf: Fritz Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand); seine Betriebsdefinition
78
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Im übrigen sei hervorgehoben, daß es sich hierbei nur um einen Beispielfall morphologischer Begriffsbildung handelt, wobei die Stichhaltigkeit der Gestaltmerkmale in einer Diskussion nicht vertreten werden soll; diese werden aber im großen und ganzen für verstehbar und lehrrelevant erachtet. 2) Graphik gestaltbildnerischer staltbegriffsanalyse
Differenzierung
und teilinhaltsorientierte
Wie schon einleitend angeführt, geht es uns in weiterer Folge um eine graphische Vorstellung des teilinhaltlichen Vermannigfaltigungsvollzuges sozialer Leistungssysteme, der wir einen spezifischen, teilinhaltlich orientierten Analysenbefund einer spezifischen Wirtschaftsgestalt folgen lassen wollen. 20) Graphik teilinhaltlich-stuflicher Gestaltbildung Wenn wir den von uns semantisch verstandenen Begriffen „klein - mittel groß" folgen, so gelangen wir zu folgenden Stufenwertgraphiken: Aus Vereinfachungsgründen führen wir nur den Werbestufenwertverlauf Für alle anderen Bereiche mögen andere Farben vorgestellt werden. 21) Gestalttypologie der „mittelständischen Unternehmung" Wir analysieren im Sinne teilinhaltlich-stufenwertbildender Betrachtung die mittelständische Unternehmung, wobei wir uns dabei voll der Merkmalscharakteristik K. J. Gantzels** wie folgt bedienen: (a) In Ansehung der Assoziierungsweise „... ist als mittelständische Unternehmung diejenige Personalunternehmung anzusehen, die die dauerhafte hauptsächliche Lebensaufgabe, Berufs- und Existenzgrundlage ihres Eigentümers ist, der die Unternehmung als leistungsfähiger Fachmann selbständig leitet, durch persönliche ständige Mitarbeit eine Vielzahl verwaltender und zum Teil ausführender Funktionen wahrnimmt und die betrieblichen Vorgänge bis in Einzelheiten hinein beherrscht, überschaut und überwacht" 85. Offen ist indessen die Frage, ob diese Fachmanneigenschaft im gestaltbildenden oder hervorbringenden Bereich gegeben ist. (b) Korrelativ bestimmt sich die Funktionalqualität der Werbung wie folgt: „Die Werbung stellt sich hauptsächlich als persönliche Einzelumwerbung mittels Verkaufsgesprächs und Einzelwerbebrief dar, wobei der Unternehmer maßgeblich beteiligt ist86." findet sich auf S. 104, die der Betriebswirtschaft S. 153. Da uns zwischen Ableitung von Einzelmerkmalen und ihrer begrifflichen Integration schwerwiegende Diskrepanzen zu bestehen scheinen/haben wir unsere Definition nur an den Einzelmerkmalen orientiert. 84
Gantzel, (Unternehmung).
85
Ebenda, S. 107.
86
Ebenda, S. 106.
aus.
Ge
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff
79
1. Stufenwertpyramide
\vvvv / \W W / \ \ Wn/^v \ \ \/\ \ \ V^ ^
/
/
>
2.
S
\
t
Stufenwertquerschnitte
o
t
a
(2)
Mittelgebilde
(3)
Großgebilde
-
Stufenwert -
-
Stufenwert Stufenwert
Legende:
\/T
0
Kleingebilde
E L Τ w a t ο
\\ \ \ \ W
(1)
= Erzeugungsfunktion(en) = Lagerhaltungsfunkt ion = Transportfunktion = Werbefunktion = As soziierung sfunkt ion = Austauschbeziehungsfunktion = Organisât ions funktion
Legende: a)
w
b)
Bereiche: w-w Werbebereich a-a Assoziationsbereich usw. E-E Erzeugungsbereich L-L Lagerhaltungsbereich T-T Transportbereich Stufenwerte
Großgebildestufenwert MittelgebiIdestufenwert KleingebiIdestufenwert
w
a
t Abb.
ο 3:
Stufenwerte
der
Gestaltbildung
(c) In Ansehung der Organisationsqualität gilt: Entsprechend dem personalen Wirtschaftsprinzip (Wernet) wird alles „... von der persönlichen Mitwirkung des Unternehmers bis in Einzelheiten hinein bestimmt"87. An Stelle von strenger Aufgabenteilung tritt Aufgabenvielfalt, insbesondere wieder beim Unternehmer auf: Er „zeichnet sich durch ständige und intensive funktionsgehäufte Mitarbeit... aus"88. (d) Die Marketing- und Handelsgestalt ist korrelativ wie folgt bestimmt: So ist charakteristischerweise „... die Beschaffungs-, Werbe- und Absatzpolitik anpassungsfähig ..." und „... von persönlichen Kontakten und insbesondere von der persönlichen direkten Einflußnahme des Unternehmers geprägt"89. 87
Ebenda, S. 103.
88
Ebenda, S. 104.
89
Ebenda, S. 105.
80
I. Abschnitt: Der Zentralbegriff der Wirtschaft
Ferner wird „... die Markterkundung... in Form einer wenig systematischen, sich aus vielen Einzelerfahrungen zusammensetzenden Marktbeobachtung vornehmlich durch den Unternehmer betrieben". Schließlich sind „... rein spekulative Einkäufe ... selten"90. (e) Für die Hervorbringungsqualität gilt insbesondere: „Die Unternehmung ist auf eine der Menge und/oder Abmessung nach kleindimensionierte Waren- oder Dienstleistung gerichtet." Innerhalb dieser Kapazitätsgrenzen sind „... mittelständische Unternehmungen... grundsätzlich nicht an bestimmte Wirtschaftszweige oder Branchen gebunden.. " 9 1 . (f) Werfen wir schließlich noch einen Blick auf die korrespondierende Pretialqualität, so ergibt sich, daß „... die Kapitalrentabilität gegenüber der Berufsausrichtung eine untergeordnete Rolle"92 spielt. Der mittelständische Unternehmer „... erstrebt in erster Linie keinen maximalen, sondern einen auskömmlichen und seiner Berufsleistung gerecht werdenden Gewinn"93. Des weiteren ist „... die Unternehmung überwiegend arbeitsintensiv und hat eine stark proportionale Kostenstruktur" 94. Kalkulatorisch erstrebt sie einen Preis, „... der dem Einsatz personeller und sachlicher Mittel... für die Waren- oder Dienstleistung zuzüglich eines mäßigen Gewinnaufschlages gerecht wird" 95 . Wir betonen abschließend, daß es sich hier zweifellos um einen Idealtypus im M. übersehen Sinne, der nicht einfach ist, sondern aus einer spezifischen Sinngebung kognitiv folgerbar und als Norm abweichenden Tendenzen entgegengehalten zu werden vermag (ζ. B. zwecks Ergreifung gestalterhaltender bzw. wiederherstellender einzel- wie gesamtwirtschaftlicher Maßnahmen) handelt. Fassen wir abschließend die Relevanz der Morphologie bzw. der morphologischen Betrachtung schlagwortartig ins Auge, so kann man von ihr sagen: Sie setzt die Funktionalbetrachtung fort und fügt diese zur allgemeinen wie vermannigfaltigenden Einheit; teilinhaltliche und eigenlebensmäßige Stufenwertbildung sind die tragenden Grundbegriffe, Verstehens- und Forschungshilfen; Funktional- und Eigenlebens-Qualitäten sind keine Maßgrößen, sondern semantisch-kognitive Sequenzen. Morphologie bringt die ganzheitliche und verstehende Betrachtung einander näher, womit zugleich die empirische Mannigfaltigkeit theoretisch erfaßbar wird; damit durchbricht sie auch jedwede Enge der Festlegung unserer Disziplin auf irgendeinen Gestalttyp, wie z. B. bei W. Rieger die privatwirtschaftlich-kapitalistische, bei E. Gutenberg die gewinnmaximierende Unternehmung. Jedwede Vorstellung von Erfolg wird sinntypenentsprechend deutbar. 90
Gantzel, (Unternehmung), S. 105.
9
1 Ebenda 92 Ebenda, S. 103. 93
Ebenda.
94
Ebenda, S. 106. Ebenda, S. 104.
95
Vorlesung Nr. 2: Wirtschaftsbegriff als sozial wissenschaftlicher Leistungsbegriff
81
Damit haben wir die Einführung in den Wirtschaftsbegriff sowie seine funktionale und morphologische Entfaltung abgeschlossen und können uns kurz dem Gegenaspekt der Geltungsgrößen zuwenden. b) Vollendung des Wirtschaftsbegriffes in der Korrelation von Strukturmomenten und Geltungsgrößen An dieser Stelle angekommen, tritt uns die Wirtschaft als soziale Leistungsordnung in einer grundsätzlich neuen, durchaus aber mit den bisher gewonnenen Einsichten korrelierenden Eigenschaft entgegen, die wir als geltungs- und geltungsgrößenmäßige Komponente anzusehen geneigt sind und auf welche wir in den Kapiteln 7-9 einzugehen beabsichtigen. Jedes Ganze, so auch die uns interessierenden sozialen Gebilde in ihrem Leistungsgehalte, beinhaltet immer „... Glieder mit verschiedenem Ganzheitsgehalt. Ist aber der Ganzheitsgehalt der Teilganzen und der ihnen angehörenden Glieder verschieden, so ist auch die Ganzheitsnähe die Wesentlichkeit, die Zentralität dieses Ganzheitsgehalts verschieden. Verschiedene Wesentlichkeit, Ganzheitsnähe oder Rang ist daher den Teilganzen mit ihren Gliedern grundsätzlich eigen96." In dieser Bestimmung liegt alles das beschlossen, was sich in der Wirtschaft, also der sozialen Leistungsordnung unter den Begriffen Geltung, Entgelt, Kosten, Preise und ähnlichem niederschlägt und insgesamt auf eine Art Transformation des Strukturellen in das hiemit korrelierende Geltungsmäßige, in einem spezifischen Sinne auch Größenmäßige bedeutet, weshalb man auch von einer Geltungs- oder Leistungsgrößenordnung als korrelatives Pendant der sozialen Leistungsordnung sprechen kann, an deren Zustandekommen und Gestaltung alle Funktionalbereiche und die damit verbundenen Gestaltbildungskriterien in ihrer Weise beteiligt sind. Diesem Gesichtspunkt im Grundsätzlichen nachzugehen, ist der Inhalt des III. Abschnittes, dem jedoch die Strukturanalyse der Leistungsordnung (Π. Abschnitt) auch hier logisch vorangestellt wird.
Literaturhinweise zum Studium Kolbinger, (Betriebsführung); ders., (Spann); Weisser; (Einzelwirtschaften); ders., (Morphologie); Thiemeyer, (Gemeinwirtschaft); Gantzel, (Unternehmung); Nordsieck-Schröer, (Organisationslehren); Spann, (Kategorienlehre).
96
6
Spann, (Kategorienlehre), S. 149.
Kolbinger
Zweiter Abschnitt
Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Einleitung Die Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme, begleitet von der geltungsmäßigen Abbildung und geltungsgrößenmäßigen Abgeltungsordnung, ist Gesamtaufgabe aller vier gestaltbildenden Punktionen. Diese bilden nach Maßgabe vorgängiger Ausführungen über ebenbildliche gestalthafte Vermannigfaltigung zunächst für sich einen Funktionenkreis derartiger stufenmäßiger Besonderung (verhältnismäßig-vollkommenheits- und rangmäßig) entsprechend den Stufen der Hervorbringung. Somit kommt es zur integrativen Gesamtgestaltung und die Gestaltbildungsfunktionen können damit ihre Aufgabe erfüllen, Grundlage jedweder Hervorbringung zu sein. Zu bedenken ist für die Fortführung unserer Analyse indessen noch, daß die gestaltbildenden Funktionen in sich selbst eine bestimmte Anordnung, sozusagen eine Syntaktik besitzen, also einander ebensowenig beliebig, ohne bestimmter Sinnfolge zugeordnet sind, wie die Worte in einem Satze, unbeschadet der funktionalen - und vergleichsweise der wortmäßigen - Eigenbedeutung, also sozusagen ihrer Semantik. Hinsichtlich dieser Funktionen-Syntaktik, die auch die Abfolge unserer Funktionalanalysen bestimmt, gilt für uns: 1. In der Werbung wird sozusagen alles vorbereitet, die Bereitschaft einander Dienste zu leisten und Dienste entgegenzunehmen, womit sich diese auch vorzüglich in eine solche um Leistungsabnehmer und Leistungsbereite gruppiert. 2. Es muß letztlich eine Grundentscheidung fallen: Gestaltbildung in einer Form, welche bestimmt, was im eigenen Wirkungsbereich hervorgebracht wird, ggf. bis zur völligen Selbstversorgung (freilich als ein bloß hypothetischer Grenzfall) oder von außen bezogen wird; damit bestimmt sich synonym der Bereich, in dem Assoziation dafür zu sorgen hat, daß Dienstbarkeitsbereitschaft entsprechungsgemäß geschaffen wird, während alles übrige der Austauschbeziehungsgestaltung (in beiden Richtungen) anheimfällt.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
83
3. In der Organisation vereinigen sich die gestaltbildenden Funktionen, um zugleich mit den hervorbringenden zusammenzuwirken, hier erfolgt also die Finalintegration von Gestaltbildung und Hervorbringung. Damit ist der syntaktische Gestaltbildungszusammenhang wie folgt skizzierbar: 1. Werbung 2. Assoziierung3. Austauschbeziehung
^
.
4. Organisation "
—
—Erzeugung Verkehr —Lagerhaltung
Die Hervorbringungsfunktionen interessieren in der Folge nicht, da sie ja nur Gestaltbildungsbesonderungsmomente und damit Besonderungen gestaltbildender Funktionen bedeuten und sohin nicht Gegenstand einer allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Gestaltbildungslehre sozialer Leistungssysteme, wohl aber von hier beliebig besonderbar sind.
Vorlesung Nr. 3
Werbung als Gestaltbildungsbereich der Konsum- und Leistungsgemeinschaft
Gliederung A. Entwicklungsleitlinie Werbebegriffe
des Werbebewußtseins
1. Entwicklungsleitlinie
und markante Gegenstandsbestimmende
des Werbebewußtseins
a) Deutschsprachige Entwicklungsüberlegungen b) Weiterreichende Wurzeln 2. Markante Werbebegriffe
als Zeugen des Gegenstandsbewußtseins
a) Auswahl markanter Werbebegriffe aa) Der Werbebegriff A. Lisowskys bb) Der Werbebegriff E. Maurers cc) Der Werbebegriff L. v. Holzschuhers dd) K. Skowronneks Werbebetrachtung ee) Der Werbebegriff der „Mannheimer Schule M b) Der ganzheitliche Werbebegriff aa) Der Werbebegriff O. Spanns I)
Gesellschaftsbildung
10) „Vergemeinschaftung" auf unterster Gesellungsebene II)
„Vergesellschaftung" auf höherer Stufe
110) Das Wesen „durchgängiger" Gesellungsgründe
6*
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
84
111) Durchgängige Gesellung durch Herrschaft oder Werbung 2)
Werbung und Wertentlehnung
20) Werbung und Werbebereiche 200) Werbebegriff 201) Werbebereiche 21)
Wertentlehnung
c) Grundrichtungen der Werbetheorie und Werbestile aa) Elementaristische Werbetheorien bb) „Ganzheits- und gestaltpsychologische" Werbetheorien B. Skizze einer werbetheoretischen re sozialer Leistungssysteme
Entfaltungslinie
als gestalt bildnerische Teilbereichsleh-
1. Theorie der Werbeleistung a) C. Hundhausens Werbeleistungstheorie b) Leitlinie ganzheitlicher Werbeleistungstheorie aa) Konsum- und Leistungswerbung bb) Stufen und Werbung 2.
Theorie der Werbemittelwirkung a) Persontheorie aa) Zur Persontheorie R. Seyfferts bb) Zur ganzheitlichen Persontheorie b) Theorie der Werbemittel aa) Personkorrelative Strukturmomente der Werbemittel bb) „Verdichtung" und „Ausdruckssteigerung" als Momente der „Werblichkeit"
Eine Einführung in Theorie und Lehre werblicher Strukturierung sozialer Leistungssysteme wird u. E. zweierlei vorzüglich in Betracht zu ziehen haben: 1. Die Leitlinie der Entwicklung des Werbebewußtseins und der hieraus resultierenden begrifflichen Gegenstandsbestimmung. 2. Eine Darstellung der Grundgehalte und Grundrichtungen der Werbetheorie und -lehre.
A. Entwicklungsleitlinie des Werbebewußtseins und markante gegenstandsbestimmende Werbebegriffe
Das Werbebewußtsein ist in seiner Gesamtheit nicht einfach wissenschaftlicher, sondern ebenso alltäglicher Natur. Daraus formt sich dem Wissenschaftsfortschritt entsprechend der dieses Gegenstandsbewußtsein bespiegelnde Werbebegriff.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
85
1. Entwicklungsleitlinie des Werbebewußtseins
Wir wollen hier insbesondere auf die deutschsprachigen Entwicklungsbetrachtungen eingehen, um hieran eine kleine Überlegung über etwa weiterreichende Wurzeln zu machen, die nicht zuletzt für Gegenstandsverständnis und Begriffsbildung klärend sein könnten.
a) Deutschsprachige Entwicklungsüberlegungen (a) Auszugehen ist vom Begriff der Reklame, der werbetheoretisch folgende Entwicklung durchgemacht hat: (aa) Ursprünglich hatte der Begriff eine nur drucktechnische Bedeutung (le réclame: Nach der letzten Zeile einer Druckseite Anführung des ersten Wortes der Folgeseite). Der Begriff wird ferner für eine bezahlte Buchbesprechung verwendet1. Zum Französischen (siehe Langenscheidt): réclame (f) Reklame; typ. (drucktechnisch, J. K.) Blatthüter (m); réclamer: anrufen, beanspruchen, Einspruch erheben, protestieren, sich berufen auf. Es mag sein, daß gewisse drucktechnische Zusammenhänge bestehen, die sich auf die Annonce (eben nach dem redaktionellen Zeitungsteil) beziehen. Etymologisch verbindet man damit die Vorstellung „Dawiderrufen" (aufmerksam machen?). (bb) Wie schon oben erwähnt, wird ggf. Reklame und Annonce einander gleichgesetzt. Von hier folgert Hundhausen: „Echte Werbung ist echte und wahrheitsgemäße Unterrichtung." Aber: Nicht jede Unterrichtung muß werblich sein! (b) Die Ablösung von Reklame durch Werbung vollzieht sich wie folgt: (aa) Ausgangspunkt sind Eindeutschungsbemühungen (Victor Mataja 1910, Hans Weidenmüller 1912). Nach R. Seyffert wurde „... die Anwendung des Wortes ,Werbung*... im deutschen Sprachgebrauch seit Ende des ersten Weltkrieges .. " 2 vollzogen. (bb) In weiterer Folge wurde Werbung zum Oberbegriff, unter den sich Subbegriffe nach dem Anwendungsbereich entsprechender Maßnahmen wie folgt subsummierten: (1) Wirtschaftsbereich: Reklame (2) Nichtwirtschaftsbereich, insbesondere Politik: Propaganda Heute unterscheidet Seyffert: Wirtschaftswerbung, religiöse, politische, huma· nitär-soziale, wissenschaftliche, künstlerische Werbung.
1 Kluge-Götz, (Wörterbuch), S. 611. 2 Seyffert, (Werbelehre), S. 7 f.
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
86
(cc) Man ersetzt aber schließlich auch im Wirtschaftsbereich den Begriff der Reklame durch den der Wirtschaftswerbung, wofür insbesondere Vollkommenheits- und Stilfragen maßgeblich waren. Wie R. Seyffert ausführt, wird damit das Sachliche der Werbung gegenüber der Reklame betont, weil „... in manchen älteren Begriffsbestimmungen... das Unsachliche (auch Unlautere, J. K.) geradezu als Hauptmerkmal genannt.. " 3 wird 4 .
b) Weiterreichende
Wurzeln
Weiter zurückreichende Wurzeln lassen sich im Begriff synago (synaso) = werben 5 finden. Hieraus läßt sich der Sinn von Werben durch Silbenzerlegung sehr leicht ableiten: ago heißt führen, leiten, dirigieren; die Silbe syn meint grundsätzlich zusammen, womit synago sich als zusammenführen semantisch deuten läßt. Synago meint, von außen her, auf einen Punkt, in einen Kreis hineinführen. Vollends klar wird aber der Sinn dieses Zusammenführens im Sinne von Werben, wenn wir das Substantivum, nämlich synagogy, in Betracht ziehen. Synagogy ist der Tempel der Juden, in dem sie sich - im Bewußtsein immer präsent, von den Sinnen her immer anschaulich - als Gemeinschaft verstehen, zusammengeführt und damit Gemeinschaft werden. Es gibt u. E. kaum eine überzeugendere Sprache, um das Wesen der Werbung, ihren Ursinn klarzustellen, als die eben gebrauchte: zusammenführen, geistig integrieren, eine Gemeinschaft bilden. Von dieser Warte noch ein Blick auf Reklame, gegenüber der Werbung: Es handelt sich hier um nichts anderes als das lateinische clamare, griechisch kleo: weinen, klagen, rühmen (einen Toten durch die Klageweiber), laut ausrufen, verkünden (und damit in der Tat etwa: Aufmerksamkeit erregen); damit bleibt Reklame gegenüber Werbung äußerlich, mehr den Sinnen als dem Sinn zugeneigt6. 2. Markante Werbebegriffe als Zeugen des Gegenstandsbewußtseins
Es spricht für das tiefere menschliche Vermögen, dem Ursinn der Dinge näherzukommen, wenn dieses Vermögen nur bewußt verausgabt wird im Streben nach Wahrheit. So sind auch die folgenden Werbebegriffe ganz von dem zuletzt Ausgeführten getragen. 3 Seyffert,
(Werbelehre), S. 8.
4
Vgl. hiezu: Überredung, Persuasion, Suggestivkonkurrenz, Geheime Verführung usw.; Die Frage der Lauterkeit durchzieht die ganze, auch moderne werbewissenschaftliche Literatur. 5 6
Curilli,
(Neugrieche), S. 373.
E i n kleiner etymologischer abschließender Hinweis auf die weiterreichenden Wurzeln unseres Gegenstands und Begriffes sei gestattet: ausgehend von kleo ist Herakles jener, der die Göttin Hera verkündet.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
87
a) Auswahl markanter Werbebegriffe Wir ziehen die Werbebegriffe von A. Lisowsky, E. Maurer; L. v. Holzschuher, K. Skowronnek und R. Seyffert in Betracht; später werden wir uns mit einem umfassenderen Gesamtansatz in seinen Grundlinien beschäftigen. aa) Der Werbebegriff A. Lisowskys A.Lisowsky begründet seinen Werbebegriff im Jahre 19347 und führt hiezu im Jahre 1954 aus: „... Werbung beruht darauf, daß das »Leben in seiner Ganzheit1 von »Wirtschaft 4 und »Geschäft' nicht zu trennen ist, und daß der Mensch... über seine Absicht hinaus ... durch seine Ganzheit beeinflussend (auf andere, J. K.) wirkt." Ihm gilt als Hauptergebnis der „...Werbung ... die Gesamtheit der menschlichen Beziehungen, die dadurch entstehen, daß geistige Inhalte übertragen werden, um vom Empfänger als eigen aufgenommen und verwirklicht zu werden8." Lisowsky betont insbesondere das Folgende: 1. Die Untrennbarkeit von Wirtschaft und Gesellschaft (Wirtschaft/Geschäft) 2. Bewußte und unbewußte Wirkung des einzelnen auf den anderen (Ganzheitswirkung) 3. Hauptleistung der Werbung: Entstehung menschllicher Beziehungen 4. Wirkung: Durch Übertragung geistiger Inhalte auf Dritte mit der Folge der Aufnahme durch diese als eigene (Identifikation). Es wird nichts übertragen, vielmehr erreicht ein schon gegebenes Bewußtsein ein noch unerwecktes (so auch in der Lehre usw.). Grundfrage: Das Werden des subjektiven und objektiven Geistes.
bb) Der Werbebegriff E. Maurers „Die Werbung als etwas Geistgeborenes ist auf Vereinheitlichung gerichtet. Werbung ist (somit) eine planmäßige ideelle Beeinflussung eines bestimmten Menschenkreises mit dem Ziel, einer Idee überzeugenderweise den Weg ins Bewußtsein zu ebnen und so die Willensbereitschaft herbeizuführen zur zwanglosen Aneignung und Verwirklichung derselben9." Maurer hebt u. E. insbesondere folgende Tatbestände hervor: 1. Werbung als Akt der geistigen Einflußnahme 2. Grundziel eine spezifische (gesellschaftliche) Vereinheitlichung, also eine gewisse Angleichung 7
Lisowsky, (Werbung), S. 3.
8 Derselbe, (Grundprobleme), S. 195. 9 Maurer, (Wirtschaftswerbung), S. 9 f.
88
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme 3. Damit Entstehung menschlicher Beziehungen, die vordem nicht bestanden oder zumindest unzureichend waren, u m für sie handeln zu können oder für sich oder andere handeln zu lassen 4. Vollzug (prinzipiell): Übertragung geistiger Inhalte vom Werbenden auf die Umworbenen, und zwar so, daß diese sie als eigene empfinden (Identifikation).
cc) Der Werbebegriff L. v. Holzschuhers L. v. Holzschuher hebt insbesondere hervor, daß sich Menschen durch Werbung (aufbauend auf einer schon vorhandenen, aber der Entfaltung ggf. Entfaltungshilfe bedürftigen Grundlage) „... überindividuelle Ganzheiten..einzugliedern und einzuordnen pflegen, wobei „... im ,Wirbewußtsein', das man für die Gemeinschaft eines Volkes, einer Nation, einer Partei, eines Standes, eines Vereines usw. empfindet, ... der Stolz auf die Geltung solcher Überindividuen alle selbstischen Strebungen nach Geltung und alle persönliche Eitelkeit" 10 im einzelnen überbietet. Er faßt den Werbebegriff daher wie folgt zusammen: „Werben ist der Inbegriff aller Verhaltensweisen, auf die es zurückzuführen ist, daß das, was man von anderen getan haben will, von diesen schließlich gewollt wird 11 ." In bezug auf den Wertauftrieb des Wir-Bewußtseins, von dem oben die Rede war, heißt es dann schließlich: „Im Bereich der Wirtschaftswerbung findet das seine praktische Anwendung, wenn es gelingt, die Kunden einer bestimmten Marke zu einer Gemeinschaft zusammenzufassen und ζ. B. von der großen ,DKW-Familie' zu sprechen12." Werbung kann bis zur Institutionalisierung einer Art Kundengemeinschaft gehen (nicht streng im soziologischen Sinne der Gemeinschaft), die man „... mit Hauszeitschriften, Bildung lokaler Klubs und der Anregung, sich gegenseitig zu grüßen, unterstützen..." 13 kann. Ludwig v. Holzschuher stellt somit insbesondere auf folgende Momente ab: 1. Die Bedeutung des Wir-Bewußtseins als Grundlage sozialer Überindividuen (im Gegensatz zum bloßen Ich-Bewußtsein). 2. Werbung ist Willensbeeinflussung durch spezifische Verhaltensweisen, und zwar so, daß das eigene und fremde Wollen kongruent sind bzw. werden. 3. Ggf. Bildung einer eigenen Kundengemeinschaft als Partnerin der werbenden Leistungsgemeinschaft.
dd) K. Skowronneks Werbebetrachtung Markant an K. Skowronnek - Schüler K. Oberparieiters - ist seine Auffassung, Werbung sei alles „... was imstande ist,... das Lebensgefühl zu steigern und 10
Holzschuher; (Werbung), S. 294.
11
Ebenda, S. 16.
12
Ebenda, S. 294.
13
Ebenda.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
89
gleichzeitig die eigenen Ansichten vom Leben und seinen Formen zu bestätigen14." Werbung könnte in diesem Sinne als Form des gewaltlosen Wettbewerbs Lebensformen aufgefaßt werden.
der
ee) Der Werbebegriff der „Mannheimer Schule" Die Mannheimer Schule15 der Werbewissenschaft und Werbelehre wird insbesondere durch drei Namen charakterisiert: H. Nicklisch, R. Seyffert, E. Lysinski. Seyffert/Lysinski veröffentlichten 1920 eine gemeinsame, erste Begriffsbestimmung für Werbung: „Werbung ist organisierte Anwendung von Mitteln zur Massenbeeinflussung von Menschen, in freier Entschließung, sich einen dargebotenen Zweck zu eigen zu machen, und sich durch ihn bestimmt, an seiner Verwirklichung mitzubetätigen16." Während Lysinski diese Definition unverändert beibehielt17, legte Seyffert den Begriff der Werbung 1929 neu fest: „Werbung ist eine Beeinflussungsform, die durch planmäßige Mittelanwendung veranlassen will zum selbstgewollten Aufnehmen, Erfüllen und Weiterpflanzen des von ihr dargebotenen Zweckes18." Schließlich ergibt sich „... unter Einbeziehung der Merkmale des Freiwilligen, des Selbstwollens der Personen, die die Werbung anspricht, und des beabsichtigten Verfahrenseinsatzes durch den Werber ..." folgende Begriffsbestimmung: „Werbung ist eine Form der seelischen Beeinflussung, die durch bewußten Verfahrenseinsatz zum freiwilligen Aufnehmen, Selbsterfüllen und Weiterpìlanzen des von ihr dargebotenen Zweckes veranlasssen will 19 ." Bestimmen wir die wesentlichsten Kriterien, so ist insbesondere festzuhalten: 1. Entwicklungsmäßig kann bei Seyffert insbesondere das Abgehen von der Vorstellung Massenbeeinflussung (als zu enge Bestimmung der soziologischen Struktur der Umworbenen) festgestellt werden. 14
Skowronnek, (Werbung), S. 98.
15
Zur „Werbewissenschaftlichen Schule Mannheim": 1911 hält H. Nicklisch seine erste Vorlesung über „Reklame" an der Handelshochschule Mannheim; er fordert 1912 in einem Aufsatz „Die Reklame als Lehrfach an deutschen Hochschulen". 1914 errichtet er i m Rahmen des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Mannheimer Hochschule das „Werbewissenschaftliche Archiv", das er R. Seyffert zur Betreuung überträgt. Ebenfalls 1914 erscheint Seyfferts Buch „Die Reklame des Kaufmanns". I n diese Zeit fällt auch die fruchtbare Zusammenarbeit mit E. Lysinski (ab 1918 Leiter der betriebspsychologischen Abteilung, ab 1920 mit dem Weggang Seyfferts nach Köln auch Leiter der werbewissenschaftlichen Abteilung). Erste Vorlesungen R. Seyfferts über „Allgemeine Werbelehre" 1920/21 zu Köln. Hauptwerk: (Werbelehre). 16 Seyffert/Lysinski, (Werbung), S. 68; zit. bei Seyffert (Werbelehre), S. 16. 17
Lysinski, (Psychologie), S. 161; zit. nach Seyffert,
18
Seyffert,
(Werbelehre 1929), S. 8.
19
Seyffert,
(Werbelehre), S. 7.
(Werbelehre), S. 16.
90
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme 2. Schließlich werden folgende Momente betont: a) Seelische Einflußnahme b) Einsatz bestimmter Mittel (Verfahren - vgl. insbesondere auch Werbemittelbegriff i m Gegensatz zu anderen Mitteln der Beeinflussung von Menschen) c) Freiwilligkeit der Aufnahme, des Selbsterfüllens und Weiterpflanzens.
b) Der ganzheitliche Werbebegriff Im Grunde schwang der ganzheitliche Werbebegriff bereits in den bisher aufgezeigten Werbebegriffen mit; insbesondere zwischen der Mannheimer Schule und Othmar Spanns Werbebegriff bestehen Verbindungen. aa) Der Werbebegriff O. Spanns Werbung und Wertentlehnung - O. Spanns wesentliche Grundbegriffe für die Werbung - nehmen ihren Ausgang von jenen generellen Gesichtspunkten, die wir in einem früheren Abschnitt unter die Überschrift Wirtschaft und Gesellschaft stellten. 1) Gesellschaftsbildung Wir erinnern hier nur an folgende kategoriale Aussagen und die hieraus zu ziehende Nutzanwendung im Gesellschaftlichen: Alles Sein ist Ganzes, alles Sein besteht aus (ebenbildlichen) Gliedern: „Kein Glied findet sich allein..., es findet sich auch ein anderes20." Spann nennt diesen Tatbestand Mitausgliederung, bzw., weil ein Ganzes demnach mindestens zwei Glieder umfaßt, Gezweiung: „Der Mitausgliederung entspricht die Gezweiung, d. h. die... Mit-Eingliederung ... »Gezweiung4 ist der Bestandsgrund und die Lebensform alles Gliedlichen21." Gesellschaft ist ein geistiges Ganzes und für sie gilt: „Die gesellschaftliche Zergliederung erweist es überall, daß es in Erfahrung, Leben und Geschichte kein Geistiges gibt, welches in vollkommener Absonderung (Isoliertheit) entstünde und bestünde. Das Geistige im Menschen ist niemals anders als in Gemeinschaft entfaltbar, ist niemals in geistiger Einsamkeit22." So wie andere Fähigkeiten, so liegen auch die der Vergemeinschaftung im Menschen beschlossen und müssen sich erst entfalten. Die Gesellschaft ist nicht nur, sondern sie wird. Dies bedeutet für Spann: „Erwecktwerden und Erwecken bildet das Wesen der geistigen Gemeinschaft..." Hieraus „... ergibt sich auch von selbst der Einzelne als bloße Anlage (Potenz) ..., welche erst in geistiger Ge20
Spann, (Kategorienlehre), S. 262.
21
Ebenda
22
Ebenda
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
91
meinschaft (Ganzheit) aktualisiert wird" 23 . Es heißt weiter: „Die geistige Gezweiung zeigt sich kraft ihrer schöpferischen Eigenschaft vor allem als solche, in welcher beide Glieder als Werdende erscheinen. In beiden Menschen wird ein seelisches Element geweckt, umgebildet, angefeuert..., aber auch zurückgebildet...: Nachdem jemand ein geistiges Verhältnis hinter sich und durchgemacht hat, ist er ein anderer als vorher (in bezug auf den betreffenden geistigen Inhalt24." Mit der Betonung sowohl von Anlage wie der (gesellschaftlichen) Entfaltung sbedingungen, weist Spann ebenso den Individualismus wie die „Milieutheorie" in ihre Schranken, bestimmt folgerichtig das Gewicht des Einzelnen wie der Gesellschaft im Akt des geistigen Werdens und der Entfaltungsvollkommenheit25. Für die Werbelehre Spanns wesentlich ist neben dieser obigen Grunderkenntnis, die, daß dieses Werden der Gesellschaft (und mit dieser des Einzelnen) sich in unterschiedlichen Formen und unter unterschiedlichen Bedürfnissen nach Entfaltungshilfe vollzieht. Wir haben daher im Anschluß kurz diese „Umfangsund Stufentheorie der Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung 44 im Sinne einer Differenzierung des Bedürfnisses nach Vergesellungshilfe nach dem Maß der Ebenbildlichkeit der zu Vergesellenden als Bedingung für Werbung und Wertentlehnung eher stenogrammartig ins Auge zu fassen. 10) „Vergemeinschaftung 44 auf unterster Gesellungsebene Man kann sagen: Je kleiner die Zahl der zu Vergemeinschaf tenden, um so geringer die Notwendigkeit einer spezifischen Vergemeinschaftungshilfe. Spann sieht daher in der Gezweiung (vgl. Paarverhältnis) eine Art autonome, keiner besonderen Hilfen bedürfenden Vergemeinschaftung. Er formuliert hiefür folgende Grundsätze: (a) Auf die Frage „Zwischen wem vollzieht sich »autonom4 die Vergemeinschaftung44 antwortet er: „Nicht zwischen allen Menschen! Gezweiung (im Sinne der gemeinten »Autonomie4, J. K.) ist nur möglich innerhalb einer gewissen Gleichartigkeit .. . 26 . 44 Gleichartigkeit bedeutet wohl: Unmittelbare Wesensentsprechung. (b) Spann nennt dies das „Gesetz der inneren Gleichartigkeit der Gemeinschaft 44. Hieraus folgt das „Gesetz der Kleinheit der Gemeinschaft 44, das er als „Umfanggesetz" wie folgt formuliert: „Die Kleinheit der Gemeinschaft steht in geradem Verhältnis zu der Seltenheit der Vergemeinschaftungsgründe. Diese Gründe sind nun entweder selten (1), wegen ihrer Tiefe und Bedeutung (Freund-
2 3
üpann, (Gesellschaftslehre), S. 101.
24
Ebenda, S. 102.
25 Hier erkennt man auch, wie sich z. B. eine allgemeine Anlage nach der Um- und Mitweltberührung unterschiedlich formt (z. B. Natur- und Kunstverständnis von Bergbewohnern und Städtern). 26
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 227.
92
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
schaft zwischen Goethe und Schiller, Novalis und Schlegel), oder (2) wegen ihrer Entlegenheit und Absonderlichkeit (Gemeinschaft der Mottensammler) 27" 11) „Vergesellschaftung 44 auf höherer Stufe Auch die höheren Stufen der Gesellung entbehren nicht völlig vorgegebener menschlicher Anlagen zur „Durchvergesellschaftung 44, doch müssen hier ggf. gewisse „Angleichungs- und Näherungshilfen" geboten werden. 110) Das Wesen „durchgängiger44 Gesellungsgründe Gesellungsgründe jenseits der niederstufigen Gezweiung sind allgemeinmenschlicher Natur und dabei so beschaffen, daß sie keine engeren Bindungen ergeben bzw. ggf. sogar zu Zerklüftung führen, weil die kleinen Gemeinschaften ggf. nicht Über-sich-hinaus zu sein vermögen, die niederstufige Gesellung daher sogar zum Hindernis der (dennoch notwendigen) höherstufigen zu werden vermögen. Geringe, zur eigentlichen Gesellung nicht zureichende Gesellungsanlagen betreffen „... das »allgemein-Menschliche4..." und können als solche „... Gründe für durchgängige Vergemeinschaftung der Menschen abgeben..." womit es „... also zwar große Gemeinschaften ..." hieraus allein gibt, „... aber nur solche, die im Gewöhnlichen, nicht im innig Bindenden bestehen"28. Derartige durchgängige Gesellungsgründe, die jedoch zur Verstärkung bestimmter Gesellungshilfen bedürfen, sieht Spann in folgendem: (a) Es bestehen an sich allgemein-menschliche Gesellungsgründe, die im „Gewöhnlichen" und daher in mehr oder weniger geringer Verbindlichkeit bestehen (gewisse gemeinsame Gewohnheiten, die natürlich gegebene Sprache, Sitten ggf. über alle Völker hinweg, die sozusagen selbstverständlich sind und nicht besonders bewußt gemacht zu werden brauchen). (b) Es besteht in jeder menschlichen Mehrheit an sich die Tendenz, gewisse unprägnante - Ebenbildlichkeiten zu realisieren: (aa) Im Rang- und Vollkommenheitsmäßigen, in einer Art Geltungspyramide (von den Geltungsgegnern, über ihre Mitläuferschaft zu den Symbolträgern der Geltung reichend). (bb) Dabei ergibt sich zugleich schon eine gewisse Gruppierung um die individuellen wie zugleich gesellschaftlichen Teilinhalte (Religion, Kunstanhänger usw.). Insbesondere aber weil die gezeigten kleinen Gemeinschaften u. U. nicht über ihren Schatten zu springen vermögen, böte sich angesichts der wenig strukturprägnanten durchgängigen Gesellungsgründe die Gesellschaft als „... ein Bild 27
Ebenda, S. 228 f.
2 8
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 229.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
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schmerzlicher Zerklüftung ...: hier Freidenker, dort Katholiken; da Vegetarier, dort der fleischliebende Athletenklub .. " 2 9 . 111) Durchgängige Gesellung durch Herrschaft oder Werbung Um trotz Fortbestandes der Unterschiede, durchgehende Vergesellschaftung zu erreichen, letztlich nach dem Sachbedarf des friedlichen Miteinanders, der Gegenseitigkeit in der Dienstbarkeit usw., bedarf es spezifischer Vergemeinschaftungshilfen: (a) Kann die gesellschaftliche Einheit „... von selbst nicht verwirklicht werden ...", so bedarf es dazu einer auf der Grundlage einer Werteinheit und inhaltlichen Gliederung der Gesellschaft „... sich erhebenden Herrschaft" 30. (b) Diese „Durchvergesellschaftung" wird schließlich durch „... gewisse Vereinheitlichungserscheinungen ..." vollzogen, „nämlich »Werbung1 jeder Art, ζ. B. politische »Propaganda4, wirtschaftliche »Reklame' und »Wertentlehnung*.. " 3 1 . Hier zeigt sich wieder ein interessanter Zusammenhang, wenn Maurer R. Seyffert das Verdienst zuschreibt, erkannt zu haben, daß Werbung oder Zwang (Herrschaft) die grundlegenden Alternativen darstellen, gesellschaftsbildend zu wirken. Hier entscheidet sich daher insbesondere die Frage von Konsumfreiheit und Zwangskonsum, aber auch die Dosierung von Befehl und werblich erfüllten Freiheitsspielraum innerhalb der assoziativen Strukturen sozialer Leistungssysteme. Beides ist bestimmend für das Wirtschaftssystem. 2) Werbung und Wertentlehnung Um also im Bereiche der Zielverständigung Einheit zu stiften, über die kleinsten Gemeinschaften (Gezweiung) und die durchgängigen Vergemeinschaftungsgründe hinaus, bedarf es - jenseits des Zwanges bzw. der Herrschaft - der Werbung und Wertentlehnung. Sie bilden den Anfang der Konsumgemeinschaft, letztlich aber auch der dieser dienenden Gemeinschaften. 20) Werbung und Werbebereiche Relevant sind der Begriff und die von Spann herausgestellten Werbebereiche, wobei zugleich die Werbeleistungen anklingen. 200) Werbebegriff Für Spann besteht die Aufgabe der Werbung darin andere Menschen für die eigenen geistigen und praktischen Ziele, für die eigenen, vermeintlich besse29 Spann, (Gesellschaftslehre), S. 229. 30
Ebenda» S. 231.
31
Ebenda.
94
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
ren und richtigeren Anschauungen und Lebensinhalte zu gewinnen, sie also schließlich einer höheren Gemeinschaft zuzuführen, höheren Genossenschaften einzugliedern und die hiezu tauglichen Veranstaltungen zu schaffen. So stellt sich die Erscheinung der »Propaganda1, »Agitation' oder Werbung ein32." 201) Werbebereiche Spann unterscheidet zwischen Werbung in höheren geistigen Bereichen und Wirtschaftswerbung, was u. E. allerdings eher eine intentionelle Unterscheidung darstellt: Werbung um geistiger Gemeinsamkeit willen (ζ. B. für eine Kunstrichtung, eine politische Partei), oder aber, um für Dritte etwas hervorbringen zu können, damit diese zur Nutzung des Gebotenen bereit sind 33 . Bezüglich der Wirtschaftswerbung heißt es: „Einen Sonderfall von großer Bedeutung stellt die wirtschaftliche Werbung oder Anzeige (Reklame, Anpreisung), dar. Heute, in der Zeit des »freien Wettbewerbs', wo der Einzelwirtschaft ihr Absatz in keiner Weise gesichert ist, hat sich das Anzeigenwesen zu einer früher ungeahnten Ausdehnung entwickelt. Gerade die wirtschaftliche Anzeige zeigt deutlich die vereinheitlichende Verrichtung jeder Werbung an. Denn wie immer man auch über ihren Gebrauch und Mißbrauch denken mag, das ist deutlich, daß sie nicht, wie Marx meinte, gänzlich unfruchtbar ist, sondern daß ihr im modernen Wirtschaftsleben die wichtige Leistung zufällt, alle Neuerungen an Waren, Formen, Mustern, Verfahren, Organisationsformen zur raschen Kenntnis der Verbraucher zu bringen und so gleichmäßige Anwendung jener Güter und Neuerungen zu bewirken 34." Wir halten hier nur fest: Werbung kann in verschiedene Richtungen gehen, kann vermassend oder individualisierend wirken, kann insbesondere aber lauter oder unlauter sein (Vollkommenheitsweisen der Werbung). Spann stellt - obige Ausführungen einbeziehend - als Leistungen der Werbung insbesondere heraus: (a) Mittel zur Verbreitung von Neuerungen (Novationshilfeleistung) (b) Mittel zur Hebung des Verbraucherniveaus (Geschmack, Lebensstil) (c) Mittel des Wettbewerbs Spann beurteilt also die Werbung prinzipiell positiv, weil sie jedenfalls ein vernünftiges Regulativ in sich trägt: „Werbung ist ebenso aus der Herrschsucht wie aus der Liebe geboren, ebenso aus der Einsicht wie aus der Beschränktheit, aus dem Wohlwollen, wie aus der Berechnung... Ob die Werbung in der Mehrzahl der Fälle aus ehrlichem Idealismus stammt..., ob umgekehrt mancher von ihr zum Nichtigen und Schlechten herangezogen wird (Reklame!) - ist für ihre grundsätzliche Leistung noch nicht ausschlaggebend. Denn die Werbung kann 32
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 451.
33
Vgl.: Wirtschaftsbegriff.
34
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 453.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
95
ihrem Begriffe nach (!, J. K.) keinen dauernden Erfolg haben, wenn nicht der Überlegene als Werber auftritt 35." Wie Werbung in der Tat wirkt, ist eine Frage der Werbeprinzipien wie der Chancenverteilung, schließlich auch der (unterschiedlichen) Fähigkeiten der Umworbenen, sich positiven oder negativen Werbeappellen auf- und anzuschließen, durch das Bewußtsein des Nichtalleinseins, eine Steigerung ihres Mutes zum Handeln (ζ. B. sich modisch oder trachtenmäßig zu kleiden) zu erfahren. 21) Wertentlehnung „Der Werbung entspricht ein verwandter und doch entgegengesetzter Vorgang von Angleichung, den man als Wertvorspiegelung, Wertentlehnung ... bezeichnen könnte... Die Wertentlehnung ist die Umkehrung der Werbung. Hier wirbt niemand, sondern man bewirbt sich, man drängt sich herzu. Hier will nicht einer den anderen für eine Idee gewinnen, sondern man gibt umgekehrt vor, sie schon zu besitzen36." „Der Feige, der sich als mutig, der Arme, der sich als reich, der Stümper, der sich als tüchtig ausgibt, sie alle spiegeln Dinge vor, die sie für wertvoll halten, aber nicht besitzen. Sie schreiben sich vermeintliche oder wirkliche Werte zu, ohne sie tatsächlich zu eigen zu haben, entlehnen sie - ein Bestreben, das bis zur völligen Selbstverleugnung gehen kann, wie es mit köstlicher Ironie Andersens unsterbliches Märchen ,Des Kaisers neue Kleider' schildert 3 7 ."
Diese Wertentlehnung mag u. E. für die Werbung, insbesondere die Weiterverbreitung der durch sie dargebotenen Motive, bedeutsam sein, wie sie schon in der Werbedefinition anklingt. Nach Spann ist die Hauptform der Wertentlehnung die Mode. Sie nimmt „... in der Wertentlehnung eine ähnliche Sonderstellung wie die Reklame in der Werbung ein". Die Definition lautet: „Mode ist allgemein das Bestreben, sich einer geltenden Neuerung anzuschließen, um an jener Wertschätzung, welche die Träger dieser Neuerung genießen, teilzunehmen38." Sie folgt zum einen aus dem Motiv, sich oberen Schichten gleichzustellen, zum anderen gerade diesem, sich abzuheben39. Der Mode entgegen wirkt ggf. durchaus auch als Wertentlehnung - das bewußte Festhalten an Werten (ζ. B. Trachten, Stile u. ä. in allen Lebensbereichen)40. Da auch hier Auseinandersetzung, Wahlmöglichkeit zwischen Modernismus und Traditionalismus - grundsätzlich - besteht, ist auch Wertentlehnung ein 35
Ebenda, 454.
36
Spann, (Gesellschaftslehre), S. 455.
37
Ebenda
38
Ebenda
39
Vgl. Statussymbol u. ä
40
Spann sagt in diesem Zusammenhang: „Man spricht immer von ungeheuren Summen, die durch Alkohol und Tabak verschwendet werden. Daß die Mode viel, viel mehr kostet,... davon s p r i c h t . . d e r Mensch „von heute bezeichnenderweise nicht." (Gesellschaftslehre), S. 456.
96
. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Mittel, Konsumgemeinschaften dieser oder jener Art 4 1 aufzubauen. Offen bleibt die Wahlfähigkeit des Menschen, offen bleibt der Aufbau von Leistungsgemeinschaften für die einen und die anderen, ggf. für beides in einer Person 42. c) Grundrichtungen
der Werbetheorie
und Werbestile
Werbetheorie und (ggf. praktizierte) Werbestile bilden insofern eine korrelative Einheit, als im Streben nach Werbewirkung bestimmten werbetheoretischen Alternativen der Vorzug gegeben und damit die Werbegrundweise bestimmt wird. Ausgangspunkt für diese Grundrichtungen sind die entsprechenden Geisteslehren, auf die wir schon in früheren Ausführungen gestoßen sind: im wesentlichen empirisch-sensualistische auf der einen Seite, idealistisch-ganzheitliche auf der anderen 43. Unter Abstellung auf die werbepsychologischen Grundlagen unterscheiden sich daher prinzipiell elementanstische und ganzheitlich-gestalttheoretische Werbetheorien (und damit -stile und -praktiken):
aa) Elementaristische Werbetheorien Der Werbeelementarismus verlegt alles auf die Sinne, die nach Maßgabe der Reizstärke von Sinneseindrücken das menschliche Bewußtsein von der Wahrnehmung bis zur Willensbildung streng kausalistisch-proportional bestimmen. „Gemäß der... Konstanzhypothese bestehen eindeutige, mechanisch zu erklärende Zusammenhänge zwischen äußeren Reizen und den in den Sinnesrezeptoren entstehenden Empfindungen... Intensive Reize lösen starke Empfindungen, schwache Sinnesreize nur schwache Empfindungen aus. Die beiden Variablen der Funktion ,Reiz : Reaktion' korrelieren also - streng formuliert - immer positiv 1:1. Wiederholungen von Stimuli haben ferner kumulative Wirkung... Im Seelenmodell der klassischen (elementaristischen, J. K.) Psychologie war im 41
Ζ. B. Modebetriebe der „Haute Couture" etc. hier, Betriebe für Stilmöbel, Trachtenkleidung, Hausmannskost usw. dort. 42 Ζ. B. als „Lebensstil der Gleichzeitigkeit der Epochen", i m Grenzfall eine Verbindung von „Nostalgie" und „Modernismus". 43 w i r verweisen zurück auf Condillac, der „... den Sensualismus ... wirklich zu Ende dachte. E r geht von der Unterstellung einer steinernen Bildsäule aus, welcher nach und nach alle Sinne eingesetzt werden". Spann, (Logik), S. 8; I m Grunde heißt dies: E r n i m m t an, daß der Geist (das Bewußte) sich aus den Sinnen bildet, nicht durch diese erweckt wird (ζ. B. auch durch werbliche Erweckungsanstöße nach Maßgäbe anlagenbedingter Erweckbarkeit des Umworbenen). Die Gegenrichtung ist wie ausgeführt prinzipiell durch Leibnizens Satz bestimmt: „Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu - nisi intellectus ipser
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
97
übrigen (als Voraussetzung der Konstanzhypothese, J. K.) nur Platz für Bewußtseinsvorgänge... 44", somit keiner für das (zu erweckende) Unterbewußte. bb) „Ganzheits- und gestaltpsychologische" Werbetheorien Diese legen demgegenüber das Schwergewicht nicht auf die Sinne, sondern das Unterbewußte, nicht auf die Sinneswirkung, sondern auf den Sinngehalt und die Anmutungsqualität der Werbemittel. Die Wirkungsweise geht von ihrer Wahrnehmung über die Erweckungsfähigkeit schlummernden Bewußtseins (Tiefengedächtnis) bis zur Gedächtnis- und Willenswirkung. „Nach ganzheitlicher Auffassung ist... eine reine Bewußtseinspsychologie unzulänglich. .. Die Konstanzhypothese ist ebenfalls als überholt zu bezeichnen... Die Entscheidung darüber, ob ein Stimulus Verhaltensweisen auslöst, richtet sich also nicht nach der absoluten Reizstärke.. . 45 ." Eigenschaften, die... „das... Verhältnis zwischen dem Wahrnehmungsgegenstand (ζ. B. Werbemittel, J. K.) und dem Wahrnehmenden - und zwar genauer seine eigentümliche Wirkung auf diesen - betreffen, nennen wir Anmutungsweisen'"* 6. „Gerade von den frühen Anmutungen, die eine Werbemittelgestalt auslöst, hängt die Werbewirkung in entscheidendem Maße ab47." Die psychologischen Ganzheits- und Gestaltheorien gliedern sich in drei Subtheorien: (a) Gestalttheorie (Berliner Schule: Ausgang Chr. Ehrenfels; Weiterentwicklung: M. Wertheimer, K. Koffka, W. Köhler; W. Metzger, Κ. Gottschaidt) (b) Genetische Ganzheitspsychologie (Leipziger Schule: gegründet von dem Wundt-Schüler F.Krueger; führende Mitarbeiter: O.Klemm, H. Vokelt; heute:Rudert, Sander, Wellek) (c) Sozialpsychologische Feldtheorie: „Sie stellt eine Weiterentwicklung der Berliner Schule mit persönlicher Prägung durch den Wertheimer-Schüler Kurt Lewin dar 48 ." Verbindend wirkt der Satz Jakobis, es werde dem Begriff der Ganzheit eine zentrale Stellung auch in der Soziologie und in der Ganzheitsphilosophie Spanns eingeräumt" 49. Die Verbindung von Spanns werbetheoretischem Ansätze zur Mannheimer Schule, insbesondere auch zur Werbelehre R. Seyfferts wird damit in das richtige Verhältnis gesetzt, wobei es in der Tat so sein mag, wie H. 44 45
7
Jacobi, (Werbepsychologie), S. 49. Ebenda, S. 50.
48
Metzger, (Psychologie), S. 64.
47
Jacobi, (Werbepsychologie), S. 98.
48
Ebenda, S. 35.
49
Jacobi, (Werbepsychologie), S. 35.
Kolbinger
98
. Abschnitt Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Jacobt meint, daß R. Seyfferts Lehre in mancher Beziehung ganzheitlicher Interpretation und Neustrukturierung bedarf.
B. Skizze einer werbetheoretischen Entfaltungslinie als gestaltbildnerische Teilbereichslehre sozialer Leistungssysteme
1. Theorie der Werbeleistung
Wir greifen zunächst auf die Literatur zurück, um hernach eine ganzheitliche Strukturlinie vorzustellen. a) C. Hundhausens Werbeleistungstheorie C. Hundhausen betrachtet sich als derjenige, der „... den ersten Versuch .. einer Werbefunktionensystematik unternommen hat 50 . Seine Systematisierungsmomente sind die folgenden: 1. Werbebereiche: Wirtschaftswerbung, Werbung um Vertrauen, Ideenwerbung („Propaganda") 2. Werbefunktionen: a) Durchgängige Allgemeinfunktionen: Α-Funktionen: Gewinnung von Aufmerksamkeit und Interesse, Unterrichtung, Begründung von Überzeugungen, Gewinnung der öffentlichen Meinung. D-Funktionen: Sie erscheinen als Nebenfunktionen zu A, und zwar als: Allgemeine Aussage, Repräsentation, Formung von Vorstellungen (Image). b) Spezifische Wirkkreisfunktionen B-Funktionen: Primär Funktionen, das Warenangebot betreffend. C-Funktionen: Allgemeinere Funktionen, Umworbene und Werbende betreffend, ζ. B. Stiftung von Nutzen für den Verbraucher, Aneiferung der ganzen Unternehmung. Ε-Funktionen: Funktionen der Ideewerbung (Propaganda), z.B. Missionierung, Aufrüttelung, Beeinflussung, Mobilisierung breiter Massen u. ä. 3. Funktionenrelevanz: A-E-Funktionen besitzen unterschiedliche Relevanz für die einzelnen Werbebereiche, woraus sich deren Besonderheit kraft ihrer funktionalen Zusam5° Hundhausen, (Werbung), S. 63.
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
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mensetzung ergibt. Sie reicht von Primär- über Sekundär- zur Nichtbedeutung. Die „Wirtschaftswerbung, das Waren- und Leistungsangebot betreffend" ist Α-B-Werbung (primär), C-D-Werbung (sekundäre), nicht E-Werbung. b) Leitlinie ganzheitlicher
Werbeleistungstheorie
In der Werbung „sozialer Leistungssysteme" unterscheiden wir Konsum- und Leistungswerbung zum einen, Stufen der Werbung zum anderen. aa) Konsum- und Leistungswerbung Konsum- und Leistungsgemeinden, damit auch Konsum- und Leistungswerbung bedingen sich gegenseitig. Damit ist primär folgendes Werbeleistungskorrelat in doppelter Weise ins Auge zu fassen: Von der betrieblichen Aufgabenstellung ausgehend, vollzieht sich die Werbung um Leistungsbeiträge außer- und innerbetrieblich. Der Aufgabenstrukturierung der Leistungsgemeinde entspricht die werbliche Strukturierung der Konsumgemeinde; damit wird es möglich, einer werblich präformierten Konsumgemeinde besonderte Dienste anzubieten, für sie im Sinne des Wirtschaftsbegriffes tätig zu sein. Es bilden sich damit folgende grundsätzliche Werbeleistungskorrelate Strukturierung von Konsum- und Leistungsgemeinde: 1. Aufbaufunktionen der Werbung a) Stimulierung des Fremdversorgungsinteresses/Stimulierung des Sparund Arbeitsinteresses; b) Stimulierung teilinhaltlichen Fremdversorgungsinteresses/Stimulierung teilinhaltlicher Spar- und Arbeitswidmungsbereitschaften; c) Stimulierung vollkommenheitsmäßiger (anspruchsniveaumäßigen) Fremdversorgungs- und korrelativer Arbeits- und Sparvollkommenheitsbereitschaft; d) Stimulierung fremdversorgerischen Abhebungsprägnanzinteresses korrelativ mit leistungsmäßigem Abhebungsprägnanzinteresse; e) Stimulierung des fremdversorgungsmäßigen Pretialbewußtseins und des leistungsmäßigen Abgeltungsbewußtseins; 2. Zeitgestaltungsfunktionen der Werbung a) Novatorische Funktionen (Umbildungsfunktionen der Konsum- und Leistungsgemeinde), in diesem Sinne als Darbietung von Neuerungsstimuli; b) Tradierende Funktionen (Verfestigungsfunktionen der Konsum- und Leistungsgemeinde), in diesem Sinne Darbietung von Tradierungsstimuli (Marken, Versorgertreue, Betriebstreue des Arbeits- und/oder Sparbeteiligten). *
der
100
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Gewiß steht die Konsumwerbung im allgemeinen deutlich im Vordergrund, doch sollten wir systematisch ihr Korrelat der Stimulierung der Leistungsbereitschaft nicht übersehen und die Werbetheorie in ihrer leistungsmäßigen Betrachtung in diese Richtung besonders weiterentfalten.
bb) Stufen der Werbung Alle oben herausgestellten Funktionen (aufbau- und zeitgestaltungsmäßig) vermannigfaltigen (besondern) sich nach den Stufen auf die sie Bezug nehmen, indem sie diese ihrer Eigenart und Zielrichtung entsprechend (Konsum- oder Leistungsbereitschaft) in ein mehr oder weniger stabiles Integrationsgefüge transformieren. Dabei verbleiben sie allerdings unter der Integrationsform der „Assoziation" (geschlossene Gebilde), führen ggf. an sie heran oder wirken in diesen als zweiter Integrationsfaktor (vgl. Herrschaft oder/und Werbung) weiter. Als Bereiche werblich-stufenbaulicher Strukturierung kann man u. E. damit die folgenden ansehen: A. Werbestufen der Leistungsbeteiligung 1. Werbestufe der „Vorleistungsbeteiligung" (Betriebs-Betriebs-Werbestufe 2. Werbestufe der Grundleistungsbeteiligungen (Haushalts-Bptriebs-Werbestufe) a)
Werbestufe der Leistungsbeteiligung an privaten Betrieben bzw. Unternehmungen
b)
Werbestufe der Leistungsbeteiligung an höherstufigen Gebilden aa) Beteiligung an öffentlichen Haushalten oc) Eigentliche Leistungsbeteiligung ß) Abgabenmäßige Leistungsbeteiligung bb) Beteiligung an „intermediären" Gebilden (Verbänden, Kammern u ä.)
B. Werbestufen der Konsumbeteiligung 1. Beteiligung der Privathaushalte am Privatkonsum 2. Beteiligung der Privathaushalte am öffentlichen Konsum 3. Beteiligung der öffentlichen Gebilde am Privat- und öffentlichen Konsum
In der Unterscheidung privat - öffentlich liegt die später zu behandelnde Unterscheidung Marketing-Metamarketing primär wohl im Konsumbereich beschlossen, sinngemäß aber auch auf den Leistungsbeteiligungsbereich (z. B. „Stimulierung des Abgabenverständnisses") beschlossen. Im anglikanischen Bereiche haben sich spezifische Werbestufenbegriffe folgt ausgebildet: Werbung auf betriebsinterner Stufe wie „Werbung um „Human-Relations" und „Stockholder-Relations" auf verbandlicher Ebene als „Labour-Relations", schließlich auf allgemein-höchster Ebene „Public-RelationsWerbung".
wie
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
101
2. Theorie der Werbemittelwirkung
Es handelt sich um die Entsprechung von Persontheorie und Strukturtheorie der Werbemittel (oder -hilfen). a) Persontheorie aa) Zur Persontheorie R. Seyfferts Wollte man R. Seyfferts Persontheorie der Werbung systematisieren, so käme man zu folgendem Bild, ausgehend von seinen Komponenten der Werbewirkung: 1. Sinne a) Sinneswirkung 1 b) Aufmerksamkeitswirkung 2. Gedächtnis a) Gedächtniswirkung b) Wirkung auf das Unterbewußte („Tiefengedächtnis")
3. Motivbildung—^4. Willenswirkung (Assoziationen, Triebe, Gefühle)
Gewisse Ähnlichkeiten mit der AIDA-Formel (Attention-Interest-Desire-Action) mit ihrer Elementarismusbasis sind, unbeschadet seiner an sich ganzheitlichen Tendenz, unverkennbar. bb) Zur ganzheitlichen Persontheorie Die ganzheitliche Persontheorie baut auf drei Momenten der Struktur und des - werblich stimulierten - Werdens des Bewußtseins und Handelns wie folgt auf: 1. Stufen des Bewußtseins: Ich-Wir-Es (Sache, Natur) -All 2. Teilinhalte des Bewußtseins a) Glaube (Gewissen) b) Fühlen (Gemüt) c) Denken (Gedächtnis) d) Sinnliches Erleben (Sinne, äußere und innere) e) Vervollkommnungsbewußtsein (auf a) zurückführend) 3. Zeitstufen des Bewußtseins (aller Teilinhalte) a) Unoffenbarer Geistesgrund („Tiefenperson"/„Urmuster" der Person) b) Zeitlicher Geistesgrund (Gedächtnis, Gemüt usw. jenseits von Tiefenbewußtsein und Jetzt) c) Aktueller Geistesgrund (Unmittelbarkeitsbewußtsein) d) Rückverbindendes Bewußtsein und Wille als auslösender Handlungsgrund (Motivationsvollzug)
102
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Nur mit einem Satze sei der Werbeerweckungsgang des Umworbenenbewußtseins wie folgt angedeutet: Unter Ansprache einer bestimmten Stufe (ζ. B. „IchBewußtsein") werden Teilinhalte des Bewußtseins nach Art ihres zeitlichen Aktualisierungszustandes erweckt und entfalten sich in der Zeitstufenfolge des Bewußtseins. Der Gesamtvorgang verläuft stuflich-teilinhaltlich-zeitlich-integrativ auf der Basis personkorrelativer Anmutbarkeit durch Stimuli von Werbemitteln. b) Theorie der Werbemittel Werbemittel sind stuflich-teilinhaltlich-zeitlich personkorrelativ aufgebaut. Dies interessiert hier zum einen; die spezifisch werbliche Stimulationsqualität, welche etwas zum Werbe-Mittel macht, zum anderen. aa) Personkorrelative Strukturmomente der Werbemittel Wir können R. Seyfferts personkorrelative Strukturbegriffssystematik von Werbeklindern wie folgt bestimmen: 1. Niederschlag der Werbeidee im Werbekündergesamt 2. Entfaltung des Werbekündergesamts in: a) Einzelwerbekünden aa) Werbeelemente bb) Werbefaktoren cc) Werbekonstanten Werbekündergesamt sind die ein Ganzes ergebenden Werbekünder, die sich ihrerseits auf unterster Ebene als Werbeelemente (als Momente der sinnlichen Wahrnehmung), in weiterer Folge als Werbefaktoren (Sprache und Schrift, Bild, Musik) und damit inhaltliche Träger der Werbebotschaft entfalten und mit Hilfe der Werbekonstanten als einander ergänzende Glieder eines Einzelwerbekünders oder des Werbekündergesamts (als eine Form gestalthafter Wiederholung, ζ. B. als Hausfarbe, Werbeslogan, o. ä.) erweisen und dem Bewußtsein des Umworbenen als Einheit (Ganzheit) darbieten. Der hier aufgezeigte Stufenbau des Werbemittels nimmt die Teilinhalte auf und bietet sie personerweckungsspezifisch dar. Die ganzheitliche personkorrelative Werbekünderstrukturierung läßt sich im Sinne des soeben Gesagten noch wie folgt präzisieren:
Vorlesung Nr. 3: Werbung als Gestaltbildungsbereich
103
Werbekünderganzes
1 Werbekünder I
Werbekünder I I I
t
Werbekünder I I I
Teilinhaltsstruktur Motive des Glaubens und Fühlens, Denk- oder Rationalmotive usw.
t
Auslösestufen Sinnliche (Ansprache der Sinne)
t
Sinnhafte „Faktoren" (entfaltend) „Konstanten" (integrierend)
bb) „Verdichtung" und „Ausdruckssteigerung" als Momente der Werblichkeit Auch hier begegnen wir zunächst dem Werbeelementarismus: Für ihn liegt die Werblichkeit, kurz gesagt in der, der Konstanzhypothese entsprechenden Steigerung, vorzüglich der Sinneswirkung: aggressiv, laut, bizarr, wiederholt. Dem stellt - auf den einfachsten Nenner gebracht - die ganzheitliche Anmutungstheorie die Begriffe der Inhaltsverdichtung und der sinnhaft-gestalthaften Ausdruckssteigerung gegenüber. Man kann hier u. E. von einem Momente der Werbesemantik (z.B. das inhaltlich-ausdrucksmäßig gesteigerte Werbewort) und schließlich der Werbetektonik sprechen. Letztere ζ. B. in den Formen und Ausdrucksweisen der Sprache und Schrift in der „Werbeprosa" und der „Werbelyrik", mit den diesen Grundformen entsprechenden Ausdrucksmittelformen (ζ. Β in Schrift: Antiqua oder Fraktur, gezeichnete Schrift und Kalligraphie), wobei sich eine Linie etwa auch herausstellt, die vom Bild zum Symbol und schließlich zum Zeichen führt. AN EINE ROSE. Ewig trägt im Mutterschoße, Süße Königin der Flur, Dich und mich die stille, große, Allbelebende Natur! Röschen, unser Schmuck veraltet, Stürm' entblättern dich und mich, Doch der ew'ge Keim entfaltet Stets zu neuer Blüte sich!
Λη eine Äofe. €wig tragt im Elutterfdjofie, Süfie Königin bet Slur, Did) unò mid) Me (Kile, große, Allbelebenòe ïlatur! £öed)en, unfet £d)mudt ueraltet, Ätürm' entblättern bid) unò mid), Dod) bet eto'ge Keim r.tfaltet Stets 3u neuer Blüte (Icq! Çôlôerlinsi
HÖLDERLIN Runden wir das eben Gesagte über den Zusammenhang von Inhaltsverdichtung und Ausdruckssteigerung mit dem obenstehenden Gedicht Hölderlins richtungweisend ab, zu dem R. Seyffert bemerkt: „Die beiden Schriften ... sind echte Gegensätze... Die runden Schriften der Antiqua haben eine gleichförmige, 51 Seyffert,
(Werbelehre), S 671.
104
II. Abschnitt Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
ausgewogenen und ruhige Struktur. Die gebrochenen Schriften der Fraktur sind dagegen lebendiger, ausdrucksvoller, individueller, von starker Formkraft 52." „Welche Bereicherung und Steigerung der Ausdrucksmöglichkeit..die Fraktur „... enthalten kann, dafür gibt es viele Beispiele... Morrison nennt die gotischen und Frakturschriften einheitlicher, lebhafter und auch wirtschaftlicher als die runden, i m Tonwert grauen Antiquatypen. I n der Antiqua werden selbständige Buchstaben zu Wörtern zusammengesetzt, in der Fraktur bilden die Wörter die Einheiten 5 3 ."
Ob Antiqua oder Fraktur, ob Sinnes- oder Sinnstreben, ist offenbar in der Werbung nicht einerlei, so wenig wie Werbeelementarismus und Gestalt- und Ganzheits·Werbung wirkungs- und stilindifferent sein können.
Literaturhinweise zum Studium Seyffert, (Werbelehre); Hundhausen, (Werbung); Holzschuher, (Werbung); Jacobi, (Werbepsychologie); Kolbinger, (Human Relations).
52
Ebenda, S. 671 f.
53
Seyffert,
(Werbelehre), S. 665.
Vorlesung Nr. 4
Die Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
Gliederung A. Leistungsgrundlagen
und die Grundformen
1. Zur Produktionsfaktorenlehre
ihrer produktiven
Entfaltung
in der Volkswirtschaftslehre
a) Die monistische Lehre Francois Quesnays b) Die Betonung des Produktionsfaktors Arbeit bei A. Smith c) Der Ausbau der Produktionsfaktorenlehre durch J. B. Say 2. Der faktonelle
Aspekt des betrieblichen
Produktionsprozesses
a) Die finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise aa) Entwicklung des Begriffes Finanzierung in der Betriebswirtschaftslehre bb) Der monetär orientierte Finanzierungsbegriff der Gegenwart 1) Blick auf Riegers Geldprozeßlehre 2) Preisers monetäre Theorie des Kapitals 3) Der Identifikationsversuch Fetteis (B. Hartmanns) b) Die Erklärung des Leistungsprozesses sozialer Leistungssysteme als Simultanprozeß von Arbeit und Sparen aa) Der Simultanprozeß von Arbeit und Sparen als Sachzusammenhang bb) Der Arbeitsprozeß als mehrstufiger Zeitprozeß cc)
Zeitstruktur des Arbeits· und Sparprozesses und Korrelativstruktur der Sparbeteiligungsbereitschaft 1) Die Zeitbilanz 2) Die Entsprechung (Korrelation) von Sparbedarf und Sparbereitschaft als „Liquidität"
B. Einführung in die funktionale und morphologische Theorie assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme 1. Einführung in die Kredittheorie als besonderer Anknüpfungspunkt der Assoziierungstheorie sozialer Leistungssysteme a) Vorgängige Überlegungen b) Die Kredittheorie als assoziationstheoretische Anknüpfungsmöglichkeit aa) Die Grundthese Hahns bb) Arbeit - Sparen - Kredit 1) Der Simultanprozeß von Arbeit, Sparen, Kredit 2) Die zeitlich vorgängige Kreditgewährung (Kreditschöpfung) 2. Einführende Erweiterung der Kredittheorie Theorie assoziativer Strukturen
zur funktionalen und morphologischen
106
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme a) Einführung in den allgemeinen Funktionenansatz assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme aa) Das allgemeine assoziative Funktionensystem 1) Tradierungsfunktionen 2) Mitgliedschaftliche Funktionen der Verhaltensstimulierung bb) Kurzcharakterisierung assoziativer Einzelfunktionen und Funktionsgrundbereiche 1) Kurzcharakteristik tradierender Funktionen 10) Gründungsfunktionen 11) Eigenlebensverstetigungsfunktionen 2) Kurzcharakteristik der Funktionen permanenter Stimulierung mitgüedschaftlicher Verhaltensbereitschaft 20) Kurzcharakteristik der Herrschaftsfunktionen 21) Kurzcharakteristik der Abgeltungsfunktionen mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung
cc) Innerer Zusammenhang und gegenseitige Abhebung tradierender Funktionen und Funktionen mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung 3. Ansätze einer funktionalen Besonderungstheorie assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme a) Funktionale Teilhabebesonderung als Inhalt mitgliedschaftlich-differenzieller Verhaltensstimulierung aa) Assoziative Gestaltbesonderung nach dem Prinzip der Funktionenteilung mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung bb) Assoziative Gestaltbesonderung nach dem Prinzip qualitativer Funktionentransformation cc) Zusammenfassende Charakterisierung der Besonderung assoziativer Strukturen i m Bereiche der Verhaltensstimulierungsfunktionen b) Tradierende Funktionen und Tradierungsqualitäten des assoziativen Stufenbaues sozialer Leistungssysteme aa) Innerassoziativer Aufbau von Einzelassoziationen und partieller höherer Stufenbau sozialer Leistungssysteme 1) Innerassoziativer Aufbau von Einzelassoziationen als tr*dierend-kapazitätsverändernder Prozeß 2) Partieller höherer stungssysteme
Stufenbau
assoziativer Strukturen
sozialer Lei-
bb) Blick auf Grundformen der höchststufigen Innerassoziation sozialer Leistungssysteme 1) Das Kreditsystem als höchststufige Ergänzungs-Interassoziation 2) Blick auf die hoheitliche Mitgliedsintegration assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme
Soll die Produktion konkret aufgenommen werden, so muß über Produktionsmittel konkret verfügt werden (nachdem - ζ. B. durch Werbung, Faktor- und Beteiligungswerbung - schon eine grundsätzliche Beteiligungsbereitschaft evoziert wurde). Sie müssen ggf. auch schon von vornherein „produziert", d. h. eine bestimmte Formung erfahren, damit sie verwendbar sind. Es geht dabei auch um den „Anfang" der Wirtschaft, sozusagen um die Quelle(n) und deren Er·
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
107
Schließung. All dies fassen wir unter Begriff und Inhalt der Assoziierungsfunktion zusammen. Sie bedeutet also allgemein: Gewinnungsleistung der Wirtschaftsgrundlagen, und zwar ganz allgemein wie für bestimmte Wirtschaftsgebilde im besonderen.
A. Leistungsgrundlagen und die Grundformen ihrer produktiven Entfaltung Wir geinen zunächst auf die gesamtwirtschaftliche Fragestellung ein, wie sie sich in der Volkswirtschaftslehre (geschichtlich-entwicklungsmäßig) darbietet, um von hier die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge ins Auge zu fassen und zur Darstellung zu bringen.
1. Zur Produktionsfaktorenlehre in der Volkswirtschaftslehre
a) Die monistische Lehre François Quesnays Die Volkswirtschaftslehre nimmt entwicklungsgeschichtlich gesehen in der Zeit überwiegender Landwirtschaft ihren Ausgang. Dem entspricht auch die Lehre F. Quesnays bezüglich der produktiven und unproduktiven Klassen: „1. Die produktive Klasse, in die nur die Landwirte (und vielleicht die Fischer und Bergleute) gehören; 2. Die besitzende Klasse, die nicht nur die Grundbesitzer umf aßt, sondern auch alle, die auf Grund eines Rechtstitels Hoheitsrechte ausüben: Man sieht hier die Nachwirkung jener feudalen Idee, nach der die Hoheitsrechte mit dem Eigentum verbunden sind; 3. Die sterile Klasse, die Industrie, Handel, Bedientenschaft und freie Berufe umf aßt1." Die einfache, grobe und auch nur teilweise gültige Überlegung lautet hier: Alle Menschen müssen sich von den Bodenprodukten ernähren, auch wenn sie nicht den Boden bearbeiten (ζ. B. in der Industrie, im Handel etc. arbeiten), also ist nur der Boden fruchtbar, einzige und letzte Quelle aller Art von Produktion (Hervorbringung). Was von dem allein bis heute verblieb, ist die Lehre vom Produktionstaktor den. b) Die Betonung des Produktionsfaktors
Bo-
Arbeit bei A. Smith
Für Quesnay war „die Landwirtschaft die Quelle aller Güter des Staates und aller seiner Bürger". Mit dem ersten Satze seines Buches erhebt Smith gegen diese Gedanken Widerspruch und führt die Güter auf einen anderen Ursprung zu1 Gide & Rist, (Geschichte), S. 22.
108
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
rück. „Die jährliche Arbeit eines Volkes", so Smith, „ist der Fonds, welcher dasselbe mit allen Bedürfnissen und Annehmlichkeiten des Lebens versorgt, die es jährlich verbraucht, und die immer entweder in dem unmittelbaren Erzeugnis dieser Arbeit oder darin bestehen, was für dieses Erzeugnis von anderen Völkern erhandelt wird 2." Mit diesem Satz scheint auch Smith Monist zu sein, nunmehr in bezug auf die einzige Produktions- und zugleich Einkommensquelle, eben die Arbeit. Man spricht jedoch davon, daß Smith diesen Monismus nicht gemeint, sondern nur die besondere Rolle und Bedeutung der Arbeit in der Produktion und als Quelle des Einkommens betont habe. „Die Arbeit ist die wirkliche Quelle des Reichtums. M i t diesem berühmten Satz, der zu so vielen Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, wollte Smith sicherlich weder den Einf luß der Naturkräfte, noch den des Kapitals in der Produktion bestreiten. Niemand hat stärker - vielleicht J. B. Say ausgenommen - die Bedeutung des Kapitals betont... u n d . . . dem Boden eine besondere Fruchtbarkeit... beigemessen. Smith hat aber von Anfang an den Gegensatz seiner Lehre zu der der Physiokraten hervorheben wollen. E r behauptet, daß in summa die Tätigkeit des Menschen jedes Jahr die Menge der von i h m verbrauchten Güter erzeugt, und nicht die Kräfte der Natur, die ohne die Leistung des Menschen unfruchtbar und unnütz bleiben würden 3 ."
c) Der Ausbau der Produktionsfaktorenlehre
durch J. B. Say
Vorweg ist hervorzuheben, daß bis auf den heutigen Tag an der Lehre von den Produktionsfaktoren herumgebastelt worden ist, geht es doch letztlich nicht zuletzt um eine Einkommens- und Einkommensverteilungslehre und nicht nur um eine Produktionstheorie. Wurde eine bestimmte Einkunftsart als nicht produktionsmäßig bedingt angesehen, so bemühte man sich, ihre Quelle in ihrer Produktivität zu beweisen oder zu widerlegen. Es genügt hier also festzuhalten, daß ein unabdingbarer Zusammenhang besteht zwischen Produktions· (produktivem) Beitrag und Einkommen. Festzuhalten ist nunmehr, daß weder Quesnay noch Smith die Produktionsfaktorenlehre in ihrer klassischen Form zu Ende gebracht haben: „Die Theorie der drei Produktionsfaktoren - die in der Nationalökonomie klassisch geworden ist - findet sich nicht bei A. Smith Doch ist er es gewesen, der indirekt diese Theorie ins Leben gerufen hat, indem er in der Güterverteilung drei Einkommensquellen unterschied: Die Arbeit, das Kapital und den Boden. Auf Grund dieser Unterscheidung mußte es ganz natürlich erscheinen, jede Einkommensquelle als einen Produktionsfaktor zu betrachten, was J. B. Say in seinem Traité (2. Ausg. Kap. IV und V) tat 4 . „Auf der Stufenleiter der für das Volk nützlichen Beschäftigungen hatte Smith die Landwirtschaft an die erste Stelle gesetzt. Say behält diese Ordnung bei, aber 2
Ebenda, S. 64.
3
Gide & Rist, (Geschichte), S. 64.
4
Vgl. Cannart, (Theories), S. 40, zit. nach Gide & Rist (Geschichte), S. 64.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
109
er stellt auf die gleiche Stufe mit der Landwirtschaft ,die Kapitalien, die aufgewendet werden, um die produktiven Kräfte der Natur zu verwerten ... Eine wohldurchdachte Maschine erzeugt mehr als die Zinsen dessen, was sie gekostet hat, oder auch, sie läßt die Gesamtheit an der Verbilligung, die die Maschinenarbeit ermöglicht, teilnehmen1. Diese Stelle findet sich noch nicht in der Ausgabe von 1803. Sie erschien erst in der zweiten Ausgabe5." Die Lehre von den drei Produktionsfaktoren könnte u. E. insbesondere in dem Satze anklingen: „Der Mensch (Arbeit?, J. K.), das Kapital und der Boden liefern das, was Say produktive Dienste (services productives) nennt6." Weniger produktions- als einkommenstheoretisch wiegt die Frage nach dem Rentencharakter all dessen, was nicht der Arbeit als Einkommen zufließt, sondern Grund und Boden (Bodenrente) und Kapital (Zins). Hierher gehört u. a. auch die Lehre vom Unternehmereinkommen, insbesondere die Unterscheidung von Gewinn und Profit. Insbesondere erfährt damit auch der Begriff Kapital eine Doppelbedeutung: Produktionsmittel - Renten- bzw. Profitgrundlage (K. Marx, Sozialisten). Bezüglich des Kapitalbegriffes „... muß man etwas weiter zurückgehen: Bis ins 16. Jahrhundert. Dort liegen die Anfänge der heutigen, sogenannten kapitalistischen Wirtschaftsperiode. Bis dahin gab es kein Kapital u n d . . . keine Kapitalisten. Zwar existierte natürlich das Kapital in dem Sinne, den die Ökonomisten (d. s. die Physiokraten, J. K.) diesem Worte geben, d. h. unter der Form von Produktionsmitteln. Das Wort Kapital hat aber für die Sozialisten eine andere Bedeutung... Kapital ist das, was eine Rente erzeugt, und das Wort Rente bedeutet ein nicht durch die Arbeit des Kapitalisten, sondern durch die Arbeit anderer erzeugtes Einkommen 7 ".
Mit dem 16. Jahrhundert, so darf hinzugefügt werden, gewann besagtes Produktionsmittel Kapital erst an Bedeutung und die Einnahmequelle Zins traf mit geschichtlichen Ereignissen zusammen, welche zu dessen Übersteigerung wie zu einer einseitigen Kapitalhervorbringung geführt hatte. Es fand eine Trennung von Arbeit und Kapital statt; vordem hingegen waren „... unter der Zunftordnung die meisten Arbeiter Eigentümer ihrer Produktionsmittel"8. Mit dieser Zerreißung und einseitigen Kapitalgewinnung hängt es daher bis heute zusammen, daß man die objektiven Leistungen des Kapitals nicht mit dem Einkommen derer gleichzusetzen geneigt ist, welche dieses innehaben. Mehr über diese Dogmengeschichte des Kapitals, zugleich in gewisser Beziehung der Arbeit und des Grundes und Bodens bedürfen wir nicht. Wir können nunmehr auf den betriebswirtschaftlichen Aspekt, der sich für die hier angesprochenen Tatbestände ergibt - unter gleichzeitiger Klärung objektiver und historischer Momente - einführend eingehen.
5 Gide & Rist, (Geschichte), S. 125. 6
Ebenda, S. 127.
7
Ebenda, S. 525.
8
Ebenda, S. 525.
110
. Abschnitt Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme 2. Der faktorlelle Aspekt des betrieblichen Produktionsprozesses
Zieht man den Produktionsprozeß unter dem obigen Gesichtspunkt seiner Quellen in Betracht, so nennt man dies eine faktorielle Betrachtungsweise. a) Die finanzwirtschaftliche
Betrachtungsweise
Wenn wir die finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise des faktoriellen Aspektes des Produktionsprozesses an den Anfang unserer Ausführungen stellen, so geschieht dies aus zwei Gründen: Zum einen aus einem gewissen traditionalistischen Aspekt in unserer Disziplin, zum anderen, weil die dieser Betrachtungsweise anhaftenden Mängel erst in der Folge ausgeräumt und damit zugleich ein vertiefter und erweiterter Wissenshorizont gewonnen werden soll. aa) Entwicklung des Begriffes Finanzierung in der Betriebswirtschaftslehre Die Entwicklung des Finanzierungsbegriffes läßt sich in folgenden Schritten nachvollziehen9. „Finanz" leitet sich etymologisch von finare - finis - finire (Substantivum finatio) ab. Die ursprüngliche Grundbedeutung war: Beendigung eines Streitfalles vor Gericht in Form einer Geldbuße; später einfach Geldgeschäfte. Geldtheoretisch endet jede Schuld nur in Geld durch Zahlung. Finire hat in diesem speziellen Sinne ebenfalls die Bedeutung von „finatto", weil eine weitere Erfüllung nicht mehr erforderlich ist (zum Unterschied von Nichtgeld: Assignat s non est solutio!). Mit dem Begriff „Finanz" verbindet sich notwendigerweise der des Kapitals. Grundsätzlich werden dabei zwei Vorstellungsinhalte entwickelt: Hildebrand unterscheidet in der Entwicklungsstufentheorie der Volkswirtschaft zwischen 1. Naturalwirtschaft 2. Geldwirtschaft 3. Kreditwirtschaft
Hieraus ergeben sich zwei Arten von Kapitalvorstellungen,
und zwar
(a) „In der konkreten Form der realen, zu Erwerbszwecken eingesetzten Mittel. .." und (b) „in der abstrakten Form, die die in einer abstrakten Geldziffer zusammengefaßten Betriebsmittel umfaßt 10." 9
Bochkoltz, (Finanzierungsbegriff), dazu auch: Engelhardt,
io Hildebrand,
(Nationalökonomie).
(Finanzierung), S. 27 ff.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
111
Mit dem zweitgenannten Begriff Kapital verbindet sich offenbar die Vorstellung von Geld und Kredit, nach Hildebrand in Form einer zeitlich epochemäßigen Abfolge, kredittheoretisch im Sinne eines speziellen Gegenstandes (Geld) in Relation zu einem allgemeineren (Kredit). Interessanterweise hat Schmalenbach sein theoretischestes Werk mit Kapital-Kredit-Zins 11 betitelt. Eine ähnliche Orientierung besitzen die Beiträge der älteren Betriebswirtschaftslehre. So zeigt sich bei Pape eine güterliche Orientierung: Kapital sind alle Güter, „... die zum Erwerb verwandt werden können"12. Passow hingegen zeigt eine Art Geldorientierung: Kapital ist für ihn der Geldwert der Vermögensgüter und zwar „... ihre abstrakte Summe"13. Die funktionaltheoretische Entwicklung der Finanzierung als Frage nach ihren besonderen Aufgaben und der damit verbundenen Abhebung gegenüber und Heraushebung aus anderen Leistungsbereichen kann wie folgt gesehen werden: „Finanzierung" gilt zunächst als Teil der Beschaffung: Für Sandig geht es um die Beschaffung von Kapital, wobei er zugleich auch von einer Beschaffung der Arbeit spricht. In weiterer Folge wird der Begriff der Beschaffung abgelehnt, so insbesondere von Findeisen, Nicklisch und Banse. „Für Findeisen erstreckt sich die Beschaffung nur auf Waren und Leistungen. E r schließt also die Beschaffung von Kapital aus seiner Definition aus 1 4 ." I m übrigen güt dies auch für die Arbeitskräfte, genauer den Menschen: „Mit unserer heutigen Wlrtschaftsauffassung nicht zu vereinbaren i s t . . . vollends die Gleichstellung von Arbeitskraft mit Ware. Arbeit ist keine Ware 1 5 ." Nicklisch führt aus: „Arbeit beschaffen bedeutet nicht die,Ware-Arbeit' kaufen. Vielmehr werden Mitarbeiter für bestimmte Arbeit gesucht und geworben, die unter vereinbarten Bedingungen in die Betriebsgemeinschaft eintreten, u m die ihnen übertragenen Aufgaben zu lösen 16 ."
Der weitere, allerdings nicht vollinhaltlich vollzogene Entwicklungsschritt ist die Ausgliederung der Finanzierung aus der Beschaffung (Handel) und der Versuch einer innerfunktionalen teilinhaltlichen Besonderung: Angedeutet erscheint dies bei Kalveram, der „... unter Finanzierung alle zum Zwecke des Aufbaues und Abbaues von Unternehmen notwendigen Kapital· und Kreditoperationen und die Anpassung des Kapitals nach Höhe und konkreter Zusammensetzung an die Zwecke der Unternehmung..." versteht 17. 11
Schmalenbach, (Kapital). 12 Pape, (Grundriß), S. 9.
13 Passow, (Bilanzen), S. 7. 14 Bochkoltz, (Finanzierungsbegriff), S. 9. 15
Ebenda, S. 10.
16
Ebenda, S. 10.
17
Ebenda, S. 29.
112
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Eine besondere Wende sieht Beckmann im Beitrag Schmalenbachs zur Erweiterung des Finanzierungsbegriffes 18. Er ergänzt nämlich Kapital-Beschaffung mit der Gestaltung der „... Beziehungen zwischen der kapitalverwendenden Unternehmung und dem kapitalgebenden Kapitalisten.. ,"19. Hier klingt vielleicht schon ein wenig unser Begriff der „Assoziierung" an. Bei Prion setzt sich dieser Gesichtspunkt in einer funktionalen Zweiteilung fort, und zwar insofern, als er Finanzierung mit Kapitalbeschaffung gleichsetzt, dem er alle übrigen in seinem Sinne zum Finanzwesen gehörenden Leistungen (Aufgaben, Funktionen) „... mit dem Begriff ,FinanzwirtschafV..entgegensetzt20. Mit Mellerowicz und Rößle setzt sich eine Art Funktionalanalyse der Finanzierung fort. So unterscheidet Mellerowicz zwischen einmaligen und zeitweiligen Finanzierungsaufgaben, wobei er zu den letzteren Gründung und Umwandlung, Erweiterung, Konzentration (Fusion, Beteiligung), Sanierung und Auflösung zählt 21 . Rößle sieht als Finanzierungsakte insbesondere Kapitalbeschaffung (Gründung), Kapitalumlauf und Kapitalrückzahlungen 22. Unter Bezugnahme auf Rößle und Gutenberg 23 meint Beckmann, es gehe die „... heute herrschende Lehre... über Beschaffung hinaus: Danach umfaßt die Finanzierung nicht nur die Kapitalbeschaffung, sondern überhaupt alle Kapitaloperationen und -dispositionen24..." bb) Der monetär orientierte Finanzierungsbegriff der Gegenwart Der monetäre Finanzierungsbegriff wird besonders von Rieger vertreten. Er wird - nicht ganz folgerichtig - von Preiser ins Kredittheoretische (Neuere Kredittheorie) transferiert. Ihm schließen sich die Betriebswirte Fettel und Hartmann deutlich an, wobei Fettel - Schüler Riegers - offenbar vermeint, hier eine Bestätigung und Fortsetzung der Wiedersehen Lehre zu erkennen. In der Tat müßte unterschieden werden zwischen: Geld - Kredit - Assoziation. 1) Blick auf Riegers Geldprozeßlehre Rieger untersucht nur eine bestimmte Form von Unternehmung, die kapitalistische. Hier interessiert nur, worin die Aufgabe einer solchen Unternehmung bzw. eines solchen Unternehmers besteht. 18
Beckmann, (Finanzierung), Sp. 1830.
19
Schmalenbach, (Finanzierung), S. 1.
2 0
Bochkoltz, (Finanzierungsbegriff), S. 36
21
Mellerowicz, (Betriebswirtschaftslehre), S. 49.
22
Rößle, (Allgemeine), S. 105.
2 3
Gutenberg, (Finanzierung).
24
Beckmann, (Finanzierung), Sp. 1830.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
113
Grundfunktion des Unternehmers ist nach ihm die Finanzierung: „Er hat geldliche, finanzielle Probleme zu meistern 25...", denn die Unternehmung „... zu finanzieren und zu organisieren ist die Aufgabe des Unternehmers 26." In Wahrheit bietet aber Rieger nur eine Finanzierungs-, keineswegs eine Organisationslehre. Für ihn verbindet sich Finanzierung unmittelbar mit dem Geld, wobei er immer Goldgeld meint. Er betrachtet daher, „... den ganzen Betriebsprozeß nur als eine Umwandlung von Geld zu Wiedergeld ... und der Betrieb stellt sich ... lediglich dar als eine Einrichtung, die Geld verbraucht, um Geld zu erzeugen"27. Dieser Geldumwandlungsprozeß findet seinen adäquaten Ausdruck in der (doppelten) Buchhaltung, daher ihre überragende Bedeutung für diese Unternehmensbetrachtung. Rieger läßt schließlich alle Unternehmensvorgänge, die ja Geldvorgänge für ihn sind (Geld in durchaus körperlichem Sinne), in die Formel einmünden G - W - G (Geld - Ware - Geld) und erklärt den Unternehmensprozeß wie folgt: „Wie oft genug ausgeführt wurde, handelt es sich... in der Unternehmung ... um einen Geldumwandlungsprozeß: Das eingesetzte aufgewendete Geld wandert in einer Art peristaltischer Fortbewegung durch die Betriebsstationen mit dem einen unverrückbaren Ziel des Mehr- und Wiedergeldes28." Bezüglich dieser Stationen, siehe unsere Darstellung des stuf en weisen sich vollziehenden simultanen Arbeits- und Sparprozesses, der natürlich mit „Geldverdauung" nicht das mindeste zu tun hat, der sich vielmehr nur in Form von Einkommenseinheiten ziffernmäßig erfassen und darstellen läßt, ohne daß auch nur eine Münze oder ähnliches hierfür erforderlich wäre. 2) Preisers monetäre Theorie des Kapitals Preisers Kapitalbegriff lautet: „Unter Kapital versteht man Finanzierungsmittel für Investitionen... Die Finanzierungsmittel, die man Kapital nennt, sind Geld, nichts anderes. Das erlaubt eine zweite, der ersten äquivalente Definition: Unter Kapital versteht man Geld für Investitionszwecke29." Von hier aus sucht Preiser die Verbindung mit der Buchhaltung, in welcher dieses „Investitionsgeld" einmal im Soll, einmal aber auch im Haben aufscheint: Bilanz I Investitionsgeld 10001????
1000
Diese Definition wird vor allem dann problematisch, wenn das „Investitionsgeld" schon zu Investition geworden ist: 25
Rieger, (Privatwirtschaftslehre), S. 16.
26
Ebenda, S. 16.
26
Ebenda, S. 16.
27
Ebenda, S. 155.
2 8
Rieger, (Privatwirtschaftslehre), S. 193. 29 preiser, (Kapitalbegriff), S. 18.
8
Kolbinger
114
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme Investitionsgeld
Anf. Best.
10001 Käufe
Investitionen (Maschinen etc.) 1000
Anf. Best.
10001 Bilanz
1000
Bilanz I I Investitionen
1000 Geld als „Erinnerungsposten" 1000
Diese Habenpost ist problematisch, auch wenn Preiser erklärt, es sei „... nach wie vor... richtig, zu definieren, Kapital sei der Inbegriff von Finanzierungsmitteln, sei Geld für Investitionszwecke..und er das zu ergänzen sucht „... bloß durch die Aussage, daß es (das Geld, J. K.) in konkreter oder abstrakter Form als Wertding oder als Erinnerungsposten, auftreten kann"30. Diese Aussage befriedigt keineswegs, zeigt insbesondere, daß Preiser die neuere Theorie nicht in ihrem vollen Ausmaße erkannt, insbesondere nicht die kredittheoretischen Konsequenzen der Unterscheidung von Geld und Kredit klar genug erf aßt hat. Hierauf wie auf seine Beziehung zu Rieger wird noch zurückzukommen sein. 3) Der Identifikationsversuch
Fetteis (B. Hartmanns)
Da Preiser Kapital gleich Geld setzt, meint J. Fettel, es bestünde hier Übereinstimmung mit W. Rieger. Fettel selbst ist Rieger-Schüler. Er bezeichnet - analog zu Preiser - „... Kapital als Geld zum Zwecke der Finanzierung von Investitionen"3!. Finanzierung und Investition stehen in folgendem Zusammenhang: Mit der Bereitstellung von Investitionsgeld ist „... die Finanzierung beendet; nach ihr beginnt als zweiter Akt die Investition, der Kapitaleinsatz, d. h. die Umwandlung des Kapitals (Geld, J. K.) in Vermögen, in Gebäude, Maschinen, Rohstoffe u. dgl."32. Hier beginnt schon der bei Rieger so charakterisierte Prozeß: Geld-Ware (Investition), der sich eben in (Wieder-) Geld (Desinvestition) fortsetzt. In der Geldbetrachtung stimmt Preiser mit Rieger überein, nicht jedoch in der Erklärung des Geldprozesses (von der Investition = Ware beginnend): Daran, daß das Investitionsgeld zu Tauschakten (Geld - Ware) verwendet wurde, „... ist nichts besonderes ... Es erscheint mir wenig zweckmäßig zu sein, diese einfachen Sachverhalte als Metamorphosen des Kapitals zu bezeichnen oder durch andere Bilder zu verdunkeln. Geld kann sich nicht in Ware verwandeln, das Wirtschaftsleben ist keine Zaubervorstellung 33."
30
Ebenda, S. 21.
3
1 Fettel, (Kapital), Sp. 2960. 32 Ebenda, Sp. 2961. 33
Preiser, (Kapitalbegriff), S. 15.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
115
b) Die Erklärung des Leistungsprozesses sozialer Leistungssysteme als Simultanprozeß von Arbeit und Sparen Das Unbefriedigende an der Lehre von der Finanzierung bis zum heutigen Tage wird in dem oben zitierten Satze Preisers Kapital sei „Erinnerungspost" evident. Wir werden das anstehende Problem in der nachstehenden Darstellung des sozialen Leistungsprozesses als Simultanprozeß von Arbeit und Sparen einer Lösung näherbringen. Dabei werden wir insbesondere auch auf die Nichtberücksichtigung der Arbeit eingehen und aufzeigen, daß eine solche, sowohl logisch wie zeitlich falsche Vorgangsweise, die das Hervorgebrachte vor die hervorbringenden Kräfte stellt, in eine Sackgasse münden muß. Dabei gehen wir zunächst auf den Sachaspekt ein. In einem nächsten Schritt gehen wir auf jene Zusammenhänge ein, die zur „Assoziierung" überleiten. aa) Der Simultanprozeß von Arbeit und Sparen als Sachzusammenhang Von bestimmten Voraussetzungen, die uns hernach beschäftigen werden, abgesehen, kann davon ausgegangen werden, daß der betriebswirtschaftliche Leistungsprozeß unter dem hier ins Auge zu fassenden Blickwinkel als ein simultaner Arbeits- und Sparprozeß wie folgt angesehen werden kann: Arbeitsprozeß -Bilanz
1000 Einkommen (Eigentum)
Sparprozeß Produkt 1000
10001 Bilanz
-
1000
Ij
Bilanz -^Sparfonds
10001 Eigentum
1000*
Es gilt somit 1. Spar- und Arbeitsprozeß verlaufen während der Güterproduktion uno actu: Arbeitsprozeß ist gleichzeitig Sparprozeß (Einkommen 1000 = Sparfonds 1000). 2. Ggf. setzt hierauf ein darüber hinausgehender weiterer Sparprozeß (verbunden mit Entsparen) für die Dauer der Güternutzung i m Leistungsprozeß mit folgender Wirkung auf den Gesamtprozeß ein: a) Sparprozeß in Form der Vorräte (Leistung der Sparer i. e. S.) b) Entsparprozeß an den Vorräten (Verbrauch) c) Weiterhin uno-actu-Arbeits- und Sparprozeß, soweit Arbeitskraft konsekutiv eingesetzt und mit der Produktentstehung zugleich gespart („entsagt") wird.
Wir können diesen erweiterten Arbeits- und Sparprozeß wie folgt skizzieren: Sparbeteiligung 6) Bilanz
2000 1) Anfang 5) Arbeit 2000
8*
Vorräte (Sparfonds) 1000
1) Anfang
1000
4) Neu
2000
1000 2) Entn.
500
1500 7) Bil.
2000
2500
2500
116
Π . Abschnitt Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme Arbeit
Produktion/Sparen
3) Produkt. 5) Sparbeteiligung 1000
1000
2) Vorräte 3) Arbeit
500 4) Vorräte
1500
1000 1500
1500
Bilanz Spar2000 beteiligung
Vorräte (Sparfonds)
2000
Anmerkung: hier wird unterstellt, daß nicht konsumiert wird!
bb) Der Arbeitsprozeß als mehrstufiger Zeitprozeß In dem obigen Beispiel wurde unterstellt, daß der Arbeits- und Sparprozeß nur eine Periode (welche Dauer auch immer) umfaßt. Häufig aber vollzieht sich der Arbeits- und Sparprozeß über mehrere Perioden, wobei aber simultan die einander folgenden Arbeits- und Sparprozesse wie folgt vollzogen werden:
„Betrieb X - Arbeits- und Zeitgliederung"* Erzeugung Gießerei
Dreherei
Montage
1. Monat
2. Monat
3. Monat
100
Lager
Handel
Kredit (Abtig.)
4. Monat
5. Monat
6. Monat
100 100 200
200 100 300
300 10 310
310 10 320
320 10
100
200
300
310
320
330
* Hier zeigt sich schon der Zusammenhang von Organisation, Terminplan, Kostenplan (und Kostenabrechnung) sowie Sparplan bzw. Sparprozeß (Finanzierungsplan und -prozeß).
117
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
Es gelten folgende Annahmen: a) I m 1. Monat werden Stücke gegossen (und in allen Folgemonaten) b) I m 2. Monat werden die Stücke in der Dreherei bearbeitet (und in allen Folgemonaten) c) I m 3. Monat werden die Teile montiert (und in allen Folgemonaten) d) I m 4. Monat werden sie gelagert (und in allen Folgemonaten die fertiggestellten Produkte) e) I m 5. Monat werden sie abgesetzt (und in allen Folgemonaten) f ) I m 6. Monat haben die Kunden auf 1 Monat Kredit (und so in allen Folgemonaten); damit endet der Leistungszyklus.
Die oben eingesetzten Größen sind entweder Vorratsverbräuche oder Entgelte für Arbeit (irgendwelcher Art). Sie stellen also Einkommengrößen oder Entspargrößen dar (vgl. später Begriff „Kosten"). Solange sich die Leistungsbedingungen nicht ändern, bleiben diese Größen konstant. cc) Zeitstruktur des Arbeits- und Sparprozesses und Korrelativstruktur der Sparbeteiligungsbereitschaft Nach dem eben Dargestellten besitzt der simultane (einfache und erweiterte) Arbeits- und Sparprozeß eine zeitliche Gesamtlänge mit einer entsprechenden phasenmäßigen Untergliederung desselben nach den „Leistungsstationen". In dieser zeitlichen Gesamt- und Teilerstreckung vollzieht sich der Arbeits- und Sparprozeß unter konstanten Bedingungen als Gesamt- und Teilkreislauf sozialer Leistungssysteme. Wir wollen uns dies zunächst in Art einer Zeitbilanz ansehen, um hieraus in weiterer Folge gewisse Schlüsse auf Entsprechungsfragen zu ziehen, die mit herkömmlichen, jedoch u. E. noch wenig klar genug formulierten betriebswirtschaftlichen Begriffen korrespondieren. 1) Die Zeitbilanz Zeitbilanz Sparbereitschaftsbedarf
Sparfonds Dauer
Dauer
Wert
Wert
1) Halbfabr.
IM
100
Sparbereitsch.
IM
100
2) Halbfabr.
IM
200
Sparbereitsch.
1 M
200
3) Halbfabr.
1 M
300
Sparbereitsch.
1 M
300
4) Fertigfabrk.
IM
310
Sparbereitsch.
1 M
310
5) Handelslager
IM
320
Sparbereitsch.
1 M
320
6) Kundenkredit
IM
330
Sparbereitsch.
IM
330
Summe Sparfonds
1560
Summe Sparbereitsch. bed.
1560
118
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Unter Zeitbilanz wollen wir die Gegenüberstellung der einzelnen Quoten des Sparfonds und der hiefür benötigten Sparbereitschaft derer verstehen, die an diesem Produktions- und zugleich Arbeits- und Sparprozeß teilnehmen. Der Sparprozeß kann dabei zugleich von den Arbeitenden mitvollzogen werden, wenn sie zugleich die entsprechende Sparbereitschaft dem Betrieb zur Verfügung stellen, oder aber sie verlangen ihre Einkommensanteile aus dem Arbeitsprozeß und der Betrieb muß andere Sparwillige gewinnen, um die nur am Arbeitsprozeß Beteiligten abfinden zu können. Der obige Fall stellt sich wie folgt dar: 2) Die Entsprechung (Korrelation) „Liquidität u
von Sparbedarf
und Sparbereitschaft
Im unmittelbaren Anschluß an die obige Zeitbilanz lassen sich noch folgende grundsätzliche Überlegungen treffen: Diese Zeitbilanz zeigt das Bild der sogenannten Kongruenten Finanzierung: Alle Einzelquoten des Sparfonds sind umfänglich wie in ihrer individuellen Erstreckung im Rahmen des Gesamtsparprozesses ausgewiesen. Insoweit entsprechen einander also partielle Sparbedürfnisse der Produktion und partielle Sparbereitschaften der am Sparprozeß Beteiligten. Soferne sich dieser Gesamtprozeß in dem oben geschilderten Sinne, nach Art der zeitlich-umfänglichen und funktional-abteilungsmäßigenErstreckung permanent wiederholen soll, darf keine einzige Sparquote fehlen. Die gegebene Sparbedarfs- und Sparbereitschaftsstruktur muß in vollen Umfange aufrechterhalten bleiben. Dementsprechend sind die partiellen Entsprechungen nur von nachgeordneter Bedeutung gegenüber der totalen, auf Aufrechterhaltung des Leistungssystems in einer gegebenen Struktur gerichteten, derartigen Sparbedarfs- und Sparbereitschaftsentsprechung. Alle partiellen Entsprechungen sind nur soweit für sich von Bedeutung, als ggf. nach Art der entsprechenden Leistungsphase Veränderungen möglich sind, welche nicht den Bestand des Gesamtsystems gefährden. So könnte man ζ. B. eventuell die Lagervorräte (Vorleistungen einerseits, Endleistungen andererseits) oder auch die Kreditgewährungen an Kunden u. ä. abbauen, wenn die Sparbereitschaft der bislang Beteiligten nicht mehr ausreichend ist, also eine Systemreduktion erforderlich wird. Eine solche Umstrukturierung des sozialen Leistungssystems an neue Strukturen der Sparbereitschaft kann logischerweise nur in Entsprechung mit den Leistungszusammenhängen interner und externer Art erfolgen 34. Herkömmlicherweise nennt man dieses Entsprechungsverhältnis von Sparund Sparbeteiligungsstruktur sozialer Leistungssysteme „Liquidität". In der Tat ist dies ein eher bildhafter Ausdruck, denn ein wissenschaftlicher Begriff. Mit den eben getroffenen Ausführungen ist daher die Transformation einer Metapher zu einem wirtschaftswissenschaftlichen Begriff vollzogen. Zugleich eröff34
Vgl. Wysocki,
(Finanzkongruenz).
als
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
119
net sich damit der Blick auf den Zusammenhang von Arbeits- und Sparprozeß und den hiemit zusammenhängenden Vorkehrungen zur Gestaltung der erforderlichen sozialen Arbeits- und Sparbereitschaften an sich und in ihren Formen.
B. Einführung in die funktionale und morphologische Theorie assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme Die Ingangsetzung und Inganghaltung sozialer Leistungssysteme läßt sich aus dem faktoriellen Aspekt allein weder erklären noch konkret bewerkstelligen. Wir müssen vielmehr auf den funktionalen und morphologischen Aspekt der Arbeits- und Sparassoziierung Bedacht nehmen, kraft dessen besagte Faktoren ihre gesellschaftliche Wirkungsform erhalten, um sich in wechselseitiger Dienstbarkeit entfalten zu können. Daher ist der faktorielle Aspekt zum assoziativen Aspekt weiterzuführen. 1. Einführung in die Kredittheorie als besonderer Anknüpfungspunkt der Assoziierungstheorie sozialer Leistungssysteme
Die Theorie des Kredits ist insoferne eine assoziierungstheoretische Sonderlehre, als der Kredit eine Sonderform der Assoziierung sozialer Leistungssysteme ist. a) Einige Voriiberlegungen Als wir oben in faktorieller Betrachtung den Leistungsprozeß sozialer Leistungssysteme an die Stelle der u.E. unangebrachten Geld-Ware-Geld-Beziehung setzten, haben wir im Grunde das bereits vorausgesetzt, was wir nunmehr nachzutragen haben: Das Vorhandensein der gesellschaftlichen Ordnung, kraft der einzelne Arbeits- und Sparfähige miteinander intentionell wie tatsächlich in der Ausübung ihrer Funktion als Träger von Arbeits- und Sparleistungen derart verbunden sind, daß sie nicht bloß vereinzelt, sondern als „Gesellschaftliche Kraft" wirken. Unbeschadet, daß es auch den Einzelunternehmer gibt, ist selbst dieser gebildeintern und/oder -extern kein Isolierter, sondern kraft gesellschaftsgestalterischer oder wie wir sagen, assoziativer Maßnahmen, zu einem Glied des gesellschaftlichen Leistungsganzen geworden. Auch die Einzel-Unternehmung ist innerhalb der Grenzen ihres Eigenlebens insofern gesellig-assoziativer Natur, als es hiezu nur der einfachsten Tatbestände, wie etwa des bloßen Mitwirkens eines Familienangehörigen bedarf, um schon den Moment des Assoziativen zum Tragen zu bringen. Ganz zu schweigen etwa von einer Wirtschaft, in der - wie ja nie auszuschließen - zwischengebildliche Beziehungen derart bestehen, daß Lei-
120
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
stung und Gegenleistung nicht Zug um Zug erfolgen, womit schon die Grundbedingung für die Form kreditärer Assoziation gegeben ist. Geht man einen Schritt weiter, so ist einsichtig, daß individuelle Arbeit und individuelles Sparen nicht zureichen, um Aufgaben zu erfüllen, die über die Kraft des einzelnen hinausgehen. Damit ist geklärt, daß individuell-isolierte Arbeit und isoliertes Individualsparen nicht in der Lage sind, überindividuelle Aufgaben weder dem Umfang noch der Art und Vollkommenheit nach zu lösen. Vielmehr bedarf es der assoziierten Arbeit wie des assoziierten Sparens, um dieser überindividuellen Aufgabenstellung zu genügen. Damit aber überschreiten wir gedanklich die Grenze von der f aktoriellen zur funktional-morphologischen Betrachtung und führen überdies von der Arbeitsund Sparwerbung zur institutionalen Verfestigung gesellschaftlicher Arbeitsund Sparbereitschaften weiter, kraft derer wechselseitige Dienstbarkeit insgesamt wie in den entsprechenden Aufgabendimensionen und -qualitäten erst möglich wird b) Die Kredittheone
als assoziationstheoretische
Anknüpfungsmöglichkeit
Die Betriebswirtschaftslehre besitzt im Grunde keine auch nur im Ansatz umfassende Assoziierungstheorie sozialer Leistungssysteme. Was zur Verfügung steht, sind von der Finanzierung ausgehende Weiterführungen in diese Richtung, die freilich in ihrer Stringenz und Entfaltungsqualität kaum alle Wünsche befriedigen. Die nächste Verbindung zwischen faktorieller und assoziativer Betrachtung scheint uns vielmehr in der Kredittheorie gelegen zu sein, die dort beginnt, wo Preiser uns mit der Bestimmung verläßt, Kapital sei Geld für Investitionszwecke, das nach seinem Verbrauch zur Erinnerungspost wird. Wir setzen hier mit Hahn fort, da dieser über Preiser hinaus auf eine allgemeine Assoziierungstheorie zuführt. aa) Die Grundthese Hahns Berühmt, klar und unwiderlegbar ist der Satz Hahns, der in jeder Weise auch die Preisersche Lehre überragt und berichtigt: „Wenngleich das Geld zweifellos historisch den Ursprung des Geldmarktes bedeutet, ist es, wenn es sich um eine theoretische Betrachtung handelt, doch logisch falsch, vom Geld auszugehen, anstatt es bei der prinzipiellen Betrachtung auszuscheiden und nur als modifizierendes Element in den Kreis der Überlegungen zu ziehen35." Hahn bezieht sich damit auf einen umfassenderen Begriff, wenn er an Hawtrey anknüpft und sich auf dessen Ausführungen über Kredit ohne Geld beruft 36 . 35
Hahn, (Bankkredits), S. 4.
36
Hawtrey,
(Credit).
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
121
bb) Arbeit - Sparen - Kredit Halten wir an der unbestreitbaren Tatsache fest, daß faktoriell gesprochen, jedes Produkt auf Arbeit und Sparen, Arbeits- und Sparleistung beruht, so können wir in zeitlicher Ordnung zwei Verbindungs- und Erscheinungsweisen des Arbeits- und Sparprozesses unterscheiden. 1) Der Simultanprozeß von Arbeit - Sparen - Kredit Blicken wir auf unsere obigen Ausführungen und Darstellungen zurück, so verläuft der Arbeits-, Spar- und Kreditvorgang simultan, was uns berechtigt, dies wie folgt darzustellen: Kredit (ζ. B. der Arbeitnehmer) Bilanz
10001
Produktion (Arbeit + Sparen) ÎÔÔÔ
1000 ' Bilanz
lÖÖÖ
Bilanz Investition (Sparfonds)
Kredit 10001 (Beteiligung)
1000
Was hier neu ist, das ist eigentlich nur die Erkenntnis, daß im Haben der Anspruch derjenigen ausgewiesen ist, welche ein Produkt durch simultane Arbeitsund Sparleistung erbracht haben. Diesen Anspruch bezeichnen wir - ohne zunächst nähere Erklärung - als Kredit, als Sparantizipation. 2) Die zeitlich vorgängige Kreditgewährung
(Kreditschöpfung)
Es ist zwar völligrichtig,daß jede Produktion immer ein Simultanprozeß von Arbeit und Sparen (letzteres prolongiert für die gesamte Nutzungsdauer der geschaffenen Güter) ist. Immerhin aber wird dabei etwas Bedeutsames sozusagen unterschlagen: Daß dieser Prozeß nicht von sich aus autonom in Gang kommt, sondern daß es immer eine Art „Vorprozeß der Produktion" gibt, der dann im übrigen mit derselben - mehr oder weniger gestaltungsbedürftig - weiterläuft. Gerade dieser „Vorprozeß" weist aber auf jenen Tätigkeits- bzw. Funktionsbereich in der Wirtschaft hin, der erst Arbeits- und Sparprozeß ermöglicht, diesen in Gang setzt und in Gang hält: die Funktion der Spar- und Arbeitsassoziierung. kein einzelner Mensch im wahrsten Sinne des Wortes allein arbeiten und sparen kann, sondern immer - mehr oder weniger mittel- oder unmittelbar - mit anderen zusammenwirkt, ist die gesamte Wirtschaft mit einem Netz sozialer Beziehungen ökonomischer Art überzogen, von denen ζ. B. eine Form Kredit, eine Unterform Geld usw. darstellt. So gesehen geht auch jenem obigen Simultanprozeß von Arbeit - Sparen - Kredit, der Kredit (und andere, hier nicht näher in Betracht gezogene Assoziierungsakte) voran. Dies ist die Quintessenz dessen, was
Da
122
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
man unter dem besonderen Begriff des Schöpfkredits und der Kreditschöpfung meint, woraus sich dann die Einsicht in die Leistung der Assoziierung als Ganzes ergibt. Wir können hier - insbesondere unter Bezugnahme auf Hahn - das Folgende festhalten: (a) Der Schöpfkredit ist eine besondere Art des Bankkredits, der die Banken vom Geld in der Kreditgewährung unabhängig macht, er ist also autonomer Bankkredit. (b) Da die Banken (prinzipiell) diese Fähigkeit besitzen, „... ist es auch unrichtig, die Mittel der Banken als aus Geld ... bestehend zu betrachten" 37. Worüber die Banken wirklich verfügen, das ist eben ihre Fähigkeit, ohne über Güter oder unmittelbare Ansprüche über solche zu verfügen, Kredit zu gewähren, und zwar bevor noch erzeugt oder sonstwie geleistet worden ist. Damit begleitet der Kredit nicht den Leistungsprozeß, sondern ermöglicht ihn, steht noch vor dessen Anfang, und zwar in Form der Verfügung über Güter oder der Zusage, daß Arbeitnehmeransprüche gegen eine Unternehmung in solche gegen eine Bank (als Scheck ggf. auch Sparguthaben) jederzeit verwandelbar sind. Der Unternehmer kann also seine Schulden in einer Art Zahlung abstatten. Buchhalterisch sieht dieser Vorgang bei der Bank so aus: Kredit an Unternehmer
Kredit von Unternehmern
10001
31. 1.
10001 1. 1.
lÖÖÖ
Kredit (Spareini.) v. Arbeitnehmern 31. 1. Bilanz
1000131. 1.
Bankbilanz am 1.1.19 Kredit an U. (Debitoren)
lÖÖÖ
Bankbilanz am 31. 1.19.
Kredit von U.
Kredit von Arbeitn.
Kredit an U.
1000 (Sichtverb.)
1000
1000
1000
(Debitoren)
1000 (Spareini.)
1000
1000
1000
(c) Bezüglich der Leistungen des „Schöpfkredits" wollen wir hier nur das Folgende anführen: Die Grundleistung der Bank besteht darin, daß sie mit Hilfe ihrer autonomen Kreditgewährung (Schöpfkredit) ζ. B. einem Unternehmer die Fähigkeit verleiht, von Arbeitsbeteiligten Kredit zu erhalten und damit den Leistungsprozeß in Gang setzen und (unter bestimmten Bedingungen) in Gang halten zu können. Der höherstufige Kredit der Banken (als System) evoziert den niederstufigen Kredit von Nichtkreditinstitutionen. Tritt der Schöpfkredit als zusätzlicher Kre37
Hahn, (Bankkredits), S. 11.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
123
dit in Erscheinung, so gestattet er, bisher unbeschäftigte Arbeitskräfte und ungenutzte Naturkräfte in den sozialen Leistüngsprozeß einzugliedern, womit gleichzeitig allen Gliedern des sozialen Leistungsganzen die Last des Zwangsparens auferlegt wird. Dies in dem Ausmaße und in der Dauer, bis aus der Zusatzproduktion Zusatzkapazitäten der Sachmittelausstattung (Sparfonds) geschaffen sind, aus denen durch eine Erhöhung der Konsumgüterproduktion eine Anhebung der Konsumgüterversorgung auf das Ausgangsniveau möglich wird. Steigt mit diesem Wirtschaftswachstum auch zugleich die Produktivität, so kann in Folge durch spezifische Teilung dieses Zusatzprodukts in ein solches des Konsum- und Produktivgüterbereiches schließlich das Niveau der Konsumgüterversorgung (unter bestimmten Bedingungen stetig) erhöht, der Lebensstandard insofern (!) gesteigert werden. Gehen wir von den Leistungen des Schöpfkredits auf die der Kredit- und Schöpfkredittheone über: Sie besteht darin, erkannt zu haben, daß Assoziierung logisch wie faktisch vor dem Arbeits- und Spargeschehen steht. Sie ist dessen Voraussetzung. Sie bringt gleichzeitig Geld als besondere Form des Kredits zu diesem in das richtige logische wie faktische Verhältnis. An dieser Stelle ist festzuhalten, daß der Kredit nur eine bestimmte Sondergestalt assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme ist, wie dies Wagner anzeigt: „Auf der Basis der kapitalistischen (aber nicht nur dieser, J. K.)... Produktion bedingen ausgedehntere Operationen von längerer Dauer größere Vorschüsse von Geldkapital (siehe jedoch unsere obigen Ausführungen, J. K.) für längere Zeit. Die Produktion in solchen Sphären ist also abhängig von den Grenzen innerhalb derer der einzelne Kapitalist über Geldkapital verfügt. Diese Schranke wird durchbrochen durch Kreditwesen und damit zusammenhängende Asociation, z. B.'Aktiengesellschaften 38."
2. Einführende Erweiterung der Kredittheorie zur funktionalen und morphologischen Theorie assoziativer Strukturen
Der Kredit hat im Sinne der vorangegangenen Ausführungen eine überragende Bedeutung in Theorie wie Praxisgestaltung von Assoziierungsleistungen sozialer Leistungssysteme. Trotzdem handelt es sich dabei nur um eine assoziative Sondergestalt unter anderen, ggf. solchen, die als Assoziierungsgrundformen zu bezeichnen sind. Der Kredit weist ihnen gegenüber nur den Charakter einer Assoziierungsergänzungsform auf. Wir müssen daher von der Kredittheorie zu einer allgemeineren Assoziierungsfunktionen- und -formenlehre fortschreiten, um die eben aufgezeigte Grenze sprengen zu können. Dabei gehen wir prinzipiell von den gleichen kategorialen Gesichtspunkten aus, die uns schon bei Behandlung der Teilinhalte der 38 Marx, (Kapital), S. 331, zit. nach Wagner (Kredittheorien), S. 487.
124
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Wirtschaft als soziale Leistungsordnung und ihrer stuf liehen Integration und Besonderung leiteten. Im gegenständlichen Falle haben wir insbesondere in Betracht zu ziehen, daß der Gestaltungsgegenstand assoziativer Funktionen grundsätzlich die Kategorie Eigenleben betrifft. Diese assoziativen Funktionen eines solchen Leistungssystems verschaffen dem System sein Eigenleben, und zwar unter sowohl gleichzeitiger Besonderung als auch Einbindung in die soziale Umwelt. In weiterer Folge ist daher aimh die Frage der Eigenlebensqualität zu diskutieren.
a) Einführung in den allgemeinen Funktionenansatz assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme In der weiteren Vorgangsweise soll zunächst ein Überblick über das Funktionensystem gegeben werden. Hernach sollen die Einzelfunktionen und die Funktionengruppen assoziativer Gestaltbildung in ihrem besonderen Sinngehalt erfaßt und kurz charakterisiert werden. aa) Das allgemeine assoziative Funktionensystem Unter dem erst in der Folge zu klärenden Besonderungsgesichtspunkt unterscheiden wir die beiden nachfolgenden Funktionengrundbereiche des Assoziierungsgesamtbereiches sozialer Leistungssysteme und von hier aus deren Einzelfunktionen wie folgt: (1) Tradierungsfunktionen (a) Assoziative Gründungsfunktion (als Konstituierung des Eigenlebens innerhalb des Ganzen der sozialen Leistungsordnung). (b) Funktionen der Verstetigung des Eigenlebens (nach innen und außen) - Assoziative Prolongationsfunktion - Assoziative Substitutionsfunktion - Assoziative Transformationsfunktion (2) Mitgliedschaftliche Funktionen der Verhaltensstimulierung (a) Mitgliedschaftliche Verhaltensstimulierung durch Ausübung von Herrschaftsfunktionen - Kürfunktion - Führungsfunktion - Kontrollfunktion - Disziplinierungsfunktion (b) Mitgliedschaftliche Verhaltensstimulierung durch Ausübung der Abgeltungsfunktionen - Verteilungsfunktion - Vorsorgefunktion (Sicherungsfunktion in der Entgeltsbemessung)
Generell haben also alle diese Assoziierungsfunktionen (also ohne jede assoziierungsartenmäßige Besonderung) die Aufgabe, Assoziativstrukturen zu begründen und zu erhalten. Die zugrunde liegende Zielsetzung ist die der Gestal-
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
125
tung innerassoziativer arbeits- und sparmäßiger, wie damit verbundener, genereller mitgliedschaftlicher Verhaltensbereitschaften.
bb) Kurzcharakterisierung assoziativer Einzelfunktionen und Funktionsgrundbereiche Zunächst sollen die Einzelfunktionen der beiden oben herausgestellten Funktionengruppen inhaltlich skizziert werden. Davon ausgehend kann der innere Zusammenhang und die gegenseitige Abhebung der beiden Funktionengruppen als Ganzes herausgearbeitet werden, was für den weiteren Gang der Untersuchung unbedingt erforderlich ist. 1) Kurzcharakteristik
tradierender
Funktionen
10) Gründungsfunktionen Gründen im assoziativen Sinne ist eine Art Geburtsakt einer sich aus dem sozialen Ganzen heraushebenden, mit Eigenleben erfüllten sozialen Sondereinheit, unter gleichzeitig verbleibender artspezifischer Einbindung in das soziale Strukturgesamt. Gründen heißt also immer Sondereigenleben schaffen! 11) Eigenlebensverstetigungsfunktionen Tradierungsfunktionen sind aber nicht nur Assoziierungsleistungen, die Eigenleben entstehen lassen. Sie ermöglichen damit die Durchbrechung der zeitlichen Begrenzung durch Prolongation (ζ. B. ein Kreditverhältnis), durch Substitution, wenn Mitglieder ausfallen (gleichgültig ob Spar- oder Arbeitsbeteiligte). So wird dem Gebilde Dauer verliehen und zudem der Assoziierungsmodus aufrecht erhalten. Reicht dieser jedoch nicht mehr aus, so tritt die Transformätionsfunktion (Umwandlung, z.B. eines Kredit- in ein Gesellschaftsverhältnis) in Kraft, nachdem es bislang den vorgängigen Tradierungsfunktionen oblag, eine „Stille Transformation" (ζ. B. als Verwässerung der Assoziierungsqualitäten der Genossenschaft durch Annäherung an eine Kapitalgesellschaft unter Aufrechterhaltung ihrer formalen Hülle) hintanzuhalten und damit die Beteiligtentreue aufrechtzuerhalten. Tradierende Funktionen stehen immer in Verbindung mit den Regelungsfunktionen der (permanenten) assoziativen Verhaltensbereitschaft der Mitglieder sozialer Leistungssysteme nach Maßgabe ihrer assoziativen Integration.
2) Kurzcharakteristik der Funktionen permanenter Stimulierung mitgliedschaftlicher Verhaltensbereitschaft Es erscheint uns einleuchtend, daß es einen wesentlichen Unterschied bedeutet, ob ein Mitglied einer Assoziation dazu verhalten werden soll, eine Verpflichtung zu halten oder aber im Gegensatz dazu, eine solche Verpflichtung einzuge-
126
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
hen (siehe Gründung), ggf. über das zeitlich Vereinbarte hinaus zu verlängern (Prolongation) oder sich gar zu einer anderen Verpflichtungsart bereitzufinden (Transformation). Im Substitionsfalle verhält es sich ähnlich. Hier geht es darum, einen Partner zu ersetzen oder, weil seine Verpflichtung zu Ende gegangen ist, für ihn einen Ersatz zu beschaffen. Dies müssen wir bereits hier zumindest prinzipiell erkennen, wenn wir in der Folge nicht nur den Sinngehalt der einzelnen Funktionen mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung, sondern zugleich den darüber stehenden Unterschied zwischen diesen und den tradierenden Funktionen zumindest schon im Umrissen ahnen wollen. 20) Kurzcharakterisierung der Herrschaftsfunktionen Jedwedes gesellschaftliche System bedarf einer bestimmten Verhaltensordnung, deren Einhaltung - abgesehen von der allgemeinen Verpflichtetheit aller Mitglieder - bestimmten Organen übertragen wird. Diese selbst werden auf bestimmte oberste Werte der jeweiligen Assoziation verpflichtet, deren Wahrung ihnen als Führungsaufgabe obliegt. Als spezifisches Beispiel eines solchen „Obersten Wertes", an dem Richtung und Sinngemäßheit alles Handelns in der und für die Assoziation abgewogen werden kann, stellt § 43 des „Statuts der Carl-Zeiss-Stiftung" dar: „Die Organe der Stiftung haben besonders darauf hinzuwirken, daß auch in Zukunft die Stiftungsbetriebe fortgesetzt und in möglichstem Umfange an solchen Aufgaben ihres Arbeitsgebietes sich betätigen, welche technisch hochstehende Einzelarbeit erfordern und welche deshalb, wenn sie auch wirtschaftlich (gewinn- und rentabilitätsmäßig, J. K.) wenig Vorteil bringen, dem Ganzen ein höheres Niveau technischer Leistungsfähigkeit erhalten und ein Gegengewicht gegen die Routinetendenz rein fabrikatorischer Tätigkeit darbieten 39." Von der assoziativen Wertsetzung ausgehend, obliegt der Kürfunktion die der mitgliedschaftlichen Vollkommenheit entsprechende rangmäßige Strukturierung der Mitgliedschaftsstruktur mit der Folge des Weiterwirkens in allen übrigen gestaltbildenden und hervorbringenden Einsatzbereichen der assoziierten Mitglieder im sozialen Leistungssystem. Ein Hilfsarbeiter hat kraft seiner geringen Wertverpflichtetheit (Verantwortung) assoziativ eine andere Stellung im sozialen Leistungssystem als etwa ein Facharbeiter, womit zugleich auch dessen verantwortungsabhängige Form der ihm anvertrauten Arbeitsaufgabe mitbestimmt ist. Kürlegitimation ist immer die Verantwortungsqualität von Mitgliedern assoziativer Systeme in Ansehung ihrer arbeits-, spar- und sonstigen mitgliedschaftlichen Verhaltensbereitschaft und -fähigkeit. Die Kürbefugnis besteht also darin, Verantwortung zu übertragen (aktives Kürrecht) und Verantwortung übertragen zu erhalten (passives Kürrecht). Ge39
Abbé, (Vorträge), S. 281 f.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
127
nerell gesprochen wäre es das größte Verhängnis für und an einem Menschen, ihm das (aktive wie passive) Kürrecht in jenem Maße zu verweigern, als er es kraft seiner Fähigkeiten im Rahmen des Funktionensystems der sozialen Leistungsordnung (und darüber hinaus) wahrzunehmen willens ist. So ist ζ. B. ein beruflicher Befähigungsnachweis die primäre Kürlegitimation, wobei im assoziativen Bereiche unter Fähigkeiten vor allem jene zu verstehen sind, welche dem Vollzug der hier zu erbringenden Leistungen zur Grundlage dienen. Basierend auf durch Kür anerkannte assoziationsspezifische Verhaltensfähigkeit und -bereitschaft bedeutet die hieraus folgende Führung sfunktion die Gestaltung eines mitgliedschaftlichen (überindividuellen) Gemeinschaftswillens (in Permanenz) als Durchsetzungsbedingung gesellschaftlicher Ziele. Die Folge daraus ist die Erringung der zielkonformen Einsatzbereitschaft der Mitglieder assoziierter Leistungssysteme. Durch Kür erfolgt Organbildung und es ist Aufgabe des Führungsorgans, die ihm übertragene mitgliedschaftliche Stimulierungsleistung im Sinne des vom Kürorgan verabschiedeten (und ggf. durch dieses überwachten) Willensbildungsauftrages in Permanenz zu vollziehen. Führung verbindet sich nach organisatorischen Kriterien mit anderen Assoziierungsfunktionen, ggf. auch nichtassoziativen Funktionen, ist aber selbst keine Organisationsfunktion. Kontrolle bedeutet im gegebenen Zusammenhang Überprüfung assoziationskonformen Verhaltens der Assoziationsmitglieder in allen Belangen, seien diese tradierender Art (z.B. Einhaltung von Treueverpflichtungen) oder einbringungsmäßiger Art (ζ. B. Erfüllung der Arbeitsverpflichtung) wie überhaupt aller, aus der Wirkung permanenter Gestaltbildungsfunktionen erwartbarer mitgliedschaftlicher Verhaltensweisen. Selbstkontrolle und Fremdkontrolle ergänzen einander. Disziplin ist subjektiv gesehen die Bereitschaft, die mitgliedschaftlich-assoziative Wertordnung zu respektieren; objektiv bedeutet es diesen Zustand einer Assoziation. Disziplinierung ist Herbeiführung oder Wiederherbeiführung einer ungestörten Wertordnung unter entsprechender Einflußnahme auf die die Störung bewirkenden Bedingungen und Personen. 21) Kurzcharakteristik der Abgeltungsfunktionen mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung Wir haben oben jené Funktionen aufgezeigt, kraft derer mitgliedschaftliches Verhalten mit den Mitteln der Führung, Kontrolle und Disziplinierung herbeizuführen und zu verstetigen getrachtet wird (Herrschaftsfunktionen). Mitgliedschaftsverhältnisse sind aber nicht nur auf Einsatz, sondern auch auf Abgeltung mitgliedschaftsentsprechender, hier also vorzüglich arbeits- und sparmäßiger Mitgliedereinsätze ausgerichtet. Mitgliedschaftsentsprechende Verhaltensbereitschaft kann demnach nicht nur mit den Stimuli der Herrschaftsfunktionen, sondern muß zugleich auch mit denen der Abgeltungsfunktionen zu er-
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II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
reichen getrachtet werden. Herrschafts- und Abgeltungsfunktionen ergänzen einander also korrelativ in der Stimulierung mitgliedschaftlicher Verhaltensbereitschaften. Zur Vermeidung folgenschwerer Irrtümer muß hier grundsätzlich festgehalten werden, daß die Assoziierungsfunktionen nicht den Inbegriff aller Stimuli darstellen, die soziale Leistungssysteme zur Willensgestaltung ihrer Leistungsträger zur Verfügung haben. Zu den spezifisch assoziationseigenen Funktionen, bestehend aus Stimuli der Herrschaft und Abgeltung, tritt noch die Werbung (als außerherrschaftliche Stimulierungsart) und die Aufgabengestaltung durch Organisation. Innerhalb aller Stimuli stellt der Funktionsbereich der Assoziierung demnach nur einen bestimmten Teilinhalt dar, weshalb nicht alle Stimuli assoziativen, wohl aber alle assoziativen Funktionen stimulierenden Charakter besitzen. Die Ausübung der Abgeltungsfunktion bedeutet also Stimulierung mitgliedschaftlichen Verhaltens in Ergänzung und als Korrelat zur Ausübung von Herrschaftsfunktionen durch Aussetzung der Teilhabe an durch mitgliedschaftliches Verhalten erreichbaren Zielen (Erträgen i. w. S.) bzw. Zuteilung derartiger Teilhabeformen nach Maßgabe erwiesener mitgliedschaftlicher Verhaltensweisen, insbesondere im Arbeits- und Spareinsatz aber auch den übrigen, mitgliedschaf tliches Verhalten charakterisierenden Tatbeständen, die eine solche Honorierung als erwartbar und geboten erscheinen lassen. Diese Honorierung bedeutet immer Anteil am Ertrag, nicht hingegen Darbietung anderer etwa zum Bereich der innerassoziativen Werbung gehörender Stimuli. Vorsorgegestaltung ist demgegenüber Wahrung des mitgliedschaftlichen Interesses durch Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Assoziativsystems. Es darf daher dem Leistungssystem durch Verteilung nicht entzogen werden, was es zur Aufrechtèrhaltung seines Bestandes bzw. zur Bestandssicherung überhaupt benötigt, um im Rahmen des Gesamtsystems wechselseitiger sozialer Dienstbarkeit bestehen und diese Wechselseitigkeit seinen Mitgliedern als Teilhabe an den Dienstbarkeiten des gesamtsozialen Leistungssystems auf Dauer verfügbar machen zu können. Es handelt sich dabei ebenso um Vorsorge zur Gestaltung des Ertragsausgleiches und der Erhaltung der Ertragsfähigkeit (Rücklagen) als um die Deckung von Eventualverbindlichkeiten gegenüber Dritten (Rückstellungen). Hierher gehört auch die mitgliedschaftliche Verhaltensstimulierung durch Gewährung einer die Mitglieder selbst betreffenden (ζ. B. Alters-) Vorsorge. Im übrigen darf hier angemerkt werden, daß diese Vorsorge im Innenbereich sowohl als Selbstversicherung als auch durch Heranziehung Dritter gegen entsprechende Abgeltung, also als Außenversicherung, vollziehbar ist. Versicherungen bedeuten dabei Assoziationen besonderer Art, deren Ziel in der Tragung gemeinsamer Risiken gelegen ist und die sich daher als Risikoausgleichsassoziationen etablieren. Sie sind daher keine allgemeinen, sondern die-
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
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sem Zwecke besonders gewidmete Systeme assoziierten Vorsorgesparens in spezifischer Regelungsweise der Sparverpflichtung und des Anrechts am Sparfonds (Deckungsstock) derartiger Versicherungen als Vorsorgesparinstitutionen des sozialen Gesamtleistungssystems.
cc) Innerer Zusammenhang und gegenseitige Abhebung tradierender Funktionen und Funktionen mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung Nachdem wir nunmehr einen gewissen Ein- und Überblick in die Einzelfunktionen der beiden Assoziierungshauptbereiche gewonnen haben, erscheint es uns angebracht, auf unsere eingangs dieses Abschnittes getroffene Ankündigung zurückzukommen, den inneren Zusammenhang und die gegenseitige Abhebung dieser Funktionen einer kurzen richtunggebenden Betrachtung zu unterziehen. Diese Kurzbetrachtung ist die Grundlage für die Weiterführung unserer Analyse von der allgemeinen zu einer besonderen Funktionenlehre des Assoziierungsbereichs sozialer Leistungssysteme. Hiebei läßt sich folgendes erkennen: Tradierungsfunktionen sind dazu ausersehen, aus einem ohne sie als ungegliedert vorauszusetzenden sozialen Ganzen, Subganze herauszuheben. Diese Subganzen bilden das soziale Ganze, indem sie trotz ihrer Herausgehobenheit in diesem als dessen assoziative Glieder verharren. Es ist also Aufgabe tradierender (gründender, erhaltender und transformierender) Funktionen, das soziale Leistungsganze in Subganzheiten zu gliedern. Gliederung bedeutet dabei, daß es sich eben um keine bloß quantitative Teilung in homogene Teilmengen handeln kann, sondern daß es sich um eine Ausbildung gestalthaft-besonderer-korrelativer Teilassoziativstrukturen als Glieder des von da aus als Gesamtassoziation zu sehenden sozialen Leistungsganzen handeln muß. Dabei muß an die Kategorie der Ebenbildlichkeit erinnert werden, gemäß der sich auf der Grundlage tradierender Funktionen der Aufbau des sozialen Leistungsganzen aus einander gestalthaft-korrelativ ergänzenden Gliedassoziativstrukturen ergibt. Das sich so gliedernde soziale Leistungsganze erscheint damit als ein Stufenbau einander in der besonderen Eigenart ihrer Assoziativgestalten ergänzender Teilassoziationen, das von da aus als Gesamtassoziation des sozialen Leistungssystems anzusehen ist. In Anlehnung an den in der Organisationstheorie gebräuchlichen Begriff Aufbaufunktion könnte man bezüglich der tradierenden Funktion auch von assoziierenden Aufbaufunktionen sozialer Leistungssysteme sprechen. Stimulierungsfunktionen mitgliedschaftlichen Verhaltens vollziehen sich in den entsprechenden Sonderassoziativstrukturen des durch Tradierungsfunktionen gliedhaft-gestalthaft besonderten Gesamtassoziativsystem des sozialen Leistungsganzen, und zwar nach der ihnen zukommenden korrelativen Besonderungsweise. Wie sich eine AG artspezifisch anders aus dem assoziativen Ge«îîimtganzen besondert als eine OHG, genauso unterschiedlich besondert sich 9
Kolbinger
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II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
die Funktionsweise der mitgliedschaftlichen Verhaltensstimulierung artspezifisch nach der zugrundeliegenden Assoziierungsform (Rechtsform). In Analogie zur Organisationstheorie kann man daher hier im Gegensatz zu dem den Tradierungsfunktionen zukommenden Begriff der assoziativen Aufbaufunktionen von den gestaltspezifisch besonderten assoziativen Ablauffunktionen sprechen. Mit dieser so gewonnenen Unterscheidung in assoziative Aufbau· und Ablauffunktionen ergibt sich die in der Folge einzuhaltende Behandlungsweise der Besonderungstheorie assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme. 3. Ansätze einer funktionalen Besonderungstheorie assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme
Funktionale Besonderungen assoziativer Strukturen vollziehen sich in den Bereichen mitgliedschaftlicher (permanenter) Verhaltensstimulierung und in den Tradierungsfunktionen. Dieser Gliederung entsprechend untersuchen wir daher in der Folge diese Ansätze der Besonderung assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme.
a) Funktionale Teilhabebesonderung als Inhalt mitgliedschaftlich-differenzieller Verhaltensstimulierung Mittel der Stimulierung differenzieller Verhaltensbereitschaft sozialer Leistungssysteme ist die funktionale Teilhabebesonderung. Die folgende Abbildung soll dies zum Ausdruck bringen. Legende: Κ -
Kürfunkt ion
F = Führungsfunkt Ko = D = V =
Disziplinierungsfunktion Verteilungsfunktion
Vo = Vor sor gefunkt
Abb.
4:
Stufenwerte
der
ion
Kontrollfunktion
ion
Assoziierungsfunktionen
Die konzentrischen Kreise drücken das assoziative Fassungsvermögen (assoziative Kapazität) aus. In den Segmenten finden die oben entwickelten Funktionen mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung (Kür-, Führungs-, Kontrollund Disziplinierungsfunktion einerseits, Verteilungs- und Vorsorgefunktion andererseits) ihren Ausdruck. Den Segmenten von innen nach außen folgend
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
131
(oder umgekehrt) ergeben sich die entsprechenden Stuf en werte der Teilhabebesonderung. Sehen wir ζ. B. in den konzentrischen Kreisen die assoziative Kapazitätserweiterung in der Folge Einzelunternehmung, Offene Handelsgesellschaft, Genossenschaft (wobei wir hier aus später sich noch klärenden Gründen an Produktivgenossenschaften als „idealtypisch" zu denken hätten), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (von den Assoziierungsformen des Kredits und der Arbeitsverhältnisse sehen wir hier aus Vereinfachungsgründen vorerst ab), so ergeben sich in jedem der hier in Frage stehenden Funktionsbereiche die assoziationsspezifischen (größenbestimmten) Stuf en werte (1 bis 4). Assoziationen werden so über ihre Funktionen vergleich- und zugleich nach ihren Besonderungen in diesen Bereichen differenzierbar. Verhaltensstimulierungsfunktionen eines bestimmten Stufenwertes gehen gegenüber den Mitgliedern objektiv von den Assoziationen selbst aus. Diese haben sich ja mit ihrem Eintritt in diese zu einem bestimmten Verhalten ihr gegenüber - wie untereinander - verpflichtet. Objektiver Träger der mitgliedschaftlichen Verhaltensstimulierungsfunktionen ist die Assoziation selbst, die ein bestimmtes Gegenseitigkeitsverhältnis ihrer Mitglieder untereinander, wie dieser ihr gegenüber, begründet. Die Wahrnehmung dieser Verhaltensverpflichtungen der Mitglieder untereinander, wie der Assoziation und der Assoziation ihnen gegenüber, drückt sich in der Ausbildung von Organen aus. Diese Organe können von den Mitgliedern selbst gebildet werden. Die Mitglieder können an ihnen selbst teilhaben oder auch hievon ausgeschlossen sein. In diesem Fall haben sie sich also nur zu unterwerfen. Wer bereit ist, sich in seinem Verhalten von einem Gremium bestimmen zu lassen, dessen Mitglied er selbst ist, partizipiert einerseits an dieser Funktion der mitgliedschaftlichen Verhaltensgestaltung, andererseits unterwirft er sich gleichzeitig, wenn sein Verhalten nicht aus sich allein, sondern von diesem Verhaltensgestaltungsorgan bestimmt wird. Assoziative Stufenwerte mitgliedschaftlicher Verhaltensstrukturierung bilden sich nunmehr nach den schon anderweitig behandelten Grundsätzen quantitativer und qualitativer funktionaler Besonderung dieser Verhaltensstimulierungsfunktionen, und zwar in Abhängigkeit der Teilhabe von Mitgliedern strukturspezifischer Assoziationen an der Erbringung dieser Stimulierungsfunktionen. Man kann dabei von einer autonomen, ungeteilten Selbststimulierung (ζ. B. des Einzelunternehmer) ausgehen, die sich mit fortschreitender Kapazitätserweiterung immer mehr zu einer Stimulierungsfunktionenteilung und qualitativen Besonderung der Teilhabeformen an diesen Stimulierungsfunktionen entfaltet und modifiziert.
132
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
aa) Assoziative Gestaltbesonderung nach dem Prinzip der Funktionenteilung mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung Hält der Einzelunternehmer sozusagen alle mitgliedschaftlichen Verhaltensstimulierungsfunktionen (die seinen Einsatz in der Unternehmung und für diese bestimmen) in einer Hand, so geht diese Einheit bereits bei der Offenen Handelsgesellschaft an eine Stimulierungsmehrheit über (ausgedrückt ζ. B. in der Alleinhandlungsbefugnis jedes einzelnen Gesellschafters, solange nicht einer von ihnen einer getroffenen oder zu treffenden Alleinhandlung widerspricht). Man wird von einer Funktionenteilung im Bereiche der Verhaltensstimulierung assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme wohl allerdings erst sprechen, wenn bei einer Mitgliedergruppe die aktive Teilhabe an dieser bereits so herabgemindert, und insoferne die einer anderen Mitgliedsgruppe dementsprechend so ausgeweitet worden ist, daß die einen im wesentlichen nur mehr stimuliert werden, während die anderen stimulieren. Fassen wir zur Verdeutlichung des Ausgeführten zunächst beispielhaft eine als bekannt unterstellbare Assoziierungsformengruppe im Hinblick auf die sich hier vollziehende assoziative Funktionenteilung und die damit sich vollziehende Assoziierungsformenbesonderung ins Auge, so ergibt sich folgendes Bild: Assoziativstrukturen
II
/
M i t Kür- oder Führungsfunktion Ohne Trennung von K ü r und Führung Einzelunternehmung Offene Handelsgesellschaft _Mit Trennung und spezifischer Organbildung [Genossenschaft ^Kapitalgesellschaften Gesellschaft mbH. Aktiengesellschaft
t
1 Ohne Kür- und Führungsfunktion -Kommanditassoziation (KG) -Stille Assoziation (StV) -Assoziation im: I-Arbeitsverhältnis L-Kreditverhältnis
Ein Kommanditist (usw.) hat weder eine Kür- noch Führungsbefugnis; erst recht gilt dies für das individuelle Arbeits- und das Kreditverhältnis. Man kann die ganze oben genannte Gruppe auch als unselbständige Assoziierungsform oder als Assoziierungsergänzungsform bezeichnen. Aber auch im Bereiche der ersten Gruppe kann schon eine Funktionenteilung einsetzen, womit eine weitere auf Funktionenteilung beruhende Besonderung eintritt: So hat ζ. B. bei der Aktiengesellschaft der Beteiligte zwar ein Kürrecht, aber keine Führungsbefugnis (unbeschadet ihm verbleibender sonstiger Befugnisse, wie etwa seiner besonderen - vom Aufsichtsrat unterschiedenen - Kontrollbefugnis).
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
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Wir sehen hier also deutlich die die Besonderung assoziativer Strukturen bewirkende bzw. umgekehrt aus dieser sich herleitenden Funktionenteilung vor uns, um deren Wesen im Größenwachstums gelegene Regeln wir uns anschließend und zugleich abschließend zu fragen haben. Lehmann erkannte als einer der ersten diese sich aus dem Größenwachstum von Assoziationen herleitende Regel einer unentrinnbaren Funktionenteilung als typenbildenden Umstand von Assoziierungsformen 40. Hat schon Lief mann erklärt: „Bei den Unternehmungen, die Hunderte und Tausende von Besitzern haben, muß Unternehmungsbesitz und Unternehmensleitung notwendigerweise getrennt sein .. " 4 1 , so führt Lehmann aus: „Wir schließen uns Lief mann an, ... und nur wenig gehen wir über ihn hinaus, wenn wir den Umstand, ob einer Unternehmungsträger ist, wenige oder sehr viele, als zweites entscheidendes Merkmal ansehen42." Mit dem Fortschreiten der Mitgliedschaftskapazitäten vollzieht sich eine Transformation der Assoziativstrukturen nach Maßgabe der Regeln quantitativer Funktionentrennung. Von der anderen Seite gesehen: Mit fortschreitendem mitgliedschaftlichem Kapazitätserfordernis eines sozialen Leistungssystems muß von einer zur anderen Assoziierungsform - gemäß diesem steigenden mitgliedschaftlichen Kapazitätserfordernis - übergegangen werden, weil die ursprüngliche Assoziierungsform dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen ist (ein Umstand, den wir noch bei der qualitativen Transformation besonders deutlich erkennen werden). Wir haben in unserem obigen Bild die Gliederung Lehmanns nur um das Kredit- und Arbeitsverhältnis sinngemäß erweitert. Gerade beim Arbeitsverhältnis zeigt sich diese funktionale Kapazitätsregel ebenfalls sehr deutlich: Je größer eine Assoziation wird und je mehr daher die Teilhabefunktionen der nicht dem Arbeitsverhältnis angehörenden Mitglieder, vorzüglich von Aktionären, zurückgehen, desto mehr verstärkt sich diesen gegenüber - idealtypisch gesehen - die relative, aktive und passive Kürüberlegenheit qualifiziert im Arbeitsverhältnis Tätiger. Dieser Entwicklung entstammt die Assoziierungsform der „Manager-Unternehmung" (vorzüglich wohl Manager-Aktiengesellschaft), die u. E. nur eihen Sonderfall der Arbeitermitbestimmung darstellt. Diese nicht in der risikobelasteten Sparfondsbeteiligung gelegene Kürbefugnis wird nur dann den die Produktivgenossenschaft bedrohenden Gefahren entgehen, wenn es bei einer Mitbestimmung Qualifizierter, zumindest was die Führungsorganbestellung betrifft, bleibt. Die Kür von Belegschaftsorganen zum Schutz der Mitarbeiter läßt demgegenüber zweifellos einen wesentlich größeren, in diesem Falle egalitären Mitbestimmungsraum, offen, dessen Ausfüllung nur durch die mit den Arbeitsverhältnissen unmittelbar Vertrauten zu erfolgen vermag. Man wird aber u. E. niemals auf die die Sparfondssicherung gewährleistende Mitbestimmungsrolle der Aktionäre in Sachen Verteilungs- und Vorsorgeordnung sinnhafterweise verzichten können. 40 4
Lehmann, (Rechtsformen), S. 3 f.
1 Liefmann, (Unternehmensformen), S. 22.
42
Lehmann, (Rechtsformen), S. 6.
134
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Daß eine solche, dem Größengesetz entsprechende Funktionenteilung im Assoziierungsgeschehen nicht nur möglich, sondern notwendig ist, zeigt ζ. B. die Tatsache, daß selbst der Papst durch Kardinäle gekürt wird, im Gegensatz zu einer etwaigen Produktivgenossenschaftslösung allerdings auf Lebenszeit!
bb) Assoziative Gestaltbesonderung nach dem Prinzip qualitativer Funktionentransformation Auch hier haben wir nur die Nutzanwendung aus unseren allgemeinmorphologischen Besonderungsdarlegungen zu ziehen. Mit der Einführung eines Grenzmoments zwischen qualitativer und quantitativer Funktionenbesonderung, die in dem Moment der Unsicherheit in der Ertragszuteilung gelegen ist, kann man die obige Gruppe der Assoziativformen ohne Kür- und Führungsfunktion noch einmal gliedern, und zwar nach dem Moment der Erfolgsabhängigkeit der Entgelte, die wir mit der Qualifizierung bedingt - bedungen (ggf. gemischt) versehen. Es ergibt sich folgender Besonderungsverlauf: Assoziativstrukturen
II
I M i t Kür- oder Führungsfunktion
Ohne Kür- und Führungsfunktion 11
. M i t bedingten Entgelten - Kommandit-
assoziation
Verhältnis
- Stille
*
Assoziation
1 M i t bedungenen Entgelten - Arbeits- Kredit-
J
Verhältnis
Assoziativformen mit bedingten Entgelten
Ergänzend kann noch hinzugefügt werden, daß Partiarische Verhältnisse sich zwischen die Stille Assoziation und die Arbeits- und Kreditverhältnisse einschieben können. Für diese partiarischen Verhältnisse besteht wohl eine Gewinnteilhabe, eine Verlustteilhabe ist aber ausgeschlossen. Natürlich ergeben sich weitere Differenzierungen innerhalb der beiden Grundbereiche, die damit wieder den Zusammenhang von Assoziativform und Funktionalqualität ausdrücken. Greifen wir in weiterer Folge die Assoziativfunktion der Führung heraus, so erkennen wir in dieser (pars pro toto für die anderen Funktionen) ebenfalls den Zusammenhang von Größe (Anzahl der Beteiligten), Funktionalqualität und Assoziativform. Diese Frage der Korrelation von Führungsqualität und Anzahl der zu Führenden hat sich ζ. B. besonders für die Assoziativform der Genossenschaft, insbes. in ihrer Subform der Produktivgenossenschaft ergeben.
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
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Die Produktivgenossenschaft hebt die Funktionenteilung für bislang ggf. im Arbeitsverhältnis Tätige auf, womit diese zum einen vom bedungenen zum bedingten Entgelt, zugleich aber auch in die Rolle von Kür- und Führungsbef ugten überwechseln. Hier tritt aber das von Oppenheimer sogenannte „Gesetz der Transformation" in Erscheinung, das mit der Größe korreliert. Von einer gewissen tragbaren Größe ausgehend, „... vermehrt jedes neue Mitglied den »Kampf um die Disziplin1. Je mehr Köpfe, je mehr Sinne"43. Damit aber berühren wir die Führungsqualität der Produktivgenossenschaft: „Kein größerer Betrieb... kann gedeihen ohne Autorität. Eine solche läßt sich theoretisch (gemeint ist: weltanschaulich, J. K.) mit der demokratischen Selbstverwaltung wohl in Einklang setzen, aber praktisch ist noch nicht einmal der Anfang des Weges bekannt, der zu dieser höchsten Form der Gemeinschaft führt, wo eine freiwillige Unterordnung unter den als Fähigsten erkannten selbstgewählten Leiter reibungslos erfolgt 44." Produktivgenossenschaften sind nur in ihrem „Jugendalter" oder nur bis zu einer gewissen Größe (bei Oppenheimer etwa 10 Beteiligte) erhaltbar; von da ab gehen sie entweder aus Gründen der Führungsqualität zugrunde oder transformieren. Entweder still oder offen, in jedem Falle aber so, daß ab einer gewissen Größe wieder die assoziative Funktionenteilung Platz greift. Produktivgenossenschaften können u. E. offenbar nur gedeihen, wenn sie: - in die Nähe der Größenordnung einer Offenen Handelsgesellschaft geraten, also auf wenige beschränkt bleiben, oder aber - ab einer gewissen Größe die Unabhängigkeit des Leiters (Vorstandes) verfestigen, ihn also nicht sozusagen täglich abberufbar machen.
In Österreich ζ. B. besteht die Produktivgenossenschaft GWM-Gerätewerk Matrei in Matrei am Brenner. Generalisierend, kann gesagt werden, daß alle Mitbestimmungstendenzen auf eine Art „Produktivgenossenschaftslösung" hinauslaufen, aber eben unter Beachtung des Gesetzes der Transformation als Korrelationsgesetz von Assoziatiwolumen und (notwendiger) Funktionalität, welche mit der (quantitativen) Funktionenteilung einhergeht.
cc) Zusammenfassende Charakterisierung der Besonderung assoziativer Strukturen im Bereiche der Verhaltensstimulierungsfunktionen Rückblickend läßt sich folgendes zusammengefaßt feststellen: (a) Unsere Ausgangsthese, alle Assoziierungsfunktionen bedeuteten die Gestaltung assoziativen Eigenlebens, können wir hier nochmals begründen: Soweit assoziative Strukturen mitgliedschaftliches Verhalten zu stimulieren vermögen, besitzen sie (die Tradierungsfunktionen hier einfach vorausgesetzt) gegenüber der Umwelt Eigenleben und entfalten in sich in Ansehung ihrer Mitglie43 Oppenheimer, (Siedlungsgenossenschaft), S. 136. 44
Ebenda, S. 61.
136
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
der deren Eigenleben nach Art ihrer mitgliedschaftlichen Verpflichtungen und den damit korrelierenden Befugnissen. (b) Assoziative Strukturen sind somit - größenmäßig-korrelativ - durch Funktionenteilung und qualitative Funktionenbesonderung des Bereiches mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung charakterisiert und determiniert. Dièse Erkenntnis bietet einen rationalen Erklärungs- und Gestaltungsansatz im Bereiche assoziativer Strukturierung sozialer Leistungssysteme. (c) Größe als eine Art freie Variable, der gegenüber die Funktionenbesonderungen (Funktionenteilung und qualitative Differenzierung) als abhängige Variable zu werten ist, ist in einem spezifisch verstehenden, nicht messenden Sinne zu sehen, da die Bestimmung kritischer (Transformation bewirkende bzw. erheischende) Mitgliederzahlen keinem Messungsprozeß unterwerfbar ist. Bedingen Assoziativkapazitäten Funktionenbesonderungen, so gilt, daß es keine schlechthin „guten" oder „schlechten" Größen gibt, sondern daß jede Assoziierungsform quantitativ nur das bereitzustellen vermag, was ihr qualitativ möglich ist und umgekehrt. Bloße Machtkonzentration entspricht keiner funktionalen Sacherfordernis. (d) So gesehen besteht Entsprechung bzw. wird Korrelation erforderlich zwischen Assoziativstrukturen mit ihren besonderen Funktionseigenheiten und den auf diesen aufbauenden extraassoziativen Funktionsinhalten sozialer Leistungssysteme (ζ. B. zwischen Krafterzeugnisfunktion eines Kraftwerkes und der erforderlichen Assoziativkapazität mit ihren Funktionalqualitäten; dem gegenüber eine ebenso notwendige Korrelation assoziativer und nichtassoziativer Funktionalqualitäten etwa bei der Familienpension hier, dem Hilton-Grand-Hotel dort). (e) Assoziativstrukturen sind theoretisch immer Idealtypen; als Realtypen besitzen sie gemäß der Funktionendifferenzierung im Sinne von Funktionenteilung und -qualitätsänderung unterschiedliche Gestaltprägnanz. Abschließend bleibt hervorzuheben: Obwohl wir nicht alle funktionalen Besonderungen im einzelnen behandelt haben, ist dennoch die Vollständigkeit durch den Ebenbildlichkeitsgrundsatz des zulässigen Schlusses vom Teil (Glied) auf das Ganze gewahrt. b) Tradierende
Funktionen und Tradierungsqualitäten Stufenbaues sozialer Leistungssysteme
des assoziativen
Tradierende Funktionen begründen, erhalten und verändern den assoziativen Stufenbau sozialer Leistungssysteme als die zweite große Funktionengruppe neben den intern wirkenden Funktionen assoziationsspezifischer Stimulierung im Bereiche mitgliedschaftlicher Verhaltensqualitäten. Im Sinne unserer allgemeinen Ausführungen zum morphologischen Aspekt sozialer Leistungssysteme ist die Darstellung des Funktionenbesonderungsver-
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137
laufes mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung daher um eine konforme Analyse tradierungsmäßiger Funktionendifferenzierung bzw. -vermannigfaltigung zu erweitern. Wir werden bei dieser Analyse in zwei Schritten vorgehen: Im ersten Schritt geht es um die tradierenden Funktionen und Funktionalqualitäten im innerassoziativen Aufbau von Einzelassoziationen und des partiellen, über die Einzelassoziation hinausführenden höheren assoziativen Stufenbaues sozialer Leistungssysteme. Im zweiten Schritt suchen wir nach der Stufe Finalassoziation, aa) Innerassoziativer Aufbau von Einzelassoziationen und partieller höherer Stufenbau sozialer Leistungssysteme Wir untersuchen hier also getrennt den innerassoziativen Aufbau von Einzelassoziationen in ihrer assoziativen Schichtung und den auf diesen folgenden, über sie hinausgehenden Stufenbau, der insoferne ein partieller ist, also noch keine endgültige Vereinigung aller Teilassoziationen zu einer als Gesamtassoziation anzusprechenden assoziativen Endstufe sozialer Leistungssysteme (etwa der „Volkswirtschaft") durchgeführt ist. 1) Innerassoziativer Aufbau von Einzelassoziationen verändernder Prozeß
als tradierend-kapazitäts-
Man kann die Heraushebung und uno-actu-Einbindung assoziativer Einzelgebilde aus dem bzw. in das assoziative Ganze (ζ. B. eine Volkswirtschaft) der sozialen Leistungsordnung als einen fortschreitenden Kapazitätsausweitungsvorgang (und vice versa) assoziativer Gebilde auffassen. Dabei kann gedanklich beobachtet werden, wie nach jeweiliger Erreichung der Kapazitätsgrenze einer bestimmten Assoziativstruktur diese durch eine andere abgelöst wird. Dabei kann zugleich die mit diesem Vorgang verbundene Veränderung der Tradierungsqualitäten dieser einander so folgenden Assoziierungsstrukturen verfolgt und eine vergleichende Tradierungsqualitätenbetrachtung assoziativer Strukturen sozialer Leistungssysteme vollzogen werden. Wir werden in der Folge in gedanklich-verstehender Beobachtung diesen kapazitativen Erweiterungsvorgang darstellen, dann versuchen, diesen Erweiterungsvorgang in seinen logischen Schritten zu verstehen, um schließlich und abschließend die mit diesem Kapazitätsveränderungsvorgang verbundene Qualitätenbesonderung der Tradierungsfunktionen der jeweiligen Kapazitäts- und mit ihr verbundenen Assoziierungsformenstufe herauszustellen. Vorauszuschicken ist, daß wir auf unsere Unterscheidung von Grundassoziierungsformen und Ergänzungsassoziierungsformen zurückgreifen und besagten assoziativen Kapazitätsausweitungs- und damit verbundenen Tradierungsqualitätenverlauf in dieser Form in Betracht ziehen.
138
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
(a) Im Bereiche der Ergänzungsformen haben wir zwischen bedingten und bedungenen Entgelten unterschieden. Fassen wir die kapazitativen Erweiterungsvorgänge ins Auge, die sich daraus ergeben, wenn nach Erreichung der Kapazitätsgrenze einer Grundform zunächst eine Erweiterung um eine Assoziierungsergänzungsform im Bereiche der bedingten Entgelte erfolgt, so ergeben sich, wenn wir dabei auf bekannte Formalstrukturen abstellen, folgende Interassoziationen zwischen Grund- und Ergänzungsform: (aa) Stille Interassoziationen (mit allen Grundassoziierungsformen) (bb) Kommanditäre Interassoziationen (1) M i t Einzelunternehmer (2) M i t O H G (3) M i t G m b H (GmbH & Co.) (4) Kommanditgesellschaft a. A. (als Transformationsform einer OHG)
Jede Grundform und jedes schon um eine der angeführten Ergänzungsformen kapazitativ erweiterte Assoziativgebilde ist noch um diejenigen Ergänzungsformen erweiterbar, die wir als Arbeits- bzw. Kreditverhältnisse bezeichnet haben (bedungene Entgelte). (b) Es zeichnet sich bereits eine gewisse Logik des korrelativen Vorganges von Kapazitätsveränderung und Transformation der Assoziierungsformen (mit ihren sich nun ebenfalls verändernden Transformierungsqualitäten) ab. In der Folge wird überhaupt eine solche logische Kette der Korrelation von Kapazitätsveränderung (hier Erweiterung) und spezifischer Assoziativstruktur sichtbar, womit der Transformationsvorgang nicht mehr zufällig ist, sondern sich in einer bestimmten Abfolgelogik vollzieht. Fassen wir in Beziehung auf die schon oben in Betracht gezogenen Formalstrukturen deren morphologischen (kapazitätsverändernden, ausweitenden) Weg ins Auge, so steht folgende Transforma tionskette vor uns: - Einzelunternehmung - Erweiterung der E U u m Arbeits- und Kreditverhältnis - Stille Kapazitätsausweitung - Erste Transformation: Kommanditäre Erweiterung - Zweite Transformation: Erweiterung zur O H G (unter Einschluß aller Ergänzungsformen) - Dritte Transformation: Umwandlung zur G m b H - Vierte Transformation: Ergänzung zur G m b H & Co K G - Fünfte Transformation: Erweiterung zur AG (mit Subformen bis zur „PublikumsAG")
Hinzuzufügen ist noch, daß sich mit dieser kapazitativen Ausweitung grundsätzlich eine Schichtung in Kernbeteiligte, Ergänzungs- und Peripherbeteiligte ergibt. (c) Wir haben oben herausgestellt, daß sich mit den die Kapazität und zugleich die Assoziativstrukturen transformierenden Tradierungsvorgängen auch die Tradierungsqualitäten in ihrem Verlaufe ändern, entsprechend dem Fortschrei-
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
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ten von einer Assoziativstruktur zur anderen als deren spezifischer Stufenwert der Tradierungsfunktionen Wir brauchen uns im übrigen nur auf jene Skizze konzentrischer, die Kapazitätsausweitung charakterisierender Kreise zurückerinnern, die wir bei der Veranschaulichung des Veränderungsverlaufes der Funktionalqualitäten im Bereich mitgliedschaftlicher Verhaltensstimulierung entworfen haben. Diese Skizze gestattet es uns, die Stuf en werte und den Stuf enwertverlauf im Bereiche der tradierenden Funktionen nachzuvollziehen. Es sei vorausgeschickt, daß wir hier nur beispielhaft vorgehen wollen und alles übrige ergänzender Vorstellung überlassen dürfen. Wir ziehen daher vorzüglich in Betracht, daß sich in der Linie Einzelunternehmung - Offene Handelsgesellschaft - Genossenschaft (mit bestimmten innerstrukturellen Typenbildungen versehen) - Gesellschaft m. b. H. - Aktiengesellschaft auch eine Linie der Änderung tradierender Funktionalqualitäten abzeichnet. Dies betrifft zunächst schon die Abhebungsprägnanz als Ganzes: eine Einzelunternehmung ist gegenüber der Familie des Einzelunternehmers (und deren sozialer Leistungsordnung) weniger abgehoben, von mehr familiären und außerfamiliären Einflußnahmen (ζ. B. Gläubigerzugriff) bedroht, als etwa eine Genossenschaft oder gar eine Aktiengesellschaft. Es muß allerdings gesagt werden, daß der jeweilige Zuwachs an dermaßen sich bildendem assoziativem Eigenleben auch schrittweisen Übergang von dessen personaler zur instrumentalen Qualität bedeutet. Zieht man in weiterer Folge die Tradierungsf unktion der Prolongation und Substitution in Betracht, so zeigen sich die gleichen erheblichen Unterschiede, allerdings in einem, nun schon spezielleren Tradierungsbereich: Die Unabhängigkeit von der Einzelperson folgt völlig stringent der obigen Verlaufslinie. Die Einzelunternehmung ist daher insbesondere vom Schicksal des besonderen Einzelunternehmers (letztlich von dessen Lebenserwartung und etwaiger Erbübernahmebereitschaft seiner unmittelbaren Anverwandten) abhängig. Demgegenüber ist die Aktiengesellschaft in ihrer absoluten „inpersonalen Souveränität" völlig vom Individuum unabhängig. Ziehen wir abschließend die Tradierungsqualität etwa des Kredits in Betracht, so liegt diese wohl besonders im Zeit-, und daher im Prolongations- und Substitutionsmoment beschlossen: Sowohl das Prolongations- wie Substitutionsmoment ist im wesentlichen inpersonaler Natur. Der Kredit ist sozusagen prolongations- und substitutionsintensiv, wird er doch in der Regel auf kürzere oder wenn auch längere Zeit, so doch kaum auf Lebenszeit o. ä. gewährt. Allerdings gibt es hier andererseits eine Durchbrechung in Form etwa des sozusagen „Ewigen Kredits" (oder „Rentenkredits"), der ebenfalls Tradierungsqualität eigener Art besitzt. Dieser Tatsache wird u. E. allerdings vom Staat viel zu wenig Rechnung getragen, dessen adäquate Assoziierungsergänzungsform er vielfach wäre. Manche Sorge manchen Finanzministers und der diesem ausgelieferten Steuerzahler könnte gewisse Abschwächungen erfahren. Halten wir also fest: Unbeschadet der Lükkenhaftigkeit unserer Beispiele, ist die Abhängigkeit der Funktionalqualitäten des Tradierungsbereiches von den gestaltkapazitativ determinierten Assoziativ-
140
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
strukturen ebenso evident, wie im Bereiche der mitgliedschaftlichen Verhaltensstimulierungsfunktionen. 2) Partieller
höherer Stufenbau assoziativer Strukturen sozialer Leistungssystem
Hierher gehören die Interassoziationen zwischen den von uns so genannten Grundassoziierungsformen, die damit sozusagen ihre Kapazitätshöchstgrenze zu erreichen vermögen. Unbeschadet davon bleibt die Substrukturierung in die Einzelassoziationen aufrecht. In diese Substrukturierung können sich besagte Interassoziationen untergliedern, und zwar unter Aufrechterhaltung eines durch die höherstufige Integration neuerlich modifizierten Eigenlebens der Grundassoziierungen. Im Grunde können wir hier zwei Gruppen von Assoziierungsformen unterscheiden, die sich zu ihnen adäquaten höheren Stufen interassoziieren: (a) Höherstufige Assoziierungsformen der Kapitalgesellschaften, sellschaft, und zwar:
vorzüglich der Aktienge-
(aa) Als einseitige Beteiligung (bb) Als gegenseitige Beteiligung (cc) Als Ausgründung einer „Holding" (b) Höherstufige Assoziierungsformen der Personalassoziationen,
und zwar:
(aa) Das Kartell (bb) Die Genossenschaft
Da eine Direktbeteiligung von Einzelunternehmern, Offenen Handelsgesellschaften und deren kapazitativen Erweiterungsformen nicht möglich ist, ist für sie - im Gegensatz zu der spezifisch konzentrationsgeeigneten Aktiengesellschaft - abgesehen vom Kartell die Genossenschaft die Form der Interassoziation. bb) Blick auf Grundformen der höchststufigen Interassoziation sozialer Leistungssysteme Es handelt sich hier zum einen um eine Art höchststufiger Ergänzungs-Interassoziation, zum anderen um die Integration einzelner Grundassoziationen und partieller Interassoziation durch den Tradierungssprung zur hoheitlichen Interassoziation derselben im Rahmen der staatlich geordneten Gesamtgesellschaft und damit des so sich vollendenden Wirtschaftssystems. 1) Das Kreditsystem
als höchststufige Ergänzungs-Interassoziation
Ohne die Besonderungen zwischen den einzelnen Grundassoziationen und ihrem partiellen höherem Stufenbau etwa einzuschränken, ja diesen geradezu voraussetzend, erweist sich das nationale und internationale, vorzüglich durch die Banken repräsentierte Kreditsystem als die von uns ins Auge gefaßte höchststufige Ergänzungsinterassoziation sozialer Leistungssysteme, welches vorzüglich folgende Glieder enthält:
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
141
a) Das Bankensystem (1) Zentralbank (Geld- oder Notenbank) als „Bank der Banken" (2) Die einzelnen Bankgruppen mit ihren Einzelbanken b) Das Nichtbankensystem (1) Die Haushalte (10) Private (11) öffentliche (2) Assoziativsysteme der Nichtbanken (20) Private (im Sinne der Ausführungen) (21) öffentliche
Nur in spartanischer Kürze können wir den privaten wie den öffentlichen Kreditverbund wie folgt darstellen: Haushalte
X
Haushalte
X
Notenbank < - > Bank A < - > Interbankkredit < - > Bank Β < - > Notenbank
X
Betrieb
X
Betrieb
Zwischenbankkredite entstehen vorzüglich aus dem Zahlungsverkehr; Bankzu-Notenbank-Kredite entsprechen der Aus- und Rückströmung der Kreditform Geld zu und von den Banken, von wo es den Weg zu und von den Haushalten und Betrieben findet. Das Individualsparen der Haushalte begründet Kreditverhältnisse mit den Banken und von da mit den Betrieben usw. im Sinne eines weitverzweigten und ggf. über die nationalen Grenzen hinausreichenden kreditären Interassoziationssystems. Damit werden ζ. B. binnen- und weltwirtschaftliche Austauschbeziehungsgestaltungen möglich. 2) Blick auf die hoheitliche Mitgliedsintegration Leistungssysteme
assoziativer Strukturen
Wir treffen auf eine neue Tradierungsqualität, einen neuen „ S t a m m b a u m assoziativer Strukturierung" sozialer Leistungssysteme und der ihnen zugeordneten gesellschaftlichen, darüber hinausgehenden Teil- und Gesamtsysteme, wenn wir die Form hoheitlicher Innehabung und zugleich abhebender Freigabe von Assoziationen mit ihrem adäquaten Eigenleben ins Auge fassen. Den unmittelbaren Zugang zu diesem Thema liefert Schönpflug: „Die elementare Voraussetzung für die Entstehung und Ausbreitung betrieblicher Tätigkeit und betrieblicher Einrichtung ist das Vorhandensein bestimmter ganzheitlicher Sozialgebilde, ... an die die Betriebsbildung anknüpfend als selber wirkende Kraft zu einer abschließenden Gestaltung eigener Prägung innerhalb des gegebenen (ganzheitlichen, J. K.) Rahmens gelangt. Solche fundamental bedeutsamen ganzheitlichen Gebilde sind die Familie, die Gruppe, der Stamm, das Volk... In ihnen ist durch Blutsbande naturgegebenes ... Zusammensein enthalten45." Erfüllt man diesen Satz mit den Gegenwartsgegebenheiten, so kann man wohl nur 45
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 88 f.
soziale
142
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
mehr die Familie auf solche Blutsbande zurückführen, während die oben aufgezeigten höheren ganzheitlichen Assoziationsstufen zur Einheit räumlich zusammenlebender Menschen (entsprechender geistiger Bezüge nach den Raumstufen dieses Zusammenlebens) transformiert erscheinen, eben (wegen ihres dem Ursprünglichen zugemessenen hoheitlichen Charakters im nichtfamiliären Stufenbau) als Gebietskörperschaften in Erscheinung treten. Einzelperson wie Familie erscheint dabei ebenso als Mitgliedschaftsstruktur der und innerhalb der Gebietskörperschaften wie die aus der Familie, bzw. aus den Gebietskörperschaften sich herleitenden, also assoziativ gegenüber diesen besonderten, von Schonpflug sogenannten einzelheitlichen Gebilden, also jenen Assoziationsstrukturen (und Interassoziationen), die wir als unseren Hauptgegenstand behandelt und nunmehr nur noch um jenen Ausgliederungsstamm hinweisartig ergänzen müssen, der sich in den Einzelformen öffentlicher einzelheitlicher Gebilde konkretisiert. So gesehen können wir unbeschadet gewisser Ergänzungsausführungeii, die wir im Anschluß zu treffen haben, folgende Skizze der hier ins Auge zu fassenden Gesamtassoziationsstufe zur gedanklichen Stütze vorstellen: Hauswirtschaft
Ganzheitliche Gebilde
(„Restganzheiten")
Bundesstaat
vmit
hohem Eigenleben"
> Gemeinde Familienhaushalt „privat"
Gebilde
^Regiebetrieb mit geringem^ Eigenleben
Hauswirtschaft ^ Länder der „Hoheitsverwaltung*
Einzelheitliche
mit geringerer^ Abhebung" - Familien
-Anstalt ö. R. -Körperschaft ö. R. „ Einzeluntern. „OHG .GmbH - Aktiengesellschaft
mit hoher Abhebung
Hinzuzufügen ist nur noch, daß das sich so darstellende Wirtschaftssystem danach modifiziert erscheint, ob den von den Familien, vom Privatbereich i\er sich ergebenden Assoziationen das Hauptgewicht in besagter Gesamtassoziation zukommt oder dem öffentlichen (gebietskörperschaftlichen) Bereich einzelheitlicher Assoziationen (ζ. B. Anstalten ö. R., einer Art öffentlicher Einzelunternehmung), der ggf. selbst bestimmten Interassoziativformen zugänglich ist. Die hoheitlichen Assoziativstufen, die sich ebenso wie die (privaten) Familien in Hauswirtschaften (Haushalte, Restganzheiten) besondert haben, umgreifen von dem hoheitlichen Haushaltssektor der Hoheitsverwaltungen (Gesetzgebung etc. eingeschlossen) alle nichthoheitlichen Assoziationen (und Interassoziationen) als Mitglieder mit der Folge einer Darbietung bestimmter (oktroyierter) Hoheitsleistungen, die ihr sozusagen mitgliedschaftliches Abgel-
Vorlesung Nr. 4: Assoziierungsfunktion sozialer Leistungssysteme
143
tungspendant in der Abgabenhoheit finden, wobei allerdings nicht nur Leistungsabgeltungen in Frage stehen, sondern, soweit Mitgliedsabgeltungen in Form von Steuern erhoben werden, auch leistungsindifferente Ausgleichszahlungen (im Sinne der sogenannten Umverteilung) in Betracht zu ziehen sind. Abschließend und überleitend zum Folgeabschnitt dürfen in Ergänzung der obigen Ausführungen folgende Hinweise gegeben werden: (a) Zum einen sind von den tradierenden Funktionen diejenigen nochmals in Betracht gezogen worden, welche Assoziationen durch mitgliedschaftliche Integrationsakte begründen, wobei vice versa als Antigründungsakt die Auflösung mitbedacht werden muß. Diesbezüglich ist nur festzuhalten, daß derartige Gründungsakte begriffsnotorisch vom nichtassoziativen Raum her ihren Ausgang nehmen müssen, dergestalt, daß in bisherigen Assoziationen (ganzheitlichen und einzelheitlichen) bef aßte, den Eintritt in andere Assoziationen erstrebende Individuen, bei ihrem Übertritt, soweit er sich nicht im interassoziativen Raum vollzieht, eine soziale Sphäre passieren müssen, in der sie einerseits schon von der einen Assoziation für die Mitgliedschaftsbewerbung in einer anderen freigestellt worden sind, ohne daß andererseits die Mitgliedschaft schon eingetreten ist. I m einen Falle handelt es sich um diese Freigabe durch ganzheitliche Gebilde, ζ. B. und vorzüglich von den privaten Haushalten, wobei die Mitgliedschaft in diesen trotz Eintritts in ein einzelheitliches Gebilde nicht erlischt; anders in der Regel, wenn der Austritt aus einem einzelheitlichen Gebilde, also ζ. B. eben der Übertritt etwa eines Arbeitnehmers von der Aktiengesellschaft A in die Aktiengesellschaft Β erfolgt. Den hier in Betracht zu ziehenden nichtassoziativen Raum nennen wir generell Markt, hier jedoch Beteiligungsmarkt Er gliedert sich faktoriell in Arbeitsmarkt und Sparferjmarkt In Ansehung der diesen Beteiligungsmärkten entsprechenden Grundassoziierungsweisen könnte man zwischen Märkten für Grundbeteiligungsformen und Ergänzungsbeteiligungsformen unterscheiden. Historisch empirisch ist der Arbeitsmarkt vorzüglich der Markt für den Abschluß von Arbeitsverhältnissen, während sich dem gegenüber der andere Beteiligungsmarkt als Kreditmarkt und Markt für Unternehmensbeteiligungen (vorzüglich Aktienbeteiligung) etabliert hat. Interessant erscheint die Unterscheidung zwischen dieser Marktsphäre und der Sphäre der Assoziation wegen der von der sogenannten Eingliederungstheorie getroffenen parallelen Differenzierung zwischen Arbeitsvertrag als Gegenstand des Marktes und Arbeitsverhältnis, das sich in deutlicher Unterscheidung gegenüber den Marktbeziehungen als Gemeinschaftsverhältnis erst nach Eingliederung des Arbeitnehmers in die Assoziation (Betrieb des Arbeitgebers) herausbildet. Nach dem eben Ausgeführten wäre die Lehre von den tradierenden Funktionen um diese Lehre von den Beteiligungsmärkten (mit Blick auf Beteiligungsmarktinstitutionen) zu ergänzen, doch vermögen wir dies hier nur als Erinnerungswert anzudeuten.
144
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
(b) Zum anderen ist festzuhalten: Soweit sich den obigen Ausführungen entsprechende assoziative und interassoziative Sonderräume des Eigenlebens gebildet haben, ergibt sich ein spezifischer nichtassoziativer Besonderungsraum zwischen diesen aus dem sozialen Ganzen abgehobenen assoziativen Eigenlebenssonderräumen. Soweit diese nicht in ihrer besonderen Weise durch Leistungen und Abgeltungen zwischen Hoheits- und Nichthoheitsbereich erfüllt werden (siehe oben insbesondere die Steuern), muß zwischen den durch ihr assoziatives Eigenleben besonderten Teilstrukturen des sozialen Leistungsgesamtsystems zugleich auch wieder eine Brücke geschaffen werden, um kein soziales Vakuum entstehen zu lassen. Sind nämlich durch die assoziative Besonderung Leistungszusammenhänge der sozialen Gesamtleistungsordnung (eben durch die mit der assoziativen Besonderung Hand in Hand gehende überassoziative Arbeitsteilung) assoziativ unterbrochen, so muß hier eine neue, diese Unterbrechung überbrückende gestaltbildende Funktion sozialer Leistungssysteme in Erscheinung treten, deren Wirkfeld damit zwischen den Assoziationen (einzel- und ganzheitlichen) gelegen ist: die der (sozialen) Austauschbeziehung sgestaltung. Damit ist auch die Brücke zum nächsten, dieser Funktion gewidmeten Abschnitt unserer Analyse gebaut.
Literaturhinweise zum Studium Schmalenbach, (Kapital), Beckmann, (Finanzierung), Preiser, (Kapitalbegriff), Fettel, (Kapital), Kolbinger; (Elemente), Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), Weisser, (Einzelwirtschaft).
Vorlesung Nr. 5
Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung als marktliche Integration assoziativ besonderter sozialer Leistungssysteme
Gliederung A. Der traditionelle lehre
und der neue Ansatz der betriebswirtschaftlichen
1. Der traditionelle
Austauschbeziehungs-
Ansatz der Lehre von den Handelsfunktionen
a) Überblick über traditionelle Funktionengliederungen b) Grundgehalte der Funktionen des Warenhandels aa) K. Oberparieiters
Funktionencharakterisierung
1)
Grundgehalte der räumlichen Funktion
2)
Grundgehalte der zeitlichen Funktion
3)
Grundgehalte der quantitativen Funktion
4)
Grundgehalte der qualitativen Funktion
bb) Funktionale Ergänzungen R. Seyfferts 2. Der neue oder Marketing-Ansatz a) Der Ansatz Nieschlag/Dichtl/Hörschgen aa) Die Dimension des Erkenntnisobjektes bb) Struktur und Institutionalisierung des Marketing 1)
Grundgehalte (Marketing-Philosophie)
10) Die einzelwirtschaftliche Sicht 11) Gesamtwirtschaftliche Aspekte 2)
Marketing-Institutionalisierung
b) Der Marketing- und Meta-Marketing-Ansatz Ph. Kotlers aa) Entwicklungslinie und Reichweite des Marketing 1)
Entwicklungslinie
2)
Marketing und Meta-Marketing
20) Marketing 21) Meta-Marketing bb) Leistungsbereiche und -gestalt des Marketing-Konzepts 1)
Teilinhalte (Bereiche des Marketing-Konzepts)
2)
Das integrierte Marketing-Management als Institutionalisierung der Funktionen der Austauschbeziehungsgestaltung
B. Integration des traditionellen und neuen Beitrages zu einem Gesamtansatz austauschbeziehlicher Gestaltung sozialer Leistungssysteme 10
Kolbinger
II. Abschnitt: Die gestaltblenden Funktionen sozialer Leistungssysteme Die Allgemein- und Formalstruktur der Austauschbeziehungsfunktionen bildungsgesamtzusammenhang sozialer Leistungssysteme
im Gestalt-
a) Aufgabenstellung und Systematik der Austauschbeziehungsfunktionen aa) Die Aufgabenstellung der Austauschbeziehungsfunktionen i m Rahmen der gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme 1)
Der Austauschbeziehungsbereich als Bedingung gesamtwirtschaftlich- ' offener Aufgabenteilung und -integration
2)
Die Austauschbeziehungsfunktion i m System der gestaltbildenden Funktionen
bb) Zur Systematik der Austauschbeziehungsfunktionen b) Charakterisierung der allgemeinen Austauschbeziehungsfunktionen und der Besonderung nach Sortier- und Sortimentsbildungsmomenten aa) Zu den allgemeinen austauschbeziehlichen Aufbau- und Ablauffunktionen 1)
Zu den Aufbaufunktionen der Austauschbeziehungsgestaltung
2)
Zu den Ablauf- bzw. Tradierungsfunktionen austauschbeziehlicher Gestaltung sozialer Leistungssysteme
bb) Besondernde Austauschbeziehungsstrukturierung durch sortierend-sortimentsbildende Besonderung der Austauschbeziehungsfunktionen Austauschbeziehungsmorphologie als Problemstellung der Austauschbesonderung und mitgliedschaftlicher Stimulierungskonkurrenz a) Austauschbeziehungsgestaltung unter der Extremhypothese absoluter Fremdheit aa) Fremdheit und Markt in der Soziologie bb) Das Axiom der Fremdheit und die Zielvorstellungen seiner Wirksamkeit in der ökonomischen Theorie 1)
Das Axiom absoluter Fremdheit in der ökonomischen Theorie
2)
Zielvorstellungen bezüglich der Funktion absoluter Fremdheit in der Austauschbeziehungsgestaltung
b) Strukturierung austauschbeziehlicher Funktionalqualitäten und Grenzen austauschbeziehlicher Nutzungsgestaltung überhaupt aa) Strukturierung austauschbeziehlicher Funktionalqualitäten durch Dosierung des Grades der Fremdheit 1)
Abbauende Prozesse der Fremdheit
2)
Abbau übersteigerter Leistungserwartungen in die Austauschbeziehungsqualität absoluter Fremdheit
bb) Zur Frage der Elimination oder der leistungsartenmäßigen Dosierung austauschbeziehlicher Nutzenverfügung 1)
Das Axiom der totalen Elimination austauschbeziehlicher Güterverfügungsgestaltung
2)
Dosierung austauschbeziehlicher und mitgliedschaftlicher Nutzungseinräumung nach Art und Leistung
20) Dosierung mitgliedschaftlicher Zuteilung und marktlicher Austauschbeziehungsgestaltung 21) Dosierung austauschbeziehlicher und mitgliedschaftlicher Abgeltungsweisen.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
147
Wechselseitige Dienstbarkeit könnte sich sozusagen einstufig vollziehen, d. h. die Aufgabenteilung und -integration ihrer (Mit-)Glieder in einer einzigen Assoziation Zustandekommen. Modellfall einer solchen sozialen Leistungsordnung wäre die sogenannte „Geschlossene Hauswirtschaft." Derartige „geschlossene Systeme" besitzen interne, also nur innerassoziative Aufgabenteilung und -integration, welche Gegenstand der Funktion der Organisation ist. Insoweit aber ein Wirtschaftssystem mehrstufig ist, vollzieht sich darüber hinaus auch besagte Aufgabenteilung zwischen den Assoziationen. Hier die Verbindung sachlichzeitlich getrennter Leistungsprozesse bis zum Konsum hin, jedoch jenseits der Mittel der Interassoziation zu integrieren, ist Aufgabe der Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung sozialer Leistungssysteme, weshalb der hier in Frage stehende Markt auch immer Gütermarkt und niemals Beteiligungsmarkt ist. In der Folge wollen wir zunächst den Entwicklungsstand der herrschenden Lehre auf dem Gebiete der Austauschbeziehungsfunktionen, hernach den aus unserem Ansatz resultierenden, ggf. weiterführenden Aspekt untersuchen.
A. Der traditionelle und der neue Ansatz der betriebswirtschaftlichen Austauschbeziehungslehre Ohne hier bereits in eine vergleichende Analyse einzutreten, haben wir uns der einfachen Tatsache bewußt zu werden, daß die heutige Lehre zwischen 2 Ansätzen des hier in Frage stehenden Theoriebereiches unterscheidet. Ziehen wir hiezu die Ausführungen von Nieschlag-Dichtl-Hörschgen in Betracht, so stellt sich diese Unterscheidung wie folgt dar 1:
(a) Die Funktionen der Absatzwirtschaft in traditioneller Betrachtungsweise - die Systeme der Handelsfunktionen (Oberparieiter, Seyffert, Buddeberg und Schäfer). (b) Die neuere Theorie, charakterisiert durch den aus dem Angelsächsischen stammenden Begriff des Marketing.
1. Der traditionelle Ansatz der Lehre von den Handelsfunktionen
Schon 1918 untersuchte K. Oberparieiter die Funktionen des Handels als Frage „... nach seinen ... wirtschaftlichen Aufgaben im Gegensatz zu dessen Auswüchsen .. "2 Wir untersuchen daher hier zunächst den traditionellen Ansatz, 1 Vgl. Nieschlag, et. al. (Marketing); man bezieht sich hier besonders auf E. Gutenbergs „traditionelle Methode" in Anlehnung an den (kostentheoretischen) „Methodenstreit" (Gutenberg-Mellerowicz). 2
10*
Oberparieiter,
(Funktionen), Geleitwort.
148
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
und zwar zunächst überblicksmäßig, hernach in gewisser analytischer Erweiterung der Betrachtung einzelner Teilbereiche dieses Handelsfunktionenbereiches. a) Überblick über traditionelle
Funktionengliederungen
In Frage stehen insbesondere die Gliederungen der Funktionen (und Risiken) des Waren-) Handels (Handelsbereiche) von K. Oberparieiter; R. Seyffert, H. Buddeberg, E. Hoppmann und E. Sundhofp. (a) K. Oberparieiter unterscheidet sechs Funktionen: räumliche, zeitliche, quantitative, qualitative sowie Kredit- und Werbefunktion. Begleitet sind alle diese Funktionen von funktionsspezifischen Risiken. (b) R. Seyffert bildet drei Gruppen: Überbrückungsfunktionen, Warenfunktionen und Funktionen des Makleramts. Zu ersterer gehören: Raum- und Zeitüberbrückung (verbunden mit: Lagerhaltung und Vordisposition), sowie Preisausgleichs- und Kreditfunktion. Als Warenfunktionen hingegen gelten: Quantitätsund Sortimentsfunktion. Schließlich handelt es sich um folgende Maklerfunktionen: Markterschließungsfunktion (insbesondere für neue Produkte), Interessenwahrungs- und Beratungsfunktion. (c) H .Buddeberg bildet nach dem Kriterium der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der erforderlichen Leistungen von der Marktunvollkommenheit dementsprechend 2 Gruppen: Kontaktfunktion, Informationsfunktion, Beratungsfunktion (vgl. R. Seyfferts Maklerfunktionen!) zum einen; zum anderen: Warenumgruppierungs-, Mengenumgruppierungs-, Raum- und Zeitausgleichs- und schließlich (als Nebenleistung) Veredelungsfunktionen. Die Analogie zu Oberparleiter (Seyffert) ist evident. (d) Noch deutlicher schließt sich Hoppmann an das Oberparleitersche (Seyffertsche) Grundschema an: Funktionen des zeitlichen, räumlichen, quantitativen und qualitativen Ausgleichs (letztere noch untergliedert in Sortiments-, Manipulations· und Kreditfunktion). (e) Schließlich gruppiert noch Sundhoff nur etwas differenzierter als Oberparieiter. Sachgüterumgruppierungsfunktionen (1. Sortimentsfunktionen: Produkt- oder konsumorientierte Sortimentsbildung; 2. Quantitätsfunktionen: Sachgütersammlung oder -Verteilung); Bedarfsanpassungsfunktionen (1. Raumund Zeitüberbrückungsfunktion; 2. Leistungs- und Preissicherungsfunktion); Marktausgleichsfunktionen (Markterschließungsfunktionen, nämlich Marktuntersuchung und Marktbeeinflussung; dann: Umsatzakquisition, Umsatzabwicklung); schließlich Sachgüteraufbereitungsfunktionen (Quantitative Sortierung, Mischung; Vollendungsfunktionen: Manipulation, Montage und Wartung). 3 Vgl. Oberparieiter, (Funktionen), Seyffert, (Wirtschaftslehre), Buddeberg, (Betriebslehre), Hoppmann, (Binnenhandel), Sundhoff, (Distribution).
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
149
Es ist u. E. darauf hinzuweisen, daß schon J. Hellauer 4 analoge Verkehrsfunktionen - vgl. auch den Begriff der Verkehrslehre - unterschied, und daß diesbezüglich auch auf Johann Friedrich Schärs „Allgemeine Handelsbetriebslehre" 5 zurückzugreifen wäre, ginge es um die Auffindung des Ursprungs funktionaler Betrachtung im Bereiche des Handels (genereller: Leistungsaustausches bzw. inhaltlich gesehen: Leistungs- Wechsels).
b) Grundgehalte der Funktionen des Warenhandels Unbeschadet der - insbesondere im Marketing-Ansatz betonten - interfunktionalen Beziehungen, wie sie letztlich für jede morphologische Fragestellung maßgeblich und charakteristisch sind, ziehen wir von K. Oberparieiters Funktionen des Warenhandels6 nur deren vier in Betracht: Räumliche, zeitliche, quantitative und qualitative.
aa) K. Oberparieiters
Funktionencharakterisierung
Die von Einzelsystemen der sozialen Leistungsordnung hervorgebrachten Waren bedürfen der Überwindung ihrer räumlich-zeitlichen wie quantitativ-qualitativen Getrenntheit, die in Form des Handels in besonderer Weise vollzogen wird, womit räumlich-zeitlich-quantitativ-qualitative Leistungsganzheiten hervorgebracht werden. Die Herstellung dieses Leistungsverbundes in besonderer Art, sei es für den Letztverbraucher, sei es aber auch in den konsumferneren und -fernen Hervorbringungsbereichen, machen die Leistungen des Warenhandels aus. 1) Grundgehalte der räumlichen Funktion Verbindendes Glied zwischen Einzelsystemen sozialer Leistungsordnungen ist der Markt, der örtliche wie der überörtliche, der nationale wie der internationale: Insgesamt ist der Markt selbst ein gestuftes System derartiger Bindeglieder besonderer Art, der den Dorfschuster mit dem Rinderzüchter Argentiniens oder den Kakaopflanzer Schwarzafrikas mit der Küche der Hausfrau besagten Schusters verbindet. Die Anfänge des hier so genannten Tauschverkehrs sieht K. Oberparieiter in der Tatsache der Hervorbringung einzelgebildlicher Überschüsse, welche - zunächst in nachbarschaftlicher Nähe - zum Tausch bzw. „Leistungswechsel" Anlaß geben, weil sich eben die innerorganisatorisch begonnene Arbeitsteilung 4 Hellauer, (Welthandelslehre). 5
Schär, (Handelsbetriebslehre).
6
Vgl. Oberparieiter,
(Funktionen).
150
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
nunmehr übereinzelgebildlich fortsetzt. Von dieser nachbarschaftlichen nahen Stufe geht es eskalierend über andere Stufen hinweg, bis zur Welthandelsstufe mit ihren komplexen und komplizierten Austauschaufgaben von heute. Damit ist für Oberparieiter auch diese Handelsleistung wie folgt bestimmt: „Der Verkehr (vgl. K. Oberparieiters Begriff der „Verkehrslehre", der letztlich HandelsVerkehr meint) zwischen räumlich entfernten Erzeugern und Verbrauchern stellt ... eine Leistung für sich dar, die..." vom Hervorbringungsbetrieb ggf. selbst erbracht wird, um aber auch „... im Zuge der Arbeitsteilung Gegenstand eines besonderen Berufes zu werden .. " 7 . Unterscheidet Oberparieiter zwischen der Auffindung des Tauschpartners und der körperlichen Übertragung (der Ware), so ist nur der erstgenannte Tatbestand als Handelsleistung zu werten (letzteres hingegen betrifft ζ. B. den Frachtführer). Als besondere Leistungsgehalte der Findung des Tauschpartners scheinen bei Oberparieiter die folgenden hervorzuragen: (a) Auffindung wechselseitiger Tauschinteressen, dabei Überwindung der Fremdheit zwischen den Tauschpartnern, ggf. einander fremder Sitten und Gebräuche in den Lebensbereichen der Kontrahenten. Man könnte diesbezüglich vielleicht von einer sozialen Kontaktfunktion unter Marktregeln (vgl. später den Marktbegriff) sprechen. (b) Den Kontrahenten eigen ist das spezifische Tauschinteresse, das auf wechselseitige Nutzenoptimierung hinausläuft (denn: Beim Tausch gewinnt jeder, weil eben die ausgetauschten Güter für den Abgebenden einen geringeren Nutzen besitzen als für den Empfänger, der seinerseits wieder mit Gütern ausgleicht, die ihm weniger als seinem Kontrahenten gelten). (c) Die Überwindung der räumlichen Trennung der Hervorbringungs- und Konsumbereiche ergibt sich insbesondere in folgender Weise: (aa) Überwindung der räumlichen Trennung von Hervorbringungs- und Bedarfsort i m Bereiche der Landwirtschaft (ζ. B. kraft klimatischer Bedingungen) und i m Bergbau (örtlich gebundene Fundstätten). (bb) Überwindung der räumlichen Trennung von Güterhervorbringungsbereichen (Fertigwaren), die sich aus der räumlichen Anordnung der Menschen mit besonderen Fähigkeiten ergibt. Es geht also u m eine Warenintegration differenter Hervorbringungsbegabung (ζ. B. Austausch besonderer technischer oder medizinisch-pharmazeutischer Artikel; aber ggf. auch des folkloristischen Kunstsinnes der verschiedenen Völker). (cc) Von eher sekundärer Relevanz ergibt sich die räumliche Austauschaufgabe aus Gründen der besonderen Hervorbringungsrationalität, insbesondere also der Betriebsgrößengestaltung, womit Hervorbringungs- und Bedarfsbereich kleinräumlich nicht zur Deckung gelangen.
(d) Als besondere Nebenbedingung des Vollzuges der Aufgabenstellung der Raumüberbrückung erweist sich die verkehrsmäßige Erschließung, u. E. insbesondere wohl auch die Gestaltung zwischennationaler Präferenzen, verbunden 7
Ebenda, S. 7.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
151
mit den besonderen Aufgaben, den Bedarfswandelungen im Gesamtstufenzusammenhang laufend zu entsprechen (Anpassungsfunktionen der räumlichen Handelsleistungen). Wenn Oberparieiter zu dem Ergebnis gelangt, „... Aufgabe der Verkehrswirtschaft . . s e i es eben, nicht nur die Absatzmöglichkeiten und - W a n d l u n g e n „ . . . ihrer Ausdehnung und Kombinatorik nach zu kennen, sondern auch die jeweils günstigste Tauschkonstellation herauszufinden.. " 8 , so wäre dem u. E. hinzuzufügen, daß auch eine Wahl zwischen Verstetigung und Wandel des Leistungswechsels zu bewirken ist. 2) Grundgehalte der zeitlichen Funktion Aufgabe und Gestaltung der Zeitmarktbeziehungen tion) wird von K. Oberparieiter wie folgt gesehen:
(d. i. ja die zeitliche Funk-
(a) Auszugehen ist von zeitlichen Inkongruenzen, die zwischen Hervorbringung und Verbrauch bestehen, und zwar nach Maßgabe zweier Tatbestände: (aa) „Die Natur hat die Produktion vieler Güter, deren Konsum keine Unterbrechung verträgt, zeitlich beschränkt...", natürliche Inkongruenzen von Hervorbringungs- und Konsumrhythmus sind die Folge. „Am stärksten tritt der Gegensatz i m Rhythmus der beiden wirtschaftlichen Prozesse (Leistungsbereiche, J. K.) bei den Produkten der Landwirtschaft, den sogenannten Ernteprodukten in Erscheinung, die dem täglichen Bedarf dienend, nur periodisch in den Zustand der Reife treten und nur in diesem gewonnen werden können 9 ." M a n kann diesen Tatbestand der Rhythmendivergenz wie folgt skizzieren 1 0 :
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Konsumzeit 12 Monate (gleichförmig)
11
12
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Produktion für 12 Monate (ungleichförmig, einmalig)
(bb) Zudem gibt es eine dispositive Hervorbringungs-Konsuminkongruenz, beruhend auf dem höheren „... Grad von Wirtschaftlichkeit des kontinuierlichen Betriebes . . d e m keine gleiche Kontinuität im Konsumbereich gegenübersteht. Auch die Auflagengrößendegression spielt hier eine Rolle, die wie folgt veranschaulicht werden kann: 8
Oberparieiter,
(Funktionen), S. 10.
9 Ebenda, S. 19. 10 Die Inkongruenz kann auch einen gegensätzlichen Verlauf nehmen: Kontinuierliche Produktion, einmaliger oder ggf. mehrmaliger, jedoch nicht kontinuierlicher Verbrauch (ζ. B. Saisongüter, Stoßverbrauch anläßlich großer Feste u. ä.).
152
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme Kosten
Lagerhaitungskosten Produktionskosten >
Zeit
Kostenoptimum Abb.
5:
Kostenoptimale Abstimmung und Lagerhaltung smenge
von
Erzeugungs-
Diese Abstimmung von Erzeugungs- und Lagerhaltungsrhythmus, nicht hingegen die Lagerhaltungsleistung selbst ist die eigentliche Leistung des Handels als zeitliche Funktion. (b) Zur Leistung des Handels als zeitliche Funktion nimmt Oberparieiter folgt Stellung:
wie
(aa) Entscheidend ist zunächst der Begriff der zeitlichen Funktion, nämlich: „Wie die räumliche Funktion des Wirtschaftsverkehrs die Güter aus den Gebieten des Überflusses nach jenen des Mangels bewegt, um sie dortselbst bereitzustellen, verschiebt sie die zeitliche Funktion aus den Perioden der Fülle in jene der Dürftigkeit. Dies ist die Leistung vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft gesehen .. - 11 ", u. E. aber zugleich unter objektiven Gesichtspunkten überhaupt. (bb) Fragt man näher, worum es sich hierbei als Gestaltungsauftrag handelt, so kann gesagt werden, daß es sich um eine zeitliche Ordnung der Nachfrage durch Herstellung dieser zeitlichen Ordnung dienender Marktbeziehungen handelt, womit zugleich die zeitliche Ordnung der Produktion mitbewirkt wird: (1) Ganz generell gilt dies im Sinne der zeitlich-sinngemäßen Auftragsplanung und -vergäbe des Zeitfunktionärs an die Erzeugung (ζ. B. langfristige Ernteverträge unter Abschätzung der Zukunftsbedürfnisse an Ernteprodukten; das Gleiche gilt auch für Industrie- und Gewerbeprodukte u. ä.). Der Zukunftsmarkt ist insbesondere durch das Moment unsicherer Erwartungen geprägt und bestimmt die zu ihrer Bewältigung entsprechenden Leistungen. (2) Diese Leistungen vollziehen sich auf 2 Formen von Zeitmärkten. (10) Oer Effektivmarkt ist dadurch charakterisiert, daß hier Abschlüsse auf spätere Lieferung abgeschlossen werden, deren Erfüllung tatsächliches Ziel der beiden Kontrahenten ist. (11) Am Terminmarkt hingegen wird das Spekulationsgeschäft getätigt (Abschluß über zukünftige Lieferung, ohne Erfüllungs- sondern nur Preisausgleichintention), dessen objektive Leistung in der Übernahme der Preissicherung für Effektivkäufer und -Verkäufer gelegen ist. 11
Oberparieiter,
(Funktionen), S. 22.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
153
Erwirbt ζ. B. eine Wollspinnerei Wolle, die sie erst sukzessive verspinnen kann und verpflichtete sie sich auf spätere Lieferung zu einem bestimmten (Zeit-)Preis, so könnte bei steigenden Preisen der Erlöspreis geringer als der Wiederbeschaffungspreis sein. Daher wird ein zugleich abgeschlossener „Termineinkauf' den Preisverlust am Effektivmarkt ausgleichen können (Gewinn bei Verkauf der Terminware!)
Fassen wir zusammen: Zeitliche Funktion (des Handels) bedeutet die Schaffung einer dem menschlichen Bedarfsrhythmus adäquaten Versorgung durch zeitliche Strukturierung des Angebots auf den Zeitmärkten unter gleichzeitiger Verbindung derselben mit der Zeitstruktur der Hervorbringung (Vorausbestellung, Anbauverträge u. ä.), ggf. auch zugleich Sicherung des zeitlichen Preiszusammenhanges (Geltungsgrößenzeitfunktion). 3) Grundgehalte der quantitativen
Funktion
Die vom Handel zu überbrückende Aufgabe liegt offenbar auch darin, aus der Arbeitsteilung stammende mengenmäßige Inkongruenzen zwischen Hervorbringung und Verbrauch zu überbrücken: (a) Auszugehen ist davon, daß es sich niemals „... nur um die Findung und Beschickung räumlicher und zeitlicher Märkte überhaupt..., sondern um die quantitative Anpassung des Angebots an die bestehende Nachfrage 12..." handelt. „Aufgabe der dem Verkehre dienenden Tätigkeit muß es daher sein, den wohl aus der Erfahrung bekannten Umfang der örtlich und zeitlich sich ergebenden Nachfrage i m Wege der Marktforschung zu beurteilen, den Anteil des einzelnen Erzeugers an der Bedarfsdekkung abzuschätzen oder, soweit dies möglich, durch Verkaufsabschlüsse i m vorhinein zu sichern 13 ."
(b) Die Quantitätsfunktion übernimmt neben dieser generellen Aufgabe mengenmäßiger Harmonisierung von Angebot (Hervorbringung) und Nachfrage (Verbrauch) im Rahmen der spezifisch arbeitsteiligen Leistungsordnung noch folgende Quantitätssonderfunktion: Sie wird effizient, indem sie eine Inkongruenz ausgleicht, weil ,,a) die Erzeugung im großen, der Verbrauch im kleinen Umfange vor sich geht". Entscheidend ist: „Der kostendegressive Großbetrieb hat hier durch Massenproduktion zur notwendigen Einschaltung von Zwischengliedern geführt, die den Erzeugern die Waren in großen Einzelmengen abnehmen, hingegen in kleineren Mengen an weitere Zwischenglieder oder an den Selbstverbraucher vertreiben." Oberparieiter nennt hier eine Reihe von Beispielen (Eisenwaren, Textilien, Schuhe, Hüte, Mehl-, Back- und Süßwaren), doch dürfte der Brennstoffhandel (Holz, Kohle für den Hausbrand) sozusagen „idealtypisch" sein, weil hier die „Quantitätsfunktion" besonders rein hervortritt und ζ. B. insbesondere durch die „Qualitätsfunktion" nicht überlagert und verwischt wird.
,,b) Mengenunterschiede im umgekehrten Verhältnis ergeben sich dort, wo die Erzeugung im kleinen, der Verbrauch dagegen im großen Umfange vor sich geht, so daß es einer besonderen Sammeltätigkeit im Wirtschaftsverkehre bedarf, 12
Oberparieiter,
(Funktionen), S. 33.
13
Oberparieiter,
(Funktionen), S. 33.
154
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
eines Aufkaufes von vielen Produzenten, um die Mengeninkongruenz zu überwinden." Beispiele: Gerbstoffe, Häute und Felle, Harze, Schwämme, Arzneipflanzen, Altmetalle der Verbrauchswirtschaften (Textilien, Papier, Autos u. ä.). ,,c) Schließlich bewirkt... der räumliche und zeitliche Unterschiede überbrükkende..." Handel jene besondere Art von Quantitätsfunktion „... im Verkehr mit Gütern, die im kleinen erzeugt und ebenso im kleinen verbraucht werden...", zunächst aber doch eines Sammeins bedürfen: Spielwaren, Drechslerwaren, Spitzen, Stickereien u. a., Güter, die „... durch Sammelhändler bei den Kleinproduzenten aufgekauft bzw. durch Verleger bei ihnen bestellt und an Exportfirmen in größeren Einzelpartien geliefert, durch diese erst wieder an Importeure, Grossisten und Detaillisten des Verbrauchsgebietes abgesetzt werden" 14. Die Quantitätsfunktion tritt sohin sammelnd oder verteilend (kollektivierend/distribuierend) auf. 4) Grundgehalte der qualitativen
Funktion
Noch relevanter als die Quantitätsfunktion erscheint u. E. insbesondere für den Endverbraucher, ggf. aber auch für Zwischenglieder die Qualitätsfunktion des Handels, womit das Folgende gemeint ist: (a) „Die räumlichen und zeitlichen Leistungen des Wirtschaftsverkehrs weisen neben der quantitativen Seite auch eine qualitative auf... Gerade die Erkenntnis dieser letzteren und die Verbreitung des Wissens um die Bedarfsrichtung in qualitativer Hinsicht kann im Zeitalter der Weltwirtschaft... nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal wenn man berücksichtigt, welche Vielgestaltigkeit im Raum und welch' Veränderlichkeit der Bedarf in der Zeit auf weist 15 " Hier geht es also im allgemeinen um die Bestimmung der Art der Hervorbringung überhaupt als Inhalt der „Qualitativen Funktion". (b) Aber nicht „... diese Leistungen des als Verbrauchsnäherung bezeichneten Wirtschaftsverkehrs können... eigentlich als qualitative Funktionen angesprochen werden ..." 1 6 als vielmehr die folgenden: ,,a) Viele Güter werden von der einzelnen Erzeugungswirtschaft in mehreren Qualitätsgraden hervorgebracht, während die einzelnen Verbrauchs wirtschaften, sei es der weiterverarbeitende Betrieb oder der Haushalt nur für einen derselben Verwendung hat17." Beispiele: Milch, Eier, Butter, Geflügel, Obst und Gemüse, Vieh, Fische, Tee, Felle, Rauhwaren, Baumwolle, Seide, Hopfen usw. 14 15
Obtfparleiter, (Funktionen), S. 35. Ebenda, S. 41.
16
Ebenda.
17
Ebenda, S. 42.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
155
Die Sortierung kann aus Gründen der Letztverbraucherschichtung hochspezialisierten Bedarfes von Betrieben notwendig werden.
oder des
,,b) Andererseits steht wiederum spezialisierte Produktion einem vielgestaltigen Verbrauche gegenüber,... teils aus ökonomischen Gründen, teil aus Ursachen, die mit der Wirtschaftlichkeit nichts gemein haben..und die zur Sortimentsfunktion führen, einerseits einer artmäßigen, andererseits einer innerartmäßig-qualitätsspezifischen: 1. „Schon der Vorgang der täglichen Bedarfsdeckung an Lebensmitteln, Haushaltsartikeln, Genußmitteln, Drogen u. a. m. l i e f e r t . . z u m artmäßigen Simultanangebot als Form der Quantitätsfunktion „... eine Fülle von Beispielen"18. Hierher gehören insbesondere auch die besonderen Fälle, in denen eine Wertsteigerung durch Vereinigung entsteht, indem zerstörte Ganzheiten neu gebildet werden: Briefmarkensätze, Stilmöbelkomplettierung, Antiquariatsleistungen. 2. Andererseits ergeben sich als Zweitfall „verbrauchsgerechte Zusammenstellungen oder Sortimente verschiedener Qualitäten einer Ware, so im Zigarettenund Zigarrenhandel.. " 1 9 . Was also hervorbringungsmäßig zerstückelt ist, wird durch den Sortimentshandel zu „Verbrauchsganzheiten" koordiniert, gestaltet, wie dies die Verbraucher wünschen: „Auf diese Kaufgewohnheiten des Konsumenten gründet sich ja überhaupt die Objektgruppenbildung im Detailhandelsbetriebe20." An dieser Stelle geht Oberparieiter (beachte: I m Jahre 1955) auf die Größe der Sortimente ein: Bedienungsladen 630 Artikel, Selbstbedienungsladen 900, Supermarket 2850; als Supergrößen werden angeführt: E i n Zürcher Warenhaus 60 000 Artikelausführungen, Metallwarengroßhandel 30 000 Artikel, Drogen- und Pharmazeutikgroßhandel 10 000 Artikel. Seyffert erwähnt sogar eine Leipziger Großhandlung dieser Branche mit einem Sortiment von 20 bis 25 000 Positionen 2 1 .
^ ^ ^ ^
Grundmärkte und -funktionen
Räumliche
Zeitliche
Quantitative
1.
1.
Qualitative
2.
2.
—^^^ Submärkte und -funktionen
^ ^ ^
Fassen wir abschließend alle 4 Funktionen in ihrem Gegenseitigkeitsverhältnis ins Auge, so gilt, „daß nicht von räumlich und zeitlich ausgleichenden Übertragungen ... schlechthin die Rede sein kann, daß vielmehr ... auch qualitative 18 Oberparieiter; 19
(Funktionen), S. 43.
Ebenda
20
Ebenda
21
Vgl. ebenda, S. 44 f.
156
II. Abschnitt Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
und quantitative..." Momente mit zu berücksichtigen sind, womit auch besagte Funktionenkorrelation graphisch wie folgt ins Auge gefaßt werden kann, womit sich räumlicher und zeitlicher Markt in die Submärkte des quantitativen und qualitativen Struktur- und handelsmäßigen Leistungsmomentes einsichtig gliedert: bb) Funktionale Ergänzungen R. Seyfferts Nach R. Seyffert ist „... der Handel... jene wirtschaftliche Tätigkeit, die den Austausch von Gütern zwischen Wirtschaftsgliedern, letzten Endes zwischen Produzenten und Konsumenten herbeiführt" 22. Die Grundleistung, ja das Wesen des Handels sieht R. Seyffert völlig zu Recht in seiner Grundfunktion der Umsatzleistung, keineswegs im Erwerbsmoment, das ja für jede Tätigkeit gelten kann. „Was Schär 1911 von der Tätigkeit des Händlers sagte, gilt für jede andere Berufausübung genauso:,Seine Arbeit und seine Berechtigung können nie an seinem individuell gesetzten Zwecke gemessen werden, sondern einzig an dem Grade seiner Dienstleistungen im Organismus der gesellschaftlichen Arbeit' 23." Wie in der Übersicht bereits angeführt wurde, unterscheidet er drei Handelsteilbereiche (Funktionsgruppen), von denen die beiden ersten (Überbrückungsfunktionen: Raumüberbrückung, Zeitüberbrückung; Warenfunktionen: Sortimentsfunktion, Quantitäts- und Qualitätsfunktion) den von uns dargestellten Oberparleiterschen vollends entsprechen. Wir gelangen daher zu einer repräsentativen Darstellung der „traditionellen" Betrachtungsweise, wenn wir nur noch die Seyffertschen Maklerfunktionen (3. Funktionengruppe) wie folgt skizzieren: (a) Zur Maklerfunktion als Ganzes erklärt R. Seyffert „Tritt schon in den Warenfunktionen der Dienstleistungsgedanke nachdrücklicher als in den Überbrückungsfunktionen hervor, so sind die beiden letzten der Teilfunktionen, die die Umsatzleistung des Handels ausmachen, von ihm ausschließlich bestimmt. Ich bezeichne sie deshalb als Funktionen des Makleramtes, da sie den Handelstreibenden, sei er Produzent, Nurhändler oder organisierter Konsument, als ehrlichen Makler seines Partners ausweisen, der im Bereiche seiner Warengruppe nach bestem Wissen und Gewissen beim Geschäftsabschlüsse Rat erteilt 24." (b) Bezüglich der beiden Arten von Maklerfunktionen gilt daher: (aa) Zum ersten gehört hierher „... die Interessenwahrungs- und Beratungsfunktion mit ihrer Aufklärung über die Wareneigenschaften und die Beratung bei der Auswahl der Abnehmer und ihrer Produktionsanregung dem Lieferer gegenüber"25. 2 2 2
Seyffert, (Handel), Sp. 2495, siehe auch Ausführungen bei Kolbinger, (Elemente), S. 172 ff. 3 Schär, (Handelsbetriebslehre), S. 66, zit. nach Seyffert, (Handel), Sp. 2497.
2 4
Seyffert,
25
Ebenda
(Handel), Sp. 2498.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
157
(bb) „Dazu gehört ferner die Markterschließungsfunktion, die als eine des Marktsuchens und Marktfindens die Bemühungen in sich einschließt, ein Produkt begehrt und damit verkäuflich zu machen." Der Auffassung Seyfferts, „... diese Markterschließung..." sei „... vornehmlich eine Werbefunktion.. . 26 " können wir uns nicht anschließen, zieht man in Betracht, daß Werbung zwar mit dem Handel eng in Verbindung steht, nicht aber dessen Teilfunktion ist, sondern eine Vergemeinschaftungsleistung besonderer Art dargestellt, die im übrigen selbst dort nicht halt macht, wo die Bildung einer Konsumentengemeinschaft durch Vergemeinschaftungsakte ihre Grenzen findet (vgl. Human Relations etc. in unseren Ausführungen zur Werbefunktion).
2. Der neue oder Marketing·Ansatz
Hier stellt sich uns die Frage, was man mit dem neuen oder Marketing-Ansatz meint und wie er sich von der traditionellen Methode der Austauschbetrachtung unterscheidet. a) Der Ansatz Nieschlag/Dichtl/Hörschgen
21
Es geht um die Dimension des Erkenntnisobjekts sowie die Integration einzelund gesamtwirtschaftlicher Zielsetzungen im Marketing einschließlich dessen entscheidungsorientierter Institutionalisierung. aa) Die Dimension des Erkenntnisobjektes In traditioneller Sicht geht es im gegebenen Zusammenhang um die Überwindung der Distanz, der Spannungen zwischen Produktion und Konsumtion durch den Handel: „Handel im Sinne von Funktionserfüllung bezeichnet nichts anderes als den Ankauf und Verkauf von Waren ohne wesentliche Bearbeitung2»." Die Aktivitäten wurden hier ausschließlich beim Anbieter gesehen, der Gegenpol, der Verbraucher blieb - so Nieschlag - eher unberücksichtigt. An absatzwirtschaftlichen folgenden 29:
Ansätzen dieser Art finden sich nach Nieschlag die
(a) Der funktionale Ansatz, der sich mit „... dem Absatz als einer betrieblichen Funktion auseinandersetzt...", wobei man sich „... der sogenannten absatzpolitischen bzw. der Instrumente der Marktgestaltung..." bedient. Nieschlag baut u. E. auch i m Marketing stark auf E. Gutenberg auf, der folgende absatzpolitische Instrumente unterscheidet: Absatzmethoden, Preispolitik, Produktgestaltung, Werbung. 26
Ebenda.
2
? Nieschlag, et. al., (Marketing).
28
Nieschlag, et. al., (Marketing), S. 7.
29
Vgl. ebenda, S. 28.
158
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
(b) Der institutionelle Ansatz unterscheidet sich vom obigen, „... als es nunmehr um Betriebe als Ganzes, und zwar vornehmlich um die Handelsbetriebe ... geht und nicht allein um die letzte Phase des Umsatzprozesses". (c) Schließlich haben wir einen warenwirtschaftlichen Ansatz zu unterscheiden: „Diese im Gegensatz zum funktionalen und zum institutionalen Ansatz stehenden Betrachtungsweise wird in Amerika als commodity approach umschrieben30." Man versucht hier „... zu allgemeingültigen Aussagen deskriptiver und normativer Art über den Absatz verschiedener Warengruppen zu gelangen"31. Es werden hiebei insbesondere drei Beziehungsarten angesprochen: Ware Mensch (Bedarfsbeziehungen), Ware - Raum (Wirtschaftsgeographie), Ware Ware (Warenverbund, Rohstoffgemeinschaften u. ä.). Wendet man sich hier zum Marketing-Objekt, 1. In bezug auf das Obige, primär funktionale
so bedeutet dies: Orientierung. 32
2. Dogmengeschichtlich ragt insbesondere der Bezug zur Verkehrslehre hervor, die - unausgeführt - eine Umweltbezugslehre sein wollte, letztlich aber in die (funktionale) Warenhandelslehre einmündete. Auf die Bedeutung K. Oberparieiters für die Entwicklung der Verkehrslehre weist M. R. Lehmann schon in seiner Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 33 hin.
3. Versucht das Marketing heute zu einem „... einheitlichen und geschlossenen Lehrgebäude" unter Verwendung der obigen, insbesondere funktionellen Ansätze zu gelangen, so tritt als Neuorientierung eine Art Bipolarisierung ein: Die Marktparteien gelten nicht mehr „... als Gegensätze, sondern als Teile eines Ganzen, als Elemente eines kybernetischen Systems ..., das seine Impulse vom Markt, genauer: vom Verbraucher, erhält" 34. Man kann als Grundeigenschaft des Objekts Marketing von einem Ethnozentrismus insoferne sprechen, als „... der Mensch... hier nicht von peripherer, sondern von zentraler Bedeutung ..." ist, weshalb „... sich die Marketing-Lehre zahlreichen psychologischen und soziologischen Fragen nicht mehr entziehen kann"35. Es gilt also offenbar auch hier: Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft, als Lehre von der sozialen Leistungsordnung, hier der Strukturform Markt.
bb) Struktur und Institutionalisierung des Marktes Wir fragen uns nunmehr um die Grundgehalte (Zielvorstellungen, MarketingPhilosophie, Grundfunktionen) und die Marketing-Institutionalisierung. 30
Ebenda, S. 25.
31
Ebenda, S. 29.
32
Vgl. ebenda
33
Siehe Lehmann, (Betriebswirtschaftslehre), S. 63 ff.
34
Nieschlag, et. al. (Marketing), S. 4.
35
Ebenda, S. 29.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
159
1) Grundgehalte (Marketing-Philosophie) 10) Die einzelwirtschaftliche Sicht (a) „Marketing ist ... Ausdruck eines neuen unternehmerischen Denkstils: Nicht mehr die Produktionskapazität, sondern die Nachfrage wird zum Engpaß für die betriebliche Entwicklung 36 " (b) Man kann nach der vorgetragenen Auffassung Marketing in dem nachfolgenden Sinne als schöpferische Marktformung ansehen: (aa) Erhalten bleibt zunächst der traditionelle Gehalt, somit die Funktionen des Warenhandels bzw. was „... mit Absatzwirtschaft oder Warendistribution umschrieben wird" 37 . (bb) I m Sinne des oben angesprochenen Ethnozentrismus tritt jedoch folgende Umorìentierung bzw. funktionale Erweiterung ein: (1) Grundlegend ist die Auffassung vom deren betrieblichen Funktionen.. " 3 8 .
Primat des Absatzes gegenüber an-
„Manche Autoren erblicken i m Marketing eine schöpferische Erfassung, Gestaltung und Formung des Marktes, m. a. W. eine konsequent marktbezogene Unternehmenspolitik, die sich vom produktionsorientierten Denken losgelöst h a t 3 9 . "
(2) Es tritt eine Wendung vom Verkäufer- zum Käufermarkt, zum Primat des Konsumenteninteresses ein, und zwar so, daß sich der Anbieter für den Konsumenten unentbehrlich macht, Präferenzen erringt, womit eben der gestaltete Markt an die Stelle des anonymen tritt. Die Frage nach dem Wie beantwortet sich nach dem Satz: „He has to live with the customers40." (H. Gross: Er hat Problemlösungen zu bieten.) Unter diesem Gesichtspunkt einer Nachfrageproduktion stehen die Schlüsselbegriffe des Marketing: (20) Markterschließung bedeutet inhaltlich Bedürfnis- und Motivforschung, damit Entdeckung von Marktnischen, Absatzplanung und damit integriert Produktplanung. Entscheidend ist die Zukunftsorientierung (Futurologie), um sich auf Zukunftsbedürfnisse (ζ. B. als Folgen von Zeit- und Personalmangel, Sozialwandel) einzustellen. (21) Marktsicherung und Marktausweitung als Marketing-Ziele erfolgen insbesondere durch eine konsumentenorientierte Angebotsintegration, das sogenannte Package Deal (ζ. B. Shell, Esso, Melitta etc.). Gebracht wird z. B. ein Zentralheizungspaket einer ölfirma, das folgende Komponenten enthält: Ölfeuerungsanlagen, Quali tätsöl, räumlich weitestreichendes Vertriebssystem, Sicherheit der Belieferung kraft weltweiter Ressourcen, automatische Belieferung kraft Verbrauchsprognosen und Temperaturverhältnissen, Inspektion, Wartung, Ersatzteile, Versicherung der gesamten Anlage, Finanzierung des Heizölbezuges in gleichen Monatsraten. 36
Ebenda, S. 32.
37
Ebenda, S. 30. Nieschlag, et. al., (Marketing), S. 39.
36 39
Ebenda, S. 31.
40
Ebenda, S. 33.
160
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Vermarkter und Kunde treten einander insgesamt näher, es tritt geradezu eine Art Entmarktung (ζ. B. vor allem der Freibeweglichkeit der Konsumenten als Grundkriterium) ein: Dauerversorgung, damit Absatzsicherung; die zentrale Vorratshaltung, ggf. kundennahe Produktion, zusätzliche Sicherung von Kundenvorteilen (ζ. B. durch mit Wartung gekoppelter billiger Versicherung). Neben Shell wird auch auf ein analoges Konzept (!) von Esso und - in einem anderen Bereich - von Melitta hingewiesen. Vorläufer ist Rockefeller, der u m die Jahrhundertwende zur Sicherung des Petroleumabsatzes Millionen Petroleumlampen in China „verschenkte".
11) Gesamtwirtschaftliche Aspekte Gegen die Verurteilung des Marketing als ödes Profitstreben wird auf dessen folgende gesamtwirtschaftliche Funktionen hingewiesen: (a) Marketing übernimmt eine Steuerungsfunktion, indem „Planung, Unternehmespolitik und Geschäftsabwicklung am Kunden ausgerichtet..." werden. Dies impliziert „... eine optimale Bedürfnisbefriedigung . . a l s „charakteristisches Merkmal der sozialen Marktwirtschaft" 41. (b) Wohlfahrtsökonomisch ist Marketing eher eine Hilfe als eine Gefahr für den in der Tat doch nur scheinsouveränen, sich umweltindifferent währenden Konsumenten42. (c) Marketing-Aktivitäten vermindern die Differenz zwischen dem Realeinkommen und dem Anspruchsniveau (level of aspiration), tragen also zu einer Erhöhung des individuellen Wohlfahrtsmaximums durch Erhöhung der Leistungsbereitschaft und Erhöhung der Markttransparenz bei 43 . Auch Wettbewerb und Fortschritt werden befruchtet. Etwas nachdenklich in diesem Zusammenhang stimmt vielleicht die anderweitig gebrachte These - insbesondere in einer Zeit wachsenden Umweltbewußtseins Marketing zeichnet sich durch eine ... fast aggressive Note aus"44. In der Tat kann es aber nicht verwerflich sein, das an Diensten zu realisieren, was Hände und Geist geschaffen haben, wenn der Ganzheitsbezug gewahrt bleibt. 2) Marketing-Institutionalisierung Marketing-Management bedeutet funktionale Integration, konkretisiert in einem bestimmten Organisationskonzept des marketingorientierten sozialen Leistungssystems (vgl.: Die institutionelle Verankerung des Marketing im Marketing-Management). Im gegebenen Zusammenhang erkennt man dies an den Organisationsschemata einer produktionsorientierten gegenüber einer verkaufsorientierten und schließlich marketingorientierten Unternehmungsorgani41
Nieschlag, et. al, (Marketing), S. 44.
42
V g l ebenda, S. 46 ff. insbes. S. 56.
43
Vgl. ebenda, S. 59.
44
Ebenda, S. 32.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
161
sation45, welche folgende Suborientierung aufweisen kann: Funktional-, Produkt·, Kunden-, Gebietsorientierung. Damit zeigt sich die Richtigkeit des morphologischen Gesetzes der Entsprechung von Sinn- und Formgebung, hier im Bereiche der Gestaltung der Austauschbeziehungen sozialer Leistungssysteme.
b) Der Marketing- und Meta-Marketing -Ansatz Ph Kotlers
46
Aus der neuesten einschlägigen Literatur ragt vielleicht gemäß der theoretischen Art der Konzeption besonders die Lehre Ph. Kotlers heraus, weshalb wir auf sie näher eingehen wollen. aa) Entwicklungslinie und Reichweite des Marketing 1) Entwicklungslinie Ph. Kotler gestaltet eine Art Entwicklungsstufenlehre sozialer Austauschbeziehungsformen, die wir in der Art W. Sombarts wie folgt komprimieren können47: (a) Marketing i m Vorkapitalismus (aa) Marketinglose Wirtschaft, in Europa wohl dem eigen wirtschaftlichen Zeitalter (Dorfund Fronhofwirtschaft) entsprechend, untergliedert in: (1) Stadium der Selbstversorgung (2) Stadium des primitiven Kommunismus (bb) Als erste Marketing-Stufe
die mittelalterliche Wirtschaft:
( 1) Als Stadium des einfachen Tauschhandels (produktivitätsorientierte Spezialisierung erfordert Suche nach Tauschpartner und Pflege von Verhandlungen mit diesem). „Der Tauschhandel brachte ... eine echte Basis für die Formulierung einer ersten Begriffsfassung des Marketing i m Sinne der gesamten Tätigkeiten, die von Personen mit der Absicht des Tausches betrieben werden 4 8 ." (2) I m Stadium der örtlichen Märkte (Naturaltausch) bilden sich Verkaufsspezialisten heraus (Frauen der Erzeuger): „Marketing umfaßte (nun, J. K.) den Tauschprozeß wirtschaftlicher Güter und die spezialisierten Einrichtungen, die den Tausch erleichterten 49 ." (3) M i t dem Stadium der Geldwirtschaft tritt an die Stelle des Direkttausches mit den vielen notwendigen Einzelakten der Sortimentshandel (qualitative Funktion!). Jeder bringt jedes, jeder erhält alles, was er braucht, an einer Stelle. (b) Marketing i m Kapitalismus (aa) I m Frühkapitalismus „... umfaßte der Marketing-Begriff jene unternehmerischen Tätigkeiten, die darauf gerichtet waren, Kunden und Märkte ausfindig zu machen und Waren von den Herstellungs- zu den Konsumentenzentren zu bringen, und zwar mit dem Zweck, Gewinne für den Verkäufer zu erzielen" 5 0 .
11
45
Vgl. Nieschlag, et. al., (Marketing), S. 90.
46
Kotler, (Marketing-Management).
4 7
V g l Sombart (Kapitalismus).
48
Kotler, (Marketing-Management), S. 7.
49
Kotler, (Marketing-Management), S. 7.
50
Ebenda, S. 8.
Kolbinger
162
. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Diese räumliche Funktion beruht auf: Erwirtschaftung von Überschüssen (nicht mehr nur standesgemäßer Unterhalt), neuen Produktionsformen (Haus· und Manufakturindustrie), neuer Gesellschafts· und Marktstruktur (geteilter Markt: Arbeiter einerseits, Beginn des Einzelhandels für gehobenen Konsum andererseits), insgesamt: Verkäufermarkt. (bb) Hoch- und Nachkapitalismus
beinhalten:
(1) Der Hochkapitalismus ist das Zeitalter der Massenproduktion mit homogenem Güterangebot auf homogenen Märkten und der Folge der Preiskonkurrenz. Es setzten aber bereits Bemühungen u m monopoloide Märkte ein durch: Werbung, Vermarktung. Marketing bedeutet hier einen „... Sammelbegriff für eine Vielzahl von unternehmerischen Aktivitäten, die den Fluß der Waren und Dienstleistungen von den Produzenten zu den Kunden verbessern und verstärken sollen" 51 . (2) I m Spätkapitalismus als Stadium der Überflußgesellschaft (d. i. eine „Gesellschaft nicht nur mit Bedürfnissen, sondern auch Wünschen") wollen die Marktakteure nicht mehr bloß verkaufen, sondern sich in die ganze Produktgestaltung einschalten. Der übersättigte Markt erfordert die kontinuierliche Findung neuer, differenzierter Produkte (Innovationsausweitung) und Eingehen auf Kundenintentionen. Das Marketing erhält Gestalt: „Man legt einen größeren Wert darauf, die Marketing-Instrumente eines Unternehmens zu koordinieren und diesen Instrumenten eine einheitliche, kundenorientierte Richtung und Wirkung zu geben. I n einer Überflußgesellschaft beinhaltet der Begriff des Marketing zunehmend die Interpretation von Konsumentenwünschen und die Kreation von Gütern, die diese Wünsche befriedigen 52 ." (3) Der Nachkapitalismus prägt den Leitbegriff der Lebensqualität Neu sind die sozialen Güter als Gegenstand dieser Marketing-Periode: Die Menschen „... machen sich Sorgen u m die Qualität ihrer U m w e l t . . . , Luft- und Wasserverschmutzung, Verstopfung der Verkehrsadern und die Ohnmacht gegenüber den Menschenmassen...". Hier erweist sich Marketing als ebenso nützlich bei der Kreation von Interesse und Aufmerksamkeit und der Einführung sozialer Güter, wie beim Verkauf privater Güter" 5 3 .
Marketing wird damit für Kotler ein Begriff größter Reichweite, insbesondere in der Erweiterung um das Meta-Marketing. 2) Marketing und Meta-Marketing Die beiden Komplementärbegriffe zeigen die Reichweite, die nach Auffassung Kotlers die gesamte Austauschbeziehungslehre ausmachen. 20) Marketing Ph. Kotler prägt folgende Schlüsselbegriffe
für sein Objekt:
(a) Marketing als Wissenschaft von den Austauschbeziehungen (b) Marketing-Management als Anstrengung der Käufer und/oder Anbieter zur Verbesserung der Austauschbeziehungen zum Zwecke des beiderseitigen oder eigenen Gewinnes. (c) Marketing-Konzeption als Grundeinstellung des Marketing-Managements, die den Schlüssel zum erfolgreichen Marketing in künden- und befriedigungsorientierten Aktivitäten gegenüber dem Markt sieht 5 4 . 51
Ebenda.
52
Ebenda, S. 9.
53
Ebenda, S. 10.
54
Vgl. Kotler, (Marketing-Management), S. 11 ff.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
Bezüglich der Marketing-Begnffe
163
unterscheidet Kotler die folgenden:
- Die ältesten, welche auf Güterarten beschränkt waren. - Die jüngeren, welche die Marketing-Institutionen (ζ. B. nichtöffentliche oder auch öffentliche Unternehmen u. ä.) zur Grenzziehung benutzen. - Die jüngsten, welche „... sich den Funktionen ..zuwenden die erfüllt werden müssen, damit Marketing-Transaktionen ausgeführt werden können" 55. Wie Kotler darlegt, ist „... das Marketing beschrieben worden: Als unternehmerische Tätigkeit; als eine Gruppe verwandter unternehmerischer Tätigkeiten; als Handelsphänomen; als ein Denkrahmen; als eine koordinierende, integrierende Funktion bei der Feststellung von unternehmerischen Grundsätzen; als Sinn für unternehmerische Zielsetzung; als ein ökonomischer Prozeß; als eine Struktur von Institutionen; als Vorgang des Eigentumstausches oder der Übertragung von Gütern; als ein Konzentrations-, Vereinheitlichungs- und Dispersionsprozeß; als Kreation von Zeit-, Raum- und Besitzwerten; als ein Prozeß, der Nachfrage und Angebot in Einklang bringt und als Essenz ebensovieler Tatbestände 56 ."
Als Quintessenz ragen u. E. in dieser Aufzählung die folgenden hervor: (a) Marketing ist ein Inbegriff von Handelsfunktionen bezogenheit des Begriffes)
(Funktions- und Objekt-
(b) Marketing ist eine bestimmte Art von Unternehmenskonzept in welchem die Gestaltung der Austauschbeziehungen die tragende Rolle einnimmt (marktorientierte Unternehmensführung). In der eigenen Begriffsbestimmung Kotlers wird verlangt, „... daß die folgenden drei Elemente vorhanden sein müssen, damit von einer Marketing-Situation gesprochen werden kann: (1) Zwei oder mehrere Parteien, die potentiell an einem Austausch interessiert sind, von denen (2) jeder Dinge besitzt, die dem bzw. den anderen wertvoll erscheinen und die (3) alle fähig sind, mit der bzw. den anderen Kommunikationsbeziehungen aufzunehmen und das Tauschobjekt zu liefern 57."
Kotler definiert schließlich: „Marketing umfaßt jene menschlichen Tätigkeiten, die darauf abzielen, Austauschprozesse zu erleichtern und durchzuführen5»." 55
Ebenda, S. 11.
56
Ebenda
57
Kotler,
(Marketing-Management), S. 13.
s» Ebenda, S. 12.
1
164
. Abschnitt Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
21) Meta-Marketing Da Kotler weder güterliche noch institutionelle Grenzen oder Unterschiede gelten läßt, welche das Marketing insofern einschränken könnten, andererseits offenbar aber doch einen engeren und einen weiteren Bereich bestimmen will, prägt er noch den Begriff des Meta-Marketing mit folgenden Subbereichen 59: (a) Offenbar als Gegensatz figuriert das „... Produkt-/Dienstleistungs-Marketing", das sich „... mit der Entwicklung und dem Marketing von zu verkaufenden Produkten und Dienstleistungen.. 60 beschäftigt: Gebrauchs- und Verbrauchsgüter sowie Dienstleistungs-Marketing. (b) Dieses wird um das Meta-Marketing in folgender Weise erweitert: (aa) Organisations-Marketing (Public-Relations) als Unternehmens-, Behörden-, Kulturorganisations- und Wohlfahrtsorganisations-Marketing. Es „... umfaßt jene Aktivitäten einer Organisation, die darauf abzielen, zwecks Anregung von Austauschbeziehungen die Attitüden und/oder das Verhalten verschiedener Personengruppen gegenüber dieser Organisation als Ganzes mitzugestalten, zu erhalten oder zu verändern; eine traditionelle Bezeichnung ist »Public Relations' 61 ." (bb) Person-Marketing versucht die Attitüden und/oder das Verhalten anderer gegenüber einer bestimmten Person zu formen, zu kräftigen oder zu ändern" 6 2 . (Politik, Aufbau der Beatles u. ä.). (cc) Das Raum- bzw. Ort-Marketing umfaßt Aktivitäten, die zum Zwecke der Heranbildung, der Erhaltung oder der Veränderung von Attitüden und/oder des Verhaltens gegenüber bestimmten geographischen Einheiten durchgeführt werden" 6 3 . (Wohnungs-, Standort·, Grundstück-, Touristen-, Nationalmarketing). (dd) Das Sozial-Marketing schließlich umfaßt Tätigkeiten, „... die darauf abzielen, die Attitüden und/oder das Verhalten gegenüber einer sozialen Idee bzw. Aufgabe, d. h. einem »guten Zweck' zu gestalten, aufrecht zu erhalten oder zu verändern, und zwar unabhängig von der die Idee fördernden Organisation oder Person" 64 (Arten: Allgemeines Gemeinschaftsaufgaben-Marketing, spezielles Sozialprogramm-Marketing).
Wir werden uns später noch mit den Gegenstandsgrenzen des Marketing zu befassen und damit auf das eben Ausgeführte zurückzukommen haben. bb) Leistungsbereiche und -gestalt des Marketing-Konzepts Die Teilinhalte des Marketing-Konzepts konkretisieren sich in einer bestimmten Unternehmensstruktur als Marketing-Management. 1) Teilinhalte
(Bereiche des Marketing-Konzepts)
(a) Die Marketing-Chancen sind zunächst eine Frage der Einordnung sozialer Leistungssysteme in ihre Umwelt, insbesondere durch Innovation und damit verbundener Eigenprofilierung gegenüber der Konkurrenz. 59 VgL ebenda, S. 858 ff. *o Ebenda, S. 859. 61 Kotler, (Marketing-Management), S. 863. 62 63
Ebenda, S. 866.
Ebenda, S. 868. 64 Ebenda, S. 869 f.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
165
„Eine Marketing-Chance ist eine Herausforderung zu zielbewußter Marketing-Aktivität ..." in 4 Management-Funktionen: „1. Innovation i m Bereich der Produkte, Dienstleistungen, Absatzwege oder der Absatzförderung; 2. Erhöhte Effizienz, 3. Erzeugung von Unterschieden zur Konkurrenz; 4. Ermittlung neuer Marktnischen 6 5 . 4 '
(b) Die Marketing-Umwelt ist der Markt mit seinem Käuferverhalten Aufgabe der Marktgestaltung:
und der
(aa) Auf der einen Seite steht „... der K-Markt für Produkte und Dienstleistungen, die von Einzelpersonen und Haushalten für den eigenen (nichtgewerblichen) Gebrauch oder Verbrauch gekauft oder in Anspruch genommen werden". Es geht also um das „Letztverbraucherverhalten" 66. Vgl. insbesondere: Allgemeine Merkmale, Kaufobjekte, Käufermotive nach Maslow, Bedeutung der Familie, Verkaufsmodelle. (bb) Demgegenüber bestehen P-, W- und Ö-Märkte mit ihren Sonderverhaltensweisen der Käufer kraft der angebotenen Güterarten. „Der P-Markt besteht aus Einzelpersonen und Organisationen, die Güter und Dienstleistungen erwerben, und zwar zum Zweck der Erzeugung weiterer Produkte oder Dienstleistungen, die an andere verkauft bzw. anderen zur Verfügung gestellt werden 6 7 ." Es handelt sich u m das „Produzentensegment" der Volkswirtschaft, das Leistungsaustausch i m Leistungsverbund betreibt (Verarbeitungsunternehmen, Landwirtschaft, Verkehrsunternehmen usw.). „Der W-Markt besteht aus Individuen und Organisationen - i m allgemeinen Sprachgebrauch werden sie Zwischenhändler, Händler oder Verteiler genannt - die G ü t e r . . . durch Weiterverkauf oder Vermietung .. " 6 8 in den Leistungsverbund eingliedern (Großhändler/Einzelhändler). Hier wie i m P-Markt stehen keine Konsum-, sondern Erwerbsziele i m Vordergrund, womit das Marktverhalten bestimmt ist. „Der Ö-Markt besteht aus allen Organen der öffentlichen Verwaltung - des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Kreise -, die zum Zweck der Erfüllung der Hauptfunktionen der öffentlichen Verwaltung Güter einkaufen oder mieten 6 9 ." Verhaltensbesonderheit: „Konsumenten kaufen Güter, die persönliche Bedürfnisse und Wünsche befriedigen sollen; Produzenten und Wiederverkäufer kaufen zum Zweck der Gewinnerzielung. I m Gegensatz dazu strebt der Ö-Einkäufer weder Konsumziele noch einen Gewinnstandard an, sondern kauft jene Produkte und Dienstleistungen, die er oder die Wähler als notwendig für den Fortbestand der Gesellschaft ansehen... Die Ö-Organe versuchen nicht nur, Einfluß zu nehmen auf die Erweiterung oder Einschränkung der Kapazität der Unternehmen ..., sie benutzen die Einkaufspolitik auch zu anderen Zwecken. So können ζ. B. mit dieser Politik die geographische Lage der Unternehmen (zugunsten unterentwickelter Regionen und einer gleichmäßigen Verteilung), die Konkurrenzverhältnisse in einer Branche (zugunsten kleinerer und schwächerer Unternehmen) und die Einstellungsrichtlinien der Industrie (zugunsten jener Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit diskriminiert werden) beeinflußt werden 7 0 ."
65
Ebenda, S. 58 f.
66
Kotler,
67
Ebenda, S. 135. Ebenda, S. 150.
68
(Marketing-Management), S. 86.
69
Ebenda, S. 155.
70
Ebenda, S. 156 f.
166
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
Auch die Letztverbraucherentscheidung ist u. E. letztlich Entscheidung über Lebensformen, die eigene und die der Marktversorger. (cc) Grundlegend ist die Erkenntnis der Marktgestalt aufgabe der Marktsegmentierung resultiert:
woraus die Gestaltungs-
(1) Auszugehen ist davon, daß der Markt „... alles andere als homogen ist, daß er aus zahlreichen Teilen oder Segmenten besteht, die für das Erkennen echter Marketing-Chancen eine ausschlaggebende Rolle spielen"71. (2) „Die Marktsegmentierung ist die Aufteilung eines Marktes in homogene Untergruppen von Kunden, von denen jede als Zielmarkt angesehen werden kann, der mit einem bestimmten Marketing-Mix erreicht werden soll72." Abb. 6: Beispiele
der
Marktsegmentierung
Legende a) Keine Marktsegmentierung, b) Vollständige c) Marktsegmentierung nach Einkommensstufen, segmentierung nach Altersstufen ( a, b), e) Einkommens-Altersstufen
Varkt segment ierung, (1, 2 und 3), d) MarktMarkt Segmentierung nach
(3) Da jeder einzelne, jede Gruppe gleicher Konsistenz, ein Marktsegment, ein Markt-Teil-Ganzes darstellt, wird auch die Ganzheit der Marketing-Funktionen (Marketing-Mix) durch dieses festgelegt, gibt diesem Sinn und Richtung, bestimmt seine Gestalt. „Die Analyse der Marktsegmente ist für die Marketing-Strategie von zentraler Bedeutung. Die erste Aufgabe bei der Festlegung der Marketing-Strategie, die Auswahl der Zielmärkte, setzt eine effektive Messung der von verschiedenen Segmenten gebotenen Chancen voraus. Die zweite Aufgabe, die Auswahl des angemessenen Marketing-Mix, setzt die Fähigkeiten voraus, die Anforderungen der verschiedenen Marktsegmente kreativ abzuschätzen 73 ." Wichtige Segmentierungsformen sind: Geographische, demographische, psychographische, nach Produktiworteilen, nach Umsatzverteilung, nach der Reaktion auf die Marketing-Variablen (Preis, Sonderangebote, Prokuktqualität, Einzelhandelswerbung) 74 .
(c) Zur Bewältigung der Marketing-Aufgabe dienen bestimmte Marketing-Aktivitäten (Teilbereiche, Teilleistungen zur Gestaltung der Austausch-Beziehungen), Marketing-Funktionen, die wir gemäß der Ko Derschen Ausführungen in unserem Sinne wie folgt ordnen können: 71
Kotler,
72
Ebenda, S. 163.
(Marketing-Management), S. 162.
73
Ebenda, S. 162.
74
Vgl. ebenda, S. 174.
167
Vorlesung Nr. 5: Die unktion der Austauschbeziehungsgestaltung 1. Außerpreisliche Funktionen a) Mitentscheidungen bei der Produktgestaltung und Produktneukreation b) Absatzwegentscheidungen und -gestaltung c) Kommunikationsentscheidungen und -gestaltung aa) Kommunikations- und Absatzförderentscheidungen und -gestaltung bb) Werbeentscheidungen und -gestaltung d) Transportbereichsentscheidungen Distribution)
und -gestaltungseinflußnahme
(Physische
2. Preisbildungsfunktion (abnehmerorientierte Geltungsgrößenbestimmung)
Wir können und brauchen nicht (mehr) auf diese einzelnen Funktionen eingehen, da es ja nur gelten kann, einen Einblick in die Grundzusammenhänge zu gewinnen. 2) Das integrierte Marketing-Management als Institutionalisierung nen der Austauschbeziehungsgestaltung
der Funktio-
(a) Schließen wir unmittelbar an das Obige an, so kann mit Nieschlag darauf hingewiesen werden, daß die einzelnen Marketing-Leistungen „... als Teile des Marketing-Mix ...α aufzufassen sind, wobei daran erinnert werden kann, daß sie vordem bei „... Gutenberg als absatzpolitische Instrumente..bezeichnet worden sind: „Absatzmethode, Produktgestaltung, Werbung und Preispolitik 75." Allerdings muß u. E. beachtet werden, daß es sich nur zum Teil um reine Funktionen der Austauschgestaltung handelt, daß also zwischen morphologischer und funktionaler Betrachtung zu unterscheiden ist. Im Grunde bedeutet dies u. E. eine Überhöhung der traditionellen Funktionen durch eine neue Form der Marktgestalt- und -beziehungsbetrachtung. (b) Grundlegender Gedanke des Marketing-Managements ist das Integrierte Marketing: „Die gesellschaftsbezogene Marketing-Konzeption bedeutet eine Kundenorientierung, die, von integriertem Marketing unterstützt, auf die Erzeugung von Kundenzufriedenheit und langfristiger Konsumentenwohlfahrt ausgerichtet ist und in ihnen den Schlüssel zur Erfüllung der Organisationsziele sieht76." Marketing wird also integriert zur konkreten Gestalt des Leistungsbereiches der Gestaltung der Austauschbeziehungen. Ihre Logik besteht darin, „... daß die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens einsehen, daß sich auch ihre Aktionen... auf die Fähigkeit des Unternehmens, Kunden zu gewinnen und zu erhalten, auswirken können"77. (c) Hieraus ergibt sich die bereits herausgestellte Anpassung des Organisationsgefüges an diese Sinngebung, im allgemeinen, wie im besonderen: (aa) Allgemein gesehen, nimmt im Marketing-Aspekt stungssysteme folgende Form an 78 : 7 5 7 6
Nieschlag, et. al., (Marketing), S. 114. Kotler, (Marketing-Management), S. 27.
7 7
Kotler,
7 8
Vgl. ebenda, S. 30.
(Marketing-Management), S. 21.
der Prozeß sozialer Lei-
168
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme Kommunikationen
Waren und
Dienstleistungen
Unternehmen
N. Geld
Markt
(Umsatz)
s /
Informationen Abb.
7: Prozeß
sozialer
/
Leistungssysteme
unter
Marketing-Aspekten
bb) Die besondere Marketing-Orientierung zeigt sich hingegen in dem spezifischen organisatorischen Aufbau sozialer Leistungssysteme:
Abb.
8: Marketing-Organisation
Sozialer
Leistungssysteme
(Beispiel)
Unbehandelt muß hier die Grundsatzfrage nach der Abstimmung des PrimatAnspruchs des Marketing gegenüber konkurrierenden Vorrangkriterien anderer Leistungsbereiche bleiben.
B. Integration des traditionellen und neuen Beitrages zu einem Gesamtansatz austauschbeziehlicher Gestaltung sozialer Leistungssysteme
Der traditionelle Ansatz der Handelsfunktionen und das neue Konzept des Marketings (Marktgestaltungf 9 geben u.E. einen geeigneten Ausgangspunkt ihrer Integration zu einem in unser Konzept gestaltbildender Funktionen integrierten Gesamtansatz austauschbeziehlicher Gestaltung assoziativ besonderter sozialer Leistungssysteme, und zwar generell wie ggf. unter Abstellung auf die Entsprechung zwischen Austauschbeziehungsfunktion(en) und assoziativer Besonderungsweise. Wir gliedern diese Untersuchung der Möglichkeit eines solchen integrierten assoziationskorrelativen austauschbeziehlichen Gesamtansatzes in eine eher formelle Darstellung der funktionalen Einordnung der Austauschfunktionen in den leistungsmäßigen Gesamtzusammenhang sozialer Leistungssysteme unter Außerachtlassung spezifischer Besonderungsweisen nach assoziationsspezifischen und anderen funktionskorrelativen Kriterien, ™ Vgl Nieschlag, et. al„ (Marketing), S. 93.
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
169
um zunächst einen Oberblick über diese integrative Sicht austauschbeziehlicher Gestaltung des zwischenassoziativen Bereiches sozialer Leistungssysteme zu gewinnen. In der Folge wird es darum gehen, die Besonderheiten wie die Besonderung dieses gestaltbildenden Bereiches sozialer Leistungssysteme in ihren materiellen Belangen soweit einer systematischen Prüfung zu unterziehen, als dies unserer Absicht, besagten Gesamtansatz austauschbeziehlicher Allgemein- und Sondergestaltung sozialer Leistungssysteme gedanklich zu erschwingen, entspricht.
1. Die Allgemein· und Formalstruktur der Austauschbeziehungsfunktionen i m Gestaltbildungszusammenhang sozialer Leistungssysteme
Es interessiert hier zunächst die Aufgabe des Austauschbeziehungsbereiches sozialer Leistungssysteme und dessen allgemeine Funktionensystematik.
a) Aufgabenstellung und Systematik der Austauschbeziehungsfunktionen Der Bereich der Austauschbeziehungsfunktionen nimmt innerhalb der gestaltbildenden Funktionen eine bestimmte Stellung ein und gliedert sich selbst in Einzelfunktionen. aa) Die Aufgabenstellung der Austauschbeziehungsfunktionen im Rahmen der gestaltbildenden Funktion sozialer Leistungssysteme Wir suchen zunächst nach einer Allgemeincharakterisierung der Aufgabe und Stellung des Austauschbeziehungsbereiches im Rahmen der gestaltbildenden Funktion sozialer Leistungssysteme. 1) Der Austauschbeziehungsbereich als Bedingung gesamtwirtschaftlich-offener Aufgabenteilung und -integration Der Austauschbeziehungsbereich sozialer Leistungssysteme ermöglicht die Aufgabenteilung zwischen Assoziationen und Interassoziationen, indem er die geteilten Funktionen inhaltlich und zeitlich wieder integriert. Jede Assoziation im inhaltlich-sukzessiven Zusammenhang von Leistungsganzheiten nimmt in dem eben genannten Sinne Vorleistungen auf, führt diese in ihrer Entfaltung kraft der Spar- und Arbeitsleistungen seiner Assoziierten weiter, indem er diese Vorleistungen also durch Eigenleistungen ergänzt und gibt diese als Gesamtleistung an die assoziativ besonderte Folgestufe weiter, und zwar bis zu jenem Punkt, ab dem nur mehr Austauschbeziehungsleistungen der Finalstufe die Verbindung zwischen Hervorbringung und Konsum, in der Sprache der Assoziierungstheorie zwischen einzelheitlichem Gebilde und dem privaten Haus-
170
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
halt, herstellt. Vom Haushalt geht dann auf der anderen Seite auf der Basis von Assoziierungsleistungen der Arbeits· und Sparprozeß aus, welcher im Rahmen der Assoziation besagte Eigenleistungen erbringt, welche als Vorleistungen auf dem eben genannten Wege und auf der Basis austauschbeziehlicher Leistungen wieder die assoziativ besonderte Leistungskette inhaltlich und zeitlich koordiniert durchlaufen. Wir können diese assoziativ-getrennte austauschbeziehlich-verbundene Leistungskette wie folgt skizzieren:
Urproduktionsassoziationen
Handelsassoziationen
Erzeugungs-, Verkehrs- und Lagerassoziationen
Private Haushalte
Ad) 1^Eigenleistung
200
— * 2 0 0 Vorleistung (VL) Iι—»800 Eigenleistung 1000 Gesamtleistung Τ A (2) 1
1—Eigenleistung J Gesamtleistung ! 1
1
•lOOO (VL) 100 1100 I A (3) 1100 *
1100-1 !
( < - — ) Arbeits· und Sparbeteiligung an Assoziationen
'
Austauschstufe A(l) y
Austauschstufe 2 A (2) '
„Großhandelsstufen"
Austauschstufe 3 A (3) ' * ' „Einzelhandelsstufe"
Die Skizze spricht für sich: Von der Urproduktion (vereinfachend nur Eigenleistung) geht der Austauschbeziehungsweg zu den Erzeugungsassoziationen (der Urproduktion folgend) und verbindet diese gemäß der zwischen ihnen herrschenden Arbeitsteilung (hier nicht eingezeichnet) sowie mit den Verkehrs- und Lagerhaltungsassoziationen. Von hier geht der Weg zu den reinen Handelsassoziationen (sowohl Erzeugnisse aller Zielbereiche wie Verkehrs- und Lagerhaltungsleistungen und Verbindungen zwischen solchen betreffend), um schließlich bei den privaten Haushalten zu enden. Von diesen gehen in der Gegenrichtung die die Assoziationen begründenden und diese mit Arbeits- und Sparlei· stungsträgern versehenden Linien aus, kraft derer im Rahmen der gestaltbildenden Funktionen die Hervorbringung vollzogen wird, um in der dargestellten Weise sich über die Märkte, nachdem sie assoziativ getrennt worden waren, austauschbeziehlich zu verbinden. Wir müßten hier im übrigen auch Märkte und Austauschbeziehungsleistungen für Werbe- und Organisationsleistungen und
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
171
selbst für Austauschbeziehungsleistungen, die auch als solche, d. h. ohne Warenbezug dargeboten werden, mitbedenken. 2) Die Austauschbeziehungsfunktion
im System dergestaltbildenden
Funktionen
Wir können hier grundsätzlich folgende austauschbeziehlich-interfunktionale Beziehungen und Zusammenhänge ins Auge fassen: (a) Ein spezifisch enger Zusammenhang besteht zwischen Austauschbeziehungsfunktion und (Güter-)Werbung: So, wie im Bereiche des assoziativen Geschehens die Werbung vorbereitet, um zur assoziativen Beteiligung anzuregen, so bedeutet die Güter-Werbung im Sinne unserer anderweitigen Ausführungen die Präformation aller hernach mit Austauschbeziehungsleistungen zu versehenden Konsumgemeinden (private Haushalte) und den Vorleistung saus tauschbeziehungsstufen im Sinne unserer obigen Zeichnung und der ebenfalls bereits bei Behandlung der Werbefunktion getroffenen Ausführungen. In diesen Bereich sind u. E. auch austauschbeziehliche Funktionen, soweit sie auf Hoheitsassoziationen Bezug nehmen (also jenseits von deren mitgliedschaftlichen Leistungs- und AbgeltungsVerhältnissen), einzubeziehen. (b) Ein spezifischer Sinnzusammenhang besteht selbstverständlich zwischen Austauschbeziehungsbereich und Assoziierungsbereich sozialer Leistungssysteme, als ja eben die Austauschbeziehungsfunktion dort vereint, wo die Assoziierungsfunktion in der ihr und ihren Formen eigenen Weise besondert, also insoferne trennt. Man könnte in etwa sagen: Was assoziativ getrennt, besondert ist, wird durch Austauschbeziehungsfunktionen vereinigt (etwa im Sinne des Rechts: hier Assoziierungsvertrag, dort Kaufvertrag). (c) In Ansehung der-Organisationsfunktion liegt der Sinnzusammenhang so, daß die innerassoziative Arbeitsteilung und Kooperation durch Austauschbeziehungsgestaltung ihre außerassoziative Fortsetzung findet: zum einen, daß hier kraft interassoziativer Arbeitsteilung die innerassoziative Aufgabe in ihrem Gesamtumfang bestimmt erscheint, von der die Organisation ausgeht, um die Aufgabengestaltung der Arbeits- und Sparassoziierten zur Erbringung der Eigenleistung in die Wege zu leiten und in der Weise zu gestalten, wie dies bei Behandlung der Organisationsfunktion darzustellen sein wird. bb) Zur Systematik der Austauschbeziehungsfunktionen Wir können hier unmittelbar an die Funktionen des Handels anknüpfen, wobei wir uns bewußt bleiben, daß erst im folgenden Momente zu prüfen sein werden, welche deren etwaige Ergänzungen in inhaltlicher wie qualitativer Weise im Sinne der Marketing-Konzeption betreffen und insbesondere auf die Frage hinauslaufen werden, wo die Grenzen der Austauschbeziehungsfunktionen als solcher wie der dem Handel eigenen, ihn von den assoziativen Beziehungsqualitäten unterscheidenden Eigenart der Fremdheit zu ziehen sein werden. Will
172
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
man die Austauschbeziehungsfunktionen in ihrem systematischen Gefüge in Betracht ziehen, so erscheint es angebracht, folgende Ausgliederungsmomente ins Auge zu fassen: (a) Grundsätzlich bietet sich u. E. eine dem Assoziierungsbereich formal entsprechende Grundgliederung an in: Funktionen der Assoziierungsleistungshervorbringung und der Abgeltungsgestaltung der den Assoziierungsbereich verlassenden Gesamtleistungen (bestehend aus Vorleistungen sowie Eigenleistung, die beim reinen Austauschbeziehungsgebilde - Handelsbetrieb - nur die Abgeltung der Austauschbeziehungsleistung betrifft, während in den Hervorbringungsgebilden noch die Abgeltung der entsprechenden Hervorbringungsleistungen hinzukommt). (b) Innerhalb der Funktionen der Austauschbeziehungsleistungshervorbringung führen wir den schon bei Behandlung der 4 Oberparleiter-Seyffertschen Handelsfunktionen begonnenen Gedanken weiter, indem wir diese in 2 Gruppen gliedern: (aa) Die räumliche und zeitliche Funktion ziehen wir in Analogie zur Gliederung der assoziativen Funktionen und zugleich im Vorgriff auf die Grundgliederung der Organisationsfunktionen in Aufbaufunktionen der Austauschbeziehungsgestaltung und in Ablauf- oder Tradierungsfunktionen der Austauschbeziehungsgestaltung zusammen. (bb) Dem steht die Frage nach dem Verhältnis der eben genannten Funktionen zu jenen gegenüber, die der Gliederung der Handelsfunktionen in quantitative und qualitative im Sinne der sogenannten Sortierungsfunktion und der Sortimentsfunktion entspricht. Sie bedeuten u. E. die Besonderungsweisen der Aufbau- und Ablauffunktionen, indem diese in Aufbau- und Ablaufleistungen grundsätzlich darauf abzielen, die Austauschbeziehungsgrundaufgabe der Überbrückung des zwischen den Assoziationen bestehenden Assoziationsvakuums zu erfüllen, und zwar eben in Art des Sortierens oder, was uns viel wesentlicher erscheint, der Sortimentsbildung. Man könnte es auch sagen: Aufbau- und Ablauffunktionen der Assoziierung besondern sich nach der spezifischen Art der Sortier- und Sortimentsbildungsleistung, bedeutet doch diese Besonderung die Art und Weise der teilinhaltsspezifischen Überbrückungsleistung zwischen den assoziativ getrennten Gliedern des simultan-sukzessiven Gesamtleistungsinhaltes und -prozesses des sozialen Leistungsganzen. Näheres wird sich in der Austauschbeziehungsfunktionen Aufbau- und Ablauffunktionen | Abgeltungsfunktionen Allgemeine Funktionenordnung Aufbaufunktion Ablauf- oder Tradierungsfunktionen
t
Besondere Funktionenordnung Sortierungsfunktionen Sortimentsbildungsfunktion
t
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
173
Folge noch soweit als angängig erklären lassen, so daß wir hier die Funktionensystematik der Austauschbeziehungsgestaltung wie folgt ins Auge fassen können (siehe Skizze S. 172): b) Charakterisierung der allgemeinen Austauschbeziehungsfunktionen und der Besonderung nach Sortier- und Sortimentsbildungsmomenten Wir sehen also das Verhältnis zwischen den allgemeinen Aufbau- und Ablauffunktionen der Austauschbeziehungsgestaltung sozialer Leistungssysteme und der Sortierungs- und Sortimentsbildungsfunktion in der Weise, daß letztere die Besonderung der Aufbau- und Ablauffunktionen darstellen, indem sie das austauschbeziehlich Aufzubauende und in seinem Zeitzusammenhang zu Gestaltende in Ansehung der damit zu bewältigenden zwischenassoziativen Überbrückungsfunktion im Sinne der Bildung besonderer Austauschbeziehungsgefüge eben nicht allgemein, als vielmehr nach den Besonderungserfordernissen (konkret-mannigfaltig) zu gestalten haben. aa) Zu den allgemeinen austauschbeziehlichen Aufbau- und Ablauffunktionen In formell-gliederungsmäßiger Analogie zu den Assoziierungsfunktionen glauben wir die Austauschbeziehungsfunktionen in ihrem Allgemeingehalt betrachten und in der Folge kurz charakterisieren zu dürfen, ehe wir auf ihre sortierungs- und sortimentsbildende Besonderung einzugehen haben. 1) Zu den Aufbaufunktionen
der Austauschbeziehungsgestaltung
Die Leistungseigenart austauschbeziehlicher Funktionen wird uns deutlich, wenn wir die folgenden Ablauffunktionen, die in einer gewissen Analogie, zugleich aber auch besonderen Unterscheidung zu den Assoziierungsfunktionen sozialer Leistungssysteme stehen, betrachten: (a) Indem sich die Austauschbeziehungsträger um ihren Austauschbeziehungsauftrag untereinander auf allen Austauschbeziehungsstufen infolge der prinzipiellen Offenheit der jeweils zu knüpfenden Beziehungen (ausgedrückt vor allem in der relativen Kurzfristigkeit sowie einer nicht die assoziativen Gegenseitigkeitsqualitäten erreichenden besonderen Art der Beziehungsform) bemühen, setzten sie, nicht zuletzt gestützt auf die Funktionen der Werbung, einen permanenten Kür- und Wählvorgang in Gang, womit bestimmt wird, welche Assoziation mit welchen Diensten (körperlichen und unkörperlichen, letztere Waren genannt) sich in den Leistungszusammenhang sozialer Leistungssysteme, von der Urproduktion an bis zum Konsumentenhaushalt, einzugliedern vermögen und welche ggf. nicht. Man kann diese Kürfunktion auch als Wettbewerb bezeichnen, welchen die Austauschbeziehungsträger in Gang setzten, indem sie selbst die Kürfunktion permanent ausüben und sich ihr ebenso unterwerfen. In
174
II. Abschnitt: Die gestaltbildenden Funktionen sozialer Leistungssysteme
diesen Prozeß werden selbstverständlich sämtliche Hervorbringungsbereiche mit ihren Leistungen einbezogen und damit besagtem Kürprozeß als entsprechende Leistungsgemeinschaft unterworfen. Man dürfte vielleicht von einer Selektionsfunktion als Teilbereich des Austauschbeziehungsbereiches sozialer Leistungssysteme sprechen. (b) Auf besagten Selektionsprozeß folgt in logischer Konsequenz die gegenseitige Beauftragung der im Austauschbeziehungsprozeß miteinander kraft vollzogener Selektion in Beziehung getretenen Austauschbeziehungsträger mit der Folge der entsprechenden Ausgangssteuerung der Hervorbringungsprozesse, also letztlich der Erfüllung einer Art Führungsfunktion gegenüber den Assoziierungssystemen, innerhalb derer sie diese gegenüber ihren Mitgliedern stimulierend betätigt. Auftragsvergabe (nach Art, Qualität und Zeitmoment) und vice versa Auftragsentgegennahme und verbindliche Zusicherung der Erfüllung ist also eine Art Mandatsübernahme und in Ansehung der Vorsorge für deren Vollzug eine Art Auftragsgestaltungsfunktion als zweitem Teilbereich der Austauschbeziehungsgesamtfunktion. Es kann sich dabei ebenso um die einfache Übergabe eines Haushaltsartikels im unmittelbaren Austauschbeziehungsbereich (z.B. eines Einzelhändlers) wie um die Gestaltung der mittelbaren Beziehungen (ζ. B. über die Landesgrenzen hinweg im Ex-Import-Austauschbeziehungssystem) handeln. (c) Zweifellos schließt sich hier auch eine austauschbeziehliche Kontrollfunktion der Austauschbeziehungsträger an, geht es doch darum, daß auftragsentsprechend erfüllt wird. Es liegt also in diesem Sinne eine spezifisch austauschbeziehliche Erfüllungskontrolle vor. (d) Damit ist auch die Funktion austauschbeziehlicher Disziplinierung erkennbar, welche sich insbesondere mit der Tradierungsfunktion verbindet: Inadäquate Erfüllung wird ggf. zum Grund, im Selektionsprozeß neuerdings andere Partner zu wählen und zu beauftragen. Zudem gibt es etwa die Mängelrüge u. ä. Maßnahmen austauschbeziehlicher Disziplinierungsfunktion. Mit dieser stenogrammartigen Kurzcharakteristik ist u. E. zumindest prinzipiell geklärt, daß die Austauschbeziehungsfunktionen von eigener Art sind, sich innerhalb der gestaltbildenden Funktionen schon entsprechend abheben, insbesondere aber eben keinerlei hervorbringenden Charakter besitzen. Ihre vorrangige Bedeutung gerade gegenüber der Hervorbringung (insbesondere in Verbindung mit den Werbefunktionen der Leistungsermöglichung) macht es u.E. überflüssig, sie dadurch zu rechtfertigen, daß man sie als eine Art Fertigstellungsfunktion aufzufassen und insbesondere häufig gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten versucht. Selektions-, Auftragserteilungs-, Kontroll- und austauschbeziehliche Disziplinierungsfunktion reichen völlig aus, nicht nur um den austauschbeziehlichen Bereich zu rechtfertigen, als vielmehr zugleich seinen Vorrang gegenüber den Hervorbringungsfunktionen, die durch sie aufga-
Vorlesung Nr. 5: Die Funktion der Austauschbeziehungsgestaltung
175
benmäßig ihre Ausrichtung erfahren, deutlich zu machen, damit allerdings zugleich auch die ggf. übersehene besondere Vergänglichkeit dieses Funktionsbereiches sozialer Leistungssysteme und ihrer Träger deutlich zu machen. Eine Analogie etwa in der Erzeugungsfunktion zu sehen, bedeutet nichts anderes als ein Ausweichen vom Begriff zum Bild. Hiefür aber gilt dasselbe, was Preiser bezüglich der Metamorphose des Geldes einwendet: Die Austauschbeziehungsfunktionen verbinden die assoziativ besonderten Stufen des sozialen Leistungssystems im Sinne der angeführten sowie der noch zu behandelnden tradierenden Austauschbeziehungsleistungen. Sie bringen aber nicht hervor; sie mit Hervorbringung auch nur per analogiam gleichzusetzen, verwandelte sie zur Zaubervorstellung. 2) Zu den Ablauf-bzw. Tradierungsfunktionen sozialer Leistungssysteme
austauschbeziehlicher Gestaltung
schreiben. Diese Funktion ist eine Produktionsfunktion (Ertragsfunktion). Sie gibt die Beziehung zwischen den in den Produktionsprozeß eingehenden Faktoreinsatzmengen und dem Ertrage an8." Gutenberg fügt dem hinzu: „Dabei wird vorausgesetzt, daß die Faktorqualitäten unverändert bleiben 9 ." W i r klammern hier bewußt diese Einschränkung aus, u m auf sie u m so deutlicher zurückzukommen, wenn es später gilt, insbesondere die Frage zu beantworten, worauf Produktivitätsänderungen zurückzuführen und wie dementsprechend Kostenänderungen (oder vice versa Ausbringungsänderungen bei konstantem Mengeneinsatz) zu erklären sind.
3) Die Lehre von den Produktionstypen Von grundlegender Bedeutung für die Gültigkeit von Produktivitäts- und damit korrespondierenden Kostenverlaufs- und schließlich Kostenkurvenverlauf sgesetzlichkeiten ist die von Gutenberg getroffene Unterscheidung von Produktionstypem 7 Gutenberg, (Produktion), S. 285. » Ebenda, S. 290. β Gutenberg, (Produktion), S. 290.
3
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
30) Die Grundrichtung der Fragestellung Unbeschadet der Tatsache, daß wir die Kostenverlaufstypen erst unter dem nächsten Punkt (bb) behandeln, sei hier bereits - um des besseren Verständnisses willen - die diese Frage jetzt berührende Problemstellung wie folgt auf den simpelsten Nenner gebracht: Ausgehend von der Überlegung, daß schon der bloße Bestand eines sozialen Leistungssystems, also ohne daß noch irgend eine Art Gut hervorgebracht worden ist, gewisse Leistungen und damit verbundene Kosten (insbesondere ζ. B. auch gestaltbildende) erforderlich macht, die wir gemeinhin als fix bezeichnen wollen, erfordert erst die Hervorbringung weitere Einsätze an kostenverursachenden Kräften und aus diesen hervorgegangenen Gütern in bestimmten Maße. Dabei sei unterstellt, daß im einen Falle jeder Einsatzeinheit immer auch eine gleiche Ausbringungsmenge entspräche, während in einem anderen, rein hypothetischen Falle diese lineare Inputoutput-Korrelation nicht besteht. Wir nehmen hier aus thematischen Gründen an, daß der sukzessiven Steigerung der Inputs (Kosten) zunächst nur geringe, dann steigende, schließlich aber wieder fallende Outputs (Ertragsmengen) entsprächen. So kommen wir zu folgenden zwei typischen Kostenverlaufsmetaphern: a)
Lineares
Einsatz
(Kosten/B°)
/
/
Nichtlineares
/
^
/
(Einsatz
20:
/ /
^
Linearer
(Kosten/B°)
/
F —
und nichtlinearer
^
Output/Ertrag (St/m usw. )
Output/Ertrag (St/m usw.)
Abb.
(S-förmiges)
Kostenkurvenverlaufsbild
sbild
F
b)
Kostenkurven-
verlauf
(S-förmiger)
Kostenverlauf
Hinzugefügt sei im übrigen noch, daß wir den Einsatzverlauf unter gegebenen Voraussetzungen mit Beschäftigungsgrad (B° = Anzahl eingesetzter gegenüber Anzahl vorhandener Maschinen, ggf. damit verbundenem Mitarbeitereinsatz usw.) umschreiben. Beschäftigung ist also immer Verbrauch, niemals Ertrag (Stück, Erzeugnisse, mit bestimmter Geschwindigkeit gefahrene Zahl der Kilo-
3
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
meter usw.). Vielmehr besteht eben zwischen Verbrauch (hier Beschäftigung) und Ertrag jene Produktivitätsbeziehung, von der Gutenberg grundsätzlich als kostenverlaufstheoretischer Basis ausgeht. 31) Die Lehre von den Produktionstypen selbst Die oben zur Einführung in die Problemstellung skizzierten beiden Kostenkurvenverlaufsbilder entsprechen im wesentlichen den von Gutenberg unterschiedenen Produktionstypen, die zugleich Produktivitäts- und Kostenverlauf stypen wie folgt darstellen: Ausgehend von der für ihn und seine Lehre typischen Grundsatzüberlegung, Produktion sei Faktorkombination (nach Produktivitätsregeln und dem Ziel der Produktivitätsmaximierung), liegt nach Gutenberg „... die Produktionsfunktion vom Typ A . . d a n n vor, „... wenn ein bestimmter Ertrag mit Hilfe mehrerer Kombinationen von Faktoreinsatzmengen hergestellt werden kann...", und zwar so, daß hiebei „... die Faktoreinsatzmengen in gewissen Grenzen frei variierbar ..." sind 10 . Nicht frei variierbar wäre, um hier ein ganz einfaches Beispiel zu geben, die Herstellung von Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff, da hier die Mengenproportionen eindeutig durch die Valenz der Elemente bestimmt sind. Worum es also hier in der Produktionstypenbestimmung geht, liegt - abgesehen davon, daß Gutenberg hier auch eine Zurechnungsfrage und Zurechnungsmöglichkeit sieht - in der Forderung, die Faktorproportionen (und nur um diese geht es hier) mögen „elastisch" sein. Näheres wird uns später zu beschäftigen haben. Nur so viel sei noch gesagt, daß dieser Produktionstyp A immerhin einen S-förmigen Produktivitätsverlauf haben mag, so Gutenberg. Die Produktionsfunktion vom Typ Β unterscheidet sich gegenüber dem Typ A wie folgt: „Betriebswirtschaftliche Produktionsfunktionen ... dürfen nicht von der Voraussetzung freier Variierbarkeit der Faktoreinsatzmengen ausgehen11." Man müßte hinzufügen: Eben im Falle des „Typs A" im Gegensatz zu „Typ B". Ob dies allein den Unterschied zwischen den beiden Typen ausmacht, mag freilich dahingestellt bleiben. Entscheidend scheint auch noch jener Umstand zu sein, den Gutenberg so bestimmt: Im Falle des Produktionstyps Β ist es notwendig, davon Abstand zu nehmen, „... die Kosten unmittelbar als Funktion der Produktmenge (des Beschäftigungsgrades )..." anzunehmen, denn „... die Verbrauchsmengen sind nicht unmittelbar, sondern (nur, J. K.) mittelbar von der Ausbringung abhängig, und zwar über die zwischengeschalteten Produktionsstätten (Betriebsmittel, Arbeitsplätze, Anlageteile)... Es sind die technischen Eigenschaften der Aggregate und Arbeitsplätze, die den Verbrauch an Faktoreinsatzmengen bestimmen. Und zwar in durchaus gesetzmäßiger und keineswegs willkürlicher Weise"12. 10
Gutenberg,
(Produktion), S. 291.
11
Ebenda, S. 314.
12
Ebenda, S. 316.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
Zum einen ragt hiebei insbesondere die lineare und eben nicht etwa die S-förmige Kostenkurvenfunktion hervor. Diese Form wird u. a mit einem Verweis auf Rummel 13 dann auch an einem markanten Beispiel dieser Art erörtert: So ist ζ. B. bei Elektromotoren „... die Krümmung der Kurve... in der Regel so gering, daß man ... für praktische Zwecke mit einem linearen Verlauf der Verbrauchsfunktion rechnen kann"14. Freilich ist die kurvenförmige Beziehungsform zwischen Einsatz (Kosten) und Ertrag nicht immer so einfach, doch letztlich tendenziell im Bereiche des B-Typs in dieser Richtung verlaufend. „Projeziert man diesen Sachverhalt von einem Aggregat auf den gesamten Bestand an Betriebsmitteln, über den ein Betrieb verfügt, dann zeigt sich eine verwirrende Fülle solcher Verbrauchsfunktionen, die die Faktoreinsatzmengen mit steigender und sinkender Produktmenge bestimmen 1 5 ."
Obwohl wir uns hier nur der knappsten Darstellung zu befleißigen trachten, müssen wir immerhin um jener späteren Vergeßlichkeit vorzubeugen, zwei Momente der Gutenbergschen Lehre, die hier besonders hervortraten und für die ganze Frage der Kostentheorie, nicht zuletzt auch die Frage der Gültigkeit von Argumenten im Methodenstreit entscheidend sind, wie folgt präzisieren, nämlich: 1. Beschäftigungsgrad ist für Gutenberg keine Einsatz-, sondern Ergebnisgröße. Dies lehnen wir schon von vornherein ab, da dies u. E. aller Wirrungen und Irrungen Anfang ist. 2. Wenn Gutenberg von Verbrauchs-Gesetzlichkeiten spricht, so muß man in - u. E. an sich gültiger - Unterscheidung von „Typ A" und „Typ B" auch noch den Bereich der Gesetzlichkeit genauer bestimmen, u m vollends klar zu sehen: Physik, Chemie... Humanität!
Inwieweit der Betrieb nur auf Naturgesetzlichkeiten vertrauen darf, ist natürlich für uns erst recht die hier nur ad notam zu nehmende Frage. Im übrigen können wir nunmehr den beiden Produktionstypen (Produktivitätstypen nach unserer Meinung) noch so weit nähertreten, als dies für das Kostengesetzlichkeitsverständnis der Gutenbergschen Lehre nötig ist, womit zugleich die Voraussetzungen geschaffen erscheinen, auch die Gegenpartei im Methodenstreit anzuhören, um von hier auf unsere eigenen umgliederungstheoretischen Geltungsgrößenüberlegungen zurückzukommen, welche gerade im Lichte dieser beiden Grundtheorien und Kontroversen ihre Tragfähigkeit zu erweisen haben, die zugleich eine Antwort auf die Kontroverse besagten „Methodenstreits" zu sein vermöchte. bb) Produktivitäts- und Kostenverlauf von Produktionstypen Grundlegend ist die Unterscheidung von Kostenverläufen nach Produktionsund damit Produktivitätstypen.
22
13
Gutenberg, (Produktion), S. 316.
14
Ebenda, S. 321.
15
Ebenda, S. 317.
Kolbinger
38
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
1) Produktionstyp
A
Es interessiert hier zunächst (auch traditionell-herkunftsmäßig) wie die Formulierung der S-Förmigkeit eines Input-output-Verlaufs (in der Landwirtschaft) lautet; hernach warum diese Form Zustandekommen mag. 10) Herkunft und Form der Verlaufsformulierung Fragen wir nach dem „Wie", so gilt es ohne weitere Ableitungen festzuhalten, daß die in Frage stehende Produktionsfunktion (Produktivitätsverlaufsform) ganz generell als Ertragsgesetz in die Literatur eingegangen ist. Es wurde ursprünglich für den Bodenbau und insofern für die Landwirtschaft behauptet (wie wir hier vereinfachend sagen sollen), also nicht für den Landwirtschafts-Betrieb, was u. E. keineswegs dasselbe ist und daher von uns besonders hervorgehoben sein will. Es hat sich später immer mehr zu einem Bündel von Ertragsgesetzen 1 6 entwickelt, womit schon die Partikularität dieses (wie immer auch in seiner Gültigkeit zu beurteilenden) Ertragsgesetz des Bodens (bedingt der Landwirtschaft) ersichtlich wird. In der Hauptform, in der es i. d. R. gedacht wird, nämlich als „Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag" hat es (schon) Turgot (1768) wie folgt formuliert: „Wirft man Saat auf einen Boden von natürlicher Fruchtbarkeit, der jedoch nicht bearbeitet ist, so wäre diese Aufwendung fast verloren. Ist der Boden einmal gepflügt, so wird der Ertrag schon größer und nach zwei- und dreimaligem Pflügen nicht nur verdoppelt und verdreifacht, sondern vervier- und verzehnfacht. Auf diese Weise nimmt der Ertrag viel stärker zu als die Aufwendungen und dies bis zu einem bestimmten Punkt in dem der Ertrag im Verhältnis zu den Aufwendungen am größten ist (Produktionsoptimum). Überschreitet man diesen Punkt durch weitere Aufwendungen, so wird der Ertrag zwar noch steigen, aber um weniger und immer weniger, bis die Fruchtbarkeit des Bodens erschöpft ist und jeder weitere Aufwand außerstande bleibt, noch etwas hinzuzufügen (Produktionsmaximum)17". Zieht man die obigen Ausführungen in Betracht, so kann man in diesem Sukzessivverlauf zunehmender Mittelwidmungen einen S-förmigen Produktivitätsverlauf u. E. sinngemäß herauslesen. Was Gutenberg betrifft, so steht dessen literarischer Aufwand kaum in Einklang mit der Präzision der Aussagen über die Notwendigkeit des S-förmigen Ertrags- bzw. Kostenverlaufs und zwar nicht einmal in dem von ihm konzidierten Geltungsbereich (Produktionstyp A): Er leitet diese Kurve formal ab 18 , er16
Vgl. Marshall, (Principles). Montaner, (Ertragsgesetze), Sp. 1689 ff.; vgl. dazu auch Gide &Rist, (Geschichte); Sie verweisen auf Turgot, Observations sur un Mémoire de M. de Saint Péravy, Oeuvres I. S. 420, der wie folgt zitiert erscheint: „Man kann niemals annehmen, daß verdoppelte Aufwendungen das Produkt verdoppeln." Damit erschiene jede „lineare" Produktions- bzw. Verbrauchsfunktion (Produktivität) bestritten. 17
18
Gutenberg, (Produktion), S. 293.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
339
hebt sie aber schließlich zu einer bloßen Hypothese, wenn er erklärt, es sei damit „... ein bestimmter Verlauf der Gesamtkostenkurve aus einer als repräsentativ angenommenen (!) Produktionsfunktion einem bestimmten Verhältnis zwischen Produktionsertrag und Produktionsbedingungen) abgeleitet"19. Entscheidend für den Methodenstreit ist dagegen das Folgende: „Nun handelt es sich bei dem Ertrag und dem Pflanzenwachstum im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion um biologische Vorgänge. Es erscheint uns jedoch nicht zulässig, die biologischen Vorgänge des Pflanzenwachstums gewissermaßen per analogiam auf die industrielle Produktion zu übertragen 20." Mellerowicz und alle Vertreter der traditionellen Betrachtung scheinen damit von vornherein des Irrtums verdächtig, weil sie nicht die industrielle, sondern die Gesetzlichkeit des Bodenbaues (Landwirtschaft?) ihren Fruchtbarkeits- und damit verbundenen (S-Förmigkeit in Betracht ziehende) Kostenverlaufsgesetzlichkeiten zugrundelegen bzw. diese Unterscheidung verschiedener Gesetzesartenbereiche nicht erkennen. Daran mag in der Tat manches Wahre sein, doch bleibt es offen, ob ein Betrieb der Landwirtschaft - unbeschadet der nicht zu leugnenden wie immer auch beschaffenen Gesetzlichkeiten des Pflanzenwuchses etc. - schon durch biologische Gesetzlichkeiten allein in seiner Fruchtbarkeit bestimmt ist (was u. E. jeder Bauer mit vollem Recht verneinen würde). Wenn Gutenberg oben zu erkennen gab, daß zwischen Ausbringung und Einsatz sich die Gesetzlichkeiten der Maschinen etc. schöben, so erscheint es u. E. legitim, zu fragen, ob sich dann nicht im weiteren zwischen die Fruchtbarkeit von Boden, Maschinen etc., erst recht der Mensch „intermittierend" dazwischenschiebt, insbesondere weil er ja (nur) soll, nicht aber muß! 11) Begründungsweisen des besonderen (S-kurvenförmigen) Einsatz-Ergebnisbeziehungsverlaufes des Produktionstyps A Untersuchen wir hier nunmehr die Antworten auf die Frage nach dem Warum dieses produktionstypeneigenen Einsatz-Ergebnisverlaufes (der Produktionsfunktionsbesonderheit). Oos Ertragsgesetz erscheint in der Formulierung Turgots vorzüglich als Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag, das verbal einen gewissen Hinweis auf die in Frage stehende S-Förmigkeit zu beinhalten scheint21: Um allen ertragsgesetzlichen Formulierungen nachzugehen, müßte man eine „Geschichte der Produktivitätstheorie" schreiben22, wobei sich herausstellte, daß selbst beim Bodenbau die S-Förmigkeit des Input-output-Verlaufs keineswegs durchgehend behauptet wird. Interessant erscheint vielleicht noch der Hinweis, daß Ricardo die Verschlechterung der Input-output-Relation darauf 19
Ebenda, S. 374.
20
Ebenda, S. 307.
21
Siehe oben, S. 9.
22
Boxa, (Produktivitätstheorie).
22*
30
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
zurückführt, daß zunächst die besten, hernach immer schlechtere Böden (insbesondere wegen der zunehmenden Bevölkerungszahl) zur Bebauung herangezogen werden müßten (ein Gesetz, das von Malthus, der ebenfalls den Pessimisten zuzurechnen ist, geteilt wird). Gutenberg bezieht sich offenbar auf Turgot, wenn es heißt: „Die Produktionsfunktion vom Typ A ist in der ökonomischen Theorie unter dem Namen Ertragsgesetz bekannt. Es wurde zum erstenmal von Turgot als Gesetz des abnehmenden Bodenertrages für die landwirtschaftliche Produktion entwickelt23." Haben wir die obige Formulierung im Sinne Turgots mit einem gewissen Begründungshinweis auf besagte S-Förmigkeit des Input-output-Verlaufs herausgestellt, so kann es hier nur mehr darum gehen, Gutenbergs Meinung zu dem hier in Frage stehenden „Warum" ins Auge zu fassen, und zwar im Sinne des Folgenden: „Wenn überhaupt das Ertragsgesetz gelten soll, dann muß vorausgesetzt werden, daß der jeweilige »konstante (??!!) Faktor* sein Verhalten (!!!) ändert, wenn die Einsatzmengen eines anderen Faktors variiert werden24." Wie Gutenberg an dieser Stelle zu erkennen gibt, hätte „diese Tatsache ... in der ersten Auflage des Buches durch die Komponente g ausgedrückt w e r d e n . . s o l l e n . E r sei davon abgekommen, weil sich das „Ertragsgesetz" sowieso für die industrielle Produktion als nicht repräsentativ erwies 2 5 .
Dieser - von uns später noch zu verfolgende - Satz hätte für den Methodenstreit entscheidend sein können (unbeschadet auch noch anderer Momente), denn legitimerweise müßte man sich wohl fragen dürfen, ja müssen, worin denn der von Gutenberg so gravierend erachtete Unterschied zwischen Verhaltensänderung und Intensitätsänderung eines Produktionsfaktors bestehen soll? Warum sollte nicht auch ein anderer Faktor, ζ. B. ein Mensch, innerhalb gewisser Grenzen (wie Gutenberg die Entsprechunge-, bzw. Proptionalitätsänderung bei Produktionstyp A charakterisiert), nach Maßgabe einer vorgestellten variierenden Aufgabenanforderung (ζ. B. nach Maßgabe des Stimulus Beschäftigungsgrad) die gleiche Intensitätsanpassungselastizität, wie jener eher begrifflich problematische konstante, im Verhalten indessen variable Faktor (Quod licet bovis non licet jovis) besitzen? 2) Produktionstyp
Β
Damit können wir uns einer Kurzcharakteristik des für Gutenberg letztlich relevanten Produktionstyp Β zuwenden. Es geht dabei wieder um eine eben typenspezifische „Verbrauchs- und Fruchtbarkeitsverlaufstheorie" mit den entsprechenden kosten-, also geltungsgrößenmäßigen Konsequenzen. 20) Ableitung der Anpassungsformen (Verlaufsdeterminanten) Auf die Frage: Welches sind die Größen, die das Produktionskostenniveau eines Betriebes bestimmen ... antwortet Gutenberg in der nachfolgenden Art und Weise. 23
Gutenberg, (Produktion), S. 292.
24
Ebenda, S. 313, auch S. 309. Gutenberg, (Produktion), S. 313.
25
Vorlesung Nr. : Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
Erste Formulierung: „Bei gegebener Betriebsgröße und gegebenem Fertigungsprogramm ergeben sich folgende, das Kostenniveau eines Betriebes bestimmende Einflußgrößen: Erstens die Faktorqualitäten, zweitens die Faktorproportionen und drittens die FaktorpreiseDabei wird davon ausgegangen, „... daß ein Betrieb von bestimmter Größe und bestimmtem Fertigungsprogramm gegeben sei. Hebt man die Voraussetzung konstanter Betriebsgröße auf, dann wird eine vierte Haupt-Kosteneinflußgröße sichtbar, die Betriebsgröße". Schließlich stellt „... das Fertigungsprogramm bzw. eine Änderung desselben... eine fünfte Hauptkosteneinflußgröße dar... Das Kostenniveau eines Betriebes wird also durch die fünf Hauptkosteneinflußgrößen: Faktorqualität, Faktorpreise, Beschäftigung, Betriebsgröße und Fertigungsprogramm bestimmt26." Zweite Formulierung: Wir müssen hier wohl von einem Satz ausgehen, der bereits oben aufschien, hier aber offenbar erst seine volle systematisierende Berücksichtigung findet: „Neben Änderungen in den Faktorqualitäten treten Änderungen in den Faktorproportionen als die zweite Haupt-Kosteneinflußgröße auf ... Oie Beschäftigung ist in diesem Falle die unabhängige Variable, die sich in Änderungen der Faktorproportionen auswirkt. Da aus systematischen Gründen die unabhängigen Variablen als Hauptkosteneinflußgrößen herausgestellt werden sollen, sei die Beschäftigung als zweite Haupt-Kosteneinflußgröße bezeichnet27." Der aufmerksame Leser wird die Crux merken, auf die wir erst später zu sprechen kommen können, um den hier allein zunächst zählenden Gedankenfluß nicht im mindesten zu beeinträchtigen oder gar zu unterbrechen. Es geht also in der von uns so betitelten zweiten Formulierung offenbar um die Klarstellung, was unabhängige, was abhängige Variable, was Beweger, was Bewegter, was Ursache, was Wirkung ist, worauf daher Kostenniveauänderungen zurückzuführen sind. Also holt Gutenberg aus: Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß Änderungen der Kosteneinflußgrößen (freie Variable, J. K.) Beschäftigung, Betriebsgröße und Fertigungsprogramm stets Änderungen in den Faktorqualitäten und/oder Faktorproportionen auslösen. Man kann deshalb sagen, daß sich grundsätzlich Änderungen im Kostenniveau eines Betriebes auf Änderungen in den Faktorqualitäten, den Faktorproportionen und den Faktorpreisen zurückführen lassen. Bleiben sie konstant, dann kann sich das Kostenniveau eines Betriebes nicht ändern. Diese drei Größen werden hier als die drei großen Kostendeterminanten bezeichnet. Hier kann man schon in der Darstellung der Gutenbergschen Lehre diese eben erfolgte Verkehrung aller systembestimmenden Aussagen beim besten Willen nicht hinnehmen: Es ist doch wohl jedermann Gutenberg sichtlich ausgenommen - erkennbar, daß Gutenberg oben die Beschäftigung, weil sie freie (unabhängige) Variable ist, als Hauptkosteneinflußgröße bezeichnet, zu welcher noch Betriebsgröße und Fertigungsprogramm hinzukommen. Und auch in der von uns zitierten „zweiten Fassung" nennt er die eben 26
Gutenberg, (Produktion), S. 332 ff.
27
Ebenda, S. 335.
3
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
genannten Momente die Kosteneinflußgrößen, von denen Faktorqualitäten-, -proportionen- und -preise abhängen, mithin sichtlich nicht die drei Kostendeterminanten, sondern deren Folge sind! Welche Konsequenzen sich für den Methodenstreit hieraus ergeben, ist u. E. unübersehbar, wird uns aber erst beschäftigen, wenn wir diesen ganzen Irrgarten, wie er sich hier schon völlig deutlich zeigt, zusammenfassend zu charakterisieren und den Weg aus diesem Labyrinth aufzuzeigen haben. Wir dürfen jedenfalls zunächst hier folgende Gegenüberstellung treffen, worauf wir die Behandlung der Gutenberg sehen Aussagen zu den Formen der Produktivitätsverläufe bzw. Kostenanpassungsformen gliederungsmäßig stützen werden:
Hauptkostendeterminanten (Freie Variable)
Hauptkostenreaktionen (Abhängige Variable)
1. Beschäftigung 2. Betriebsgröße 3. Fertigungsprogramm
1. Änderungen der Faktorproportionen (Mengeneinsatzänderungen) 2. Änderungen der Faktorqualitäten 3. Änderungen der Faktorpreise
21) Kurzcharakterisierung Gutenberg scher Kostenhauptanpassungsformen Beschäftigung, Betriebsgröße und Fertigungsprogramm bewirken also mit ihrer Änderung spezifische Änderungen im Kostenniveau eines Betriebes nach Maßgabe mengenmäßiger, qualitativer und preislicher Änderungen der davon abhängigen Faktoreinsätze (immer im Bilde Gutenbergs). Darstellungsmäßig erscheint es uns zweckmäßig zu sein, der Beschäftigung die beiden anderen Determinanten, nämlich Betriebsgröße und Fertigungsprogramm gegenüberzustellen. Dabei wird unser Hauptinteresse die beschäftigungsbedingte (quantitative und qualitative) Anpassung sein, der wir nur ergänzend die beiden systemfremden Determinanten gegenüberzustellen beabsichtigen. Weisen wir bei den abhängigen Variablen den Änderungen der Faktorpreise ebenfalls eine eigene Stellung zu, so rechtfertigt sich für die folgende in der Überschrift angekündigte Kurzcharakterisierung Gutenberg scher Kostenhauptanpassungsformen folgende Gliederung: 210) Beschäftigungsanpassungen (nur außerpreislich) 211) Betriebsgrößen- und Fertigungsprogrammanpassung (nur außerpreislich) 212) Preisliche Anpassung (in allen drei Fällen der Hauptkostendeterminanten bzw. freien Variablen)
210) Beschäftigungswirkungen auf die Produktionskosten Gutenberg unterscheidet besonder hier sehr ausdrücklich zwischen Formen quantiativer und qualitativer Anpassung der Beschäftigung mit den entsprechenden Folgen der Kostenniveaureaktionen des so oder so angepaßten Betriebes und zwar gemäß der spezifischen Faktorverbrauchsfunktionen in Abhän-
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
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gigkeit von diesen Anpassungen. Im Klartext gesagt: Es geht letztlich um die Frage, welche Relationen zwischen quantiativen und qualitativen Input-Variationen und damit korrelierenden Output-Variationen bestehen, vorzüglich lineare oder nichtlineare. 2100) Quantitative Anpassungsformen des Mitteleinsatzes und damit korrelierende produktivitätsabhängige Kostenverläufe Um einen entsprechenden Mengenertrag zu realisieren, bieten sich nach Gutenberg folgende quantiative Anpassungsformen an: 1. Mengenmäßig-zeitlich-intensitätsmäßige 2. Selektive
Bezüglich der mengenmäßig-zeitlich-intensitätsmäßig en Anpassung kann von folgender Gutenberg scher Grundformel ausgegangen werden: χ = m ·t - d
Die Größe der Ausbringung (x) wird bestimmt durch die Menge (= m; ζ. B. Anzahl der Maschinen), die Zeit (= t; ζ. B. Maschinenlaufzeit) und die Intensität (= d; ζ. B. Schlagzahl der Webstühle, Tourenzahl von Drehmaschinen, Drehzahl von Verbrennungsmotoren zur Energiegewinnung u. ä.). Zu dem obigen erklärt Gutenberg: Die obige Gleichung „... ist eine Produktionsfunktion. Sie gibt an, durch welche Größen die in einer Produktionsperiode (im Gesamtbetrieb oder in einer Betriebsabteilung) hergestellte Produktmenge bestimmt wird. I m Falle intensitätsmäßiger Anpassung wird χ allein von d Km und t konstant), i m Falle quantitativer Anpassung allein von m (d und t konstant) und i m Falle zeitlicher Anpassung allein von t (m und d konstant) bestimmt" 2 8 .
Wir halten hier nur fest, daß alle diese Formen quantiative Anpassungen sind, von denen die expressiv verbis als solche bezeichnete nur eine Sonderform (ra) darstellt. Kurz gesagt drücken sich diese Anpassungen der Einsatzmengen im Ergebnis, also in Form der der Kostenfunktion entsprechenden Kurve wie folgt aus: Ziehen wir der charakteristischen Bedeutung wegen nur die variablen Kosten zunächst bei mengenmäßiger Anpassung (die sogenannte selektive ausgeklammert) in Betracht, so gilt prinzipiell: „Bei quantitativer Anpassung in ihrer reinen Form läßt sich die Ausbringung nur um ganz bestimmte, durch die Kapazität der Teileinheiten gegebenen Mengen variieren... Diese Treppenkurve läßt sich durch einen linearen Trend annähern, der Kurververlauf ist also... tendenziell linear 29." Es ist einsichtig, daß ζ. B. die erste und jede weitere Maschine den gleichen Einsatz, die gleichen Kosten bedeutet Der Anzahl der Maschinen (Kosten) entsprechend verändert sich auch (volle Auslastung vorausgesetzt) der Ausstoß (Ertrag). Die Produktivitätsbeziehung ist also einsichtig „linear", drückt sich auch in einer solchen Kostenverlaufskurve aus, wenn
2 8 29
Gutenberg, (Produktion), S. 344. Ebenda, S. 371.
3
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
man den der Zahl der Maschinen folgenden Kostenzuwachs durch eine Gerade verbindet. Die Gutenbergsche Darstellung ist u. E. irreführend, weil der Ausstoßverlauf mit m statt mit Χχ,Χ2usw. ausgedrückt w i r d 3 0 . Die Einsatzseite ist die Kostenseite (Ordinate).
Zur Verdeutlichung läßt sich der Verlauf wie folgt graphisch darstellen: Κ (m)
Kostenkurve (tendenziell linear)
U Abb.
Α, 21:
Kostenverlauf
Λ bei
2
mengenmäßiger
A3 Anpassung
Man kann eine Maschine natürlich kürzere oder längere Zeit am Tag laufen lassen, um den Ausstoß (Ertrag) zu erhöhen. Dies ist dann der Fall der zeitlichen Anpassung: „Zeitliche Anpassung bedeutet... in ihrer reinen Form: Variiert wird die Nutzungszeit der einzelnen technischen Teileinheiten31" M a n braucht also an die Stelle von m in die obige Graphik nur t einzusetzen. Der gemeinte Fall und die typische Produktivitätsbeziehung ergibt sich aus folgendem Beispiel: „Setzt... ein Betrieb die Arbeitszeit einer Maschine von acht auf vier Stunden täglich herab und läßt er sie mit unveränderter Tourenzahl, Hubzahl, Drehgeschwindigkeit usw. laufen, ist die Intensität also fixiert, dann werden sich die variablen Betriebskosten der Maschine oder Anlage auch u m 50 0 « vermindern. Bei unveränderter Arbeitsgeschwindigkeit sind die (variablen) Betriebskosten je Arbeitsstunde gleich 3 2 .
Da die zeitliche Anpassung ... nur eine besondere Art der quantiativen .. . 3 3 " ist, gilt auch für sie Linearität des Kosten-, bzw. vice versa des Ertragsverlaufes. Unter „Intensitätsmäßiger Anpassung" versteht Gutenberg „... eine unterschiedliche Inanspruchnahme der produktiven Faktoren ..., vornehmlich der technischen Anlagen, dispositiver Tätigkeit usw., unter der Voraussetzung einer gleichbleibenden Betriebszeit"34. Die Art des hiebei auftretenden Produktivitätsverlaufes (Kostenkurve, Ertragskurve) kann verschiedener Art sein, wie die folgenden Beispiele zeigen: Bei Elektromotoren ist „... die Krümmung der Kurve in der Regel so gering, daß man ... mit einem linearen Verlauf der Verbrauchsfunktionen rechnen kann" 35 . 30
Ebenda, S. 370.
31
Gutenberg, (Produktion), S. 360.
32
Ebenda, S. 361.
33
Ebenda
34
Ebenda, S. 349.
35
Ebenda S. 321.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
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„Für den Koksverbrauch eines Hochofens ist eine typische u-förmige Verbrauchsfunktion charakteristisch .. , 36 " Für Verbrennungsmotoren (Kraftmaschinen) gilt: „Bei zunehmender Zahl der Umdrehungen steigt der Brennstoffverbrauch erst mit abnehmenden, später mit sich erhöhenden Zuwachsraten. In diesem Falle erhält man eine zunächst konkav, dann konvex verlaufende Kurve, die die Abhängigkeit des Brennstoffverbrauches von der Umdrehungszahl angibt37." In diesem, jedem Kraftfahrer einigermaßen vertrauten Fall ist der Kostenverlauf somit S-förmig. Stehen im Methodenstreit die beiden erstgenannten Anpassungsformen, eben das lineare Verhältnis von mengenmäßiger und zeitlicher Mitteleinsatzvariation sozusagen außer Streit und ergeben sich wesentliche Möglichkeiten streitbarer Bemerkungen hie wie dort bezüglich des Produktivitätsverlaufes bzw. der Möglichkeit intensitätsmäßiger Anpassung (ζ. B. der Einsatzintensität des Menschen kraft stimulierender Wirkung vorgestellter Aufgabenbewältigungsnotwendigkeit, ζ. B. eines Meisters - vorübergehend - statt vielleicht 15 Arbeitern deren 16,17,18... usw. - zu leiten), so ist es gerade die sogenannte selektive Anpassung, welche den Kessel kostentheoretischer Leidenschaft fast zum Überkochen brachte. Es handelt sich dabei um „... eine Art der quantiativen Anpassung ..., die allerdings schon in der Nähe von qualitativen Anpassungsmodalitäten liegt.. . 38 " Gutenberg geht in seiner Argumentation davon aus, ein Betrieb „verfüge über einen Produktionsmittelbestand, der qualitative Unterschiede auf w e i s t . . u n d zwar (ζ. B.) „... stark abgenutzte als auch wenig abgenutzte, technisch moderne und auch unmoderne Anlagen 39«
Die Frage, die hier entsteht, ist, nach welchen Grundsätzen und mit welchen Folgen auf das Kostenverlaufsbild der Betrieb seine Auswahl unter den qualitativ verschiedenartigen Leistungsträgern (i. e. S.) im Produktionsverlauf trifft. Hier scheint bei Gutenberg ein Moment der traditionellen Kostentheorie verankert zu sein, dessen Signifikanz (Reliability könnte man sagen), ihm aber bestreitbar erscheint: Sollte in diesem Falle ein S-förmiger Kostenverlauf eintreten, so setzt dies ein „... Anordnungsprinzip des Produktionsmitteleinsatzes..." voraus, das bisher durch nichts bewiesen ist, auch völlig unverständlich erscheint"40. Nämlich: „Die Annahme, die man zu machen gezwungen ist, lautet: Der Betrieb paßt sich selektiv an und zwar mit der Maßgabe, daß von der Beschäftigung Null bis zum Wendepunkt der Gesamtkostenkurve zunächst immer leistungsfähigere betriebliche Einheiten (technische Aggregate, Arbeitskräfte) verwandt werden; dann müssen sukzessive Arbeitskräfte und Produktionsmittel mit zunehmend geringerer Leistungsfähigkeit verwandt wer38
Ebenda, S. 322.
37
Ebenda, S. 231.
38
Gutenberg, (Produktion), S. 374.
39
Ebenda
40
Gutenberg, (Produktion), S. 376.
3
. Abschnitt Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
den." Dies erscheint Gutenberg unwahrscheinlich, weshalb sich ein S-förmiger, also „... zunächst konkaver und dann konvexer Verlauf der Gesamtkostenkurve und damit ein U-förmiger Verlauf der Grenzkostenkurve aus dem Prinzip der selektiven Anpassung nicht erklären läßt 4 1 ."
Gibt es also sowohl im Bereiche intensitätsmäßiger wie selektiver Anpassung S-förmige (Gesamt-) Kostenverläufe, so bestreitet Gutenberg doch deren Intensität mit den Bedingungen, unter denen das Ertragsgesetz ausschließlich gilt: Es „... wird vorausgesetzt, daß die Faktorqualitäten unverändert bleiben"42. „Nimmt man an, daß bei wachsender Beschäftigung schlechtere Maschinen in Benutzung genommen werden, oder daß die Arbeitsintensität nachlasse ..., dann kann die Gesamtkostenkurve steigende Zuwachsraten auf weisen... E i n solcher Kostenkurvenverlauf läßt sich aber nicht aus dem Ertragsgesetz ableiten, denn er wird auf betriebliche Tatbestände zurückgeführt, die mit dem Ertragsgesetz nichts zu tun haben 43 ."
Ändert, um im Bilde Gutenbergs zu bleiben, z. B. der sogenannte konstante Faktor sein Verhalten, so ist dies nicht identisch mit der Verhaltensänderung eines Arbeiters, daß er, wenn sozusagen Not am Manne ist, also bei steigender Beschäftigung, seine Intensität anpaßt. 2101) „Qualitative" Anpassungsformen des Mitteleinsatzes und korrelatives Produktivitätsverhältnis als Kostenverlaufsform Gehen wir zunächst auf die allgemeine Unterscheidung quantitativer und qualitativer Anpassung des Mitteleinsatzes ein, um hernach die in Frage stehenden Anpassungsformen qualitativer Art etwas näher zu skizzieren. 21010) Zur Unterscheidung der Anpassungsformen und zum Wesen qualitativer Formen Gutenberg erklärt bezüglich der hier in Frage stehenden Unterscheidung: „Ein Betrieb kann sich erstens ohne Änderung der qualitativen Beschaffenheit der Produktionsfaktoren an die Beschäftigungslagen anpassen. Er kann sich zweitens aber auch derart anpassen, daß er die qualitative Beschaffenheit der Produktionsfaktoren ändert 44." „Zwischen Änderungen in der Beschäftigungslage eines Betriebes und qualitativen Änderungen der Produktionsbedingungen läßt sich im allgemeinen keine so enge Beziehung feststellen, daß derartige qualitative Änderungen gewissermaßen als eine Funktion von Beschäftigungsschwankungen angesprochen werden können45." Mit dieser letzten Feststellung läßt Gutenberg jene schon anderweitig von uns herausgestellte Unklarheit und Verschwommenheit des Begriffes Beschäfti41
Ebenda
42
Gutenberg, (Produktion), S. 290.
43
Ebenda
44
Ebenda S. 343.
45
Ebenda S. 345.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
gung erkennen, der u. E. seine ganze Theorie in ein Dämmerlicht hüllt und zudem viel zur Art des Methodenstreits beigetragen hat, der damit in vieler Beziehung ein Streit der Begriffsunklarheit genannt werden muß. Worum es geht, liegt auf der Hand: Im Falle quantitativer Anpassung werden nach Maßgabe der intendierten Ertragssteigerung entsprechend mehr Betriebseinheiten im) oder eine gleiche Zahl unterschiedlich lange (t) oder verschieden intensiv (d), eingesetzt, beschäftigt. Nunmehr aber, im Falle qualitativer Anpassung sind die eingesetzten Betriebseinheiten solche mit andersartigen Kostenfunktionen. Was hier - insbesondere in Ansehung der Betriebsmittel vorliegt, ist für uns einfach zu bestimmen: Ersatz verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen; daneben gewisse Entsprechungsänderungen (ζ. B. aggregats-geeignetes Material u. ä.). In diesem Sinne kann man u. E. die folgenden Ausführungen Gutenbergs als Wesenserklärung der hier in Frage stehenden qualitativen Anpassung (des Mitteleinsatzes, der Mittelstrukturen zum Zwecke der Ertragsmodifikation) verstehen, wenn es heißt, es sei hiebei entscheidend, „... daß Faktoren durch andere Faktoren ersetzt..werden. „Dieser Austausch von Produktivfaktoren ist für die industrielle Produktion kennzeichnend. In jedem Betrieb unterliegen die Produktionsbedingungen ständig derartigen alternativen oder qualitativen Änderungen . . u n d zwar alle Faktoren betreffend: Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe, dispositiver Faktor 46 . „Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn Maschinenarbeit an die Stelle der Handarbeit tritt ..."; die alternativen oder (?) qualitativen Änderungen „... gibt es auch i m Bereich des Faktors Betriebsmittel ... Unbrauchbare Betriebsmittel werden ausgeschieden, neue (technisch veränderte, J. K.) werden dafür angeschafft." „Auch für den Faktor Werkstoff lassen sich derartige oszillative u m eine gewisse Norm schwankende Vorgänge feststellen." „Auch die Planung und Betriebsorganisation unterliegt solchen Veränderungen 47 ."
Im Sinne dieser eben erfolgten Aussagen, lassen sich qualitative Anpassungen abschließend wie folgt charakterisieren: 1. Es werden neue, wenn möglich günstigere Entsprechungsverhältnisse Werkstoff-Maschine) geschaffen.
(ζ. B. zwischen
2. Es werden, und dies erst recht, verbrauchliche durch unverbrauchliche stungshervorbringung ersetzt.
Mittel der Lei-
21011) Die Gutenbergschen Einzelformen qualitativer Anpassung Rein enumerativ kann man in Gutenbergs Ausführungen folgende Einzelformen qualitativer Anpassung unterscheiden: - Oszillative
Schwankungen in den Produktionsbedingungen
- Stetige und mutative Änderungen in den Produktionsbedingungen - Änderungen der qualitativen - Alternative 46 4
Kapazität
Substitution als Änderungsform der Produktionsbedingungen
Gutenberg, (Produktion), S. 267 f.
? Ebenda, S. 287 ff.
38
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
Suchen wir hier nach irgendeiner ordnenden Kraft, so scheint uns die Einteilung auf zwei Momenten zu beruhen: 1. Allgemein entwicklungsbedingte eben:
Änderungen der Betriebsmittel (etc.), und zwar
a) oszillativ b) stetig oder mutativ 2. Dispositive Änderung qualitativer Produktionsbedingungen: Alternative Substitution
Gehen wir ganz kurz auf die einzelnen qualitativen Anpassungsformen des ertragsbezogenen Mitteleinsatzes im Sinne Gutenberg scher Ausführungen wie folgt ein: Oszillative Schwankungen: „Wenn die technischen Eigenschaften der neuen maschinellen Anlagen nicht wesentlich von den Eigenschaften der ausgeschiedenen Betriebsmittel abweichen, dann ändert sich auch die qualitative Beschaffenheit des Betriebsmittelbestandes im Durchschnitt und auf die Dauer nur wenig. Derartige oszillative Veränderungen im Betriebsmittelaufbau beeinflussen den Leistungsstand (die Ergiebigkeit, Produktivität und spiegelbildlich das Kostenniveau bzw. im Zeitverlauf gesehen, dessen Änderungsausdruck in den Kostengrößen, J. K.) nur wenig .. " 4 8 . Die oszillative Änderung drückt sich aber vielleicht noch deutlicher bei den Werkstoffen als Ergiebigkeits- und Kostenverlaufsbedingung aus: Denn gerade hier lassen sich „... qualitative Schwankungen ... kaum vermeiden".
Stetige und mutative Änderungen: „Völlig anders liegen die Dinge, wenn Veränderungen ... so stark sind, daß sie... das Kostengefüge spürbar heben oder senken. Diese Vorgänge können sich einmal stetig, zum anderen mutativ vollziehen. Unter stetig wird dabei ein Prozeß verstanden, der, auf einen längeren Zeitraum gesehen ... eine allmähliche Anpassung ... bedeutet. Mutative Änderungen des gesamtbetrieblichen Produktivitäts- und Kostengefüges liegen dagegen dann vor, wenn der Übergang von einer Produktions- oder Kostensituation zu einer anderen sprunghaft... erfolgt und die Wirkung dieser Vorgänge so stark ist, daß die Fertigungssituation . . d i e hieraus folgt, „... als ein fertigungstechnisches Novum erscheint"49. „Der technische Fortschritt... setzt sich entweder stetig oder stoßweise durch ... I m ersten Falle verläuft er mehr kontinuierlich..." indem etwa „... neue Betriebsmittel und Verfahren (Hervorhebung, J. K.) eingeführt und die Werkstoffe verbessert werden..." aber auch dadurch, „... daß mit Hilfe verbesserter Arbeitsvorbereitung eine günstigere Gestaltung der subjektiven und objektiven Arbeitsbedingungen erreicht wird". Demgegenüber gilt: „Nun vollzieht sich der technische Fortschritt nicht nur stetig, sondern auch stoßweise abrupt ...", z. B. „... wenn ein Fabrikationsbetrieb von der Werkstattfertigung auf Fließbandfertigung übergeht..." oder „... eine Bank ihren gesamten buchhalterischen Apparat von manueller auf ... Hollerith-Buchhaltung umstellt.. " 5 0 . 48 49
Gutenberg, (Produktion), S. 382 f.
Gutenberg, (Produktion), S. 385 f. 50 Ebenda, S. 288 f.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
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Alternative Substitution: Im Grunde sind alle obigen Anpassungsformen zugleich Fälle der alternativen Substitution, soferne hiebei das die ganze Betriebsgestaltung durchwaltende Prinzip der Produktivitätsmaximierung in seiner bewußten Anwendung in Betracht gezogen wird, denn: „Das Prinzip ..., nach welchem eine Änderung der Produktionsbedingungen durch Maßnahmen des dis positiven Faktors vorgenommen wird, ist das der alternativen Substitution." „Es stellt ein Regulativ dar, mit dessen Hilfe versucht wird, eine neue Produktionsfunktion aufzubauen. I n Wirklichkeit liegt hier ein sich ständig vollziehender Prozeß vor, denn in dauerndem Wechsel löst eine Produktionsfunktion die andere ab, wenn die Produktionsbedingungen auf Grund von stetigen oder mutativen Variationen der Faktoreigenschaften verändert werden. Die auf alternativen Entscheidungen beruhenden Vorgänge stellen Wahlakte dar, die darauf abgestellt sind, neue technisch-organisatorische Möglichkeiten, die sich anbieten, für den Betriebsprozeß nutzbar zu machen... Der alternativen Substitution liegt die Annahme zugrunde, daß bestimmte technische Aufgaben nur mit Hilfe einer Investition lösbar sind 5 1 ."
Im Grunde handelt es sich hier um eine Aufgabe der Wirtschaftlichkeitsrechnung mit dem Ziel, jene Kombination, d. h. ζ. B. jenes Betriebsmittel zu wählen, das nach Maßgabe der erwartbaren Beschäftigung das Kostenminimum ergibt, in welchem sich also fixe und variable Kosten nach Art dieser Auslastungserwartung vergleichsweise unter den bestehenden Wahlalternativen als das kostengünstigste erweist. Dies scheint uns die wesentlichste kostentheoretische Perspektive aller qualitativen Anpassungsformen des Mitteleinsatzes unter Produktivitäts- und damit korrelativen Kostenverlaufskriterien (Verlauf meint dabei eine Anordnung der Produktions- und damit verbundenen Kostenalternativen) zu sein. Beispielhaft sei auf folgende Formulierung verwiesen: „Trägt man ... in ein Koordinatensystem auf der x-Achse die Produktmenge, auf der y-Achse die Gesamtkosten ab, welche die Fertigung mit Hilfe eines der vier (hier in Konkurrenz stehenden, J. K.) Aggregate verursacht, dann erhält man ein Kurvenbild...", in welchem die Einsatz-Ertragskorrelationen der vier Aggregate und damit ihr Produktivitätsverhältnis untereinander zum Ausdruck kommt52.
Halten wir abschließend hier nur eines fest: Im Grunde vollzieht sich der Methodenstreit zwar auf der Basis der Entgegensetzung quantitativer und qualitativer Einsatzvariation, doch werden dabei die Argumente des qualitativen Bereiches kaum ins Treffen geführt, insbesondere der eigentliche Unterschied zwischen beiden Anpassungsformen nie so deutlich herausgestellt (wie von uns oben schon angedeutet). 211) Ergänzende Hinweise auf die Hauptkostendeterminanten Betriebsgröße und Fertigungsprogramm sowie auf die Hauptkostenreaktion Faktorpreisänderung Mit den obigen Ausführungen scheint uns die Gutenbergsche Kostentheorie in den Grundzügen im wesentlichen ausgedrückt zu sein, so daß wir uns hier 51
Ebenda, S. 391 f.
52
Gutenberg, (Produktion), S. 401, insbes. Abb. 41.
30
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
nur mehr um gewisse Ergänzungen zu bemühen haben, deren Sinnzusammenhang wir schon anderweitig darlegten und in der Überschrift noch kurz in Erinnerung riefen. 2110) Hauptkostendeterminanten Betriebsgröße und Fertigungsprogramm Gutenberg unterscheidet zwischen zwei Formen der Betriebsgrößenänderung: Im ersten Falle handelt es sich um eine multiple Änderung der Betriebsgröße, welche im Prinzip nichts anderes als eine besondere Art quantitativer Anpassung mit den entsprechenden produktivitäts- und kostenmäßigen Verlaufskriterien analoger Art bedeutet. Gutenberg argumentiert, es sei wegen der „... fast vollständigen Übereinstimmung der betriebstechnischen Vorgänge bei der Beschäftigungs- und der Betriebsgrößenvariation multipler A r t . . . nicht angebracht,... die scharfe Zäsur zwischen Beschäftigungs- und Betriebsgrößenvariation aufrechtzuerhalten, wie das heute in der Theorie noch weitgehend üblich ist" 5 3 .
Demgegenüber gibt es eine mutierende Betriebsgrößenvariation, welche sinngemäß den qualitativen Anpassungsweisen zuzurechnen ist, mithin auch keine eigentliche neue Kostendeterminante ist, die sich von den schon behandelten wesentlich unterscheidet: So geht es ζ. B. beim Faktor Arbeit im gegenständlichen Falle um „... Änderungen im arbeitsorganisatorischen Aufbau der Betriebe ...", deren Größenausdehnung im übrigen zur Theorie der „... economies of large scale" Produktion führt. Auch diese mutative Betriebsgrößenvariation bedeutet nur „... eine Abfolge von Produktionsfunktionen.. " 5 4 , eben solchen der „qualitativen" Anpassung. Die Frage Fertigungsprogramm scheint uns im gegebenen Rahmen einfach dahin charakterisierbar, daß dieses als Zielstruktur jeweils eine bestimmte Mittelalso Betriebsstruktur erforderlich macht. Ändert sich die Zielstruktur, so ändert sich ggf. die gesamte Art der Mitteleignung, insbesondere auch das von der geänderten Zielstruktur abhängige Entsprechungsverhältnis der vorhandenen Faktorstrukturen. Je nach dem Grade der Eignungsverschiebung und der Entsprechungsveränderung ist - abgesehen von den spezifischen Umstellungs- bzw. Anpassungskosten - eine entsprechende Änderung der Produktivität und vice versa der Kostenverhältnisse (Kostenniveau) abzuleiten. 2111) Die Faktorpreisänderung als Begleitausdruck aller Anpassungsformen Untersucht man den Einfluß der Faktorpreise auf die Produktionskosten55, so muß man u. E. den ganzen Weg zurückverfolgen, den wir bereits gegangen sind, nämlich hin bis zu den Faktor-Ausgangsgeltungsgrößen, aus denen sich erst
53 54
55
Gutenberg, (Produktion), S. 413. Ebenda
Ebenda S. 403 ff.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
alle Folgegeltungsgrößen herleiten, wie sie den Gütergeltungen entsprechen. Wir halten hier nur so viel fest: 1. Faktorgeltungen sind Ausdruck objektiver Rangmomente, aber auch Rangeinschätzungsverfahren, so daß von hier die entscheidendsten Geltungsänderungen nach Maßgabe von Änderungen im Rangschätzungsverfahren einzutreten vermöchten. 2. Faktorgeltungen unterliegen ggf. einer Modifikation nach Art erwünschter, insbesondere mit der Beschäftigungsänderung einhergehender Stimulationswirkungen auf die Leistungsbeteiligten (vgl. ζ. B. die auf quantitative und qualitative Einsatzstimulation gerichteten Lohnformen). 3. Güterpreise reagieren auf diese Ausgangsgeltungsgrößenmodifikationen, wie sie andererseits alle jene Anpassungsmomente bespiegeln, von denen insgesamt oben die Rede war. Derart vorausgesetzte Anpassungen gehen daher in der Folge als Ausgangsgrößen in die Geltungsgrößenrechnung ein, wie sie andererseits aus ihr vordem hervorgingen.
Preisliche Anpassungen sind also originäre Bewertungsänderungen oder Ausdruck vorgängiger Produktivitätsverhältnisse, die sich als ursprüngliche Endgrößen zugleich wieder zu Ausgangsgrößen machen.
b) Die Fundamentalentgegnungen
der „traditionellen
" Schule
aa) Kostenartenreagibilität Unter der Hauptüberschrift „5. Kosten in Abhängigkeit von der Kapazitätsausnutzung" behandelt K. Mellerowicz insbesondere die Frage nach dem „Charakter der Kosten" mit dem Haupt-Unterpunkt „Kostenarten unter dem Gesichtspunkt der Reagibilität"56. Vorweg ergibt sich daraus folgende Unterscheidung: 1. Fixe Kosten a) Absolut fixe (eiserne) Kosten (Stillstandskosten) b) Relativ fixe Kosten 2. Veränderliche (variable) Kosten a) Proportionale Kosten (Linearverlauf) b) Unterproportionale Kosten
Mellerowicz spricht in diesem Zusammenhang von zwei Reagibilitätsgraden der Kosten (damit des Mitteleinsatzes): „Ein Reagibilitätsgrad 1 kennzeichnet eine der Beschäftigungsänderung genau folgende Kostenveränderung. Eine Verdoppelung der Beschäftigung ζ. B. hat eine Verdoppelung von Kosten dieses Reagibilitätsgrades zur Folge ... Kosten dieser Art bezeichnet man ihrem Charakter nach als proportional, womit gesagt werden soll, daß ihre Entwicklung proportional der Beschäftigungsentwicklung verläuft 57." 56
Mellerowicz,
(Kosten), S. 286 ff.
57
Mellerowicz,
(Kosten), S. 286.
3
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Dazu gehören insbesondere Einzelkosten (Werkstoffe, Fertigungslöhne sowie Sondereinzelkosten der Fertigung und des Vertriebes. Sie können ggf. auch überproportional werden, worauf wir hier aber nicht näher eingehen.).
„Im Gegensatz zu den Kosten mit dem Reagibilitätsgrad 1 stehen die mit dem Reagibilitätsgrad 0. Aus der Gleichung für den Reagibilitätsgrad ergibt sich, daß dieser nur dann 0 sein kann, wenn die Kostenänderung gleich 0 ist. Kosten, die sich nicht ändern, deren Reagibilitätsgrad also 0 ist, kennzeichnet man ihrem Charakter nach als fix 58 ." Das Traditionelle Kostenbild dieser Art entspricht durchaus dem neueren Kostenbild (Gutenberg): Kosten
A
Abb.
Relativ
fixe
Eiserne
Kosten
22:
Kosten
"Traditioneller" kostenverlauf
Fixe Kosten
und "neuerer" (linear)
Gesam-k-
bb) Das Theorem der unterproportionalen Kosten insbesondere Auf das Allerwesentlichste reduziert, setzt der Methodenstreit im Proportionalbereich an und äußert sich bei Mellerowicz insbesondere im Theorem der unterproportionalen Kosten. Er vertritt die Meinung, es verhalte „... sich nur der geringste Teil der Kosten so regelmäßig wie die fixen und proportionalen Kosten. Bei den weitaus meisten Kosten ..." liege „... der Reagibilitätsgrad zwischen 0 und 1. Allen diesen Kosten ist gemeinsam, daß sie zwar Beschäftigungsänderungen folgen, jedoch nicht so schnell und nicht im gleichen Ausmaß wie die Beschäftigungsänderungen selbst vor sich gehen. Sie können daher als unterproportional bezeichnet werden. Für einige dieser Kostenarten ist ferner charakteristisch, daß sie infolge ihrer größeren Beharrungstendenz nicht auf jede neue Produktionseinheit, sondern erst auf größere Änderungen des Beschäftigungsgrades reagieren. Sie sind also nicht regelmäßig, sondern sprunghaft unterproportional 59." 58
Ebenda, S. 288.
5 9
Mellerowicz,
(Kosten), S. 289.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
Und gerade unter diesem Gesichtspunkt der Unterproportionalität formt sich das traditionelle Kostenbild, das im Bereiche der Variabilität durch den S-kurvenförmigen Verlauf charakterisiert erscheint. Verbal hört sich dies so an: „Für die unterproportionalen Kostenarten ist ... ein dauerndes oder wenigstens mehrmaliges Ändern des Reagibilitätsgrades charakteristisch und zwar wird er im Anstieg von Beschäftigungsstufe zu Beschäftigungsstufe immer kleiner .. tendiert so gesehen offenbar auf 0, um einen Punkt zu erreichen, ab dem sich das „... Kleinerwerden der Reagibilitätsgrade ... zum Größerwerden wandelt und der Reagibilitätsgrad 1 erreicht und überschritten wird" 60 . Wir erlauben uns, darauf zu verweisen, daß hier - vielleicht - die Turgotsche Verbalbeschreibung des Ertragsgesetzes anklingt, im Sinne Gutenbergs vielleicht als Verhaltensänderung des fixen Faktors verstanden wird. Formal sieht daher dieses traditionelle Kostenkurvenverlauf sbild, angelehnt an die Darstellungsform des Linear- bzw. Proportionalitätsmodells wie folgt aus: Kosten
Abb.
23:
S-förmiger
Gesamtkostenverlauf
Als fundamentalste Begründungen für den unterproportionalen Kostenverlauf (d. i. vice versa ein überproportionaler Ertrags- und damit Fruchtb arkeitsverlauf ) läßt sich nach Mellerowicz folgendes festhalten: Eingangs erwähnt Mellerowicz ein Beispiel von Moll, wonach zwischen Anzahl von Buchhaltern und Kassieren und Beschäftigungsgrad kein linearer Zusammenhang besteht. N i m m t ζ. B. die Beschäftigung u m 30 0 ο zu, so benötigt man statt wie bisher fünf Buchhalter deren sechs, jedoch immer nur einen Kassierer...". Die „Reagibilität" beim Kassierer ist also 0, bei den Buchhaltern nimmt die Anzahl nur u m 20 anstelle der 30 % „Beschäftigungssteigerung" z u 6 1 .
Es sei, so sagt Mellerowicz in diesem Zusammenhang, „... kein Zufall, daß das angeführte Beispiel unterproportionaler Kosten aus der Sphäre der Arbeitskosten entnommen wurde" 62. 60
Ebenda, S. 290. 61 Moll (Kostenkategorien), S. 42, zit. nach Mellerowicz, 62
23
Mellerowicz,
Kolbinger
(Kosten), S. 290.
(Kosten), S. 289 f.
3
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Im übrigen heiße dies „... aber nicht, daß die Veränderungen sich nur in einer höheren oder niedrigeren Leistung der Arbeitskräfte oder aber in einem relativ niedrigeren oder höheren Lohn oder auch relativ niedrigeren oder höheren Lohnnebenkosten äußern. Vielmehr wird die Wirkung sich gerade i m „Mengengerüst" anderer Kostenarten niederschlagen. Dabei wird daran gedacht, daß in den Betrieben die Neigung besteht, bei Unterbeschäftigung die Arbeit zu strecken, bei normaler Auslastung die günstigste Leistung zu vollbringen und bei Überbeanspruchung Mehrkosten, ζ. B. durch unsachgemäßes Bedienen der Maschinen (Reparaturkosten!) durch erhöhten Ausschuß usw. zu verursachen 63 .
Ein einfacher, an S-Förmigkeit des Kostenverlaufes herankommender Fall könnte ζ. B. für einen Meister gedacht werden, der zunächst 15 Arbeiter unterstellt erhält, dann aber sukzessive die „Kontrollspanne" erweitert wird, bis schließlich doch ein zweiter eingestellt werden muß (worauf sich neue „Kontrollspannenverschiebungen", ζ. B. aus der besonderen Kooperation der beiden ergeben könnten): Meister
(Kosten)
15 Arbeiter
Abb,
24:
- 21/22
Arbeiter
-
30
Arbeiter
Beispiel für einen S-förmigen Kostenverlauf: Kosten der Kontrolle durch Meister
Anmerkung: Die durchgezogene Linie zeigt den tatsächlichen Kosten- bzw. Ertragsverlauf. Kosten sind hier die Zahl der Meister (ggf. durchaus nach „Geltung" indiziert), Ertrag die Anzahl der Geführten. I m übrigen sei darauf verwiesen, daß der obige Kurvenverlauf auch eine Frage des Abgeltungsmodus ist (hier ζ. B. kein Akkordlohn). Die Strichelung soll den S-förmigen Verlaufscharakter andeuten.
Damit aber stoßen wir auf die eigentliche Begründung unterproportionalen, ja unsteten Kostenverlaufs, zugleich auch auf die Grundkontroverse im Methodenstreit: Es gilt für Mellerowicz als eine Art „Lehrsatz": „Das eigentümliche Verhalten der unterproportionalen Kosten entspringt in erster Linie aus den Eigenschaf63
Ebenda.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
ten des arbeitenden Menschen und dessen Willen...". Hieraus erklärt sich auch, daß das Kostenverhalten „... theoretisch nie völlig ergründet werden kann .. denn: „Der Mensch hat keine absolut starre Leistungsfähigkeit wie etwa eine Maschine64." Mellerowicz plädiert sohin für einen gewissen kostentheoretisch relevanten humanitären Voluntarismus, ggf. wohl auch eine Art Rückkoppelung von Aufgabenmaß (Beschäftigung) und Einsatzbereitschaft (Leistungsintensität). „Auch der Grad der Sparsamkeit kann von Bedeutung für das Verhalten der Kosten sein. Bei niedrigem Beschäftigungsgrad wird i m allgemeinen mehr auf Sparsamkeit gedrungen." Hier zeigt sich eben die Auswirkung menschlicher Eigenschaften auf den Kostencharakter, nämlich Leistungsfähigkeit und Leistungselastizität der Ausführenden u n d . . . Disposition der Leitenden" 65 .
Demgegenüber sieht E. Gutenberg vor allem die absolute Bindung des Menschen an die Gesetzmäßigkeit der Maschine: „Nicht die Frage, in welchem Umfange es den für die Betriebe verantwortlichen Personen gelingt, das Kombinationsproblem zu lösen, sondern die Frage, welche Vorgänge überhaupt den Kombinationsprozeß charakterisieren, ist es, die hier interessiert 66." So gilt ζ. B. für die intensitätsmäßige Anpassung: „Die intensitätsmäßige Anpassung vollzieht sich ... dadurch, daß die Arbeits- oder Maschinengeschwindigkeit der Aggregate verändert w i r d . . . Da jede Abweichung von der wirtschaftlichsten Auslastung (Intensität, J. K.) die Lebensdauer einer maschinellen Anlage zu verkürzen droht, die Betriebskosten zudem erhöht, wird jeder verantwortungsbewußte Betriebsleiter bestrebt sein, Abweichungen von der Arbeits- und Maschinengeschwindigkeit, von der technisch (!) wirtschaftlichsten (?) Geschwindigkeit zu vermeiden 67 ."
Für Gutenberg gibt es nur Naturgesetze, welche den Betrieb regieren. Er beruft sich dabei auf Rummel, der mit Recht darauf hinweise, „... daß jede Kostenrechnung auf der Annahme von Gesetzmäßigkeiten beruht". „Denn wenn keinerlei Gesetzmäßigkeit bestünde, dann würde die Kostenrechnung", wie er sagt, „überhaupt keinen Sinn haben" 6 8 .
Hier kommt dann gleich jener Hinweis, gegen den Mellerowicz kraft des oben Ausgeführten demonstriert: „Selbst dann, wenn eine Funktion nicht linear ist, kann ihre gekrümmte Linie doch, wenigstens für kleine Strecken, durch ihre Tangente ersetzt werden.. . 69 ." Dagegen wendet Mellerowicz unter Betonung des S-förmigen wie des unsteten Kostenverlaufes überhaupt ein, es entspringe die von Gutenberg behauptete Regelmäßigkeit (Kausalgesetzlichkeit) „... nur einem mathematischen Bedürfnis ..., weil sich die Regelmäßigkeit besser in Formeln fassen läßt als die Unregelmäßigkeit.. " 7 0 . Nun bedeute aber diese (naturgesetzliche) Regelmäßigkeit gerade nicht den Regelfall der Praxis...". Damit aber steht und fällt „... das Leugnen des Vorhandenseins unterpropor6 4
Mellerowicz,
65
Ebenda, S. 291.
(Kosten), S. 290 f.
66
Gutenberg, (Produktion), S. 287 f.
67
Ebenda, S. 352.
6 8
Rummel, (Kostenrechnung), S. 17.
69
Ebenda, S. 19.
™ Mellerowicz, 23*
(Kosten), S. 303.
3
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
tionaler K o s t e n . . u n d des mit ihnen begründeten von Mellerowicz behaupteten „... S-kurvenförmigen Gesamtkostenverlaufs .. " 7 1 .
Abschließend sei im Hinblick auf spätere präzisere Ausführungen darauf verwiesen, daß der Streit um Linearität oder Nichtlinearität von Kostenverläufen im Grund ein produktivitätstheoretischer Streit ist, der u. E. nicht zuletzt mit der Frage des Auftretens von verbrauchlicher und unverbrauchlicher Leistung und ihrer Entgeltlichkeit, und zwar an sich, wie auch in ihrer Zeitfolge (consecutio temporum) und dem damit ggf. verbundenen Kostenkurvenverlaufsbild zusammenhängt. Durch und darüber hinaus wird damit die Frage nach produktivitätstheoretisch relevanten Gesetzesbereichen aufgeworfen, worauf die Bezeichnung Produktionstyp A, Produktionstyp Β - wie betont werden soll - durchaus hinweisen, was insbesondere auch ihrer Dominanz (Vorrangigkeit) in sozialen Leistungssystemen beweist, denn: Was nützt die Regelmäßigkeit eines Fließbandes (Kausalgesetzesbereich), wenn die Arbeiter (Voluntargesetzesbereich) streiken, absent sind oder laufend den Arbeitsplatz wechseln72? 2. Leitgedanken produktivitätskorrelativer Kostenverlaufsgestaltung sozialer Leistungssysteme
Es muß zunächst darum gehen, die Richtung unserer Fragestellung im Sinne der in der Überschrift ausgesprochenen Intention zu bestimmen, und zwar zunächst in ganz allgemeiner Art und zwar wie folgt: Wir gehen von den behandelten Tatbeständen des Methodenstreits aus, um zum einen seine positiven Aspekte, zum anderen, um aber auch das zu verdeutlichen, was im Kampfeslärm dunkel und unverständlich geblieben sein mag und vielleicht selbst den Streit anheizte. Am Ende dieses Abschnittes werden wir aber auch vergleichend darauf zurückkommen. Offenbar geht es im Methodenstreit um eine Grundsatzfrage der Geltungsgrößenvariation sozialer Leistungssysteme, welche sich hernach in einer Systemfrage der diese Variation bewirkenden Bestimmungsmomente der Determinanten fortsetzt. Hier geht es eingangs nur um die Grundrichtung der Frage, welche wie folgt ins Auge zu fassen ist: Wir greifen hier auf die eingangs der Behandlung des Methodenstreits bereits getroffene Frage zurück, wie es kommen könne, daß zum einen jeder konsekutiv folgende Mitteleinsatz zum einen zu einem konformen, also linearen Ertrag führt, zum anderen, daß dies - zunächst nur als Hypothese gedacht - nicht unbedingt der Fall zu sein braucht. Von dieser Überlegung ausgehend, können wir unsere für die Folgeausführungen „Richtunggebende Frage" in zwei Subfragen wie folgt formulieren: 7
1 Ebenda, S. 303.
72
Wir unterstellen hier durchaus arbeitswillige Mitarbeiter, jedoch auch solche, die nicht bloß den Goppel drehen, sondern auch etwas gestalten, aus ihrem oder ihrer kleinen Gruppe Tun, ein Werk wachsen und vollenden sehen wollen. Kosten erwachsen i m übrigen nicht bloß aus Gesetzmäßigkeiten, sondern drücken auch aus, ob diese eingehalten werden.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
3
1. Was kann der Grund dafür sein, daß einander folgende Widmungsmengen von Mitteln (menschlichen, biotisch-naturhaften, mechanisch-chemischen) keinen konstanten Ertrag gemäß der Einsatzsteigerung liefern, welcher Art ist der hier offenbar zum Tragen kommende Minusfaktor; ggf. auch Plusfaktor; der diese Input-output-Linearität durchbricht? 2. Nehmen wir von einem solchen Minus- und/oder Plusfaktor denkmäßig unseren Ausgang, so folgt daraus eine weitere, die erste Frage modifizierende Fassung unserer „Richtunggebenden Frage": Wie kommt es, daß im Widmungsverlauf; also in einer Art „consecutio temporum" (einer effektiven oder auch bloß gedachten) ein bestimmter Intensitätswandel und an einem bestimmten Punkt des Widmungsverlaufes ein Wechsel vom Minus- zum Plusfaktor bzw. umgekehrt erfolgt. Wie kommt es also, daß ein bestimmter Korrelationsverlauf zwischen Widmungsmengen und Ertrag zustandekommt, der einer bestimmten „Kurvengestalt" mehr oder minderer Prägnanz entspricht? In einem beliebig gegriffenen numerischen Beispiel könnte dies wie folgt zum Ausdruck kommen: Konstante Konstante Konstante Konstante Konstante Konstante Konstante Konstante Konstante Konstante
Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge Widmungsmenge
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
10 Stück Ertrag... 21 Stück Ertrag... 33 Stück Ertrag... 46 Stück Ertrag ... 58 Stück Ertrag... 69 Stück Ertrag... 79 Stück Ertrag... 88 Stück Ertrag... 96 Stück Ertrag... 103 Stück Ertrag...
10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
+ + + + + + + -
0 1 2 3 2 1 0 1 2 3
Wäre die Ergiebigkeit (Produktivität) konstant (linear), so würde jede gleichgroße konsekutive Widmungsmenge einen Ertrag von zehn Stück ergeben. Unter Annahme des Wirkens von Plus- und Minusfaktoren in unterschiedlicher Intensität gemäß der Widmungsabfolge ergibt sich die Ertragsabweichung im Sinne der letzten Kolonne, also von Obis 3 steigende, hernach fallende Zuwächse, schließlich Erreichung der Linearität, um von hier in den Negativbereich immer mehr abnehmender Erträge überzugehen. 3. Von hier aus ist die Frage aufzunehmen, welche Gruppen- und Einzelfaktoren diese Einsatz-Ergebnisrelation beeinflussen, um damit ein mehr oder weniger geschlossenes Determinantensystem der Geltungsgrößenvariation sozialer Leistungssysteme zu bestimmen, welches diese Grundentsprechung zu beeinflussen vermag. Wir werden die Bestimmung dieses Determinantensystems in der Folge ebenso versuchen, wie der Aufgabe einer Kurzcharakterisierung der Determinantengruppen und wesentlicher Einzeleinflußkräfte innerhalb derselben zu entsprechen suchen. Vorweg erscheint es uns einsichtig, daß Umbildungen sozialer Leistungssysteme mit den eben intendierten Zielen, grundsätzlich zwei Problembereichen wie folgt gegenübersteht: 1. Ergreifung von Umgliederungsmöglichkeiten, welche an sich und für sich geeignet erscheinen, ein intendiertes Ertragsziel zu erreichen.
38
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung 2. Zum anderen Beachtung der Tatsache, daß ggf. Einzelanpassungen (Einzelumgliederungen) wohl für sich diesen Zielen dienen, zudem aber auch daraufhin zu prüfen sind, inwieweit dabei die Leistungsgegenseitigkeit gewahrt bleibt. Es geht also u m die Determinante Entsprechung.
Wir unterscheiden daher zwischen Grundformen der Anpassung für sich und Anpassungsbedingung der Entsprechung. Beide Momente scheinen im übrigen auch - wenn auch nicht deutlich differenziert - im Methodenstreit auf. a) Grundformen der Anpassung (Umgliederung) sozialer Leistungssysteme und korrelativer Kostenverläufe Wir werden also zunächst die Frage zu prüfen haben, wie ein soeben angesprochenes Determinantensystem von Geltungsgrößen-, hier Kostenverläufen sozialer Leistungssysteme, ableitbar wäre, um hernach eine Einflußgruppenanalyse zu vollziehen. aa) Anpassungsstationen und Systematik der Anpassungsformen sozialer Leistungssysteme Treten an ein soziales Leistungssystem Forderungen nach Variation seiner Erträge (outputs) heran, so gibt es u. E. einen Kognitivverlauf des ins Auge zu fassenden Anpassungsprozesses, aus dem das ins Auge zu fassende Determinantensystem der Geltungsgrößen-, insbesondere Kostenvariation, prinzipiell ableitbar ist. Wir brauchen dieses in der Folge daher nur einer formalen Systematisierung zu unterziehen und gewisse weitergehende Überlegungen zu treffen, um auf dieser Basis in der Folge in die Gruppenanalyse dieser Determinantengruppen von Kostenverläufen kraft Anpassungsgrundformen sozialer Leistungssysteme in rahmenentsprechender Weise einzugehen.
1) Blick auf kognitive Anpassungsstationen (Umgliederung sformen) sozialer Lei stungssysteme Will man bestimmte Ertragsänderungen sozialer Leistungssysteme erzielen, so bieten sich verschiedene kognitive Folgestufen der Mittel- bzw. Gebildestrukturierung an, welcher dieser Zielsetzung in arteigener Weise entsprechen und auch davon abhängige Kostenanpassungen nach sich ziehen. Ohne Zweifel ist dabei zusätzlich maßgeblich, ob es sich um die Aufgabe der Ertragserweiterung oder Ertragsreduktion handelt, doch wollen wir uns im Folgenden, eingedenk dieses Tatbestandes, nur auf den Expansionsmoment beschränken. Wir glauben hiebei drei grundsätzliche, einander kognitiv folgende Anpassungsstufen, die im übrigen auch zumindest teilweise mit einer gewissen zeitlichen Abfolge korrespondieren, in Betracht ziehen zu dürfen:
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
39
1. Anpassung (Umgliederung) durch Reservenmobilisierung, d. h. bislang nicht genutzter Produktivkräfte 2. Kapazitative Anpassung als Einsatzsteigerung vorhandener produktiver Kräfte 3. Gewinnung neuer „kostenloser" Produktivkräfte i m Sinne der Nutzung biotischer und geistiger „Wuchsgesetze" (Wuchsgesetzlich-substitutive Anpassungsstufe).
Wir wollen diese kognitive - ζ. T. zeitlich korrespondierende - Abfolge kurz verdeutlichen, wobei auch die Inhalte zwar schon kurz gestreift, aber erst in der Folge im Sinne der Systematisierung der Anpassungsfaktorengruppen einer entsprechenden gruppenmäßig-systematischen Kurzcharakterisierung zugeführt werden. 10) Die kognitiv-zeitliche Anpassungsstufe der Reservemobilisierung Die hier in Betracht zu ziehende Anpassungsform ist zum einen durch das Fehlen wuchsgesetzlicher wie kapazitativer Gestaltungsmomente und zudem als spezifisch kurzfristige Anpassungsform charakterisiert. Der erste Schritt der Anpassung wird zweifellos der sein, vorhandene „Fixfaktoren", die wir als nicht voll beschäftigt voraussetzen, einer Beschäftigung zuzuführen, und zwar sowohl in Ansehung des Einsatzes einzelner Einheiten im) wie der Einsatzzeit (t). Im übrigen wird dabei vorausgesetzt, daß die variablen Faktoren sich streng linear; also produktivitätsindifferent anpassen: Damit wird jede zusätzlich in Betriebe genommene Maschine dermaßen die gleichen Kosten verursachen, gleichgültig, ob es sich um den Sachmitteleinsatz (vorzüglich Material und andere Vorleistungen) oder die Mitarbeiterstruktur handelt. Ob dies praktisch möglich ist, bleibt hier außer Betracht. Behoben wird nur die Unproduktivität der bislang un- bzw. unterbeschäftigten „Fixfaktoren". In noch näher zu charakterisierender Weise mag man versuchen, durch Losgrößenvariation Zusatzproduktionszeit im Gesamtsystem zu gewinnen. Hier setzt nunmehr die im Methodenstreit besonders hoch angesetzte, vielleicht sogar überbewertete Problematik ein, inwieweit wir nunmehr ein gestecktes Ziel (gegenüber dem bisherigen höheres, größeres) durch intensitätsmäßige Anpassung zu erreichen vermögen. Worum es hiebei geht und ob hier (kurzfristige) Anpassungschancen, und wenn ja, in welchen Bereichen des sozialen Leistungssystems erzielbar erscheinen, wird uns am entsprechenden Orte (von der Entsprechungsfrage abgesehen) beschäftigen. In weiterer Folge darf u. E. in diesem Zusammenhang einer Anpassungsmaßnahme gedacht werden, die man herkömmlich mit „Sparsamkeit" umschreibt und welche darauf abzielt, vorhandene produktive Kräfte zielkonform einzusetzen, womit Zielverluste vermieden werden. 11) Die kognitiv-zeitliche Stufe kapazitativer Anpassung Geht man davon aus, daß die in der Folge zu behandelnde Anpassungsstufe wuchsgesetzlich-substitutiver Art ggf. doch eines gewissen zeitlichen Reiferahmens bedarf, so liegt es nahe, als Folgestufe auf die Reservemobilisierung, an die
30
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Möglichkeiten der Ertragssteigerung (im gegenteiligen Falle der entsprechenden Ertragsreduktion) durch kapazitative Anpassung zu denken, die man in zwei Formen mit unterschiedlichen Ertragswirkungen wie folgt gliedern kann: Die sogenannte multiple Anpassung (Gutenberg), die aber, wie noch darzulegen sein wird, nur in ganz engen Grenzen aus prinzipiellen Gründen möglich erscheint. Die von uns insbesondere ins Auge zu fassende hierhergehörende Anpassung ähnelt in etwa der Verfahrensanpassung, ist aber mit dieser nicht leicht zu verwechseln. Sie folgt den von uns schon anderweitig behandelten, hernach noch aufzugreifenden Regeln der Stufenwertänderung sozialer Leistungssysteme in ihrer, der Kapazitätsausweitung entsprechenden Form und Intensität. 12) Die kognitive Anpassungsstufe der „Verfahrensänderung" durch wuchsgesetzlich-substitutive Maßnahmen Unbeschadet, daß sich der hier in Betracht zu ziehende Anpassungsvorgang auch mit den beiden vorgängigen Anpassungsstufen verbinden kann, wollen wir ihn doch aus Gründen der verstehbaren Abhebung zum einen, zum anderen auch aus Gründen, die in der tatsächlichen Zeitfolge der Ergreifung bestimmter Anpassungsmaßnahmen bestehen, für sich in Betracht zu ziehen, wobei sich u. E. zeitlich diese Anpassung je nach ihrer Art in geringerem Maße im kurz- bis mittel- aber auch langfristigen Bereich bewegen wird. Eine genaue zeitliche Lokalisierung ist hier also nicht möglich. Wir fassen folgendes ins Auge: Im biotischen Bereich wird man ggf. versuchen, die Wuchsgesetze im Bereiche der Pflanzen wie der Tiere besser zu beachten, insbesondere also das Nährstoffdargebot zeitlich richtig anpassen und die Erntezeit beachten, um nach Überschreitung der Wuchsgrenze nicht derartige Mittel zu verschwenden. Die Beachtung dieser wuchsgesetzlichen Determinanten mag das Ergebnis (und die Ergiebigkeit zugleich) steigern (ζ. B. höhere Ernteerträge bei Heu, Hackfrüchten, Getreidearten; in der Tierzucht und Tiermästung). Mehr hier auszuführen, erübrigt sich, da wir uns nicht als Naturwissenschaftler oder Landwirte betrachten dürfen und wollen. Aus methodenstreitlichen Gründen sei hierauf aber immerhin andeutungsweise eingegangen und damit zugleich der Weg gewiesen, der jenseits unserer Disziplin - entsprechende Aufschlüsse gewinnbar erscheinen läßt. Im Bereiche des sozialen Leistungssystems als geistiger Ganzheit liegen natürlich die Möglichkeiten der Ergebnissteigerung durch Ergiebigkeitsverbesserung, also Produktivitätssteigerung, zweifellos in dem Bereiche beschlossen, den wir mit dem Merkmal Substitution verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen umschreiben und erst in der Folge weiter detaillieren wollen. 2) Systematik der Anpassung sformen sozialer Leistungssysteme als Determinantengruppierung von Kostenverlaufseinflüssen Schöpft man sämtliche Möglichkeiten der Geltungsgrößen, insbesondere Kostenvariation sozialer Leistungssysteme in ihrer Grundstruktur gedanklich aus,
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore
so muß zu dem bisher Ausgeführten noch ein Moment hinzugefügt werden, welcher allen bisherigen Anpassungsformen in spezifischer Form zur Seite steht und damit folgende Grundgliederung des Kostenverlaufs sozialer Leistungssysteme ins Auge fassen läßt: 1. Geltungsgrößenverlauf mit und ohne Variation der Eigenleistungs- und Fremdleistungsbewertung 2. Geltungsgrößenverlauf gemäß Reservenmobilisierung, wuchsgesetzlicher und kapazitativ-stufenwertmäßiger Anpassung
20) Blick auf den Einflußfaktor Grundbewertung und Vorleistungspreisänderung Die Strukturgrößen sozialer Leistungssysteme (Gutenberg spricht von Mengengerüst) verbinden sich, wie wir in den beiden vorangegangenen Vorlesungen dargetan haben, grundsätzlich mit bestimmten Grundgeltungen; zudem muß in Betracht gezogen werden, daß Vorleistungen ebenfalls bestimmten Geltungsgrößenänderungen unterliegen, die als Eingangsgrößen in sämtlichen Vorgängen der Anpassung (Umgliederung) mitwirken und hier ebenso in Betracht gezogen, wie aus den späteren analytischen Betrachtungen von vornherein ausgeschieden werden sollen. Wir gehen hierauf nur wie folgt ein: Arbeitswerte sind an und für sich konstant, doch muß bedacht werden, daß sich hierin aus zwei Gründen dennoch gewisse Änderungen ergeben können: zum einen nach Maßgabe von Systemänderungen (bewertungstheoretische Fortschritte), zum anderen aus Gründen der Entsprechungseinflüsse: Einander in der wechselseitigen Dienstbarkeit nicht entsprechende Arbeitsträger bzw. Arbeitsarten unterliegen einer entsprechungsgesetzlichen Bewertungsanpassung. Wesentlich für den Kosteneinfluß oder die Kostenneutralität ist des weiteren die Verbindung der Abgeltung (siehe Lohnformen) mit dem Produktivitätsverlauf: So neutralisiert ζ. B. schon der lineare Akkord eine Unterproportionalität, die abgeltungskorrelativ gegeben wäre, wenn ζ. B. zwar Intensitätssteigerungen (oder umgekehrt) einträten, dies aber abgeltungsmäßig keinen Niederschlag fände. So wirkt also die Abgeltungsform auf den kostenmäßigen Ausschlag von Produktivitätsänderungen im Bereiche des Arbeitseinsatzes ein. Analoges gilt für die Sparentgelte, wobei wir im Bereiche der Kosten allerdings nur die Möglichkeit in Betracht zu ziehen haben, daß ζ. B. angesichts erwartbarer Produktivitätsänderungen aus Verfahrensanpassungsmöglichkeiten auf den Zinssatz variierend wirken kann. Alle Vorleistungsentgelte schließlich unterliegen allen eben herausgestellten Einflüssen, sowie den der drei Anpassungsformen im obigen Sinne. 21) Ordnung der grundbewertungs-pretial-indifferenten Ertrags- und Kostenanpassungsformen sozialer Leistungssysteme Wir brauchen - unter Ausschaltung der grundbewertungsmäßig-pretialen Einflüsse - nur auf die oben entwickelten drei Kognitivstufen produktivitäts-
. Abschnitt Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
korrelativer Kostenanpassungen zurückgreifen, um für die folgende Behandlung eine entsprechende Ordnung wie folgt entwickeln zu können: Ordnung kostenkorrelativer Anpassungen sozialer Leistungssysteme 1. Anpassung (Umgliederung) durch Reservemobilisierung sozialer Leistungssysteme 10. Mobilisierung von invariablen Produktivfaktoren 100. Beschäftigungsanpassung 101. Losgrößenanpassung 11. Intensitätsmäßige Anpassung 110. Intensitätsmäßige Anpassung des Invitaltyps 111. Intensitätsmäßige Anpassung des Vitaltyps 112. Intensitätsmäßige Anpassung des Kognitivtyps 12. Reservemobilisierung durch Sparsamkeit 2. Anpassung (Umgliederung) durch Kapazitätserweiterung sozialer Leistungssysteme 20. Die multiple Kapazitätserweiterung als Grenzfall oder fiktiv-gesetzliche Anpassung 21. Die Kapazitätsanpassung mit Stufenwertänderung nach dem Gesetz der Transformation 3. Die Anpassung durch Verfahrensänderung gemäß wuchsgesetzlich-substitutiver Maßnahmen 30. Wuchsgesetzliche Anpassung i m biotischen Bereich 31. Wuchsgesetzlich-substitutive Anpassung i m Bereiche geistiger Ganzheiten sozialer Leistungssysteme 310. Wuchsgesetzlich-erfindungs- und lehr- bzw. lernmäßige Anpassung 311. Verfahrensmäßig-teilinhaltliche Anpassung sozialer Leistungssysteme
In der Tat unterliegen alle Anpassungen Regeln (ggf. Gesetzmäßigkeiten), doch handelt es sich weniger um solche von Gliedern ohne, als mit Eigenleben. Daher ist es letztlich der Grad des Eigenlebens, welcher über Möglichkeit und Nutzungsweise der Anpassungsformen entscheidet. bb) Kurzanalyse der einzelnen Umgliederungsgrundformen (Anpassungsweisen) sozialer Leistungssysteme und kostenkorrelativer Folgen Wir folgen der obigen Systematik, wobei wir uns primär bemühen, zu zeigen, aus welchen Quellen Produktivitätsanpassungen folgen oder nicht entstammen können. Zum anderen deuten wir damit zugleich die produktivitätskorrelative „Kostenanpassung" soweit an, daß wir an späterer Stelle spezifisch auf diese verlauf smäßigen Gestaltformen einzugehen vermögen. 1) Die kognitiv-zeitliche
Anpassungsstuf e der Reservenmobilisierung
Wir untersuchen hier drei Formen der Umgliederung bzw. Anpassung sozialer Leistungssysteme, welche im wesentlichen, wenn auch in unterschiedlicher Weise, auf Reservenmobilisierung hinauslaufen. Sie kommen in Frage, noch ehe
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorle
363
andere Anpassungsformen in Betracht zu ziehen sind, doch begleiten sie diese in weiterer Folge. Insgesamt untersuchen wir hier drei Formen dieser Anpassung durch Reservenmobilisierung: - Beschäftigungs- und losgrößenmäßige Reservenmobilisierung - Intensitätsmäßige Reservenmobilisierung - Reservenmobilisierung durch einfache Substitution 10) Beschäftigungs- und losgrößenmäßige Reservenmobilisierung Fixe Faktoren können beschäftigt oder unter- bzw. unbeschäftigt und daher insoweit mobilisierbar, in gewisser Beziehung kostenlos einsetzbar sein. Eine gewisse Analogie besteht in bezug auf die Fixkostendeterminanten der Losgröße kraft ihrer Freisetzungswirkung von auflagenfix gebundenen produktiven Kräften. 100) Beschäftigungsanpassung als produktivitätskorrelativer Kosteneinflußund -verlaufsfaktor Nicht zuletzt im Schatten des Methodenstreits ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß Beschäftigung (Beschäftigungsgrad) ein Einsatzmaß für fixe produktive Kräfte nach Maßgabe der intendierten Leistungsabgabe (Ertrag) ist. Beschäftigung bildet daher die Ordinate, der die Erträge in der Folge der Beschäftigungsvariation auf der Abszisse gegenübertreten. Es handelt sich bei der Beschäftigungsanpassung um einen Produktivitätseinfluß durch Mobilisierung von Reserven, sei es, daß ganze Einheiten (m) zusätzlich zum Einsatz gelangen oder auch nur zeitliche Änderungen it) Platz greifen (einschließlich etwa des Überganges von Einschicht- zu Mehrschichtbeschäftigung). Wir können für diesen Anpassungsvorgang den produktivitätskorrelativen Kostenverlauf wie folgt ins Auge fassen: Beschäftigungsgrad (Nutzungsgrad)
(m,
t)
Λ Lineare Einsätze z.B. "Werkstoffe"
Fruchtbares Fixpotential
Unfruchtbares Fixpotential Abb.
25:
Ertragsgestaltung
von
"Fixpotentialen"
Es versteht sich von selbst, daß dem nutzungsbedingten Fruchtbarkeitsverlauf (genauer: Fruchtbarkeitsvoraussetzungsverlauf, wie sich noch zeigen wird) auch die fruchtbaren und unfruchtbaren Fixkostenquoten folgen (im Stückkostenbereich insbesondere als Pro- und Degressionsursachen i. e. S. zu verstehen).
364
III. Abschnitt Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Von hier leiten sich einfache Kostenverlaufsformen wie folgt ab: Stückkosten (k) = ρ + F; Gesamtkosten (JO = F + p- x(p = proportionale Kosten, F = Fixkosten) χ = Stückzahl; an die Stelle von ρ tritt ggf. v, wenn die Anpassung nichtlinear erfolgt). 101) Losgrößenanpassung als reservemobilisierender kostenkorrelativer Produktivitätsfaktor Die Losgrößenanpassung ist eine Begleit- bzw. Teilerscheinung des Gesetzes der Massenerzeugung (Cournot, Bücher). Es verbindet sich häufig mit den wuchsgesetzlichen Erscheinungen, von denen erst später die Rede sein wird. Losgrößenanpassung ist jedenfalls für sich gesehen eine Anpassungsform, die noch vor Ergreifung nachhaltigerer Umgliederung zum Tragen kommt. Es besteht in der Wirkung eine gewisse Analogie zur Beschäftigungsanpassung: Mit steigender Zahl von Leistungseinheiten (Kostenträgern) pro auflagen-fixer Mittelwidmungen, fällt mit gleicher logischer Folge wie beim Beschäftigungsgrad der auf die Leistungseinheit (die Ertragseinheit) entfallene Anteil an diesen losgrößenfixen Kosten. Es entsteht auch dermaßen ein dem Beschäftigungswirkbild entsprechender linearer Kostenverlauf. Konkret tritt diese Produktivitäts- und damit verbundene Kostenwirkung ζ. B. in bezug auf die Rüstkosten in Erscheinung, wenn diese, je nach Losgröße (innerhalb der Standzeit der Werkzeuge) auf eine unterschiedliche Stückzahl entfallen. Wesentlich ist dabei, daß eine Reservenmobilisierung dadurch stattfindet, daß sich das Verhältnis von Rüstzeit zu Stückzeit zugunsten der letzteren verändert, also mit Losgrößensteigerung korrelativ Stückzeitgewinne eintreten. Sie sind zugleich Beiträge zur Produktivitätssteigerung, da sie ja nichts kosten. Zudem tritt als zweite Wirkung natürlich eine solche in bezug auf die Rüstkosten selber in Erscheinung, da eben ζ. B. bei der Gesamtausbringung von 10 000 Stück und einer Teilung in zehn Serien die Rüstkosten lOmal, bei Teilung in zwei Serien nur zweimal und bei einer Teilung in 20 Serien eben 20mal auftreten. Eine einfache Rechnung zeigt dies wie folgt: Zehn Maschinen bei täglicher Arbeitszeit von acht Stunden/fünf Tage Rüstzeit pro Serie fünf Stunden:
400 h
a) Rüstzeit bei zehn Serien (für insgesamt 10 000 Stück)
50 h
b) Reststückzeit c) Übergang auf bloß fünf Serien, daher Stückzeitgewinn
350 h 25 h
d) Stückzeit bei fünf Serien
75 h
Produktivitätszuwachs (Kostenminderung/linear): a) Zuwachs aus Minderung der Stillstandszeit (Rüsten) ζ. B. bei einem Stundenfixkostensatz von 100 b) Rüstkosteneinsparung 25 Stunden à i o c) Produktivitätszuwachs/Kostenminderung (linear)
2 500 250 ...
2 750
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore365
Ähnliche Möglichkeiten der Reservenmobilisierung (in dem hier verstandenen Sinne) ergeben sich bei produktbezogenen Vorrichtungen, Modellen u. ä. Sie alle können zum einen als Zeitgewinne, zum anderen als kostenkorrelative Produktivitätsanpassungen (in diesem Sinne Steigerung der Ausbringung pro Zeiteinheit) aufgefaßt werden. Wesentlich ist vielleicht noch der Hinweis, daß es sich hier um eine Art Nutzgesetz nicht beliebig teilbarer Leistungen (insbesondere in letzterem Sinne) handelt. Der Verlauf ist an sich linear, im Zeitverlauf ggf. unstet (ζ. B. nachfrageabhängig). 11) Die intensitätsmäßige Anpassung gemäß des Produktionstyps Der Begriff intensitätsmäßiger Anpassung ist u. E. nicht so klar, wie dies für eine wissenschaftliche Behandlung wünschenswert wäre. Um so mehr war gerade diese Anpassungsform offensichtlich der Streitpunkt Nummer eins im Methodenstreit, wobei gerade hier vorzüglich die Lehre von den Produktionstypen („Typ A", „Typ B") ihre besondere Rolle spielte, ohne u. E. in ihrer ganzen Tragweite ausgelotet zu werden. Dabei wurde vorzüglich die Unterscheidung zwischen dem S-kurvenförmigen Produktivitäts- und Kostenverlaufstyp in der Landwirtschaft („Typ A") und dem Nichtlandwirtschaftstyp „B" gemacht, der diese S-Förmigkeit nach der Darstellung Gutenbergs zwar ebenfalls auf weist, indessen gegenüber dem Α-Typ als intensitätsmäßige Anpassung besonders unterschieden wurde. Wir wollen demgegenüber die Frage intensitätsmäßiger Anpassung insgesamt als Frage des Eigenlebens von Gliedern sozialer Leistungssysteme im Sinne der daran teilnehmenden drei Arten der Ganzheit als Anpassungstypen eigener Art verstehen und damit fürs erste die folgenden ins Auge fassen: - Den Anpassungstyp der Ganzheit ferner Ordnung (Typ der Eigenlebenslosigkeit: Invitaltyp) - Den Biotischen Anpassungstyp (Typ physiologisch-nervlich-instinktmäßiger Typ des Eigenlebens: Vitaltyp) - Den Anpassungstyp der geistigen Ganzheit (Merkmal der höheren Gefühle und des diskursiven Denkens: Kognitivtyp) Auf die Frage ihres entsprechungsmäßigen Zusammenwirkens gehen wir, wie in unserer Grundsystematik dargetan wurde, erst an späterer Stelle ein. Wir behandeln also die „Typen" im Lichte der Problematik intensitätsmäßiger Anpassung einzeln. 110) Intensitätsmäßige Anpassung des Invitaltyps Zumindest als Reminiszenz vergangener Physikunterrichtsstunden weiß jeder von uns noch den entscheidendsten Satz der Mechanik: „Was an Kraft gewonnen wird, geht an Weg verloren." Im mechanischen Bereich gibt es keine Entsprechungselastizität: Eine gegebene Last kann nur durch eine konforme Kraft bewegt, also etwa gehoben werden. Hiebei gelten die Hebelgesetze mit ih-
366
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
rer absolut rigiden Entsprechung von Einsatzkraft und Bewegung des zu bewegenden Gewichts. Ist die vorhandene Kraft geringer, so läßt sich die Diskrepanz nur ausgleichen, indem man ein bestimmtes Übersetzungsverhältnis zweier oder auch mehrerer Zahnräder (ζ. Β. 1:10) schafft, womit streng linear der zu bewältigende Weg steigt, indem im gegebenen Falle das kleine Zahnrad zehnmal gedreht werden muß, bis das angetriebene größere Zahnrad eine Umdrehung vollzieht und damit konform die Last hebt. Ein Gewinn an Arbeitskraft etwa ist völlig ausgeschlossen, Entsprechung und Produktivität sind starr. Ganz analog verhält es sich im chemischen Bereich: Gemäß der Valenz (letztlich wieder Energieladungen) der Elemente verbinden sich deren Atome zu Molekülen, also etwa immer zwei Teile Wasserstoff lH) mit einem Teil Sauerstoff (O) zu Wasser ( H 2 0 ) . Erst die Kohlenstoffchemie bringt hier einen gewissen Wandel, weil hier nicht mehr die Mengenverhältnisse allein zählen, als vielmehr die Anordnung, die Tektonik, die Gestalt, die den bloßen Mengen etwas hinzufügt, die jeweils etwas qualitativ Andersartiges darstellen, je nachdem ob die Anordnung kettenförmig, ringförmig oder ggf. auch dreidimensional von bestimmter Art ist (im Sinne der Stereoisomerie).
Betrachten wir schließlich, in etwa von dem eben Ausgeführten ausgehend, den von Gutenberg behandelten Fall der intensitätsmäßigen Anpassung eines Verbrennungsmotors mit seinem typischen S-kurvenförmigen Produktivitätsund Kostenverlauf: Offenbar geht es hier um eine Art Atmungsprozeß, nämlich die Aufnahme von Sauerstoff (O), um Kohlenstoff (C) entsprechungsgemäß zur Oxydation mit der Folge der energieliefernden Gasexpansion zu bringen. Im unteren Drehzahlbereich ist offenbar dieses notwendige (chemisch bedingte) Verhältnis ebenso gestört wie im höheren Drehzahlbereich, weshalb es nach dem Gesetz des Optimums zu einem S-kurvenförmigen Verbrauchsverlauf des Treibstoffes in Abhängigkeit zur Drehzahl und damit der dargebotenen Energiemenge pro Zeiteinheit (also einer Art Energieverdichtungsverlaufes) kommt. Zweifellos handelt es sich hier nach wie vor um den Invitaltyp, doch greifen hier schon Gesetzmäßigkeiten herein, die auch für den Vitaltyp maßgeblich sind oder sein können, was ggf. die Ähnlichkeit von Produktivitäts- und Kostenverläufen in beiden Bereichen als Grenzfall zumindest plausibel erscheinen läßt Allerdings wird man sich erst recht fragen müssen, ob S-kurvenförmige Produktivitäts- und korrelative Kostenverläufe beim „Vitaltyp" Gutenbergs („Typ A") auf intensitätsmäßige Anpassung oder eine andere (wenn eben auch im biotischen Bereich spielende) Anpassungsform zurückzuführen sind. Abschließend sei noch etwas hervorgehoben: Wenn, - wie wir glauben annehmen zu dürfen -, im Bereiche des Invitaltyps entweder überhaupt keine Intensitätsanpassungen oder doch nur als Grenzfall möglich sind, so erscheint es u. E. nicht abwegig, sich zu fragen, ob ein soziales Leistungssystem hier nicht gerade aus Gründen einer gewissen Flexibilität, also sozusagen aus einer Art gekorenem Eigenleben nicht danach trachten wird, ja nach kognitiven Gesetzmäßigkeiten (im Sinne Gutenbergs könnte man auch sagen: Produktivitäts- und Kostenverantwortungsbewußtsein der dispositiven Kräfte) eine gewisse Leistungsreserve zu halten, nicht
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
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zuletzt, um mangels einer solchen Vorkehrung ggf. intensitätsmäßig anpassungsfähigen Gliedern anderer Arten von Ganzheiten, diese Art der Anpassung nicht zu verunmöglichen. Der Betrieb ist ja eben als Ganzes ein Kognitivsystem, in welchem die - an sich im eigenen Gesetzesbereich inflexiblen Arten der Ganzheiten - eine dem Vorranggesetz des Kognitiven entsprechende Einordnung, also unter Vorsehung einer bestimmten Leistungsreserve, erfahren, war zwar keine Durchbrechung von deren Gesetzmäßigkeit, wohl aber deren Subordination unter Gesetze höherer Ordnung bedeutet. 111) Die Problematik intensitätsmäßiger Anpassung des Invitaltyps Hier liegt offenbar der klassische Fall intensitätsmäßiger Anpassung zumindest der These nach vor, wobei wir u. E. gut daran tun, zwischen zwei Grundsatzfällen zu unterscheiden: - Das (Turgotsche) Ertragsgesetz - Reservenmobilisierung durch intensitätsmäßige Anpassung im Tier- und Pflanzen- sowie im Biotikbereich des Menschen 1110) Zum Sinngehalt des (Turgotschen)
Ertragsgesetzes
Maßgeblichen Anteil an Überlegungen über einen S-kurvenförmigen Produktivitäts- und korrelativen Kostenverlauf im Landbau hat wohl ohne Zweifel das Turgotsche Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag (neben dem es noch andere und von anderen Voraussetzungen und Überlegungen ausgehende Gesetze gibt, wie etwa das Ricardosche Gesetz, worauf ζ. B. auch das Mcdthussche Bevölkerungsgesetz basiert). Es erscheint uns daher nicht abwegig, nochmals die Formulierung zu hören, um hierauf zu versuchen, hinter den Sinn zu kommen: „Wirft man Saat auf einen Boden von natürlicher Fruchtbarkeit, der jedoch nicht bearbeitet ist, so wäre diese Aufwendung fast verloren. Ist der Boden einmal gepflügt, so wird der Ertrag schon größer ünd nach zwei- und dreimaligem Pflügen nicht nur verdoppelt, sondern vervier- und verzehnfacht. Auf diese Weise nimmt der Ertrag viel stärker zu als die Aufwendungen und dies bis zu einem Punkt, in dem der Ertrag im Verhältnis zu den Aufwendungen am größten ist (Produktionsoptimum). Überschreitet man diesen Punkt durch weitere Aufwendungen, so wird der Ertrag zwar noch steigen, aber um weniger und immer weniger, bis die Fruchtbarkeit des Bodens erschöpft ist und jeder weitere Aufwand außerstandebleibt, noch etwas hinzuzufügen (Produktionsmaximum) 7 3 . M Diese Formulierung bedarf insoferne einer Korrektur, als es sich nicht um das Produktionsoptimum oder -maximum, sondern um das Produktivitätsoptimum oder -maximum handelt. Der Klang der S-Kurvenförmigkeit dieses Produktivitätsverlaufes und der damit korrelierenden Kostenanpassung ist u. E. unüberhörbar und klingt und 73
Montaner, (Ertragsgesetze), Sp. 1689.
368
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
klang wohl vielen Generationen von National- und Betriebsökonomen in den Ohren. Indessen ist es offenbar schwierig, jenen Faktor zu finden, der die Bodenarbeit zunächst immer fruchtbarer, ab einem gewissen Punkt aber wieder unfruchtbarer macht, immer gemessen an den konsekutiv sich steigernden Arbeitsmengenwidmungen. Gutenberg trägt dem Rechnung, wenn er sehr vorsichtig das von ihm so breit behandelte Ertragsgesetz schließlich mit dem folgenden Satze mehr oder weniger ad acta legt: „Wenn überhaupt das Ertragsgesetz gelten soll, dann muß vorausgesetzt werden, daß der jeweilige »Konstante Faktor4 sein Verhalten ändert, wenn die Einsatzmenge eines anderen Faktors variiert wird 74 ." Ein Boden oder Pflanzenfaktor müßte als sozusagen zu einer Intensitätssteigerung durch Darbietung eines andersartigen Faktorzuwachses angeregt werden. Den Gedanken, daß die Variation der Einsatzmenge eines Faktors sozusagen die Leistungsreserven eines anderen Faktors sozusagen anzuregen vermöchte, wollen wir als Hypothesemöglichkeit nicht in Abrede stellen, finden aber im Bereiche von Pflanze oder Tier, jedes auf sich gestellt, (auch in Verbindung mit dem Boden), keinen rechten Beispielfall. Gutenberg will u. E. - unbeschadet des großen Aufwandes für die Behandlung des „A-Typs" - letztlich, von Grenzfällen abgesehen, die S-Kurvenförmigkeit des produktivitätskorrelativen Kostenverlaufes überhaupt in den Bereich des Unbewiesenenen verweisen. Und in der hier ins Auge gefaßten Weise ist dies nicht einmal abwegig, zumindest was den bloßen Vitaltyp betrifft und nur intensitätsmäßige Anpassung als Erklärungsmöglichkeit ins Auge gef aßt wird, wie dies u. E. hier eindeutig der Fall ist: die gemeinte, wenn auch nicht geklärte Verhaltensänderurig kann doch nur Steigerung des Einsatzes des mengenmäßig konstanten Faktors sein. Wir werden an anderer Stelle u. E. eher zu einer Klärung besagter S-Kurvenförmigkeit von Produktivität und Kostenverlauf im Bereiche des Pflanzenbaues gelangen können. Nun muß man allerdings u. E. nochmals auf das Turgotsche Ertragsgesetz zurückkommen und sich fragen, worum es hiebei eigentlich geht, insbesondere ob hier ein konstanter Faktor mit Verhaltensänderung überhaupt im Spiel ist. Turgot spricht u. E. von einem Produktivitätsverlauf der Bodenbearbeitung, der sich sekundär, wenn auch letztlich intendiert, in einem Produktivitätsverlauf im Pflanzenbau ausdrücken muß. Vielleicht dürfen wir nunmehr in der Art Gutenbergs wie folgt formulieren: Wenn besagter Verlauf überhaupt eintreten soll, so muß vorausgesetzt werden, daß jeder Bearbeitungsvorgang (ζ. B. Beackerung) seine Wirkung nicht im einmaligen Anbau von Pflanzen erschöpft, sondern daß sie nachwirkt, wenn weitere Bearbeitungen im Sinne der obigen Formulierung erfolgen, der Boden also steigend lockerer wird, ggf. tiefere Erdschichten mit ihren Bodenbakterien und Nährstoffen aufgeschlossen werden und dadurch eine Steigerung des Wuchskräftereservoirs im Sinne fortschreitender Auf7 4
Gutenberg, (Produktion), S. 313 und S. 309.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore369 Schließung bislang nicht genutzter derartiger Bodenreserven erfolgt. Dies bis zu einem Punkt, ab dem keine oder nur mehr eine geringere Reservenauf Schließung mit den entsprechenden Produktivitäts- und Kostenverlaufsfolgen eintritt. In der Tat bleibt dies aber doch eher Konstruktion. Eine dieser Kostengestaltvorstellung entsprechende, jedoch eher einsichtige Erscheinung finden wir u. Ε. ζ. B. im Bergbau: Zuerst stehen den hohen Auf schließungskosten nur geringe Erträge gegenüber, die sich mit Fortschreiten des Abbaues verbessern, weil immer ergiebigere Erzadern, Flöze usw. abgebaut werden können, bis mit zunehmender Tiefe die Bringungskosten steigen und ggf. zugleich die Abbauvorkommen abnehmen. Jedenfalls ist die S-Förmigkeit des produktivitätskorrelativen Kostenverlaufes nicht weniger einsichtig als beim Α-Typ Gutenbergs.
112) Reservenmobilisierung als intensitätsmäßige Anpassung im pflanzlich-tierisch-menschlichen Vitalbereich Der Einwand der traditionellen Kostentheorie gegen den linearen Kostenverlauf stützt sich insbesondere auf Erwägungen intensitätsmäßiger Anpassung im Humanbereich, wobei allerdings nicht genügend zwischen dem Humanbereich des Biotisch-Vitalen und der Geisteskräfte unterschieden wurde. Gutenberg argumentiert gegen eine intensitätsmäßige Anpassung im Vitalbereich des Menschen mit folgenden Sätzen: „Auch die menschliche Arbeitskraft stellt einen Potentialfaktor dar, dessen Leistungsfähigkeit in unterschiedlich starkem Maße beansprucht werden kann ... Es ist schwierig, für diese Intensitätsschwankungen quantitative Maßstäbe zu finden 75." Entscheidend erscheint der Hinweis: „Im übrigen sind die Symptome und Wirkungen übersteigerter Arbeitsinanspruchnahme zu bekannt, als daß sie hier im einzelnen beschrieben werden müßten76." Es ist ersichtlich, daß Gutenberg hier oszillative Schwankungen zuläßt, die S-Förmigkeit des Verlaufes allerdings in Frage stellt, abgesehen von Momenten, die in der Anpassungsunfähigkeit in der Form der Intensitätssteigerung im Invitalbereich (Maschinen etc.) gelegen ist. Immerhin wird die Anpassungsmöglichkeit im biotischen Bereich des Menschen nicht völlig negiert, wenn auch eher als quantité négligeable behandelt. Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch hinzugefügt, daß auch im Tierbereich derartige zeitlich begrenzte Intensitätsanpassungen möglich erscheinen. Wesentlich für den gesamten Vitalbereich intensitätsmäßiger Anpassung erscheint die Frage, ob es sich hier nur um eine zeitliche Energiekonzentration mit der Folge entsprechender Energielücken und sohin nur um eine Art zeitlichen Ausgleiches handelt, der unter Umständen sogar aus noch näher zu erörternden Gründen insgesamt einen Leistungsabfall bedeutet. Nur wenn es sich um echte Vitalreserven handelt, kann eine unterschiedliche, ggf. auch S-Förmigkeit annehmende Kräftewidmungsform in Betracht gezogen werden, welche im
24
7 5
Gutenberg, (Produktion), S. 353.
76
Ebenda
Kolbinger
370
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
Sinne des genannten zeitlichen Ausgleichs von Anspannung und Intensitätsabfall in Erscheinung tritt. 113) Zur Frage intensitätsmäßiger Anpassung beim Kognitivtyp Eine reine intensitätsmäßige Anpassung im Vitalbereich (primär aber nicht ausschließlich Humanen) ist zweifellos auch eine Frage willensmäßiger Stimulierung, so daß die Frage vitaler Anpassung erst in diesem Zusammenhang einer endgültigeren Beantwortung offensteht. Was Wille vermag, zeigen nicht zuletzt Leistungen im Sport oder in Notsituationen des Menschen. Hier mobilisiert er alle seine Kräfte, um sie intensitätsmäßig und gerade intensitätsmäßig - also eben hic et nunc - zum Einsatz zu bringen. Eine solche Fähigkeit intensitätsmäßiger Anpassung wird daher im Rahmen sozialer Leistungssysteme weder ermangeln, noch geleugnet werden können. Allerdings muß man sich u. E. darüber im klaren bleiben, daß vitale Kräfte nur kumuliert, nicht jedoch eines eigentlichen Wachstums fähig sind (von Lernprozessen u.ä. abgesehen). Vitalkräfte sind also innerhalb bestimmter Grenzen kumulierbar und insoferne unter spezifischen Stimulationsbedingungen intensitätsmäßig anpassungsfähig, wobei es u. E. vom Stimulationsverlauf abhängig ist, welchen an- und abklingenden Intensitätsverlauf der Kräfteeinsatz nimmt. Er ist jedenfalls eine für das Leben sozialer Leistungssysteme wesentliche Form des Eigenlebens und damit der grundsätzlichen Anpassungsfähigkeit auf Zeit. Einen besonderen Fall stellt wohl jenes Beispiel Mellerowiczs dar, in dem es viel weniger um vitale als eher geistig-verhaltensmäßige-intensitätsmäßige Anpassung im Verlaufe von Beschäftigungsschwankungen geht, die zudem nicht zu Unrecht als stimulierend angesehen werden dürften: Intensitätsmäßige Anpassungen - mit dem Termini Gutenbergs gesprochen - im Bereiche dispositiver Arbeitsleistungen. Ist Mechanik völlig anpassungsindifferent, der Vitalbereich schon anpassungsfähiger, so ist es der Geistesbereich wohl erst recht in besonderem Maße. Hier beginnt u. E. jener Bereich, in dem nicht nur zeitliche Intensitätsausgleiche stattfinden, sondern auch Leistungssteigerungen ohne Kosten möglich erscheinen. Wir halten abschließend bezüglich der Frage intensitätsmäßiger Anpassung und Kostenkorrelation fest: 1. Die Möglichkeit intensitätsmäßiger Anpassung ist grundsätzlich eine Frage des Eigenlebens und korrespondiert daher mit den Arten der Ganzheit 2. Ist daher intensitätsmäßige Anpassung im Mechanikbereich ausgeschlossen, so erreicht sie im Kognitivbereich (auch bei dispositiven, also in unserem Sinne assoziative, organisatorische, aber auch werbliche und austauschbeziehliche Geistestätigkeiten) ihre maximale (i. d. R. indessen eher nur kurz- bis mittelfristige) Entfaltungsmöglichkeit. Im biotischen Bereich ist sie sozusagen von mittlerer Erfolgsträchtigkeit.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
371
3. Da im biotischen wie geistigen Anpassungsbereich stimulative Momente eine nicht unerhebliche Rolle spielen dürften, ist die intensitätsmäßige Anpassungsform (je nach der Abgeltungsweise mit korrelativer Wirkung auf den Kostenverlauf) von diesem Stimulationsverlauf innerhalb der Grenzen zeitweiliger Kräftekonzentration bzw. auch gesteigerter Darbietung zur dienstbaren Nutzung im wesentlichen abhängig, also ggf. als consecutio temporum von S-förmiger Gestalt, und zwar sowohl im biotischen wie geistigen Bereich; im biotischen Sektor sowohl den Natur- wie Humanbereich betreffend. 4. Viele Erscheinungen, die man mangels einer klaren Abgrenzung ggf. bisher als Frage intensitätsmäßiger Anpassung behandelte, gehören in der Tat dem eich strukturell-wuchsgesetzlicher Anpassung an, und zwar sowohl im biotischen wie geistigen Bereiche. Das Ertragsgesetz wird uns daher ebenso nochmals in dieser Betrachtungsweise wie die Frage beschäftigen, inwieweit zeitstrukturierende Formen biotischer Intensitätssteigerung (intensitätsmäßiger Anpassung) mehr Aussicht auf Erfolg haben als bloß Formen der zeitlichen Kräftekonzentrierung, häufig in der Art bloßen zeitlichen Intensitätsausgleiches, zumindest auf Dauer. 12) Reservenmobilisierung durch Sparsamkeit Der Ertragseffekt - und korrelativ die Kostenvariation - im Bereiche aller Mitteleinsätze in allen Ganzheitsartenbereichen sozialer Leistungssysteme hängt natürlich von der Sorgfalt ab, mit der diese dem Gestaltbildungs- oder Hervorbringungsziele gewidmet wird. Sparsamkeit ist im Grunde eine Vorstufe wuchsgesetzlicher Substitution insofern, als auch hier verbrauchliche Leistungen durch unverbrauchliche bzw. nichtersatznotwendige abgelöst werden: Die Sorgfalt des Umganges mit Material, Maschinen, mit Futtermitteln (im Bereiche der Biotik) kostet nichts und leistet doch, ist also produktivitätsaktiv, kann daher auch als Gewinnung von Produktivzeit aufgefaßt werden und gehört damit zu den produktivitätsbestimmenden Kosteneinflußfaktoren. Die Zeitgestalt (der Kostenkurvenverlauf), der auf diese einfache Substitution zutrifft, ist eine Frage des Stimulationsverlaufes und daher ggf. in zwei divergierenden Richtungen verlaufend: Steigende Beschäftigung und Intensität kann es notwendig machen (ζ. B. im Falle der Materialknappheit) eine besondere Sorgfalt in puncto einfacher Substitution an den Tag zu legen; umgekehrt verleitet dieselbe Ursache zu Verringerung der Sorgsamkeit und damit zu einem umgekehrten Verlauf der produktivitätskorrelativen Kostenanpassung. 2) Anpassung (Umgliederung) Leistungssysteme
durch Kapazitätserweiterung
sozialer
Man kann u. E. in der Tat rein hypothetisch zwei Formen kapazitativer Anpassung sozialer Leistungssysteme mit entsprechenden produktivitätskorrelativen Kostenanpassungsfolgen sozialer Leistungssysteme unterscheiden, wobei aller24*
372 Ι Π. Abschnitt: Einführung in die Geltungs- und Abgeltungsgrößenordnung
dings der eine Fall entweder überhaupt als fiktiv oder jedenfalls nur innerhalb engster Grenzen als möglich, der andere hingegen als der eigentliche Fall kapazitativer Umgliederung aufgefaßt werden kann. Wir unterscheiden in diesem Sinne folgende zwei Formen: - Die von Gutenberg so genannte multiple Kapazitätserweiterung - Die Kapazitätsänderung (Erweiterung) nach Maßgabe bzw. der Folge von Stufenwertänderungen 20) Die multiple Kapazitätserweiterung als Kostenanpassungsform sozialer Leistungssysteme Wir greifen hier auf die Meinung Gutenbergs zurück, es sei wegen der „... fast vollständigen Übereinstimmung der betriebstechnischen Vorgänge bei der Beschäftigungs- und der Betriebsgrößenvariation multipler Art ... nicht angebracht, ... die scharfe Zäsur zwischen Beschäftigungs- und Betriebsgrößenvariation aufrechtzuerhalten, wie das heute in der Theorie noch weitgehend üblich ist" 77 . Zweifellos geht es hier um eine Form des Größenwachstums sozialer Leistungssysteme (allerdings nicht wuchsgesetzlicher Art in unserem noch darzulegenden Sinne), die gewissermaßen als additive Kapazitätserweiterung, und zwar nach Gutenberg ganz im Sinne der Variation von „m"(nicht von „O aufgefaßt werden müßte: Erhöhung der Zahl gleichartiger Maschinen (bzw. Aufrechterhaltung der Maschinenartenproportionen), gleichartiger biotischer Einheiten (ζ. B. in der Tierhaltung) und ebenso gleichartiger Menschen. Wir werden in der Folge zu prüfen haben, ob es eine derartige Kapazitätserweiterung gibt, können aber hier noch festhalten, daß eine reine Addition von Teilkapazitäten keine Produktivitätsänderung nach sich zöge, womit in der Tat die reine Kostenlinearität in Analogie zur beschäftigungsmäßigen Anpassung die Folge wäre. Vom streng wissenschaftlich-logischen Standpunkt ist dies allerdings u. E. rein fiktiv, wenn praktisch ggf. tolerierbar. 21) Produktivitätsbezogene Stufenwertänderung bei kapazitativer Anpassung sozialer Leistungssysteme und Kostenverläufe Wir haben hier prinzipiell auf unsere Ausführungen zur allgemeinen Wirtschaftsmorphologie (Vorlesung Nr. 2) zurückzugreifen und können daher festhalten, daß sich mit kapazitativer Änderung sozialer Leistungssysteme im Bereiche der jeweiligen Transformationspunkte entsprechende Stufenwertänderungen in allen Teilbereichen, insbesondere aber den gestaltbildenden ergeben, und zwar in spezifisch signifikanter Weise, nachdem der Transformationsprozeß zunächst mit nur geringfügigeren, wenig markanten derartigen „Stufenwertänderungen" seinen Ausgang genommen hat. Wir unterscheiden in der Folge grund77
Gutenberg, (Produktion), S. 413.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore
373
sätzlich zwischen den Stufen W e r t ä n d e r u n g e n im Bereiche der gestaltbildenden Funktionen zum einen und der hervorbringenden Funktionen zum anderen. 210) Produktivitätsbezogene Stufenwertänderung bei kapazitativer Anpassung im Bereich der gestaltbildenden Funktionen Wir skizzieren kurz nach Prägnanz und Relevanz die Stuf en wertänderungen sozialer Leistungssysteme bei kapazitativer Anpassung, die den Bereich der minimalen Ingerenz überschreitet vorzüglich mit den Mitteln, die uns literarisch für die einzelnen Teilbereiche zur Verfügung stehen und daher sozusagen als Beweismittel in Betracht gezogen werden dürfen und überdies für jedermann überprüfbar sind. Wir greifen zunächst den in der Organisationsliteratur verankerten Gesichtspunkt auf, den man als Gesetz der Stufenwertänderung der Organisation bei kapazitativer Anpassung bezeichnen kann und wofür H. Fayol verbindlich zeichnet. Er formuliert so: „Wenn wir das Verhältnis von fünfzehn Arbeitern auf einen Meister und von vier leitenden Angestellten einer beliebigen Rangstufe Cn auf einen höheren leitenden Angestellten der Rangstufe Cn+1 zugrundelegen, so würde sich folgende Arbeiterzahl für die verschiedenen Unternehmungen ergeben: C C 1 .. ; C 2
15 60 240 usw."
Man könnte sich unter dieser Kognitivgesetzlichkeit einen Mittelbetrieb im reinen Fertigungsbereich wie folgt vorstellen: Arbeiter Meister Obermeister Betriebsleiter Gesamtleiter
960 64 16 4 1
„Diese Ziffern - die eine geometrische Progression mit dem Anfangsglied fünfzehn und dem gemeinschaftlichen Faktor vier darstellen - führe ich an, u m zu zeigen, daß die gewöhnliche Entwicklungsform der Gemeinschaft sich der Zusammenstellung irgendeiner Anzahl von Arbeitskräften gut anpaßt und daß die Zahl der Rangstufen der größten Unternehmung ziemlich begrenzt ist 78 ·"
Wir können aus dem soeben Ausgeführten u. E. zumindest einige Folgerungen ziehen, die besagen: 1. Eine reine multiple (additive) Kapazitätserweiterung (Betriebsgrößenerweiterung) sozialer Leistungssysteme scheidet aus. Es ändert sich jeder einzelne Bereich in seiner (noch aufzuzeigenden) Weise, die Organisation zumindest in der eben aufgezeigten Weise. Art (Stufenwert) und Zahl, der stufenmäßigen Koordinationsstellen wandeln sich in strukturgesetzlicher Weise nach Maßgabe des Gebildegrößenwachstums. Unterstellt man eine
7 8
15.
Fayol, (Verwaltung), S. 45 ff.; auf der Meisterebene beträgt der Vervielfältigungsfaktor
374
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
reihe multiple Anpassung, so bedeutet dies die Anerkennung intensitätsmäßiger Anpassung. Auch diese ist nur in Grenzen, also i m Indifferenzbereich kapazitativer Anpassung möglich, jedenfalls denkbar. 2. Eine nähere Kennzeichnungsmöglichkeit neben dem soeben Angeführten ist noch der Hinweis, daß es sich grundsätzlich um eine längerfristige Anpassung handelt, wobei i m Sinne Gutenberg s immer eine „m-Anpassung" (plus der Strukturwandlung) vorliegt (die ^-Anpassung also hier nicht in Betracht kommt). Als n ä c h s t e n m a r k a n t e n u n d l i t e r a r i s c h n a c h g e w i e s e n e n A n p a s s u n g s b e r e i c h
Bereich der Assoziierung, Oppenheimer) i n B e t r a c h t z i e h e n
m i t Stufenwertänderung erkennen w i r natürlich den f ü r d e n m a n das
Gesetz der Transformation
(F.
k a n n , j a m u ß . E s besagt i n K ü r z e , d a ß sich m i t d e r K a p a z i t ä t s a u s w e i t u n g sozialer L e i s t u n g s s y s t e m e d e r e n
Assoziierung s form
s i e r e n d e n Assoziierungskosten
u n d d a m i t d i e diese c h a r a k t e r i -
ändern. W i r können daher - betrachtungsmäßig
i n d e r Abfolge E i n z e l u n t e r n e h m u n g - Personalgesellschaften - Kapitalgesellschaften ( m i t weiteren Differenzierungen i m Sinne unserer Ausführungen zur A s s o z i i e r u n g s f u n k t i o n ) - folgende A s s o z i i e r u n g s a n p a s s u n g s m o m e n t e u n d kos t e n k o r r e l a t i v e Anpassungsfolgen i n s Auge fassen: 1. Anpassung der spezifisch assoziationsformenabhängigen Assoziationsleistungen in Ansehung der Qualifikation ihrer Träger und der entsprechenden Abgeltungsfolgen. 2. Anpassung mitgliedschaftlicher
(insbesondere steuerlicher) Abgeltungen.
3. Anpassungen in der assoziationsspezifischen Konsensqualität und zwar: a) Grundsätzlicher Übergang von gemeinschaftlicher zu gesellschaftlicher (ggf. sogar darunter liegender) Konsensqualität (daher ζ. B. Überlegenheit der Familienpension gegenüber dem Großhotel, und zwar qualitativ wie ζ. B. nach Art intensitätsmäßiger Anpassung) b) Änderung der Willensbildungsform, insbesondere als Kriterium der Führungsformen (Alleinführung bis Kollegialführung), nicht zuletzt auch als Frage der Mitbestimmungskosten 4. Auftreten spezifisch assoziationsformenabhängiger sonstiger Kosten (ζ. B. Kosten der aktienrechtlichen Pflichtprüfung). W e s e n t l i c h ist, d a ß sich n u r e i n T e i l assoziationsspezifischer
Kostenanpas-
s u n g e n a u c h z i f f e r n m ä ß i g e i n d e u t i g erfassen läßt, w ä h r e n d d i e ü b r i g e n W i r k u n gen ü b e r s G a n z e gehen.
211) D i e F r a g e p r o d u k t i v i t ä t s b e z o g e n e r S t u f e n w e r t ä n d e r u n g b e i k a p a z i t a t i v e r Anpassung in den Hervorbringungsbereichen N a t ü r l i c h s i n d a u c h n o c h F r a g e n der S t u f e nw e r t ä n d e r u n g i n d e n H e r v o r b r i n g u n g s b e r e i c h e n sozialer L e i s t u n g s s y s t e m e b e i K a p a z i t ä t s e r w e i t e r u n g w i e folgt ins Auge z u fassen: 1. H i e r ist w o h l a m ehesten d i e B e z e i c h n u n g m u l t i p l e K a p a z i t ä t s ä n d e r u n g zut r e f f e n d , d a j a ζ. B. v o r a u s s e t z b a r ist, d a ß m a n i n d e r T a t n u r eine größere Anz a h l v o n F e r t i g u n g s m a s c h i n e n v e r w e n d e n w i r d , n a c h d e m m a n d i e gestaltf u n k t i o n e l l e A n p a s s u n g vollzogen hat. D i e s gilt n a t ü r l i c h i n g e w i s s e m M a ß e a u c h f ü r d i e b e i d e n a n d e r e n Bereiche, e b e n V e r k e h r s w e s e n u n d Lagerhai-
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore375 t u n g s w e s e n u n d d e r e n K o s t e n a n p a s s u n g . Sie w i r d i n der T a t d e r M e n g e n a n p a s s u n g ( B e s c h ä f t i g u n g s a n p a s s u n g „ m l a m e h e s t e n e n t s p r e c h e n u n d insof e r n e als a d d i t i v (bzw. m u l t i p l ) c h a r a k t e r i s i e r b a r sein. 2. E i n M o d e l l f a l l f ü r das e b e n Gesagte w a r e n d i e i m F r ü h k a p i t a l i s m u s auftret e n d e n M a n u f a k t u r e n , i n d e n e n i m w e s e n t l i c h e n n u r eine A g g r e g i e r u n g ehed e m v e r e i n z e l t e r P r o d u z e n t e n erfolgt. M a n m u ß allerdings i m w e i t e r e n i n Bet r a c h t ziehen, d a ß v o n d e r b l o ß k a p a z i t a t i v e n A n p a s s u n g d e r A n s t o ß z u r w u c h s g e s e t z l i c h - s u b s t i t u t i v e n A n p a s s u n g erfolgt, n i c h t z u l e t z t u n t e r
dem
D r u c k d e r d i e bloße K a p a z i t ä t s a u s w e i t u n g b e g l e i t e n d e n K a p a z i t ä t s a u s w e i t u n g s k o s t e n . D a m i t a b e r verlassen w i r diese F o r m d e r kostenbeeinflussend e n k a p a z i t a t i v e n A n p a s s u n g i n R i c h t u n g a u f d i e nächste, i m ü b r i g e n u. E . wesentliche Art produktivitätskorrelativer Kostengestaltung.
3) Anpassung sozialer Leistungssysteme Verfahrensänderungen
gemäß wuchsgesetzlich-substitutiver
Wuchsgesetzliche (substitutive) Anpassungen i m Sinne der nachfolgenden A u s f ü h r u n g e n b e r ü h r e n ausschließlich d e n t e n ) w i e d e n geistigen
biotischen
(insbesondere n a t u r h a f -
B e r e i c h b z w . d i e e b e n g e n a n n t e n A r t e n v o n G a n z h e i t e n als
i n t e g r i e r t e S u b s y s t e m e sozialer Leistungsgebilde.
30) W u c h s g e s e t z l i c h e p r o d u k t i v i t ä t s k o r r e l a t i v e K o s t e n Verläufe i m biotisch-naturhaften Bereich W u c h s g e s e t z e s i n d Zeitgesetze,
g e n a u e r Zeitgestaltgesetze, k r a f t d e r e r sich
U m g l i e d e r u n g e n , U m b i l d u n g e n d e r i n sozialen L e i s t u n g s s y s t e m e n z u s a m m e n w i r k e n d e n A r t e n d e r G a n z h e i t vollziehen. W i r fassen i m gegebenen Z u s a m m e n h a n g z w e i als Beispiele - p a r s p r o t o t o - ins Auge. Die
Wuchsgesetze
des P f l a n z e n b e r e i c h e s b e d e u t e n u. E . insbesondere eine zeit-
liche K o r r e l a t i o n s a u f g a b e v o n W u c h s s t o f f d a r b i e t u n g u n d Zeitstelle i m Pflanz e n w u c h s a b l a u f . W i r d d e r b e n ö t i g t e N ä h r s t o f f n i c h t z u r r i c h t i g e n Zeit, also a n d e r p f l a n z e n w u c h s g e s e t z l i c h r i c h t i g e n Zeitstelle geboten, so geht j e n e r T e i l dieses N ä h r s t o f f e s u n d z u g l e i c h i n e n t s p r e c h e n d e r W e i s e d e r Z u w u c h s a n Pflanz e n s u b s t a n z verloren, d e r b e i zeitgerechter N ä h r s t o f f z u f ü h r u n g gegeben gewesen w ä r e . E i n E r k l ä r u n g s m o d e l l wuchsgesetzlich-biotischer Art wollen w i r i n der Folge f ü r d e n B e r e i c h d e r T i e r z u c h t ins Auge fassen. E s geht u n s d a b e i u m d i e F r a g e der zeitstellengebundenen unterschiedlich günstigen Nährstoffnutzung
im
T i e r k ö r p e r . D a b e i w i r d als gegeben vorausgesetzt, d a ß b i o t i s c h e (zerebrale) S t e u e r u n g s k r ä f t e d e n W u c h s v e r l a u f i n b e s t i m m t e r W e i s e i m S i n n e eines E n t faltungsverlaufsgesetzes steuern. U m sich e i n e n d e r a r t i g e n w u c h s g e s e t z l i c h e n Verlauf vorstellen zu können, konstruieren w i r die nachfolgende Tabelle auf der G r u n d l a g e eines a n g e n o m m e n e n (indessen z u g l e i c h z u m i n d e s t i m P r i n z i p gelt e n d e n ) physiologisch z e r e b r a l e n
Wuchsregulativs
bzw.
Wuchsfaktors.
376
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Futterverbrauch in Kilogramm
Zeitstelle
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Monat Monat Monat Monat Monat Monat Monat Monat Monat Monat
Gesamt
Zuwachs („Ertrag")
10 15 15 20 20 30 30 30 20 20
5 10 10 20 20 20 20 15 5 0
210
125
Unter dem Gesichtspunkt des Bestehens eines derartigen Wuchs- und Wachstumsregulativs findet u. E. das Ertragsgesetz eine zumindest annehmbare kognitive Erklärung in der Form des folgenden Produktivitäts- und damit korrelierenden Kostenverlaufs:
Abb.
26:
Wuchsgesetzlicher
Ertragsverlauf
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore377
31) Wuchsgesetzlich-substitutive Anpassung im Bereiche geistiger Ganzheiten sozialer Leistungssysteme Geistige Wuchsgesetzlichkeiten bestimmen den Anpassungsverlauf, die zeitliche Anpassungsform geistiger Ganzheiten in sozialen Leistungssystemen (mit ihrer erst später zu behandelnden Integration aller Arten von Ganzheiten als Bereiche der „Gezweiung h. O"). Von Substitution als Inhalt dieser Wuchsvorgänge sprechen wir im Sinne der Ablösung verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen als den eigentlichen Träger von Produktivitätsänderungen kraft Auftretens kostenloser Wirkfaktoren mit entsprechenden, am Maß der verbrauchlichen Leistungen gemessenen wuchsgesetzlichen Ertragsverläufen im Bereiche der geistigen Ganzheiten sozialer Leistungssysteme. Wir werden in der Folge diesen Ersatzvorgang und seine kognitive Verlaufsform als solche ins Auge fassen. Hernach gehen wir auf die Bereiche dieser Ersatzvorgänge ein, zunächst im allgemeinen, anschließend in Ansehung besonders markanter Fälle strukturell-substitutiver Produktivitäts- und Kosteneinflußfaktoren. 310) Wuchsgesetzlich-substitutive Anpassungsgrundlagen und -formen Wir haben davon auszugehen, daß wuchsgesetzlich-substitutive (produktivitätsaktive) Anpassungen in sozialen Leistungssystemen aus einem Zusammenwirken von Natur- und Geisteskräften hervorgehen. 3100) Die Natur als Ersatzlieferant für ersatznotwendige Leistungen Die Gewinnung von Naturkräften für menschliche Zwecke ist zweifellos die eine wesentliche Quelle des Produktivitätsfortschrittes durch Ablösung ersatznotwendiger von nichtersatznotwendigen Leistungen, und zwar wie folgt: Zunächst gilt dies für die unbelebte Natur, die zwar als solche keine Wachstumsfähigkeit besitzt, dafür aber um so mehr dem Menschen zur Grundlage dient, sie sozusagen mit Wuchskraft auszustatten. Sie dient ihm ζ. B. als Energieträger: Der Mensch macht sich ζ. B. die Wasserkraft nutzbar, um damit den freigesetzten Kräfteteil anderen Zielen zuzuwenden. Hat er daher ζ. B. bislang selbst Energie produzieren müssen (d. h. verbrauchlich-ersatznotwendige Kräfte einzusetzen gehabt), so befreit ihn hievon die nichtersatznotwendige-nichtskostende Wasserkraft. Ob dies im weiteren nur die Sonnenenergie, Atomenergie sein wird, welche diesen produktivitätsmäßigen Wachstumsvorgang übernehmen wird, ändert sich am Grundsätzlichen: Immer geht es um den Ersatz verbrauchlich-entgeltlicher durch unverbrauchlich-unentgeltliche Leistungen. Man könnte daher schon hier ganz prinzipiell festhalten: Produktivitätsänderung und kostenkorrelative Anpassung vollzieht sich in Ausmaß und Rhythmus (stetig, mutativ) nach Art und Umfang des Ersatzes verbrauchlicher Leistungen (entgeltlicher) durch unverbrauchliche (unentgeltliche) Leistungen. Was oben bezüglich der unbelebten Natur gesagt worden ist, gilt auch unter gewissen Modifikationen für den b io tischen Bereich: Das Futter des göppeldre-
378
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
henden Ochsen kostet eben weniger als die Nahrung eines Menschen, der Gleiches tun würde, ganz abgesehen von dem darüber hinausgehenden Nutzentgang in anderen Verwendungsbereichen („Opportunitätskosten"). 3101 Die Gestaltung gesellschaftlicher Kräfte und das menschliche Erfinden und Lehren als geistige Wuchskräfte Schon Marx setzte die kraft Organisation gewonnenen Schöpfkräf te des „produit net" eine „Naturkraft", den obigen gleich, allerdings nur insofern, als auch sie, einmal gewonnen, keines Ersatzes mehr bedürfen und insoferne auch keine Kosten verursachen, also Nettoproduktivkräfte darstellen. Die am Beispiel der organisatorischen Strukturierung dargelegte Gewinnung unverbrauchlicher Leistungen gilt natürlich für die gesamte soziale Gestaltbildung insoferne, als auch hier neue Kräfte durch Fortschritte in diesen Bereichen, sei es der Werbung, der Assoziation, der Organisation oder im Austauschbeziehungswesen möglich werden. Naturkräfte und novatorische Gestaltbildung sozialer Leistungssysteme sind somit die Quellen, aus denen nichtersatznotwendige Produktivkräfte mit ihren kostenkorrelativen Wirkungen stammen. Sowohl die Kräfte der Natur wie die Zuwächse an gestaltbildenden produktiven Kräften entstammen zwei Bereichen menschlicher Tätigkeit, die sich in unterschiedlicher Weise - letztlich aber selbst schon gestaltbildnerischen Formen folgend - auf verschiedene Gruppen von Leistungsträgern sozialer Leistungssysteme verteilen: Den „produit net" grundsätzlicher Art stiftet wohl der Bereich des Erfindens als Subleistungsbereich aller gestaltbildenden und hervorbringenden Funktionen. Hier wird Versenkung, Eingebung, Ideengewinnung zur Quelle von Leistungen, die in der Folge mehr keiner Reproduktion bedürfen und daher ein „Nettoprodukt" liefern, das - abgesehen von der Kürzung durch den auf die zur Nutzung dieser un verb rauchlichen Leistungen entfallenden Abgeltung für das Sparen (Zins) - eine entsprechende Veränderung des Input-output-Verhältnisses insoferne bedeutet, als der Ertragssteigerung keine konforme Steigerung des Einsatzes verbrauchlich-entgeltlicher Leistungen entspricht. Ähnlich verhält es sich u. E. mit dem Bereiche des Lehrens und Lernens, weil hier ebenfalls produktive Kräfte geschaffen werden, die über die verbrauchlich-entgeltlichen Einsätze der Lehrenden und Lernenden hinausgehen. Was nunmehr den Wuchsverlauf erfinderisch lehr- und lernmäßiger Produktivitätszuwächse und damit korrelierender Kostenverläufe betrifft, so scheint es uns um eine Art S-kurvenförmigen Produktivitäts- und korrelativen Kostenverlauf insoferne zu gehen, als in beiden Fällen, i. d. R. zunächst verhältnismäßig geringe Erfolge, gemessen am Einsatz (ζ. B. den Entwicklungsstunden und/oder -kosten bzw. analog den Lehr- und Lernstunden bzw. -kosten), eintreten dürften, um sich nach Erreichen einer gewissen Basisqualität in gewisser, fast sprunghafter Art zu steigern, um nach Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstan-
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore379
des (der Erfindung sowie des durch Lehren und Lernen geschaffenen neuen Wissens und Könnens) wieder eine rückläufige Tendenz in Ansehung des Verhältnisses von Einsatz und Ertrag zu erleiden. Man kann darin eine Entwicklung erkennen, die ggf. darauf hinausläuft, zunächst nur geringe Überschüsse an un verb rauchlichen Kräften gegenüber den zu ihrer Gewinnung auf gewendeten Einsätzen zu erzielen, die sich hernach steigern, um dann wieder, nach Erreichung einer Schwelle, die auf das maximale Lern- und Erziehungswachstum zuläuft, sich immer stärker zu vermindern, bis ggf. der Zuwachs an verbrauchlichen Leistungen zur Gewinnung gesagter unverbrauchlicher Leistungen diese zu übersteigen beginnt (ζ. B. Überspitzung in der Verfahrensverfeinerung von Maschinen und Geräten als einer Art technischer Selbstzweckbetätigung, oder entsprechende Überspitzungen im Ausbildungsprozeß). Diesem Verlauf des Verhältnisses eingesetzter verbrauchlicher Leistungen zur jeweils gewonnenen Menge unverbrauchlicher Leistungen bestimmt auch den produktivitätskorrelativen Kostenverlauf des Erfindens und Lehrens. Man könnte sich dabei auf der Ordinate ζ. B. die Stundenzahl des Lehr- und Lernprozesses aufgetragen vorstellen, denen auf der Abszisse die „Lehr- und Lernerträge" in Form von Qualifizierungsmarken (von nicht genügend - in einem wohlverstandenenen Sinne - beginnend, sich hernach zuerst langsam, dann schneller verbessernd, um sich hernach wieder zur verlangsamen, etwa im Hinblick auf die Zensur überragend). In Ansehung der Erfindungs- und Entwicklungsproduktivität könnte man sich eine analoge Gegenüberstellung der einander folgenden Erfindungsaufwände pro Projekt und der diesem entsprechenden präsumtiven Kosteneinsparungen als Projekterträge vorstellen. Wesentlich ist dabei, diese Abfolge als nicht beliebige Zeitfolge, also eben als entwicklungs- bzw. geistig-wuchsgesetzlich in Betracht zu ziehen. 311) Grundbereiche geistig-wuchsgesetzlicher AnpassungsVorgänge sozialer Leistungssysteme und produktivitätskorrelativer Kostenverläufe Alle oben in Betracht gezogenen allgemeinen wuchsgesetzlichen Ersatzvorgänge verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen vollziehen sich in den gestaltbildenden und hervorbringenden Teilbereichen sozialer Leistungssysteme, bedeuten also Teilbereichsverfahrensanpassung produktivitätskorrelativer Kostenverlaufsgestaltung. Wir fassen diesen Tatbestand zunächst übersichtsmäßig, hernach in Form weniger konkreter Einzelbeispiele ins Auge. 3110) Überblick über teilbereichsmäßige Verfahrensänderungen und produktivitätskorrelative Kostenverläufe sozialer Leistungssysteme Jeder Teilbereich sozialer Leistungssysteme hat seine spezifischen Verfahrensänderungen mit entsprechenden Produktivitäts- und Kostenverlaufswirkungen. Es ist natürlich sachbedingt unmöglich, etwa bestimmen zu wollen, welche produktivitätsgestaltenden Maßnahmen dort im einzelnen zu vollziehen wären, da dies einfach die Zukunft antizipieren hieße. Wir können daher im ei-
380
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
gentlichen Sinne nur beispielhaft allgemeine mögliche Tendenzen derartiger Verfahrensänderungen wie folgt ins Auge fassen: 1. Produktivitäts- und kosten verlaufsbestimmende Verfahrensänderung i m Bereiche gestaltbildender Funktionen 1.1. WerbeverfaJirensänderung (insbesondere Abgehen von der Werbung gemäß Konstanzhypothese zugunsten eines ganzheits- und gestalttheoretischen Werbeverfahrens). 1.2. Assoziierungsverfahrensänderung (Dies kann sich ggf. mit dem Größen Wachstum und ihren Folgen decken, kann aber auch selbständiger Natur sein: Änderung ζ. B. des Arbeitsverhältnisses von einem Schuldverhältnis in ein gesellschaftsähnliches Verhältnis). 1.3. Organisationsverfahrensänderung (Hier geht es nicht allein u m Stufenwertänderungen, sondern ζ. B. u m den grundsätzlichen oder auch nur teilweisen Ersatz der Theorie X durch Theorie Y). 1.4. Austauschbeziehungsverfahrensänderung (Hier wäre u. U. an die Ablösung des traditionellen, durch das der Marketing-Konzeption entsprechende Verfahren zu denken. I n weiterer Folge geht es natürlich auch u m die Substitution marktlicher durch mitgliedschaftliche Austauschbeziehungsgestaltung, z.B. den Eintritt eines Handwerkers in eine genossenschaftliche Einkaufs- oder Absatzgenossenschaft). 2. Produktivitäts- und kostenverlaufsbestimmende Verfahrensänderung i m Bereiche der Hervorbringung 2.1. Erzeugungsverfahrensänderung (ζ. B. Maschine gegen Handarbeit, Automat gegen Maschine ausgetauscht; ggf. auch ζ. B. aus Gründen der Geschmacksänderung rückläufige Bewegung). 2.2. Lagerhaltungsverfahrensänderung (ζ. B. Einführung von Kühlverfahren, u m Produkte lagerfähig zu machen, die vordem ad hoc verkauft werden mußten). 2.3. Verkehrsverfahrensänderung (ζ. B. Energieartenänderung, Fahrzeugartenänderung, Substitution von Schienenverkehr durch Lastwagenverkehr und umgekehrt etc., Auffindung neuer Verkehrswege zur Minderung der Verkehrskosten).
3111) Beispielsfälle produktivitätsmäßiger Verfahrensänderungen und kostenkorrelativer Anpassungen Um die unmittelbare Anschauung von produktivitätsmäßig relevanten Verfahrensänderungen mit korrelativen Kosten- bzw. Kostenverlaufswirkungen zu erhöhen und das oben Ausgeführte zu verdeutlichen, wie in seiner konkreten Erscheinungsweise und Bedeutung einer Klärung zuzuführen, greifen wir in der Folge zwei konkrete Beispiele verfahrensmäßig-produktivitäts-korrelativer Kostenverlaufsgestaltung heraus. 31110) Werbeproduktivitätskorrelative Kostenanpassungen und
-Verläufe
Das produktivitäts- und kostendeterminierende Werbeverfahren sich durch zwei Momente:
bestimmt
1. Die Art des Werbemittels (Bild, Schrift, Theatrik usw.) 2. Den Werbemittelaufbau und den Werbemitteleinsatz nach summativen oder ganzheitlich-gestalttheoretischen Prinzipien.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore
381
Wir beziehen uns in der Folge nur auf das wissenschaf tstheoretisch-differenzielle Werbeverfahren. 311100) Produktivitätskorrelativer Werbemitteleinsatzkostenverlauf nach dem Quadratwurzelgesetz der Aufmerksamkeitswirkung Es geht hier um die Korrelation von Größe und Aufmerksamkeitswert von Werbemitteln. Obwohl es sich um kein Kognitivgesetz handelt, wollen wir daran ein produktivitätskorrelatives Kostenverlaufsaxiom erproben und darstellen. Es geht hier um die Frage, „... um wieviel eine Anzeige größer sein muß, wenn sie ein Mehr an Beachtung erreichen soll"79. Die Antwort darauf versucht das Quadratwurzelgesetz der Aufmerksamkeitswirkung. „Bei der Suche nach festen Relationen sind amerikanische Werbepsychologen offenbar vom, Weber-Fechnerschen Grundgesetz* ausgegangen, wenn sie auch nicht direkt Bezug darauf nehmen. Danach bewirkt das Anwachsen der Reizstärke (hier Größenzunahme, J. K.) in geometrischer Reihe eine Zunahme der Empfindungsstärke (hier Aufmerksamkeitswirkungsverlauf) in arithmetischer Reihe. I n Abwandlung auf die Beziehung zwischen Werbemittelgröße und Aufmerksamkeit ergibt sich folglich, daß die Vergrößerung eines Werbemittels zwar eine Zunahme der Aufmerksamkeit zur Folge hat, die Aufmerksamkeit jedoch nicht in gleichem Maße zunimmt wie die Werbemittelfläche. »Attention value varies as the square root of space' (Quadratwurzelgesetz der Aufmerksamkeitswirkung) 8 0 . 0
Setzt man Einsatz (Größe) und Ertrag (Aufmerksamkeitswirkung, Aufmerksamkeitswert) miteinander in Verbindung, so kann man die beiden folgenden Beziehungsausdrücke graphisch ableiten81: Kosten
Abb.
(Werbemittelgröße
27:
in
Seiten)
Empirischer Verlauf und Werbe-"Ertrag"
von Werbemitteleinsatz(Größe) (Aufmerksamkeitswerbung)
79 Jacobi, (Werbepsychologie), S. 109. βο Ebenda, S. 109 f.
382
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Einsatzgrößenverlauf
Abb.
28:
Empirischer Ertragsverlauf mitteln (Quadratwurzelgesetz wirkung)
beim Einsatz von Werbeder Aufmerksamkeits-
Korrelation von Größe und Aufmerksamkeitswert gemäß empirischer Versuche (Befragung von Versuchspersonen) nach H. Pielite (Zahlen von Jcucobi) 82
Wenn man „... aus diesen Zahlen (Graphiken, J. K.)... auf einen ... Aufmerksamkeitszuwachs beim Übergang vom jeweils kleineren zum jeweils größeren Inserat..schließen kann, so handelt es sich dabei um eine Produktivitätsbeziehung, also um einen produktivitätskorrelativen Kostenverlauf. Und wenn die Zuwächse an Aufmerksamkeit im Vergleich zu den Flächenzuwächsen (gleich Einsatz- bzw. Kostenzuwächsen, J. K.) unterproportional steigen..und man davon ableitet, es zahle „... sich die Vergrößerung des Werbemittels nicht genügend aus ...", so kann man das „Quadratwurzelgesetz der Aufmerksamkeitswirkung" auch als „Gesetz vom abnehmenden Aufmerksamkeitsertrag der Werbemittelvergrößerung " (unbeschadet aller noch bestehenden Kontroversen) zumindest formell bezeichnen83. Dabei ist ersichtlich, daß die Zuwächse zunächst langsam einsetzen, dann stark steigen, um in der Folge jedoch weniger abzunehmen, so daß das Bild eines S-förmigen produktivitätskorrelativen Kostenverlaufs nicht von der Hand zu weisen ist. Dies bedingt einen U-förmigen 31 Ebenda, S. 110. 82
Jacobi, (Werbepsychologie), S. 111.
83
Ebenda.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore383
Grenzertrags- und korrelativen Grenzkostenverlauf. Neben Größe ergeben sich Fragen produktivitätskorrelativer Kostenverläufe in Ansehung der Werbemitteleinsatzmomente Placierung und Wiederholung. 311101) Substitutionsbeziehungen zwischen Werbemittelstrukturierung und Werbemitteleinsatz als Kostenanpassungsmomente Geht es oben um produktivitätskorrelative Kostenverläufe im Bereiche des Werbemitteleinsatzes, so muß natürlich in weiterer Folge untersucht werden, inwieweit die Werbemittelstrukturierung Werbemitteleinsatzleistungen und damit verbundene Kosten zu substituieren, also ggf. unverbrauchlich-abgeltungsindifferente Leistungen zu ersetzen vermag. Wir greifen hier zum einen wieder auf Jacobi zurück, zum anderen wollen wir eigene empirische Unterlagen auswerten. 3111010) Substitutionstheoretische Erwägungen zum Verhältnis von Werbemittelstruktur- und Werbemitteleinsatzkosten Jacobi trifft folgende Überlegungen über Substitutionsbeziehungen zwischen qualitativen Wirkungsfaktoren der Werbung (Inhalt und Form) und quantitativen Wirkungsfaktoren (Werbemitteleinsatz): „1. Der Faktor,Größe' ist in gestaltpsychologischer Sicht nicht so wirksam wie die Gestaltfestigkeit eines Werbemittels oder dessen wiederholte Exposition. 2. Besondere Aufwendungen für ,Vorzugsplätze' sind in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt, denn nach gestaltpsychologischer Auffassung hängt die figürliche Aussonderung eines visuellen Werbemittels mehr von dessen Gestaltfestigkeit als von der Placierung ab. 3. Dagegen ist die Wiederholung des Werbemitteleinsatzes - wenn auch die »Einpaukwerbung* oder ,Holzhammerreklame' von der modernen Psychologie abgelehnt wird, durchaus notwendig. Die Wirkung der Wiederholung wird jedoch unzulänglich bleiben, wenn ein Entwurf keine Prägnanz besitzt. Je weniger prägnant ein Werbemittel in formaler und in inhaltlicher Hinsicht wirkt, um so häufiger muß es eingesetzt werden, bis das Werbeziel erreicht ist84." Greifen wir - nur des Beispiels wegen - Größe als Einsatzfaktor heraus, so treffen wir auf folgenden, den Zusammenhang von Anzeigengröße und Aufmerksamkeitswert betreffenden kosten- und kostenverlaufstheoretisch einprägsamen Satz: Es könnte „... aus diesen Zahlen ... auf einen prozentual konstanten Aufmerksamkeitszuwachs beim Übergang vom jeweils kleineren zum jeweils größeren Inserat geschlossen werden. Da jedoch die Zuwächse an Aufmerksamkeit im Vergleich zu den Flächenzuwächsen unterproportional steigen, zahlt sich die Vergrößerung des Werbemittels nicht genügend aus"85. 84
Jacobi, (Werbepsychologie), S. 128.
85
Jacobi, (Werbepsychologie), S. 111.
384
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
In Verbindung mit dem Obigen können wir folgende produktivitätskorrelative Substitution von Werbemittelstrukturund Werbemitteleinsatzkosten Auge fassen:
Werbemitteleinsatzkosten (Substituend)
Substitutionskomponenten der Werbemittelstrukturierung (Substitut) 1. Inhaltssteigerung a) Steigerung tiefenpsychologischer Motivation (Archetypenweckung)
I. Größe
b) Steigerung des inhaltsbedingten (sinnhaften) Erinnerungswertes 2. Ausdruckssteigerung a) Ausdruckssteigerung nach Maßgabe der Ablösung summativer Werbemittelgestaltung durch ganzheitlichen Aufbau (in Ausgliederung und Rückverbindung) b) Ausdruckssteigerung durch Steigerung der Verstehbarkeit und der Anmutung aa) Verstehbarkeit (Semantik)
II. Placierung
bb) Anmutungssteigerung durch Zeichensteigerung und Werbetektonik (1) Zeichensteigerung (10) Zeichenformsteigerung (Antiqua/ Fraktur u. ä.) (11) Steigerung des Zeichens zum Symbol (2) Bildsteigerung (Bildstil, besondere Werbebildgestaltung: abstrakt, naturalistisch; Werbewitzzeichnung) (3) Sprachsteigerung (30) Anlehnung an die Formen der Prosa und Lyrik (31) Eigene Werbeprosa und Werbelyrik (Epik; Wortspiel, Wortwitz etc.) (4) Steigerungsweisen in anderen Werbemitteln. 3. Entsprechungssteigerung
I I I . Wiederholung
a) Zwischen Inhalts- und Ausdruckssteigerung b) Werbemittelaussage und Werbegegenstand c) Werbemittelaussage und Personstruktur des Umworbenen (einschließlich Sozialmilieu) d) Zwischen Selbstzweckordnung und Leistungsordnung (Werbekulturentsprechung)
ins
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore385
3111011) Empirische Substitutionserwägungen zum Verhältnis von Werbemittelgestaltungs- und Werbemitteleinsatzkosten Geht man davon aus, daß Werbeeinsatzkosten durch Kosten der Werbemittelstrukturierung innerhalb gewisser Grenzen substituierbar sind, stellt sich die Frage, inwieweit verbrauchliche Werbeleistungen durch unverbrauchliche ersetzt zu werden vermögen. Die Möglichkeit einer solchen Substitution liegt ζ. B. für den Bereich des Werbefernsehens in der Steigerung der Qualität des Werbespots, u. zw. inhalts-, ausdrucke· und entsprechungsmäßig. Die dafür erforderlichen Mehraufwendungen könnten aus der Senkung der Werbemitteleinsatzkosten aufgebracht werden. Dabei könnte ggf. noch eine Art „Werbeverfahrensgewinn" erzielt werden, wenn diese Senkung über die genannten Mehraufwendungen für die Verbesserung der Werbemittelgestaltung läge. Die folgende Tabelle (vgl. S. 386) soll diese Möglichkeit am Beispiel des Werbefernsehens andeuten. 31111) Organisatorische Kostenverlaufsgestaltung in Korrelation zu zeit- und aufgabenstrukturellen Maßnahmen Intensitätsmäßige Anpassung läßt sich, wie nachfolgend darzustellen sein wird, durch Arbeiszeitstruktunerung offenbar ohne weiteres ersetzen. Hierin sehen wir den einen Beispielfall, der im gegebenen Zusammenhang klärend wirken kann. In weiterer Folge erweist es sich natürlich als sinnvoll, von hier aus auf produktivitätskorrelative Kostenverlaufswirkungen einzugehen, welche sich aus den modernen Bemühungen des „Job redesign" (Aufgabengestaltung) theoretisch wie empirisch herleiten lassen. 311110) Produktivitätsbeeinflussende Arbeitszeitstrukturierung Man kann grundsätzlich davon ausgehen, daß lineare, also letztlich produktivitätsneutrale Widmungsfolgen von Mitteln im Hinblick auf die Ertragsausweitung stmkturindifferent sind, woraus folgt, daß jede Produktivitätsveränderung strukturgesetzlichen Einflüssen folgt. In diesem Sinne wollen wir die Frage der intensitätsmäßigen Anpassung (vorzüglich im biotischen Humanbereich) unter dem Gesichtspunkte der Arbeitszeitstrukturierung im Gegensatz zu einer bloßen zeitlichen Kräf temassierung (mit zeitlichem Ausgleich) als eine strukturelle Intensitätssteigerung immerhin noch in Betracht ziehen. In der russischen Geschichte der Arbeitswissenschaft spielt der Hinweis eine erhebliche Rolle daß „... Lenin... mehrmals in seinen Reden das alles rettende System..." des Γατ/Zorismus erwähnte. Darauf gründete sich die Arbeitswissenschaftliche Bewegung, und zwar „... in ihrer Einzigartigkeit bisher beispiellos ...". Hier setzt dann aber eine für unsere Fragestellung bedeutsame Kritik Ermanskijs ein, wonach der Taj/Jorismus intensitätssteigernd wäre, dem eine pro25
Kolbinger
3. Wiederholungen
56 000
10
10
Diese Position (2.) versteht sich als Summe aller Kosten des Werbemitteleinsatzes.
c)
1900 000
180 000
5,26
2 800 000
2 700 000
180 000
3,57
II. Block1» 1 sec. = 4000 ö. S. ^ 45 sec.
& Durchschnittliches Budget zur Erstellung eines Werbefilms laut Aussage eines Fachmannes in einem Seminar am Institut für Soziale Betriçbsfûhrung im Wintersemester 1977/78;
b)
15 80Ò00
11,1 7,69
Laüt gültiger Preisliste des ORF für 1978 für die Zeit von 18.45-19.00 Uhr, wochentags; Laut gültiger Preisliste des ORF für 1978 für die Zeit von 19.55-20.00 Uhr, wochentags;
5,02
100 000
1300 000
100 000
1800 000 1200 000
80 000
10
20 sec.
a)
7,35
100 000
15
1990 000 900 000
100 000
800 000 1890 000
126 000 126 000
15
100 000
1360 000
100 000
10,63
660 000 940 000
5. Relativer Anteil der Kosten der Werbemittelstrukturierung an den Gesamtkosten 15,15
4. Gesamtkosten der Kampagne (2 + 3)
10
I. Blocka) 1 sec. = 2800 ö. S. ^ 45 sec.
1260000 840 000
56 000
15
20 sec.
3. Kosten der Werbemittel^mkturierungc" 100 000 100 000
2. Wiederholungen d. Spots 10 Wiederholungen 560 000 15 Wiederholungend)
1. Länge des Werbespots 20 sec. 45 sec.
φ g
£« IO
^fi 2. Placierung B I II £ -g 1. Länge (Größe)
386 . Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie387
duktionssteigernde" 86 - gemeint ist wohl produktivitätssteigernde - Neue Arbeitsorganisation („NOT" = Naucnaja organisacja Truda") entgegenzustellen wäre. Für uns wesentlich ist nunmehr, daß Taylor in der Tat - freilich in der ihm eigenen Weise des Geistes des 19. Jahrhunderts - eine produktivitätssteigernde Arbeitszeitstrukturierung vollzog, wie es uns ja das Gespräch mit seinem Versuchsarbeiter Smith und die Angaben über den Erfolg dieser Arbeitszeitstrukturierung deutlich macht: Statt einer Tagesleistung pro Mann von 12,51 konnten 47,5 t Verladeleistung erbracht werden. Im Sinne Taylors könnte man diesen (u. E. freilich nicht darauf allein zurückzuführenden) Erfolg als eine Art „Gesetz der Schwerarbeit" und im Hinblick auf dessen Sinngehalt „Gesetz der Pausengestaltung" bezeichnen. „Das Gesetz besagt, daß bei derartiger Heb- oder Stoßarbeit der Mann nur während eines bestimmten Prozentsatzes der Tageszeit tätig sein kann." Dabei sind zwei Momente wesentlich: Das jeweils zu hebende Gewicht zum einen (ζ. B. Barren zu 40 oder nur zu 20 kg) und die Zahl der eingelegten Pausen (des i m übrigen für diese Arbeit spezifisch geeigneten Mannes), denn: „Während der ganzen Zeit, während der Mann »unter Last' ist, verbrauchen sich die Gewebe der Armmuskeln, und häufige Ruhepausen sind notwendig, damit diese Gewebe durch das Blut wieder erneuert und in normalen Stand gesetzt werden." Und nur weil „... ein Mann, der obiges Gesetz kannte ..." Smith „... überwachte und bei seiner Arbeit anleitete, bis er sich an die nötigen Ruhepausen gewöhnt hatte, war es i h m möglich, den ganzen Tag in gleichmäßigem und ruhigem Tempo ohne Übermüdung zu arbeiten ..." und damit eben eine Leistungssteigerung in dem angemessen Maße zu erreichen, die man unter diesem Gesichtspunkt zweifellos als Produktivitätssteigerung (mit kostenkorrelativen Wirkungen) bezeichnen wird dürfen 8 7 .
Es braucht nur vergleichsweise auf eine Art Gesetz der schöpferischen Pause, das offenbar nicht im Humanbereich des Biotisch-Vitalen, sondern der geistigen Ganzheit des Menschen spielt, wie folgt im Sinne Hellpachs hingewiesen werden: „Einen Auftrag erledigt man, er wird ausgeführt. Die Lösung einer Aufgabe aber bedarf einer gewissen zeitlichen Ellenbogenfreiheit. Sie läßt sich nicht in dem Maße kommandieren (ich meine vom Lösenden sich selbst kommandieren), wie eine mechanische Exekution, sie enthält »schöpferische' Elemente, Notwendigkeiten des Einfalls, der fruchtbaren Stunde .. . 88 ." „An aller Aufgabe und ihrer Lösung bewährt sich die schöpferische Zauberkraft der Muße: der subjektiv bestimmten Unterbrechung, Verlangsamung, Ausschaltung oder UmSchaltung der Leistung, nicht aber jener objektiv festlegbaren Unterbrechung, wie die rationelle ,Pause' sie darstellt 89 ."
Es ist also offenbar die Zeitstruktur der Arbeit, welche der Intensitätssteigerung nahekommende Effekte liefert und damit das Wesen dieser Intensitätssteigerung aus strukturgesetzlichen Momenten der Zeitgestaltung erhellt. Viele Momente einer Leistungssteigerung ohne Kosten liegen u. E. darin verborgen 86
Giese, (Hrsg.), (Arbeitswissenschaft), Sp. 1795 u. 3797.
87
Vgl. Taylor,
88
Hellpach, (Gruppenfabrikation), S. 29. Ebenda.
89
2*
(Grundsätze), S. 60 ff.
388
m . Abschnitt Einführung in die Geltungs- und Abgeltungsgrößenordnung
und werden erst wiedererkannt werden (gleitende Arbeitszeit, Teilzeitbeschäftigung u. ä.). Allerdings laufen sie ζ. T. Gefahr, einem verständnislosen bürokratischen Rationalismus zu verfallen, der sich lieber mit weniger Erzwing- und Kontrollierbarem zufriedengibt, als durch Freiheitsgewährung (Eigenlebensgewährung!) mehr zu erreichen sucht. Daran leidet die Demokratiebureaukratie des Westens nicht minder wie die Gesellschaftsstrukturen östlicher Leistungsordnungen. Die kostenkorrelative Wirkung ist jedenfalls immer die gleiche. Im übrigen handelt es sich in der Frage der Pausengestaltung - wie übrigens auch in dem in der Folge zu behandelnden Fall - um eine Art Renaissance der natürlichen Arbeit, hier besonders im Sinne der Bücherschen These von Arbeit und Rhythmus. 311111) Die Lehre vom sinkenden Ertrag der Arbeitsteilung Es gibt nicht nur ein - eher problematisches - Gesetz vom sinkenden Bodenertrag, sondern in der neueren Literatur eine Art Gesetz vom sinkenden Ertrag der Arbeitsteilung. Wir wollen daher auf dieses Gesetz zum einen in seiner literarischen Formulierung, zum anderen in seiner empirischen Erscheinungsweise eingehen. 3111110) Das Gesetz vom sinkenden Ertrag der Arbeitsteilung in der Literatur In dem schon anderweitig angezogenen Werk „Grenzen der Arbeitsteilung" (Travail en miettes) formuliert Friedmann das hier in Betracht zu ziehende Produktivitäts· und damit korrelierende Kostenverlaufsgesetz wie folgt: Den Bemühungen der Sozialwissenschaftler um „Job redesign" setzen, wie wir anderweitig ja hinlänglich selbst nachzuweisen Gelegenheit hatten, „... die meisten Techniker, in den Vereinigten Staaten wie in Europa, solchen Bemühungen ein grundsätzliches Hindernis in Form einer nur schwer zu erschütternden, tief eingewurzelten Überzeugung entgegen, die nahezu ein Dogma ist: die Überzeugung , daß... auf systematischer Aufsplitterung einer Arbeit in Elementarverrichtungen basierende Arbeitsmethoden die Kosten senken und die Leistung steigern ..." also produktivitätskorrelative Kostenanpassungen bewirken." Langsam setzen sich jedoch entgegengesetzte Ansichten bei bestimmten - und nicht in den unbedeutendsten - amerikanischen Industriellen durch, die eine Tendenz zu »sinkendem Ertrag 4 bei zunehmender Unterteilung der Arbeitsvorrichtung und bis zum äußersten getriebener Spezialisierung feststellen mußten. Trotz höchster Qualität der Maschinen und sorgfältigster Vorbereitung liefern Arbeiter, die sich langweilen, keine Arbeit von hoher Qualität. Überdies mußte man erkennen, daß die äußerste Unterteilung und Spezialisierung der Arbeitsvorrichtungen häufig große technische Investitionen und Kosten erfordert 90." Was die Formulierung des produktivitäts- und kostenkorrelativen Verlaufes der Arbeitstei90
Fnedmann, (Arbeitsteilung), S. 40.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore389
lungsentsprechungsänderungen betrifft, so hat C. G. Homans ein entsprechendes Gesetz vom sinkenden Ertrag übertriebener Arbeitsteilung formuliert. „Die Arbeitsteilung senkt die Arbeitskosten, ausgedrückt in menschlicher Anstrengung und in Geld. Deshalb beruht die Entwicklung aller Gesellschaften auf Spezialisierung der Funktionen ihrer Mitglieder. Von Adam Smith bis F. W. Taylor wurde kritiklos angenommen, daß man Um so billiger produziere, je weiter man die Arbeitsteilung vorantreibe, und daß die Kosten eines Schuhs u m so niedriger seien, je mehr die ganze Fertigung analysiert, in SpezialVerrichtungen auf - und diese jeweils einem Arbeiter zugeteilt würden, der nichts anderes zu tun hat. Jetzt beginnen wir aber zu begreifen, daß die Arbeitsteilung wie jeder andere Entwicklungsprozeß einen Punkt kennt, von dem an der Ertrag sinkt 9 1 ." Drucker rügt am Taylorismus bekanntlich dessen Verwechslung von Analyse und Gestaltung, welche ja dem obgenannten Dogma steigender Erträge bei unbegrenzter Arbeitsteilung entspricht. Es n i m m t daher nicht Wunder, wenn Friedmann auch hervorhebt, es wäre P. F. Drucker „... zweifellos als einer der ersten wissenschaftlichen Beobachter der amerikanischen Industrie (gewesen), der den Beginn dieser Entwicklung (nämlich des Abgehens von dem Dogma der Fruchtbarkeit unbegrenzter Arbeitsteilung, J. K.) beobachtet und sie zu erklären versucht" hätte 9 2 .
3111111) Empirische Hinweise auf das Gesetz vom sinkenden Ertrag der Arbeitsteilung Empirische Hinweise und Untersuchungen erhärten die Lehre vom sinkenden Ertrag der Arbeitsteilung: So errechnete ζ. B. die Zeitschrift „Der Arbeitgeber" (Düsseldorf, 5. November 1961) für den Arbeitsplatzwechsel einer Spulerin die dabei anfallenden Kosten wie folgt: Kosten der Vorstellung und Eignungsprüfung Kosten der Einstellung Kosten der Einarbeitung (6 Wochen)
DM DM DM
70,05 27,40 1 683,40
Summe
DM
1780,85
Im Fall des Arbeitsplatzwechsels eines Direktionsassistenten wurden folgende Kosten errechnet: 1. 2. 3. 4.
Inseratkosten (Werbekosten) Bewerbungsbearbeitung (150 Bewerbungen) Kosten der persönlichen Vorstellung (5 Bewerber) Kosten der Einarbeitung (6 Monatsgehälter)
Summe
DM DM DM DM
1000,— 815,50 715,— 8 820,—
D M 11350,50
Es gibt aus dem gleichen Zeitraum, in den diese Berechnungen fallen, eine Reihe anderer Untersuchungen, die zu keinem günstigeren Ergebnis kommen 93 .
91 92
Homans, (Human Group), S. 102, zit. bei Friedmann,
(Arbeitsteilung), S. 40.
Vgl. Friedmann, (Arbeitsteilung), S. 41. 93 w i r verweisen auf folgende Beiträge: ο. V. (Personalwechsel), ο. V., (Fluktuation); ο. V., (Arbeitsplatzwechsel).
390
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Auch in unseren Untersuchungen über Arbeitsmarktpolitik am Arbeitsplatz, insbesondere in der Automobilindustrie (Volvo, Fiat) kommen wir zu ähnlichen Ergebnissen94. Während man in Turin mit den üblichen 16 % Absentismus der Autoindustrie zu rechnen hat, liegt diese Rate im Werk Cassino bei etwa 10 % (4 000 Aktive, 4 400 unter Arbeitsvertrag stehende Arbeiter). Die Untersuchungen bei Volvo ergaben weniger zahlenmäßige Aussagen als verbale Hinweise auf den Zusammenhang von Produktivität und Kosten einerseits, Form der Aufgabengestaltung (insbesondere Grad der Arbeitsteilung) andererseits: Geringere Fluktuation, geringerer Absentismus, Qualitätsverbesserungen, weniger Nacharbeit, insgesamt aber: Stabilität der Produktivitätsbedingungen als Voraussetzung der Behauptung im Wettbewerb. Fragen wir uns abschließend nach dem typischen produktivitätskorrelativen Kostenverlaufsbild vorzüglich des Gesetzes vom abnehmenden Ertrag der Arbeitsteilung, so können wir festhalten: 1. Folgt die Arbeitsteilung, das Arbeitsteilungsmaß einem Wuchsverlauf von Unterforderung - Optimalforderung - Überforderung der Aufgabenfähigkeit und des Aufgabeninteresses von Gliedern sozialer Leistungssysteme, so weist dies tendenziell auf einen S-kurvenförmigen Verlauf hin. 2. In gleicher Weise werden Folgekosten (z. B. Kosten des Arbeitsplatzwechsels, des Absentismus u. ä.) im Sinne einer consecutio tempörum durchaus die gleiche Bewegungstendenz aufweisen, vorausgesetzt, daß ein soziales Leistungssystem alle diese Stadien der Arbeitsteilung durchläuft, also einem entsprechenden Wandel des Grades der Arbeitsteilung folgt.
b) Die Entsprechung (Korrelation) als Anpassungsbedingung der Glieder sozialer Leistungssysteme und Schlußbemerkungen zum Methodenstreit Haben wir oben die beiden Bereiche der Produktivitätsgestaltung und damit korrelierender Kostenverläufe sozialer Leistungssysteme und jede Subform für sich betrachtet, so gilt es noch ergänzend des Umstandes zu gedenken, daß die einzelnen Anpassungsvorgänge immer im Zusammenhang des Ganzen, eben der sozialen Leistungsordnung in ihrer alle Teilbewegungen umspannenden Erscheinungs- und Wirkweise, verbleiben. Damit verbinden wir die Absicht, in einer Zusammenfassung insbesondere die produktivitätsmäßigen und kostenkorrelativen Verlaufsformen vergleichend und präzisierend ebenso zusammenzufassen, wie damit zugleich einen abschließenden Blick auf den Methodenstreit in der nunmehr gewonnenen neuen Einblicksweise zu werfen.
94
Kolbinger;
(Arbeitsmarktpolitik), S. 226 u. S. 223 f.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore
391
aa) Die Gesamtentsprechung zwischen partiellen Anpassungsvorgängen als Voraussetzung ihrer Vollziehbarkeit und Kostenanpassung Glieder eines Ganzen vermögen nur in Gegenseitigkeit zu leisten und es ist das Maß der Gegenseitigkeit, das wir als Entsprechung (Korrelation) zu bezeichnen haben. Wir untersuchen daher nach der bisherigen Darstellung von einzelnen Anpassungserscheinungen in und von sozialen Leistungssystemen nunmehr die Möglichkeit solcher Anpassungen unter dem Gesichtspunkt der Gesamtentsprechung in diesem Ganzen. Dabei fragen wir uns zunächst ganz generell nach den Teilbereichen dieses Entsprechungsproblems im Gesamtanpassungsvollzug sozialer Leistungssysteme wie in der Folge nach den Vorrangverhältnissen von Teilanpassungen im Vollzuge dieser Gesamtanpassung.
1) Die Gesamtentsprechung sozialer Leistungssysteme als Frage inner- und interartenmäßiger Anpassungskorrelation Können Glieder eines sozialen Ganzen - wie eines Ganzen überhaupt - nur in Gegenseitigkeit leisten, so richtete sich die mögliche Gesamtanpassung danach, welcher Anpassung ein einziges Glied fähig - ggf. willens - ist, im Anpassungsvollzug mit dem unmittelbaren Gegenglied und mittelbar mit allen Gliedern eines Ganzen, in unserem Falle eines sozialen Leistungssystems, zusammenzuwirken. Welche Bedeutung ein solches durchgängiges Entsprechungsverhältnis hat, wird uns ja hinlänglich - wenn auch mit u. E. falschen Mitteln - am Beispiel des Fließbandes demonstriert, das nicht nur Inhalt und zeitliches Maß der Leistung jedes einzelnen Gliedes, sondern auch das zeitlich-fugenlose Zusammenwirken aller Glieder nach Art des Taktes regelt und kraft der mechanischen Eigenschaft des Fließbandes unter Ausschaltung des Eigenlebens - nicht aber deshalb unbedingt der Einwirkmöglichkeit - den menschlichen Leistungsträger völlig starr determiniert. 10) Formalentsprechung als Anpassungsbedingung Fassen wir als Beispiel die Beschäftigungsanpassung ins Auge, so steht fest, daß - das Bestehen eines bestimmten Wirkzusammenhanges (ζ. B. im Hinblick auf ein bestimmtes Fertigungsprogramm) vorausgesetzt - die Erhöhung der Laufzeit einer Maschine nur dann möglich und sinnvoll ist, wenn ihr die Folgemaschine ihr Produkt zur Weiterbearbeitung abnimmt und ggf. entsprechende Vormaschinen sie mit Vorleistungen versorgen. Miteinander durch das Fertigungsprogramm (oder in anderen Bereichen andere Aufgabenstrukturen) verbundene Glieder können also entweder nur in Gemeinsamkeit ihre Beschäftigung ändern oder gar nicht. Dies ist eine einfache formale Tatsache, die wir daher vorweg herauszustellen haben. Damit erklärt sich auch der Einfluß der von Gutenberg besonders herausgestellten Fertigungsprogrammänderung: Werden
392
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
damit Entsprechungen gestört, so bleiben vorhandene Teilkapazitäten in dem Maße unbeschäftigt, als sie sich nicht entsprechungsmäßig ergänzen. 11) Entsprechung im Anpassungsverlauf innerhalb und zwischen den Arten der Ganzheit als Glieder sozialer Leistungssysteme Eigenständige Anpassung ist an das Eigenleben des sich Anpassenden, also an die Eigenart der Ganzheit gebunden, die wir oben behandelten. Da sich aber auch hier das Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit als Moment der Gesamtentsprechung Geltung verschafft, ist die wichtigste Art der Entsprechung welche den Gesamtanpassungsvollzug sozialer Leistungssysteme determiniert, die Entsprechung im Eigenleben miteinander im Leistungssystem und damit auch im Anpassungsvorgang verbundener artgleicher oder artverschiedener Glieder dieses durch gängige Entsprechung benötigenden Ganzen, das sich von da als „Ganzheit höherer Ordnung" darstellt. 110) Grundlegende Entsprechungsmöglichkeiten im Eigenleben von Gliedern sozialer Leistungssysteme im Anpassungsvollzug Wir können nach Maßgabe der kleinen nachfolgenden Tabelle drei artgleiche und drei artverschiedene Anpassungsvollzugsmöglichkeiten im Gesamtanpassungsvorgang sozialer Leistungssysteme wie folgt bestimmen:
Ganzheiten Ganzheiten
Geistige Ganzheiten
Geistige
Biotische
Mechanische (G. f. O.)
(1)
(4)
(5)
Biotische Ganzheiten
(2)
Ganzheiten ferner Ordnung (mechanisch-chemische)
(6)
(3)
Es sind also insgesamt sechs eigenlebensmäßige Entsprechungsmöglichkeiten als Problem der Gesamtentsprechung bei Anpassungsvorgängen sozialer Leistungssysteme wie folgt ins Auge zu fassen: a) Artgleiche Berührungen aa) Geistige mit geistigen Ganzheiten (1) bb) Biotische mit biotischen Ganzheiten (2) cc) Ganzheiten ferner Ordnung mit Ganzheiten ferner Ordnung (3) b) Artverschiedene Berührungen aa) Geistige Ganzheiten mit biotischen (4)
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore393 bb) Geistige Ganzheiten mit mechanischen Ganzheiten (5) cc) Biotische Ganzheiten mit mechanischen (6)
In diesen Formen der Berührung bzw. der Berührung von Ganzheiten unterschiedlichen Eigenlebens im Rahmen von Anpassungen sozialer Leistungssysteme liegt das Gelingen oder Nichtgeiingen der Anpassung als Frage der Herstellbarkeit oder Nichtherstellbarkeit der Entsprechung im Eigenleben beschlossen, worauf wir nunmehr mit kurzen Anmerkungen eingehen wollen. 111) Entsprechunge weisen im Eigenleben als Anpassungsdeterminante sozialer Leistungssysteme Gemäß der obigen Gliederung bestimmt sich also die Anpassungsmöglichkeit sozialer Leistungssysteme nach Art der Entsprechung im Eigenleben als Frage inner- und interartenmäßiger Korrelation. 1110) Entsprechungsverhältnisse im Eigenleben innerhalb der Arten der Ganzheiten als Glieder sozialer Leistungssysteme Primär berühren einander geistige Ganzheiten, also letztlich Menschen in ihrer Geistigkeit und damit in ihrer Verhaltensbereitschaft im Anpassungsprozeß. Sie können einander fördern oder behindern: dies bestimmt Möglichkeit und Verlauf der Anpassung in diesem Bereiche. Die Bereitschaft, ζ. B. noch ab einem gewissen Alter Lernprozesse durchzumachen, ist nur einer von den vielen hier in Betracht zu ziehenden Fällen, abgesehen von dem führungsmäßig-soziostrukturellen Kooperationsstandard eines sozialen Leistungssystems überhaupt, das über Gelingen oder Mißlingen dieser innerartenmäßig determinierten Anpassungsintention entscheidet. Biotische Ganzheiten bilden Symbiosen oder fallen aus solchen heraus. Anpassungsvorgänge rein im Biotischen sind daher in ihrem Gelingen dadurch bedingt, inwieweit derartige Symbiosen zwischen Tierarten und Pflanzenarten, aber auch zwischen beiden, herstellbar sind. Die Symbiosen des Pflanzenwuchses entscheiden ζ. B. darüber, in welchem Maß die Gewinnung einer Holzsorte möglich ist, weil zu ihrer wuchsgesetzlichen Hervorbringung bestimmte andere Gehölze (ζ. B. zur Bodenverfestigung für die Ganzheit Wald) erforderlich sind. Tierrassen können sich auf Steppengebieten Afrikas nur in bestimmter Verhältnismäßigkeit entwickeln, weil jede Tierart die ihr gemäßen Gräser etc. zu ihrem Fortkommen benötigt, Überbesatz daher auf entsprechende Reduktion der Art drängen würde. Entsprechungen im Eigenleben zwischen „Ganzheiten ferner Ordnung" haben wir zwar als Möglichkeit offengelassen, müssen es aber der Zukunft überlassen, inwieweit man hier diesen Moment wird in Betracht zu ziehen haben.
394
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
1111) Entsprechungsverhältnisse zwischen eigenlebensverschiedenen Arten der Ganzheit als Frage einer „Gezweiung höherer Ordnung" Abgesehen von anderen Gründen erhebt Gutenberg in unserer Sprache Einspruch gegen die intensitätsmäßige Anpassung mit dem Argument der Nichtanpassungsfähigkeit von Maschinen an ein ggf. steigerbares Arbeitstempo von Menschen: „In der Regel werden die Betriebsleiter bestrebt sein, Maschinen mit der Geschwindigkeit laufen zu lassen, die ihrem günstigsten Wirkungsgrad entspricht ... Da jede Abweichung von der wirtschaftlichen Auslastung die Lebensdauer einer maschinellen Anlage zu verkürzen droht, die Betriebskosten zudem erhöht, wird jeder verantwortungsbewußte Betriebsleiter bestrebt sein, Abweichungen von der technisch-wirtschaftlichen Geschwindigkeit zu vermeiden..." mit der Folge, „... daß von der Möglichkeit intensitätsmäßiger Anpassung in derartigen Betrieben nicht Gebrauch gemacht wird" 95 . Die Nichtanpassungsfähigkeit der Maschinen (theoretisch des Mangels ihres Eigenlebens in Diskorrelation ggf. mit dem die Anpassung ansonst ermöglichenden Eigenleben der Maschinenbediener, eben der Menschen) verhindert auch die Anpassung der maschinenbedienenden Menschen. Zugleich allerdings fragen wir uns, ob verantwortungsbewußte Betriebsleiter nicht auch dafür zu sorgen hätten, daß eine bestimmte Anpassungsreserve bzw. Anpassungselastizität auch bei maschinellen Investitionen mit ins Kalkül gezogen wird. Es kann offenbar beim Zusammentreffen von Mensch und Natur, z.B. Mensch und Tier, aber auch Mensch und Pflanze, darauf ankommen, inwieweit sich hier sozusagen Anpassungssymbiosen herausbilden können, die schon aus dem alltäglichen Verständnis sozusagen füreinander insbesondere der besonderen Fähigkeit des Menschen, auf biotische Ganzheiten entsprechungsgemäß einzugehen, festgelegt sein können. Einen Hinweis auf eine solche Bedeutung einer „Gezweiung höherer Ordnung" zwischen Mensch und biotischer Natur gibt ζ. B. Bedaux in seinem Bewertungsschema menschlicher Arbeit wie folgt: Unter „Qualités propres aux sens et aux systèmes nerveux" heißt es in diesem Sinne: „Ici prennent place également ces insticts assez indéterminés que possedènt généralement les individus nés élevés dans les campagnes, et qui rendent aptes à une compréhension particulière des choses de la nature (temps, bêtes, plantes) et utilisés dans quelques profession conduite et dressage des animaux, pêche, chasse, etc 96 ." Es liegt u. E. auf der Hand, daß Mensch und Natur sich über ihnen eigene Geistesbereiche so berühren, daß sie auch zu gegenseitiger Einf lußnahme, ζ. B. auch 95 96
Gutenberg, (Produktion), S. 351 ff.
Deville, (Systeme); er betont, es gehörten einer bestimmten Gruppe von „... ziemlich indeterminierten Instinkte" (des Menschen, J. K.) an, „die i m allgemeinen Individuen besitzen, welche auf dem Lande geboren wurden und dort aufgewachsen sind und die diese zu einem besonderen Verständnis in Angelegenheiten der Natur (Zeitgefühl, Tiere und Pflanzen betreffend Anliegen) befähigt und welche in einigen Berufen genützt werden: Führung und Haltung von Tieren, Fischerei, Jagd, etc."
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore395
bei intensitätsmäßiger Anpassung (und darüberhinaus) befähigt sind. Ein Mensch mit „Pferdeverstand" kann eben sein Pferd „anpassen", es schneller oder langsamer laufen lassen, ein anderer nicht. Gleiches gilt aber für tiefergehende Anpassungsmaßnahmen, wofür neben Verstand auch und nicht zuletzt Gefühl erforderlich ist und wovon es abhängt, ob Anpassungsmaßnahmen gelingen, und sei es nur, daß man den Ertrag steigert, indem Tiere nicht nur richtig, sondern auch mit dem nötigen Einfühlungsvermögen gefüttert, erst recht aber insgesamt betreut, gegen Krankheiten geschützt werden etc. Jede tiefergreifende Anpassungsmaßnahme (ζ. B. Züchtung neuer Pflanzen und Tiere) wird daher sehr wesentlich von Art und Tiefe dieser „Gezweiung höherer Ordnung" abhängen, von der hier ja prinzipiell die Rede ist, wenn von Entsprechungen im Eigenleben als Anpassungsdeterminante im biotisch-humanen Bereich die Rede ist, mag diese alltäglich die Kosten in Bewegung setzen, mag es sich hierbei um Anpassungserscheinungen handeln, die wuchsgesetzlicher Natur sind, und zwar im Sinne der Gegenseitigkeit der Entwicklung von Humanwissen um die Natur und Anwendung desselben als Naturanpassungshilfe. Schließlich treffen wir auf die Frage nach dem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem Eigenleben der Natur und den starren Gesetzen von Mechanik und Chemie. Im Grunde kann es hier u. E. nur um das Problem gehen, in welchem Maße es möglich und zulässig ist, die Natur den Gesetzen der Mechanik und Chemie in Anpassungsprozessen zu unterwerfen und welche Gegenreaktionen die Natur ggf. setzt, wenn sie dadurch vergewaltigt, in ihren Lebensgesetzen getroffen wird und damit vielleicht die einzige Reaktion kraft ihres Eigenlebens zu setzen vermag: Infolge einer derartigen Überforderung sozusagen die Dienste aufzukündigen, sich als überfordert zu erklären, letztlich unter Verlust des Eigenlebens aus dem Bereiche der biotischen Gesetze in den der mechanisch-chemischen überzuwechseln, kurz: zu sterben, eine Möglichkeit, die allem Leben offensteht. Wir werden hierauf in der Folge bei Behandlung der Frage der Vorranggesetzlichkeiten im interartenmäßigen Anpassungsgeschehen sozialer Leistungssysteme zurückkommen. 2) Der Anpassungsprozeß als Vorrangfrage Glieder sozialer Leistungssysteme
zwischen den Arten der Ganzheit als
Welche Art der Ganzheit hat sich - nach Art ihres Eigenlebens - der anderen im Gliedzusammenhang sozialer Leistungssysteme in deren Bestand wie Anpassungsprozeß zu unterwerfen, das ist es, was wir als Vorrangfrage in der Gestaltung des Anpassungsprozesses sozialer Leistungssysteme ansehen und worauf wir in der Folge und damit das angesprochene Problem der Entsprechung im Eigenleben der Glieder bei Anpassungsprozessen beendend, eingehen wollen. 20) Zum Vorrangsverhältnis Mechanik - Menschen in der Anpassung Hier ist von einem Satze Gutenbergs mit der Betonung des Vorranges der Sache, damit auch der Mechanik vor dem Menschen (als geistige Ganzheit) auszu-
396
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
gehen, der besagt: „... Wenn die Frage nach den Faktorproportionen (als Frage der Produktivitätsgestaltung, J. K.) gestellt wird, dann kann dieser Frage nachgegangen werden, ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, daß es Menschen mit ihren Vorzügen und Schwächen sind, die die produktive Kombination durchführen. Nicht die Frage, in welchem Umfange es den für die Betriebe verantwortlichen Personen gelingt, das Kombinationsproblem zu lösen, sondern die Frage, welche Vorgänge überhaupt den Kombinationsprozeß charakterisieren, ist es, die hier interessiert 97." Gutenberg behauptet also u. E. die Priorität von Gesetzen des Invitalbereiches gegenüber der Bereiche geistiger Ganzheiten. Damit erscheint das soziale Leistungssystem seines Grundcharakters, eben Sozial- und damit Geistesgebilde zu sein, vollends entkleidet. Wir bedauern diese Auffassung nicht nur, sondern halten sie für nicht mehr aufrechterhaltbar und führen hiezu das Folgende ins Treffen: Fayol formuliert den lapidaren, hierher gehörenden Satz: „Wenn man von dem Faktor,Mensch' absehen könnte, wäre es leicht, einen sozialen Organismus zu bilden. Jeder erste beste... wäre dazu fähig. Aber zur Bildung einer wirksamen (Hervorhebung vom Verf.) Gemeinschaft... sind zahlreiche und ernsthafte Begabungen ... notwendig98." Hierher gehört natürlich als Entgegnung auch alles, was wir anderweitig über das Gesetz vom abnehmenden Ertrag der Arbeitsteilung gesagt haben, wozu auch die ganze Problematik der Mechanik-Unterwerfung des Menschen, z. B. und insbesondere unter die Taktregelung des Fließbandes in seiner zeitlichen Rigidität (als Form der Fehlentsprechung zum Eigenleben des Menschen) gehört, ausführten. Die bloß unter Mechanikgesetzen intendierte Anpassung gelingt nicht, die Priorität des Eigenlebens geistiger Ganzheiten gegenüber Ganzheiten ferner Ordnung setzt sich durch. I m übrigen zeigen empirische Gesamtfälle, wie die Tatsache, daß es bereits Unternehmungen gibt, welche diese Priorität der geistigen Ganzheiten berücksichtigende Formen von Sachmitteln als Werkzeuge des Menschen zu konstruieren und hervorzubringen sich anschikken. Und schließlich muß für den „long run" noch eines bedacht werden: Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Gutenbergsche „B-Mechanik-Typ" in weiten Bereichen der tertiären Produktion wird weichen müssen, womit sich Anpassungen vollziehen, welche die Gesetze der Mechanik erst recht auf jene Rangposition verweisen werden, welche ihnen grundsätzlich zukommt: die der dienenden Unterordnung unter die Gesetze des Humanen, des Geistigen. Der Mensch will sich weder den Mechanikgesetzen unterwerfen, soweit diese mehr beanspruchen als sich seinem Willen als Werkzeug zu unterwerfen, noch ist es sein Sinn, sich etwa durch welche Art von Mechanismen auch immer ersetzen 97 98
Gutenberg, (Produktion), S. 287. Fayol, (Verwaltung), S. 47.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore
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zu lassen. Bestenfalls überläßt er diesen bestimmte für ihn irrelevante Domänen, nicht jedoch wird er sich auf Dauer diesen unterwerfen oder sich dort von ihnen ablösen lassen, ja ablösen lassen können, in denen er sein Eigenleben leben muß, will er überhaupt - im geistigen Sinne - leben. 21) Zum Vorrangverhältnis Biotik-Mechanik im Anpassungsgeschehen Wir wollen hier - raumbedingt - nur zwei Sätze der „Vorrangpolitik" für den Berührungsbereich Biotik-Mechanik (Chemie etc.) formulieren: Man kann die Natur zur Dienerin des Menschen, nicht aber auf Dauer zu seiner Sklavin, ja noch weniger, eben zu einem Mechanismus selbst, machen. Dem Eigenleben der Natur sind Grenzen gesetzt: Die Flüsse ertragen nur einen bestimmten Grad an Verschmutzung, die Luft nur eine bestimmte Menge an nichtatembaren Gasen, um ihre Funktion für die Natur und zugleich den Menschen zu erfüllen. Stirbt die Natur, so stirbt auch der Mensch - Ende aller Anpassungen. Nicht in einem uns nicht zustehenden religiösen, als vielmehr das Sittengesetz als Naturgesetz verstehenden Sinne kann es u. E. nicht auf Dauer vom Menschen hingenommen werden, wenn man die Gesetze der Mechanik über die Natur domieren läßt (ζ. B. Tierhaltung einfach nach Art von unbewußten Biochemismen). Es wird und muß der Werbung gelingen, hier Abhilfe zu schaffen, nicht zuletzt im Sinne der Aufklärung über das, was Wirtschaft ist und was sie nicht sein kann, noch darf: Unterdrückerin des Lebendigen, Unterdrückerin auch des menschlichen Bewußtseins für das Leiden biotisch-artverwandten Seins, damit Zerstörerin des Menschseins durch Untergrabung seiner es tragenden geistigen Gesetzmäßigkeiten, als welches das Sittengesetz letztlich - fern jeder hier nicht in Betracht gezogenen Bekenntniseigenschaft zu einer bestimmten Religion - zu betrachten ist, im Sinne eines Gestaltgesetzes menschlichen Seins, das zwar positiv nur wirkt, wenn es beachtet wird, negativ aber auch ohne diesen Konsens seiner Wirkung nicht zu entkleiden ist, indem es den Menschen damit eben nach seiner negativen Seite hin formt. Halten wir schließlich nur noch eines fest: Die unbeschränkte Vorrangeinräumung von Mechanik und Chemie gegenüber der erlebten Natur läßt nicht nur die Vision einer Rachel Carson immer mehr zur Realität werden - der „Stumme Frühling" - sondern in fortschreitendem Maße erweist sich der Anpassungsprozeß dieser Art als Prozeß sich steigernder und potenzierender Kosten in dem Maße als Kräfte der Natur (so insbesondere der tierischen) immer mehr, indem sie getötet werden, durch Kräfte der Mechanik und Chemie ersetzt werden, womit aber auch eine Umkehrung eintritt: Statt verbrauchliche durch unverbrauchliche Leistung mit positiven Produktivitätswirkungen zu ersetzen, geht der Mensch, gehen seine sozialen Leistungssysteme ggf. den umgekehrten Weg, um schließlich in steigenden Kosten jeden Fortschritt ebenso zu begraben wie kraft des Versagens der Natur als seiner Helferin überhaupt, ggf. kraft ihres Todes, in welchen sie den Menschen hineinzieht, zwar unschuldig, aber dennoch mit zwingender Konsequenz. Auch dies muß be-
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III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
achtet werden, will man über Kostenanpassungsverläufe abhandeln. Und so will es uns scheinen: Letztes, endgültiges, oberstes Anpassungsgesetz ist damit das Gesetz vorrangbewußter Anpassungspolitik sozialer Leistungssysteme. bb) Über Kostenverlaufstypen und zur Schlußbetrachtung von Inhalt und Relevanz des Methodenstreits Es gilt, die obigen Ausführungen nur mehr in ihren Hauptergebnissen kurz zusammenzufassen und von da noch einen Blick auf den Methodenstreit zu werfen. 1) Die Lehre vom produktivitätskorrelativen systeme
Kostenverlauf
sozialer Leistungs-
In der Überschrift kommt bereits das alles tragende Fundament unserer Überlegungen und Schlüsse zum Ausdruck: Kostentheorie ist (ab-)geltungsgrößenmäßige Begleittheorie der Lehre von der sozialen Leistungsordnung als funktionale und morphologische Theorie zum einen (statisch) der Umgliederung (kreislauf mäßig-dynamische Theorie) zum anderen. Im gegebenen Zusammenhang geht es um Letzteres, und wir können daher die Grundeinsichten in eine Lehre vom produktivitätskorrelativen Kostenverlauf wie folgt präzisieren: Einer ganzheitlich-verstehenden sozialwissenschaftlichen Lehre vom Umgliederungsverlauf sozialer Leistungssysteme mit ihren produktivitätskorrelativen Kostenanpassungsfolgen geht es kaum um die Frage von Kostenkurventypen als vielmehr um das Verständnis für diese Umgliederung als solche, sowie die Umgliederung sformen und -wege, kraft derer der Leistungs- und/oder Produktivitätsstand (Fruchtbarkeitsstand sozialer Leistungssysteme) erhalten oder verändert wird. Letzteres ist die Regel, sobald nur igendein Strukturmoment des Leistungsgefüges eine Veränderung erfährt, wie dies im Folgenden zum Ausdruck kommt: „Entfaltung in unserem Sinne ist der Gegenbegriff gegen den Begriff einer mechanischen Entwicklung ... Entfaltung geschieht... so, daß sich 1. in einem ... ausgegliederten Ganzen ein bestimmtes Glied ... ändert; und daß sich 2. dieser Änderung gemäß nun bei allen anderen Gliedern... neue Entsprechungen sinngemäß ergeben müssen. Die Herstellung dieser neuen Entsprechungen nennen wir ... den Umgliederungsvorgang 99." Wesentlich nunmehr ist für diesen Umgliederungsvorgang (herkömmlicherweise von uns oben als Anpassung apostrophiert), daß sich dabei immer alle Glieder des sich umgliedernden (anpassenden) Ganzen in ihrer Weise anpassen müssen, daß die Umgliederung also niemals nur partiell ist. „Das einfachste und durchsichtigste Beispiel der Umgliederung... bietet... eine Fabrik, in der eine neue Maschine eingestellt wird (also eine „m "Anpassung vollzogen wird, J. K ) . Nun ändert sich die ganze Fabrik: zunächst muß die betreffende Abteilung, dann die Buch-
Spann, (Kategorienlehre), S. 19.
V o r l e s u n g N r . 9: G r u n d s a t z f r a g e n d y n a m i s c h e r G e l t u n g s g r ö ß e n t h e o r i e
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haltung, die Kalkulation, die Rohstoff- und Arbeiterverwendung geändert werden und schließlich muß die ganze Fabrik .umgestellt', d. h. umgegliedert werden 1 0 0 ."
Wir werden auf den Tatbestand der Totalumgliederung in der Folge zu sprechen kommen, um hier umso mehr die Umgliederungsdetermination von Gliedkategorien sozialer Leistungssysteme in Betracht zu ziehen, damit also den umgliederungsanalytischen Aspekt besonders ins Auge zu fassen. Die Art wie sich ein Glied eines sozialen Leistungssystems umgliedert, anpaßt, ist primär eine Frage seines Eigenlebens, woraus sich auch im Sinne unserer obigen Ausführungen drei Anpassungstypen (Umgliederung sty pen) ergeben, nämlich: 1. Der Invitaltyp (mechanisch-chemische Glieder) 2. Der Vitaltyp (also der Fall biotischen Eigenlebens in der außermenschlichen und menschlichen Natur). 3. Oer Kognitivtyp (prinzipiell der Mensch als geistige Ganzheit, wozu noch die Formen niederer Geistigkeit i m tierischen, hernach letztlich auch pflanzlich-biotischen Bereich hinzutreten).
Ziehen wir diese drei Anpassungstypen in ihrer Individualität in Betracht und versuchen wir dabei gleichzeitig die Frage des produktivitätskorrelativtypischen Kostenanpassungsverlaufes mit zu charakterisieren, so ergibt sich u. E. das Folgende: Für den Invitaltyp (Mechanik, Chemie) gilt begriffsnotorisch der Moment der Eigenlebenslosigkeitund damit auch das Fehlen jeder, aus dem Eigenleben folgenden, die starre Widmungsproportionalität gemäß der intendierten Ertragssteigerung durchbrechenden Mittelwidmungsproportionen. Hier gilt daher u. E. uneingeschränkt der geradlinig der Ertragssteigerung folgende, proportionale oder Linearkostenverlauf. Er trifft ebenso auf das Gutenbergsche Beispiel des Elektromotors zu, wie auch auf sämtliche, mit Kraftumsetzungsprozessen gemäß Hebelgesetzlichkeiten sich vollziehende Maschinenleistungen, wie auch auf die nur in den Bahnen fixer Proportionen sich vollziehenden chemischen Prozesse in asozialen Leistungssystemen. Die Kohlenstoffchemie bildet gemäß ihrer Strukturgesetze einen hievon wohl zu unterscheidenden Gesetzesbereich des Invitaltyps (vgl. Isomerie). Für den Vitaltyp sind u. E. im Sinne der kostentheoretischen Fragestellung zwei Tatbestände zu unterscheiden: Der Tatbestand einer zeitlich variierenden bzw. variierbaren Verausgabungsintensität vitaler (z. B. muskulärer) Kräfte mit der Folge einer i. d. R. kurzfristigen Abweichung vom Linearitätsprinzip der Mittelwidmung. Insoferne hier bereits gewisse kognitive Momente mit hereinspielen (z. B. die kognitiv aktive Beschäftigungssituation), ist es u. E. nicht von der Hand zu weisen, daß hier eine tendenziell S-förmig verlaufende Verausgabungsintensität Platz greift (mit der Folge eines ggf. dermaßen determinierten Kostenverlaufs, soferne ζ. Β. im Berei1 0 0
E b e n d a , S. 191 f.
400
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
che des Humaneinsatzes mit produktivitätsabhängig-linearen Entgeltungsweisen operiert wird; andernfalls ergeben sich zeitliche Unterproportionalitäten, denen kompensatorisch Überproportionalitäten - ζ. B. Ansteigen des Absentismus wegen Überbelastung - gegenüberzutreten vermögen). Wenn es ζ. B. Menschen gelingt - sicherlich kurzfristig - mit einem Minimum an Sauerstoff auszukommen, um einen Berggipfel mit verminderter, dem Menschen im Grunde unzulänglicher Sauerstoffatmosphäre, zu ersteigen - wie das Beispiel beweist ist es u. E. theoretisch unmöglich, derartige Anpassungselastizitäten geringfügiger bis geringfügigster Art im sozialen Leistungsprozeß einfach als unvollziehbar anzunehmen. Von hier aus betreten wir den Bereich biotischer Wuchsgesetzlichkeiten Sinne unserer obigen Ausführungen. Für sie gilt die Tendenz, aus dem langsamen Wachstum der Keimform heraus auf ein immer rascheres Entwicklungsgeschehen im weiteren Verlaufe des Entfaltungsprozesses zuzustreben, um schließlich, weil ja dieser Prozeß geplantermaßen nicht beliebig weiterlaufen kann, sondern langsam auf ein Ende des Wachstums (der Entwicklung) mit einem abschließenden Ruhen desselben zuzulaufen. Hier gilt prinzipiell: »„Entfaltung' ist... die Gegenkategorie gegen den Begriff des Mechanischen,Ablaufs' ... Denn Entfaltung sagt: daß die Veränderung nicht unaufhörlich weitergehen kann, weil sie Entfaltung einer Ganzheit, eines Geschlossenen, Gestalteten, in sich zurück Bezogenen ist... Das Taubenei kann sich (nur, J. K.) bis zu Taube entfalten .. . 101 ." Das hier Ausgeführte gilt für alles Biotische, also Pflanze, Tier, dann aber auch den Menschen. Für die Frage produktivitätsdifferenter Kostenverlaufseinflüsse ist dabei u. E. ins Auge zu fassen: Zum einen die Möglichkeit, daß im Wuchsverlaufe dargebotene Wuchsunterlagen (ζ. B. Nahrung) in einer den Wachstumgsgesetzlichkeiten unterschiedlichen Weise mit unterschiedlichen Wuchszuwachsraten (siehe hiezu unser Erklärungsmodell) (z.B. an Muskelsubstanz in Relation zur Knochensubstanz oder überhaupt) verbunden sind, wobei dieser Verlauf ebenfalls zunächst langsam, hernach sich steigernd und dann verlangsamend in Betracht zu ziehen ist. So wie sich ζ. B. die Wachstumsspalten bei Tier und Mensch zu schließen beginnen, so geht auch der Wuchsverlauf den Weg unterschiedlicher Entfaltungsgeschwindigkeit. Zudem ist hier noch ein anderer Umstand - ζ. B. für den Wachstumsverlauf der Pflanzen und Tiere - in Betracht zu ziehen, den man als „Moment des rechten Augenblicks" bezeichnen könnte: Die Wuchsunterlagen müssen zeitlich-wuchskonform, also eben im rechten und nicht in einem beliebigen Zeitpunkt dargeboten werden, um der Wachstumsgesetzlichkeit volle Entfaltungsmöglichkeit zu bieten. Was nicht zeitgerecht an Wuchsstoffen dargeboten (ζ. B. Futter bestimmter Art, Dünger, ggf. differenziert in seiner Zusammensetzung nach dem 101
Spann, (Kategorienlehre), S. 189.
im
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie
401
Wuchszeitpunkt der Pflanze u. ä.) wird, geht dem Wachstum und damit der Produktivität verloren. Was den produktivitätskorrelativen Kostenkurvenverlauf betrifft, wäre das Ertragsgesetz, das sich hier als besonders naheliegende Anpassungsform anbietet, wohl in seiner S-kurvenförmigen Tendenz am ehesten wuchsgesetzlich erklärbar (womit es ζ. B. zusammenhängt, daß Tierhaltung aber auch Pflanzenernteergebnisse von der Beachtung dieser Wuchsgesetzlichkeiten abhängig erscheinen). Die Anpassungsweise des Kognitivtyps, um den es uns natürlich besonders gehen muß, unterscheidet sich nicht wesentlich - wenn auch aus unterschiedlicher Ursache - von der des Vitaltyps: So ist der Weg vom Einf all bis zur Vollendung (vgl. Erfinden) ein solcher des kleinen, hernach des sich steigernden großen und schließlich des sich verlangsamenden Eindringes in den Ideenzusammenhang, also letztlich ein Reifevorgang mit drei Stadien der eben genannten Art. Das Gleiche gilt für Lehr- und Lernprozesse. Die Analogie zwischen biotisch-vitalen und kognitiven Wuchsverläufen zeichnet sich wohl auch durch den folgenden Satz ab: „Ein ,Keim' i s t . . . niemals der eingefaltete große Mensch; ein, Einf all', eine ,Idee' niemals das eingefaltete große System von Begriffen... Alle diese Keime verhalten sich nur als Anlage zur Augestaltung, als Potenzen zur Aktuiertheit, sind nur die Möglichkeit dessen, was später verwirklicht w i r d 1 0 2 .
Man wird u. E. nicht fehlgehen, den wuchsgesetzlichen produktivitäts- und kostenkorrelativen Verlauf als tendenziell S-förmig in Betracht zu ziehen. Biologie und Physiologie sowie Land- und Forstwirtschaft, dann aber last not least die Veterinärmedizin sind letztlich die Instanzen, die hiezu Näheres zu sagen vermögen und damit zugleich die Grenzen unserer Aufgabe wie die Notwendigkeit interdisziplinärer Kooperation in diesem Bereich klar genug hervortreten lassen. Hier ist nunmehr der systematische Ort, wo wir uno actu von der zweiten Produktivitäts- und Kostendeterminate, eben der Entsprechung und zugleich der kostenkorrelativen Gesamtanpassung in Kürze abzuhandeln haben. Wenden wir uns zunächst der Produktivitätssprechung wie folgt zu:
und Kostendeterminante
Ent-
Wir haben bei der Anpassungsstufe der Reservemobilisierung vorzüglich die formale Entsprechung (man könnte sie auch die allgemeine nennen) kennengelernt. Sie besagt, daß ganz generell kein Glied (also z. B. eine Maschine) etwa seine Beschäftigung ohne Abstimmung mit den übrigen Gliedern vollziehen kann (Zielgleichheit, also z. B. konstantes Fertigungsprogramm vorausgesetzt), unmittelbar mit dem Vor- und Nachglied verbinden, mittelbar aber eben mit allen. Hier zeigt sich auch die Zieländerung in die Determinante Entsprechung völlig 102
26
Spann, (Kategorienlehre), S. 190 f.
Kolbinger
402
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
zwanglos eingeordnet, eben als Frage der unterschiedlichen Entsprechung vorhandener Leistungssysteme mit sich wandelnden Zielen (und zwar nicht nur im Fertigungsbereich). Wir fragen nicht nach den Auslösern, sondern nach den Um· gliederungsdeterminanten selbst, eben Eigenleben und Entsprechung als den beiden Korrelativdeterminanten. Die in der Folge behandelte Anpassungsstufe der Kapazitätserweiterung hat vorzüglich eine Teilinhaltsentsprechung als Frage einer Gesamtanpassungsmöglichkeit erkennen lassen, und zwar wie folgt: Die von Gutenberg so genannte multiple Kapazitätserweiterung, deren Grundmerkmal u. E. in der Organisationsanpassung (verbunden mit gewissen organisationsverbundenen Assoziierungsfunktionen) gelegen ist und zwar mit zwei wesentlichen erkennbaren Momenten: Eine etwa im Sinne des Fayolschen Anpassungsgesetzes verlaufende, zunächst nur zahlenmäßig in Betracht zu ziehende Anpassung (Vermehrung) von „Koordinationsstellen" (bzw. -trägem), verbunden mit entsprechungsgemäßen Kostenwirkungen. Da es sich dabei aber nicht um stufengleiche Koordinationsstellen (bzw. -träger) handelt, bedeutet dies eine spezifische Ranganpassung mit kostenkorrelativen Anpassungsverlaufsfolgen. Hier folgt die Kapazitätsänderung mit Stufenwertanpassung, die sich auf sämtliche Teilbereiche sozialer Leistungssysteme mit ihren stufenspezifischen Leistungsformen (vollkommenheits- und rangmäßig) bezieht und die u. E. in Ansehung der Entsprechungsnotwendigkeit zwar linear, indessen doch aber immer nach Art der Anpassungsbesonderheit in allen Teilbereichen erfolgt. Wie unsere Ausführungen ebenfalls deutlich gemacht haben, bedarf es einer besonderen Entsprechung im Eigenleben, damit partielle Anpassungen (Umgliederungen) vollziehbar werden, also nicht an der Anpassungsstarrheit der jeweiligen Gegenglieder scheitern. Wir brauchen hier nur mehr auf die hiezu erfolgten Ausführungen zurückverweisen; im Prinzip determiniert das Anpassungsmaß das eigenlebensschwächste Glied, wobei allerdings u. E. dieser Umstand der besonderen Beachtung bedarf und insbesondere in Form von Anpassungsreserven das Gesamtanpassungsvermögen eines sozialen Leistungssystems zu gestalten hat. Die unüberschreitbaren Anpassungsgrenzen mechanischer Hilfsmittel zu beachten, ist u. E. kaum verdienstvoller für die dispositiven (hier taktisch sich verhaltenden) Kräfte als entsprechende anpassungsfördernde Investitionsstrategien für die „long-run"-Anpassungsmöglichkeit einzuplanen. Gehen wir von hier kurz der Frage der kostenkorrelativen Gesamtanpassung nach, so können wir im gegebenen Rahmen insbesondere zwei Feststellungen wie folgt treffen:
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheorie403
Wir folgen in aller Konsequenz der ganzheitlichen Auffassung, daß es immer darauf ankommen wird, ebenso wie bei der Gründung eine Ausgliederung sgesamtrechnung bei tiefgreifenden (theoretisch bei allen) Umgliederungen eine entsprechende Umgliederung sgesamtrechnung zu vollziehen. Ist diese zwar ebenfalls durchaus von analytischer Natur, also auf einzelne Teilgebilde (mit den funktionalen Schwerpunkten) und schließlich eigenlebensgleiche Letztglieder bezogen, so muß doch immer zugleich die Entsprechung der Teilgebilde mit den anderen Teilgebilden (einschließlich der Stuf en W e r t ä n d e r u n g e n bei Kapazitätsveränderung) wie der eigenlebensgleichen Subglieder mit den anderen eigenlebensgleichen, indessen untereinander auch eigenlebensverschiedenen Entsprechungsmomenten (also im Sinne der Lösung des Entsprechungsproblemes uno actu) mitberücksichtigt werden. Das Ergebnis wird daher wohl zum einen ein partiell-analytisches, zum anderen immer zugleich ein total-ganzheitliches sein müssen, widrigenfalls alle Partialaussagen isoliert und damit letztlich fiktiv bleiben. Damit läßt sich auch die dem Gesamtanpassungs- bzw. -produktivitätsverlauf entsprechende Kostenkurvenverlaufstypik in folgenden Varianten bestimmen: Linearer (proportionaler) Produktivitäts- und Kostenkurvenverlauf ist das Kennzeichen des reinen Invitaltyps. Er ist u. E. infolge der Unmöglichkeit, ein soziales Leistungssystem entweder nur aus Invitalmitteln oder ohne jede Einflußmöglichkeit des Vitaltyps oder des Kognitivtyps aufzubauen, nur als Fiktivtyp klassifizierbar (etwa im übersehen Sinne, z. B. die „Homo-oeconomicusKonstruktion"). Demgegenüber sind sowohl der Vitaltyp wie der Kognitivtyp im Sinne unserer Ausführungen, nicht zuletzt ihrer Wuchsgesetze wegen durch einen (im Sinne einer consecutio temporum) S-produktivitäts- und kostenkonformen Anpassungsverlauf charakterisiert. Da i. d. R. in einem sozialen Leistungssystem alle drei Anpassungstypen zusammenwirken, allerdings in unterschiedlichen Proportionen (vgl. etwa Landwirtschaft hier, Hochofen werk dort) ist der Gesamtkostenverlauf aller sozialen Leistungssysteme in unterschiedlicher Prägnanz von S-kurvenförmiger Gestalt. Der Grad dieser Ausprägung entspricht dabei dem Maße, mit dem der jeweilige Anpassungstyp verhältnismäßig in einem derartigen System vertreten ist, zum anderen der Korrelation derselben im Grade ihres Eigenlebens. So gesehen ergeben sich wohl in etwa folgende Realtypen (im Gegensatz zum obigen Fiktivtyp) der produktivitätskorrelativen Kostenanpassung sozialer Leistungssysteme: 1. Soziale Leistungssysteme mit prägnant S-kurvenförmigen produktivitätskorrelativen Kostenverlauf: a) Der S-kurvenförmige biotische Anpassungstyp, und zwar sowohl intensitätsmäßig, wie insbesondere wuchsgesetzlich. b) Der S-kurvenförmige kognitive Anpassungstyp, also alle Systeme, in denen nachhaltige Prozesse der Ablösung verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen erfolgen, und zwar in den (zeitabfolgemäßig-gestaltspezifischen) Reifeformen des Erfindens sowie Lehrens und Lernens. 2*
404
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
2. Soziale Leistungssysteme mit imprägnant S-kurvenförmigen Gesamtproduktivitätsund Kostenkurvenverlauf: in etwa der Gutenbergsche B-Typ, allerdings eingeschränkt durch das Gesetz des abnehmenden Ertrages der Arbeitsteilung.
2) Abschließende Bemerkungen zum Methodenstreit tional Seite der Kostenverlaufserfassung
und Hinweise auf die opera-
Entsprechend der Überschrift wollen wir in wenigen Sätzen die Probleme des Methodenstreits nochmals kurz aufzeigen und damit zugleich im Vergleich mit unseren obigen Ausführungen über die verstehende-ganzheitliche produktivitätskorrelative Kostenbetrachtung deren Lösungsrichtung bestimmen. 20) Grundprobleme und Lösungsrichtungen des Methodenstreits Auszugehen ist u. E. davon, daß die wesentlichsten Probleme allein schon aus Unklarheiten in Ansehung der Kostendeterminanten und hier vorzüglich in der mangelhaften Unterscheidung von Wirkungen des Beschäftigungsgrades und Wirkungen aus anderen Kosteneinflußfaktoren zu suchen sind. Wir haben gezeigt, wie E. Gutenberg in zwei Anläufen versucht, zu einem Kostendeterminantensystem zu gelangen und dabei u. E. zwischen Determinanten und Reaktionen auf deren Änderung recht problematische Formulierungen trifft. Symptomatisch scheinen uns dabei folgende zwei Formulierungen zu sein: 1. „Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß Änderungen der Kosteneinflußgrößen Beschäftigung, Betriebsgröße und Fertigungsprogramm, stets Änderungen in den Faktorqualitäten und/oder den Faktorproportionen auslösen103." Hier ist also jede Änderung in den Faktorproportionen, aber auch den Faktorqualitäten eine Funktion des Beschäftigungsgrades. Offenbar geschieht dies ganz in der Meinung, die traditionelle Betrachtung verbinde jede Kostenänderung mit „Beschäftigungsänderungen", eine Frage, die u. E. durchaus offen ist. 2. Dann aber heißt es: Man hat hievon auszugehen, daß es Kosteneinf lußgrößen gibt, „... die neben den Änderungen des Beschäftigungsgrades und unabhängig von ihnen das Kostenniveau des Betriebes beeinflussen" 104. „Man muß immer i m Auge behalten, daß die Aufgabe der Kostentheorie nicht nur darin besteht, den Zusammenhang zwischen dem Beschäftigungsgrad und den Kosten aufzuzeigen, sondern daß sie auch die anderen Kosteneinflußgrößen berücksichtigen und in ihr System einbauen m u ß 1 0 5 . "
3. So richtig die letzte Feststellung ganz im Sinne unserer oben entwickelten Gesichtspunkte ist, so muß u. E. doch bedacht bzw. kann nicht übersehen werden, daß gerade in Ansehung der Grundeinflußmomente von Änderungen des sozialen Leistungssystems auf die damit verbundene Kostenverlaufsgestaltung kaum von Klarheit im Rahmen des Methodenstreits gesprochen werden kann. 103
Gutenberg, (Produktion), S. 335.
104
Gutenberg, (Produktion), S. 377.
105
Ebenda
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore405
Richtig wäre es gewesen, überhaupt jenen Moment, um den es in der Tat geht, zur Zentralfrage der Kostentheorie zu-machen: den Zusammenhang zwischen Änderungen im Einsatz und dem hieraus erwachsenden „linearen" oder „nichtlinearen" Ertragszuwachs. Kurz, man hätte die gesamte Problematik als das betrachten und formulieren müssen, was sie wirklich ist: Eine produktivitätstheoretische Fragestellung, die geltungsgrößenmäßig eben eine strukturelle EinsatzErgebniskorrelationsfrage auf wirf t, wie wir sie oben darstellten. Hätte man diesen klaren Standpunkt bezogen, so wäre schon von vornherein der Begriff der Beschäftigung als Einsatzgrößenfrage aufgefaßt worden, die sich schließlich über sie hinaus zu einem Konzept der Input-output-Variation im Sinne unserer Ausführungen verwandelt hätte. Die Grundsatzfrage heißt also: Wie ändern sich Produktivitätsverhältnisse sozialer Leistungssysteme und in welcher Form äußern sich diese in der korrelativen Kostenreaktion. Von dieser Unklarheit im Grundansatz bzw. der richtunggebenden Fragestellung, erklären sich u. E. auch alle weiteren Kriterien des Methodenstreits, die wir programmatisch wie folgt skizzieren können: 1. In der Produktionstypenlehre (Typ A, Typ B), die man richtigerweise als Produktivitätstypenlehre bezeichnen müßte, kommt es u. E. zu einer Unterschätzung des Eigenlebens des Vital- und Kognitivbereiches in der Produktivitätsund damit korrelierenden Kostenverlauf sgestaltung sozialer Leistungssysteme. Dies gilt im Rahmen des Methodenstreits vor allem bezüglich der Ansicht Gutenbergs über die (Un-)Möglichkeit intensitätsmäßiger Anpassung. 2. Von hier aus erweitert sich die Fragwürdigkeit der methodenstreitlichen Argumentation insbesonders im Bereiche wuchsgesetzlicher, zum einen den Vitalbereich (Biogesetzesbereich), insbesondere aber den Kognitivbereich betreffender Momente. Das Grundproblem, nämlich die Substitution verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen blieb völlig außer Betracht und schmälert damit von vornherein ebenso den „Streitwert" wie das Ergebnis dieser streitbaren Bemühungen überhaupt. 3. Wenngleich auch wir die Wuchsgesetze nicht als eine abgeschlossene, sondern in der Tat erstrichtungweisendaufgeworfene Frage betrachten, so war es doch der Argumentation des Methodenstreits grundsätzlich unerschwinglich, hieraus bestimmte, produktivitätskorrelative Kostenverlaufsformen auch nur mutmaßlich in den Griff zu bekommen. 4. Es ist im übrigen interessant, daß der Kostenbestimmungsmoment der Entsprechung - zumindest in einer allgemein verstehbaren Formulierung - nicht einmal angesprochen worden ist. Wiewohl Gutenberg diese produktivitätsbestimmende kostenkorrelative Bestimmungsgröße noch im Jahre 1929 geläufig war. Nicht zuletzt unter Abhebung auf Spann heißt es bei Gutenberg: „... Mengenkostenkurven sind die Kurven der fixen, proportionalen, degressiven und progressiven Kosten. Überdies tritt an dieser Stelle... deutlich hervor, daß letztlich die Korrelationsverhältnisse, Entspre-
406
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
chungsverhältnisse zwischen den Gütermengen, die Wirkungen auf ... die mengenmäßige Zusammensetzung der Güter der Unternehmung... den eigentlichen Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie ausmachen" 1 0 6 . Direkt auf O. Spann bezieht er sich auch i m Folgenden: Sein damaliges System kann etwa wie folgt bestimmt werden: 1. Mengen- und Preismoment der Kosten; 2. Kostenreaktionen i m Mengenbereich: a) Beschäftigungsgrad, b) Verbrauchsfunktionen kraft „Verfahren", c) Entsprechungswirkungen 1 0 7 .
Entsprechungsmäßige Anpassung bedeutet im übrigen auch die Umgliederung sozialer Leistungssysteme gemäß Aufgabenwandel (wovon die Fertigungsprogrammanpassung nur ein Fall ist). 5. Nur nebenbei fällt noch der Blick auf die selektive Anpassung, die Gutenberg der traditionellen Methode, neben der intensitätsmäßigen Anpassung, als Grund S-kurvenförmigen Kostenverlaufes erklärungsmäßig unterstellt. Abgesehen davon, daß wir einen derartigen Erklärungsversuch bei K. Mellerowicz nirgends zu finden vermögen, ist es u. E. andererseits nicht so abwegig, wie Gutenberg meint, einen Verlauf anzunehmen, der darauf beruht, daß'zunächst höher ergiebige und hernach die weniger ergiebigen Leistungsgrundlagen (Maschinen, Arbeitskräfte etc.) zur Erzielung einer intendierten Ertragssteigerung (mit abnehmender Produktivität) herangezogen werden. Dies könnte ζ. B. schon so geschehen, daß überbrückungsmäßig bisher nicht oder kaum eingesetzte Anlagen nunmehr doch zum Einsatz gelangen. Aber auch andere Fälle sind denkbar: der von uns schon anderweitig bezüglich des Bergbaues (u. ä.) herausgestellte, an S-kurvenförmige Produktivitätsentwicklungen erinnernde Zeitverlauf der Ergiebigkeit; dann aber wäre es nicht von der Hand zu weisen, daß im Verlaufe der Betriebsausweitungsintention eine Unternehmung zunächst auf wenig geeignete Kräfte angewiesen ist, während sie erst später die geeigneteren zu attrahieren vermag, um schließlich wieder auf die „letzte Reserve" zurückgreifen zu müssen. Es lohnt sich u. E. nicht, über derartige empirische (geschichtlich-einmalige) Mtpmente das Monument von Theorien errichten zu wollen. 6. Schließen wir mit einer letzten Frage, nämlich der der analytischen und der Gesamtkostenbetrachtung. Letztere fordert mit dem Hinweise, es scheine „... erforderlich, die eine Kostenkurve durch ein System von Kostenkurven zu ersetzen ..." 1 0 8 . „Die bisherigen Untersuchungen zur Kostentheorie haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Abhängigkeit der Kosten vom Beschäftigungsgrad (???!!!) nicht durch eine Kostenkurve zum Ausdruck gebracht werden kann, wie die traditionelle Kostentheorie behauptet 1 0 9 ."
Dazu ist u. E. zweierlei zu sagen: 1. Da es grundsätzlich nicht um den bloßen Zusammenhang Beschäftigung Ertragsverlauf, sondern Einsatz - Ertragsverlauf nach produktivitätsspezifi106
Gutenberg, (Unternehmung), S. 49 f.
107
Vgl. ebenda, S. 47.
108
Gutenberg, (Produktion), S. 377.
109
Ebenda.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore407
sehen Kriterien geht, wäre eine Gesamtkostenkurve schon aus diesem Grunde zur Beantwortung der Frage nach dem Gesamtkostenverlauf zureichend. 2. Wie wir - zum zweiten - aufgezeigt haben, ist es natürlich sinnvoll, analytisch wie integrativ den produktivitätskorrelativen Kostenverlauf in Betracht zu ziehen, die Gesamtkostenkurve also aus den Einzelverlaufskurven - im Sinne der Beachtung entsprechungsmäßiger Kriterien - abzuleiten, im einfachsten Falle durch Kurvenaddition. Zwischen beiden Vorgangsweisen besteht also kein grundsätzlicher Gegensatz, doch ist ihr Zusammenspiel das Erstrebenswerte. Wenden wir uns gerade von der eben getroffenen Ausführung der Frage der operativen Gestaltung der Kostenverlaufsermittlung wie folgt zu: Für eine Grundumgliederungserfassung eignet sich u. E. nur eine entsprechende Ausgliederungsrechnung (Gründungsrechnung) bzw. eine Umgliederung sgesamtabrechnung, abgestellt auf den Fall kapazitätsmäßiger Anpassung (ohne und mit Stufenwertänderung) wie zum anderen der (wuchsgesetzlichen) Verfahrensanpassung (welche im eigentlichen Sinne eine die gesamte Gebildeänderung erfassende und nicht etwa bloße Einzelinvestitionen in Betracht ziehende Gesamtinvestitionsrechnung zu bedeuten hätte). Für die laufende produktivitätskorrelative Kostenverlaufsrechnung eignet sich u. E. - seit Jahrzehnten in Praxis und Lehre angewandt - eine sicher noch verbesserungsfähige „vollflexible Plankostenrechnung", welche in einer stufenweise fortschreitenden Vergleichsrechnung folgende geltungsgrößenmäßig relevanten Umgliederungswirkungen im laufenden Betriebsgeschehen zu erfassen hat: 1. Preisliche Anpassungen a) i m Bereiche der Eigenbeteiligungen b) i m Bereiche der Vorleistungen aa) i m Bereiche von Marktleistungen bb) i m Bereiche mitgliedschaftlicher Vorleistungsabgeltungen und Umverteilungsänderungen (insbesondere Steuern betreffend) 2. Außerpreisliche Anpassungen a) einfache Substitutionswirkungen (Sparsamkeit) b) AnpassungsWirkung aus Reservemobilisierung aa) Beschäftigungsanpassungswirkungen bb) Auflagenanpassungswirkungen cc) Sekundärwirkungen intensitätsmäßiger Anpassung c) Verfahrensanpassungswirkungen (bei möglicher alternativer kurzfristiger Verfahrenswahlmöglichkeit).
Mit diesen abschließenden Hinweisen glauben wir das Notwendige für die Richtungsbestimmung einer ganzheitlich-verstehend-sozialwissenschaftlichen produktivitätskorrelativen Kostenverlaufstheorie sozialer Leistungssysteme beigetragen zu haben.
408
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
B. Grundfragen Interstuflieber Geltungsgrößenbildung und des normativ-selektiven Geltungs- und Abgeltungsstrebens Soziale Leistungssysteme gliedern sich als solche geltungs- und abgeltungsmäßig in höherstufige Gesamtsysteme im Sinne vorgängiger morphologischer Ausführungen ein. Dem, wie den Formen des Abgeltungsstrebens nach Art der Sinngebung sozialer Leistungssysteme, wollen wir hier noch kurz nachgehen. 1. Grundmomente höherstufiger Geltungsgrößenfindung und -gestaltung
Höherstufige Geltungsgrößen sind in herkömmlicher Auffassung Preise, ggf. auch mitgliedschaftliche Abgeltungsgrößen. Auf sie werden auch die Kosten und Kostenverläufe hingeführt, unbeschadet ihrer eigenen Geltungsbestimmung selbst. Nur aphorismenhaft können wir hierauf wie folgt eingehen: a) Die Frage der Ermittlung von Marktgel tungen ist letztlich eine solche der Erringung einer Art Gesellschaftsconsensus bezüglich der zunächst als bloße Partikulargeltungen ermittelten Primärgeltungsgrößen (Lohn- und Zinssätze, Abgeltung unverbrauchlicher Leistungen) wie der aus den aus dem Faktoreinsatz hervorgegangenen Bedürfnisbefriedigungsmitteln (Konsum- wie Produktionsgütern). Wie schon Nicklisch erkannte, handelt es sich um eine Wertbestätigung im Sinne eines gesamtsozialen Geltungsf indungsprozesses, in dem die Leistungen und die Bedürfenden einander als Parteien gegenüberstehen. b) Marktgeltungen können sich - immer im Sinne eines bestehenden grundsätzlichen Wert- bzw. Geltungsconsensus - frei, also durch im Prinzip laufende freie Willensbildung zwischen Bedürfenden und Leistenden herausbilden, zum einen im Faktorbereich, zum anderen im Güterbereich. Ohne den Zustand der stufenlosen Gesellschaft (Zentralstaat) erreicht zu haben, schieben sich hier ggf. Arten von Hoheitsakten ein, welche zur gebundenen Marktgeltungsfindung bzw. -bestimmung führen. Ob aus Gründen der Grundbewertungsdiskrepanz oder produktivitätsmäßiger Geltungsanpassungen vollzieht sich bei bedungenen Entgelten die Marktanpassung sofort, bei bedingten mit einem gewissen „Anpassungs-Lag". Auf den einfachsten Nenner gebracht, kann man dies wie folgt darstellen: Unternehmerarbeit/-sparen Preis (Erlös) Anpassung
90 Einsatzgeltung
Hervorbringung 100
10 100
100
100
100
100
100
Absatzgeltung Preis
90
100 Anpassung 10 100
100
c) Ziehen wir von hier die Marktfunktionen der Geltungsgrößenbildung ihren fundamentalsten Aufgaben in Betracht, die zu erfüllen selbst wieder zur
in
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore409
Aufgabe der Marktgeltungsfindung sozialer Leistungssysteme (in Verwendung der oben gewonnenen Einsichten) werden, so sind es u. E. insbesondere deren zwei, nämlich: 1. Geltungsbestätigung 2. Geltungsvereinheitlichung
Von der Geltungsbestätigung war schon oben die Rede, so daß hier nur mehr von der Geltungsvereinheitlichung gesprochen werden muß, von der wir wieder zwei Grundformen hervorheben können, die wir wie folgt ins Auge fassen: Erbringen mehrere soziale Gebilde gleichartige Leistungen, so erhebt sich die Frage, welche gemeinsame Geltungsgröße diese Leistungen besitzen sollen (wobei wir hier diese Aufgabe unterstellen, unbeschadet, wieweit die Gütergleichartigkeit gegeben ist und daher Vereinheitlichung erforderlich wird). Die Antwort der herkömmlichen Lehre, die wir hier nicht weiter in Frage stellen wollen, lautet: Die gemeinsame Geltungsgröße muß so beschaffen sein, daß sie die Leistungsabgeltung der Beteiligten aller jener Gebilde gestattet, welche von den Konsumenten zur Bedürfnisbefriedigung als erforderlich erachtet werden. Das hiefür gültige Axiom bestimmt daher des weiteren, - ganz im Sinne des Gesetzes der Erhaltung (Nicklisch) - daß die gemeinsame Geltungsgröße nicht niedriger sein darf als das aus Faktorgeltung und Produktivitätslage sich ergebende Kostenniveau des noch zur Konsumentenbefriedigung erforderlichen sozialen Teilsystems, herkömmlicherweise als Grenzkosten angesprochen. Hier nun erhebt sich u. E. insbesondere die Frage des konkreten Vollzuges, genauer der Institutionalisierung dieser zugleich bestätigenden wie vereinheitlichenden Geltungsgrößenfindung. Damit sind wir auch bei den obengenannten Grundformen wie folgt angelangt: Nehmen wir an, ein soziales Leistungssystem des Handels erhalte auf seine Anfrage bei allen in Frage kommenden Leistungssystemen der Hervorbringung auf welcher Grundlage auch immer ermittelte - Geltungsangebote. Was liegt näher, als anzunehmen, daß nunmehr dieser und gerade dieser Handel als Geltungsgrößenbestätiger und -vereinheitlicher in Erscheinung tritt. Theoretisch, indem er die Angebote nach ihrem Geltungsverlauf ordnet und dann, so wollen wir hier ohne jede weitere Erörterung gelten lassen, das Angebot mit der Höchstgeltung (so es noch nach Maßgabe der Konsumentengeltung bestätigbar ist) zur Einheitsgeltung, zum (Markt-) Preis deklariert. Wir wissen, daß dies nur Hypothese ist, doch mag diese immerhin einigen pädagogischen Wert besitzen, wie wir ihn für eine Einführung(l) in diesen Problemkreis gesamtstufiger Geltungsgrößenfindung allein in Betracht ziehen können. Damit liegt auch die zweite Form einer derartigen Bestätigungs- und Vereinheitlichungsleistung in zwei Subformen offen vor uns, die man irgendwie generell als dirigistisch (ohne Werturteil) bezeichnen könnte, die in zwei Assoziativformen vorzüglich vollziehbar erscheint:
410
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Die oben herausgestellte Handelsfunktion ist wohl am ehesten in Form einer Geltungsvereinheitlichungsassoziation (oben setzten wir den Markt, terminologisch den assoziationsfreien Raum voraus), also etwa eines Kartells oder Syndikats, das ganz im Sinne jenes hypothetischen Handelsbetriebes fungieren würde, vorstellbar. Preisvereinheitlichungsassoziation kann natürlich auch ein Hoheitssystem, also vorzüglich der Staat sein, der in Form von Hoheitstaxen die Einheitsgeltungen oder in Form von Kostenrechnungsrichtlinien bzw. Preisbildungsvorschriften diese Vereinheitlichungsgeltung zu steuern sucht. Hier wird allerdings die Vereinheitlichung nur bedingt erreicht, nämlich soweit, als der Geltungsgrößenaufbau (Kalkulationsschema) vereinheitlicht wird. Verwiesen sei hier insbesondere auf LSÖ, RPÖ und LSBÖ (Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten für öffentliche Auftraggeber; Richtlinien für die Preisbildung bei öffentlichen Auftraggebern; Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Bauleistungen für öffentliche Auftraggeber). Alle drei mit 15.11.1938 in Kraft getreten, nach dem 2. Weltkrieg teilweise weitergeltend, teilweise in neue Preisbildungsvorschriften einmündend.
Haben wir bislang vorzüglich die Vereinheitlichungsinstitutionen des Marktes ins Auge gef aßt, so müssen wir uns natürlich auch nach der Gegenseite umsehen, also jenen, die etwa jenem hypothetischen Handelsbetrieb ihr Offert unterbreiten oder selbst unmittelbar an die Bedürfenden herantreten. Hiefür fassen wir (nur) das Folgende ins Auge: Inwieweit ein einzelnes soziales Leistungssystem selbst Marktgeltungen zu ermitteln, genauer, zu gestalten haben wird, hängt u. E. nicht zuletzt davon ab, wieweit die von ihm erbrachte Leistung selbst von einheitlicher Natur ist oder mehr oder weniger Unikate darstellt. Wie wir in der Marketing-Lehre gesehen haben, gehört es ja nicht zuletzt zu den die Eigenständigkeit fördernden Tendenzen sozialer Leistungssysteme, derartige Individualstellungen zu erreichen. Für das Marktgeltungen bestimmende bzw. gestaltende soziale Einzelleistungssystem (insbesondere der Hervorbringung) kommen offenbar drei Möglichkeiten grundsätzlicher Art in Frage: 1. Ist die eigene Leistungsart so different, daß überhaupt keine Vereinheitlichung in Frage kommt, so muß nolens volens eine Eigenbestimmung der Marktgeltung in die Wege geleitet werden, wobei die Kosten, nicht zuletzt auch die dynamische Kostenstruktur, ein entscheidendes Hilfsmittel bietet (so wenn ζ. B. Ersatzvorgänge verbrauchlicher durch unverbrauchliche Leistungen als rationales Maß für Gewinn in Betracht gezogen werden können, von den übrigen Fruchtbarkeitskomponenten abgesehen, deren mehr oder weniger normativer Charakter hiefür ebenfalls Anknüpfungspunkte ergibt, von der bloßen Ist-Ko sten-Deckungs-Preisbildung abgesehen, die natürlich ebenfalls in Frage kommt). Man kann eine solche Eigenbestimmung, die natürlich der Bestätigung (nicht der Vereinheitlichung) durch den Markt (genauer: die konkrete Bedürfnisgemeinschaft, ζ. B. werblich geformt und verfestigt!) bedarf, als „Pioniergel-
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore411
tungsgrößenbestimmung", als die aktivste Form einzelgebildlicher Markt- bzw. Konsumentengeltungsgrößenbestimmung, bezeichnen. 2. Demgegenüber treten mehr oder weniger passive Formen hervor, von denen die folgenden als Grunderscheinungen hervorstechen dürften: - Kann davon ausgegangen werden, daß das Anbieterkollektiv eine gewisse irgendwie bekannte Vollkommenheitsstruktur aufweist, so bildet sich ggf. ein Preisführer heraus, der vereinheitlichend wirkt, nach dem sich die Geltungsansprüche der übrigen Marktversorger einfach ausrichten (passive Geltungsgrößenbestimmung). - Eine mit der Frage der Kapazitätsauslastung und damit dem Fixkostenphänomen verbundene, eher passive Marktgeltungsgrößenfindung hat sich u. E. unter dem Begriff der Deckungsbeitragsrechnung herausgebildet. Sie setzt eine Marktgeltung als bestehend voraus und entscheidet - konkret natürlich innerhalb der durch die Struktur des Leistungssystems gegebenen Grenzen nach dem Deckungsbeitrag über Leistungserbringung oder Leistungsunterlassung. Deckungsbeitrag ist dabei die Differenz zwischen Marktgeltung (Preis) und Proportionalkosten (prinzipiell gesehen). Im Grunde liegt hier eine Form der Totalrechnung vor, wie sie Schmalenbach seiner Bilanztheorie unterstellte und im übrigen auch mit seinem proportionalen Satz (Grundform der traditionellen Kostentheorie) annähernd vorwegnahm. 2. Selektives Geltungs· und Abgeltungsstreben sozialer Leistungssysteme, insbesondere i m Bereiche unverbrauchlicher Leistungen
Wie zu betonen ist, fällt die Entscheidung über Geltungs- und Abgeltungsstreben sozialer Leistungssysteme im Assoziierungsbereich, so daß im gegenwärtigen Zusammenhang nur der Niederschlag dieser Assoziiertenentscheidungen von der Seite der Abgeltungsgrößenlehre nochmals abrundend und integrierend aufzugreifen ist. An sich werden hievon alle Geltungs- und Abgeltungsgrößen von dieser Frage berührt, doch spielt in der herkömmlichen Lehre vorzüglich die Gewinnfrage hier herein, weshalb wir uns - eingedenk der notwendigen Beschränkung auf das Wesentlichste - insbesondere auf die Frage der Geltung und Ingeltungssetzung unverbrauchlicher Leistungen beziehen wollen. Dabei stellen wir einige markante selektive Gewinnauffassungen voran, um von diesem anschaulichen Material ausgehend, in Kürze den systematischen Kern selektiver Geltungs- und Abgeltungsgestaltung in Betracht zu ziehen. a) Markante Beispiele selektiver Abgeltungs-, insbesondere Gewinn-Gestaltungs-Intentionen Wir greifen hier zwei sozusagen klassische Fälle selektiver Gewinnintention und damit verbundener Geltungs- und Abgeltungsauffassung heraus.
412
. Abschnitt: Einführung in die Geltungs· und Abgeltungsgrößenordnung
aa) Das Beispiel E. Abbé der Carl-Zeiß-Stiftung Es besteht offenbar schon ein grundlegender Zusammenhang zwischen Formgebung und Sinngebung, wie wir in unserer morphologischen Betrachtung herausstellten. Dabei geht es wieder um einen engen Zusammenhang von Assoziativform und Erfolgsstreben (Gewinnintention). So ist ja, wie sich dann zeigen wird, dieser und gerade dieser assoziativ-gemeinschaftsinteressenbetonte Zielerfolg Maßstab, an dem das Ist gemessen und beurteilt wird. Abbé vertritt die Auffassung, daß die Assoziativform Stiftung ihrem Sinne nach Produktivgenossenschaft sei: Wer das Statut der Carl-Zeiß-Stiftung aufmerksam liest, „... muß zu dem Resultat kommen, daß die optische Werkstätte, wie sie seit Errichtung des Statuts der Carl-Zeiß-Stiftung dasteht, seit 1890 nichts anderes ist, als eine Produktivgenossenschaft in Beziehung auf die wirtschaftlichen Interessen" 110. Allerdings zeigt sich doch, wie wir anderweitig unterstrichen, daß Sinngebung und Formgebung absolut korrelieren müssen, weshalb eben ein Stiftungs-Verhalten, hier zunächst nach innen, dennoch kein Verhalten einer Produktivgenossenschaft ist, denn Abbé sagt: „Wir sind keine Genossenschaft in bezug auf Verwaltung und Leitung .. . m . " Hieraus folgende interne Geltungsund Abgeltungsmaxime der Stiftung-Genossenschaft ist: Sie „... vertritt das Interesse der Gesamtheit aller arbeitstätigen Genossen gegenüber dem Interesse aller einzelnen, das Interesse der dauernden Gemeinschaft aller gegenüber den Interessen, welche die einzelnen jeweils haben"112. Insbesondere - und darin liegt u. E. der normative Charakter interner Geltung und Abgeltung bei Abbé hat nicht der einzelne, wohl aber „... die Genossenschaft ein Interesse daran, nicht den ganzen Arbeitsertrag zu verteilen, sondern einen Teil des Ertrages dieser gemeinsamen Arbeit zurückzubehalten als gemeinsamen Besitz, als Kollektiveigentum .. " 1 1 3 . Hier fragt es sich natürlich generell, wie andere assoziative Systemformen ihr Abgeltungsverhalten zu legitimieren vermögen bzw. gemäß dieser Legitimation ihr selektives Verteilungsinteresse wahren. Noch deutlicher erkennen wir u. E. das, was wir als selektive Geltungs- und Abgeltungsgrößenbildung bezeichnen, wenn wir uns der -Abgesehen Selektiv-Gewinntheorie zuwenden, die sowohl die Frage berührt, was als Abgeltung „unverbrauchlicher" Leistungen angesehen wird, aber auch was die Frage des Wie der Veranschlagung betrifft, die uns natürlich in diesem Bereich der Abgeltungsgestaltungslehre erst recht prinzipiell berührt, wenn auch hier am konkreten Beispiel demonstriert. Ziehen wir insbesondere das Folgende in Betracht: Mit starker Geltungsabstufung unterscheidet Abbé zwei Grundarten von Gewinn: 110
Abbé, (Vorträge), S. 122.
111
Ebenda, S. 127. Ebenda, S. 124.
112 113
Ebenda, S. 125.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore413
„Es gibt einen Organisationsgewinn, der einfach daraus entspringt, daß viele zusammenarbeiten und sich gegenseitig ergänzen und gemeinsames Kapital benutzten und dadurch in fünf Tagen oder einer Woche soviel mehr arbeiten können, als sie dies einzeln, getrennt und ohne gegenseitige Unterstützung, in neun oder zehn Tagen zu leisten vermögen 114." Man könnte ihn u. E. generell in Ansehung der besonderen Wirkung der Assoziativform auf das Gemeinschaftsinteresse und damit die Leistungsbereitschaft wohl auch Assoziativgewinn nennen. Sicherlich zu abschätzig beurteilt, ist dies für Abbé „... der gewöhnliche ,Waldund Wiesen-'Unternehmergewinn, der hier seine Wurzel und eine gewisse Berechtigung hat ..." 1 1 5 . Auch hier entsteht eine Abgeltungsbemessungs- und -gestaltungsfrage, was wir wegen des uns allgemein begleitenden Gesamtthemas der Geltungs- und Abgeltungsgrößenbestimmung nicht unerwähnt lassen wollen. Demgegenüber gibt es einen offenbar mit höherer Geltung eingestuften speziellen Unternehmergewinn: Diesen erzielen „... diejenigen feineren Organisationen, welche aus der gemeinsamen Arbeit noch mehr Vorteile zu ziehen wissen, als es sonst mit gewöhnlichen Mitteln möglich ist. Unsere Erzeugnisse haben ζ. B. einen höheren Verkaufswert als gleichartige Erzeugnisse anderer Firmen, in welche dieselbe technische Arbeit hineingelegt wird, die aber doch minderwertig im Gebrauch sind, weil die Erzeugnisse unserer Organisation noch das für sich haben, daß sie Repräsentanten fortschreitender Verbesserung sind in bezug auf die Erhöhung der Leistung der Erzeugnisse116." Daß Abbé deutlich auf das abhebt, was wir Geltung und Abgeltung unverbrauchlicher Leistungen nennen, ergibt sich aus dem Hinweis auf patentierte und nichtpatentiert-höhergeltende Leistungen: So genießen die Produkte der Carl-Zeiß-Stiftung „... die besondere Wertschätzung aller derjenigen, die sie gebrauchen". Er ermißt die besondere Geltung und bestimmt damit die besondere Abgeltung dieser in unserem Sinne „unverbrauchlichen" Leistung darin, daß es Leute gibt „... Fabrikanten in Paris, London, New York usw., die für die bloße Erlaubnis, das machen zu dürfen, was wir machen, an uns 10 % des Verkauf s wertes als Lizenzgebühr zahlen"117. Insbesondere auch im Rahmen der Gewinnverteilung veranschlagt Abbé hieraus auch den unverteilbaren Stiftungsgewinn als Gewinnqualität und -Sinngebung besonderer Art. Es handelt sich eben u m Abgeltung unverbrauchlicher Leistungen, enthalten in Erzeugnissen „... besonderer erfinderischer Tätigkeit, in denen neue Ideen zum Ausdruck kommen, die dadurch einen Mehrverkaufswert haben als andere Erzeugnisse, die technisch (kraft verbrauchlicher Leistungen, J. K.) gleich gut hergestellt sind" 1 1 8 .
114 115 116 117 118
Abbé, (Vorträge), S. 133. Ebenda, S. 134. Ebenda. Ebenda, S. 135. Ebenda
414
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
Die Selektiv-Geltungs- und Abgeltungsintention kommt u. E. noch besonders deutlich in der Bestimmung der „Zielrichtung der Produktion" (allgemein: Leistung) in den Statuten (§§ 1,43) der Stiftung wie folgt zum Ausdruck: „Die Zwekke der Carl-Zeiß-Stiftung sind: A. 1. Pflege der Zweige feintechnischer Industrie, welche durch die Optische Werkstätte und das Glaswerk unter Mitwirkung des Stifters in Jena eingebürgert worden sind ... Β . . . 3. Förderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Studien in Forschung und Lehre (§ 1). Besonders nachhaltig wird das selektive Erfolgstreben in § 43 ausgedrückt: Hochstehende Einzelarbeiten mit hohem technischen Niveau, auch wenn diese Leistungen „... wenig Vorteil bringen, dem Ganzen (aber) ein höheres Niveau technischer Leistungsfähigkeit erhalten .. ," 119 . Wortlaut des § 43: „Die Organe der Stiftung haben besonders darauf hinzuwirken, daß auch in Zukunft die Stiftungsbetriebe fortgesetzt und in möglichsten Umfang an solchen Aufgaben ihres Arbeitsgebietes sich betätigen, welche technisch hochstehende Einzelarbeit erfordern und welche deshalb, wenn sie auch wirtschaftlich wenig Vorteil bringen, dem Ganzen ein höheres Niveau technischer Leistungsfähigkeit erhalten und ein Gegengewicht gegen die Routinetendenz rein fabrikatorischer Tätigkeit darbieten 1 2 0 ."
bb) Zwei Zitate aus der Genossenschaftsgeschichte Der Selektivmoment der Geltung, der sich letztlich immer auch in Abgeltungsstreben äußert, lautet bei den beiden großen Vertretern der Genossenschaftsbewegung: Wir zitieren aus den Statuten der Darlehenskassenvereine F. W. Raiffeisens das Folgende, das die „Selektive Leistungsrichtung" und damit verbundene Erfolgsauffassung wie folgt charakterisiert: „Die wahre und eigentliche Aufgabe der Vereine... besteht darin, die Verhältnisse ihrer Mitglieder in sittlicher und materieller Beziehung zu verbessern .. , 121 ." Den Kredit als Hauptleistung seiner Darlehenskassenvereine vergibt er mehr wie ein Vater, insbesondere was die Kreditverwendung betrifft, „... die Erkenntnis in dieser Beziehung ist ebenso wichtig oder vielleicht noch wichtiger als die Geldbeschaffung" 122. Nicht der Gewinn wird gesucht, sondern die Selbstversorgung auf kleinstem Raum, ausgedrückt im Prinzip des kleinen Vereinsbezirks. Gründete man zunächst größere Vereine, so ergab sich: „Alle ... Vereine w u r d e n . . . nach kurzem Bestehen in kleinere Vereine geteilt. Nach diesen und anderen bisher gemachten Erfahrungen hat sich für die Darlehenskassen-Vereine der feste Grundsatz ausgebildet: Die Vereinsbezirke unbeschadet der Lebensfähigkeit möglichst klein zu halten." 119
Abbé, (Vorträge), S. 281 f.
120
Ebenda, S. 282.
121
Raiffeisen,
122
Ebenda, S. 30.
(Darlehens-Vereine), S. 25.
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore415
Damit verbindet sich das Prinzip bloßer Kostendeckung und, soweit Gewinn gemacht wird, Dotierung eines unverteilbaren Vereinskapitals. Daß Genossenschaftsgeist in seiner Zielstellung auch nuanciert zu werden vermag, erkennen wir aus dem kühlen Wind, der aus Schulze-Delitzschs „Prinzip der Kreditvergabe" klingt, das dem Raiffeisenschen „Vater-Prinzip" völlig zuwiderläuft und das Raiffeisen wie folgt wiedergibt: „Ein eifriger Vertreter dieser Vereine äußerte sich in dieser Beziehung einmal sehr bezeichnend wie folgt: ,Wir betrachten das Geld bei unseren Vereinen wie ein scharfes Messer, welches wir jedermann zu beliebiger Verwendung überlassen. Gebraucht es jemand, um sich damit die Mittel für seine Existenz zu erwerben, so ist uns dies ganz recht. Schneidet er sich aber damit den Hals ab, so haben wir dagegen nicht zu erinnern 123 /" Wenngleich am Beispiel Abbé s die selektive Gewinnbetrachtung im Sinne unserer Fragestellung nach Geltung und Abgeltung deutlicher zu erkennen war, kann man aus den eben getroffenen Ausführungen hieraus sicherlich zumindest gewisse signifikante Rückschlüsse ziehen, die uns an den engen Zusammenhang von Assoziierungsgestalt, Erfolgsstreben und damit verbundener Abgeltungsgestaltung immer erinnern werden.
b) Generelle Aspekte der Geltungs- und Abgeltung sfindung unverbrauchlicher Leistungen Haben wir oben zwei signifikante Einzelfälle zur Verdeutlichung des Problems der Geltungs- und Abgeltungsgrößenfindung insbesondere unverbrauchlicher Leistungen ins Auge gefaßt, so wollen wir abschließend eine gewisse Generalisierung dieser Fragestellung wie folgt versuchen:
aa) Leistungsmäßige Abgeltungsmomente Wir fassen hier die folgenden drei Grundmomente der Abgeltungsfrage „unverbrauchlicher" Leistungen wie folgt ins Auge: 1. Abgesehen von der sozialistischen Hypothese der grundsätzlichen Nichtabgeltung unverbrauchlicher Leistung spielt zunächst u. E. der Zeitmoment, also die Dauer dieser Abgeltung, eine grundlegende Rolle in der geltungs- und abgeltungstheoretischen Diskussion sozialer Leistungssysteme. Hier scheint u.E. eine Art „Vererbungsverpflichtung" als Zielvorstellung zu obwalten, dergestalt, daß versachlichte unverbrauchliche Leistungen (man denke ζ. B. an die Rationalisierungserfolge in der Ideen-Versachlichungsform der Maschinen und Geräte, dann aber auch an die Abgeltung jener Bodenvorzüge, die dem Begriff der Bodenrente zum Vorwurf dienen, heute etwa nicht zuletzt die Erdölrente, die die 123
Raiffeisen,
(Darlehens-Vereine), S. 42.
416
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
westliche Welt zu entrichten gezwungen ist) von ihren Hervorbringern nach sinnvollem Gebrauchsmaß doch als abundant freigegeben, also unentgeltlich allen zur Verfügung gestellt werden. Hiebei ergeben sich u. E. folgende Überlegungen bezüglich dementsprechender Gestaltung der Marktabgeltungsgröße Preis: Dem freien Markt, wohl aber erst der sozialen Marktwirtschaft, obliegt die Aufgabe, kraft Wettbewerbs, im zweitgenannten Falle doch aber auch schon gewisser kognitiver Abgeltungsgrößenbildungsgrundsätze wegen, diese obgenannte Vererbungsfunktion herbeizuführen, also mehr oder weniger mechanisch oder quasi-kognitiv (als höherer Form der Abgeltungsgrößenbildung) diese Abundanz versachlichter unverbrauchlicher Leistungen herbeizuführen. Damit soll offenbar auch zugleich darauf hingewirkt werden, immer wieder neue unverbrauchliche Leistungen hervorzubringen, damit an die Stelle versiegter Quellen des Gewinns immer neue treten. Letztendlich ist auch diese Vorstellung, wenn auch mechanistisch, als normativ zu bezeichnen. Erst recht von formal-normativer Art sind natürlich auch bestimmte gesellschaftliche Vorkehrungen, die im Patent-Muster- und Urheberschutz ihren geltungs- und abgeltungsgestalterischen Niederschlag finden. Hier geht es also um den Zeitmoment der Geltung. 2. Eine u. E. nicht minder relevante, mit der Wirtschaftsentwicklung zusammenhängende, letztlich auch den Zeitmoment berührende, jedoch anders strukturierte Frage betrifft die kapazitative Anpassung sozialer Leistungssysteme nicht über das freie, sondern das Zwangssparen, wie man die Finanzierung über die Preise bezeichnen könnte. Hier könnte insbesondere auch jener Moment gelegen sein, der bei Marx und seinen Anhängern deshalb zur Verneinung des Sparentgelts führt, weil ja im Grund die eigentlichen Sparer die Konsumenten sind, so daß ihnen nicht minder noch zum zweiten Male Abgeltungen in Rechnung zu stellen sind, die sie schon ehedem in Form der Zwangssparquoten entrichtet haben. Hier liegt ein bedeutsamer Problemkreis der Sozialreform, nicht zuletzt auch der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand beschlossen, der nach einer Institutionalisierung des notwendigen und damit Ersatz des expropriativen Sparens sucht. Im übrigen ist häufig nicht zuletzt der Staat in seiner Tarifpolitik der nicht unbedeutsamste Expropriateur, weil Selbstfinanzierung über die Preise (Tarife) par excellence gang und gäbe ist. 3. Neben diesen beiden Zeitmomenten der Geltungsgrößengestaltung tritt natürlich vorzüglich der Selektivmoment stuflich-inhaltlicher Nutzung und damit auch Abgeltung unverbrauchlicher Leistungen in Erscheinung: Stuflich geht es u. E. insbesondere um die Frage, inwieweit alles wirklich von unverbrauchlicher Natur ist, was man herkömmlicherweise darunter versteht: Es geht u. E. ebenso um den Humanbereich (ζ. B. als Frage zumutbarer oder überhaupt sinnzulässiger Monotonie als Rationalisierungsfolge) wie nicht zuletzt den Naturbereich und hier wieder den belebten, davon vor allem den tierischen: Hier stellt sich ζ. B. die Frage, ob Intensivhaltung dem Geiste der Schöp-
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore417
fung gerecht wird oder doch zuletzt Raubbau an dieser Schöpfung in Überschätzung oft geringfügiger menschlicher Sondervorteile getrieben wird, indem man bewußtes Leben den Weg nach Golgotha gehen läßt. Wer solche Gewinne verneint, wird sie auch nicht in seiner Erfolgsrechnung als solche veranschlagen, Konsument genau so wenig wie Produzent. Nur weil offenbar die Liebe und nicht der Zwang die Schöpfung regieren soll, herrscht hier Freiheit, denn ohne Freiheit gäbe es keine Liebe, kein Verdienst. Damit stoßen wir auf inhaltliche Fragen selektiven Erfolgsstrebens: Im Bereiche des Glaubens, des Wissens, des Gefühls, Gemüts und ästhetischen Empfindens, dem Bereich der Sinnlichkeit und Vitalität sowie schließlich dem allgemeinen Sittlichkeits- und Rechtsbewußtseins. Es geht hier ebenso um die Frage, inwieweit die Leistenden ihren Gewinn aus echtem Leistungswillen oder bloßer Scheinleistung zu ziehen bereit sind, inwieweit sie bloß ein formales Verdienen oder einen (ζ. B. beruflich fundierten) Verdienst als Ambivalenz von dienstbarer und selbstzweckhafter Geltung und Abgeltung anstreben, oder, wie Konsumenten glauben, auf die Anwendung (scheinbar) unverbrauchlicher Leistungen zu ihren Gunsten glauben pochen zu dürfen. bb) Meta-Geltungs- und -Abgeltungsgrößen Wir haben hier noch den grundsätzlichen Sachverhalt abschließend ins Auge zu fassen, daß auch Geltung und Abgeltung dem Zusammenhang von Sinn- und Formgebung folgt. Dies bedeutet insbesondere: 1. Jedes Sozialsystem besteht gemäß seiner Gesamtsinnordnung aus unterschiedlichen Bereichen von Sinn- und Formgebung, damit auch von Geltung und Abgeltung. Besonders ins Auge springend ist dabei die Unterscheidung von Marktgeltungen und Meta-Marktgeltungen (Kotler). Gilt im ersten Fall ein rationaler Sinngebungsmoment, so im letzteren ein transrationaler (Gefühl und Glaube). Herrscht im ersten Falle das Rationalprinzip (oder zumindest das Streben im Sinne eines solchen), ist Geltung und Abgeltung nach dem Leistungsmaß zu finden, so herrscht im zweiten Fall der Null-Tarif. Man könnte versucht sein, hier Zusammenhänge zwischen der Gesellungsform Gesellschaft und Gemeinschaft zu vermuten. Im übrigen kann es sich hier ebenso um die Abgeltung nach dem Laisser-faire-Prinzip, den gesatzten Regeln (ζ. B. Preisbildungsvorschriften) wie nach traditionalem Verhalten handeln. Wesentlich ist, das Gesamtabgeltungssystem mit dem stuflich geordneten Gemeinschaftsinn in Einklang zu halten und zu bringen. Kern dieser Abgeltungsfreiheit sind die unverbrauchlichen Leistungen in ihrer engeren oder weiteren begrifflichen Fassung. Irgendwie und irgend einem Umfange nach, daher gestalthaft-frei, sind sie immer für alle da, bilden die Substanz der „Null-Tarife". Es gebietet die Achtung vor der Wahrheit, festzuhalten, was im Grunde schon Marx wußte, für viele aber offenbar mißverständlich formulierte: Gewinne und vice versa Nulltarife stammen 27
Kolbinger
418
III. Abschnitt: Einführung in die Geltungs und Abgeltungsgrößenordnung
nicht aus dem Schweiß der Faust, sondern aus mehr oder weniger genialer Eingebung im Geiste, sind zum Teil Geschenke des Schicksals, nicht minder aber rastlosen geistigen Bemühens, sind auch, und dies möge gerade auch heute nicht vergessen werden, Produkt aus der Hingabe weniger für die vielen. Und noch eines Verkannten sei hier noch gedacht: des Sparers, der häufig genug nicht nur nicht erhält, was er an produktiven Kräften mit hervorbringen half, sondern noch um das gebracht wird, was ihm zufloß, ohne daß er es wie andere verbrauchte. Und schließlich: Wer Null-Tarife ermöglicht, sollte nicht geringer geachtet werden als der, der sie nutzt. Denn Ehre ist ein Produkt, das nichts kostet und daher auch die Grundsubstanz jeder „Meta-Abgeltung" darstellt, neben jenen Komponenten, welche in der Tat und nicht allein in der Gegenleistung Lohn als Selbstverwirklichung erkennen und gelten lassen. 2. Jedenfalls tritt an die Stelle eines absolute Geltung beanspruchenden Gewinnmaximal-Rationalismusprinzips ein weitverzweigtes System des Strebens nach Erhaltung der Kongruenz von Sinngebung und Formgebung, jenes Prinzip, das schon H. Nicklisch mit seinen beiden Gesetzen der Gestaltung sozialer Leistungssysteme vorwegnahm: Dem Gesetz der Gestaltung und dem Gesetz der Erhaltung. Damit gilt auch: Erfolg ist, was dem Sinn entspricht, Gewinn, was die Sinnerfüllung in vollkommener Weise anzeigt bzw. ermöglicht. So bildet sich auch eine Art Normativismus des Sinnstrebens, der für Geltung und Abgeltung maßgeblich wird. Hervorbringer und Bedürfende haben sich hierauf zu einigen, nicht zuletzt nach Maßgabe und mit Hilfe gestaltbildender Funktionen (Bildung sozialer Leistungsordnungen nach Art des sinngebenden Gemeinschaftsinteresses). 3. Insbesondere leistet in diesem Zusammenhang der sozialwissenschaftliche Wirtschaftsbegriff das Folgende: Er sucht nicht primär nach mengenhaften Produktivitätsbziehungen, die doch nur rein formaler Natur sein können, sondern gibt dem Wirtschaftsbegriff von vornherein Substanz in Form seiner funktional-morphologischen Gehalte (Werbung, Assoziierung, Organisation, d. h. soziale Aufgabengestaltung, Leistungsaustausch; Hervorbringung. Abwandlung und reale Adaption durch das Theorem des „Stufenwertes"). Er postuliert daher auch kein einheitlich-formales Widmungsprinzip zum Wesen der Wirtschaft, sondern bestimmt von vornherein das Vollkommenheitsstreben nach Art funktionaler und morphologischer Gestaltungskriterien. Insbesondere mit der Herausstellung der Assoziation bestimmt er die Form der „Strebensgemeinschaft" und damit deren arteigenes Vollkommenheitsstreben nach dem Prinzip der Kongruenz von Sinn- und Formgebung, Gestaltung und Erhaltung. Erst damit wird der schon seit dem 1. Methodenstreit immer wieder als unzulänglich empfundene „homo oeconomicus" theoretisch wie geschichtlich-praktisch ersetzt. Damit ersetzt er den formal-rationalen Normenanspruch einer gestaltlosen Gewinnmaximierung durch das Kongruenzprinzip der Gestaltung und Erhal-
Vorlesung Nr. 9: Grundsatzfragen dynamischer Geltungsgrößentheore419
tung von Sinngebung und Formgebung. In diesem Rahmen findet - mit unterschiedlichem Gestaltungswert - ebenso die „Kapitalistische Unternehmung4' wie ein klösterliches „Christi-Gemeinschaftsprinzip" wie etwa der „Mittelständische Professionalismus" und letztlich, aber nicht endlich, auch noch die „Wirtschaft des Hauses" seine sinngemäße wissenschaftliche Aufnahme, anstatt über ein einheitliches Rationalismusprinzip über einen Kamm geschoren, als Ungleiches miteinander verglichen und geltungsmäßig falsch beurteilt zu werden.
Literaturhinweise zum Studium Gutenberg, (Produktion); ders., (Methodenstreit); Mellerowicz,
(Kosten), ders., (Richtung).
Vierter
Abschnitt
Einführung in die Dogmengeschichte der Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft Vorlesung Nr. 10
Einführung in den lehrgeschichtlich-theoretischen Entwicklungsverlauf der „Betriebswirtschaftslehre" (insbesondere zur Sozialwissenschaft) A. Betriebswirtschaftlich
relevante Entwicklungsstationen
1. Blick auf die nationalökonomische Entwicklungslinie
der „Nationalökonomie" nach Gide & Rist
2. Kurzcharakterisierung einzelner Hauptstationen und Entwicklungsinhalte ökonomischer" Theorie
„national-
a) Vorklassik b) Klassik und Liberalismus sowie ihre „Gegner" c) Die Historiker als „Abtrünnige" d) Die „Neoklassik" als Restaurierungsversuch der „Klassik" e) Die verstehend-ganzheitliche Richtung als Ablösung des Historismus f) Die Gegenwartslage B. „Soziologische Betrachtungsweise u sowie „Gesetzes- und Grundrichtungsdeterminanten der „Nationalökonomie u 1. Die „soziologische Betrachtungsweise" „Nationalökonomie "
als
Geschichtsverstehen"
Grundrichtungsdeterminante
als der
a) Blick auf die allgemeine Anerkennung der „soziologischen" Betrachtungsweise in der „Nationalökonomie" aa) Die „soziologische" Betrachtung in Vorklassik und Klassik bb) Historiker und Neoklassik b) „Wirtschaft und Gesellschaft" - „ganzheitlich-verstehend" aa) M. Weber und O. Spann 1) Blick auf M. Webers „Wirtschaft und Gesellschaft" 2) Rückblick auf O. Spanns „Wirtschaft und Gesellschaft" bb) Werner Sombart als Vermittler zwischen „verstehender" und „ganzheitlicher" Betrachtung von „Wirtschaft und Gesellschaft"
421
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf 2. Das Gesetzes- und Geschichtsverstehen als Grunddeterminante relevanter nationalökonomischer Ideen
betriebswirtschaftlich
a) Wirtschaftsziele und Wirtschaftsperson aa)
Wirtschaftsziele
bb) Leitbilder der Wirtschaftsperson als Träger der Wirtschaftsideen b) Über die Natur (den Charakter) und die Arten von Wirtschaftsgesetzen aa) Zur Leitlinie der wirtschaftlichen Gesetzescharakterbetrachtung bb) „Die drei Nationalökonomien" W. Sombarts und die verstehend-ganzheitliche Grundlegung der Nationalökonomie als Sozialwissenschaft 1) W. Sombarts Werk „Die drei Nationalökonomien" als Integrator 2) Verstehend-ganzheitliche Gesetzesbetrachtung und Systemgrundlegung 20) 200)
„Verstehen" „Verstehen" nach W. Sombart und M. Weber
201) „Verstehen" nach O. Spann 21) „Gesetzesverstehen" und „Geschichtsverstehen" 210)
Gesetzesverstehen
211)
Geschichtsverstehen
C. Hauptentwicklungsstationen lung und Externeinfluß)
von „Privat·" und „.Betriebswirtschaftslehre
" (Eigenentwick-
1. Blick auf die Epochengliederung und Hauptstationen privat- und betriebswirtschaftlicher Entwicklung im Einflußfeld der Sozialwissenschaften a) Epochengliederungen in lehrgeschichtlichen Abhandlungen aa) Epochengliederung R. Seyfferts bb) Andere Epochengliederungen 1) H. Töndurys Entwicklungsbetrachtung 2) B. Bellingers Grundgliederung 3) E. Heinens Beitrag 30) Entwicklung bis 1930 31) Entwicklung ab 1930 b) Hauptstationen „betriebswirtschaftlicher" Entwicklung in Entsprechung mit der nationalökonomischen Entwicklungslinie aa) Blick auf den Persönlichkeitsbereich der Entwicklungshauptideen von „Privat-" und „Betriebswirtschaftslehre" bb) Grundrichtungsbestimmung privat- und betriebswirtschaftlicher Hauptvertreter und -werke 1) Schulenrichtungen nach F. Schönpflug 2) „Die beiden Betriebswirtschaftslehren" und „Die drei Nationalökonomien" 2.
Stichworte zu den Hauptstationen der Betriebswirtschaftslehre"
wissenschaftstheoretischer
Systementwicklung
a) Stichworte zur Sinnentwicklung 1912/32 aa) Stichworte zur Sinnentwicklung der „Privatwirtschaftslehre" bb) Stichworte zur Sinnentwicklung der „Betriebswirtschaftslehre" b) Stichworte zur Sinnentwicklung von 1950 bis zur Gegenwart aa) Die zwei Formen des „Methodenstreits" u m 1950
422
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte 1) Z u m „Soziologischen Methodenstreit" 2) Z u m „Kostentheoretischen Methodenstreit" bb) „Geistige Ganzheiten" in „ordnender" oder „verstehend-ganzheitlicher" Betrachtung als Sinnzeichen der Gegenwart 1) Stichworte zum „entscheidungstheoretischen" Vermittlungsversuch E. Heinens 2) Z u m „systemtheoretischen" und „ganzheitlich-verstehenden" Ansatz der Betriebswirtschaftslehre 20) Der „systemtheoretische" Ansatz 21) Stichworte zum ganzheitlichen Verfahren und der Entfaltung der „Ganzheitlich-verstehenden" Betriebswirtschaftslehre
Die Lehrgeschichte jener Disziplin, welche sich als „Privat-" oder „Betriebswirtschaftslehre" begrifflich innerhalb der Wirtschaftswissenschaft herauszuheben bestrebt war, ging einen eng mit der wirtschaftswissenschaftlichen Gesamtentwicklung verbundenen Weg. Hier spielte insbesondere die Frage eine entscheidende Rolle, mit welcher Nachdrücklichkeit sich die Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft, eben als deren Teildisziplin gemäß des sozialen Gegenstandes der Wirtschaft verstand. Zudem ist hier noch darauf abzustellen, daß sich zwischen den Epochen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte und denen der wissenschaftlichen Disziplinen im Bereiche des Sozialen im allgemeinen wie des Wirtschaftlichen im besonderen, enge sachliche wie zeitliche Entsprechungen ergaben. Die Sozialwissenschaften vollziehen daher ihre Entwicklung zum einen kraft innerer Entwicklungsgesetzlichkeit, kraft ihrer Einordnung in die universalgeschichtliche Entwicklung zum anderen, die sie teilweise stimulierten bzw. durch sie stimuliert wurden.
A. B e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h r e l e v a n t e E n t w i c k l u n g s s t a t i o n e n der „Nationalökonomie"
Epochen der Nationalökonomie sind u. E. im wesentlichen identisch mit Epochen der Privat- und Betriebswirtschaftslehre. Hier spielt wieder in unserer Perspektive die Frage eine entscheidende Rolle, inwieweit hiebei die Auffassung einer „Nationalökonomie als Sozial Wissenschaft" mit dieser oder jener Nachhaltigkeit vertreten und dementsprechend die Schwesterdisziplin in diese Betrachtungsweise einbezogen wurde. Suchen wir hier also nach den Einflußkräften auf unsere eigene Disziplin, so geht es zunächst darum, eine auf das äußerste komprimierte Leitlinie nationalökonomischer Entwicklung zu skizzieren, um in der Folge eine ebenso kurze aber tief ergehende Analyse in Betracht zu ziehen,
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
423
welche vorzüglich die Fragen des besonderen Sozial- und Gesetzesverstehens der diese Leitlinie bildenden Grundentwicklungen betreffen und damit die Kernfrage nationalökonomischer Grundentwicklung und zugleich Einf lußnahme auf unsere Disziplin betrifft. 1. Blick auf die nationalökonomische Entwicklungslinie nach Gide & Rist
Ch. Gide s und Ch. Rists „Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen" (Jena 1913) beinhaltet zwar manches erst als Zukunftsperspektive, gestattet aber doch ohne besondere Schwierigkeiten die Überleitung in die unmittelbarste Gegenwart. Nach ihnen hat sich die Nationalökonomie in folgenden grundsätzlichen Etappen entwickelt: 1. Epoche: Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts: Die Begründung der klassischen Volkswirtschaftslehre (Physiokraten, Adam Smith; Malthus, Ricardo). 2. Epoche: Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die Gegner der Klassik (Sismondi, Saint Simon, die Assozialisten, Proudhon und List; Assozialisten: Owen, FouHer, Louis Blanc) 3. Epoche: Die Mitte des 19. Jahrhunderts: Der Höhepunkt der liberalen Schule (Stuart Mill, Bastiat) 4. Epoche: Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die „Abtrünnigen" (methodisch: Historiker; sozialpolitisch: Staatssozialismus; wissenschaftliche Auffassung: Manismus; ethisch: christlicher Sozialismus). 5. Epoche: Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts: Die neuzeitlichen Lehren (Hedonismus, Theorie der Bodenrente, Solidarismus, Anarchismus). W i r treffen hier „... bekannte Doktrinen in neuen Formen .. , 1 "
Zweifellos ist die fünfte Epoche ergänzungsbedürftig, doch wird sich dies unschwer - soweit für uns relevant - schon in der Folge richtungsmäßig erkennen lassen. 2. Kurzcharakterisierung einzelner Hauptstationen und Entwicklungsinhalte „nationalökonomischer' 1 Theorie
Gemäß unseren Ausführungen zu „Werdegang und Grundstruktur einer Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft" (Eröffnungsvortrag zur Pfingsttagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. 1977 in Linz) 2 können wir 200 Jahre Nationalökonomie (1776-1976) in themenrelevanter Form und stark gekürzt wie folgt skizzieren. a) Vorklassik Oie Kameralisten (vgl. etwa Ludwig XIV. 1643-1715 mit seinem Finanzminister Colbert, Zeit des „Absolutismus": L'état c'est moi!) haben den „Frühkapitalis1
Vgl. Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. I X .
2
Vgl. Kolbinger,
(Werdegang), S. 1 ff.
424
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
mus" (Hausindustrie, Manufaktur) „hofreif" gemacht und die „Arbeiterfrage" begründet. Die Ablösung erfolgt durch den Physiokratismus. Vgl. hiezu das „Volkswirtschaftliche Schaubild" (Tableau économique Francois Quesnays (1758): Nur der Boden erbringt einen „Nettoertrag" (produit net). Hier spielt auch Turgots landwirtschaftliches „Ertragsgesetz", das u. E. nicht ohne Einfluß auf Malthus gewesen ist, eine Rolle.
b) Klassik und Liberalismus sowie ihre „Gegner" „Klassik" und „Liberalismus" bilden eine eng verbundene Folgephase auf den „Physiokratismus", der sie teilweise vorbereitet. Wie anderweitig dargelegt, steht Adam Smiths „Untersuchung über Natur und Gründe des Volksreichtums" (London 1776) am Beginn des Industriezeitalters. Quelle allen Reichtums ist die Arbeit, Grundmaßnahme zu ihrer Fruchtbarkeitssteigerung àie Arbeitsteilung ohne Grenzen (siehe im übrigen unsere Vorlesung über die Organisationsfunktion). Dem Optimismus Smiths (sozusagen „Reichtum für alle") widersetzen sich die Pessimisten D. Ricardo und R. Malthus: Der Arbeitslohn wird sich kaum jemals über das „Existenzminimum" erheben: bei Ricardo als „Produktionsgesetz", bei Malthus als „Bevölkerungsgesetz" formuliert. Realgeschichtlich steht hier u. E. bereits der entwurzelte Handwerker und Bauer als „Arbeiter" diesen „Weissagungen" Pate. Damit nimmt die „Arbeiterfrage", nicht zuletzt in Verbindung mit der „Kapitalfrage" (als Unfähigkeit des Arbeiters zu „akkumulieren" verstanden, vgl. Senior) ihren im „Frühkapitalismus" begründeten Fortgang3. Der „Pessimismus" gewinnt geschichtlich und damit zugleich literarisch-theoretisch an Boden und steigert sich zur Gegnerschaft gegenüber dem „Optimismus" der Klassik, noch mehr aber gegenüber dem alltäglichen Anwendungsprodukt derselben, dem („Laisser-faire") Liberalismus (Höhepunkt 1848): Sismondi (Neue Prinzipien der Nationalökonomie/Nouveau Principes d'Economie politique, 1819) fleht um Zeit zur Anpassung für die gegen den Industrieansturm zurückgebliebenen Bauern und Handwerker und um „Professionelle Garantien". Es kommt die Zeit der „Assozialisten", welche durch „Assoziationsreform" die Lage der bedrängten Bauern, Handwerker und Arbeiter verbessern wollen. Vil lerrnê schreibt seine Bücher über die „Zustände in den Fabriken" (1840). c) Die Historiker
als ,,Abtrünnige"
Die Historiker, der Klassik abtrünnig geworden, führt Pessimismus und Gegnerschaft auf den Höhepunkt klassischer Negation: (a) Wir unterscheiden unter der Historischen Schule der Nationalökonomie eine „ältere" und eine „jüngere". Erstere wird vorzüglich von W. Roscher, B. Hil3
Vgl. hiezu Ricardo, (Principles) und Malthus, (Essay).
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
425
debrand und K. Knies gebildet; letztere sammelt sich um 1870 um G. Schmoller Hierher gehören u. a Κ. Bücher und W. Sombart Sombart leitet u. E. den Syntheseversuch zwischen „Verstehender" und „ganzheitlicher" Betrachtungsweise in der Absicht ein, den Historismus aus der Sackgasse einer gewissen Theorielosigkeit herauszuführen 4. (b) In Entsprechung zur Epochengliederung Gide s und Rists formieren sich in spezifischer Verbindung mit dem „Historismus" verschiedene Formen des „Sozialismus": (aa) Wenn Gide &Rist, Rodberthus und Lassalle als Begründer des Staatssozialismus ansehen, so kann man diesen in Ansehung des Hauptmoments seiner ideellen wie faktischen Realisation als „Sozialismus der Staats-Produktivgenossenschaften" bezeichnen, da F. Lassalle hierin die Lösung der „Arbeiterfrage" sieht (und in Ansehung der Rolle des Staates mit Schultze-Delitzsch in Querelen gerät). Es geht prinzipiell u m den „Vollen Arbeitsertrag" 5 . Lassalle n i m m t mit K. Marx an der revolutionären Agitation teil. M i t dem Tode Lassalles 1864 geht der gesamte Einfluß auf die (sozialdemokratische) politische Entwicklung auf K. Marx über.
(bb) Κ .Marx (Engels u. a.) nehmen für sich den Namen des „Wissenschaftlichen Sozialismus" in Anspruch. Diese Lehre ist insoferne „klassisch", als die Wandlung des „Kapitalismus" zum „Sozialismus" sozusagen „naturgesetzlich" erwartbar ist und erwartet wird (vgl. insbesondere Zusammenbruchstheorie). Sismondi y die Assozialisten, aber auch der in der Folge anzuführende christliche „Sozialismus", erscheinen demgegenüber als „unwissenschaftlich", weil sie nicht „naturgesetzlich", sondern „moralgesetzlich" fundiert sind (siehe Gesetzesverstehen in der Folge). Im übrigen handelt es sich im Sinne der „Vergesellschaftung der Produktionsmittel" letztlich um einen „Staatssozialismus", mit der Zukunftsprophetie vom „Absterbenden Staat" und damit dem Übergang zur „Freien Gesellschaft". K. Marx wurde am 5. M a i 1818 in Trier geboren, Sohn jüdischer, zum Protestantismus übergetretener Eltern (bürgerliche Beamtenfamilie; er heiratet die Tochter eines deutschen Barons). „Das berühmteste seiner Werke, das allerdings oft angeführt wird, ohne gelesen worden zu sein, ist das Kapital, dessen erster Band, der einzige, der zu seiner Lebzeiten erschien, 1867 herauskam .. ."6.
(cc) Der „Christliche Sozialismus", sich vorzüglich auf Gewissen und Sittengesetz berufend, ist wohl auf das vortrefflichste durch die Enzyklika „Rerum novarum" des Pastes Leo XIII. von 1891 charakterisiert.
4 Vgl. dazu Roscher (Grundriß), Hildebrand, (Nationalökonomie), und Knies, (Methode); bezüglich der Jüngeren Schule siehe Literaturhinweise zu Schmoller, Bücher, insbesondere aber Sombart und M. Weber. 5 Vgl. hiezu A. Menger, Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag, 1886; er hebt besonders Roberthus hervor. Hauptwerke: 1842 und 1850/51: „Soziale Briefe". 6 Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. 513.
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IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
(c) Institutionell ist auf folgende Parallelentwicklungen hinzuweisen: (aa) Den oben zitierten geistigen Quellen und bestimmten sozialen und ökonomischen Gruppierungen folgend, treten (durchaus im Sinne von Assozialisten, Historikern und den oben genannten wissenschaftlich-politischen Kräften) folgende „handelnde" Assoziationen hervor: (1) Mangels einer unmittelbaren Realisationsmöglichkeit sowie in Folge von Spaltungserscheinungen im „wissenschaftlichen Sozialismus" (vgl. „Revisionismus", ζ. B. Bernsteins) sowie aufgrund des Gegensatzes „naturgesetzlicher" (naturwissenschaftlicher) und „sittengesetzlicher" (geisteswissenschaftlicher) Theorie, wird die Lösung der „Arbeiterfrage" auf drei Ebenen wie folgt angegangen: 1. Arbeiterschutzgesetzgebung auf nationaler und internationaler Ebene (Schlagwort: „Wettbewerbsgleichheit"). 2. Gewerkschaftsbewegung als Reform auf der Ebene des Verbandes (in Verbindung mit „Kammern"). 3. Betriebskonstitutionalismus und Betriebsdemokratie als dritte Ebene (mit allen Begleiterscheinungen einer „Humanisierung der Arbeitswelt").
Im Gewerkschaftswesen (ζ. T. auch verbunden mit der Betriebsverfassung) teilen sich die Kräfte nach Art des „Wissenschaftlichen Sozialismus" wie des „Christlichen Sozialismus"; dazu treten noch andere Gruppierungen. (2) Die Handwerker- und Bauernfrage findet einen Antwortversuch in der Wiederbegründung des städtisch-handwerklichen Genossenschaftswesens (Schultze-Delitzsch) wie des landwirtschaftlich-dörflichen (F. W. Raiffeisen). Fr. W. Raiffeisen ist Rheinländer wie K. Marx (geb. 30. 3.1818 Hamm/Sieg) und mit diesem in etwa gleichaltrig, geistig aber grundverschieden. Sein Wirken beginnt 1846 (Bürgermeister von Weyerbusch). Sein Prinzip heißt „Genossenschaftliche Selbsthilfe". Sein literarisches Hauptwerk erscheint zugleich mit K. Marx s „Kapital": Die Darlehenskassenvereine als Mittel zur Abhilfe der Not der ländlichen Bevölkerung, Neuwied/Rh. 1866. Schultze-Delitzsch erstrebt i m Endziel die „Produktivgenossenschaft", gründet die „Volksbanken" und ist vor allem ein Förderer des Genossenschaftsrechts: „Gesetz betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften", i m preußischen Landtag am 27.3.1867 eingereicht, 1868 (siehe auch Daten des Ge werkschaf tswesens!) Einführung in den Staaten des Deutschen Bundes, 1871 Reichsgesetz.
(bb) Als „anregende" Institution ist ohne Zweifel der „Verein für Socialpolitik", der sich parallel zur „staatssozialistischen" Linie als eigene Kraft der „Mitte" 1872 etablierte, zu nennen. In ihm findet die Historische Schule ihren Ausdruck, wie überhaupt der Gedanke der Einheit von „Wirtschaft und Gesellschaft" als wissenschaftstheoretischer Moment seinen Ausdruck findet. Hier findet - zumindest z. T. - jene Begegnung statt, welche in der Folge den Historismus in die „verstehend-ganzheitliche" Linie (Sombart-Weber-Spann) überleitet, die für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre zur bewußt betriebenen Sozialwissenschaft von entscheidender Bedeutung ist. Bebel und Liebknecht repräsentierten die „Arbeiterklasse" in „staats-sozialistischen" Sinne i m deutschen Reichstag. Dem gegenüber wird das geboren, was man ohne Grund abwertend den „Kathedersozialismus" nannte und i m „Verein für Socialpolitik" seinen Ausdruck
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fand 7 . I m übrigen vgl.: Else Conrad, Der Verein für Socialpolitik und seine Wirksamkeit auf dem Gebiet der gewerblichen Arbeiterfrage, Jena 1906. Gründend gehörten i h m insbesondere an -.Roscher, Engel, Hildebrand, Wagner, Conrad, Knapp, Brentano, v. Eckardt, Schmoller u. a. Konstituierung am 13. Oktober 1873 zu Eisenach. 1876 tritt A. Wagner wegen seiner staatssozialistischen Gesinnung aus. 1893 wird auch K. Bücher erwähnt. Einladungen an österreichische Fachvertreter erfolgen ab 1894. Verbindungen bestehen auch zum neuen Genossenschaftswesen.
d) Die „Neoklassik" als Restaurierungsversuch
der „Klassik"
In der „Neoklassik", dem Erneuerungsversuch der Klassik, kommt vorzüglich die Auseinandersetzung mit dem „Historismus" zum Tragen und enthüllt gerade darin die grundsätzlichsten (tatsächlichen und möglichen) Gegensätze ökonomischen Denkens. Es ist die Zeit von 1872/1874, als diese - sicherlich auch klärende - Auseinandersetzung stattfindet. Gegen „... 1872-1874 beanspruchten mehrere hervorragende Volkswirtschaftler, gleichzeitig in Österreich, in England, in der Schweiz und in Amerika mit Nachdruck für die Nationalökonomie das Recht, sich als exakte Wissenschaft aufzubauen, oder wie sie sagten, reine Ökonomien zu sein. Wie zu erwarten, rief dieser Anspruch einen lebhaften Streit zwischen den Vorkämpfern der historischen und denen der neoklassischen Schule hervor, hauptsächlich zwischen den Professoren Schmoller und Karl Menger 8."
(a) Auf den einfachsten Nenner gebracht, ging es u. E. in diesem „Methodenstreit" zum einen um den Charakter ökonomischer „Gesetze", zum anderen um deren psychologische Grundlagen wie ihre besonderen Geltungsbedingungen. (aa) A. Marshall, , der spiritus rector der „Neoklassik" (in ihrer allgemeinen Form), konzediert den Historikern, daß es sich in der Wirtschaft weniger um „Gesetze" (insbesondere im Sinne der Naturwissenschaft) als um „Wirtschaftliche Tendenzen" handle, womit u. E. vorzüglich die Zwangsläufigkeit wirtschaftlicher Entwicklungen in den Bereich menschlicher Beeinflußbarkeit gerückt erscheint und sie im übrigen - um einen später bedeutsam werdenden Begriff bereits hier einzuführen - „verstehbar" seien (im Gegensatz von Naturgesetzen, welche bloße Fakten darstellen, also nicht als menschliche Sinngebung eines Vorganges erkennbar sind). Gerade in dieser Beziehung haben „... die modernen Volkswirtschafter (gemeint sind eben die Neoklassiker und die sich innerhalb derselben besonders profilierenden ,Hedonisten') die Kritiken der Anhänger der historischen Schule für genügend begründet gefunden, u m in größerer Genauigkeit einen Schutz gegen ähnliche Vorwürfe zu suchen". Dieses Schutzbedürfnis äußert sich in einer Revision des „Gesetzesbegriffes" in den sozialen Wissenschaften, denn: „Unter anderem definiert Marshall die wirtschaftlichen Gesetze, indem er den Ausdruck Mills wieder aufgreift, als,einen Ausdruck wirtschaftlicher Tendenzen' 9 ."
(bb) Mit dieser den „Historikern" konzedierten Revision der Gesetzesauffassung der Klassiker durch die Neoklassiker, verbinden sich u. E. noch weitere Re7
Vgl. Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. 500. 8 Ebenda, S. 588. 9
Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. 448.
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IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
Visionen, die man im Prinzip als Anerkennung bestimmter Geltungsbedingungen bezeichnen könnte, wobei man als Kriterium das bloße „Gelten im Ganzen" bezeichnen könnte. Wenn Gide & Rist die Kritik der Historiker an den Klassikern auf die Momente der „Abstraktheit", der Motivationsreduktion auf einen psychologischen Rudimentärcharakter primitiven Egoismus und schließlich den Mißbrauch der deduktiven Methode darstellen, so ist das alles eine Frage und Infragestellung klassischer Argumente als „Geltung i m Ganzen".
Wir können hier nur das Folgende für diese Bereiche neoklassisch-historischer Auseinandersetzung festhalten: (1) „Gesetze", besser „Tendenzen der Sozialen" dürfen nicht bloß deduktiv-abstrakt, sondern müssen in ihrem historischen „Geltungszusammenhang im Ganzen" (ζ. B. etwa die Bedingtheit des „Bevölkerungsgesetzes" durch das geschichtlich-soziale Milieu) gesehen und als ökonomisch-soziales Wissen in Betracht gezogen werden. (2) Sie müssen aber nicht historisch, sondern auch systematisch im „Geltungszusammenhang des Ganzen", die Wirtschaft daher vorzüglich in dem Zusammenhang von „Wirtschaft und Gesellschaft" gesehen werden. Dies wieder steht in Verbindung mit jener Vorliebe der Historiker, nicht nur den Markt, sondern viele andere sozial-ökonomische Institutionen in Betracht zu ziehen und damit selbst das Markthandeln nicht als „Mechanismusgeschehen", sondern als ein Handeln von Menschen zu sehen, und zwar von „Ganzen Menschen", nicht bloß einem reduktionistischen homo-oeconomicus. Wir möchten dies als den „morphologischen" Historikerzug bezeichnen, der auch in weiterer Folge von den „Neoklassikern" in keiner Weise in Betracht gezogen wird. „Die ersten Volkswirtschafter gingen in der Mehrzahl vom mechanischen Gesichtspunkt a u s . . . Nur ist das so erhaltene Bild außerordentlich begrenzt. Es vernachlässigt eine große Anzahl von bedeutungsvollen und interessanten Tatsachen ..." nämlich den funktionalmorphologischen Aufbau von Wirtschaft und Gesellschaft: Sie sagen uns nichts über „... Banken, Handels- und Effektenbörsen, Genossenschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ... Ihre Zinstheorie sagt uns nichts über die unzähligen Formen, die die Funktion des Kredits in der Geschichte angenommen h a t . . . denn die Klassischen Volkswirtschafter haben einfach die allgemeinen ... Tatsachen gesucht, in denen i m Rahmen der sozialen Einrichtungen ihrer Zeit die Tätigkeit des Homo Oeconomicus zum Ausdruck k a m 1 0 . "
Wesentlich ist, daß die „Historiker" jene Schule darstellen, welche erstmalig nicht nur am Rande, sondern mit allem Nachdruck die Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft zu begründen versuchten, ohne freilich mit ihrem Verfahren die Probleme einer strukturgesetzlichen Theorie (bis einschließlich W. Sombart) lösen zu können. Bezüglich des Zusammenhanges von Nationalökonomie und Soziologie, insbesondere die Frage des Ganzheitszusammenhanges von Wirtschaft und Gesellschaft versuchen Gide Sc Rist auch Zusammenhänge mit A. Comte herzustellen.
10
Vgl. Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. 462.
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(b) Wenden wir uns der Frage kurz und abschließend zu, was „Neoklassik" und „Hedonismus" (als deren Hauptform) hervorgebracht haben, so können wir dies auf folgende Sätze reduzieren: (aa) Es bleibt nach wie vor bei einer psychologische Verbesserungen anstrebenden reinen Tauschtheorie (Grundbegriff: „Grenznutzen"). Dabei will diese Tauschtheorie nicht nur Markt- sondern auch sozusagen „innergebildliche Tauschtheorie" sein; also alles betriebliche Geschehen als eine Art Fortsetzung des Marktmechanismus erklären. Dabei tritt an die Stelle des „Arbeitswertes" (der Klassiker), der (von den Klassikern eher vernachlässigte, siehe auch K. Marx) „Gebrauchswert". Im Grunde müssen beide Theoreme miteinander verbunden werden (vgl. unsere Ausführungen zur Geltungsgrößenbildung sozialer Leistungssysteme). Der Gedanke, alles als Tausch zu erklären, findet sich in folgenden Sätzen Gide & Rists: „Verteilung, Produktion u n d . . . Verbrauch, alles gehört in diese Lehre vom Tausche... Was heißt produzieren? - Einen Nutzen gegen einen anderen austauschen, eine gewisse Menge Rohstoffe und Arbeit gegen eine gewisse Menge ... Güter austauschen." Und natürlich „... ist der Lohn, der Zins, die Rente ... Preis gewisser Dienste .. " n .
(bb) Es bildet sich eine „psychologische" und eine „mathematische" neoklassisch-hedonistische Schule: (1) Grundlage der genannten „Gebrauchs-Tauschwerttheorie" sollte eine verbesserte Psychologiegrundlage sein. Die Frage der „Grundbewertungen" sowohl von der Hervorbringer- wie Nachfragerseite, wie wir anderweitig herausstellten, blieb dabei u. E. völlig im dunkeln und verwies die „Arbeitswerttheorie" (in Verbindung mit den anderen Abgeltungstheorien) aus dem hier in Betracht gezogenen ökonomischen Interessenkreis, ohne sie in ihren Möglichkeiten auch nur annähernd erkannt oder gar ausgeschöpft zu haben. Grundlegend war hier die „österreichische Schule", die später zu einer „Amerikanischen Schule" wurde. (2) Mit der „psychologischen" Schule verbindet sich die „mathematische", was die Anwendung des Formalverfahrens auf die Tauschtheoreme und deren Darstellung betrifft. Hierher gehören z.B. Cournot (1838), Gossens (1853), Jevons (1872) u. a. (cc) Eine morphologische Theorie bleibt nach wie vor ausgeschlossen und diese wie die „Soziale Frage" nach wie vor eine ausschließliche Obliegenheit der „Historiker" und ggf. noch anderer, die da kommen sollten: So „... hat sich die österreichische Schule ziemlich gleichgültig demgegenüber gezeigt, was man soziale oder Arbeiterfrage nennt 12 . e) Die verstehend-ganzheitliche
Richtung als Ablösung des Historismus
Mit neuen Instrumenten ausgestattet, bleibt die „Neoklassik" in der Grundrichtung und im Grundgehalt, was die Klassik war: Tauschtheorie. Der neoklassische Einfluß wurde, wie wir verbindend anmerken dürfen, selbst in der jüng11
Gide & Rist (Lehrmeinungen), S. 602.
12
Ebenda, S. 615.
430
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
sten Zeit in jenen Organisationstheorien wirksam, die wir als aufgabenindifferent-global-stimulativ bezeichneten. Selbst ihre Markttheorie ist „mengenorientiert", in der Ausdrucksformung zur Mathematik tendierend. Sie stehen der Erforschung von Strukturgesetzen und damit jeder Morphologie sozialer Leistungssysteme fern. Diese Strukturtheoriefremde Auffassung spiegelt sich auch in ihren „Ertragsgesetzen", soweit sie die „Tauschtheorie" über den Markt hinaus verfolgen, wider. (a) Demgegenüber ist es der spezifisch sich als „soziologisch" verstehende, an die Historiker z. T. anschließenden Entwicklungsrichtung vorbehalten, den Weg einer „verstehenden" und zugleich „ganzheitlich-strukturgesetzlichen" Betrachtungsweise sozialer Leistungssysteme zu beschreiten. Die Einheit von „Wirtschaft und Gesellschaft" ergibt sich z. B. nach v. Below vorzüglich daraus, daß „... die Formen (des Sozialen, der Gesellschaft, J. K.) sich vom Inhalt der gesellschaftlichen Erscheinungen nicht trennen lassen"13. (b) Zu vollenden bzw. weiterzuführen, was die Historiker mit ihren Mitteln nicht vermochten, schickten sich vorzüglich an: Werner Sombart und Max Weber zum einen, Othmar Spann zum anderen. Eine Synthese von „Gesetzesverstehen" und „Geschichtsverstehen" bahnte sich an. Gerade hierauf werden wir in der Folge besonders eingehen, so daß sich hier weitere Anmerkungen als die eben gemachte, erübrigen. Es ist jedenfalls die Zeit um 1920/30, als sich diese Wende vom „Historismus" zum „verstehenden" wie „ganzheitlichen" Ansatz der Nationalökonomie abzuzeichnen beginnt und insbesondere um 1930 ein Syntheseversuch W. Sombarts erfolgversprechend schien.
f) Die Gegenwartslage Die Gegenwart ist cum grano salis dahingehend charakterisierbar, daß sich eine Art „Kritische Neoklassik" entwickelte und das verstehend-ganzheitliche Verfahren noch überschattet. (a) Nach G.Eisermann vermochte A.Marshall ( 1842-1924) „... als der eigentliche Spritus Rector der neoklassischen Schule vorerst das überkommende (klassische, J. K.) Lehrgebäude in glänzender Weise zu erneuern..allerdings nur für kurze Zeit, denn: Die Weltwirtschaftskrise ( 1929 ff.) zeigte „... die inneren Diskrepanzen der neoklassischen Schule ..." auf. Es geht um die Durchbrechung der partiellen „Gleichgewichtstheorie": „Als Reaktion hierauf (nämlich das Versagen der Neoklassik, J. K.) kann man die von J. M. Keynes ( 1883-1946) beabsichtigte Revolution unserer Wirtschaft betrachten...": „Nicht formale psychische Gesetzmäßigkeit wurden ... hier erfaßt, sondern eine soziologische Gleichförmigkeit ..." (also z. B. eben das Gesamtunternehmer- oder Gesamtsparerverhalten usw.). Wiewohl W. Sombart auf den Begriff der soziologischen „Gleichförmig13
Below, (Entstehung), S. 23.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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keit" als Moment geschichtlichen Wirtschaftsverstehens und -gestaltens Erfinderrechte beanspruchen können würde, sieht er in der Keynes sehen „Gesamtgleichgewichtstheorie" richtigerweise dennoch nur eine Art Wende der „Neoklassik" zu einer „Kritischen Neoklassik"14. (b) Was u. E. in der Gegenwart aussteht, ist die Anwendung und vor allem Weiterentwicklung des „verstehenden" und „ganzheitlichen" Verfahrens zu einer (ehedem freilich diesem Beginnen widerstrebenden) Einheit, in welchem „Gesetzesverstehen" und „GeschichtSverstehen" in angemessener Geltung vereinigt sind. B. „Soziologische Betrachtungsweise" sowie „Gesetzes- und Geschichtsverstehen" als Grundrichtungsdeterminanten der „Nationalökonomie" Wir kommen hier in wissenschaftsgeschichtlich-wissenschaftstheoretischer Betrachtung auf den Ausgang unserer Untersuchungen, nämlich den Wirtschaftsbegriff in seinem Verhältnis zum Begriff der Gesellschaft zurück. Gewisse, auf ein Minimum reduzierte Wiederholungen sind daher insoweit unvermeidlich. 1. Die „soziologische Betrachtungsweise" als Grundrichtungsdeterminante der „Nationalökonomie"
Wir dürfen vorausschicken, daß die Auffassung von Wirtschaft als Teil der Gesellschaft und damit der Wirtschaftswissenschaft(en) als Sozialwissenschaft Allgemeingut der damit bef aßten Grundrichtungen der Nationalökonomie ist. Allerdings liegt die Betonung und die Nutzanwendung dieses Moments eben nicht allen Betrachtungsweisen gleichbedeutsam zugrunde.
a) Blick auf die allgemeine Anerkennung der „soziologischen" Betrachtungsweise in der „Nationalökonomie" Es mag genügen, hier mit wenigen Zitaten die allgemeine Verbreitetheit soziologischer Betrachtung in der Nationalökonomie nachzuweisen bzw. einfach in Erinnerung zu rufen.
aa) Die „soziologische" Betrachtung in Vorklassik und Klassik (a) Schon bei den Physiokraten taucht die Frage auf, ob sie „... Vorläufer der organizistischen Soziologen angesehen werden können". 14
Eisermann, (Wirtschaft), S. 12 ff.
432
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
Es wird allerdings zu Recht verneint, daß die Menschen sich instinkthaft wie Tiere Gemeinschaften auf Grund gemeinsamer Zustimmung ... zu ihrem eigenen Nutzen unterwerfen" 1 5 .
(b) Von A. Smith sagt G. Eisermann. er sei „... in einem solchen Maße Nationalökonom und Soziologe gewesen, daß man ihm mit gleichem Recht auch den Begründer der Soziologie gesehen hat"16. bb) Historiker und Neoklassik (a) Typisch für die soziologische Betrachtung der Historiker ist wohl der folgende Satz W. Roschers: „Wie jedes Leben, so ist auch das Volksleben ein Ganzes, dessen verschiedenartige Äußerungen im Innersten zusammenhängen. Wer daher eine Seite desselben wissenschaftlich verstehen will, der muß alle Seiten kennen. Und zwar sind es vornehmlich folgende sieben Seiten, welche hier in Betracht kommen: Sprache, Religion, Kunst, Wissenschaft, Recht, Staat und Wirtschaft 17." Typisch ist ζ. B. auch G. Schmollers Werk „Zur Literaturgeschichte der Staats- und Sozialwissenschaften", Leipzig, 1888. Der „Methodenstreit" als Ausdruck der Auseinandersetzung von jüngeren Historikern, voran eben G. Schmoller; und Neoklassik, bespiegelt sich in dem Werk des Neoklassikers Karl Menger, Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie insbesondere (Leipzig 1883).
(b) Sinnvoller weise ist den eben zitierten historischen Auffassungen die der Neoklassiker, vertreten insbesondere durch A. Marshall, wie folgt gegenüberzustellen: Ist für ihn Wirtschaftswissenschaft - ganz in Analogie zur Klassik eines A. Smith - „Wissenschaft vom Reichtum", so ist sie zudem „... jener Teil der Sozialwissenschaft, der sich mit den Kräften (efforts) beschäftigt, welche..." 18 diesen Reichtum hervorbringen. b) „Wirtschaft
und Gesellschaft
w
- „ganzheitlich-verstehend"
Wir sehen in Werner Sombart denjenigen, welcher zwischen M. Weber und O. Spann die Vermittlerrolle übernimmt und damit auf jene Synthese hinzielt, von der bereits oben die Rede war. Im übrigen brauchen wir uns hier nur einige Aussagen wieder ins Gedächtnis zu rufen, die wir anläßlich der Bestimmung des Wirtschaftsbegriffes bereits anschnitten. aa) M. Weber und O. Spann Bildet W. Sombart in einem Dreieck persönlicher Beziehungen sozusagen die Spitze der Vereinigung, so stehen einander M. Weber und O. Spann - zumindest bis 1925 - eher kritisch, indessen u. E. in keiner Weise feindlich gegenüber19. 15
Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. 9 u. S. 2.
16
Eisermann, (Wirtschaft), S. 9 (mit Hinweis auf A. Salomon, Adam Smith as a Sociologist, 1945). 17
Roscher, zit. nach: Gide & Rist, (Lehrmeinungen), S. 457.
18
Marshall, (Principles), I S. 1 und I I S. 49.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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Stellt dieser Beitrag „... eine scharfe Kritik Max Webers.. ." dar, so erscheint für die weitere Entwicklung maßgeblich, daß „... dieser Aufsatz... weder in die dritte noch in die vierte Auflage aufgenommen ..." w i r d 2 0 .
1) Blick auf M. Webers „Wirtschaft
und Gesellschaft"
(a) „Soziologie... soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will«." (b) „Wirtschaft und Gesellschaft" tritt in M. Webers drei Hauptteilen (I. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte, II. Typen der Vergemeinschaftung und Gesellschaft, III. Typen der Herrschaft) u. E. in folgender Sinnstruktur in Erscheinung: 1) Wirtschaft und Gesellschaft (Verhältnis und Formgebung) 10) Soziologie (Gesellschaft) 11) Wirtschaft i m Verhältnis zu Gesellschaft 110) Wirtschaftsbegriff 111) Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft 112 Grundformen und Aufbau der Wirtschaft 1120) Grundformen der Wirtschaft 11200) Zweckrationale Wirtschaft 112000) Rationale Wirtschaft 112001) Traditionale Wirtschaft 11201) Wertrationale Wirtschaft 113) Wirtschaft und Herrschaft 1130) Religion und Recht 1131) Formen der Herrschaft 2) Methodologische Grundakzente 20) Verstehen - Wertfreiheit - Chance 21) Idealtyp und Realtyp
(aa) „Nicht jede Art von Handeln... ist »soziales' Handeln... Das Wirtschaften (eines einzelnen) erst dann und nur insofern, als es das Verhalten Dritter mit in Betracht zieht22." Allerdings werden „... die Vergemeinschaftungen ... ihrer ganz überwiegenden Mehrzahl nach irgendwelche Beziehungen zur Wirtschaft ..." haben 23 . 19 Erkennbar wird dieser Zusammenhang wohl insbesondere aus O. Spanns Lehrbuch „Tote und Lebendige Wissenschaft" (1921 Erstauflage, hierauf weitere drei Auflagen bis 1935). Die Kritik an Weber; vorzüglich dem religionsphilosophischen Teil sowie das „Gesetzesverstehen" betreffend, erfolgt in der (2.) Auflage von 1925: „Bemerkungen zu Max Webers Soziologie" (S. 149-167). 20 Spann, (Wissenschaft), S. 396. 2
28
1 Weber, (Wirtschaft) I I I , S. 1.
22
Weber, (Wirtschaft), S. 11.
23
Weber, (Wirtschaft), S. 11.
Kolbinger
434
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
(bb) Der Grad der Planmäßigkeit entscheidet über die Gliederung der Wirtschaft (Unterhaltungsfürsorge) in „rationale" und „traditionale"; beiden - letztlich „zweckrationalen" - Formen als „Wirtschaft der Gesellschaft" tritt die „wertrationale" gegenüber, offenbar als „Wirtschaft der Gemeinschaft" 24. (c) Fassen wir nur mehr, rein schlagwortartig, M. Webers Entfaltung der Wirtschaft als Gliedinhalt der Gesellschaft wie folgt ins Auge: (aa) Wirtschaftsformen orientierung":
folgen
aus „Zweckorientierung"
oder
„Wert-
(1) Erstere tendiert zum „Typ der Gesellschaft", letztere zum „Typ der Gemeinschaft" 25. (2) Es klingt eine historische Wirtschaftsstufenlehre
an.
(bb) Bereichsmäßig besondern sich alle Wirtschaftsformen als (1) „Typen der Leistungsverteilung" (Leistungsordnung) (10) Güterartentypen (11) Typen vertikaler und horizontaler Arbeitsteilung (2) „Typen der Appropriation" (Verteilungsordnung) (20) Gemeinschaft: „Rechnungsfremde" Verteilung (21) Gesellschaft: rationale und traditionale Verteilungsordnung als (210) Leistungsverwertungschancen (211) Besitzverwertungschancen (212) Gewinnchancen disponierender Leistungen
(cc) Herrschaft
regelt „Leistungsverteilung" und „Appropriation"
(1) „Vergemeinschaftung" und „Vergesellschaftung'' äußert sich (10) als Marktordnung
(„Offene Formgebung") und
(11) als Verbandsordnung
(insbesondere auch „Betriebsbildung")
(2) Die „Typen der Herrschaft" (entgegen „Brauch") orientieren sich
an der Vorstellung
einer legitimen Ordnung .. " 2 6 und sind als reine Typen: (20) rationalen Charakters ..., (21) traditionalen
Charakters ..
(22) charismatischen Charakters."
(dd) „Legitime Herrschaft" bemüht offenbar die Religion oder ist in ihrer rationalistischen Form deren „Entzauberung". Ob M. Weber entzaubern oder die Entzauberung durch den Rationalismus aufzeigen wollte, ist u. E. bis heute die Frage, welche das Verhältnis M. Weber O. Spann überschattete. 24 Bei M. Weber kann dies wie folgt gelesen werden: „Wirtschaftliche Orientierung kann traditional oder zweckrational vor sich gehen." Unter dem Begriff der „Rechnungsfremden Leistungsvergemeinschaftung" wird die „wertrationale" Orientierung angesprochen. Weber, (Wirtschaft), 1/2. Kap. § 3 und § 26. 25
Ebenda, S. 194 ff.
26
Weber, (Wirtschaft), S. 16.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
435
„Priester sind Funktionäre eines Betriebes, Zauberer üben hingegen einen freien Beruf aus ... Das alte Christentum nennt Max Weber ,eine spezifische Handwerksreligiosität' 27 ."
2) Rückblick auf O. Spanns „Wirtschaft
und Gesellschaft
u
Die Einheit von „Wirtschaft und Gesellschaft" ist u. E. bei O. Spann mit theoretisch bedeutsamstem Nachdruck verfochten und geklärt worden. Wir bedürfen hier eines verbindenden Rückblicks: „Soll die Wirtschaftswissenschaft mit dem Begriffe ihres Gegenstandes einen fruchtbaren Anfang machen, so muß sie ... als Gesellschaftswissenschaft begründet werden 28." Herausgehoben erscheint Wirtschaft aus dem Ganzen der Gesellschaft kraft der Entgegensetzung von „Selbstzweckbereichen" und „Bereichen der Mittel". Wesentlich dabei ist der von uns besonders herausgearbeitete Tatbestand des Wechselverhältnisses von Mittel und Selbstzweck, womit der Satz gilt: Alles ist auch Selbstzweck, nichts ist nur Mittel! Weiters gilt hier der Satz: „Indem der Mittelbegriff in einen teleologischen Beziehungsbegriff ... verwandelt wird - die Beziehung zum höheren Zweck ist es ja allein, die ihn ausmacht -, wird die Gefahr der Substanziierung (Verabsolutierung, J. K.) des Mittels vermieden 2 9 ."
bb) Werner Sombart als Vermittler zwischen „verstehender" und „ganzheitlicher" Betrachtung von „Wirtschaft und Gesellschaft" Spann und Weber, wohl auch Spann und Sombart, waren in manchen Dingen nicht einer Meinung, doch steht ihre gegenseitige Wertschätzung ebenso außer Frage wie die sinnvolle - insbesondere methodische - Ergänzung beider im Grunde artverwandten wissenschaftstheoretischen Ansätze, auf welche ja noch einzugehen sein wird. Weber kritisiert zwar Spanns Wirtschaftsbegriff, nennt aber die verschiedenen Arbeiten von Othmar Spann oft reich an guten Gedanken neben freilich 30 gelegentlichen Mißverständnissen . Über die Wertschätzung, die Weber bei W. Sombart genießt, braucht hier nicht besonders abgehandelt zu werden. Aber nicht nur die ehedem heftige Kritik Spanns an Weber verebbte, sondern Sombart bescheinigt „Spanns liebenswürdige Auffassung ..." und betont insbesondere seine „Strukturgesetze" 31. Gehen wir von dieser grundsätzlichen Feststel27
Spann, (Wissenschaft 1925), S. 275; zur neueren Deutung von M. Webers Gesamtwerk vgl.: Tenbruck (Weber). 28
Spann, (Fundament), S. 19.
29
Ebenda, S. 36. 30 Weber, (Wirtschaft), S. 8. 31
*
Sombart, (Nationalökonomien), S. 7.
436
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lung zu den Grundaussagen W. Sombarts als dem „Dritten im Bunde" in Kürze (wesentlich wieder nur mehr erinnernd) wie folgt ein: (a) „Soziologie ist die Lehre vom menschlichen Zusammenleben, die Lehre von der menschlichen Gesellschaft, von dem Leben durch und für andere32." (b) „Wirtschaft bildet einen Teil der Gesellschaft, ist Gesellschaft. Das soziale Moment im Wirtschaftlichen ist ein Apriori im Wirtschaftsleben. Robinson ist ein unwirklicher Grenzfall, und selbst er ist außerhalb der Gesellschaft nicht denkbar 33." Genauer, im Sinne der späteren Gesetzesunterscheidung: Er ist ebenso „Fiktivperson" wie der hypostasierte Rationaltyp des „Wirtschaftsmenschen", des „homo oeconomicus". (c) Die Unterscheidung Spanns zwischen „Dienstbarkeitsbereich" und „Selbstzweckbereichen" der Gesellschaft klingt völlig eindeutig an: Wirtschaft „... gehört zu den organisierenden Kulturbereichen, zu denjenigen Bereichen, die Gesellschaft sind"34. Die anderen Bereiche „haben" Gesellschaft. „Diese beiden Gruppen sind i m wesentlichen die von Schleiermacher unterschiedenen Bereiche des organisierenden und symbolisierenden Handelns. Die Wirtschaft gehört mit Recht und Staat zum Bereich des organisierenden Handelns und ist deshalb Gesellschaft 35 ."
(d) Wirtschaft beruht in ihrem Allgemeingehalt auf einer Grundidee und besondert sich nach Gestaltideen: 1. Grundidee der Wirtschaft (Unterhaltsfürsorge) a) Güteridee b) Gütererzeugung (Hergang, Ertragsgesetze) c) Gütertransport d) Güterverteilung 2. Gestaltideen (Formen) der Wirtschaft a) Das vorkapitalistische Wirtschaftssystem b) Das kapitalistische Wirtschaftssystem c) Die nachkapitalistischen Wirtschaftssysteme
Bestimmt werden die Gestaltideen durch die Momente Wirtschaftsgesinnung, Ordnungsideen (z. B. Gebundenheit - Freiheit, Privatwirtschaft - Gemeinwirtschaft usw.) sowie die Technik (empirisch-wissenschaftlich, stationär - revolutionär, organisch - nichtorganisch)36. Sombart verfehlt mit der Bestimmung, Wirtschaft sei jener Kulturbereich, der die auf die Besorgung von Sachgütern gerichtete menschliche Tätigkeit.. " 3 7 umfasse, die ursprünglich richtige Bestimmung, Wirtschaft sei organisierende Tätigkeit schlechthin. Vollends ist ihm aber zuzustimmen, daß Wirtschaft nicht 32
Sombart, (Soziologie), S. 3.
33
Ebenda, S. 11.
34
Ebenda, S. 10.
35
Sombart, (Nationalökonomien), S. 178.
36
Vgl. Sombart, (Nationalökonomien), S. 185 und S. 206 f. Ebenda, S. 173.
37
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
437
ein Verhalten nach dem Rationalprinzip bedeute, sondern eben einen Kulturbzw. Gesellschaftsbereich eigener, „organisierender" Art darstellt, daß es sich dabei um die Bereiche, welche Gesellschaft „haben", genauer „brauchen", handelt 38 . 2. Das Gesetz· und Geschichtsverstehen als Grunddeterminante betriebswirtschaftlich relevanter nationalökonomischer Ideen
Wirtschaftsziele bestimmen die soziale Leistungsordnung, indem sie festlegen, was und in welcher Weise etwas zum Wirtschaftsmittel wird, welchen Gesetzen es sich zu unterwerfen hat. Wir gehen auf diesen Grundtatbestand zuerst unter dem Gesichtspunkt ein, daß zwischen Wirtschaftszielen und der Art der Wirtschaftspersonen jene engen Zusammenhänge bestehen, welche die Wirtschaft jenen Gesetzen unterwerfen, die diese Menschen für sich selbst anerkennen, sich damit selbst vorzüglich aber auch andere diesen Gesetzen einer ihnen entsprechenden Wirtschaft unterwerfen.
a) Wirtschaftsziele
und Wirtschaftsperson
aa) Wirtschaftsziele (a) Der Wirtschaftsauffassung des Vorkapitalismus der Nahrung. Sie war Wirtschaft der Gemeinschaft.
entsprach als Ziel die Idee
So war schon in der Zeit des Seßhaftwerdens „... das Bestreben der Genossen ..." darauf gerichtet gewesen, sich „... eine gesicherte Existenz zu verschaffen". Sinnbestimmend war also „... die Idee der,Nahrung) wie man dieses Streben später genannt hat". Es handelte sich um eine „... Gemeinschaft im Tönniesschen Sinne"39. (b) Eineinhalb Jahrtausende früher (Dorf- und Fronhofwirtschaft) in dem soeben ausgeführten Sinne: 1200 n. Chr. treffen wir auf noch Bescheideneres, eine Art „Wirtschaft der Askese". Ein „Ertragsgesetz" hätte hier kaum Bedeutung gehabt. „Sokrates spricht... Wohlan, so laß uns... einen Staat von Anfang an schaffen. Es schafft ihn aber offenbar unsere Bedürftigkeit...": Nahrung für Sein und Leben ... Behausung... Kleidung und dergleichen. „Da fiel Glaukon ein: Ohne Zukost ... willst Du die Männer schmausen lassen? Du hast recht. Ich vergaß, daß 38
Vgl. ebenda, S. 182 sowie derselbe, (Soziologie), S. 9 f.; auf die moderne Weiterentwicklung des Gedankens der Wiederherstellung der „Einheit von Soziologie und Wirtschaftswissenschaft" wollen wir hier - raumbedingt - nicht näher eingehen, sondern verweisen diesbezüglich auf: Kolbinger, (Betriebsführung). 39
Sombart, (Kapitalismus), S. 47 f.
438
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
sie auch Zukost haben müssen ... Salz, Oliven und Käse ... Und er: Wenn Du einen Schweinestaat errichten wolltest, wie könntest Du sie anders füttern? 40." (c) Mit dem Merkantilismus beginnend, besonders bei A. Smith jedoch hervortretend, begegnen wir der Wirtschaftsidee des Reichtums. Die Pessimisten bezweifeln den Reichtum aller, die Gegener und die Abtrünnigen vermissen zudem den Menschen in der Wirtschaft. So ist dann für die Neoklassik Nationalökonomie „... einerseits ein Studium des Reichtums; auf der anderen, wichtigeren Seite, ein Studium des Menschen"41. (d) Von Bastiat und Carey vorbereitet, stellt sich u. E. immer mehr die Wirtschaft in ihrer Rolle des sozialen Dienstes dar, nicht zuletzt in ganzheitlich-verstehender Sicht. bb) Leitbilder der Wirtschaftsperson als Träger der Wirtschaftsideen Wirtschaftsziele finden über den Wirtschaftsmenschen in den Wirtschaftsformen, deren Gesetzen sich dieser unterwirft oder unter die er unterworfen wird, ihren Niederschlag. Dem gilt es nachzugehen. (a) Wirtschaftsperson des Vorkapitalismus ist u. E. der Berufsmensch, ein Mensch also, dem Arbeit Auftrag (Dienst) und Selbsterfüllung (vocatio) ist. Es ist das Berufsbewußtsein, das sein Verhalten bestimmt. „Wir sind uns bewußt..., daß wir etwas zu bedeuten haben ... Wer zu uns gehören will, wer an dem Ansehen unserer Gruppe teilhaben will, muß zu unserem Handwerk geboren sein, ... muß sich für unseren Ehrbegriff einsetzen wollen42." (b) Die Ablösung des Berufsmenschen erfolgt de facto durch den wurzellosen Arbeiter und vorzüglich den geistesfremden als Unternehmer: (aa) Den Umschwung leiten „... Fremde außerhalb des Rahmens der einheimischen Sinnen und und Gewohnheiten..." ein. In dieser Form bildete sich aus dem Schöße der mittelalterlichen ... Gesellschaft heraus, ein Menschenschlag mit revolutionärer Wirtschaftsgesinnung.. " 4 3 , welcher die erste Unternehmerschicht bildete. Insbesondere ging „... von diesen Einzelmenschen, den homines novi schon früh, aus einer ethischen Haltung, der Angriff des Kapitals auf die Familie aus"44. (bb) Mit dieser Entwurzelung bildet sich ein zweiter Menschentyp heraus auf den so besonders die „Gesetze der Wirtschaft" als Naturgesetze passen sollten, der Menschentyp des Arbeiters: Dabei handelt es sich bei der ersten Generation wirklich um den Abschaum aller Klassen"45. 40
Piaton, (Staat), S. 10 ff.
41
Marshall, (Principles), S. 1.
42
Bechtel, (Wirtschaftsstil), S. 7. Michel, (Sozialgeschichte), S. 37 f.
43 44
Michel, (Sozialgeschichte), S. 28.
45
Ebenda, S. 79 f.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
439
(cc) Seinen theoretischen Niederschlag findet der obengenannte Unternehmer als „reiner" Wirtschaftsmensch in der Fiktivperson des Homo oeconomicus. Dieser wird bei A. Smith mit Merkmalen versehen, die „... auf die Allgemeinheit der Menschen passen"46. J. St. Mill greift ihn unter dem Begriffe des „Gesetzes vom persönlichen Interesse" wieder auf 4 7 und M. Weber erklärt ihn mit spezifischer Zustimmung W. Sombarts zur Fiktivperson, welche als Idealtyp in der Wirtschaft das Naturgesetz vollstreckt. Für F. Schönpflug ist „... der homo oeconomicus ... die theoretische Abstraktion des »ordinary businessman' der englischen Volkswirtschaft des 19. Jahrhunderts .. " 4 8 . (dd) Unter dem Ansturm von „Gegnern" und „Abtrünnigen" vollzieht auch hier die Neoklassik ihre Revision am homo oeconomicus, so hebt A. Marshall hervor: „Ökonomen studieren menschliche Handlungen mehr in bezug zum sozialen als zum individuellen Leben... Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit einer Seite des menschlichen Lebens, aber es ist immer das Leben eines wirklichen und nicht fiktiven Wesens49." Da man A. Marshall nicht nur als spiritus rector der Neoklassik bezeichnet, sondern ihm auch Geschlossenheit seines Lehrsystems, das auch nicht ohne Einfluß auf die „Betriebswirtschaftslehre" geblieben ist, nachrühmt, sei dieses im Sinne eines „Ariadnefadens" wie folgt skizziert: I. Grundlegung (1./2. Buch) Wirtschaftsziele und -gesetze A. Reichtum als Ziel der Wirtschaft 1. Güterarten als Reichtum 2. Reichtum als Wirtschaftsmotiv a) Wirtschaft als Darbietung von Leistungsanreizen zur Überwindung von Leistungswiderständen b) ökonomische und nichtökonomische Motive aa) Individuelle und kollektive Motivation bb) Religion und Wirtschaftsmotivation („The history of the World has been shaped by religious and economic forces") B. Über die Natur von Wirtschaftsgesetzen (Buch 1/Kap. 3) 1. Verhältnis von Induktion und Deduktion 2. Nichtphysikalische Eigenart von Wirtschaftsgesetzen 3. Historische Geltungsbedingungen und ggf. Hypothesencharakter von „Wirtschaftsgesetzen" II. Hauptkapitel der Wirtschaftswissenschaft A. Bedürfnis und Bedürfnisbefriedigung (3. Buch) B. Produktion und Absatz (4. und 5. Buch) 1. Die Produktion (4. Buch)
46
Gide & Rist, (Geschichte), S. 97.
47
Ebenda, S. 403.
48
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 18.
49
Marshall, (Principles), S. 27.
440
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte a) Produktionsfaktoren b) Die Produktion aa) Landwirtschaftliche und Ertragsgesetz bb) Industrielle und Produktivität („Correlation to increasing an demolishing return") 2. Der Absatz (5. Buch) C. Einkommensverteilung (6. Buch) 1. Arbeitseinkommen (Earnings of Labour) 2. Kapitalzins (Interest of Capital) 3. Unternehmereinkommen (Profit of Capital and business-power) 4. Bodenrente (Rent of Land)
Es ist u. E. unzweifelhaft, daß im Aufbau dieser „Principles" auch der „Historikerniederschlag" zu sehen ist; Mathematik ist Marshall nicht lebenswichtig. (c) Die verstehend-ganzheitliche Linie fügt sich hier u. E. mit dem Bestreben an, die „Integrierte Wirtschaft" mit dem „Integrierten Menschen" auf Grund von Kultur- bzw. Geistesgesetzen in Betracht zu ziehen in einem Stufenbau des Selbst-Wir- und letztlich auch Naturverstehens im Sinne eines „Gezweiungsbewußtseins höherer Ordnung". b) Über die Natur (den Charakter) und die Arten von Wirtschaftsgesetzen Ist alle Theorie Suche nach dem Allgemeinen, eben nach Gesetzen, so gilt dies auch für die Wirtschaftswissenschaft. Schon die Auffassung, Sozialwissenschaft oder nicht, bedeutet hier eine Grundsatzentscheidung, da es damit ganz generell um die Natur, den Gesetzescharakter in der sozialen Leistungsordnung geht. Und von da aus muß sich das Bemühen um eine Gesetzesentfaltung drehen, weil damit die Entfaltung der Wirtschaftswissenschaft in ihre Teilinhalte steht und fällt. Wir gehen daher zunächst ganz allgemein auf die Leitlinie der nationalökonomischen Gesetzesbetrachtung ein, um uns nachher spezifisch mit jener zu beschäftigen, welche die ganzheitlich-verstehende Nationalökonomie als vornehmliche Trägerin der Einflußnahme auf eine spezifisch sozialwissenschaftliche Betrachtung in der Betriebswirtschaftslehre vorzüglich in Betracht zu ziehen hat. aa) Zur Leitlinie der wirtschaftlichen Gesetzescharakterbetrachtung Was es bedeutet, einen Menschen nach Art eines Naturgesetzes etwa dem „Ehernen Lohngesetz" als unterworfen zu betrachten, diesen also nach Art eines (instinktgetriebenen) Naturwesens anzusehen, liegt auf der Hand und weist uns den Weg des „Verstehens" für die folgende Kurzcharakteristik des Wandels in der Gesetzescharakterbetrachtung der Wirtschaft als sozialer Leistungsordnung.
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Gide & Rist zählen an die achtzig „Wirtschaftsgesetze" in ihrem Sachverzeichnis auf. Gesetze aber sind Zwänge, denen der Mensch in der sozialen Leistungsordnung unterworfen ist, und zwar zum einen, ohne daß er sich ihnen kraft seines Geistes zu entziehen vermag, sondern ihnen einfach unterworfen ist (Naturgesetze), zum anderen solche, welche seinem Willen entspringen und so von ihm beherrschbar sind, insbesondere indem er sich als Geist- und nicht Naturwesen verhält. Beispiele: Natürliche Gesetze (Stuart Mill), Gesetz des Angebots und der Nachfrage (Cournot, Hedonisten), Gesetz der Bevölkerung, Gesetz des sinkenden Bodenertrages (ζ. B. bei Malthus), Gesetze des wachsenden Ertrages (List), Gesetz des persönlichen Interesses, Gesetz dés Lohnes (Ricardo), Gesetz des Reichtums (Say), Gesetz der Vorsehung (Bastiat) usw.
Fragen wir hier vor allem nach der Betrachtung des Gesetzescharakter (insbesondere also Naturgesetze des Zwanges oder Geistesgesetz des Erkennens und Wollens), so können wir folgende Abfolgeskizze ins Auge fassen: (a) Für die Physiokraten ist „... die natürliche Ordnung... die Ordnung der Vorsehung ... Sie ist die von Gott für das Glück der Menschen gewollte Ordnung. Um sie zu erkennen, muß man sie zuerst lernen .. " 5 0 Noch die modernen Sozialzykliken betonen in dieser Form die Unterscheidung von Natur- und Geistesgesetz im Sinne der Wirkung von Zwang oder verstehender Anerkennung: Die Geistesgesetze „... hat der Schöpfer der Welt... ins Innere der Menschen eingeprägt; sein Gewissen tut sie ihm kund51." Nationalökonomie (Wirtschaftswissenschaft schlechthin) ist hier Moralwissenschaft und daher „nchtend" (W. Sombart). (b) „Die Existenz natürlicher Gesetze war stets die charakteristische Behauptung der klassischen Schule52." So verlagert sich auch die Gesetzescharakterbetrachtung allmählich von der Anschauung der Wirtschaftsgesetze als „Moralgesetze" zu der als „Naturgesetze": (aa) „Für die Physiokraten war ..." die soziale Leistungsordnung „... eine zu verwirklichende Ordnung;... Für A. Smith ist sie eine sich fortwährend verwirklichende Ordnung.. . 53 ", womit der Mechanismusgedanke seinen Anfang nimmt und der Mensch allmählich als Naturwesen hervortritt. Typisch ist das z. B. bereits bei Malthus ' „Bevölkerungsgesetz", das in weiterer Folge, nicht zuletzt in Verbindung mit dem landwirtschaftlichen Ertragsgesetz (Turgot), zum Lohngesetz bei D. Ricardo wird und von da mit allen Konsequenzen bis zu K. Marx zur Grundlage für die Betrachtung der Verteilungs- und zugleich Spar- und damit Verfassungsordnung sozialer Leistungssysteme wird: „Der natürliche Preis der Arbeit ist der, der den Arbeitern im allgemeinen die Mittel gibt, ihr Leben zu fristen und sich ohne Vermehrung ihrer Klasse fortzupflanzen 54." 50 51 52
Gide & Rist, (Geschichte), S. 10. Utz, (Friedensenzyklika), S. 86 f. Gide & Rist, (Geschichte), S. 402.
53
Ebenda
54
Gide & Rist, (Geschichte), S. 37 f.
442
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
(bb) Und Say führt völlig zur Wirtschaftsbetrachtung nach Art einer naturgesetzlichen Ordnung. Für ihn ist Nationalökonomie die Lehre „... von den Gesetzen, die den Reichtum beherrschen ... Say will weiter nichts als Naturforscher sein ... Die Nationalökonomie wird so durch Say zu einer rein theoretischen (???!!!, J. K.) Wissenschaft...", und zwar „... mehr... Physik als... Naturgeschichte" 55 In Parallele dazu steht ein für den liberalen Unternehmer typischer Ausspruch, verkörpert in Nasmyth, der sagte, über das Schicksal entlassener Arbeiter befragt: „Ich weiß es nicht,; aber ich überlasse das der Wirksamkeit der Naturgesetze, welche die Gesellschaft regieren 56." (c) Hier treten die Historiker mit entschiedener Verneinung des blindnaturgesetzlichen Zwanges in der Wirtschaft auf: So bestreitet Karl Knies (1853) „... nicht nur wie Hildebrand im Namen der menschlichen Freiheit die Existenz von natürlichen Gesetzen (in der sozialen Leistungsordnung, J. K.), sondern er bestreitet sogar Hildebrands »Entwicklungsgesetze4... Für ihn kann es nur Analogien und nicht Gesetze der wirtschaftlichen Entwicklung der verschiedenen Völker geben"57. (d) Und wie iiritner man die Erneuerung der Klassik durch die Neoklassik (insbesondere etwa eines A. Marshall, hernach der Hedonisten) feiern und gefeiert haben mag, gilt doch: „und so ist für die Historiker der Methodenstreit nicht verloren, die Neoklassiker sprechen nur mehr von wirtschaftlichen Tendenzen 58." (e) Naturgesetze und Formalgesetze weichen so immer mehr dem „Verstehen" und „Ganzheitlichen Strukturgesetzen", weshalb auch W. Sombart die Ablösung des Historismus mit der Wende zur Wirtschaftswissenschaft als Geisteswissenschaft gleichsetzt. So wußten nach ihm von Roscher bis Schmoller, die Historiker nicht, worin die „ordnende" Nationalökonomie zu kritisieren war: „... das war nämlich ihre naturwissenschaftliche Gesamteinstellung". Nicht sie, sondern andere wirkten mit „... an dem Aufbau einer geisteswissenschaftlichen Nationalökonomie 59." F. v. Gotti, Ο. Spann („soweit er nicht Metapysik treibt") und Max Weber, dann aber auch und nicht zuletzt W. Sombart. Letzterer sagt: „Ich selber habe den Gegensatz zwischen naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Nationalökonomie zuerst entwickelt in meiner Arbeit: ,Das Lebenswerk von Karl Marx' 190760."
55
Ebenda, S. 124.
56
Zit. bei Geck (Arbeitsverhältnisse), S. 69.
57
Gide & Rist, (Geschichte), S. 438.
58
Ebenda.
59
Sombart, (Nationalökonomien), S. 160.
6 0 Sombart, (Nationalökonomien), S. 160; vgl. hiezu auch die Aufzählungen der philosophischen Beiträge.
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443
bb) „Die drei Nationalökonomien" W. Sombarts und die verstehend-ganzheitliche Grundlegung der Nationalökonomie als Sozialwissenschaft Die Charakterisierung der Weiterentwicklung und auch der Gegenwartslage nationalökonomischen Denkens als Sozialwissenschaft kann u. E. im gegebenen Rahmen sein Genügen darin finden, in dem Dreiklang M. Weber - O. Spann - W. Sombart das Vermächtnis einer Nationalökonomie als spezifisch geisteswissenschaftlich verstandene soziologische Betrachtung abschließend in ihren systembestimmenden Ideen skizzenhaft zu charakterisieren. 1) W. Sombarts Werk „Die drei Nationalökonomien" als Integrator Für W. Sombart bestehen in einer bestimmt zu verstehenden Aufgipfelung gegenstandskorrelativen Wissenschaftscharakters „Die drei Nationalökonomien" 61 in Folgendem: (a) „Die richtende Nationalökonomie will lehren, nicht was (geschichtlich, J. K.) ist, als vielmehr, was sein soll... Ihre Vertreter fassen die Nationalökonomie als Norm Wissenschaft auf 62." (b) Die Vertreter der ordnenden Nationalökonomie sind der Ansicht, daß die in der Erkenntnis der Natur erprobten Methoden ohne weiteres auf die gesellschaftlich-kulturellen, insbesondere wirtschaftlichen Erscheinungen angewendet werden können"63. (c) Beiden tritt die „verstehende Nationalökonomie" entgegen, die u. E. in wesentlichen Belangen zugleich die „ganzheitliche Nationalökonomie" genannt werden kann, wenn insbesondere im „Geschichtsverstehen" Einigkeit zwischen M. Weber und O. Spann, nicht zuletzt durch Vermittlungsversuche W. Sombarts geschaffen werden kann, was u. E. zweifellos erfolgversprechend erscheint (und damit auch in der Betriebswirtschaftslehre Grenzen sprengen könnte). Alles weitere ergibt sich aus den folgenden Ausführungen. 2) Verstehend-ganzheitliche
Gesetzesbetrachtung und Systemgrundlegung
Im Begriffe des „Verstehens" begegnen sich u. E. die hiefür maßgeblichen Männer der nationalökonomischen Wissenschaft: W. Sombart und M. Weber als „Zunächstverbundene", zu denen W. Sombart den ihm verbündungsfähigen O. Spann hinzuzugesellen bestrebt ist. Hier scheint uns der tiefste Sinn seiner „Drei Nationalökonomien" gelegen zu sein. 61
Sombart, (Nationalökonomien).
62
Ebenda, S. 21, Vertreter Aristoteles, Scholastik, PL. Müller, Fichte, Hegel, Kant, Marx, u. EL, diese Reihe scheint uns etwas zu bunt ( J. K.). 63 Sombart, (Nationalökonomien), S. 121; Sombart rechnet dazu: die Objektivisten (Ableitung aller wirtschaftlichen Erscheinungen aus Mengenbewegungen), die Subjektivisten (Hedonisten, Grenznutzenlehre) sowie die Relationisten (formale Gleichgewichtslehre) und damit auch (formal besondert) die mathematische Schule.
444
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
20) „Verstehen" Erkenntnistheoretisch entscheidend ist die Frage der Fern- oder Nahbeziehung des Denkenden und des zu Denkenden, also von Denkendem und Objekt des Denkens im Denkakt. Die „Verstehbarkeit" variiert mit der Objekt-Subjekt-Wesensdifferenz, also etwa zwischen Mensch und Mensch oder (bloß) Mensch und Stein. 200) „Verstehen" nach W. Sombart und M. Weber (a) Sombart sagt: „Wenn wir den Erkenntnisweg in Betracht ziehen, den wir beim Verstehen durchmessen..., so können wir Verstehen Sinnerfassen nennen ... Blicken wir hingegen auf das Ergebnis des Verstehens, so können wir dies als Wesenserkenntnis bezeichnen64." Entscheidend ist die Vollkommenheit, mit der der Gegenstand des Denkens (zugleich ggf. auch des Fühlens usw.) im Bewußtsein des Denkens in Erscheinung tritt, wenn von „Verstehen" im Sinne Sombarts die Rede sein soll: Wir „... erfassen eine Erscheinung, die wir »verstehen1, in ihrer Gänze..., wir sehen ein, warum sie immer so ein muß, solange sie an dem Sinne teilnimmt, aus dem heraus wir sie .verstanden' haben"65. „Sinnverstehen"/„Wesenserkenntnis" stellt Sombart aller metaphysischen aber auch (bloß) ordnenden „Erfahrbarkeit" im menschlichen Bewußtsein, als dem Träger und zugleich trägernächsten Verstehensobjekt gegenüber und hebt damit insbesondere dieses Verstehen über das bloß äußere Indizes erfassende Messen, Zählen, Rechnen, Relationenbilden etc. hinaus mit der Folge: Mathematik erhöht das Verstehen nicht, sondern bildet eine Art „Grenzverstehensmöglichkeit". So unterscheidet sich schon das Sinnverstehen, wenn wir zum einen „... das Durcheinanderspringen von Kätzchen auf dem Boden...", zum anderen aber „... das Durcheinanderspringen von Fußballspielern auf der Sportwiese..." in Betracht ziehen: „Bei allen Naturerscheinungen stehe ich einem ,Rätsel· gegenüber. .." Anders bei den Kulturerscheinungen: „... ich kenne die Regeln des Fußballspiels .. " 6 6 . Für Sombart gilt somit als „Erkenntnistheoretische Korrelationsregel": „Es gilt, daß wir die Metaphysik als die dem Bereiche des Absoluten, die ordnende Wissenschaft als die dem Bereiche der Natur und die verstehende Wissenschaft als die dem Bereiche der Kultur angemessene Erkenntnisweise gelten lassen67." „Die Überlegenheit dieses (verstehenden, J. K.) Verfahrens (in Ansehung kultureller Denkobjekte, J. K.) beruht in der Immanenz dieser Erkenntnisart, die sich darin äußert, daß Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt der Erkennende und sein Gegenstand selbig (identisch) sind68." Dem Naturwissenschaftler ist 64
Sombart, (Nationalökonomien), S. 196.
6 5
Sombart, (Nationalökonomien), S. 196.
66
Ebenda, S. 195.
67
Ebenda, S. 277.
6 8
Ebenda, S. 197.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
445
dies nicht erschwinglich, und zwar schon im eigenen Objektbereich: „Wie gern würden die Naturforscher die Vorgänge der Natur verstehen! Weil sie es nicht können, müssen sie sich mit der bloßen Ordnung begnügen. Und wir sollten freiwillig auf diese Erkenntnis verzichten! Ein höchst sonderbarer Gedanke69." (b) Für Max Weber soll „Soziologie... heißen: Eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will 70 ." Das „Ursächlich" gab Anlaß zu Mißverständnissen, es sollte wohl „sinnhaft" heißen. Verstehen bedeutet für Weber rationales (denkendes) oder einfiihlend-emotionales Nacherleben evident erfahrbaren Seins. Gesucht ist immer der subjektive Sinn eines Handelns (oder seiner Objektivation). „Rational evident ist... vor allem das in seinem gemeinten Zusammenhang restlos und durchsichtig intellektuell Verstandene. Einfühlend evident ist am Handeln das in seinem erlebten Gefühlszusammenhang voll Nacherlebte." Und gemeint ist nicht „... irgendein objektiv »richtiger' oder ein metaphysisch ergründeter »wahrer' Sinn. Darin liegt der Unterschied ... der Soziologie und der Geschichte gegenüber allem Dogmatischen: Jurisprudenz, Logik .. ."71. Wir schließen mit dem Hinweis: Wer sich „verstanden" fühlt, ist zu Hause, der „Unverstandene" befindet sich in der Fremde. 201) „Verstehen" nach O. Spann Die Übereinstimmung mit Sombart und Weber ergibt sich u. E. unzweideutig in Ansehung der Stufung des „Wesenswissens" nach Art der Denkobjekte, die ihrerseits identisch sind mit den - schon anderweitig - behandelten Arten der Ganzheit 1. Geistige Ganzheiten 2. Biotische Ganzheiten 3. Ganzheiten ferner Ordnung
Die spielenden Kätzchen W. Sombarts stehen unserem Verstehen in ganzheitlicher Betrachtung jedenfalls näher als Abstoßung und Anziehung der Atome im Molekül oder die Sinnerfassung der Schwerkraft, welche den Stein zwingt, zum Gravitationszentrum zu streben. Es besteht allerdings u. E. ein kleiner begrifflicher Unterschied, den wir oben schon andeuteten: Das Verstehen wird nicht unterbrochen, sondern es reicht vom „Vollverstehen" über das „Nahverstehen" (ζ. B. des Tierverhaltens, insbesondere höher organisierter Art) zum „Fremdverstehen" (also der Ordnung der Materie u. ä.). Die „Ganzheitliche Logik" unterscheidet daher deutlich „... die Verfahren (des Denkens, J. K.) nach dem Unterschiede ihres Gegenstandes ...": 69 7 0 7
Ebenda, S. 138. Weber, (Wirtschaft), S. 1.
1 Weber, (Wirtschaft), S. 2 f.
446
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
„Das Entscheidende für die Art der Begriffsbildung ist einzig und allein, ob der Gegenstand in seinem sinnvollen Zusammenhang, d. h. als Ganzheit erkannt werde oder nicht! Dementsprechend unterscheiden wir: 1. Ganzheitliche Begriffe 2- Begriffe von Ganzheiten ferner Ordnung . . . 3. Geschichtliche oder konkrete einmalige Begriffe."
Im Bereich der Kultur gilt immer das Urteil „... »richtig - unrichtig../... während ein Naturgesetz... niemals diesem Urteil unterliegen kann". Hieraus folgt: „Menge und Mathematik gehören der Stoff weit an, unmengenhafte und mathematisch unausdrückbare Gliedhaftigkeit dagegen der Ganzheit . . N i c h t die Kulturwissenschaften haben daher Mathematik nötig, um äußere Mengenbeziehungen als das gerade noch Erfahrbare in den Griff zu bekommen, Mathematik ist vielmehr das Mittel, auch dort noch zumindest Ordnung erkennbar zu machen, so Sinn nicht erschwinglich ist. Hieraus folgt: „Nicht die Geisteswissenschaften haben die rein mengenhafte naturwissenschaftliche Begriffsbildung nachzuahmen..., sondern die naturwissenschaftliche, mathematisch-mechanistische Begriffsbildung ist ein Grenzfall der weit vollkommeneren, von der Quelle der Dinge, ihrem Wesens- und Ganzheitsgehalte her geschöpften Begriffsbildung der Geisteswissenschaften .. . 72 ." Selbst in der Naturwissenschaft gibt es Tendenzen zum Sinnbegriff (insbesondere natürlich in den Verhaltenswissenschaften). Es sei allerdings nicht verhehlt, daß Spanns Geisteslehre letztlich im „Stufenbau des subjektiven Geistes" ihre Wurzel transzendierend verstehen will. 21) „Gesetzesverstehen" und „Geschichtsverstehen" Nur was transsubjektiven Charakter hat, kann auch - nach Art der Objekt-Bewußtseinskorrelation - für mehr als einen verstehbar sein. Dabei tritt uns Verstehen als Allgemeinverstehen im Sinne eines „Gesetzesverstehens" und als ein Besonderungs- und Abfolgeverstehen, als ein „Geschichtsverstehen" in folgender Gliederung bei W. Sombart entgegen: 1. Gesetzesverstehen (Theorie) a) Ordnungs- und Fiktivgesetze aa) Ordnungsgesetze (Größenbeziehungen) bb) Fiktivgesetze b) Wesensgesetze (Wesensverstehen) 2. Geschichtsverstehen a) Sachverstehen b) Seelverstehen
„Gesetzesverstehen" und „Geschichtsverstehen" vereinigen sich im „Wirtschaftsverstehen" als Allgemeinverstehen und Besonderungs- und Abfolgever7 2
Spann, (Logik), S. 35 ff.
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stehen; zudem als Frage nach dem Verhältnis von Zwang und Freiheit in der sozialen Leistungsordnung. 210) Gesetzesverstehen Die von W. Sombart gesuchten Gesetzesarten „... sind die schon Aristoteles bekannten vérités de raison, das heißt nichts anderes als Einsichten a priori". Demgegenüber sind „.. .Leibnizens vérités de fait ... individuelle Wahrheiten...", welche „... nicht Notwendigkeit, das heißt Gesetzmäßigkeit.. " 7 3 bedeuten und daher (nur) maßgeblich sind für den „Bereich der Erfahrung", also die Geschichte. Er unterscheidet im Sinne der obigen Übersicht drei Gesetzesbereiche: 1. Ordnungsgesetze, nämlich: mathematische Gesetze (Teil-Summe-Beziehungen) 2. Fiktivgesetze (an sich aus dem Drittbereich stammend, jedoch zur „ordnenden" Erfassung „idealtypisiert") 3. Wesens- oder Strukturgesetze (Glied-Ganzes-Beziehungen)
Zum ersten Bereich rechnet W. Sombart die Gesetze der Klassik (und Neoklassik); der zweite Bereich berührt sich damit in der Figur des homo oeconomicus, wobei zugleich Beziehungen zu M. Weber hergestellt erscheinen. Hierher gehört z. B. ebenso das „eherne Lohngesetz" wie etwa das „Ertragsgesetz": „Wenn das Optimum des Ertrages bei proportionalem Verhältnis der einzelnen Produktionsfaktoren erzielt wird, sinkt es, wenn Disproportionalität auftritt..." Der homo oeconomicus ist für Sombart das harmlos „... fingierte Subjekt unserer fingierten Handlungen" 7 4 .
Auf die Strukturgesetzmäßigkeiten, als drittem Gesetzesbereich, werden wir insbesondere bei O. Spann stoßen, womit zugleich vorweg der Beitragszusammenhang zum „Gesetzesverstehen" geklärt erscheint. Hier ist daher nur mehr festzuhalten, daß Sombart dem Dilemma entfliehen will, bei Ablehnung des ordnenden Verfahrens, nun womöglich „... zu dem Allheilmittel der »schöpferischen Intuition4 greifen, also irrational werden zu müssen.. " 7 5 , wie dies letztlich das Schicksal der Historiker war. Vielmehr muß Rationales, ohne bloß ordnend zu sein, Gesetzescharakter annehmen, demgegenüber das Einmalige (und daher ggf. auch Irrationale) deutlich unterscheidbar wird. Die Verbindung zu Max Weber ergibt sich im gegebenen Zusammenhang vorzüglich über die Fiktivgesetze, bei Weber konkretisiert im reinen Typus oder Idealtypus: „Es ist ein großes Verdienst, das sich Max Weber um unsere Wissenschaft dadurch erworben hat, daß er den Sinn dieser Art von Gesetzmäßigkeiten und Gesetzen aufgedeckt hat 76 ." M. Weber unterscheidet „1) das aktuelle Verstehen des gemeinten Sinnes einer Handlung ..." und „2) das erklärende Verstehen...". Ziel ist dabei die deutende Erfassung ,,a) des im Einzelfall real gemeinten ... oder b) des durchschnittlich 7 3
Sombart, (Nationalökonomien), S. 252.
74
Ebenda, S. 259.
75
Ebenda, S. 251.
76
Ebenda, S. 258 f.
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und annäherungsweise gemeinten... oder c) des reinen Typus (Idealtypus) einer häufigen Erscheinung wissenschaftlich zu konstruierenden (»idealtypischen4) Sinnes oder Sinnzusammenhanges"77. Hierher gehören vor allem auch die Gesetze der „reinen" (in diesem Sinne bloß formalen) Theorie der Klassiker und ihrer Epigonen. „Das reale Handeln (hingegen, J. K.) verläuft nur in seltenen Fällen ... so wie im reinen Typus konstruiert 78." Zu O. Spann und damit von der „verstehenden" zur „ganzheitlichen" Wirtschaftstheorie gelangen wir bei Werner Sombart über die „Wesensgesetze", die er auch „Strukturgesetze" nennt. Unter der Ordnungsbezeichnung „Die wesensmäßige Gesetzmäßigkeit, die zu Strukturgesetzen führt, betrifft die Glied-Ganzes-Beziehung" 79 erklärt Sombart: „Die Idee der Einheit oder des Ganzen ist... auf die des reinen Gesetzes gegründet... Wir können also von einer wesensmäßigen Gesetzmäßigkeit sprechen, wenn wir die notwendige Verbundenheit bestimmter »Glieder1 mit bestimmten Ganzen wahrnehmen, oder wie ich lieber sagen will: die notwendige Zugehörigkeit einer bestimmten Erscheinung zu einem bestimmten Sinnzusammenhange, da ,Ganze' im Bereich des Geistes immer Sinnzusammenhänge sind80." Richtig ist es damit auch „... das Glied-GanzesVerhältnis ... als Struktur..." zu bezeichnen und „... deshalb von Strukturgesetzen ..." zu sprechen. Mit dem Satze: „Hierher sind wohl auch die verschiedenen »Ausgliederungs'-Gesetze Spanns zu zählen81", ist alles ausgesagt, wessen wir hier bedürfen. Verbleibt nur noch die „Ganzheitliche Kategorienlehre" als das „Ganzheitliche Wesens- und Strukturgesetzbuch" als Grundlage der Erforschung aller Arten von Ganzheiten, damit vorzüglich auch sozialer Leistungsordnungen, an die richtige Stelle zu rücken. „Sinn- und Wesensverstehen" der sozialen Leistungsordnung ist daher im wesentlichen identisch mit kategorialem Ganzheitsverstehen, wie wir es unserer Analyse zugrundegelegt haben. 211) Geschichtsverstehen Geschichte ist Werden (als Weg vom Keim über die Entfaltung zur Reduktion), zugleich aber auch ein Prozeß von Gesetzeswirkung und Freiheit. Es fragt sich daher vorzüglich, wie sich Werden vollzieht und wie sich Gesetz und Freiheit miteinander zur „Regelmäßigkeit" verbinden. (a) Für das „Geschichtsverstehen" W. Sombarts erscheinen folgende Grundmomente hervorhebenswert: (aa) Die geschichtliche Wirklichkeit bedeutet zwar Vermannigfaltigung, aber innerhalb von Grenzen an Wahlmöglichkeiten. Für sie gilt das gleiche wie die Wissenschaft von der Kultur: Es ist „... die Kulturwissenschaft nicht frei in der 77
Sombart, (Nationalökonomien), S. 258 f.; vgl. Weber, (Wirtschaft), S. 4.
7 8
Weber, (Wirtschaft), S. 4.
7 9
Sombart, (Nationalökonomien), S. 257.
80
Ebenda.
81
Ebenda.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
449
Wahl der Ideen, wenigstens nicht in der Wahl ihrer Grundideen und der Gestaltideen"* 2. (bb) Das Verhältnis von Theorie und Geschichte, damit auch von Gesetzesverstehen und Geschichtsverstehen gipfelt in der Bestimmung: „Daß die Menschen Entschlüsse fassen ..., ist dem Zufall anheimgegeben; wie sie sie fassen und durchführen ..., unterliegt strengen Gesetzen 83 " (cc) Von hier aus ergeben sich für das „Geschichtsverstehen" u. E. folgende drei Grundsatzfragen: 1. Warum, werden bestimmte Entschlüsse gefaßt? 2. W a r u m werden sie in bestimmter Weise so gefaßt, daß geschichtliche Wirtschaft kein Chaos ergibt? 3. W a r u m wird an einem bestimmten Zeitpunkt Wirtschaft so, wie sie ist?
Die erste Frage fällt im Sinne Sombarts wohl vorzüglich in das Problemgebiet des „Seelverstehens": Dieses heißt ihm, „... Einblick gewinnen in die Seele lebendiger Menschen". Er nimmt dabei die Motive als Datum, die nicht mehr weiter hinterfragt werden dürfen und nennt sie „Psychische Kausalität", eine Art „Selbstbeweger": „Ursachen, das heißt treibende, wirkende Kräfte sind für uns die Motive menschlichen Handelns und nur diese...", denn es ist ihm „... das Zurückgehen hinter menschliche Motive ... grundsätzlich unstatthaft ... Dieser Grundsatz... ist ein Apriori jeder Kulturwissenschaft. Und zwar sind die Motive aus Freiheit". „Die Annahme der Willensfreiheit bedeutet in diesem Zusammenhang kein ontologisches (metaphysisches), sondern ein logisches (»transzendentales') Urteil. Sie allein macht Kulturwissenschaft möglich (und es bleibt dem einzelnen überlassen, ob er sie als Fiktion oder Realität auffassen will). Ohne diese Annahme verfallen wir der Metaphysik: der guten, wenn wir etwa im menschlichen Willen eine göttliche Fügung wirksam denken, der schlechten, wenn wir uns dem naturhaften Determinismus verschrieben 84." Der Begriff der „Psychischen Kausalität" erscheint bereits bei G. Schmollet**. Sombart wendet sich dagegen, daß Spann Kausalität mit mechanischer (äußerer) Kausalität gleichsetzt... Aber es kann sich für uns selbstverständlich nur u m die sogenannte .psychische' Kausalität, u m einen nexus finalis (also ein verstehbares Warum, J. K ) , nicht u m den nexus effectivus handeln .. ." 8 6 .
(2) Die zweite Frage gehört wohl zum „Sachverstehen", nämlich zur Frage, welche Grenzen dem „Zufall" gesetzt sind, wie ein „Wirtschaftsstil" überhaupt sinnhaft beschaffen und wie sich Entscheidungen für einen solchen nicht partikular, sondern durchgehend, also im Sinne von „Gleichförmigkeit" vollziehen, um
29
82
Sombart, (Nationalökonomien), S. 185.
83
Ebenda, S. 272.
84
Sombart, (Nationalökonomien), S. 224.
85
Vgl. Gide & Rist, (Geschichte), S. 429.
86
Sombart, (Nationalökonomien), S. 223.
Kolbinger
450
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
konkretes Wirtschaften zu ergeben. Diese Gleichförmigkeit beruht für Sombart auf zwei Momenten: 1. Gleichförmigkeit der Motivation in der Zeit 2. Gleichförmigkeit der Motivationsbedingungen in der Zeit
Zu 1: Gleichförmigkeit der Motivation kann auf gleichförmiger Veranlagung von Menschen beruhen (Gleichförmigkeit der Motivationsgrundlagen); des weiteren auf gleichförmiger Motivbeeinflussung (einschließlich der Nachahmung)87. Zu 2: Hier wirken beschränkend die „Sinngesetze" (Grundidee, Gestaltideen); ferner um Gleichförmigkeit kraft gleicher Mittel („Es gibt nun einmal nur eine beschränkte Anzahl solcher Stoffe, deren wir uns bedienen können88"). (3) Die Frage drei wollen wir im Anschluß behandeln, da hier ein besonders enges Verhältnis W. Sombart - M. Weber zu bestehen scheint. (b) Auf die Frage, warum etwas an einem bestimmten Zeitpunkt (in einem bestimmten Zeitabschnitt) so geschieht, wie es geschieht, antwortet Max Weber mit dem Begriff der „Chance": „Die Regelmäßigkeit eines Ablaufs muß verstehbar und zugleich in statistisch relevanter Häufigkeit erfolgen, damit... das Bestehen einer (irgendwie angebbaren) Chance erbracht wird 89 ." W. Sombart führt zu dieser Gleichförmigkeit im Zeitpunkt aus, wenn er von „Tendenz" als verstehbarer Handlungswahrscheinlichkeit spricht: „Der Geltungswert der Tendenz kann nicht zweifelhaft sein: Sie hat nicht die Dignität der Notwendigkeit, sondern trägt nur einen mehr oder weniger hohen Grad von Wahrscheinlichkeit an sich: Es besteht eine größere oder geringere,Chance', daß die Dinge sich so gestalten werden, wie man annimmt90." (c) O. Spann lehnt den Begriff der „Psychischen Kausalität", der u. E. ggf. Geist und Körper in ein falsches Verhältnis setzen könnte, ab. Geschichte ist für ihn (objektiv) Entfaltung (und Rückbildung) einer Ganzheit in der Zeit. Wesentlich ist der Satz, der erkennen läßt, daß Geschichte sowohl Notwendigkeit wie Freiheit (Entfaltungsfolge und Eigenleben in der Entfaltung) beinhaltet: „Entfaltung ist... Geschichte. Sie zeigt uns, daß alles, was geschieht, nur an einer bestimmten zeitlichen Stelle so geschehen kann, wie es geschieht... ,kairos', der rechte Augenblick, heißt es im Griechischen91." Entfaltung ist notwendig, damit ein Ganzes vom Keim zur Frucht fortschreiten kann. Dabei herrscht in den geistigen Ganzheiten, so auch in der Wirtschaft, Notwendigkeit und Freiheit, denn: „Die Weise des Schicksals hat zwei Bestimmungsstücke ... einerseits die Eindeutigkeit des Gesamtrahmens ..., die bestimmte Einengung des Lebenslaufes 87
Vgl. ζ. B. Werbung und Wertentlehnung.
88
Sombart, (Nationalökonomien), S. 271.
89
Weber, (Wirtschaft), S. 5 f.
90
Sombart, (Nationalökonomien), S. 276.
91
Spann, (Kategorienlehre), S. 186 f.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
451
der Glieder durch die Gattungswesenheit; und andererseits die Eigenmacht, Freiheit innerhalb jeder Notwendigkeit92." Freiheit ist als Kategorie des „Eigenlebens" notwendig, damit Wollen und Bewährung möglich wird.
C. Hauptentwicklungsstationen von „Privat-" und „Betriebswirtschaftslehre" (Eigenentwicklung und Externeinfluß) Die „Betriebswirtschaftslehre" ist wohl insgesamt ebenso alt wie die „Nationalökonomie" oder die „Sozialwissenschaften" überhaupt. Die moderne Betriebswirtschaftslehre hingegen blickt in ihrer theoretischen Entwicklung vielleicht etwa auf 50 bis 60 Jahre zurück, die sie teils eigenständig, teils stark im Einflußfeld nationalökonomischer Entwicklungshauptstationen, wie wir sie darstellten, zum Teil mit starker zeitlicher Interferenz, vollzog. Gerade der Externeinfluß wurde von uns schon vorweggenommen, so daß wir hier nur mehr sozusagen vom „anderen Ufer" die Zusammenhänge zu knüpfen brauchen, weil vieles schon in den bisherigen Ausführungen vorweggenommen worden ist, was Privat- und Betriebswirtschaftslehre mit der „Nationalökonomie" teilen.
1. Blick auf die Epochengliederung und Hauptstationen privat- und betriebswirtschaftlicher Entwicklung im Einflußfeld der Sozialwissenschaften
Dieser 1. Abschnitt dient der Gewinnung eines Entwicklungsüberblicks. Es ist dies zum einen eine Frage der bloßen Chronologie, zum anderen innerer Zusammenhänge, seien es solche „unserer Disziplin", seien es die, welche sie mit den Sozialwissenschaften, insbesondere im Sinne der vorangegangenen Ausführungen, verbindet. a) Epochengliederungen
in lehrgeschichtlichen
Abhandlungen
Es kann sich nur um einen skizzenhaften Überblick handeln, wobei wir einen etwas ausführlicher behandeln werden. aa) Epochengliederung R. Seyfferts W i r beziehen uns in unseren Ausführungen auf R. Seyffert Über Begriff, Aufgaben und Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre (Stuttgart 1957). I n erster Fassung erschien diese Schrift 1925, und zwar als Sonderdruck der „Zeitschrift für Handels Wissenschaft und Handelspraxis", Jg. 1925, Heft 3, (hrsgg. von H. Nicklisch) unter dem Titel „Über Begriff und Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre". 92
*
Ebenda, S. 212.
452
(a) R. Seyffert Epochen:
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
gliedert die Entwicklung der „Betriebswirtschaftslehre" in sechs
1. Die Frühzeit der Verkehrs- und rechnungstechnischen Anleitungen (bis 1675) 2. Die Zeit der systematischen Handlungswissenschaft (1675-1804) 3. Die Niedergangszeit der Handels Wissenschaft (19. Jhdt.) 4. Die Aufbauzeit der beschreibenden Handelstechnik (1898-1910) 5. Die Zeit der Systematisierung und Ausweitung zur Betriebswirtschaftslehre (ab 1910/12) 6. Die Zeit der Konsolidierung und Vertiefung der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und ihre zunehmende Anwendung auf die Betriebs Wirtschaftspolitik (ab 1926).
(b) Wir bemerken hiezu nur das Folgende zu den einzelnen Epochen: (aa) Hierher (1. Epoche) gehört Lucas Paciolis „Summa de Arithmetika Geometria et Proportionalitas" (1494) mit der ersten Darstellung der „Doppelten Buchhaltung". Die Rolle des Kaufmanns erscheint in Giovanni Domenico Pen s „II negotiante" (1639). Wir befinden uns damit schon weit jenseits des mittelalterlichen Systems. (bb) Der Vorklassik (2. Epoche), eben dem Merkantilsystem insbesondere, entspricht Jacques Savarys „Le parfait négociant" (1675). Diese typische Kaufmannsepoche endet mit Johann Michael Leuchs1 „System des Handels" (1804), der, stark beeinflußt durch den Kameralismus sein Werk in die Hauptabschnitte Privathandelswissenschaft - Staatshandelswissenschaft gliedert. Jacques Savary ( 1622-1690) ist Mitarbeiter Colberts, Finanzminister Ludwig XIV., i m „Conseil de la Réforme", welcher sich insbesondere mit der Schaffung der „Ordonnance de Commerce" (Handelsgesetzbuch) beschäftigt.
(cc) Mit der Klassik (3. Epoche) einher geht die „Niedergangszeit der Handelswissenschaft", charakterisiert durch das Absinken auf Handelsschulniveau. Ein Nachzügler sozusagen ist C. Findeisens „Grundriß der Handelswissenschaften" (Leipzig 1875/1925); fortgeführt von Grossmann bis heute (Grundriß der Betriebswirtschaftslehre, Bad Homburg 1954). (dd) Fassen wir die folgenden Perioden (4.-6. Epoche) wie folgt zusammen: Mit der Gründung der „Handelshochschulen" (1898: Leipzig, Aachen; Exportakademie Wien) beginnt zunächst ein Sammeln (1898-1910), um ab da Systematisierungsversuchen Platz zu machen (ab 1910/12), die schließlich in die „Konsolidierungsphase" einmünden: Begründung der wesentlichsten Gesamtdarstellungen als „Allgemeine Betriebswirtschaftslehren" sowie methodologische Abhandlungen. Die fruchtbarsten, aber für die Entwicklung leider viel zu kurzen Jahre sind die von 1928/29 bis etwa 1935. Hier endet R. Seyfferts Epochengliederung, doch schließt sich hieran diejenige an, die etwa ab 1950 die neuere bis neueste Entwicklung beinhaltet. bb) Andere Epochengliederungen Wir greifen hier noch drei Beiträge, einen älteren und zwei jüngere heraus.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
453
1) H. Töndurys Entwicklungsbetrachtung Zwei Werke Töndurys sind es, welche die Hauptetappen charakterisieren, die er vorzüglich in Betracht zieht: 1. „Von der Handelswissenschaft zur Privatwirtschaftslehre" (Antrittsrede zu Genf 1915, publiziert 1916) 2. „Wesen und Aufgaben der modernen Betriebswirtschaftslehre" (Bern 1933)
Wie alle späteren „Betriebswirte" ist auch Töndury zunächst „Privatwirtschafter", verläßt aber - ganz wie Nicklisch (mit F. Schönpflug) - sehr akzentuiert diese Linie (was ζ. Β. E. Fettel u. E. völlig übersieht), um hernach „Betriebswirtschafter" zu werden. Diese Transformation ist vollzogen mit Ersatz der „Subjektiven Betrachtungsweise" (Privatwirtschaftslehre vom Standpunkt des Unternehmerinteresses allein) durch die „Objektive Betrachtungsweise" (Betriebswirtschaftslehre mit dem Objekt „Betrieb", losgelöst vom bloßen Unternehmerinteresse, insbesondere dem privatkapitalistischen). Nach „objektiver" Betrachtungsweise ist es „... Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre ..., darzustellen, wie der Betrieb sich organisiert, u m ..." bestimmten Funktionen gerecht zu werden, unbekümmert u m die Privatinteressen der am Betrieb beteiligten Personen" 93 .
Für uns stellt sich der Sachverhalt, um den es hier geht, als eine Frage der Gemeinsamkeit aller am Leistungsprozeß Beteiligten, und zwar auf der einen Seite der Konsumenten, auf der anderen der assoziativ zum Sozialsystem Vereinigten dar, wobei es ein gestuftes „Gemeinschaftsinteresse" im Sinne unserer Ausführungen zur Assoziierungs- und Austauschbeziehungsfunktion zu gestalten gilt. 2) B. Bellingers Grundgliederung In seiner „Geschichte der Betriebswirtschaftslehre" (Stuttgart 1967) bestimmt B. Bellinger folgende Entwicklungsstruktur: 1. Alte Geschichte (ca. 3000 v. Chr. bis 1600 n. Chr.) Hierher gehören die griechischen Kunstlehren, die Techniken des Mittelalters, schließlich der Einbruch des Rationalismus (Frühkapitalismus?) 2. Mittlere Geschichte (etwa 1600-1900) Sie geht bis Leuchs und über diesen hinaus bis zur Handelshochschulgründung. 3. Neuere Geschichte (1900 bis zur Gegenwart) a) Aufbau einer Kunstlehre (R. Seyffert
„Beschreibende Handelstechnik")
b) Entwurf von Systemen der Betriebswirtschaftslehre c) „Methodenstreit" über E. Gutenbergs „Unternehmenstheorie" d) Fortentwicklung der „Unternehmenstheorie" (Erklärungssysteme, Experiment, neueste Tendenzen ...)
Bellinger gebraucht u. E. einen interessanten Ausdruck, wenn er (schon frühzeitig) von einer „Erfassung und Quantifizierung einzelner sozialer Beziehungen durch die Buchhaltung ..." spricht. 93
Töndury,
(Wesen), S. 71 und 74.
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschchte
454
3) E. Heinens Beitrag
Ab 1898 treten zwei Entwicklungstendenzen hervor: Systembildung (Gomberg, Hellauer; Schaer; Weyermann-Schönitz, Nicklisch, Dietrich, Prion, Leitner, Rieg zum einen; Spezialisierung (Schmalenbach in Deutschland, Taylor in den USA) zum anderen. Er unterscheidet zwei Entwicklungsperioden: - Entwicklung bis 1930 - Entwicklung ab 1930
Wir gehen hier kurz auf E. Heinens „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" (Wiesbaden 1968) ein. 30) Entwicklung bis 1930 Charakteristisch für diese Periode scheint zu sein: 1. Das Wirken E. Schmalenbachs und E. Schmidts i m Rechnungswesen. 2. Entwicklung der Markt- und Absatzlehre (Vershofen, Oberparieiter) 3. Entwicklung der Organisationslehre
(Taylor,
Seyffert,
Schäfer, sicher auch K.
Fayol, Schmalenbach, Nordsieck).
Daß hier H. Nicklisch nicht aufscheint, nimmt Wunder. Andererseits ist es richtig, auf die besondere Bedeutung der Organisationslehre hinzuweisen, unterscheiden sich doch darin insbesondere um 1930/32, aber noch um 1950 jene Richtungen, welche primär „Marktlehre" sind, von denen, welche spezifisch eine „Betriebswirtschaftslehre als soziale Gebildelehre" (als Wissenschaft oder „Kunstlehre") ins Auge fassen. 31) Entwicklung ab 1930 Offenbar sieht hier E. Heinen folgende Grundentwicklungsmomente: 1. Eindringen der „informalen" in die „formale" Betrachtung des Betriebes, Ablösung der Fiktivpersonen (homo oeconomicus) durch die Realperson. Es findet nach Heinen „... die Human-Relations-Bewegung ... Eingang in die Betriebswirtschaftslehre. Die Fiktion des homo oeconomicus wird durchbrochen" 94 .
2. Hiezu parallel entwickelt sich ein „Neuer quantitativer Ansatz", vorzüglich vertreten durch E. Gutenberg (1951/1955). Die obige Entwicklung wird von einer zweiten, parallel verlaufenden Entwicklungslinie begleitet. Die Betriebswirtschaftslehre zieht in zunehmendem Maße quantitative, mathematische Forschungsmethoden heran und verwendet sie bei der theoretischen Analyse ihrer Probleme" 95 .
3. Von hier mündet für Heinen die Entwicklung in die „Entscheidungstheorie" ein. Er sieht darin eine Art Synthese zwischen denen, die „nur" vom Menschen, und jenen, die „nur" von Produktivitätsbeziehungen abhandeln. 94
Heinen, (Einführung), S. 27.
95
Ebenda, S. 27 f.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
455
b) Hauptstationen „betriebswirtschaftlicher" Entwicklung in Entsprechung mit der nationalökonomischen Entwicklungslinie Es geht uns hier um eine wesentlich prägnantere Überschau, welche uns bewußt machen soll, welchen Ideen und ideellen Kräftekonstellationen „unsere" Disziplin (sie ist für uns noch namenlos) ihren Entwicklungsgang und ihre heutige Struktur verdankt. Wir gehen in der Folge von einer zukunftsorientierten, d. h. insbesondere auf die Zeit um 1950 hin gerichteten Ideenerfassung aus, welche mit einer bestimmten personalen Trägerschaft korrespondiert und die wir daher zunächst als solche in unser wissenschaftstheoretisch-lehrgeschichtliches Bewußtsein rücken wollen. Im Anschluß aber muß jene Gruppierung vollzogen werden, welche die Kräftekonstellationen charakterisiert, die die Schulenstruktur bewirkten, welche den Entwicklungsgang und Entwicklungsstand „unserer" Disziplin charakterisieren und zudem mit jenen nationalökonomisch-soziologischen Strömungen und Epochen inhaltlich korrespondieren, die wir im vorangegangenen Hauptabschnitt zwar in Ansehung der Entwicklungslogik der „Nationalökonomie" selbst, zudem und nicht minder aber schon im Hinblick auf die damit sich darbietenden Einblicke in ihre Einflußstruktur auf „Privat-" und „Betriebswirtschaftslehre" behandelten. Der erste Aspekt ist somit prospektiv-personenorientiert, der zweite prospektiv-sachorientiert (insbesondere im wissenschaftstheoretischen Sinne).
aa) Blick auf den Persönlichkeitsbereich der Entwicklungshauptideen von „Privat-" und „Betriebswirtschaftslehre" Es ist des besseren Verständnisses wegen davon auszugehen, daß mit der Gründung der „Handelshochschulen" für die neue Disziplin die Frage nach ihrem Gegenstandscharakter und ihrer Gegenstandsstruktur entstand, wobei zugleich Probleme der Gegenstandsbestimmung in Relation zur „Nationalökonomie" mit eine Rolle spielten. Es war daher eine Aufgabe von „Volkswirten" wie von „Handelshochschullehrern", nach Lösungen in der eben genannten Richtung Ausschau zu halten. Als erste Werke vorzüglich methodologischer Richtung sind daher u. a. ins Auge zu fassen: 1903: L. Gomberg, Handelsbetriebslehre und Einzelwirtschaftslehre. 1912: R. Ehrenberg, Privatwirtschaftliche Untersuchungen? (In der Folge: Keine Privatwirtschaftslehre (Bank-Archiv, 12. Jg.) H. Diehl, Nationalökonomie und Handelsbetriebslehre (Conrads Jahrbücher 1912) L. Brentano, Privatwirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre (Bankarchiv, J. 1912) Weyermann-Schönitz,
Grundlegung und Systematik einer wissenschaftlichen Privat-
wirtschaftslehre und ihre Pflege an Universitäten und Fachhochschulen, Karlsruhe 1912.
456
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
Und hier fallen auch bereits die „Handelshochschullehrer" wie folgt ein: 1912: H. Nicklisch, Allgemeine kaufmännische Betriebswirtschaftslehre als Privatwirtschaftslehre des Handels und der Industrie (Stuttgart 1912) 1912: E. Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre (Zeitschrift f. Handelsw. Forschung, 6. Jg.)
Mit der Frage „ob" verbindet sich die Frage „wie" in der „neuen" Disziplin. Die Antwort, vorzüglich auf das „Wie", verbindet sich mit den schulischen Richtungen der „Nationalökonomie" mit der Folge, daß schon sehr bald (bei H. Nicklisch zeigt sich schon 1912 der Zwiespalt an) das „Wie" nicht einheitlich beantwortet wird, sondern hier „Privatwirtschaftslehre" dort „Betriebswirtschaftslehre" im Sinne der schon anderweitig hervorgehobenen Unterscheidung von „subjektiver" und „objektiver" Betrachtung (vgl. H. Töndury) Platz griff; und dies wieder nicht in einfacher, sondern noch weiter sich differenzierender Form, insbesondere innerhalb der „Privatwirtschaftslehre", welche zum einen eher den „Historikern", zum anderen lieber den „Klassikern" folgen wollte: hier verkörpert in einer „Realperson" als „Wirtschaftsperson", dort in der Fiktivperson des homo oeconomicus. Ziehen wir im Sinne unserer „Projektivbetrachtung" jenen Personen- und zugleich Literaturkreis in Betracht, der insbesondere im „Methodenstreit und der Objektdebatte von 1950" die entscheidende Rolle spielte, so verkörpert sich in ihnen zugleich der Werdegang „unserer" Disziplin in Parallele zu den anderweitig behandelten nationalökonomischen Grundentwicklungen (mit zeitlicher Verschiebung). Hiebei kann - in gewisser Erweiterung dieses rein zielbezogenprojektiven Personenkreises, an denen sich der methodologisch-differenzierte Entwicklungsgang unserer Disziplin besonders einprägsam erkennen läßt - folgende Linie bestimmt werden 96: (a) Eugen Schmalenbach (20. 8.1873 - 20. 2. 1955) Geboren in Halver (Westfalen), Studium an der Handelshochschule Leipzig. Er war „... dann Assistent bei dem Nationalökonomen Karl Bücher, habilitierte sich 1903 an der Handelshochschule Köln..." und war „... bis 1950 Professor der Privat- später der Betriebswirtschaftslehre in Köln, wo er 1955 starb". Er ist Bilanztheoretiker und Begründer der „traditionellen Kostentheorie (vgl. auch K. Mellerowicz). Er vertritt eine „Kunstlehre" (siehe 1912), keine „Wissenschaft". (b) Friedrich Leitner (16. 1. 1874 - 3. 7. 1945) Geboren zu Wien, vertritt wie Schmalenbach den Gedanken einer „Kunstlehre". Er ist „Privatwirtschaftler": Privatwirtschaftslehre der Unternehmung (1919), Renaissance der Privatwirtschaftslehre (1931). (c) Heinrich Nicklisch (18. 7. 1876 - 28. 4. 1946) Nicklisch promovierte (1902) zu Tübingen, besuchte zu Leipzig Kurse unter K. Bücher (siehe E. Schmalenbach), woher wohl auch seine Vorliebe für Organisa96
Vgl. dazu: Löffelholz,
(Repetitorium), S. 808 ff.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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tion herrührt, die auch sein späteres Hauptwerk prägt. Er vertritt eine Privatbzw. Betriebswirtschaftslehre als „Wissenschaft". Auf Grund seines Auftrages (1907), an der Handelshochschule Leipzig die „Privat-" bzw. „Betriebswirtschaftslehre" einzuführen, erscheint sein Hauptwerk in 1. Auflage als „Allgemeine kaufmännische Betriebswirtschaftslehre als Privatwirtschaftslehre des Handels und der Industrie". Wie noch zu zeigen sein wird, verbinden ihn enge wissenschaftstheoretische Interessen mit O. Spann. Hauptwerk: „Die Betriebswirtschaft" (7. A. des eben genannten Werkes) 1929/32; schon 1922 erscheint: Organisation - Der Weg aufwärts! Grundlegend für seine Gesinnungsrichtung erscheint: „Über Egoismus und Pflichtgefühl" (Mannheimer Rektoratsrede).
(d) Wilhelm Rieger (7. 5. 1878) Studium und Habilitation zu Straßburg, Banklehre. 1919-1928 Professor in Nürnberg, ab 1928 in Tübingen. Vorzüglich „Kapitalkreislaufbetrachtung" in: Einführung in die Privatwirtschaftslehre (1928, 19643). Er vertritt die „reine" Wissenschaft (siehe Parallele J. B. Say). Schüler: Fettel und Linhardt. (e) H. Töndury (29. 4. 1883 - 1938) Theologische sowie wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Studien. Die Entwicklungsschritte unserer Disziplin zeigen sich in den beiden Werken: „Von der Handels Wissenschaft zur Privatwirtschaftslehre" ( 1916; Genfer Antrittsrede: „L'économie commerciale") zum einen; „Wesen und Aufgaben der modernen Betriebswirtschaftslehre" (1933) zum anderen. I n Töndury spiegelt sich sozusagen das ganze methodologisch-systembildende Schicksal unserer Disziplin wider. 1910-1915 Professor der Handelswissenschaft an der Handelshochschule St. Gallen; ab 1915 Professor für Privatwirtschaftslehre zu Genf. 1928-1938 Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftssoziologie an der Universität Bern. Er ordnet der Volkswirtschaftslehre die „funktionale", der Betriebswirtschaftslehre die „strukturelle" (morphologischeiBetrachtung zu. Den Betriebsbegriff begründet er soziologisch. Es bestehen Verbindungen zur „Wiener Schule", wohl auch zum „Universalismus" (O. Spann). Er ist mit H. Nicklisch der Lehrmeister F. Schönpflugs.
(f) Fritz Schmidt (13. 3. 1882 - 1. 2. 1950) Ab 1911 Assistent an der Akademie für Handels- und Sozialwissenschaften in Frankfurt/M., ab 1914 dort Ordinarius. Hauptgebiet: Kosten- und Bilanztheorie („Organische Bilanz"). Man rechnet ihn ebenfalls zur „reinen" Wissenschaft. Neben Schmalenbach übt er großen Einfluß auf E. Gutenberg (allerdings nicht allein) aus. (g) Max Rudolf Lehmann (1886 - 31. 10. 1965) In Leuben (Sachsen) geboren, studierte zunächst Technik (TH Aachen), 1919 Dr. rer. pol. an der Universität Frankfurt (Schüler F. Schmidts), ebenda Habilitation 1920, ab 1926 Ordinarius an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Nürnberg. Hauptwerke: „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" (1928, 19563). Wesentlich hierin - wie für die methodologische Auffassung Lehmanns überhaupt - ist in diesem Werk der Abschnitt „Der soziologische Charakter des Betriebes und der Unternehmung". Er steht in gewisser (tw. kriti-
458
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
scher) Verbindung zu H. Nicklisch und steht 1950 auf Seiten einer „Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft". (h) Konrad Mellerowicz
(1891)
In Jersitz bei Posen geboren, 1923 Promotion in Hamburg, 1926 Habilitation, 1934-1950 Professor an der Wirtschaftshochschule Berlin, seither Technische Universität Berlin. Hauptwerke „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" (Berührung mit W. Sombart). Vertreter der „traditionellen" Kostentheorie (Kosten und Kostenrechnung 1963/664), „Kostentheoretischer Methodenstreit" (in Parallele zum „sozialwissenschaftlichen") um 195 0 9 7 . (i) Erich Gutenberg (1897) Habilitationsschrift „Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie" (1929) trifft sich mit den Werken der damals bereits „Arrivierten" (Nicklisch, Rieger, Leitner; Mellerowicz, Lehmann), ohne deren Aufmerksamkeit offenbar zu erregen. Er bekennt sich damals vorzüglich zu F. Schmidt, interessanterweise ζ. T. auch zu O. Spann. Er tritt - im Gegensatz zu H. Nicklisch - führend ab 1950 hervor: „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre" (Die Produktion 1950, Der Absatz 1955, Die Finanzen 1969). Seine geistigen Gegner i.e.S. lebten nicht mehr, mußten sich sozusagen „vertreten" lassen. Biographie: Geboren in Herford, Diplom 1926 in Frankfurt, Habilitation 1928 in Münster, 1938 Professor an der Bergakademie in Clausthal, 1940 Jena, 1947 Frankfurt, ab 1951 zu Köln. Die „Finanzen" erscheinen - u. E. methodologisch-systembedingt - sehr spät und ohne echten Zusammenhang mit den beiden vorangegangenen Bänden.
Gutenberg scheint uns der Neoklassik ( A. Marshall, Ertragsgesetz) zuzuneigen. (j) Guido Fischer (8. 6. 1899) Geboren in München, 1922 Promotion in Frankfurt (F. Schmidt), 1934 a. o. Prof. in München, ab 1946 o. Professor. Hauptwerke: „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" (1936), „Mensch und Arbeit im Betrieb" (1949). Er gilt als Begründer und Hauptvertreter der Idee der „Partnerschaft" („Partnerschaft im Betrieb", 1955, „Partnerschaftsbetrieb", Tokio 1966, 19732). (k) Fritz Schönpflug (8. 2. 1900 - 13. 9. 1936) Geboren zu Brünn, 1923/1926 Studium an der Wirtschaftshochschule Berlin, ferner noch 1929/1931. Dissertation „Das Met hodenprob lem in der Einzel wirtschaftslehre" (veröffentlicht 1933); Habilitation an der Universität Bern mit seinem „Erkenntnisgegenstand...". Er ist Schüler sowohl H.Nicklischs wie H. Töndury s. Sein Tod, wie der Töndurys und Nicklischs rissen eine Bresche in die Abwehr des „neoklassischen" Angriffs. (1) Erich Schäfer (1900) In Mohorn (Sachsen) geboren. Er beschäftigt sich frühzeitig bereits methodologisch (1925: „Betriebswirtschaftslehre und Privatwirtschaftslehren; 1932: „Ver97
Vgl. dazu, Schwarz, (Lehre).
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such einer Gesamtsystematik der kaufmännischen Betriebswirtschaftslehre). Hauptwerk innerhalb der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre: „Die Unternehmung" (1950,19697). Ursprünglich z.T. auf Nicklisch aufbauend, wendet er sich in der Objektdebatte von 1950 gegen eine Betriebswirtschaftslehre als „Sozialwissenschaft" wie eine stärkere Betonung der Organisation. 1932 übernimmt er von Nicklisch in seine Systematik „Bau und Leben sowie Struktur der Unternehmung". Er behandelt diese in Analogie zum menschlichen Organismus mit den Bereichen: Reflexion, Willenstätigkeit, Gefühl. Letzteres müßte „... alles umfassen, was man bislang als Betriebssoziologie, als Personalwirtschaft... bezeichnet hat".
bb) Grundrichtungsbestimmung privat- und betriebswirtschaftlicher Hauptvertreter und -werke Es ist F. Schönpflug, welcher es unternimmt, die Grundrichtungen der „neuen" Disziplin (neben Nationalökonomie) zu bestimmen. Wir möchten im Anschluß an die Aufzeigung dieses Ordnungsversuches die obigen Beiträge nach Art der soziologisch-nationalökonomischen Grundrichtungen und der zwischen diesen und unserer Disziplin bestehenden Verbindungen und damit gegebenen methodologisch-systematischen Zusammenhänge ordnen; kraft welcher wir in der Folge den ideengeschichtlichen Verlauf in „Privat-" und „Betriebswirtschaftslehre" zu skizzieren vermögen, in den sich letztlich auch unser Ansatz bzw. der „verstehend-ganzheitliche" schlechthin zwanglos einordnet. 1) Schulenrichtungen nach F. Schönpflug Auf H. Nicklisch fußend, kommt F. Schönpflug zu folgender Grundgliederung unserer Disziplin nach ihren „Sinnrichtungen": 1. Normative Einzelwirtschaftslehre a) Johann Friedrich Schär (1910) b) Rudolf Dietrich ( 1914) c) Heinrich Nicklisch (1912/1932) 2. Empirisch-realistische Einzelwirtschaftslehre a) Technologische Richtung (Kunstlehre) aa) E. Schmalenbach (ab 1912) bb) F. Leitner (ab 1919) b) Theoretische Richtung (Wissenschaft) aa) F. Schmidt (ab 1921) bb) W. Rieger (ab 1928)
Es handelt sich um einen philosophisch-methodologischen Einteilungsgesichtspunkt, in dem auch sowohl der zeitliche Fortgang der Entwicklung wie zugleich die zeitlichen Entgegensetzungen zum Ausdruck kommen. Es gibt also keine Richtungsvielfalt, sondern im wesentlichen nur zwei Grundrichtungen, welche in sich wie in Begegnung untereinander fortschreiten und so das geschichtliche Muster unserer Disziplin weben98. 98
Vgl. dazu: Schönpflug, (Methoden).
460
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
2) „Die beiden Betriebswirtschaftslehren"
und „Die drei Nationalökonomien"
(a) Die Verbindung zwischen der soziologisch-nationalökonomischen und der „privat- und betriebswirtschaftlichen" Entwicklung nach Art ihrer Sinnzusammenhänge (und zugleich der historischen Entwicklungsschritte) ist vollzogen, wenn F. Schönpflug ganz in unserem Sinne ausführt: „Es will uns scheinen, daß der Systematisierungs ver such, dem Werner Sombart in seinem Werk ,Die Drei Nationalökonomien' eine ausführliche Darstellung gewidmet hat, in der von uns geforderten Richtung liegt. Er verwendet ein Ordnungsprinzip, das unseres Wissens zur Klassifikation der Forschungsrichtungen noch nicht verwendet wurde: Der Sinngehalt, der den verschiedenen nationalökonomischen Theorien und Systemen zugrundeliegt, wird in seiner Hand zum souveränen Mittel, der verwirrenden Fülle der Forschungsrichtungen Herr zu werden und so die Einheitlichkeit ihrer Erkenntnisgrundlage sichtbar zu machen." „Auf diese Weise gelingt es ihm, den gewaltigen Wissensstoff der Nationalökonomie von den ersten Anfängen bis zur Neuzeit auf drei Gruppen zurückzuführen, die er die .richtende' (metaphysische), die »ordnende' (naturwissenschaftliche) und die .verstehende' (geisteswissenschaftliche) Gestalt der Nationalökonomie nennt. I n ähnlicher Weise hat bereits 1920 Karl Eugen Nickel, allerdings unter Beschränkung auf die neuere Entwicklung, eine Scheidung und Gliederung der gesamten modernen Strömungen innerhalb der Nationalökonomie zu geben versucht..."."
(b) Es liegt auf der Hand, daß wir für unsere Disziplin an dieses Junktim Sombart - Nicklisch - Schönpflug anzuknüpfen haben, um damit an der Leitlinie der Entwicklung nach Sinnrichtung und Sinnzusammenhang der analogen soziologisch-nationalökonomischen anschließen zu können. Dabei muß natürlich bedacht werden, daß wir erst 150 Jahre später als die nationalökonomische Entwicklung auf Parallelen in unserer Disziplin stoßen, und zwar in einer Abfolge, welche dem Zeitpunkte ihrer Entwicklung zur Wissenschaft entspricht, d. h. im Grunde in dem Augenblick, in dem die „historische" Richtung der Nationalökonomie in die „verstehende" umschlägt, zugleich aber sich bereits die Antikräfte zu regen beginnen; in der Nationalökonomie die Neoklassik, in der Betriebswirtschaftslehre sozusagen als „Nachholversuch" eine Art Rezeption der Klassik selbst. Nimmt man also diese Zeitverschiebung als gegeben, so kann man das „Webmuster" unserer Disziplin im systematisch-geschichtlichen Ablauf bis zur Gegenwart wie folgt skizzieren: (aa) Historisch-klassischer Ansatz und historisch-ganzheitliche Entwicklung (1912/32) (I) Historisch-klassische „Privatwirtschaftslehre" (10) Der Historiker-Ansatz Weyermann-Schönitz ( I I ) Frühwerk H. Töndurys (1916) (12) Eigentliche „Renaissance der Klassik" (120) W. Rieger (1928) (121) E. Sieber (1931)
99 Schönpflug, (Methoden), S. 69.
(1912/13)
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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(2) Historisch-ganzheitliche „Betriebswirtschaftslehre" (20) H. Nicklischs historisch-privatwirtschaftlicher Beginn (1912) (21) Entwicklung der Hauptlinien der „Betriebswirtschaftslehre" (210) „Betriebswirtschaftslehre" i m Einflußbereich der Historiker (2100) M. R. Lehmann (B. Hildebrand/1928) (2101) K. Mellerowicz
(W. Sombart/1929)
(2102) G. Fischer (W. Sombart/1932) (211) Die ganzheitlich-normative „Betriebswirtschaftslehre" (O. Spanns Einfluß) (2110) H. Nicklisch (1928/32) (2111) H. Töndury
(1933)
(2112) F. Schönpflug (1931/33) (212) Unentschiedene Ansätze (2110) E. Gutenberg (1929/Schmidt-Spann) (2121) E. Schäfer (1925/1932: Einfluß Nicklisch) (bb) Neoklassik und neoganzheitlich-verstehende Ansätze und Entwicklung (1950 bis zur Gegenwart) (1) Der neoklassisch-historisch-ganzheitliche „Methodenstreit" und E. Gutenbergs neoklassischer Ansatz (10) Die Einleitung von 1950 (11) E. Gutenberg contra Nicklisch und Mellerowicz (ab 1951) (110) Der Angriff E. Gutenbergs gegén H. Nicklisch (111) Der kostentheoretische Methodenstreit m i t K. Mellerowicz (2) Ganzheitlich-verstehende Neuorientierung der Gegenwart (20) Der „entscheidungstheoretische" Vermittlungsversuch E. Heinens (21) Der „systemtheoretische" Ansatz H. Ulrichs (1968) (22) Der „ganzheitlich-verstehende" Ansatz (insbesondere das gegenständliche Werk 1978)
Die „Tendenzen", die in diesen Hauptstationen der Entwicklung unserer Disziplin gelegen sind, wurden implicite bereits im vorangegangenen Abschnitt mitgedacht. Eine breite Einzeldarstellung kann im übrigen schon aus Raumgründen hier nicht erfolgen. Es muß bei einer Stichwortskizze bleiben.
2. Stichworte zu den Hauptstationen wissenschaftstheoretischer Systementwicklung der „Betriebswirtschaftslehre"
Wir wollen noch stichwortartig durch die oben skizzierte Entwicklungslinie führen und dabei gleichzeitig deren Sinnrichtung ansprechen bzw. den mit dieser Sinnentwicklung verbundenen zeitlichen Entwicklungsgang in etwa belegen.
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IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
a) Stichworte zur Sinnentwicklung
1912/32
Mit eigenartig zeitlicher Verschiebung vollzieht sich von der „historischen" Sinngebung ökonomischer Gestaltung über eine Art „Renaissance der Klassik" die „Lehre von der sozialen Leistungsordnung" auf der Ebene „Einzelwirtschaft" zu einer „Historisch-ganzheitlichen". aa) Stichworte zur Sinnentwicklung der „Privatwirtschaftslehre" (a) Der an den Anfang unserer Stichwortkette zu setzende maßgebliche Satz scheint uns zu lauten: „Von den englischen Klassikern kann man sagen, daß sie Privatwirtschafter in dem umfassenden und wissenschaftlichen Sinn gewesen sind, wie es für ihre Zeit denkbar ist." Aber nicht daran soll die hier gemeinte „Privatwirtschaftslehre" anknüpfen, als vielmehr an die Lehre der „Historiker", denn: Ging „... die englisch-klassische Volkswirtschaftslehre ... von einem merkwürdig uniformen Gehirngebilde aus, dem,Wirtschaftsmenschen' (homo oeconomicus)..." so erscheint dieser um 1912 bereits „... als ein gar zu ärmlicher Notbehelf ..." der Wirtschaftstheorie. Und so ist es nach Weyermann „... vielleicht das größte Verdienst der historischen Schule, daß sie uns... die große Mannigfaltigkeit auch in scheinbar homogener wirtschaftlicher Betätigung zum Bewußtsein..." gebracht hat. Die Schlußfolgerung lautet: Nicht der „homo oeconomicus" bildet die Basis der „Privatwirtschaftslehre", wiewohl diese „wertfrei" zu sein hat. Für Weyermann bezeichnet „... die historische Schule ... in der Volkswirtschaftslehre den Fortschritt, durch welchen dem,Wirtschaftsmenschen' der Klassiker der Stempel der Unzulänglichkeit aufgedrückt w i r d " 1 0 0 . Dennoch sieht er eigentlich in ihnen eine Art Retter der Klassik (vgl. „Die Abtrünnigen"!). Zugleich ist die Zeit reif, in der das „Verstehen" an die Stelle des „Richtens" (M. WebenW. Sombart) zu treten beginnt. Inwieweit man das eine durch das andere zu „substituieren" vermag, ist u. E. eine Frage nach dem Verhältnis von Analyse und Gestaltung, Diagnose und Heilung. Allerdings: Gestaltung und Heilung in „verantwortlicher Freiheit".
(b) Eine Art „Renaissance der Klassik" oder aber eine Rezeption des homo oeconomicus als „Fiktivperson" (M. Weber) wird man demgegenüber W. Riegers „Privatwirtschaftslehre" nennen müssen: „Die Unternehmung ist eine Veranstaltung zur Erzielung von Geldeinkommen - hier Gewinn genannt - durch Betätigung im Wirtschaftsleben. Wenn wir ... von einem Zweck der Unternehmung reden, so kann es nur dieser sein." Auch etwa den Markt versorgen zu wollen, „... ist eine ganz unmögliche Vorstellung". „Daß der Markt versorgt werde durch die Tätigkeit der Unternehmer, dafür müssen die anderen sorgen, die Konsumenten - was sie auch gemeiniglich zu tun pflegen ... Von den Unternehmern könnte man eher behaupten, daß sie es außerordentlich bedauern, wenn sie den Markt versorgen; denn je länger er nicht versorgt ist, desto länger die Aussicht auf Ab100 Weyermann,
(Privatwirtschaftslehre), S. 28 und S. 38 f.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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satz und G e w i n n . . . Man ist versucht, zu sagen: Die Unternehmung kann es leider nicht verhindern, daß sie in Verfolgung ihres Strebens nach Gewinn den Markt versorgen m u ß 1 0 1 . " Methodologisch wird die „Privatwirtschaftslehre" dieser Art von E. Sieber (1931) behandelt. Grundaufbau des Riegerschen Werkes: 1. Zielsetzung: Gewinn. 2. Mittel hiezu: Die Unternehmung, in welcher der Unternehmer primär, wenn nicht ausschließlich als Finanzfunktionär auftritt. 3. Inhalt der PWL i m eigentlichen Sinne: Darlegung des finanziellen Aufbaues und Ablaufes der Unternehmung i m Sinne von Geld-Ware-Geld (Wiedergeld, Mehrgeld). Vgl. hiezu auch K. Marx.
bb) Stichworte zur Sinnentwicklung der „Betriebswirtschaftslehre" (a) Soweit es sich um den Historikereinfluß handelt, wollen wir diesen hier kurz anmerken, um damit diesen Einfluß auf die Sinnentwicklung der „Betriebswirtschaftslehre" zumindest anzudeuten. M. R.Lehmann (1928) gliedert die Wirtschaftswissenschaften bereits in Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte. E r unterscheidet in Ansehung der Nationalökonomie zwischen der „Wirtschaftstheorie" der Klassiker und verweist auf die besondere Bedeutung der Historiker in Deutschland. Die Teilung der Wirtschaftseinheiten in Betriebe und Haushalte, mit der Verbindung über die „Finanzsphäre" führt er auf B. Hildebrand (Natural-, Geld- und Kreditwirtschaft, Jb. f. Nat. Ök. u. Statistik 1864) zurück. Von besonderer sinngebender Bedeutung ist zudem seine Abhandlung über den „Soziologischen Charakter des Betriebes und der Unternehmung". K. Mellerowicz übernimmt 1929 (Allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Unternehmung) den Betriebsbegriff W. Sombarts. Ebenso übernimmt er die Momente der Wirtschaftssysteme: Wirtschaftsgesinnung, Technik, Organisation. Auch für Mellerowicz gilt: Jede „Wirtschaft mündet in Gesellschaft". G. Fischer drückt sein Programm wohl am besten in „Mensch und Arbeit - ihre Bedeutung i m modernen Betrieb" (1929) aus. I n seiner Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre ( 1935) beruft er sich auf W. Sombart, wenn er erklärt: Es sei „... der Betrieb ... die planmäßige Organisation von Werkverrichtungen... Der Betrieb befaßt sich mit der Arbeitsleistung, die der Einzelne an seiner Arbeitsstelle, allein oder verbunden mit seiner Arbeitsgemeinschaft i m »Betrieb' oder in der Werkstatt vollbringt. Dabei kann ihm das Kapital zu Hilfe kommen .. . " 1 0 2 . Fischer ist i m übrigen keineswegs „wertfrei", sondern spezifisch „normativ" bzw. „richtend".
Wesentlich erscheint uns noch die Anmerkung, daß hier vorzüglich der „Faktor Arbeit", in der „Privatwirtschaftslehre" (siehe Rieger), ausschließlich der „Faktor Kapital" betont wird. Wie wir zeigten, hat auch das Kapital „Humanqualität" (als Sparleistung verstanden). Von der Arbeit führt der Weg zu Organisation, womit schon ein wesentlicher Richtwert für die ganzheitlich-normative Richtung gegeben ist, der sie mit den „Historikern" verbindet. (b) In Ansehung der ganzheitlich-normativen Sinnrichtung und Sinnverbindung der Betriebswirtschaftslehre dürfen wir uns auf folgende Stichworte bzw. Leitsätze beschränken: 101 102
Rieger, (Privatwirtschaftslehre), S. 44 und 46 f. Fischer, (Allgemeine), S. 19 f.
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IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
(aa) Auszugehen ist von dem sinnverbindenden Satz F. Schönpflugs: So wie „... die letzte neoromantische Bewegung der Neuzeit... soweit die Wirtschaftswissenschaft in Betracht gezogen wird, in Othmar Spann ihren Führer gefunden hat...," muß dieser „... wohl als einziger konsequenter Vertreter der Einzelwirtschaftslehre ... Nicklisch zugerechnet werden" 103. „Nicht nur die Spannsche Wirtschaft, auch die von Nicklisch meint Gesellschaft und wie die Gesellschaft begriffen wird, so der Mensch, dessen Daseinsform die der Gesellschaft i s t 1 0 4 . Hier wird auch auf die entscheidendste Aussage des „Universalismus" hingewiesen: daß Gesellschaft geistige Ganzheit ist, nicht mechanische 1 0 5 .
(bb) Grundlegend für Nicklisch ist der „Betrieb" als (arbeitsorganisierendes) Sozialgebilde, in dem zwei Arten von Ordnungen sich miteinander verbinden: Zum einen ist er „Organisation", denn „... in ihrer letzten Absicht... ist die Nicklischsche Betriebswirtschaftslehre ... eine Lehre vom organischen Gestaltwirken des Menschen, eine Organisationslehre" 106. Ergibt sich hieraus - in der heutigen Sprechweise - eine formale Traube von Abhängigkeiten ..." so gibt es daneben noch eine andere Form sozialer Integration: Sie „... hat ganz anderen Charakter ..." und zwar so, daß jeder dadurch „... die Vorstellung vom Ganzen und das Gefühl, mit ihm verbunden zu sein ..." erhält 107 . „Die Betriebswirtschaft" 1 0 8 gliedert sich grob wie folgt: 1. Philosophische Grundlagen. 2. Die Betriebswirtschaft: a) Die Grundbegriffe (Bedürfnis, Wirtschaft/Betrieb); b) Der Betrieb, und zwar: aa) Betriebsbegriff, bb) Bau und Leben der Betriebe (Organisation), cc) Betrieb und Rechnungswesen.
(cc) Übertragen wir ab hier dem Methodologen F. Schönpflug das Wort und halten wir folgendes fest: (1) Grundlegend ist die Frage: Soll „... die ... »kapitalistische Unternehmung4 ..." oder „... soll die „Unternehmung überhaupt'..." oder „soll der »Betrieb' das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre sein, und in welcher begrifflichen Bedeutung kann er es sein?109" (2) Ersteres ist von vornherein zu wenig, nämlich die „... Geldumformung als Kapitalverwertungsprozeß zu erklären..." 110 Auch letzteres geht nicht, denn sie ist nur Sonderfall von „Betrieb", weshalb es darauf ankommen muß, „... sie einzugliedern in jenen Sachzusammenhang, als dessen Bestandteil sie verstanden werden muß" 111 .
l°3 Schönpflug, (Methoden), S. 205. 104
Ebenda, S. 209.
105
Vgl. ebenda, S. 206.
108
Schönpflug, (Methoden), S. 214.
107
Nicklisch, (Grundfragen), S. 48-51. 108 vgl. Nicklisch, (Betriebswirtschaft). 109
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 11.
110
Ebenda, S. 35.
111
Ebenda, S. 80.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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(3) Wesentlich für die weitere systembildende Deduktion ist die an die Adresse der „kapitalistischen" Unternehmung gerichtete Kritik: „Als konstitutionelles Gebilde existiert die Unternehmung für diese Art der Betrachtung überhaupt nicht." „Wer nach dem ... Wesen der kapitalistischen Unternehmung ..." fragt, „... der wird es nicht in dem Merkmal der Produktion finden...", und er findet es nicht in dem Merkmal der kooperativen Arbeitsgemeinschaft" 112 . Wer den zentralen Ort sucht, von dem die Probleme... entspringen..., der wird k e i n . . . Wirtschaftsgebilde finden..., sondern Marktbeziehungen ... Die Objekte der wissenschaftlichen Betrachtung sind insgesamt Probleme des Marktes" 1 1 3 . Schönpflug verbindet sich mit dieser Kritik sowohl mit den Historikern, wie mit der ganzheitlich-verstehenden Nationalökonomie und nimmt u. E. schon jene Kritik vorweg, die sich gegen Gegenwartsbestrebungen richtet, welche i m Betrieb nur eine Fortsetzung marktlicher „Stimulierung" erblicken.
(4) Hier setzt das Bemühen um die Ableitung des Betriebsbegriffes mit soziologischer Grundlage ein: zum einen als Frage der „Form" und des „Inhaltes" überhaupt. Dann als Ableitung aus der Gegenüberstellung „ganzheitlicher" und „einzelheitlicher", des weiteren „fallweiser" oder „dauernder", „offener" oder „geschlossener" sozialer Gebilde. (Vergleiche auch unsere Behandlung des Wirtschaftsbegriffes.) (5) Was inhaltlich den Erkenntnisgegenstand der allgemeinen und theoretischen Betriebswirtschaftslehre als Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden ausmachen soll, entwickelt Schönpflug so: 1. „Betriebswirtschaftslehre ist ... die Lehre von den betrieblich organisierten Wirtschaftsgebilden 1 1 4 . " 2. Grundgehalte dieser Lehre s i n d : 1 1 5 - Betriebsbegriff, Begriffsarten nach dem Eingliederungsmodus in die Gesamtwirtschaft die Probleme der Führung in der Betriebswirtschaft.. " 1 1 6 - Betriebsorganisation und Betriebselemente (Arbeit, Kapital) - Vertriebsprozeß (Ertragserzielung) und Ertragsverteilung - „Kontrolle des Wertumlaufes ..." als „Theorie des Rechnungswesens" 117
(6) Hier tritt auch die Frage der Handlungsnorm als „Richtschnur" des Handelns in Erscheinung, wofür Schönpflug eine Art „Stufenbau der Normen" von H. Töndury wie folgt übernimmt: Eine Handlung kann erfolgen 118: „1. nach dem technischen Gesichtspunkt, 2. nach dem ökonomischen Gesichtspunkt,
112
Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 27.
113
Ebenda, S. 32.
114
Ebenda, S. 165.
115
Ebenda, S. 168 ff. " β Ebenda, S. 169. 117
Ebenda, S. 171.
118
Ebenda, S. 97.
30 Kolbinger
466
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte 3. nach dem sozialen Gesichtspunkt, 4. nach dem ethischen Gesichtspunkt."
Entscheidungen durchlaufen diese vier Stufen: den der „sachlichen", dann auch den der „subjektiven" Entsprechung (technischer und ökonomischer Gesichtspunkt); bedeutet dann der „soziale" Gesichtspunkt „Gerechtigkeit", so „... der Gesichtspunkt der Ethik schließlich..." den „... des... absolut Guten..." als „... der absoluten Entsprechung im Sinne der universalen Einheit des höchsten Ganzen und der Einheit des Ich mit dem Allganzen"119. (dd) Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die „Zögernden": (1) E. Gutenberg (1929) sieht „Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie" an. Er neigt spezifisch der „empirisch-realistischen Richtung", und zwar der „wissenschaftlichen", vorzüglich der Fritz Schmid tsehen zu. Doch zieht er auch H. Nicklisch und O. Spann in Betracht 120 . (2) E. Schäfer bezieht sich in seinem „Versuch einer Gesamtsystematik der kaufmännischen Betriebswirtschaftslehre" (1932) im Grundaufbau auf H. Nicklisch und gliedert die Unternehmung in: Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung. Durch alle vier Bereiche gehen Betrachtungsaspekte hindurch, und zwar im Sinne von „Aufbau" der Unternehmensfunktionen zum einen, den Tätigkeiten der „Reflexion" und der „Willensbildung4' als Ablauf zum anderen. In „Analogie zum menschlichen Organismus ..." meint er noch eine weitere Aktivität (der Person und zugleich der Unternehmung) anfügen zu können ..." das ... Gefühlsleben der Unternehmung ..." Allerdings: „Trotzdem zögere ich noch, auch dieses Gebiet anzufügen" 121. „Die Betriebswirtschaftslehre hat e s . . . mit dem Bau und Leben der Betriebe und der Betriebsrechnung zu t u n . . , 1 2 2 . " Die Substrukturierung der vier Funktionen (hieraus die „Finanzierung" besonders herausgehoben) vollzieht sich in „... Analogie zum menschlichen Organismus". Dabei wird eben auf Reflexion (Denken), Wille (Durchsetzung der Unternehmensziele) und schließlich auf „Gefühl" Bezug genommen. Schäfer sagt schließlich: „Es könnte auffallen, daß ich in unserer Systematik der Äußerungsweisen der Unternehmung (in die vier Funktionen, J. K.) dem Analogen zum Denken (Reflexion) und jenem zum Wollen (Politik), kein solches zu der dritten Seelentätigkeit des Menschen zum Fühlen vorfindet. I n der Tat bestünde durchaus die Möglichkeit, ein weiteres Gebiet anzufügen, das etwa als .Gefühlsleben' der Unternehmung zu benennen wäre. Dies würde wohl alles das umfassen, was man bislang als Betriebssoziologie, als Personalwirtschaft, neuerdings auch als .Berücksichtigung des menschlichen Faktors' bezeichnet h a t 1 2 3 . " E. Schäfer „zögert" also, mit i h m wohl auch E. Gutenberg - bis zum Jahre 1950 etwa. E. Schäfer n i m m t methodologisch überhaupt eine interessante Stellung ein. So zählt ihn W. Heinrich (abgesehen von der Wiener Schule) zu den „... dem Universalismus nahestehenden Richtungen" 1 2 4 . H 9 Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand), S. 98. 1 2 0 Vgl. Gutenberg, (Unternehmung), S. 47, 70 und 173 ff. 12
1 Schäfer, (Gesamtsystematik), S. 232.
122
Nicklisch, nach Schäfer, (Gesamtsystematik), S. 231.
123
Ebenda, S. 230 ff.
124
Spann, (Wissenschaft), S. 362.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
b) Stichworte zur Sinnentwicklung
467
von 1950 bis zur Gegenwart
Das Werk der historisch-ganzheitlich-normativen Betriebswirtschaftslehre war noch unvollendet: keine Übereinstimmung von „Form" und „Inhalt"; funktionale Einseitigkeit (Organisation, Führung in etwa angedeutet), vielleicht auch das „richtende" Verstehen gegenüber dem „Geschichtsverstehen" etwas überzogen, last not least aber der kairos der Führungslosigkeit unserer Disziplin nach 1945, ließ das Pendel - um mit bekannten Worten zu sprechen - zunächst in Rieh- 1 tung einer Art „neoklassischer" Linie ausschlagen, um dann allerdings doch wieder zurückzuschwingen, um vielleicht posthum weiterzuführen, was NicklischTöndury-Schönpflug nicht mehr möglich war. Gesetzes- und Geschichtsverstehen werden dabei insbesondere zur Einheit gelangen müssen. aa) Die zwei Formen des „Methodenstreits" um 1950 J. Löffelholz erkennt völlig klar, worum es nunmehr geht: Auf der einen Seite um einen kostentheoretischen „Methodenstreit", zum zweiten und noch mehr aber einen Angriff auf jene neue Richtung, welche in der Betriebswirtschaftslehre die „... »naturwissenschaftliche' Methode aufgibt und sich über die Soziologie stärker nach den Geisteswissenschaften ausrichtet 125." 1) Zum „Soziologischen Methodenstreit" (a) Den „Vorkampf" sozusagen für den „Mann, der da kommen sollte", bestritten: Auf der einen Seite E. Schäfer; ihm antworten die „soziologisch-geisteswissenschaftlich" Orientierten: A. Schmitt (neu in der Arena); dann (altbewährt): M. R. Lehmann und G. Fischer 126. Wir müssen uns auf diese Formulierung weniger Grundthesen zur Charakterisierung dieses „Methodenstreits" wie folgt beschränken: 1. Die Einbeziehung des „Sozialen" in die Betriebswirtschaftslehre bedeutet Verwechslung von Fach- und Ausbildungsziel. „Soziologie" ergänzt nur „Betriebswirtschaftslehre" (E. Schäfer). 2. Diese Frage kann nur aus dem System erklärt werden. Während Schäfer nur drei „Scheinwerfer" zur Erhellung der „Betriebswirtschaft" - den finanzwirtschaftlichen sowie die beiden „leistungswirtschaftlichen" der Produktion und des Absatzes fordert - fordert A. Schmitt einen vierten: den „personalwirtschaftlichen". Schmitt
125
Löffelholz, (Vorwort), S. 253. 126 vgl. hiezu: E. Schafer, Über einige (Grundfragen) der Betriebswirtschaftslehre (Z. f. B., Jg. 1950, Heft 9); A. Schmitt, Bedarf es einer besonderen (Soziallehre) innerhalb der Betriebswirtschaftslehre? (Z. f. B., Jg. 1950, Heft 11/12); M. R. Lehmann, Betriebs-Wirtschaftslehre und (Betriebs-Soziallehre) (Z. f. B. 1951); G. Fischer, siehe obigen Aufsatz. I m übrigen vgl. hiezu: J. Kolbinger, Soziale Betriebsführung - Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft, in: Betrieb und Gesellschaft (Soziale Betriebsführung), Berlin 1966, insbes. S. 63 ff. 30*
468
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
spricht zugleich von „Dimensionen", womit i m Grunde ein Rückverweis auf E. Schäfers Ansatz von 1932 möglich gewesen wäre. 3. Schäfer will sich schließlich „... der Initiative jener Betriebswirte..." nicht in den Weg stellen, die die Sozialfragen des Betriebes zu ihrem besonderen Arbeits· und Aufgabengebiet machen wollen" 1 2 7 . 4. M. R. Lehmann wirft das Problem der „Synthese" auf: das kleinere Objekt i m Rahmen des größeren zu sehen. 5. Für G. Fischer gilt: Wird der Betrieb als sozialer Organismus gesehen, dann ergeben sich Wechselwirkungen zwischen Betriebswirtschaftslehre und Soziologie.
(b) Die Argumente „stechen" nicht, und so tritt E. Gutenberg mit seinem Ansatz auf den Plan, den wir - nicht zuletzt wegen der Verbindung seiner ertragsgesetzlichen Abhandlungen, aber auch wegen des gedanklichen Aufbaues überhaupt - mit A. Marshall als „neoklassisch" zu charakterisieren geneigt sind. Und auf die Veröffentlichung der „Produktion" (1951) folgt seine wissenschaftstheoretisch orientierte Festrede zur 600-Jahres-Gründungsfeier der Universität Köln: Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft (22. Mai 1957, erschienen zu Krefeld), in der er sich vorzüglich gegen H. Nicklisch mit zwei Argumenten wendet: 1. Unklarheit des Systemansatzes und dessen Entfaltung 2. Unmöglichkeit aus der „Gruppe" die Probleme der Betriebswirtschaft zu lösen. E r findet also bezüglich H. Nicklisch, es „... sei aus der Anlage seines Werkes ... nicht ersichtlich, welche Ausgangslage er für seine Untersuchungen wählt.. " 1 2 8 . Dann scheint i h m dennoch eine Interpretation dieser vermißten klaren Ausgangslage möglich zu sein: „Man kann ζ. B. einen Betrieb oder ein Unternehmen als eine Gruppe arbeitender Menschen auffassen, die in gemeinsamer Arbeit miteinander verbunden sind. Es müßte nun an sich möglich sein, die Probleme der Betriebswirtschaftslehre von diesem sozialen Phänomen der arbeitenden Gruppe her zu entwickeln und in einen geschlossenen Zusammenhang zu bringen 1 2 9 ." E r bezweifelt die innere Bindung der Gruppe, führt sie nur auf arbeitsorganisatorische Notwendigkeiten zurück und hält vorzüglich der Arbeit den Primat des Kapitals entgegen.
Das Entscheidendste aber ist: Gutenberg hält es für schwierig, „... von der arbeitenden Gruppe her die systematische Einheit zwischen menschlicher Arbeit im Betrieb und den Betriebsmitteln herzustellen" 130. Dies ist zwar das Hauptargument, wohl aber auch das uneinsichtigste, denn diese Einheit wird ja eben von anderen Funktionen hier ganz zu schweigen - nicht zuletzt durch Organisation als Aufgabenordnung sozialer Leistungssysteme und keineswegs durch „Kombination" gestiftet, im Sinn Nicklischs durch „Einung" und „Gliederung". 2) Zum „Kostentheoretischen
Methodenstreit"
Es ist leicht zu ersehen, daß es sich hier nur um eine Parallele zum „soziologischen" Methodenstreit handeln kann, wobei einander eben das Humandenken (K. Mellerowicz) und das Mechanismusdenken (E. Gutenberg) im Sinne unserer anderweitigen detaillierten Ausführungen gegenübertreten. 127 128 129 130
Schüfer, (Betriebswirtschaftslehre), S. HO. Gutenberg, (Wissenschaft), S. 23. Ebenda, S. 22 f. Ebenda, S. 23.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
469
Wie „Mechanismusdenken" und „Sozial· und Humandenken" einander auch und gerade hier entgegentreten, sei an zwei Antithesen pars pro toto wie folgt in Erinnerung gerufen: „Nicht die Frage, in welchem Umfange es den für die Betriebe verantwortlichen Personen gelingt, das Kombinationsproblem zu lösen, sondern die Frage, welche Vorgänge überhaupt den Kombinationsprozeß charakterisieren, ist es, die hier interessiert 131 ." Dem setzt K. Mellerowicz entgegen: Es ist kein Zufall, daß das angeführte Beispiel unterproportionaler Kosten aus der Sphäre der Arbeitskosten entnommen wurde. Das eigentümliche Verhalten der unterproportionalen Kosten entspringt in erster Linie aus den Eigenschaften des arbeitenden Menschen und seinem Willen. Daneben spielen gewisse technische Gegebenheiten nur eine Nebenrolle" 1 3 2 .
Was den „Methodenstreit" in den beiden eben dargestellten Perspektiven überhaupt erst entstehen lassen konnte, läßt sich u. E. cum grano salis auf zwei Momente zurückführen; welche lehrgeschichtlich in allen Hauptstationen mehr oder weniger deutlich hervortreten: 1. Die Frage des „Gesetzesverstehens"; so wenn E. Gutenberg sich auf Rummel bezieht, der erklärt, „... daß jede Kostenrechnung auf der Annahme von Gesetzesmäßigkeiten beruht" 133 . Fragt sich allerdings: Auf Gesetzmäßigkeiten
welcher Art?
2. Die Entgegensetzung E. Schäfers von „Fachziel" und „Ausbildungsziel" konnte überhaupt nur deshalb erfolgen, weil - und zwar selbst Schönpflug nicht ausgenommen - noch immer zwischen „Form" und „Inhalt" unterschieden und damit übersehen wurde, daß Wirtschaft und Gesellschaft ja überhaupt keinen Gegensatz, weil keinen anderen Gegenstand, bedeuten; so wie es etwa Sombart formuliert, daß Wirtschaft Gesellschaft „ist" und O. Spann Wirtschaft von vornherein aus Gesellschaft herleitet: in unserem Sinne eben als deren Leistungsordnung. bb) „Geistige Ganzheiten" in „ordnender" oder „verstehend-ganzheitlicher" Betrachtung als Sinnzeichen der Gegenwart Die Gegenwartstendenz methodologischer Entwicklungen scheint uns zu beinhalten: „Entscheidungstheorie" sowie „Systemtheorie" und „Ganzheitlichverstehender Ansatz" im Bereiche der Erhellung der Leistungsordnung sozialer Leistungssysteme. 1) Stichworte nens
zum „entscheidungstheoretischen"
Vermittlungsversuch
(a) E. Heinen will den „traditionellen " (auch „faktoriellen") Ansatz mit dem „normativ-sozialethischen" (in etwa E. Gutenberg und H. Nicklisch) integrieren. So stellt „... die entscheidungstheoretische Richtung ... einen Systementwurf 131 Gutenberg, (Produktion), S. 287. 132
Mellerowicz,
133
Gutenberg, (Produktion), S. 316.
(Kosten), S. 290 f.
E. Hei
470
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
dar, der bemüht... ist, beide Ansätze in sich aufzunehmen und auf der Grundlage interdisziplinärer Forschung weiterzuentwickeln" 134. I m übrigen gründet sich „... der entscheidungstheoretische Ansatz ... auf die Anschauung von der Betriebswirtschaftslehre als einer Entscheidungslehre und auf die Betrachtung der Betriebswirtschaft als einer Organisation, die man als zielgerichtetes Sozialsystem versteht, das Informationen gewinnt und verarbeitet". „Betriebswirtschaften sind so gesehen Sozialgebilde, die zur Erstellung und Verwertung von Leistungen dienen und zur Erzielung von Einkommen135." Die „Entscheidungstheorie" beinhaltet zwei Komponenten, die sich gegenseitig - „interdisziplinär" - ergänzen sollen. Heinen liefert hiezu u. E. in etwa den eigentlichen „betriebswirtschaftlichen" Teil, zu dem W. Kirsch sozusagen den „Verhaltenstheoretischen Anbau" liefert. In der Nationalökonomie treffen wir in Person von G. Eisermann auf eine ähnliche Konzeption. (Vgl. hiezu J. Kolbinger; Betrieb und Gesellschaft, S. 72 ff.) (b) Stellen wir nunmehr die Komponenten E. Heinens als einer Art „Sachgesetzlichen Entscheidungstheorie" in einem einfachen Schema wie folgt dar: (aa) Theorie der Alternativen (1) Theorie der Betriebsziele und der Zielforschung (ζ. B. Gewinn, Umsatz, Sicherheit usw.) (2) Theorie des Mittelsystems (Theorie der Zielerreichung) (21) Punktionentheorie (210) Funktionensystematik (Funktionenanalyse) (211) Wirkungsprognose der Funktionen (22) Theorie der Leistungsalternativen nach Zielkriterien (bb) Theorie der Entscheidungsratio (1) Motivationale Zielentscheidung (ζ. B. „Normativer Gewinn" - „Kein Kriegsmaterial" usw.) (2) Motivationale Mittelentscheidung (ζ. B. „Werbemethode A", „nicht Werbemethode B")
So bildet „... die Untersuchung und Präzisierung einzelwirtschaftlicher Ziele ... den ersten zentralen Problemkreis ..." Der Problemkreis z w e i . . . „erfaßt die Entscheidungstatbestände wie ... Beschaffen, Fertigen, Absetzen ..." („Systematisierungsaufgabe der Leistungen"). Die Prognose der Effizienz bildet „... Problemkreis d r e i . . , " 1 3 6 . Bis hierher handelt es sich u m „Erklärungsmodelle"; fixiert man die Ziele, so werden daraus „Entscheidungsmodelle". M a n könnte für das Entscheiden, das nunmehr zum Problem wird, mit Simon in einem „Wert-" und ein „Sachentscheiden" gliedern (vgl. ζ. B. hiezu auch M. Webers Begriff „wertrational").
(c) Die „Entscheidungstheorie" verbindet nunmehr in Ansehung der Entscheidungsdeterminanten und der Entscheidungsoperationen in sich zwei Komponenten: die rationale des „homo oeconomicus" mit der „wertrationalen" des (so134
Vgl. Heinen, (Einführung); ders., (Denkansätze).
135
Heinen, (Denkansätze), S. 98.
136
Ebenda, S. 102.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
471
zusagen) „Ganzen Menschen". Operational damit „Mathematik" und „Verhaltensprognose". Sind dem homo oeconomicus in jeder Entscheidungssituation alle Handlungsmöglichkeiten ... zum Zeitpunkt der Entscheidung b e k a n n t . . s o ergibt sich hieraus „... die idealtypische Vorstellung vom wirtschaftenden Unternehmer als einem rational handelnden Menschen . . m i t der Folge „... mathematisch-statistischer Entscheidungslogik . . D i e s e ergänzt sich u m besagtem „Anbau": „Der sozialwissenschaftliche Ansatz analysiert das menschliche Entscheidungsverhalten..." Hier greift man „... auf die betriebswirtschaftlich relevanten Erkenntnisse.sozialwissenschaftlicher Nachbardisziplinen zurück ...", vor allem weil es sich beim Entscheiden u m „... Interaktionsprozesse von Menschen in Gruppen und Organisationen ..." h a n d e l t 1 3 7 .
Dem entspricht Kirsch mit der Bestimmung: „Nicht die Organisationen, sondern die Individuen als Teilnehmer dieser Organisationen entscheiden ..." „Organisationstheoretische Untersuchungen haben daher von den entscheidenden Menschen auszugehen. Die Organisationstheorie und die darauf aufzubauenden angewandten Disziplinen benötigen somit eine wirklichkeitsnahe, deskriptive Theorie des menschlichen Entscheidungsverhaltens, die den sozialen Kontext dieser Entscheidungen systematisch berücksichtigt. Dies ist der Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung, die drei Bände umfaßt 1 3 8 ."
Natürlich wird hier kritisch die Frage gestellt, inwieweit diese „Motivationstheorie" als „betriebswirtschaftlich" gelten kann. Die Antwort Kirschs liegt u. E. im Auswahlprinzip: Die „Nachbardisziplinen" interessieren nur soweit, als sie „betriebswirtschaftlich" relevant sind. Wir würden weitergehen: Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft braucht keinen „Anbau", sondern „ist" auch Motivationstheorie (unbeschadet der universitas literarum aller geistes- insbesondere sozialwissenschaftlichen Disziplinen überhaupt). H. Blohm hebt i m Sinne des Obigen hervor: Das Werk Kirschs sei „... wie der Verfasser selbst feststellt, nur zum kleinsten Teil als eine betriebswirtschaftliche Arbeit zu betrachten". Und er fragt sich, „... ob denn in der Tat erst eine Theorie menschlichen Verhaltens..." notwendig sei, u m „... für betriebswirtschaftliche Zwecke zu wissenschaftlich fundierten Aussagen über Entscheidungsprozesse von Individuen und Gruppen zu gelangen" 139 .
2) Zum „systemtheoretischen" triebswirtschaftslehre
und „ganzheitlich-verstehenden"
Ansatz der Be-
Abgesehen vom Mangel an historischer Anknüpfung, ist die „Systemtheorie" nur in ihrer „ordnenden" Form dem „ganzheitlich-verstehenden" Ansatz gegenüberzustellen, der sich eben spezifisch auf „Wirtschaft und Gesellschaft" als „Geistige Ganzheiten" bezieht und sie nicht naturwissenschaftlich analogisiert, indem er die Grenzen zwischen den „Arten der Ganzheit" ignoriert (bzw. überhaupt nicht kennt oder gelten läßt).
137
Heinen, (Denkansätze), S. 100.
138
Kirsch, (Entscheidungsprozesse I), S. 7.
139
Blohm, (Buchbesprechung), S. 893 ff.
472
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
20) Der „systemtheoretische" Ansatz Wir skizzieren kurz den (ordnenden) allgemeinen „systemtheoretischen" Ansatz, um hernach den betriebswirtschaftlichen Prototyp desselben, als unserem eigentlichen Interesse entsprechend, in Betracht zu ziehen. (a) Stichworte zum allgemeinen Ansatz der „Systemtheorie" Ein „System" besteht aus Elementen (Dingen, Objekten, Sachen, Komponenten, Teilen, Bausteinen, Gliedern) mit Eigenschaften (Attributen), die durch Beziehungen (Zusammenhänge, Koppelungen, Bindungen) verknüpft sind. Entscheidend ist also das „Element" und die „Verknüpfung". „Oftmals wird der Systembegriff mit dem Termini,Ordnung*,,Organisiertheit', »Gestalt' und »Ganzheit' in Verbindung gebracht... Bei engeren Fassungen des Systembegriffes werden u. a. die Art des Elementenzusammenhanges ... oder die Verhaltensformen von Systemen als wesensbestimmende Merkmale hervorgehoben. Enge Fassungen ergeben sich ζ. B. daraus, daß spezielle Beziehungsarten wie »Wechselwirkung* iv. Bertalanffy), »Leistungsaustausch' (Adam) und »Kommunikation' (Wieser) anstelle des allgemeinen Oberbegriffs »Beziehung* verwendet werden 1 4 0 ."
Der Satz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" wird „systemtheoretisch" dahingehend interpretiert; das „Element" bekomme durch die jeweilige „Beziehung" insofern etwas hinzu, als damit „Zusatzeigenschaften" und „Zusatzenergien" entstehen, die in isolierten (vereinzelten) „Elementen" nicht zum Zuge kommen. In der Tat allerdings besitzt ein „Element" für sich überhaupt keine Existenz und auch keine „Eigenschaft", vielmehr besitzt es diese in der jeweiligen Form nach der Ganzheit, in dem es Glied ist. „Die Eigenschaften und Verhaltensweisen und somit auch die Qualität von Systemen werden durch die über die Beziehungen angesprochenen Elementqualitäten begründet Noch nicht genutzte, jedoch vorhandene Eigenschaften eines Elements bzw. eines Systems (als elementaranaloges „Subsystem" eines „Supersystems", J. K.) können über Beziehungen aktiviert werden 1 4 1 ."
Die „Beziehungen" können sogenannte „inaktive" bzw. „ideale" und demgegenüber „aktive" oder „reale" Beziehungen sein: Erstere sind in unserem Sinne im wesentlichen „Beziehungen geistiger Ganzheiten", letztere von „Ganzheiten ferner Ordnung". „Beziehungen können sich durch den Austausch von Energie, Materie und Informationen zwischen Elementen konkretisieren. Diese Größen sollen als Strömungsgrößen bezeichnet werden. Solange die Strömungsgrößen nicht gleich null sind, so liegen keine aktiven Wirkungsbeziehungen vor ... Stehen Elemente in einem System oder Systeme untereinander in Aktion oder Interaktion, also in einem aktiven Wirkzusammenhang, so müssen sie sowohl Inputs als auch Outputs besitzen. Die Inputs und Outputs von Elementen und/oder Systemen sind reale, aktive, natürliche oder künstlich geschaffene Größen. Ist der Input eines Elements gleich dem Output eines anderen Elements, so liegt eine Beziehung zwischen Elementen vor, die entweder einseitig oder wechselseitig wirken k a n n 1 4 2 . "
140
Fuchs, (Systemtheorie), Sp. 1620.
141
Fuchs, (Systemtheorie), S. 1622.
142
Ebenda, Sp. 1621.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
473
Man kann folgende Systematik der „Beziehungsformen" ins Auge fassen: in Realphänomen: Lagebeziehungen (ζ. B. Standort) • Inaktive-
Beziehungen -
in Aussagesystemen: Logische Beziehungen (ζ. B. Satzbau) •Richtungs-_ Einseitig formen Wechselseitig
Aktive (EnergieMaterieInformationsstrom
Zeitformen
Zeitunabhängig Zeitabhängig
^Entstehung Natürliche Künstliche
Die „Systemqualität" (d. i. das aus den jeweils neuen Elemententsprechungen sich ergebende Mehr aus „... noch nicht genutzter, jedoch vorhandener Eigenschaft eines Elements bzw. Systems...", letztlich also bei den „Realbeziehungen" an Energie, Materie, Information) 4'... beruht nach Beer und Wieser weniger auf der Anzahl der strukturbildenden Elemente (Varietät) als auf dem Beziehungsreichtum (Konnektivität) zwischen den Elementen"143. Innerhalb der „Systemtypen" spielen offenbar die „Offenen Systeme" eine besondere Rolle. Systemklassifizierungen erfolgen nach den Merkmalen: Seinsbereich (real-ideal), Entstehung (natürliche/künstliche), Umweltbeziehung (geschlossen/offen), Eigenleben (determiniert/probabilistisch), Komplexität.
„Die Theorie der offenen Systeme wird zur Erklärung von Wachstumsprozessen, Anpassungsvorgängen und teleologischen Verhaltensformen von Systemen herangezogen.. , 144 ", die insbesondere auch in der Betriebswirtschaftslehre Anwendung findet. Grundlegend für das „Offene System" sind die Begriffe „Entropie", „Fließgleichgewicht" und „Regulation": „Entropie" bedeutet die Wirkungsminderung einer Ordnung oder Kraft. „Offene Systeme" müssen daher in der Lage sein, „Strömungsgrößen" ohne Wirkungs- oder Ordnungsminderung aufzunehmen und in „entsprechungsgemäßer" Form wieder abzugeben. H. Nicklisch nannte dies „Das Gesetz der Gestaltung und Erhaltung". „Vielfach wird der Entropiebegriff... mit den Begriffen der Ordnung und der Organisat i o n in Verbindung gebracht (Afanasjew, v. Bertalanffy, Kamaryt). Dabei kennzeichnet eine Entropiezunahme eine Abnahme und eine Entropieabnahme eine Zunahme der Ordnung 1 4 5 ." 143
Ebenda.
144
Fuchs, (Systemtheorie), Sp. 1623.
145
Ebenda, Sp. 1625.
474
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
Das „Offene System" besitzt eine Art „Fließgleichgewicht", um die „Entropie" zu stabilisieren, sich also letztlich zu erhalten. So liegen „... offene Systeme... dann vor, wenn Strömungsgrößen, die freie Energie enthalten, in ein System eingehen, in seinem Innern transformiert werden, u m zusätzliche Arbeit freizusetzen und/oder die innere Struktur konstant zu erhalten, auf- oder abzubauen, und wenn Endprodukte in Form von Strömungsgrößen an die Umwelt abgegeben werd e n " 1 4 6 . M a n wird u. E. - freilich eher „ganzheitlich-verstehend" als „ordnend-systemtheoretisch" betriebswirtschaftlicherseits primär an das „Gleichstromprinzip" von Kosten und Erträgen (statisches „Fließgleichgewicht"), ggf. erhöht u m Gewinne (Wachstum, expansive „Fließgleichgewicht") oder ermäßigt u m Verluste (Entropiezunahme) zu denken haben. Aber erst recht wird es sich u m ein „systemtheoretisch" als „inaktiv" charakterisiertes geistiges Ringen u m die „Erhaltung des Sinnes" handeln können; es kann sich dabei auch u m die Verhinderung einer totalen oder immerhin teilweisen Bedrohung durch Informationsströme von außen handeln, welche der „Regulierung" bedürfen, u m „Sozialentropie" zu vermeiden.
„Entropiestabilisierung" (im Rahmen des „Fließgleichgewichts") erfolgt durch „Regulation", wobei sich die Systeme nach der Fähigkeit zu „primärer" oder bloß „sekundärer" Regulation unterscheiden. „Die Fähigkeit bestimmter Systeme, über die Bandbreite einer vorgegebenen Sollgröße hinauszugehen und durch strukturelle Veränderungen auf Störungen zu reagieren, beruht auf der primären Regulation 1* 1" Andernfalls liegt bloße „sekundäre Regulation" (also ohne „Sollanpassung") vor.
Es will uns scheinen, daß die „ganzheitlich-verstehende" Methode an der „Systemtheorie" wenig zu lernen vermag. Neu ist eher der Name als der Inhalt. Im übrigen ist sie vielleicht der Weg, in der sich die Ganzheitslehre (vorzüglich der Geisteswissenschaften) allmählich auch in den Mechanismuswissenschaften (die „ordnende" Nationalökonomie und Betriebswirtschaftslehre Inbegriffen) ganz im Sinne O. Spanns durchzusetzen beginnt, wenn dieser meint, es könnte die Zeit reif werden, in der der Merismus auch in der Physik durch den Holismus (und damit das „Verstehen") abgelöst wird. Da „Geistige Ganzheiten" keine „Strömungsgrößen", wohl aber „Sinngesetze" kennen, werden natürlich sie die vorzüglichen Objekte des verstehend-ganzheitlichen, nunmehr auch bis zu den „Ganzheiten ferner Ordnung" vordringenden, Ansatzes sein, von dem schon W. Sombart recht verwundert sagte, daß es ihm ein schlechter Scherz zu sein scheine, sie durch das „ordnende" Verfahren ablösen lassen zu wollen. (b) Stichworte zum „systemtheoretischen" Ansatz H. Ulrichs Als Vorwort zu H. Ulrichs „Unternehmen als produktives soziales System" könnte man wohl dessen zeitlich vorangegangene Bestimmung stellen: Betriebswirtschaftslehre ist eine Sozialwissenschaft. „Vom erkenntnistheoretischen Standpunkt aus ist zu sagen: daß die Betriebswirtschaftslehre erst heute beginnt, das zu werden, was sie eigentlich immer hätte sein sollen: eine empirische Sozialwissenschaft 148 ." Ob „empirische" Sozialwissenschaft ist für uns freilich die Frage. 146 147 148
Ebenda, Sp. 1625. Fuchs, (Systemtheorie), Sp. 1627. Ulrich, (Betriebspsychologie), S. 12 f.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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Unter Bezugnahme auf H. J. Flechtner versteht Ulrich „... unter einem System ... eine geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen und hergestellt werden können"149. Ausgehend von diesem Systembegriff (vgl. auch „Teil und Ganzheit") behandelt er allgemeine Systemeigenschaften (Offenheit, Dynamik, Zweck- und Zielorientiertheit, Komplexität, Determiniertheit oder Prohabilitât) und Systemverhalten (Steuerung, Regelung, Anpassung; Information, Kommunikation, Störung).
Man kann seinen „systemtheoretischen" Ansatz u. E. auf folgende einfache Überschau bringen; als Art „Systemtheorie der Unternehmung": (aa) Wesen (1) Die (10) (11)
und Dimensionen der Unternehmung Unternehmung als Ganzheit Die Unternehmung als offenes soziales System Die innere Ordnung der Unternehmung (110) Willensordnung (111) Vollzugsordnung (Organisation) (2) Die Dimensionen der Unternehmung (20) Wesensmäßige Dimensionen (200) Wirtschaftliche („Materielle Transformation") (201) Soziale (202) Kommunikative (21) Die wertmäßige Dimension („Wertkreislauf der Unternehmung") (bb) Funktionale Theorie der Unternehmung (1) Operationale Funktionen (10) Produktentwicklung - Produktion - Absatz (11) Beschaffung und Verwaltung der Betriebsmittel (2) Die (Gesamt-)Führungsfunktion der Unternehmung
Gehen wir von dieser „Systemschau" auf einige wenige Stichworte, die die Überschau inhaltlich beleben könnten, wie folgt ein: - Als „Offenes soziales System" produzieren „... Unternehmungen... output für ihre Umwelt ..." 1 5 0 , wobei sich verschiedene Interessengruppen vereinigen: Besitzer, Fremdkapitalgeber ... überstaatliche Organisationen. - Kraft ihrer (relativen) Autonomie besitzt die Unternehmung Eigenleben und damit eine Willensordnung (Entscheidungen über das Zielsystem der Unternehmung). Die Vollzugsordnung heißt „Unternehmensorganisation" und dient der „... raionellen Erreichung der jeweiligen Unternehmensziele.. " 1 5 1 . - „Materielle Transformation" bedeutet, „... daß die Unternehmung... Betriebsmittel ... als,Input' aufnimmt und bestimmte Güter als Output abgibt"152. Es sind die Eigenheiten des Menschen, womit „... die Unternehmung eine zusätzliche Dimension erhält, die sie zum sozialen System macht" 153 . Im weiteren
149
Ulrich, (System), S. 105.
15
0 Ulrich, (System), S. 183. 15 0 Ebenda, S. 212. 151
Ebenda, S. 227.
153
Ulrich, (System), S. 247.
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IV. Abschnitt Einführung in die Dogmengeschichte
gilt, daß ein zielorientiertes Handeln eines realen Systems ohne Kommunikation zwischen seinen Elementen nicht denkbar ist" 154 . - „Wir können in der materiellen Dimension das Unternehmungsgeschehen in seiner physikalischen Erscheinung erfassen und gestalten; um seinen Sinn für Menschen verstehen und beurteilen zu können, bedarf es des Überganges auf die wertmäßige Dimension der Betrachtung 155." - Ulrich räumt „den Funktionsbereichslehren im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre einen zentralen Platz ein.. " 1 5 6 . Im Grunde kommt er folgenden Funktionen im Sinne unserer Systematik nahe: Gestaltbildung (Führung, Organisation; Beschaffung/Absatz); Hervorbringung (Produktentwicklung, Produktion). Gerade hier liegen natürlich - vergleichsweise - auch viele unentfaltete Hauptgebiete einer „Betriebswirtschaftslehre als (empirische) Sozialwissenschaft". 21) Stichworte zum ganzheitlichen Verfahren und der Entfaltung der „Ganzheitlich-verstehenden" Betriebswirtschaftslehre Auch der eigene Ansatz hat seine Geschichte, seinen Werdegang aus seinen Grundlagen und seinen Einordnungen in übergreifende Zusammenhänge. (a) Verfahrensmäßig (wissenschaftstheoretisch) handelt es sich um einen Aufbau aus ganzheitlicher Kategorienlehre und ganzheitlicher Logik: (aa) Alle Objekte werden nach „Art der Ganzheit" behandelt, wobei nur die „Geistigen Ganzheiten" voll intelligibel, also „verstehbar", biotische Ganzheiten einem „Nahverstehen" und „Ganzheiten ferner Ordnung" nur mehr einem „Fernverstehen" (an äußeren Indices) zugänglich sind. Damit ergibt sich die Einheit der Verfahren (ganzheitlich), zum anderen ihre innere Besonderung (verstehend - nahverstehend - fernverstehend). Das „ordnende" Verfahren (W. Sombart) ist daher zwar auch auf geistige Ganzheiten anwendbar, doch wegen seiner Verstehenseinschränkung ein inadäquates Verfahren. Verfahrensweise und Objekteigenheit bedürfen der Entsprechung. Die Einheit der Verfahren zeigt sich ζ. B. im Verhältnis „Systemtheorie" - „Ganzheitslehre", wobei der Verstehensfortschritt in Richtung der letzteren gelegen ist (wie die Anwendung der „Systemtheorie" in den Naturwissenschaften gegenüber einem bloßen Merismus beweist). (bb) Für alle Arten der Ganzheit sind in unterschiedlicher Weise die folgenden „Wesensgesetze" wie die „Regeln des Geschichtsgeschehens" verstehbar (intelligibel, unmittelbar einsichtig, Wahrheiten a priori/vérités de raison): (1) Von „Wesensgesetzen" (W. Sombart) sprechen wir in Ansehung derjenigen ganzheitlichen Kategorien, welche von der Zeit und damit der „Umgliederung" abstrahieren, nämlich: !54 Ebenda, S. 257. 155
Ebenda, S. 269.
156
Ebenda, S. 297.
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwcklungsverlauf
477
(10) Die (Aus-)Gliederung der Ganzheit nach verstehbaren (intelligiblen) Teilinhalten. (11) Die Stufe der Teilinhalte und des Eigenlebens (vita propria) als ebenbildliche Wiederkehr der Ganzheit in all ihren Subganzheiten in zunehmender Besonderung („Stufenwert"). (12) Die Gliederung aller Teilinhalte und Stufen nach der Wesensnähe zum Ganzen (bzw. zur jeweils über-, unter- oder nebengeordneten Ganzheit), damit (120) nach dem Rang, (121) nach der Vollkommenheit (13) Die durchgehende „Gesetzmäßigkeit der Entsprechung" als allgemeinstes Gliederungsprinzip jeder Ganzheit und der damit verbundenen Bindung jedes besonderten Gliedes an die Besonderungsweise des Gegengliedes i m Ganzen.
(2) Für das „Geschichtsverstehen" gelten die „Gesetze der Entfaltung" und das „Eigenleben" als Moment der „Freiheit" im Werden des Ganzen in der Zeit (und zwar jeweils besondert nach der Art der Ganzheit). (20) die ebenbildliche Darstellung des Ganzen erfolgt in einem sinnhaften Hintereinander (Zeit als Sinnfolge), und zwar: (200) als bestimmte Zeitbereiche der Besonderung der Teilinhalte und des Eigenlebens einer bestimmten Gamheit (z. B. Zeugung - Geburt - Jugend - Reife - Alter einer biotischen Ganzheit; i m Rahmen geistiger Ganzheiten gewisse ebenbildliche Erscheinungen: Eingebung/Einfall usw.), (201) als bestimmte Zeitbereiche von Gattungen von Ganzheiten (z. B. i m biotischen Bereich von Tiergattungen, i m geistigen Bereich z. B. „Wirtschaftsstufen"). (21) Die Besonderung in der Zeit erfolgt i m Zusammenwirken von Gesetzmäßigkeit und Freiheit: (210) Weil in der Sinnfolge der Entfaltung nur an einer bestimmten Zeitstelle etwas Entsprechungsgemäßes (kairos) geschehen kann, ist die Entfaltung in der Zeit (insofern) gesetzesgebunden. (211) Weil - und insoweit - das Glied Eigenleben (vita propria: ζ. Β. als Erkenntniskraft, als Fähigkeit zum Handeln), hat, erfolgt an der Zeitstelle immer (nur) das, was kraft des Eigen- . lebens geschieht: Insoferne ist „Geschichtsverstehen" ein „Motivationsverstehen" und damit ein Verstehen des Geschehens in Freiheit (nach Art der Ganzheit).
(cc) Insoferne wir die „Soziale Leistungsordnung" ausschließlich als „Geistige Ganzheit" in Betracht ziehen, ergeben sich in Übereinstimmung mit den kategorialen „Wesensgesetzen" und der zeitlichen Entfaltung folgende Ordnungsmomente: (I) Die zeitabstrakte „wesensgesetzliche Ordnung" stellt sich als Inhalt einer „Ganzheitlichen Betriebswirtschaftslehre" in folgenden Grundlehren dar: (10) Die allgemeine teilinhaltliche Ordnung stellt sich in der anderweitig abgeleiteten Unterscheidung der folgenden Bereiche dar: (100) Gestaltbildende Funktionen (101) Hervorbringende Funktionen. Prinzipiell gilt: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre ist morphologische Funktionenlehre (wobei die Hervorbringungsbereiche nur Besonderungen bedeuten). ( I I ) Diese morphologische Funktionenlehre beinhaltet auch eine Lehre vom Stufenbau, womit sich die Lehre von der Besonderung des Eigenlebens wie der Teilinhalte in Form
478
IV. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte
ebenbildlicher Gliederung von Ganzheiten in Subganzheiten nach „Stufenwerten" im Sinne eines Besonderungsvollzuges darstellt. (12) Entscheidend ist in weiterer Folge die Gliederung der Leistungen nach ihrem formalen Wesensmaß, eben der „Sinngeltung" als: (120) Leistungsvollkommenheit (121) Leistungsrang Beide Wesentlichkeitskriterien bilden den Geltungsgrößenansatz in seiner verstehbaren (intelligiblen) Dimension.
(2) Für das „Geschichtsverstehen" können wir gerade hier auf die „Gesetze der Entfaltung" wie den Moment des „Eigenlebens" (Freiheit) wie folgt verweisen: (20) Soziale Leistungssysteme unterliegen dem Wandel in Form „verstehbarer" Reifestufen: (200) Als Einzelgebilde unterliegt es individuellen Reifestufen, ζ. B. i m Assoziierungsgeschehen der Gründung - Prolongation - Substitution - Transformation (Jugendform und Altform der Assoziierung; vgl. Oppenheimer) (201) I m Gattungszusammenhang geht es u m die Geltungserhaltung und den Geltungswandel bestimmter Gebildeformen, insbesondere den „personalen" und den „instrumentalen". (21) Beim Moment des Eigenlebens, also dem der „Freiheit" als Moment der Geschichtswerdung sozialer Leistungsgebilde und -gesamtsysteme handelt es sich ebenso u m das Auftreten bestimmter Persönlichkeiten wie das Ergreifen oder Nichtergreifen von Transformationsaufgaben nach den Momenten der Epochenfolge: ζ. B. Entscheidung für Atomenergie und Massenerzeugung oder Energiesparen und „qualitativem" Reichtum.
(3) Im Bereiche des „Gesetzesverstehens" ist der Tatbestand der „Gezweiung höherer Ordnung" vorzüglich mit folgenden Momenten in Rücksicht zu nehmen: (30) Primär gilt die Tatsache, daß Gesetze des biotischen Bereiches wie von „Ganzheiten ferner Ordnung" nur nach Maßgabe von „Sinngesetzen" in geistige Ganzheiten Eingang finden, also ζ. B. i m „Betrieb" Geltung erlangen können (zum einen in Ansehung der Zielsetzung, zum anderen der Mittelzulassung i m Sozialen Leistungssystem). (31) Entscheidend ist in weiterer Folge die Frage der Entsprechung zwischen den Trägern geistiger Leistungen und ihren biotischen oder mechanischen Hilfs-Mitteln. Schon in der alltäglichen Unterscheidung von „Mittel" und „Hilfs-Mittel" ist eine Rangfolge enthalten. (32) Für die Bestimmung von Geltungsgrößen ist maßgeblich, daß die äußeren Bestimmungsmerkmale dem Bereiche der Mengen entnommen sind, wobei erst die sinngebenden Kriterien (Vollkommenheit, Rang) ihre Geltung i. e. S. bestimmen. Menge als solche ist „sinnungerichtet" und kann erst mit Sinngrößen zusammen eine Geltungsmodifikation, niemals eine Geltung an sich bewirken.
(4) Greifen wir im außergeistigen Bereich noch den Moment der Zeit heraus, so gilt für sie als „Gezweiungsmoment höherer Ordnung": (40) Die Zeitfolge ist eine Sinnfolge; die ihr entsprechende ordinale Zahl ist das Hauptausdrucksmittel für rangmäßige und vollkommenheitsmäßige Sinnfolgen und damit in Zusammenhang mit „Zeit-Menge" der Grundindikator für die Konkretisierung von Geltungsgrößen. (41) I m biotischen Bereiche gewinnt die Zeit die gleiche Bedeutung, die sie i m geistigen Bereiche hat, sie ist ein Moment der „Wuchsgesetzlichkeit".
Vorlesung Nr. 10: Einführung in den Entwicklungsverlauf
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„Ganzheitslehre" unterscheidet sich von „Systemtheorie" - abgesehen vom Entwicklungsmoment der beiden Lehren - vorzüglich durch die klare und deutliche Trennung der Arten der Ganzheit wie zugleich ihre Einheitsstiftung als „Gezweiung höherer Ordnung" unter dem Prinzip des Vorranges geistiger vor allen übrigen Arten von Ganzheiten. Sie wird dadurch nie zur „Maschinentheorie". Das „Verstehen" erhält in ihr die kategoriale wie logische Fundierung und ist daher insoferne eine Fortentwicklung des Verstehensansatzes Sombart-Weber sowie der ihnen folgenden und unserem Ansätze damit nahestehenden Theoretiker. (b) Das äußere Schicksal unserer „Betriebswirtschaftslehre als Sozial Wissenschaft" sei schließlich noch an folgenden Zeitereignissen sichtbar gemacht: 1956: Der Betrieb als eine Stufe in der Gesellschaft, in: Zeitschrift: Mensch und Arbeit, 6. Jg., S. 226 ff.; 1957: Bauplan sozialer Betriebsführung (Stuttgart) 1960: Soziale Betriebsführung (Idee und Systematik), in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft (Bd. Iii/Stuttgart). 1961: Das betriebliche Personalwesen (Stuttgart) 1963: Grundfragen einer ganzheitlichen Betriebswirtschaftslehre (Festschrift für Walter Heinrich - Ein Beitrag zur Ganzheitsforschung, Graz) 1966: Soziale Betriebsführung - Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft (in: Betrieb und Gesellschaft - Soziale Betriebsführung, Berlin) 1969: Natur- und humanwissenschaftliche Betriebsführung (in: Verantwortliche Betriebsführung, G. Fischer zum 70. Geburtstag, hrsgg. von E. Gaugier; Stuttgart) 1972: Das betriebliche Personalwesen (2. Auflage, Stuttgart) 1972: Othmar Spann und die moderne Betriebswirtschaftslehre (Walter Heinrich zum 70. Geburtstag, in: Zeitschrift für Ganzheitsforschung, Wien, Heft III). 1976: Werdegang und Grundstruktur einer Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft (Eröffnungsvortrag auf der wissenschaftlichen Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. 8.-12. Juni 1976 zu Linz, veröff. Stuttgart 1977).
Das „Institut für Soziale Betriebsführung" war die Pflegestätte einer „Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft" seit der Gründung der heutigen Universität im Jahre 1965, nachdem der Verfasser von der Wirtschaftshochschule Mannheim, wo er bereits seine Grundgedanken mit Hörern und Mitarbeitern zu entfalten vermochte, an diese berufen worden war. Sein persönliches Schicksal ist so auf das engste mit dem seiner eben genannten Idee verbunden. Geschichtliche „Pendelschläge" werden daran nichts ändern. Zwei Jahrzehnte Lebensarbeit mögen mit dieser Schrift einen vorläufigen Abschluß finden. Freunden danken wir für Hilfe und Bemühen, Gegner bitten wir nicht um Nachsicht, wohl aber um „Verstehen".
480
V. Abschnitt: Einführung in die Dogmengeschichte Literaturhinweise z u m Studium
Seyffert, (Entwicklung); Schönpflug, (Erkenntnisgegenstand); Heinen, (Denkansätze); Kirsch, (Entscheidungsprozesse I), Fuchs, (Systemtheorie); Kolbinger, (Betriebsführung); ders., (Werdegang); Löffelholz, (Repetitorium); Bellinger, (Geschichte).
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