Betriebswirtschaftslehre der Nachhaltigen Unternehmung 9783486700435

Fragen des Umweltschutzes im Unternehmen haben durch die sich in den letzten Jahren stark verdichtende CO2-Problematik (

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German Pages [620] Year 2010

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Betriebswirtschaftslehre der Nachhaltigen Unternehmung
 9783486700435

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Lehr- und Handbücher

zur

Ökologischen Untemehmensfuhrung und Umweltökonomie

Herausgegeben von Dr. Carlo Burschel Bisher erschienene Werke: Schulz Burschel Weigert Liedtke Bohnet-Joschko Kreeb Losen Geßner Diffenhard Maniura, Lexikon Nachhaltiges

Wirtschaften Baum Coenenberg Günther, Betriebliche Umweltökonomie in Fällen, Band I: Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente Baum Coenenberg Günther, Betriebliche Umweltökonomie in Fällen, Band LT: Umweltmanagement und ökologieorientierte Instrumente Birke Burschel Schwarz, Handbuch Umweltschutz und Organisation

Bringezu, Umweltpolitik

Burschel Losen Wiendl, Betriebswirtschaftslehre der

Jens, Krcmar

u.a.,

Lange

Nachhaltigen Unternehmung

Ökologieorientierte Wirtschaftspolitik

Informationssysteme für das Umweltmanagement Ahsen Daldrup, Umweltschutz-Reporting

von

Lemke Wackerbauer, Handbuch der Umweltschutzwirtschaft

Pfaffenberger Strebet, Ökonomische Energienutzung Pfander, Ökologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme im Unternehmen Schwaderlapp, Umweltmanagementsysteme in der Praxis Steger, Handbuch des integrierten Umweltmanagements Strebet Schwarz, Kreislauforientierte

Untemehmenskooperationen

Betriebswirtschaftslehre der Nachhaltigen

Unternehmung Von

Dr. Carlo Burschel Dipl -Kfm. Dirk Losen Dipl.-Vw Andreas Wiendl

R.Oldenbourg Verlag München Wien

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2004 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0

www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad ISBN 3-486-20033-X

Langensalza

Vorwort Das vorliegende Lehrbuch fasst die Entwicklungen im betrieblichen Umweltschutz der letzten 20 Jahre zusammen und bietet einen strukturierten Überblick der in diesem Zusammenhang diskutierten Konzepte und Instrumente. Die Umsetzung des globalen Leitbildes „Nachhaltige Entwicklung" erfordert Regularien und Konzepte des Nachhaltigen Wirtschaftens, in denen die Nachhaltige Unternehmung ökologisch und ökonomisch effizient agieren kann. Dabei ist die Vorstellung von einer Nachhaltigen Unternehmung noch relativ neu, so dass dieses Lehrbuch als Ausgangspunkt für vertiefende Diskussionen den „Wurzeln" eines solchen Unternehmenskonzeptes besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Besonderer Wert wurde hierbei auf die ökonomischen Hintergründe der Nachhaltigen Unternehmung gelegt, wie etwa durch die Darstellung der historischen Entwicklungen und der theoretischen Ansätze der Umweltökonomie. Des Weiteren stützt sich das Lehrbuch auf ein „3-Räume-Konzept", dass die Darstellung der komplexen Umwelt der Nachhaltigen Unternehmung aus didaktischer Perspektive strukturiert. Die folgende Abbildung gibt die Struktur des Lehrbuches nach Kapiteln gegliedert wieder (für eine kapitelweise Nutzung des Textes).

Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung (ökologische, ökonomische, soziale Diagnosen)

Der

_Kapitel 2_—

Nachhaltige Unternehmung

Umweltcontrolling (umweltorientiertes Informationsmanagement)

Öko-Pionier

ISO 14000 ff.

Instrumente

rechtlich konforme

Unternehmung

umwelt-

kriminelle

Unternehmung

Kapitel 8

Beschaffung, Produktion, Absatz, Personal,

Rechnungswesen

Kapitel 9

Der

J Regelungsraum| der Nachhaltigen Unternehmung I

EMAS

Funktionsbezogene (umweit-)

Kapitel 7

Kapitel 3

Berichtswesen Stakeholder-Kommunikation Kapitel 10

3=

Nachhaltigen Unternehmung (Umweltrecht) Kapitel 4

Der Rechtsraum der

_

Das Lehrbuch wurde von meinem wiss. Mitarbeiterteam des „Forums für Nachhaltigkeit" am dknw der Privaten Universität Witten/Herdecke gGmbH erarbeitet und richtet sich an Wissenschaft und Unternehmenspraxis gleichermaßen.

Prof. Dr. Werner F. Schulz Direktor des dknw an der UWH

Inhaltsverzeichnis

Einführung Teil I 1

Das Leitbild 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7

2

Grundlagen der Nachhaltigen Unternehmung

Der 2.1

Nachhaltige Entwicklung .15 Definitionen der „Nachhaltigen Entwicklung".15 Entwicklungsskizze des Leitbildes.18

Der Brundtland-Bericht.20 Die Konferenz von Rio de Janeiro und die Agenda 21.22 Die Enquete-Kommission.25

Managementregeln.31 Johannesburg.37

Der Weltgipfel in

Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung.45 Ökologische Entwicklungslinien.45 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4

2.2 2.3 2.4

Ökonomische Entwicklungslinien.49 Soziale Entwicklungslinien.53

Nachhaltigkeitsindikatoren und Umweltökonomische Gesamtrechnung.59 2.4.1 2.4.2 2.4.3

3

Der 3.1

3.2

Flächenverbrauch.45 Klimawandel.46 Abbau der Ozonschicht.48 Abnehmende Biodiversität.48

Umweltindikatorensysteme.61 Gesamtrechnungssysteme.65 Integrationsansätze.68

Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

77

Staatliche Akteure.77 3.1.1 Internationale Institutionen.78 3.1.1.1 Vereinte Nationen.78 3.1.1.2 Europäische Union.79 3.1.2 Nationale Akteure.81 Nicht-staatliche Akteure.85 3.2.1 Umweltorientierte Unternehmensverbände.88 3.2.1.1 B.A.U.M. e.V. und INEM.89 3.2.1.2 Förderkreis Umwelt Future e.V.92 3.2.1.3 UnternehmensGrün.94 3.2.1.4 Modell Hohenlohe e.V.96 3.2.2 Deutscher Naturschutz Ring (DNR).99 3.2.3 Parteien .100 3.2.4 BDI und DGB.104

8

Inhalt

4

Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung.111 4.1 Entwicklung des Umweltrechts.113 4.2 Systematisierung des Umweltrechts.120 4.3 Öffentliches Umweltrecht.121 4.3.1 Prinzipien des Umweltrechts.122 4.3.2 Instrumente des Umweltrechts.123 4.3.3

4.4 4.5 4.6

Ausgewählte Gebiete des öffentlichen Umweltrechts.129 4.3.3.1 Bundesimmissionsschutzgesetz.129 4.3.3.2 Wasserhaushaltsgesetz/Abwasserabgabengesetz.132 4.3.3.3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz.133 4.3.3.4 Bundes-Bodenschutzgesetz.134 Umweltstrafrecht.135 Umweltprivatrecht.135 Europäisches Umweltrecht.136 4.6.1 4.6.2

4.7

5

Primäres Gemeinschaftsrecht.137 Sekundäres Gemeinschaftsrecht.138 4.6.2.1 Verordnungen.138 4.6.2.2 Richtlinien.139 4.6.2.3 Umweltaktionsprogramme.139

Umweltvölkerrecht.140

Umweltökonomische Grundlagen der Nachhaltigen

Unternehmung.143 5.1

Volkswirtschaftliche Umweltökonomie.144 5.1.1 Historische Wurzeln des umweltökonomischen Denkens.144 5.1.1.1 Antike.145 5.1.1.2 Mittelalter.147 5.1.1.3 Merkantilismus und Physiokratie.150 5.1.1.4 Industrialisierung.154 5.1.1.5 Wissenschaftliche Konzepte.156 5.1.1.6 Gesellschaftliche Konzepte.170 5.1.2 Theoretische Ansätze der volkswirtschaftlichen Umweltökonomie.172 5.1.2.1 Neoklassische Ökonomie.172 5.1.2.2 Evolutorische Ökonomie.179 5.1.2.3 Ökologische Ökonomie.181 5.1.2.4 Neue Institutionenökonomik.182 5.1.2.4.1 Die „alte" Institutionenökonomik.183 5.1.2.4.2 Property-Rights-Theorie.185 5.1.2.4.3 Prinzipal-Agent-Theorie.186 5.1.2.4.4 Transaktionskostentheorie.189

5.2

Betriebswirtschaftliche Umweltökonomie.194 5.2.1 Begriffsbestimmung der betrieblichen Umweltökonomie.198 5.2.2 Die Öffnung der Betriebswirtschaftslehre.202 5.2.3 Begründung einer betriebswirtschaftlichen Umweltökonomie.205 5.2.4

5.2.3.1 Anwendungsorientierte Perspektive.205 5.2.3.2 Wissenschaftstheoretische Perspektive.207 Umweltmanagement in der Betriebswirtschaftslehre.208 5.2.4.1 Einbezug ökologischer Aspekte in die betriebliche

Funktionenlehre.209

9

Inhalt

5.2.4.1.1 Produktion und Logistik.210 5.2.4.1.2 Informations- und Rechnungswesen.213 5.2.4.1.3 Marketing.215 5.2.4.1.4 Organisation und Personalwesen.217 5.2.4.2 Betriebswirtschaftliche Ansätze der Umweltökonomie.219 5.2.4.2.1 Umwelt als Produktionsfaktor.219 5.2.4.2.2 Umweltschutz als betriebswirtschaftliches Ziel.222 5.2.4.2.3 Umweltschutz als ethischer Anspruch.224 5.2.4.2.4 Umweltschutz als gesellschaftlicher Anspruch.228 5.2.4.2.5 Umweltschutz als Wettbewerbsfaktor.231 5.2.4.2.6 Systemtheoretischer Ansatz des Umweltschutzes 235 5.2.4.2.7 Entscheidungsorientierter Ansatz des Umweltschutzes .237 5.2.4.2.8 Sozial-ökologischer Ansatz im Umweltschutz.240 ....

Teil II Die Nachhaltige

Unternehmung: Instrumente und

Konzepte 6

Nachhaltiges Wirtschaften: vom Leitbild zur Umsetzung.257

6.1 6.2 6.3

7

Leitbildwechsel: Vom Industrialismus zum Nachhaltigen Wirtschaften.257 Operationalisierungsproblematik des Leitbildes Nachhaltige Entwicklung.260 Nachhaltiges Wirtschaften und Nachhaltige Unternehmung.263 6.3.1 Prinzipien Nachhaltigen Wirtschaftens.264 6.3.1.1 Verantwortungsprinzip.265 6.3.1.2 Kooperationsprinzip.265 6.3.1.3 Kreislaufprinzip.266 6.3.1.4 Prinzip der Funktions- und Nutzenorientierung.266 6.3.2 Prinzipien einer Nachhaltigen Unternehmung.266 6.3.2.1 Leistungsprinzip.267 6.3.2.2 Vorsichtsprinzip.267 6.3.2.3 Vermeidungsprinzip.267 6.3.2.4 Dialogprinzip.267 6.3.2.5 Entwicklungsprinzip.268 6.3.2.6 Konformitätsprinzip.268 6.3.2.7 Verantwortungsprinzip.268

Integrative Instrumente der Nachhaltigen Unternehmung.271 7.1

7.2

Umweltmanagementsysteme.272 7.1.1 EMAS-Verordnung I und II.272

7.1.2 ISO 14001 .285 7.1.3 EMAS vs. ISO 14001 .290 7.1.4 Kosten und Nutzen von Umweltmanagementsystemen.297 7.1.5 Bewertung von Umweltmanagementsystemen.308 Wertschaffendes Umweltmanagement.309 7.2.1 Nachhaltige Shareholder Value.311

10

Inhalt

7.2.2

Einfluss von Umweltschutzmaßnahmen auf die Werttreiber des

Unternehmenswertes.313 7.2.2.1 7.2.2.2 7.2.2.3

7.3

Operatives Management.315

Investitionen.316 Finanzierung.317 7.2.3 Bewertung des wertschaffenden Umweltmanagements.318 Sustainability Balanced Scorecard.319 7.3.1 Balanced Scorecard als Managementkonzept.321 7.3.2

Balanced Scorecard als Instrument.323 7.3.2.1 Finanzperspektive.326 7.3.2.2 Interne Geschäftsprozessperspektive.327 7.3.2.3 Kundenperspektive.328 7.3.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive.330 7.3.3 Sustainability Balanced Scorecard.331 7.3.3.1 Nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien.332 7.3.3.2 Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Balanced Scorecard.334 7.3.3.2.1 Finanzperspektive.335 7.3.3.2.2 Interne Geschäftsprozessperspektive.336 7.3.3.2.3 Kundenperspektive.337 7.3.3.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive.337 7.3.3.2.5 Gesellschaftsperspektive.338 7.3.3.3 Integrationsvarianten.340 7.3.4 Bewertung der Sustainability Balanced Scorecard.

8

Strategisches und operatives Controlling der Nachhaltigen Unternehmung .349 8.1 Grundlagen.349 8.1.1 8.1.2

Begriffe des Umweltcontrollings.349 Aufgaben und Funktionen des Umweltcontrollings.350 8.1.2.1 8.1.2.2 8.1.2.3 8.1.2.4

8.1.3

Informationsfunktion.351 Planungsfunktion.352 Steuemngsfunktion.353 Kontrollfunktion.353 Entwicklungslinien des Umweltcontrollings.353 8.1.3.1 8.1.3.2 8.1.3.3

8.1.4

8.2

Ökonomisch orientierte Ansätze.354

Ökologisch orientierte Ansätze.355 Ökonomisch-ökologisch orientierte Ansätze.355

Konzepte des Umweltcontrollings.355 Instrumente des strategischen Umweltcontrollings.358 8.2.1 Ökologieorientierte Chancen- und Gefahrenanalyse.360 8.2.2

Ökologische Frühaufklärung.363 8.2.2.1 Szenario-Technik.364 8.2.2.3 8.2.2.4

8.2.3

8.2.4

Cross-Impact-Analyse.365 Diffusionskurve.366

Ökologieorientierte Portfolioanalyse.368 Risikomanagement.371

Inhalt

8.3

Instrumente des operativen Umweltcontrollings.373 8.3.1 ABC-Bewertung.373 8.3.2 Umweltverträglichkeitsprüfung.376 8.3.3 Umweltchecklisten.377 8.3.4 Ökologische Buchhaltung.377 8.3.5 Umweltkennzahlen.379

8.3.6 8.3.7 8.3.8

9

1 I

Ökobilanzierung.381

Produktfolgenabschätzung.385 Produktlinienanalyse.386

Die Funktionsbereiche als

Ausgangsphasen der Nachhaltigen Unternehmung.389

9.1

Beschaffung.389 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5

9.2

Produktion.408 9.2.1 9.2.2 9.2.3

9.3

Ökologieorientierte Materialwirtschaft.389 Ökologieorientierte Materialbedarfsermittlung.396 Ökologieorientierte Materialbeschaffung.397 Ökologieorientiertes Lager- und Transportwesen.404 Ökologieorientierte Materialsteuerung.407 Erweiterte Produktionstheorie.408

Recycling.413 Stoffstrommanagement.427 Absatz.434 9.3.1 Verhaltenstheoretische Grundlagen des Käuferverhaltens.434 9.3.1.1 Forschungsansätze des Käuferverhaltens.434

9.3.2

9.3.1.2 Determinanten des Käuferverhaltens.437 9.3.1.3 Entscheidungsträger des Kaufes.438 9.3.1.4 Typisierung von Kaufentscheidungen.438

Ökologisches Marketing.439 Ökologische Produktpolitik.440

9.3.2.1 9.3.2.2

9.4

Nachhaltiges Designmanagement.443 9.3.2.2.1 Designprozess in der Praxis.445 9.3.2.2.2 Nachhaltiges Design/DIN-Leitfaden.447 9.3.2.2.3 Die Wahrnehmung des Konsumenten.448 9.3.2.2.4 Prinzipien Nachhaltigen Designs.450 9.3.2.5.5 Zur Tradition des Nachhaltigen Designs.451 9.3.2.3 Preispolitik.453 9.3.2.4 Distributionspolitik.456 9.3.2.5 Kommunikationspolitik.458 Umweltkostenrechnung/Umweltkostenmanagement.462 9.4.1 Grundlagen der Kostenrechnung.462 9.4.1.1 Kostenbegriff.463 9.4.1.2 Kostenartenrechnung.464 9.4.1.3 Kostenstellenrechnung.465 9.4.1.4 Kostenträgerrechnung.466 9.4.2 Kostenrechnungssysteme.467 9.4.2.1 Differenzierung nach dem Zeitbezug.467 9.4.2.2 Differenzierung nach dem Sachbezug.468 9.4.3 Umweltkostenrechnung.471

12

Inhalt

9.4.4

9.4.3.1 Umweltkostenbegriff.472 9.4.3.2 Ablauf der Umweltkostertrechnung.472 9.4.3.2.1 Umweltkostenrechnung auf Vollkostenbasis.474 9.4.3.2.2 Umweltkostenrechnung auf Teilkostenbasis.475 9.4.3.3 Bewertung der Umweltkostenrechnung.476

Prozessorientiertes Umweltkostenmanagement.477

9.4.4.1 Instrumente.481 9.4.4.1.1 Umweltorientierte Prozesskostenrechnung.481 9.4.4.1.2 Flusskostenrechnung.482 9.4.4.1.3 Reststoffkostenrechnung.487 9.4.4.2 Bewertung des prozessorientierten Umweltkosten-

managements .492

9.4.5

Umweltkostenmanagement zum Einbezug externer Kosten.492 9.4.5.1

Instrumente.494

9.4.5.1.1 Full Cost Accounting.495 9.4.5.1.2 Costs of Environmental Effects.497 9.4.5.1.3 Vermiedene externe Umweltkosten.499 9.4.5.1.4 Integrative Umweltkostenrechnung.504 9.4.5.2 Bewertung des Umweltkostenmanagements zum Einbezug externer

9.5

Kosten.507

Personal/Organisation.510 9.5.1 Umweltorientierte Organisationsstrukturen.510 9.5.2 Ökologische Organisationsentwicklung.516 9.5.3 Umweltschutz durch organisationales Lernen.519 9.5.4 Umweltorientierte Personalplanung und -beschaffung.524 9.5.5 Umweltorientierte Personalentwicklung.528 8.5.6 Partizipation im betrieblichen Umweltschutz: das novellierte BetrVG 72. 532 8.5.6.1 Umweltschutzrelevante Neuerung im Betriebs-

verfassungsgesetz .533 Weg zur einer nachhaltigen Betriebsverfassung?.535

9.5.6.2 Auf dem

10

Nachhaltigkeitsberichterstattung.545

10.1 Klassische unternehmerische Berichterstattungsinstrumente.545 10.2 Geschäftsberichterstattung...547 10.3 Sozialberichterstattung.548 10.4 Umweltberichterstattung.550 10.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung.555 10.5.1 Gründe für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung.556 10.5.2 Vorarbeiten der Nachhaltigkeitsberichterstattung.558 10.5.3 Grundsätze einer guten Berichterstattung.561 10.5.3.1 Kommunikationsgrundsätze.561 10.5.3.2 Strukturelle Anforderungen.562 10.5.4 Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der Global Reporting Initiative (GRI).564 10.6 Beitrag der Nachhaltigkeitsberichterstattung für ein Nachhaltiges

Wirtschaften.569

Inhalt

11 Zur Zukunft der 11.1 11.2

13

Nachhaltigen Unternehmung.575

Herausforderungen an das Umweltrecht im Kontext einer Nachhaltigen Entwicklung.579 Implementierungsebenen der Nachhaltigen Unternehmung.581 11.2.1 Stellhebel für eine Nachhaltige Unternehmung.583 11.2.1.1 Kultur.584 11.2.1.2 Strategie.586 11.2.1.3 Struktur.589 11.2.1.4 Informationssysteme.591

11.2.2

Konzeptionelle Ansätze.591

11.2.2.1 COSY.592 11.2.2.2 PROSA.593

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

1

Das Leitbild

1.1

Definitionen der „Nachhaltigen

Entwicklung

15

Nachhaltige Entwicklung Entwicklung"

Bis dato gibt es nicht „die" Definition1 des Leitbildes Nachhaltige Entwicklung, sondern eine Vielzahl von Definitionen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Die Abwesenheit einer „allgemeingültigen" Definition, mit exakt umrissenen Merkmalsausprägungen einer Nachhaltigen Entwicklung wird vordergründig als Operationalisierungsbarriere apostrophiert, ist aber als Ergebnis eines politischen Prozesses2 einzustufen, der einen weitreichenden Konsens (unterschiedlicher Interessen und Einstellungen) zum Ziel hatte und hat. Erschwerend kommt hinzu, dass sich kein einheitlicher Sprachgebrauch durchgesetzt hat. Es werden synonym die Bezeichnungen „sustainable development" oder ihre deutschen Übersetzungsversuche einer „dauerhaften", „langfristig-tragfähigen", zukunftsbeständigen" oder auch „zukunftsfähigen" Entwicklung verwendet. Dies

einen damit zusammen, dass „nachhaltig" teilweise mit „ökologisch" oder „umweltfreundlich" gleichgesetzt wird oder „Wachstum" und „Dauerhaftigkeit" ohne Berücksichtigung der Aspekte von sozialer Gerechtigkeit als Nachhaltige Entwicklung bezeichnet werden. Zum anderen sind als Gründe, dass sich in der einschlägigen Literatur über sechzig3 unterschiedliche Definitionen finden lassen, anzuführen: •

• • •

hängt

zum

Unterschiede in Perspektive und Problemverständnis bezüglich der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, Unterschiede in Werten und Interessen der jeweils beteiligten Akteure, Unterschiede bezüglich der räumlichen und zeitlichen Betrachtung, Unterschiede bezüglich der Frage, ob Nachhaltigkeit als moral-ethischer Appell, Planungsgrundlage oder Teil des politikberatenden Bereichs verstanden wird4.

nachfolgende Tabelle 1 vermittelt eine Übersicht über die Spannbreite bzgl. lungen darüber, was Nachhaltige Entwicklung sein sollte.

Die

Tabelle 1:

der Vorstel-

Definitionen des Leitbildes Nachhaltige Entwicklung

Organisation/Autor

Definition

Brundtland-Kommission

Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs".

Nachhaltige Entwicklung

"Nachhaltige Entwicklung" ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfhisse nicht mehr befriedigen können". Definitionen besitzen selbst keinen empirischen Informationsgehalt. Sie stellen lediglich einen Konsens über den Bedeutungsinhalt dar, der mit bereits eingeführten „Zeichen" beschrieben wird (definiendum/deftniens). Dieser kann aber mehr oder weniger präzise bzw. exakt sein. Wenn auch mit erheblichem Anteil an wissenschaftlicher Politikberatung. Vgl. Kastenholz, H./Erdmann, K.-H./Wolff, M.: Perspektiven einer Nachhaltigen Entwicklung, S. 1. Vgl. Internationale Agentur für Nachhaltige Projekte: Nachhaltige Entwicklung, S. 1.

16

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

Organisation/Autor

Definition Nachhaltige Entwicklung

United Nations World Commission on Environment and Development

"Sustainable

IUCN

"Sustainable

development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs". means

use is applicable only to renewable resources: it using them as rates within their capacity for renewal".

K.H. Robert, The Natural Step

"A transition to sustainability involves moving from linear to cyclical processes and technologies. The only process we can rely on indefinitely are cyclical, all linear processes must eventually come to an end".

President's Council on Sustainable Development

"We believe a sustainable USA will have an economy that equitably provides for satisfying livelihoods and a safe, healthy, high quality life for current and future generations. Our Nation will protect its environment, its natural resource base, and the functions and viability of natural systems on which all life depends". "Eine Entwicklung, die dazu geeignet ist, eine dauerhafte Befriedi-

Allen

gung menschlicher Bedürfhisse und Verbesserung der menschlichen Lebensqualität zu verwirklichen".

Goodland und Leddec

"Ein Modell für soziale und strukturökonomische Umgestaltung, welche die ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteile der jetzt lebenden Menschen optimiert, ohne das wahrscheinliche Potential für ähnliche Vorteile in der Zukunft zu gefährden".

Rees 1989

"Ein positiver sozioökonomischer Wandel, der die ökologischen und sozialen Systeme nicht schwächt, von denen die Gesellschaft und ihre Teilgruppen abhängig sind".

Akademie für Technikfol-

"Eine nachhaltige, auf Dauer angelegte wirtschaftliche und soziale Entwicklung bedeutet, dass die natürliche Umwelt und der damit verbundene Kapitalstock an natürlichen Ressourcen so weit erhalten werden muss, dass die Lebensqualität zukünftiger Generationen

genabschätzung

gewährleistet bleibt". Thomas

Jefferson, 1789

"Then I say the earth belongs to each generation during ist fully and in its own right, no generation can contract debts greater than may be paid during the course of its own existence", of .

course,

.

.

physical, cultural, and, perhaps, spiritual characteristics, inspire people to care for their community. Theses are the places where sustainability has the best chance of taking hold". Beth E. Lachman, Critical "The focus and scale of sustainability efforts depend on local conTechnologies Institute ditions, including resources, politics, individual actions, and the unique features of the community. The sustainable communities approach has been applied to issues as varied as urban sprawl, inner-city and brownfield redevelopment, economic development and growth, ecosystem management, agriculture, biodiversity, green buildings, energy conservation, watershed management, and pollution prevention. Many of these issues and other community problems cannot easily be addressed by traditional approaches or traditional elements within our society. Many people feel it is better to

Kapitel

Organisation/Autor

1: Das Leitbild Nachhaltige

Definition

Entwicklung

17

Nachhaltige Entwicklung

address such

problems through

collaborative and holistic are diffuse, multidiscimultistakeholder and multisector in nature". a more

systems approach because such problems

Richard Risemberg, "A

Paradigm for Sustainability

plinary, multiagency, "A sustainable community is one whose energy economy does not use more energy in a given time than falls on its hinterlands as sunlight in that time, and in which the material economy is circular rather than linear".

International Institute for Sustainable Development, in conjunction with Deloitte & Touche

"For the business enterprise, sustainable development means adopting business strategies and activities that meet the needs of the enterprise and its stakeholders today while protecting, sustaining, and enhancing the human and natural resources that will be needed in the future."

Presidents Council on Sustainable Development

"Here sustainable development means a program of domestic economic and political reform that... yields "broad-based economic progress accomplished in a manner that protects and restores the quality of the natural environment, improves the quality of life for individuals and broadens the prospects for future generations.' It means, in other words, maintaining economic growth while producing the absolute minimum of pollution, repairing the environmental damages of the past, using far fewer non-renewable resources, producing much less waste, and extending the opportunity to live in a pleasant and healthy environment to the whole population."

Quelle:

Internationale Agentur für Nachhaltige Projekte:

Nachhaltige Entwicklung, S. 1 f.,

URL, http://www.econtur.de/sd/sddefinition.htm, Stand: 19.08.00. Trotz dieser

Bedeutungsvielfalt hat sich ein „Kern" herausbilden können, der einen relativ breit akzeptierten Minimalkonsens quer durch alle Wissenschaften und Interessengruppen darüber darstellt, was mit Nachhaltiger Entwicklung gemeint sein soll: die inter- und intragenerative Gerechtigkeit globaler Ressourcenteilhabe. Der Begriff der „Nachhaltigkeit" geht dabei auf ein Konzept der Forstwirtschaft aus dem 19. Jahrhundert zurück. So bedeutete Nachhaltigkeit in diesem Kontext, dass eine Bewirtschaftung des Waldes nur dann nachhaltig sei, wenn nur soviel Holz eingeschlagen wird, wie wieder nachwachsen kann, um damit auch nachfolgenden Generationen eine Lebensgrundlage zu

erhalten.5

Dieses

ursprünglich forstwirtschaftliche Verständnis von Nachhaltigkeit findet heute seine Erweiterung auf der gesellschaftlichen Ebene, in der durch die Definition von politischrechtlichen Rahmenregelungen die Lebensqualität für alle heutigen und künftigen Generationen global gesichert werden soll. „Eine Nachhaltige Entwicklung strebt neben der internationalen Gerechtigkeit für heutige und künftige Generationen hohe ökologische, ökonomische und sozialVgl. Schröder, W.: Nachhaltigkeit aus ökologischer Sicht, 2002, S. 22.

18

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

kulturelle Standards in den Grenzen der Tragfähigkeit des Umweltraumes an. Dabei kommt der ökologischen Dimension und damit auch der Umweltpolitik eine Schlüsseholle zu, denn die natürlichen Lebensgrundlagen begrenzen die Umsetzungsmöglichkeiten anderer Ziele (Umwelt als limitierender Faktor). So ist die Erhaltung der Ozonschicht als Voraussetzung des Lebens nicht verhandelbar".6 -

1.2

-

Entwicklungsskizze des Leitbildes

Konzept der Nachhaltigen Entwicklung ist das Ergebnis eines langjährigen Diskussionsprozesses um Umwelt und Entwicklung. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die industrialisierten Länder des Nordens erstmals mit Umweltkatastrophen (Wintersmog in Metropolen, Ölpest durch Tankerunfälle7 etc.) konfrontiert und dies löste eine erhöhte Aufmerksamkeit der zugrunde liegenden Problematik aus. Das

Besonders beeinflusst wurde die Diskussion um einen internationalen Umweltschutz von der Club of Rome in Auftrag gegebenen Studie „Die Grenzen des Wachstums", die einen ökologischen Kollaps innerhalb von weniger als 100 Jahren voraussagte. Diese Prognose beruhte auf der Annahme einer steigenden Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Verknappung der natürlichen Ressourcen und rapider Zunahme der vom

Weltbevölkerung.8

Diese Studie bewirkte in entscheidender Weise, dass in der Folge intensiver über die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Produktions- und Lebensstilen, Wirtschaftswachstum und Verfügbarkeit bzw. Erschöpfbarkeit von Ressourcen nachgedacht und diskutiert wurde. Auch die Erhöhung verschiedener Umweltbelastungen, etwa in Form von Luftschadstoffemissionen oder im Bereich der Gewässerverschmutzung, trug dazu bei, dass nun Umweltaspekten national wie international größeres Gewicht beigemessen wurde.9

Gegensatz zu der eher optimistischen Sichtweise des Brundtland-Berichtes (s. Abschnitt 1.3) beschwor der Club of Rome danach das Ende des wirtschaftlichen Wachstums, u.a. bedingt durch die Übernutzung der Umweltmedien und dem vermeintlich nahenden Ende der Verfügbarkeit notwendiger, aber erschöpfbarer natürlicher Rohstoffvorkommen10. Im

Den vorläufigen Höhepunkt eines gemeinsamen internationalen Vorgehens zum Schutz der Umwelt stellte zu diesem Zeitpunkt die erste weltweite Umweltkonferenz, die Stockholmer Konferenz für menschliche Umwelt 1972 der UNO („Umweltschutzkonferenz 1972"), dar. Auf Vorschlag der Stockholmer Konferenz wurde im gleichen Jahr durch die UNVollversammlung das UN-Umweltprogramm (UNEP U.N. Environment Programme) ge=

gründet."

Rogall, FL: Akteure der nachhaltigen Entwicklung, 2003, S. 26. Vgl. Altmann, J.: Umweltpolitik, 1997, S. 62. Vgl. Meadows, D.: Die Grenzen des Wachstums. Ein Bericht des heit, 1972.

Club of Rome

zur

Lage

der Mensch-

Vgl. Kopfmüller, J.: et. al: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet: Konstitutive Elemente, Regeln, Indikatoren (Global zukunftsfähige Entwicklung Perspektiven für Deutschland; 1), 2001, S. 22. Schulz, W.F./Burschel, C./Weigert, M. et. al. (Hrsg.): Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften, 2001, S. 378. Vgl. Burschel, C. et al.: Vom Badischen Forstgesetz bis zum Gipfel von Johannesburg, 2003, S. 62. -

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

19

In der Folgezeit wurden unterschiedliche Konzeptvorschläge in die seit den 50er Jahren sehr kontrovers geführte internationale entwicklungspolitische Diskussion gebracht, die allerdings kaum politisch umgesetzt wurden. Die im Anschluss an die Stockholm-Konferenz 1973 entworfene Entwicklungsstrategie prägte den Begriff des „Eco-Development". Wesentliche Elemente dieses Ansatzes sind: • •

• • •

die Befriedigung der Grundbedürfhisse mit Hilfe der eigenen Ressourcenbasis, die vorausschauende Solidarität mit zukünftigen Generationen, Maßnahmen zur Ressourcen- und Umweltschonung, die Partizipation der Betroffenen sowie begleitende und unterstützende Erziehungs- und Bildungsprogramme.12

Allerdings wurde der „Eco-Development"-Ansatz, der die Komponenten Grundbedürfhisbefriedigung, Umweltschutz und Partizipation zu vereinbaren versuchte, nicht zuletzt deswegen heftig kritisiert, weil dort auch Macht- und Verteilungsfragen auf internationaler wie nationaler Ebene zumindest implizit angesprochen wurden. Weitere Akzente in der Debatte setzten ebenfalls die „Erklärung von Cocoyok", das Abschlussdokument einer 1974 von UNEP und UNCTAD veranstalteten Konferenz im mexikanischen Cocoyok, und der DagHammerskjöld-Report von 1975. Neben dem Missstand der „Unterentwicklung" wurde auch der der „Überentwicklung", (bezogen auf die verschwenderischen Lebensstile der Industriestaaten) thematisiert.13 Benennung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen kritischen ökologischen Wirkungen, spezifischen Interessenlagen und sozialen Ungleichgewichten formulierten internationale Wissenschaftler eine Absage an den Stockholmer Kompromiss. Der unter dem Eindruck des Ölpreisschocks Anfang der siebziger Jahre verfasste BarilocheReport14 „Grenzen des Elends" bezog eine klare Gegenposition zum Club of Rome: Nicht das Mit der nunmehr klaren

ökonomische Wachstum, sondern der maßlose Konsum der Industrieländer führe an die skizzierten Grenzen. Die Industrienationen sollen vielmehr diesen Konsum einschränken und den Entwicklungsländern ausreichende Ressourcen und Finanzmittel zur Verfugung stellen. Wirtschaftliches Wachstum führe demnach nicht zwangsläufig zu steigender Umweltverschmutzung, denn dieses Problem sei technisch kontrollierbar. Da der technologische Fortschritt schneller erfolge als das Konsumwachstum, müssen die Entwicklungskonzeptionen auf die Technologieoptionen setzen: Entscheidend zur Lösung der entwicklungspolitischen wie ökologischen Probleme gelte es somit, einen umfassenden Technologietransfer von Nord nach Süd sicherzustellen.15 Seit den 80er Jahren richtet sich das Augenmerk auch weniger auf die Knappheit der verschiedenen Ressourcen, als vielmehr auf die Beeinträchtigung der Aufnahme- und Verarbeitungskapazitäten der Ökosysteme, beispielsweise durch Schadstoffemissionen. Insbesondere die Tatsache, dass sich die Problematik anthropogener Klimaveränderungen und deren Fol-

Vgl. Bom,

M.: Ein Leitbild und wie

es zur

Welt kam. Geschichte der

Nachhaltigen Entwicklung, 2002,

S. 31.

Vgl. Kopfmüller, J. et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, 2001, S.22. Benannt nach der gleichnamigen Stiftung in Argentinien. Vgl. Bom, M.: Ein Leitbild und wie es zur Welt kam, 2002, S. 32f.

20

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

gewirkungen für ökologische wie sozioökonomische Systeme zu einem bis heute herausragenden Thema entwickelt hat, ist ein Indiz für diese sich wandelnde Sichtweise. Der „BrandtReport" von 1980 und der darauffolgende „Palme-Report" von 1983, welche beide die Ergebnisse der Arbeiten der sogenannten „Nord-Süd-Kommission" sind, zählen zu den ersten internationalen Dokumenten, die diese globale Perspektive der Entwicklungsthematik ausführlicher behandelten und auf die internationale politische Agenda brachten.16 1.3

Der Brundtland-Bericht

Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission17) hat im Jahre 1987 ein erstes, weltweit beachtetes Konzept für eine Nachhaltige Entwicklung mit dem sog. Brundtland-Bericht vorgelegt und leistete damit den wesentlichen Anstoß zur Problematisierung der politischen Aspekte der Nachhaltigen Entwicklung und den wichtigsten Beitrag zur Verbreitung des Leitbildes. Dem Brundtland-Bericht liegen zwei zentrale Thesen zugrunde: 1.

2.

„Die globale Umweltkrise ist Realität und Bedrohung für die gesamte Menschheit, Verhaltensänderungen sind unabdingbar, Gründe für die Umweltkrise sind Armut, wachstumsbedingter Ressourcenverbrauch und die Wirtschaftskrise im Süden. Es ist möglich, eine Zukunft mit größerer wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit für alle zu erreichen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der natürlichen ökologischen Grenzen. Probleme der Armut und der Umwelt- und Ressourcenzerstörung lassen sich gleichzeitig lösen. Dafür ist Wachstum erforderlich, das aber eine andere Qualität haben muss."18

Der Brundlandt-Bericht

postuliert damit einen globalen Ansatz für Entwicklungsländer und Industrienationen gleichermaßen: „Dauerhafte Entwicklung ist die Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können"19. Damit ist nicht nur bezüglich der räumlichen Ausdehnung (Entwicklungs- und Industrieländer), sondern auch in Hinsicht auf die inhaltliche Diskussion eine neue Breite und Tiefe erzielt worden20, denn wie die nachstehende Abbildung 1 verdeutlicht, werden hierbei ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen als eine Einheit angesehen, die eine umweltgerechte Koordination der ökonomischen Prozesse ebenso einschließt, wie entsprechende soziale Angleichprozesse zwischen einzelnen Gesellschaftsgruppen und Volkswirtschaften.

Vgl. Kopfmüller, J.: et. al: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, 2001, S.23f. Benannt nach der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Brundtland, der die 1983 von der UN-Generalversammlung eingesetzte Sonderkommission „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung" leitete. Born, M.: Ein Leitbild und wie es zur Welt kam, 2002, S. 32. Internationale Agentur für Nachhaltige Projekte: Nachhaltige Entwicklung. 2000, S. 1. Vgl. Hörrig, J./Schäffler, H. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung. Transdisziplinäre Aspekte Entwicklungskonzeptes, 1996, S. 9f.

eines

neuen

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

21

Leitbild Nachhaltige Entwicklung

Abbildung 1:

Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

Ökonomische Aspekte

Soziale

Aspekte

Ökologische Aspekte

Vornholz, G.: Die neue Sicht der Nachhaltigkeit und die neoklassische Ressourcen- und Umweltökonomie, 1997, S. 25.

Quelle:

Der Brundlandt-Bericht und der folgende Diskurs um die Operationalisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes bildeten die wesentliche Basis für die UNCED-Konferenz in Rio 1992. Die Befunde wachsender globaler Probleme mit teilweise irreversiblen Folgen und zunehmender globaler Verflechtungen waren Ausgangspunkt und Grundlage für die als „Erdgipfel" apostrophierte bis dato größte multilaterale Konferenz. Mit den dort getroffenen Vereinbarungen wurden erstmalig für die internationale Staatengemeinschaft allgemeine zumindest politisch verbindliche Normen für die globale Entwicklung festgelegt. -

-

-

-

Die Brundtland-Kommission diagnostiziert aber keinesfalls das Ende des wirtschaftlichen Wachstums. Die Kommission kommt nämlich zu der Schlussfolgerung, dass die Probleme von Armut und Unterentwicklung nur in einer Wachstumsphase gelöst werden können. In dieser spielen die Entwicklungsländer eine entscheidende Rolle und müssen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung Erfolge erzielen21.

Damit treten auch zwei zentrale Prämissen des Leitbildes deutlich hervor, die nicht zuletzt für seinen Erfolg in den „umweltpolitischen Etagen" von heute verantwortlich sind: Nachhaltige Entwicklung ist kein „"Zäsur-Paradigma", sondern setzt auf einen fortschreitenden (wenn auch „gebändigten") Modernisierungsprozess der Industriegesellschaft. Grundlegende Mechanismen, wie bspw. „der Markt" werden nicht in Frage gestellt, sondern lediglich auf ein komplexeres, globales Zielbündel ausgerichtet. Auf der Akteurebene bedeutet Nachhaltige Entwicklung die Abkehr von der ausschließlich hoheitsstaatlichen Umweltpolitik und betont Schulz, W.F./ Burschel, C.l Weigert, M.

et

al.

(Hrsg.): 2001, S. 374ff.

22

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

stattdessen die

umweltpolitische Verantwortung aller gesellschaftlich relevanten Akteure (z.B. Unternehmen, NGO's, Haushalte) und Kräfte.22 Als Kernelemente des Leitbildes der Nachhaltigkeit lassen sich aus ökonomischer Perspektive drei Prinzipien hervorheben. Hierbei handelt es sich um23 • •



das Kreislaufprinzip, das Verantwortungsprinzip und das Kooperationsprinzip.

Der Brundtlandreport Janeiro (1992). 1.4

gilt wie gesagt als zentraler Wegbereiter des Umweltgipfels in Rio

Die Konferenz von Rio de Janeiro und die

de

Agenda 21

1992 unterzeichneten 178 Staaten auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro das Abschlussdokument (Agenda 21) und gingen damit die Verpflichtung ein, eine Nachhaltige Entwicklung in ihren jeweiligen Ländern einzuleiten und zu unterstützen.24 In der sog. Rio-Deklaration haben die unterzeichnenden Staaten zum Ausdruck gebracht, die Ressourcen der Erde künftig so zu nutzen, dass alle Länder der Erde gerechte Entwicklungschancen erhalten und dabei die Entfaltungschancen zukünftiger Generationen nicht geschmälert werden. Außerdem geht es in dem Rio-Dokument über die reine Zielformulierung hinaus auch um den Prozess der Zielrealisierung und um damit zusammenhängende Anforderungen an die Handelnden („Operationalisierung") in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Die daraus auch hervorgehende Lokale Agenda 21 berücksichtigt, dass viele globale Probleihre Ursachen auf lokaler Ebene haben25. Hierzu zählen neben dem Konsum- bzw. Lebensstil des Einzelnen auch die Siedlungsstrukturen insbesondere in Form der Flächenbebauung.26 Entsprechend des Ortes ihrer Entstehung sollten diese Probleme auch primär dort, das heißt auf lokaler Ebene, gelöst werden.27 Deshalb wurde den Kommunen in Kapitel 28 der Agenda 21 einen besonderer Stellenwert im Prozess der nachhaltigen Entwicklung eingeme

räumt:

„Da viele der in der Agenda 21 angesprochenen Probleme und Lösungen auf Aktivitäten der örtlichen Ebene zurückzuführen sind, ist die Beteiligung und Mitwirkung der Kommunen ein entscheidender Faktor bei der Verwirklichung der in der Agenda enthaltenen Ziele. Kommunen errichten, verwalten und unterhalten die wirtschaftliche, soziale und ökologische Infrastruktur, überwachen den Planungsablauf, entscheiden über kommunale Umweltvorschriften und wirken außerdem an der Umsetzung der nationalen und regionalen Umweltpolitik mit. Als Politikund Verwaltungsebene, die den Bürgern am nächsten ist, spielen sie eine entVgl. Burschel, C. et al.: Vom Badischen Forstgesetz bis zum Gipfel von Johannesburg, 2003, S. 62. Vgl. Meffert, H. (Hrsg.), Marktorientierte Untemehmensführung im Wandel, 1999, S. 313f. Vgl. Dangschat, J. S.: Sustainable City Nachhaltige Zukunft für Stadtgesellschaften ?, 1997, S. 169. Burschel, C./Wiendl, A.: Aktuelles Stichwort: Hochwasserschutz durch nachhaltige Flächenpolitik, 2002, -

S. 74f.

Wiendl, A.: Nachhaltigkeit: Alte Flächen neu nutzen!, 2002, S. 4f. Vgl. Burschel; C. et al.: Vom Badischen Forstgesetz bis zum Gipfel von Johannesburg, 2003, S. 63.

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

23

scheidende Rolle bei der foformierung und Mobilisierung der Öffentlichkeit und ihrer Sensibilisierung für eine nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung."28 Die

Agenda 21 (Tagesordnung für das 21. Jahrhundert) stellt 40 Kapitel umfassendes Aktionsprogramm für Ziele, Maßnahmen und Instrumente zur Umsetzung des Leitbildes dar, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung für Industrie- und Entwicklungsländer. Der bereits eingeführte Begriff „Sustainable Development" bzw. „Nachhaltige Entwicklung" berücksichtigt in einer umfassenderen Sichtweise die Integration ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit, wie sie im Aktionsprogramm der Agenda 21, welches auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 verabschiedet wurde, erstmals politisch verbindlich formuliert worden ist: •



Ökologische Nachhaltigkeit:

Das Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit ist die Erdes haltung ökologischen Systems als anthropogene Lebensgrundlage. Es dient darüber hinaus auch als Aufhahmemedium anthropogener Emissionen und als Quelle natürlicher Ressourcen, die dem Menschen direkt oder indirekt Nutzen stiften.

Ökonomische Nachhaltigkeit: Das Ziel der ökonomischen Nachhaltigkeit ist dementsprechend die Erhaltung des ökonomischen Kapitalstocks. In diesem Zusammenhang wird deshalb regelmäßig die Einkommenskonzeption des britischen Ökonomen J. R. Hicks herangezogen. Für das jeweilige Individuum ist das Einkommen genau die Summe, die maximal konsumiert werden kann, ohne den zukünftigen realen Konsum zu schmälern. In der Übertragung auf den gesellschaftlichen Kontext wird als Einkommen nur das bezeichnet, was von einer Gesellschaft in einer Periode konsumiert werden kann, ohne dass ihre Vermögensposition verschlechtert wird.



Soziale Nachhaltigkeit: Zusätzlich zu der ökologischen und der ökonomischen Nachhaltigkeit existiert die Forderung nach einer sozialen Nachhaltigkeit und damit nach dem Erhalt des „sozialen Kapitals". Allerdings sind die Vorstellungen von dem, was unter sozialem Kapital zu verstehen ist, häufig sehr vage. Die Frage ist, in wie weit Entwicklungen in den Bereichen der Ökologie und der Ökonomie das soziale Gefüge einer Gesellschaft verändern. Zum anderen betrifft dies Fragen nach den Normen einer Gesellschaft wie zum Beispiel der Chancengleichheit.29.

Im Teil III der Agenda 21 wird im Kapitel 40, „Informationen für die Entscheidungsfindung", die Entwicklung von (neuen) Nachhaltigkeitsindikatoren gefordert (Vgl. Kapitel 2), da allgemein gebräuchliche Indikatoren, wie das Bruttosozialprodukt aber auch Stoffstromoder Sozialbilanzen, nicht die für das Ziel der Nachhaltigen Entwicklung notwendige Datenbasis liefern. Es fehle insbesondere an adäquaten Methoden, um die Wechselwirkungen zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Parametern abzubilden, anstatt wie bisher, bevorzugt einen der Parameter zu optimieren, und die beiden anderen diesen Bedingungen

(BSP)30,

Umweltpolitik, 2003, S. 5. Schulz, W.F./Burschel, C./Weigert, M. et al. (Hrsg.): Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften, 2001, S. 374ff. Das BSP macht auch keinen Unterschied zwischen positiven Leistungen (z.B. Umsatz beim Hausbau) UBA:

negativ zu bewertenden (defensiven) Leistungen wie Umsatz bei Verkehrsunfällen oder Hochwasserschadensreparatur. Vgl. Huber, J.: Nachhaltige Entwicklung. Strategien für eine ökologische und soziale Erdpolitik, 1995, S. 24. und

Kapitel

24

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

anzupassen. Genau dies ist jedoch der Kernpunkt der Nachhaltigkeit: gleichzeitig („synchron") die Ziele des Umweltschutzes (Schutz der Ökosphäre), der ökonomischen Beständigkeit (stabile wirtschaftliche Entwicklung) und der sozialen Gerechtigkeit (gerechte Verteilung der Lebenschancen) anzustreben.31 In diesem Zusammenhang wird von der Agenda 21 die Rolle der Wissenschaft im Kontext einer Nachhaltigen Entwicklung betont: „Die Erkennmisse der Wissenschaft sollen durch wissenschaftliche Untersuchung der gegenwärtigen Bedingungen und Zukunftsaussichten des Systems Erde zur Artikulierung und Unterstützung der Ziele einer Nachhaltigen Entwicklung herangezogen werden. Diese Untersuchungen, die auf der Grundlage bereits vorhandener und im Entstehen begriffener Innovationen im Bereich der Wissenschaft basieren, sollen bei der Entscheidungsfindung und in den interaktiven Prozessen zwischen Wissenschaft und Politikgestaltung zum Einsatz kommen. Mehr wissenschaftlich fundiertes Wissen ist erforderlich, um da Verständnis für die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu vertiefen und diese Wechselwirkungen zu unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es außerdem eines Ausbaus der wissenschaftlichen Kapazitäten und des wissenschaftlichen Potentials, insbesondere in den Entwicklungsländern. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die volle Beteiligung von Wissenschaftlern aus den Entwicklungsländern an internationalen wissenschaftlichen Forschungsprogrammen, die sich mit globalen Umwelt- und Entwicklungsfragen befassen, um allen Ländern die Möglichkeit zu geben, gleichberechtigt an Verhandlungen über globale Umwelt- und Entwicklungsfragen teilzunehmen."32

Umsetzung der Lokalen Agenda 21 in deutschen Kommunen hat „die Bundesregierung am 17.04.2002 eine nationale Strategie für eine Nachhaltige Entwicklung als deutschen Beitrag zum Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung im August/September 2002 in Johannesburg beschlossen. Die Ziele und Indikatoren sind Bausteine eines Managementkonzeptes und dienen als Orientierungswerte für politische und gesellschaftliche Akteure. Zentrales Kapitel der Strategie ist das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung. Die Strategie umfasst darüber hinaus mehrere prioritäre Handlungsfelder, für die Grundsätze einer Nachhaltigen Entwicklung konkretisiert werden. Die Erarbeitung der Strategie beruht auf einem breit angelegten Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und den gesellschaftlichen Gruppen sowie direkten Konsultationen auch mit den Kommunen. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie ist von wesentlicher Bedeutung, dass immer mehr Kommunen ihre Aktivitäten und Politiken anhand der Nachhaltigkeitsprinzipien überprüfen und Aktionspläne für lokale Nachhaltigkeit aufstellen."33 Hinsichtlich der

Hierzu will „die Bundesregierung für Deutschland aufbauend auf den bisherigen Leistungen in Bund, Ländern und Kommunen in sieben Handlungsbereichen konkret umsetzen: 1.

Energie effizient nutzen Klima wirksam schützen Drehbuch für eine zukunftsfähige Energiepolitik -

2.

Mobilität sichern Umwelt schonen Fahrplan für neue Wege -

31 32 33

Vgl. Dangschat, J. S.: Sustainable City, 1997, S. 170. BMU: Umweltpolitik Agenda 21, 2003, S. 253. BMU: Umweltpolitik Lokale Agenda 21, 2003, S. 6.

Kapitel 3.

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

25

Gesund produzieren gesund ernähren Verbraucher als Motor für Strukturwandel Demographischen Wandel gestalten Neuer Übergang in den dritten Lebensabschnitt Alte Strukturen verändern neue Ideen entwickeln Bildungsoffensive und Hochschulreform Innovative Unternehmen erfolgreiche Wirtschaft Innovation als Motor der Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit als Motor für Innovation Flächeninanspruchnahme vermindern -

4. 5.

-

6.

-

7.

Nachhaltige Siedlungsentwicklung fördern."34

Bei der Umsetzung der Lokalen Agenda 21 spielen in den Augen der Bundesregierung die Unternehmen eine zentrale Rolle: „Die Beteiligung der Unternehmen gewährleistet, dass zentrale Fragestellungen in Lokalen Agenda 21-Prozessen und einer auf Zukunftsbeständigkeit ausgerichteten Kommunalpolitik beachtet werden: ökologische und soziale Aspekte in Produktion und Handel sowie Schaffen und Gestalten von Arbeitsplätzen. Die ganze Bandbreite unternehmerischer Aktivitäten im formellen wie informellen Sektor, vom Global Player bis zu kleinen und mittleren Unternehmen mit lokaler Orientierung, hat Aspekte, die die Lebensqualität der Menschen heute und in der Zukunft berühren. Die Agenda 21 widmet der Beteiligung der Wirtschaft aus diesen Gründen eigens das Kapitel 30."35

1.5

Die

Enquete-Kommission Die 1992 gegründete Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft" des Deutschen Bundestages hat Vorschläge für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung zu unterbreiten: -

„In der 12. Wahlperiode beantragte die SPD-Bundestagsfraktion die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt Bewertungskriterien und Perspektifür

umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft" (BT-Drucksache 12/1290). Auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nahm der Deutsche Bundestag in seiner 77. Sitzung am 14. Februar 1992 den entsprechend geänderten Antrag an. Der Einsetzungsbeschluss formuliert den Auftrag der Enquete-Kommission u.a. wie folgt (BT-Drucksache 12/1951): ven



-

Bestandsaufnahme der wichtigsten Problemkreise der industriellen Stoffwirtschaft einschließlich ihrer historischen Entwicklungszusammenhänge und Erarbeitung von Lö-

sungsansätzen; •



Entwicklung wissenschaftlich begründeter und gesellschaftlich konsensfähiger Bewertungskriterien für vergleichende Ökobilanzen; Bewertung von Anwendungsfeldern, größeren Stoffgruppen und Endprodukten sowohl aus der Perspektive der erzeugenden und der verarbeitenden Wirtschaft, wie auch aus der Perspektive der Endverbraucher; BMU: BMU:

Umweltpolitik Lokale Agenda 21, 2003, S.19. Umweltpolitik Lokale Agenda 21, 2003, S. 151.

26







Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

Darstellung möglicher Entwicklungsalternativen bei der Gewinnung, Verarbeitung und Entsorgung von Stoffen (Zukunftspfade) unter Berücksichtigung technischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Parameter; Vertiefung des chemie- und industriepolitischen Dialogs, um die Voraussetzung für eine gesellschaftliche Konsensbildung zu verbessern; Abgabe von Empfehlungen an den Deutschen Bundestag für gesetzgeberisches und politisches Handeln".36

„Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" wurde am

18. März 1992

Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Helmuth Becker (Nienberge), konstituiert: Zum Vorsitzenden der Kommission wurde der Abgeordnete Michael Müller (Düsseldorf), SPD, bestimmt, zu dessen Stellvertreter der Abgeordnete Erich G. Fritz (Dortmund), CDU/CSU. In der konstituierenden Sitzung hob der Vorsitzende Michael Müller hervor, es sei übereinstimmende Auffassung aller Fraktionen und Gruppen, zu gesicherten Erkenntnissen über die Stoffströme zu kommen, um darauf basierend Bewertungskriterien entwickeln zu können, die letztlich einen wirksamen präventiven Umweltschutz ermöglichten. Die Kommission hat nach den Worten des Vorsitzenden die Aufgabe, Lösungsvorschläge für eine umweltund gesundheitsverträgliche Gestaltung der Industriegesellschaft insgesamt, im Sinne der einer dauerhaften Entwicklung, zu machen. Dabei gelte es, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Verträglichkeit und soziale Verantwortung miteinander in Einklang zu brinvom

gen."37

Die

Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" hat ihre Arbeit mit der Vorlage des Berichtes „Die Industriegesellschaft gestalten Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen" im Jahr 1994 abgeschlossen, wies jedoch darauf hin, dass die Kommission Teilbereiche ihres Auftrages nicht bearbeiten konnte und empfahl dem Deutschen Bundestag, die Arbeit in der 13. Legislaturperiode über die Einrichtung einer neuen Enquete-Kommission fortzuführen:38 „Auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU; SPD, Bündnis 90/DiE GRÜNEN und F.D.P. setzte der 13. Deutsche Bundestag am 1. Juni 1995 die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt Ziele und einer ein. Diese wurde Rahmenbedingungen nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" am 21. Juni 1995 durch die Präsidentin des Deutschen Bundestages konstituiert. Zum Vorsitzenden der Kommission wurde der Abgeordnete Ernst Schwanhold, SPD, bestimmt, zu dessen Stellvertreter der Abgeordnete Erich G. Fritz, CDU/CSU. Aufgrund der Wahl zum wirtschaftspolitischen Sprecher seiner Fraktion legte der Abgeordnete Ernst Schwanhold in der 4. Sitzung am 5. Oktober 1995 sein Amt als Vorsitzender der Enquete-Kommission nieder. Neue Vorsitzende wurde die Abgeordnete Marion Caspers-Merk, SPD." -

-

Der 400 Seiten starke Bericht "Konzept Nachhaltigkeit Vom Leitbild zur Umsetzung" ist das Ergebnis der 3-jährigen parlamentarischen Arbeit der Kommission, die auf Antrag aller Fraktionen 1995 ins Leben gerufen wurde. Die Kommission hat in 67 Sitzungen und 10 öffentlichen Anhörungen insgesamt fast 100 Sachverständige befragt interne Anhörungen und Fachgespräche nicht mitgerechnet. Die Empfehlungen, so Marion Caspers-Merk, stützen sich -

-

36

37 38

Deutscher Bundestag: Verantwortung für die Zukunft, S. 1 Deutscher Bundestag: Verantwortung für die Zukunft, S. 15 Vgl. Deutscher Bundestag: Konzept Nachhaltigkeit, S. 14.

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

27

weitgehend auf den Konsens aller Kommissionsmitglieder, nur in wenigen Bereichen konnte keine Einvernehmlichkeit erzielt werden und es wurden Sondervoten vorgelegt39:

„Eine Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland, wie sie die Kommission fordert,

ökologische Leitplanken40, die integrativ mit ökonomischen und soziaabgestimmt und rückgekoppelt sind. Wir müssen dabei von der starren Vorstellung Abschied nehmen, dass Nachhaltigkeit als Programm von oben verordnet werden kann. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie kann nur als gesellschaftlicher Such-, Lern- und Entdeckungsprozess verstanden werden gerade aus formuliert len Zielen

diesem Grund muss sie aber klare und verlässliche Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen."41 -

Aufbauend auf dem Zwischenbericht hat sich die Kommission mit der Notwendigkeit von Innovationen beschäftigt, die sich nicht nur auf den technischen Bereich beschränken, sondern die ebenso soziale Kompetenzen ansprechen und sich auf politische und kulturelle Institutionen und Instrumente beziehen. Darunter ist beispielsweise die Forderung nach einer Weltumweltorganisation, einer World Environmental Organisation (WEO) ähnlich der WTO auf internationaler Ebene, aber auch die Anregung hin zu einer nachhaltigkeitsorientierten Finanzreform. Auch

inneren Reform bieten sich auf europäischer Ebene bereits Vorbilder: So wurde beispielsweise in Großbritannien dafür gesorgt, dass jedes Ministerium einen sogenannten "green minister" für Nachhaltigkeit hat. Gegenüber dem federführenden Umweltministerium besteht eine Berichtspflicht. Um eine integrative Politik zu gewährleisten, sind auch die "green minister" untereinander vernetzt. Auf Parlamentsebene wurde ein NachhaltigkeitsAusschuss eingerichtet, der die Aufgabe hat, dem Thema zu einer Schlüsselstellung in der politischen Meinungsbildung zu verhelfen. zur

Die Kommission hat sich die Aufgabe gestellt, gemäß den Zielen der Agenda 21, dem auf der Rio-Konferenz verabschiedeten Aktionsprogramm, zu zeigen, wie auf nationaler Ebene ein Prozess der Nachhaltigen Entwicklung in Gang gesetzt werden könnte. Dabei gab die Umweltproblematik den Anstoß für grundlegende Regeln zum sparsamen Umgang mit Naturreserven, die aber jeweils auf ihre Folgewirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft untersucht werden müssen. Denn man kann beispielsweise nicht aus Gründen des Naturschutzes den Abbau von Holz reduzieren, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es dann in Zukunft um die Holzwirtschaft und die in diesem Sektor Beschäftigten bestellt ist. Bereits in der 12. hierzu Abschnitt

Wahlperiode hat die Enquete-Kommission vier grundlegende Regeln (siehe 1.6) für das Management

von

Stoffströmen formuliert. Sie zielen darauf,

Vgl. TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3/4, 7. Jahrgang November 1998, S. 46 Die Konzeption der „variablen Leitplanken" von Paul Klemmer beruht auf der Festlegung auf einer Vielzahl spezifischer ökologischer Schutzziele, welche die Grenzen für Umweltnutzungen abstecken, womit die Existenz von „unerbittlichen" Grenzen anerkannt wird, die durch die ökologischen Systeme vorgegeben sind, wobei die Ökonomie als Subsystem des umfassenderen ökologischen Systems angesehen wird. Die Konzeption gründet auf einer „negativen" Definition von Nachhaltigkeit, wonach Entwicklungen, die als nicht-nachhaltig angesehen werden, durch die Festlegung einzelner ökologischer Leitplanken ausgeschlossen werden sollen. Vgl. Gerken, L./Renner, A.: Nachhaltigkeit durch Wettbewerb, 1996, S. 27. TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3/4, S. 46. -

28

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

in den Mengen und in dem Tempo zu verbrauchen, die mit dem Erhalt der Leistungsfähigkeit der Natur vereinbar sind, bzw. für nicht-erneuerbare Ressourcen wie zum Beispiel Erdöl Ersatz in Form von erneuerbaren Ressourcen oder durch Produktivitätssteigerungen Ersatz zu schaffen. Zudem sollen sich Stoffeinträge in Zukunft an der Belastbarkeit der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden orientieren. Bei der Besetzung wird man auf die Mitwirkung von Vertretern bestehender Räte angewiesen sein, ohne jedoch eine Bestandsgarantie für diese geben zu können. Zusammen mit einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die auf Vorschlag der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der Umweltverbände berufen werden, sowie mit einem Ombudsmann für die Interessen zukünftiger Generationen sollen Transparenz und Öffentliche Beteiligung sichergestellt und die erarbeiteten Leitlinien der Nachhaltigkeit nach außen getragen werden. Wichtig wäre nicht zuletzt eine von den Wahlperioden Ressourcen

nur

abgekoppelte Berufungsdauer.

42

Eine

„Neuordnung von Technik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft im Sinne einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" soll einen „Paradigmenwechsel" herbeiführen, dessen Elemente nachstehend zusammengefasst sind:

Abbildung 2:

Elemente des Paradigmenwechsels Zu

von

Durchflusswirtschaft

ökologisch geordneten Stoffströmen Materialproduktivität Energieeffizienz

Materialverschwendung Energieverschwendung Produktorientierung nachsorgendem Umweltschutz Verbrauch von Naturkapital Naturbeherrschung Wegwerfmentalität Quelle:

Funktionsorienti erung vorsorgendem Umweltschutz

nachhaltiger Nutzung von Naturkapital Orientierung an der Natur Wertschätzungsmentalität

Gerken, L./Renner, A.: Nachhaltigkeit durch Wettbewerb, 1996, S. 14f.

Handlungsgrundsätze für die Umsetzung des Paradigmenwechsels sind „die Konzeption des produktions- und produktintegrierten Umweltschutzes, der Grundsatz des ökologischen Designs, die Orientierung an der Natur und an den Grundprinzipien ihrer Stofftimsätze, die Prioritätensetzung der Vermeidung vor Verwertung [...], die regulative Idee, die mit dem Begriff Kreislaufwirtschaft verbunden ist, die recycling-gerechte Konstruktion von Produkten, die Förderung und Entwicklung kreislauffähiger Werkstoffe, die Förderung von umweltverträgli-

chen Innovationen und die Produktverantwortung".43 Nach Ansicht der

Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" existieren zur Bewertung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte von Innovationen eine Vielzahl von Hilfsmitteln und Methoden, wobei das Erkenntnisinteresse des Bewertenden die Fragestellung bestimmt, die dem Bewertungsverfahren zugrunde liegt und damit einen maßgebli-

Vgl. TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3/4, 1998, S. TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3/4, S. 64.

50.

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

29

chen Einfluss auf die Art der verwendeten Bewertungsmethode sowie die Auswahl der Kriterien ausübt:44 „Aus der Vielzahl von Verfahren und Methoden können zumindest drei herausgehoben werden, die von ihrer Anlage her eine Bewertung nach den Dimensionen der ökonomischen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit im Prinzip anstreben. Es sind dies: •

• •

die um externe soziale und ökologische Kosten und Nutzen erweiterte Kosten- Nutzen- Analyse, die Risikoanalyse und die Szenariomethode.

Mit einer Kombination dieser und weiterer durchaus auch spezieller sollte man dem Ziel einer integrierten und möglichst umfassenden -

kommen."45

Bewertungsverfahren Bewertung also näher

-

Darüber hinaus wies die Enquete-Kommission auf die Notwendigkeit hin, institutionelle Innovationen zur Förderung einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung voranzutreiben: „Im Sinne des Leitbildes einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung müssen sich Innovationen daran messen lassen, ob sie zu mehr Langfristorientierung und Strategiefähigkeit in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft führen. Das heißt, jeder innovative Schritt soll am Ende zu einer nachhaltigen Gesamtentwicklung führen. Dies geschieht gegenwärtig in zu geringem Maße. So ist der Umgang mit den natürlichen Ressourcen größtenteils nicht nachhaltig. Aber trotz hohen Umweltbewusstseins bei allen Akteuren gelingt es in vielen Bereichen nicht, in Richtung einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung umzusteuern. Ebenso wenig scheint es derzeit- ungeachtet der allenthalben geäußerten Einsicht in die Notwendigkeit- nicht möglich, die Kreditaufnahme des Staates und die Gewährung von Ansprüchen, die folgenden Generationen wachsende Schuldenberge hinterlässt und steigende Verpflichtungen aufbürdet, zu bremsen. Die Enquete- Kommission ist daher zu der Auffassung gelangt, dass Hemmnisse für Fortschritte im Sinne einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung auch im gegenwärtigen institutionellen Gefüge der Bundesrepublik zu suchen sind und mahnt entsprechend institutionellen Innovationen an."46

Hierzu hat die Enquete-Kommission eine Studie zum Thema „Institutionelle Reformen für eine Politik der Nachhaltigkeit" in Auftrag gegeben: „Die Studiennehmer, das Institut für Wirtschaft und Ökologie an der Universität St. Gallen (IWÖ- HSG) und das Institut für Organisationskommunikation, Bensheim (IFOK), entwickeln vier institutionelle Basisstrategien, die auf eine Erhöhung der gesellschaftlichen Reflexität, durch Partizipation und Selbstorganisation, verbesserte Ausgleichs- und Konfliktregelungsmechanismen sowie durch Stärkung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Innovationsfähigkeit zielen."47 Um die Reflexität zu erhöhen führt die Studie als mögliche Strategien folgende Punkte auf: •

Internalisierungsstrategien küle der Akteure.

zur

Einbeziehung

der externen Effekte in die

Vgl. Deutscher Bundestag: Konzept Nachhaltigkeit, S. 362. Deutscher Bundestag: Konzept Nachhaltigkeit, S. 363. Deutscher Bundestag: Konzept Nachhaltigkeit, S. 384. Deutscher Bundestag: Konzept Nachhaltigkeit, S. 385.

Handlungskal-

Kapitel

30

• • •

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

Kooperations- und Integrationsstrategien zur Mobilisierung von Synergieeffekten. Informationsstrategien zur verbesserten Aufklärung. Strategien des institutionellen Wettbewerbs zur Gewährleistung effizienter 48Innovationser gebnisse sowie zur Finanzierung konkreter Projekte durch Förderstrategien.

Sachverständigenrat für Umweltfragen hat hierfür eine Umsetzungsstrategie eingebracht, die vorsieht, aus den auf das Leitbild bezogenen Leitlinien Umweltqualitätsziele abzuleiten, die in Umweltqualitätsstandards umgesetzt werden müssten und damit im Vergleich mit dem gegebenen Zustand der Umwelt die gegebenen Differenzen in Umweltindikatoren (s. Abb. 3)

Der

offen legen49.

Abbildung 3: Leitbildorientierte Entwicklung von Umweltzielen Dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung unter Einbeziehung des Vorsorgeprinzips

Leitbild:

xu Leitlinien:

(Handlungsprinzipien)

-

-

-

-

Verbrauchsrate regenerierbarer Ressourcen Regenerationsrate Verbrauchsrate nicht regenerierbarer Ressourcen Spar-/Substitutionsrate Erhalt aller Umweltfunktionen Reststoffausstoß Assimilationsrate Erhalt der menschlichen Gesundheit =

=

=

-

XU Umweltqualitätsziele -

-

-

Umweltqualitätsstandards •



Kritischer Ressourcenverbrauch Kritische Belastungswerte unter Berücksichtigung der Tragekapazität Kritische Belastungswerte für die menschliche Gesundheit

Kritische Ressourcenvorräte Kritische Konzentrationen Kritische Eintragsraten Kritische strukturelle Veränderungen Tragbare Gesundheitsrisiken

-

xu Umweltindikatoren sind Größen, die die Abweichung der Umweltsituation (Ist) von Umweltqualitätsstandards (Soll) ausdrücken

Zustandsdaten zur Umweltsituation

Quelle:

Sachverständigenrat für Umweltfragen, 1994, S.

Vgl. Deutscher Bundestag: Konzept Nachhaltigkeit, S. 386. Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), 1994, S.

18.

18.

Kapitel

1.6

I: Das Leitbild

31

Nachhaltige Entwicklung

Managementregeln

Realisierung des Leitbildes einer Nachhaltigen Entwicklung wurden sogenannte Managementregeln formuliert, die die Einhaltung der ökologischen Grenzen ermöglichen können.50 Die Konzeption des sogenannten „konstanten Umweltkapitals" geht zurück auf David Pearce und Kery Turner (1990). Es unterstellt als Postulat der intergenerativen Gerechtigkeit, dass zukünftige Generationen gegenüber der heutigen Generation nicht schlechter gestellt werden dürfen. Folglich sollten zukünftige Generationen den gleichen Nutzen aus dem Umweltkapital, d.h. aus den Funktionen der Umwelt ziehen können wie die heutige Generation. Dies bedeutet, dass der Bestand an natürlichem Kapital (natural capital) unabhängig von den Veränderungen des menschengeschaffenen Human- und Sachkapitals (human-made capital) zumindest konstant zu halten ist. Demnach werden natur- und menschengeschaffenes Kapital als nicht substituierbar angesehen. Zur Umsetzung des Umweltkapitalkonzepts haben Pearce und Turner die „Management-Regeln" entwickelt51, die Handlungsprinzipien für eine Politik der Nachhaltigkeit vorgeben: Zur



Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen darf ihre

ten;53 •



Nicht-erneuerbare Ressourcen wie sparsam und schonend zu nutzen;54

Regenerationsrate52 nicht überschrei-

(fossil-gestützte) Energie,

Material und Fläche sind

Es dürfen nur soviel nicht-erneuerbare Ressourcen verbraucht werden, wie regenerierbare Substitute55 für den Zeitpunkt der späteren Erschöpfung geschaffen werden;56

Vgl. Weber, B.: Nachhaltige Entwicklung und Weltwirtschaftsordnung, 1998, S. 99. Vgl. Gerken, L./Renner, A.: Nachhaltigkeit durch Wettbewerb, 1996, S. 29f. Die Folgen der Zerstörung der Biodiversität sind irreversibel, die jedoch bei einer Übernutzung

solcher natürlichen Ressourcen wahrscheinlich sind. Hierbei wirkt sich intergenerativ besonders problematisch aus, dass zwar der Vorgang des Abbaus von Ressourcen sehr rasch durchgeführt werden kann, der Erneuerung (für die gleiche Qualität der Ressource) jedoch oftmals Generationen dauert (etwa Fällen und Nachwachsen von Nutzholz). Dazu kommt, dass zwar erneuerbare Ressourcen beispielsweise in Form der Sonnenenergie vorhanden sind, diese jedoch (bis heute) nicht ausreichend speicherbar sind. Außerdem ist hierbei auch das nach wie vor überproportionale Wachstum der Erdbevölkerung zu berücksichtigen. Hier fällt der Umstand, dass die wenigsten erschöpfbaren Ressourcen wiederverwendbar sind (da sie wie z.B. Kohle bei der Nutzung verbraucht werden), besonders ins Gewicht. Zudem ist zu deren Nutzung (vgl. den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik) Energieeinsatz nötig. Deshalb ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass der häufig benutzte Begriff des „Recycling" irreführend ist, da zur Wiederherstellung eines wiederverwertbaren Zustandes des Stoffes (z.B. Weißblech aus Getränkedosen) wiederum (nichterneuerbare!) Energie vonnöten ist und durch den technischen Prozess dieses Vorgangs stets Friktionsverluste entstehen; der Begriff des „Down-cycling" ist deshalb treffender. Vgl. hierzu auch: Tietenberg, T.: Environmental and Natural Ressource Economics, 1992, S. 118. Die wird in der Literatur meistens unter dem Begriff „Backstop-Technologie" abgehandelt, beispielweise im Fall von Solarenergie als Ablöse zur Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energie- und Stromgewinnung. Vgl. Brandes, W./Recke, G./Berger, Th.: Produktions- und Umweltökonomik, 1997, S. 269f. Dies stellt gewissermaßen den Idealfall der „smooth transition", des „Sanften Übergangs" durch eine emeuerbare Ressource dar. Voraussetzung dafür ist neben der schlichten technischen Machbarkeit die möglichst genaue Kenntnis aller totalen Grenzkosten (= Grenz-Abbau-Kosten + Grenz-Nutzungs-Kosten) als Spiegelbild für die tatsächliche Knappheit der Ressourcen, die im „switch point", also dem Zeitpunkt des Übergangs vom Abbau der nicht-erneuerbaren Ressource zu dem emeuerbaren Substitut, erfolgt. Ge-

-

32

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

Die Produktivität des Ressourceneinsatzes ist durch technischen Fortschritt



zu

verbes-

„__57 sern;

Die



Freisetzung von Schadstoffen darf nicht größer sein als die Aufnahmefähigkeit der

Umweltmedien;58.

Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt59 muss im ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der Umweltrelevanten natürlichen Prozesse stehen60.



Die Volkswirtschaften haben sich in den vorindustriellen Perioden fast ausschließlich auf der Grundlage erneuerbarer Ressourcen entwickelt, wobei die Grundlagen ihrer Erneuerung nicht oder nur unvollständig erkannt und daher auch nur wenig beachtet wurden. Der Übergang in das Industriezeitalter, der ja nur von einer kleinen Gruppe europäischer Länder erzielt wurde, ist jedoch im wesentlichen durch die Ausbeutung nicht erneuerbarer Ressourcen ermöglicht worden, die streng genommen gar nicht nachhaltig sein kann.

Wie bereits gezeigt, spielt in der Nachhaltigkeitsdiskussion der Ökologischen Ökonomie in Hinblick auf die (Nicht-) Substituierbarkeit von Naturkapital die Aufteilung der Ressourcen in einen natürlichen und einen anthropogenen Kapitalstock ein große Rolle und führte zur Unterscheidung zwischen einer „starken" Nachhaltigkeit, bei der der natürliche Kapitalstock unangetastet bleibt und einer „schwachen" Nachhaltigkeit, die eine teilweise Ersetzbarkeit natürlicher durch menschlich geschaffenen Ressourcen zulässt.61 Zwischen diesen Extremen gibt es jedoch je nach Einschätzung und Paradigma vielfältige Varianten. Durch folgende „Skalierung" lässt sich das Spektrum der Nachhaltigkeit veranschaulichen: -



-

„Sehr schwache Nachhaltigkeit: unkorrigiertes, marktradikales Wachstumsparadigma, fahr: In Kenntnis der Tatsache, dass ein erneuerbares Substitut vorhanden ist, erfolgt der Abbau der erschöpfbaren Ressource im unmittelbaren Zeitraum vor dem switch point stärker, als wenn das Substitut nicht vorhanden wäre. Vgl. Tietenberg, T.: Environmental and Natural Ressource Economics, 1992, S. 134. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass neue Technologie nicht zwangsläufig umweltverträglicher sein müssen und ihre Entwicklung ihrerseits wieder Ressourcen verschlingt; zudem ist die Beständigkeit des technischen Fortschritts ungewiss. Dazu ist eine Abkehr von der vorrangigen Betrachtungsweise der Ressourcen (input-orientiert) zur Untersuchung der Abfälle/Abgase/Abwärme/Abwässer etc. und Grenzen der Assimilierungsfähigkeit der natürlichen Systeme (output-orientiert) nötig. Vgl. Biervert, B./Held, M.: Veränderungen im Naturverständnis der Ökonomen, S. 17f. Sie stellen ein typisches Beispiel von negativen externen Effekten dar, die aus der Verzerrung der Marktpreise für das Gut Umwelt entstehen; problematisch ist hierbei die Zuordnung der Umweltschäden, die Internalisierung und somit ist ein Eingriffsbedarf des Staates vonnöten. Hierbei werden vor allem zwei neoklassische Theorieansätze genannt: Die Pigou-Steuer als Umweltabgabe und die Verhandlungslösung nach Coase, die eine Überführung der Umwelt zu einem privaten Gut voraussetzt. Vgl. Matthias, J.: Die Analyse kommunaler Umweltpolitik aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie, 1995, S. 33f. Eine theoretisch fundierte und ausführliche Übersicht bietet hierzu: Weimann, J.: Umweltökonomik, 1995, S. 26ff. Vgl. Knoll, M./Kreibich, R. (Hrsg.): „Sustainable City" 1997, S. 27. Vgl. 51. Deutscher Geographentag Bonn 1997: Nachhaltigkeit als Leitbild der Umwelt- und Raumplanung in Europa, 1998, S. 16f. ,

Kapitel

Neoklassik), starke Nachhaltigkeit: Ökologische Ökonomik mit der Forderung nach Naturerhalt mit eng begrenzten Substitutionsmöglichkeiten, die im übrigen nachweisbar sein müssen (Bewei slastumkehr), sehr starke Nachhaltigkeit: Ökozentrismus mit absolutem Naturerhalt"62





Die nachstehende Tabelle 2 fasst

Kriterien für die Einteilung in Nachhaltigkeitsgrade

Verhältnis Mensch Natur

Einschätzung der Gefahren

3.

4.

ausgewählte Kriterien für die Einteilung in Nachhaltigkeits-

zusammen:

Tabelle 2:

2.

Sustitutierbarkeit der natürlichen RessourPosition zu

nachsorgenden

Umweltschutztechniken Position zur Effizienz- und Sufftzienzstra-

Sehr schwache

Schwache

Starke

Strikte

Nachhaltigkeit Streng anthropozen-

Nachhaltigkeit Anthropozentrisch

Nachhaltigkeit Aufgeklärt anthropozentrisch

Nachhaltigkeit Tierschutzbezogener

Keine echten Gefahren

Probleme werden durch technische Verfahren gelöst

Belastungsgrenze ist

Akute Gefahr für das Überleben der Menschheit

Können durch künstliche Elemente ersetzt werden

siehe 2.

Viele natürlich Ressourcen sind nicht substituierbar

Geringe Substituier-

Wo zur Gefahrenabwehr notwendig

Zur Gefahrenabwehr und für wichtige

Einsatz notwendig aber nicht ausreichend

Bei weitem nicht ausreichend

trisch

akzeptable (bis zur Vertretbarkeit) Effizienzstrategie

wirt.

wenn

wirt. sinnvoll

Schutzgüter

Efftzienzstrategie wenn

wirt. sinnvoll

tegie 6.

7.

33

(Substitutionsparadigma), mittlere Nachhaltigkeit: Umwelt- und Ressourcenökonomik mit Beachtung und Festlegung von Essentials, Leitplanken und/oder safe minimum standards („aufgeklärte"



1.

Entwicklung

schwache Nachhaltigkeit: traditionelle Umwelt- und Ressourcenökonomik



grade

1: Das Leitbild Nachhaltige

Position zur Konsumentensouveränität

Instrumente zur Einleitung einer NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG

Darf nicht angetastet werden

Nur zur lokalen Gefahrenabwehr

Verhältnis Natur Natur- und Ressourzu wirtschaftlicenschutz nur, wenn chem Wachstum wirt. W. nicht tangiert wird

Quelle:

Handlungsfolgen

nicht immer bekannt, daher Infor-

mationspolitik Absprachen nötig, Ordnungsrecht für besonders wichtige Schutzgüter

erreicht, 90% Reduktion

Drei

Strategiepfade:

oder holistischer Ansatz

barkeit

Effizienzstrategie

Effizienz-, Substitu- führt zur Verschleietions- und Suffi-

rung, Lebensstilän-

zienzstrategie Bei Marktversagen Einschränkung notwendig

derung unabdingbar Keine Rücksicht auf individuelle Präferenzen

Änderung der Rah- Sofortiges radikales menbedingungen

Umsteuern

insbes. über neue ökologische Instru-

(ökologische Leitplanken)

mente

Wirt. W. wichtigstes Ziel, soll aber, wenn möglich, umwelt-

verträglich erfolgen

Selektives Wachstum bzw. wirt. Ent-

wicklung im Rahmen von ökologischen Leitplanken

Rogall, H.: Akteure der nachhaltigen Entwicklung, 2003, S. 33.

Vgl. Bartmann, H.: Substituierbarkeit von Naturkapital, 2001, S. 50.

Wirt. W. wird lehnt

abge-

Kapitel

34

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

Eines der häufigst gebrauchten Argumente, welches gegen die Perspektive der starken Nachhaltigkeit ins Feld geführt wird ist, dass sie unerschwinglich teuer sei. Das gut gemeinte Ansinnen, das Naturkapital in seiner Gänze zu erhalten, binde so viele produktive Ressourcen, dass künftigen Generationen hieraus sogar eher Nachteile als Vorteile erwüchsen. -

-

In diesem Zusammenhang stellt die Biodiversitätskonvention aus dem Jahre 1993 ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen und gleichzeitig einen Querschnittsansatz zum Schutz der globalen Biodiversität dar. Danach beinhaltet Biodiversität bzw. biologische Vielfalt sowohl die Zahl der Pflanzen- und Tierarten als auch deren Variabilität (genetische Diversität Gen-

pool). Die Biodiversität besitzt einen Wert an sich (ökozentrierte Betrachtung Eignerecht der biologischen Vielfalt auf Existenz) sowie anthropogene Nutzwerte (anthropozentrische Sicht Sicherung der Ernährung, genetische Basis für Kulturpflanzen und Nutztiere, Pharmaka und die als RessourMedizin, sonstige Rohstoffe, ästhetische und emotionale cen (Konsum-, Produktions-, indirekte Nutzungs-, Options- und Existenzwerte) auch ökonomisch zu bewerten sind.64 -

-

-

Nutzenstiftungen)63,

Die beiden Betrachtungsweisen scheinen unversöhnlich zueinander zu stehen: Entweder wird der Ökologie extern ein Primat zugestanden, oder aber es wird auf die Präferenzen der Menschen eingegangen. Allerdings gibt es auch hier fließende Übergänge bei den Positionen, als seitens der Ökozentrik oftmals anerkannt wird, weil die ökologische Zielsetzung letztlich dem Erhalt der Umweltfunktionen und damit dem vitalen Interesse der Menschen dient.65 Als Diskussionsgrundlage könnte das von Hampicke66 definierte Zielbündel ESH dienen, wobei E für die Elemente der Natur, S für die Selbstregulierungsfähigkeit der Natur und H für die Homöostase (Gleichgewicht/Gleichgewichtszustand) insbesondere des globalen Klimas67 stehen soll. Der Erhalt der Artenvielfalt bzw. der Biodiversität ist der wichtigste Aspekt des Teilziels E. Neuere Forschungsergebnisse über die volkswirtschaftlichen Kosten des Erhalts der Biodiversität in der Agrarlandschaft wohlhabender Industrieländer am Beispiel Deutschlands durch Hampicke zeigen, dass diese Kosten zwar in einzelbetrieblicher Perspektive hoch, in sektoraler wirtschaftspolitischer Perspektive fühlbar, jedoch alles andere als prohibitiv und in volkswirtschaftlicher Perspektive gar als trivial anzusetzen sind. Die These von der Unbezahlbarkeit der starken Nachhaltigkeit konnte damit zumindest auf einem Teilgebiet widerlegt

werden.68

Vgl. Johann Mattäus Bechstein (1801) in Abschnitt 5.1.1 hinsichtlich des reinen Schaden-Nutzen-Kalküls bezüglich des Tieres Hirsch. Vgl. 51. Deutscher Geographentag Bonn 1997: Nachhaltigkeit als Leitbild der Umwelt- und Raumplanung in Europa, 1998, S. 71. Vgl. Gerken, L./Renner, A.: Nachhaltigkeit durch Wettbewerb, S. 39. Vgl. Hampicke, U.: Ökologische Ökonomie, 1992 Im Fall des Ozon in der Stratosphäre droht ein selbstregelnder Mechanismus durch den Menschen zerstört zu werden, indem durch die Zufuhr von Chlor-Radikalen in die Stratosphäre aus FCKW das Fließgleichgewicht zwischen Ozonbildung und -zerfall aufhebt, womit kurzwelliges UV-Licht ungehindert in die Troposphäre eintritt („Ozonloch"), vgl. Hampicke, U.: Plädoyer gegen die voreilige Preisgabe der starken Nachhaltigkeit Zumindest eines ihrer Teilziele ist kostengünstig, 2001, S. 117. Vgl. Hampicke, U.: Plädoyer gegen die voreilige Preisgabe der starken Nachhaltigkeit, S. 129. -

Kapitel

Wie

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

der Zusammenhang zwischen den verdeutlicht lung ist, Abbildung 4.

komplex

Leitprinzipien

35

einer

Nachhaltigen Entwick-

Abbildung 4: Leitprinzipien einer Nachhaltigen Entwicklung

Effizienz

Suffizienz

Produktion

Konsum

Emissionen Ressourcen

Emissionen

Immissionen

Eingriffszeit

adäquat 1 zur Regenerationszeit Stoffkreisläufe

Erneuerbare Ressourcen

Umwelt als

Konsumgut Erschöp fliehe Ressourcen

Physischer Umweltraum

Quelle:

Weber, B.: Nachhaltige Entwicklung und Weltwirtschaftsordnung, 1998, S. 104.

der Argumentation der Managementregeln Pearce/Turner) und der Ökonomie (Daly/Costanza) lässt sich für die Festlegung von NachhaltigkeitsÖkologischen ein strategien gesellschaftlicher Prozess in vier Stufen ableiten:

Unter

Zusammenfassung

(1) Als allgemeine Voraussetzung erfolgt ein Konsens bezüglich der Anwendung des Leitbildes Nachhaltigkeit im Sinne von Gerechtigkeit gegenüber heutigen sowie zukünftigen Generationen und der Natur. Als Vorbedingung ist hierzu wohl die Erkenntnis über die grundlegenden Defizite des derzeitigen Systems und damit die Notwendigkeit einer Neuorientierung erforderlich. (2) Anschließend erfolgt eine Präzisierung der Nachhaltigkeitsdefinition durch Nachhaltigkeitskriterien für die ökonomische, ökologische und soziale Dimension, wobei die Überwindung der derzeit üblichen Trennung nur einen ersten Schritt darstellen kann. Generell genießt wegen der Einbettung des ökonomisch-sozialen Systems in das ökologische Sys-

36

Kapitel

I: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

tem die

ökologische Dimension den Vorrang; dieser ist nur dann Bestand des ökonomisch-sozialen Systems gefährdet ist.

zu

relativieren, wenn der

(3) Danach geht es um die Operationalisierung der Nachhaltigkeit durch eine Interaktion von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, indem auch durch Einigung auf die o.a. „Managementregeln" z.B. die Höhe der zu erhaltenden Kapitalbestände, Grenzwerte und Reduktionsziele und deren Verteilung

(4)

festgelegt wird.

In der vierten Stufe

erfolgt die Entwicklung von Konzeptionen (z. b: ökologische Wirtschaftspolitik, ökologische Energieversorgungssysteme, ökologische Verkehrspolitik), Strategien (Effizienz- und Suffizienzstrategien), neue Wohlstandsmodelle, ökologische Beschäftigungsstrategien) und Instrumenten (z.B. Ökosteuern, Kooperationslösungen i.e.S., Umwelthaftungsregeln).69

Die in Punkt (4) angesprochenen strategischen Handlungsoptionen ergeben sich stehend durch Kompetenzzerlegung dargestellten Umweltbelastung (UB):

aus

der nach-

Abbildung 5: Strategische Handlungsoptionen UB UB

BIP

-

l Effizienzrevolution

Quelle:

BIP x

=

x

Einwohnerzahl

Einwohner

-

1 Suffizienzrevolution

1 Bevölkerungspolitik

Kurz, R./Volkert, J.: Konzeption und Durchsetzungschancen einer ordnungskonformen Politik der Nachhaltigkeit, 1997, S.U.

Effizienzrevolution beschreibt hierbei die Senkung der mit einer Einheit des Bruttoinlandproduktes (BIP) verbundenen Umweltbelastung, Suffizienzrevolution den Rückgang des Bedarfs an Güter- und Dienstleistungen (BIP/Kopf) d.h., dass die Lebensstile der Konsumenten sich so verändern, dass sie umweltverträglicher werden.70 Die Bevölkerungspolitik ist schließlich der dritte

Ansatzpunkt.7'

Effizienzstrategien sind sowohl im Produktionsbereich als auch im Konsumbereich möglich. Ersteres kann beispielsweise über den Einsatz von material- und energieeffizienten Technologien in den Bereichen Produktion, Transport, Recycling und Entsorgung erfolgen. Letzteres Vgl. Bartmann, FL: Substituierbarkeit von Naturkapital, S. 65. Vgl. Weber, B.: Nachhaltige Entwicklung und Weltwirtschaftsordnung, 1998, S. 103. Vgl. Kurz, R./Volkert, J.: Konzeption und Durchsetzungschancen einer ordnungskonformen Nachhaltigkeit, 1997, S. llf.

Politik der

Kapitel

1: Das Leitbild

Nachhaltige Entwicklung

37

kann vor allem über Veränderungen der Konsumgewohnheiten (Kauf von Produkten niedriger Materialintensität, Optimierung der Produktnutzung etwa über Leasing, Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten etwa über eine verbesserte Reparaturfähigkeit) erreicht werden. Im Gegensatz hierzu erfordern Suffizienzstrategien wenn sie nicht mit Zwang durchgesetzt werden sollen, eine Umweltmoral, eine Kultur der Genügsamkeit, die auf einem ökologieverträglichen Verständnis von Wohlstand und Fortschritt aufbaut. Suffizienzstrategien sind zumindest nicht auf der Basis der Freiwilligkeit denkbar, solange ein solcher endogener Wertewandel, der einem geringen materiellen Wohlstand einen höheren Nutzen beimisst, nicht erfolgt ist. Daher bergen Suffizienzstrategien die Gefahr, dass marktliche Koordinationsverfahren durch eine planwirtschaftliche Lenkung von Stoffströmen ersetzt werden.72 -

Weltgipfel in Johannesburg Der Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung fand vom 26. August bis 4. September 2002 in der direkten Umgebung von Johannesburg statt. Auf dem Weltgipfel sollten zehn Jahre nach der Rio-Konferenz Bilanz gezogen und dem Politikfeld "Nachhaltige Entwicklung" neue Impulse gegeben werden73 Der Fokus lag dabei unter anderem darauf, "Pläne in Taten" umzusetzen74 und Maßnahmen sowie Zeitpläne zur besseren Implementierung der Agenda 21 zu diskutieren. Insbesondere zählen folgende Punkte zu den wichtigsten Ergebnissen und Beschlüssen des Gipfels: 1.7

Der



Halbierung der Bevölkerung ohne Zugang zu grundlegenden sanitären Einrichtungen bis 2015, ergänzend zum Millenniumentwicklungsziel einer Halbierung der Bevölkerung ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bis zum gleichen Termin .



Verpflichtung zur größtmöglichen Verringerung der schädlichen Auswirkungen von Produktion und Verwendung aller Chemikalien auf die menschliche Gesundheit und Umwelt bis 2020.







zur Verhinderung eines weiteren Rückgangs der Fischbestände und Maßnahmen zu ihrer Erholung auf einen nachhaltigen Umfang bis spätestens 2015.

Verpflichtung

Verpflichtung aller Parteien zur Verhinderung des Rückgangs der biologischen Vielfalt bis 2010. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Geschwindigkeit des Artensterbens „deutlich reduziert" werden, heißt es. Kritiker bemängeln jedoch, dass damit das Ziel, „den derzeitigen Trend umzukehren" verloren gegangen sei. Verpflichtung zur Festlegung eines zehnjährigen Rahmens für Programme über Nachhaltigkeit von Verbrauch und Produktion.

Vgl. Gerken, L./Renner, A.: Nachhaltigkeit durch Wettbewerb, 1996, S. 37. http://www.weltgipfel2002.de/content.html?id=52. http://www.joharmesbtJjgsumrrut.orgmtml^ Vgl. dazu auch http://www.joharmesburgsurnmit.org/html/whats_new/feamre_story34.htrn.

Kapitel

38





1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

Die Bekräftigung, gemäß der Forderung der WTO handelsverzerrende Agrarsubventionen in den Industrieländern abbauen zu wollen, um den Entwicklungsländern einen fairen Marktzugang zu ermöglichen. Die Industrieländer sollen ihre Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttosozialerhöhen. Diese Forderung existiert seit 1970 und wurde weltweit bisher nur von fünf Ländern umgesetzt, Deutschland ist bisher nicht dabei76.

produktes

Vom UN-Weltgipfel von Johannesburg gehen nach Ansicht von Volker Hauff, dem Vorsitzenden des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung, im wesentlichen drei Botschaften aus: •





Angriffe auf multilaterale Umweltvereinbarungen konnten abgewehrt werden. Allerdings hat die bisherige Rücksicht auf den langsamsten im internationalen Verband zu langwierigen und letztlich auch relativ schwachen Vereinbarungen geführt. Deshalb ging von Johannesburg das Signal aus, in Zukunft durchaus einen „Multilateralismus der verschiedenen Geschwindigkeiten" denkbar werden zu lassen. Eine überzeugende nationale Vorreiterpolitik mit entsprechender „Leuchtturm"Funktion stellt ein erfolgreiches Mittel dar, die Staatengemeinschaft insgesamt auf dem Weg Nachhaltigen Entwicklung voranzubringen. Die bisherige Arbeitsteilung zwischen Staaten und Zivilgesellschaft wie sie auch in Johannesburg festzustellen war ist nicht zukunftsfähig: Erst wenn aus Betroffenen auch Beteiligte werden, sind Allianzen und Partnerschaften in der Lage, eine ernstDie

-

-

zunehmende Rolle

zu

spielen.77

Die nachstehende Tabelle 3 gibt abschließend eine Übersicht der wichtigsten zeitlichen und inhaltlichen Schritte auf dem Weg zu einer Nachhaltigen Entwicklung wieder: Tabelle 3:

Meilensteine und

wichtige

Beschlüsse bzw. Themen

zur

Nachhaltigen

Ent-

wicklung Jahr 1972

wichtige Beschlüsse/Themen Meadows-Studie: „Grenzen Vorhersage des ökologischen Kollapses bei gleichMeilenstein

des Wachstums" des Club of Rome

bleibender Wirtschaftsweise

1972 Stockholmer Umweltschutzkonferenz

Gründung der UNEP

1972 Stockholmer Umweltschutzkonferenz

Entwicklung des Ansatzes „Eco-Development"

1974

„Erklärung von Cocoyok" Aufzeigen des Missstandes von Unterentwicklung und

Überentwicklung in der Welt

1975

Dag-Hammerskjöld-Report

Kritik

an

den Lebensstilen der Industrienationen

Oekoradar: URL: http://www.oekoradar.de/de/umweltorganisation/artikel/02025/index. Hauff, V.: Nachhaltigkeitspolitik nach Johannesburg!, 2002, S. 5.

Kapitel

Jahr

1: Das Leitbild

Meilenstein

1980

Brandt-Report sowie

1983

Palme-Report

1987 Weltkommission für Umwelt und Entwicklung

39

Nachhaltige Entwicklung

wichtige Beschlüsse/Themen Aufzeigen der Problematik anthropogener Klimaveränderungen und deren Folgewirkungen für ökologische und sozioökonomische Systeme Wesentlicher Anstoß zur Problematisierung der politischen Aspekte der Nachhaltigen Entwicklung

(Brundtland-Kommission) 1992

UNCED, Rio de Janeiro

1993 UN Commission

on

Sustainable Development

Rio-Deklaration Agenda 21 Klimarahmenkonvention Biodiversitätskonvention

Waldschutzerklärung Erstes 5-Jahresprogramm

(UNCSD)

1993 Weltkonferenz über Menschenrechte (WCHR), Wien

Mechanismen für den Schutz und die Überwachung der Menschenrechte

1994 UN-Konferenz über Bevöl- Globaler Konsens über integrierte kerung und Entwicklung enplanung (ICPD), Kairo 1995 1995

freiwillige Famili-

UN-Weltsozialgipfel, Ko- Armutsbekämpfung als 'ethischer, sozialer, politischer und ökonomischer Imperativ' penhagen Vertragsstaatenkonferenz "Berliner Mandat": Verbindliche Reduktionsziele für (COP1) der Klimarahmen- die Emission von Treibhausgasen konvention, Berlin

1995 UN-Weltkonferenz über Frauen, Peking 1996 UN-Konferenz über

Menschliche

1997 1997

1999 2001 2000

Siedlungen (HABITAT II), Istanbul Rio+5, New York City Vertragsstaatenkonferenz (COP3) der Klimarahmenkonvention, Kyoto Folgeprozess der Konferenzen von Kairo, Peking,

Kopenhagen und Istanbul UN-Millenium Gipfel, New York

Aktionsplan für die Stärkung der Frauen in sozialer, politischer und ökonomischer Hinsicht, und in Fragen der Gesundheit, Bildung und ehelichen Rechte Politikrichtlinien zur Verbesserung der Lebensbedingungen in ländlichen und städtischen Siedlungen Kritische Bewertung der Erfolge und Defizite seit Rio

"Kyoto-Protokoll": Festgeschriebene Reduktionsziele Treibhausgase und neue Instrumente: Joint Implementation, Emissionshandel, Clean Developfür 6

ment

Mechanism

Millenium Declaration: ziele, Rolle der UN

Entwicklungs- und Umwelt-

40

Kapitel Jahr

2001

1: Das Leitbild

Meilenstein

Vorbereitungsprozess für

Rio+10 (Preparatory 2002 Commitees 1-4), New York City, Bali

Nachhaltige Entwicklung

wichtige Beschlüsse/Themen Bilanzierung des Rio-Prozesses, Fortschrittsbericht der Agenda 21, Planung für die Tagesordnung und Organisation des WSSD in Johannesburg

2002 UN-Konferenz über Finan- 'Monterey-Konsens': Stärkung der Rolle öffentlicher und privat-wirtschaftlicher Entwicklungsfinanzierung zierung von Entwick-

lung (FfD), Monterey

2002 World Summit on Sustainable

Quelle:

Development (WSSD), Johannesburg

Teilweise ergänzte Tabelle nach: oekoradar.de. URL:

http://www.oekoradar.de.

Nachdem in Abschnitt 1 die Diskussionslinien rekonstruiert wurden, die zu dem Konsens über das Leitbild Nachhaltige Entwicklung geführt haben, widmet sich Abschnitt 2 den Rahmendaten der Nachhaltigen Entwicklung. Sie skizzieren die ökologische, ökonomische und soziale Diagnose, auf deren Basis heute um die Operationalisierung der Nachhaltigen Entwicklung in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gerungen wird. Neben „Wissen" sind hierbei „Macht" und „Interesse" die wichtigsten Ressourcen der Auseinandersetzung.

Diagnosen werden in einem „Diagnoseraum" der Nachhaltigen Unternehmung zusammengefasst. Damit soll u.a. betont werden, dass diese Diagnosen zur Begründung des Leitbildes Nachhaltige Entwicklung gerade nicht „naturgesetzartig" der Unternehmung gegenüberstehen, sondern auch (d.h. aber auch: nicht nur!) das Resultat einer Vielzahl von Einflüssen (etwa über die Definition von Grenzwerten oder Umweltqualitätszielen) unterschiedlicher Interessengruppen sind. In Zeiten, in denen die ökologische Krisensymptomatik in den „entwickelten" Volkswirtschaften zunehmend aus dem Bereich der sinnlichen Wahrnehmung verschwunden ist, ist für die Unternehmung die Unterscheidung in „gesicherte Wissensbestände/Diagnosen" und kontrovers diskutierte Diagnosen von großer Bedeutung. Diese Unterscheidung ist ein zentrales Kriterium für die Formulierung eines Diagnoseraums der Nachhaltigen Unternehmung. Diese Diagnosen gesicherte und kontrovers diskutierte prädeterminieren zudem die Prioritätenliste auf der Agenda der Operationalisierungsanstrengungen der Nachhaltigen Entwicklung. Diese

-

-

Kapitel

1: Das Leitbild

41

Nachhaltige Entwicklung

Literaturverzeichnis

Geographentag Bonn 1997: Nachhaltigkeit als Leitbild der Umwelt- und Raumplanung in Europa. Band 2. Stuttgart 1998 Aachener Stiftung: Lexikon der Nachhaltigkeit: Geschichte, S. 1. in: http:/// www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/frinted/print.php? 1 ID page=6000, Stand: 13.05.02 Agenda 21 in deutscher Übersetzung: Dokumente der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung. Rio de Janeiro 1992, Kapitel 7, S. 1 URL: http://www. geo51. Deutscher

cities.com/RainForest/7090/agd21k07.htm, Stand: 07.05.2000.

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zum

nachhalti-

42

Kapitel

1: Das Leitbild Nachhaltige

Entwicklung

U.: Plädoyer gegen die voreilige Preisgabe der starken Nachhaltigkeit Zumindest eines ihrer Teilziele ist kostengünstig, in: Held, MTNutzinger, H. G. (Hrsg.): Nachhaltiges Naturkapital. Ökonomik und zukunftsfähige Entwicklung. Frankfurt 2001, S. 113-132. Hauff, Volker: Nachhaltigkeitspolitik nach Johannesburg! Berlin 2002. http://www. nachhaltigkeitsrat.de/service/download/pdf/Rede_Hauff_DBV_l 8-11 -02.pdf Hönig, J./Schäffler, H. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung. Transdisziplinäre Aspekte eines neuen Entwicklungskonzeptes, Sternenfels 1996. Huber, J.: Nachhaltige Entwicklung. Strategien für eine ökologische und soziale Erdpolitik, Berlin 1995. Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen: Nachhaltige Stadtentwicklung. Positionspapier der Arbeitsgruppe „Nachhaltige Stadtentwicklung" beim Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1996. Internationale Agentur für Nachhaltige Projekte: Nachhaltige Entwicklung, S. 1, URL, http://www.econtur.de/sd/sddefinition.htm, Stand: 19.08.00. Kastenholz, H./Erdmann, K.-H./Wolff, M.: Perspektiven einer Nachhaltigen Entwicklung. Eine Einführung, in: Kastenholz, H./Erdmann, K.-H./Wolff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung. Zukunftschancen für Mensch und Umwelt. Berlin u.a. 1996, S. 1-18. Rnoll, M./Kreibich, R. (Hrsg.): „Sustainable City" .Zukunftsfähige Städte, Weinheim/Basel 1997. Kopfmüller, J. et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet: Konstitutive Elemente, Regeln, Indikatoren (Global zukunftsfähige Entwicklung Perspektiven für Deutschland; 1), Berlin 2001. Kopfmüller, J.: et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet. Kurz, R./Volkert, J.: Konzeption und Durchsetzungschancen einer ordnungskonformen Politik der Nachhaltigkeit. Tübingen 1997. Matthias, J.: Die Analyse kommunaler Umweltpolitik aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie, Frankfurt/M. 1995. Meadows, D.: Die Grenzen des Wachstums. Ein Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972. Müller-Christ, G. (Hrsg.): Nachhaltigkeit durch Partizipation. Bürgerbeteiligung im Agendaprozess, Berlin 1998. Sachverständigenrat für Umweltfragen, 1994, S. 18. Schröder, W.: Nachhaltigkeit aus ökologischer Sicht, in: von Laer, H.; Scheer, K.-D. (Hrsg.): Nachhaltigkeit, Konzept für die Zukunft? Münster, Hamburg, London, S. 21-42 Sommer, Theo (Hrsg.): Zeit der Ökonomen : eine kritische Bilanz volkswirtschaftlichen Denkens. Hamburg 1993 (Zeit-Punkte ; 1993, 3). SRU: Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Kurzfassung des Umweltgutachtens 1994 Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen, (Eine Information des Bundesumweltministeriums, Bonn Februar 1994). TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3/4, 7. Jahrgang November 1998. Tietenberg, T.: Environmental and Natural Ressource Economics. 5. Auflage, New York

Hampicke,

-

-

-

-

-

-

1992 Umweltbundesamt

(UBA): http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/umweltschutzgeschichte-deutschland.htm., Stand: 15.02.03.

Kapitel Umweltbundesamt

1: Das Leitbild Nachhaltige

(UBA): Umweltbundesamt

Entwicklung

bündelt Aktivitäten

43

zur

Lokalen

Agenda

21.

Nr. 20/97. URL:

Pressemitteilung http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/ pressemitteilungen/p-2097-d.htm, Stand: 30.08.00 Vornholz, G.: Die neue Sicht der Nachhaltigkeit und die neoklassische Ressourcen- und Umweltökonomie, in Gijsel, P. et al. (Hrsg.): Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 14, Nachhaltigkeit in der ökonomischen Theorie, Frankfurt/ Main 1997, S. 19- 46. Weber, B.: Nachhaltige Entwicklung und Weltwirtschaftsordnung. Probleme Ursachen Lösungsmöglichkeiten. Opladen 1998. Weimann, J. Umweltökonomik. Eine theorieorientierte Einführung. 3. Auflage, Berlin 1995. -

-

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

2. Die

Der

45

Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

der Umsteuerung zu einer Nachhaltigen Entwicklung wird auf der Basis zwischenzeitlich erheblich ausdifferenzierten ökologischen, ökonomischen und sozialen Diagnosen des „Ist-Zustandes" begründet und durch Prognosen über die zukünftige Entwicklung untermauert. Sowohl die Diagnosen über den Ist-Zustand als auch die Prognosen sind dabei Gegenstand kontroverser Diskussionen. Für eine Nachhaltige Unternehmung ist es daher von großer Bedeutung, die Diagnosen und Prognosen im Kontext der Nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigen, die heute als weitestgehend unstrittig und als besonders prioritär gelten, um darauf aufbauend die strategische Ausrichtung der Nachhaltigen Unternehmung in Angriff nehmen zu können. Wir fassen diese Diagnosen und Prognosen in einem „Diagnoseraum" der Nachhaltigen Unternehmung zusammen, der wie in den folgenden Kapiteln dargestellt wird, um einen „Regelungsraum" und einen „Rechtsraum" ergänzt wird. Mit der Methaper des Raumes wird die selektive Relevanz der dort stattfindenden bargaining-Prozesse für die Nachhaltige Unternehmung unterstrichen und die Strukturierung der bargaining-Ergebnisse in Form von Informationen „inter- und intraräumlich" erleichtert (Interdependenzen zwischen den „Räumen"

Notwendigkeit

von

eingeschlossen). 2.1

Ökologische Entwicklungslinien

2.1.1

Flächenverbrauch

Es ist davon auszugehen, dass die Menschheit gegenwärtig auf direkte oder indirekte Weise etwa 40% der Nettoproduktion der Biomasse konsumiert, die weltweit auf den Landflächen durch Photosynthese erzeugt wird („net primary produkt of terrestrial Zudem nehmen Wüstenbildung, Ausbreitung der Städte in Agrarische Gebiete, Bodenversiegelung, Bodenerosion und Umweltverschmutzung zu, ebenso der Nahrungsbedarf einer wachsenden Bevölkerung. Anfang des 19. Jahrhunderts lebten drei Prozent der Weltbevölkerung in Städten, heute ist es fast die Hälfte. Allein zwischen 1940 und 1970 betrug die Wachstumsrate der Urbanisierung in den USA 140%, das entspricht einer Zunahme von 4,7% Der Anteil der Stadtbevölkerung an der Weltbevölkerung wird nach einer Studie der Vereinten Nationen (Unesco Sources, Nr. 17, 1990) von 29% im Jahre 1950 auf 60% im Jahre 2025 ansteigen; die 50%-Marke wird dabei zwischen 2000 und 2010 erreicht sein und gleichzeitig werden 10-15 Großstädte 20 oder sogar 30 Millionen Einwohner haben3.

photosynthesis").1

p.a.2.

Allein in Deutschland leben 80 Prozent der Bevölkerung in Städten. Da sich hier die Güterproduktion, die Energie- und Stoffumsätze, die intensive Nutzung von Flächen sowie die Verkehrsleistungen konzentrieren, sind Städte deshalb diejenigen Orte, in denen Umweltprobleme besonders konzentriert auftreten. Wenn

man

die

Entwicklung der Siedlungsfläche be-

trachtet, wird deutlich, dass 1930 nur 80 Quadratmeter auf einen Einwohner kamen, Mitte der

neunziger Jahre dieser Wert jedoch drei mal so hoch war4. Die nachstehende Tabelle 4 zeigt, dass sich diese Tendenz auch in den letzten zehn Jahren fortgesetzt hat: Vgl. Vitousek, P. M. et al.: Human approbiation of the products of photosynthesis, 1996, S. 368f. Vgl. Glaeser, EX.: Are Cities Dying? 1998, S. 139. Vgl. Sukopp, H./Wittig, R. (Hrsg.): Stadtökologie, 1998, S. I. Vgl. Deutscher Rat fur Landespflege (Hrsg.): Natur in der Stadt, 1992, S. 7.

Kapitel 2:

46

Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

Flächenverbrauch in Deutschland in ha/Tag

Tabelle 4:

1993- 1997

2000

1999

1998

2001

131 131 131 120 124 Tägliche Umwidmung in Siedlungs- und Verkehrsfläche Quelle: Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S.

106.

Ursachen für den Trend der Siedlungsdispersion (dispers zermit seiner flächenfressenden Wirkung sind einerseits durch die hohen Bestreut, verstreut) in den Agglomerationen und andererseits in den Verändeinsbesondere völkerungszuwächse festzumachen. Haushaltsstrukturen der rungen Hinzu kommen die strukturellen Verschiebungen im Altersaufbau, deren Hauptmerkmal die Schrumpfung des Anteils der jungen Altersgruppen bei gleichzeitigem überproportionalen Zuwachs der über 60-jährigen ist, was zusätzliche Anpassungen im Infrastrukturbereich für die Kommunen erfordert7. Die wachsende Zahl neuer Haushalte führt zusammen mit realen nach mehr (auch flächenmäßig umEinkommenszuwächsen zur einer verstärkten fangreicherem) Wohnraum insbesondere in Form von Ein- oder Zweifamilienhäusern am Stadtrand: „Für Ein- und Zweifamilienhäuser wird die 4 öfache, für Mehrfamilienhäuser aber nur die 1,5 3fache Menge an Nettoland pro m2 Wohnfläche Die beiden

maßgeblichen

=

(Alleinerziehende5, Singlehaushalte6)

Nachfrage8

-

-

beansprucht".9

Eine einfache Verdopplung der Weltbevölkerung in etwa 40 bis 45 Jahren ließe den Verbrauch an Biomasse auf 80% anwachsen lassen; kurze Zeit später würden 100% erreicht: In einem einzigen Verdopplungszeitraum würde die Welt vom Zustand „halb leer" auf „voll" übergehen und dies ungeachtet der Höhe der Verschmutzungsmengen und des Ressourcen-

verbrauchs.10

2.1.2 Klimawandel

Seit dem Zeitalter der Industrialisierung (seit ca. 1855) und damit der massenhaften Verbrenvon Öl, Kohle und Gas, steigt die anthropogen induzierte Erwärmung der unteren Erdatmosphäre an. Die Freisetzung bestimmter wärmestauender Gase schließt die Atmosphären-

nung

5

6

7 8

9 10

Bei der Bewertung der demographischen Umstrukturierung in den westlichen Industrienationen ist (neben den aktuell diskutierten Folgen z.B. bezüglich der Anpassung der Sozialgesetzgebung und hier insbesondere der Alterssicherung) u.a. zu berücksichtigen, dass in den USA bereits rund die Hälfte der Haushalte von Alleinerziehenden geführt wird. 1980 lebten dort 19% solcher Haushalte in Städten bis 100.000 EW unterhalb der Armutsgrenze; in Großstädten über 1 Mio. EW betrug der Anteil fast ein Drittel (31%). Vgl. Glaeser, E.L.: Are Cities Dying ?, 1998, S. 154. Bezogen auf die Situation in den europäischen Länder und insbesondere in Deutschland sind seit Beginn der 90er Jahre durchaus ähnliche Tendenzen zu erkennen. Vgl. Lichtenberger, E.: Stadtgeographie, 1998, S. 329. Die mittlere Anzahl der Personen in den privaten Haushalten ist in Deutschland von durchschnittlich 3,0 (1950) auf 2,2 (1996) gesunken; in Großstädten > 200.000 EW unter 2,0 je Haushalt. Der Anteil der Einpersonenhaushalte ist im selben Zeitraum von 19% auf 35% gestiegen, in den Großstädten sogar auf 44%. Vgl. hierzu Statistisches Jahrbuch Deutschland 1996. In: Sukopp, H./Wittig, R. (Hrsg.): Stadtökologie, 1998. Vgl. Schuster, F./Dill, G. (Hrsg.): Aufgaben der Kommunalpolitik in der 90er Jahren, 1992, S. 4. Eine ausführliche Übersicht zur Wohnstandortwahl in (westdeutschen) Großstädten gibt die umfangreiche empirische Untersuchung von Daniel Zerweck wieder: Zerweck, D.: Großstädtische Wohnstandorte. 1997. Losch, S.: Nutzungsanspruch Wohnen, 1999, S. 33. Vgl. Costanza, R. et al.: Einfuhrung in die Ökologische Ökonomik, 2001, S. 9f.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

47

fettster. Die von der Sonne eingestrahlte Energie wird bei der Rückstrahlung ins Weltall imstärker zurückgehalten und in der unteren Luftschicht länger gebunden.

mer

Die Folge dieses Prozesses ist, dass die mittlere Temperatur, die 1850 etwa bei 14,5 Grad Celsius lag, heute um etwa 0,7 Grad höher liegt. Man muss zudem berücksichtigen, dass dieser Erwärmungsprozess zeitverzögert abläuft. Das heißt, Klimaänderungen haben einen Vorlauf in der Anpassung an die veränderte Chemie und Dynamik von etwa vier bis fünf Jahrzehnten. Mit anderen Worten, die starken Emissionsentwicklungen der letzten Jahrzehnte sind in diesen klimatischen Veränderungen noch nicht einmal enthalten. Eine Erwärmung um mehr als 1 Grad Celsius ist somit nicht mehr zu verhindern. Die Klimawissenschaftler gehen davon aus, dass die kritische Grenze für Erwärmungsprozesse bei etwa bei 1,5 Grad pro Jahrhundert liegt. Es besteht zudem ein enger Zusammenhang zwischen dem atmosphärischen Kohlenstoffgehalt und der Erdtemperatur. 1850 lag dieser Wert bei Kohlenstoff bei etwa 280 Teilen auf 1 Mio. Teile. Heute ist von einem Wert von etwa 355 Teilen auf 1 Mio. auszugehen. Wenn zudem die anderen Gase, die das Klima verändern, auf die Wertigkeit von Kohlenstoff um- und hinzugerechnet werden, bedeutet das bereits rd. 460 Teile auf 1 Mio. Teile. Wenn ein Wert von 560 erreicht werden würde, also der natürliche Wert von 280 verdoppelt wäre, bedeutete dies eine Erwärmung um 2 Grad. Dieser Wert wird im bisherigen Trend in etwa 40 bis 50 Jahren erreicht werden."

Wie Tabelle 5 zeigt, konnten jedoch zumindest in Deutschland die Gesamtemissionen an CO2 im Vergleich zu 1990 um rund 14% reduziert werden:

Tabelle 5:

Energiebedingte C02-Gesamtemissionen in Deutschland 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001

Mio. I CO

987

Erreichte Reduktion relativ zu 1990

Quelle:

839

840

854

951

903

892

876

876

899

867

3,6

8,5

0,5

11,2 11,3

8,9

12,2 12,9 14,9 14,8 13,5

859

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 118.

In Hinblick auf die C02-Emisionen pro Kopf im internationalen Vergleich ist aber festzustellen, dass hierbei erhebliche globale Unterschiede bzw. Ungleichheiten bestehen: Während die Bewohner der ärmsten Länder der Erde pro Kopf nur für rund 0,1-0,2 t CO2 pro Jahr verantwortlich sind und ein großer Teil der Entwicklungsländer im Bereich zwischen 0,5 und 4 t pro Kopf liegen, bewegt sich dieser Wert in den Industriestaaten (s. Tabelle 6) zwischen 8 und 20

Tonnen.12

11 12

Vgl. Müller, M: Klimaschutz als Beschäftigungsprogramm, 2002. Vgl. Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 120.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

48

Tabelle 6:

C02-Emissionen pro nationalen Vergleich

Deutschland USA

Japan Frankreich Großbritanien Italien Niederlande Schweden V.R. China Indien

Bangladesch OECD Welt

Quelle:

12,7 20,7 7,2 8,4 11,5

5,6 9,8 10,5 1,0 0,4 0,1 10,8 3,9

Kopf aus der Verbrennung

13,2 20,1 7,6 7,7 10,0 6,4 10,7 8,0 1,5 0,4 0,1 10,9 4,1

11,7 19,1 8,6 6,5 10,0 7,1 10,9 5,6 2,1 0,7 0,1 10,6

4,0

10,7 19,5 9,0 5,8

9,4 7,2 11,0 2,5 0,9 0,2 10,6 3,9

fossiler Brennstoffe im inter-

10,5 20,4 6,2 9,2 7,3 10,9 5,6 2,5 0,9 0,2 11,0 3,9

10,3 20,5 9,1 6,0 9,0 7,3 10,5 5,4 2,4 0,9 0,2 11,0

3,9

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 120.

2.1.3 Abbau der Ozonschicht Im gleichen Zusammenhang droht im Fall des Ozon in der Stratosphäre ein selbstregelnder Mechanismus durch anthropogene Eingriffe zerstört zu werden, indem durch die Zufuhr von Chlor-Radikalen in die Stratosphäre aus FCKW das Fließgleichgewicht zwischen Ozonbildung und -zerfall aufgehoben wird, womit kurzwelliges UV-Licht ungehindert in die Troposphäre eintreten kann („Ozonloch").13

gelangen etwa jährlich eine Million Tonnen FCKW in die Biosphäre und es dauert ca. 10 Jahre, bis sie die Ozonschicht erreichen und ihr Zerstörungswerk mit einer Halbwertszeit von rund hundert Jahren beginnen können. Die heutigen Schäden sind zwar beträchtlich, aber selbst wenn die FCKW-Emissionen sofort gestoppt werden würden, nähmen die Schädigungen in den nächsten Jahrzehnten noch unweigerlich zu. Die globale Dimension dieser Entwicklung zeigt der Umstand, daß 85% der FCKW in den Industriestaaten des Nordens freigesetzt werden, das größte Ozonloch entstand jedoch in der Atmosphäre über der Antarktis.14 Es

2.1.4 Abnehmende Biodiversität

Bereits 55% des artenreichsten Lebensraumes der Erde, des Regenwaldes, sind heute zerstört. Jedes Jahr „verschwinden" mehr als 5.000 Arten unwiderruflich. Obwohl die Redundanz d.h. die Fähigkeit des Systems, nach exogenen Störungen seine Struktur und Funktionsweise wiederherzustellen, eine Element vieler biologischer Systeme ist, ist nur sehr schwer abzuschät-

Vgl. Hampicke, U.: Plädoyer gegen die voreilige Preisgabe der starken Nachhaltigkeit ihrer Teilziele ist kostengünstig, 2001, S. 117. Vgl. Costanza, R. et al.: Einführung in die Ökologische Ökonomik, 2001, S. 13f.

Zumindest eines -

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung zen, wie nah

bereits der Schwellenwert eines

49

irreversiblen15 Verlusts der Artenvielfalt erreicht

ist.16

In Hinblick auf die Anteile der Arten bei den Artengruppen Säugetiere, Vögel, Fische und Gefäßpflanzen schneidet Deutschland hier aktuell im europäischen bzw. im OECD-Vergleich (s. Tabelle 7) relativ schlecht ab: Anteile gefährdeter Arten für der 1990-er Jahre in Prozent

Tabelle 7:

ausgewählte Artengruppen; Angaben für

Ende

-

Säugetiere Vögel Fische

Gefäßpflanzerj

D

CAN

USA

37 29 68 24

19 11

11

3

GB

J 20 14 11 28

11 11

10

NL 15 27 82

k.A.

Ökonomische Entwicklungslinien

2.2

Als wichtigste Eckdaten bzw. Zeiträume der Entwicklung der können folgende Punkte ins Feld geführt werden:



22

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 109.

Quelle:



32 25 k.A.

(west-)deutschen Wirtschaft

Währungsreform 20.06.1948 Wirtschaftsaufbau 1948/49 1951 Konsolidierung und Neuorientierung der Wirtschaftspolitik 1952 1958 Hochkonjunktur und fortgesetzter Neoliberalismus 1959 1966 Erste Krise und die neue Konzeption der Globalsteuerung 1967 1975 Ölpreisschock, „Grüne Welle" und Übergang zum Monetarismus 1976 1989 Das vereinigte Deutschland nach 1989/1990 -



-



-



-



-



Sowohl die wirtschaftliche als auch die soziale (und ökologische) Entwicklung der Bundesrepublik ist ganz entscheidend durch die Ereignisse und Determinanten der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre bestimmt worden. Die günstige Wirtschaftsentwicklung in den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik Deutschland beruhte im wesentlichen auf folgenden Vor-

aussetzungen: •

Das industrielle Produktionspotential war trotz der Bombardierungen nur zu einem geringen Teil zerstört und in seinem Umfang aufgrund der Ausweitung der Rüstungskapazität weitaus größer17 als vor dem Zweiten Weltkrieg; ungleich nachteiliger wirkte sich dagegen die weitgehende Zerstörung des Eisenbahn-Verkehrsnetzes aus.

hierzu Vgl. Brake, K./Netzbrand, A.: Ziele und Leitbilder „nachhaltiger Entwicklung" im Hinblick auf die Siedlungsstruktur in Großstädten, 1995, S. 32. Vgl. Costanza, R. et al.: Einführung in die Ökologische Ökonomik, 2001, S. 15. Vgl. Zischka, A.: War es ein Wunder? Zwei Jahrzehnte deutschen Wiederaufstieg, 1966, S. 31.

Vgl.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

50



Die

Wirtschaftspolitik der westlichen Besatzungsmächte war von einer gewissen „Janusköpfigkeit"18 geprägt: Einerseits wurden Demontagen, De-Industrialisierung und Kartellzerschlagung19 (bis Anfang der fünfziger Jahre ) betrieben, gleichzeitig jedoch sorgte in

erster Linie der Wandel der

Stabilisierung Westeuropas Lasten Westdeutschlands

US-Europapolitik20 dazu, dass ab etwa 1947 die

zunehmend mit Hilfe und nicht wurde, was sich im

Währungsreform23 niederschlug. •



zu

Weg"24

Neben dem Wirtschaftssystem der „Sozialen Marktwirtschaft" als „Dritten sorgte die weltwirtschaftliche Situation, die von Expansion einerseits und dem Schock des Korea-Krieges andererseits zu Beginn der fünfziger Jahre gekennzeichnet war, dafür, dass die westdeutschen Produktions- und Humanressourcen optimal genutzt werden konnten.25

Entsprechend beindruckend sind Verläufe der fünfziger Jahre: •

länger ausschließlich

Marshallplan22 und in der

angestrebt21

Daten der wirtschaftlichen

Entwicklung

der

Das Bruttosozialprodukt verdreifachte sich zwischen 1950 und I960.26 Das Wachstum des BSP betrug zwischen 1951 und 1960 jährlich mindestens 7,2%, im Durchschnitt sogar 11,33% (nominal).27 Die Preisentwicklung ließ die Lebenshaltungskosten in Deutschland zwischen 1949 und 1958 im Durchschnitt um 11% ansteigen; beachtenswert ist allerdings, daß sie sich im gleichen Zeitraum in Frankreich, Großbritannien und Schweden um 47% sowie in Italien und Holland um je 35%

steigerten.28



Der durchschnittliche Bruttoverdienst stieg in den zehn Jahren zwar um 91,2%, die o.a. Preissteigerungen und steigende Abzüge vom Bruttoverdienst reduzierten den Reallohnanstieg jedoch auf 58%:29 Der monatliche Bruttolohn betrug 1950 je beschäftigtem Arbeitnehmer 234 DM, der Nettolohn 213 DM, das sind 88%; 1960 war das Verhältnis 513 DM zu 432 DM, also nur noch 84%.30

Vgl. Zorn, W (Hrsg.): Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1976, S. 721. Vgl. Winkel, H.: Die Wirtschaft im geteilten Deutschland 1945 1970, 1974, S. 17. Vgl. Airvater, E./Hoffmann, J./Semmler, W.: Vom Wirtschaftswunder zur Wirtschaftskrise. Ökonomie und Politik in der Bundesrepublik, 1979, S. 78ff. Vgl. Ahrens, H: Demontage. Nachkriegspolitik der Alliierten, 1982, S. 51. Vgl. Huffschrnid, J.: Marktwirtschaft in der Bundesrepublik. Geschichte Probleme und Perspektiven, in: Beiträge zu einer Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1970, S. 43. Vgl. Harbecke, U.: Abenteuer Bundesrepublik. Die Geschichte unseres Staates, 1983, S. 28. Vgl. Morsey, R.: Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969, 1987, S. 41. Vgl. Abelshauser, W.: Die langen fünfziger Jahre. Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik -

Deutschland 1949

1966, 1987, S. 70.

Vgl. Morsey, R.: Die Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 44. Vgl. Neumann, F.: Daten zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, -

1950-1975, 1976, S. 349. Vgl. Zischka, A.: War es ein Wunder?, 1966, S. 519. Vgl. Franck, D. (Hrsg.): Die fünfziger Jahre, 1981, S. 52.

Kultur der

Bundesrepublik

Deutschland

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

51

Am beeindruckendsten sind die Zahlen am Arbeitsmarkt: Zwischen 1950 und 1958 wurden pro Jahr etwa 500.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.31 Anfang 1950 war der höchste Stand der Arbeitslosigkeit mit knapp zwei Millionen Erwerbslosen nach dem Krieg erreicht,32 doch innerhalb der darauffolgenden fünf Jahre sank die Arbeitslosenquote von 11,4% fast um die Hälfte auf 5,6%. Weitere fünf Jahre später herrschte mit einer Arbeitslosenquote von nur mehr 1,3% längst Vollbeschäftigung, zumal es 1960 knapp 200.000 mehr offene Stellen als Arbeitslose gab33 und zudem bereits 500.000



Gastarbeiter34 beschäftigt waren.

Für den nachfolgenden Zeitraum zwischen 1960 und 2000 ist

zialproduktes

zu

Abbildung 6:

verzeichnen:

folgender Verlauf des Bruttoso-

Entwicklung des Bruttosozialproduktes

5000000

4000000

3000000

Mio DM

2000000

1000000

o

.'

1960

1968

1972

1976

1980

1984

1988

1991

1995

1999

Jahr

Quelle:

Eigene Darstellung nach: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, verschiedene Jahrgänge.

Trotz eines

stetigen Anstiegs des Bruttosozialprodukts sind hinsichtlich der Auslastung des produzierenden Gewerbes (sekundärer Sektor) starke Schwankungen zu erkennen. Die tiefsten Einbrüche waren auf die Kohlekrise Mitte/Ende der 1960 Jahre, die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre sowie das Abebben des Wiedervereinigungsbooms Mitte der 1990er Jahre zurückzuführen.

Vgl. Neumann,

F.: Daten

zu

Wirtschaft, Gesellschaft, Politik,

1950-1975, 1976, S. 87.

Kultur der

Bundesrepublik

Deutschland

Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, S. 559. Vgl. Zischka, A.: War es ein Wunder?, 1966, S. 513. Vgl. Neumann, F.: Daten zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1950-1975, 1976, S. 37.

Vgl. Abelshauser, -W.:

Die

langen fünfziger Jahre, 1987, S. 80.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

52

Abbildung 7:

Quelle:

Auslastung des Produktionspotentials

Eigene Darstellung nach: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, verschiedene Jahrgänge.

Die Begrenzung der Staatsschulden stellt in Hinblick auf die ökonomische Nachhaltigkeit eine wichtige Forderung dar, denn sie trägt einerseits der Bedeutung eines handlungsfähigen Staates (als wesentlichen Akteur einer Nachhaltigen Entwicklung) Rechnung, zum anderen der Gefährdung des Prinzips einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Generationen. Wie die nachstehende Tabelle 8 zeigt, wurde in Deutschland zuletzt in den 1960er Jahren ein Haushaltsüberschuss realisiert. Im Vergleich zu den USA schnitt Deutschland seit den 1960er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre mehr oder weniger deutlich besser ab, jedoch seit 1997,

abgesehen vom Ausnahmejahr 2000, ständig schlechter.35

Vgl. Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S.

123f.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung Tabelle 8:

53

Entwicklung der Defizitquote im internationalen Vergleich

in Prozent -

D

1960 1965 1980 1985 1990 1992 1995 1998 1999 2000 2001 2002

Quelle: 2.3

GB

NL

USA

2,3 5,1

3,0 1,7 2,9 1,2 2,1 2,5 3,3

2,2 1,6 -1,2 2,8 3,8

0,0

8,6

2,8

12,5 11,0 10,7 7,6

1,5 4,2

5,5 2,7

1,6 1,3 1,4 2,7

3,4 2.9

3,9 3,7 4,0 11,9

4,1 3,5 4,9

7,7

4,2

5,7

1,6 2,4 2,4 2,0 5,2

2,8

-0,4

2,4

-1.9

0,8

1,8 0,3 2,2

1,3 1,9 -0,8

2,2 1,1 0,2

1,8 -4,1 •4,8

•0,4 •2,2

0,9 6,5

4,2

-0,1

4,4 5,9 3,1 0,3 1,0 1,7 •0,6

4,4 0,8 •2,9 1,4 3,5 4,8 6,7 6,6 6,4

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 124. Soziale

Entwicklungslinien

Zur Abgrenzung der sozialen Entwicklungslinien wird an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die Hauptmerkmale des deutschen Sozialsystems dargestellt. Es unterscheidet sich allerdings deutlich von denen anderer Industriegesellschaften des Westens, seien es die liberale angelsächsische oder die sozialdemokratisch-skandinavische Variante.

Der institutionelle Aufbau des deutschen Wohlfahrtstaates lässt sich als ein Haus mit vier Etagen veranschaulichen, dessen Etagen im Laufe von knapp eineinhalb Jahrhunderten errichtet wurde:

a) Die älteste Etage ist die staatliche Regulierung des Arbeitsprozesses selbst, zurückgehend auf die zeitliche Begrenzung des Arbeitslebens und die Begrenzung des Arbeitstages. Vorrangiges Anliegen war der Schutz der Arbeiter während der Arbeit und dieses Anliegen wurde als Rechtfertigung bestimmter Freiheiten der Vertragsfreiheit angesehen. b)

Das zweite Stockwerk umfasst alle diejenigen Maßnahmen und Programme, die sich auf den Schutz der Arbeiter (und teilweise auch ihrer abhängigen Familienmitglieder und ggfls. Überlebenden) außerhalb der Arbeit durch die spezifischen Formen der Sozialversicherungen beziehen. Die impliziten Werturteile umfassen drei wesentliche Aspekte:

1) Angesichts der Lebensrealität der unselbständig Beschäftigten bedürfen Arbeitnehmer des kollektiven Schutzes und verdienen ihn auch. für diesen Schutz können nicht der spontanen Einsicht der einzelnen Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertretungen überlassen werden, da keiner dieser Akteure als weitsichtig genug angesehen werden kann. Deshalb ist, der Staat dazu berufen, diese Sicherheit zu gewährleisten, welche zudem in seinem Interesse ist, da dieses Arrangement dazu beiträgt, die Arbeitnehmer mit der sozialen Ordnung zu versöhnen und soziale Konflikte zu vermeiden.

2) Die Präventivmaßnahmen 3)

Negatives Vorzeichen bedeutet das Vorliegen eines Haushaltsüberschusses.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

54

Dies führte zu

folgenden Strukturmerkmalen:

Es handelt sich für Arbeitnehmer und

Arbeitgeber um ein System der Pflichtversiche-

-

rung. Es gelten die

Prinzipien

der Staatsaufsicht und

vor

allem der staatlichen Zuschuss-

pflicht. Angestrebt wird in diesem System das Äquivalenzprinzip Kollektives Kapital der Beitragszahler sind die Sozialversicherungsfonds. c) Bei dem dritten Stockwerk geht es dann nicht um Arbeitsschutz oder Einkommenssicherheit der Arbeiter außerhalb der Arbeit, sondern um die Festlegung der eigentlichen Arbeitseinkommen bzw. der Lohnrate. Dies bedeutet, dass: 1. sich der Staat aus den direkten Tarifverhandlungen herauszuhalten hat und 2. das Recht zu Streiken auf diejenigen Fälle beschränkt ist, in denen Streiks Gewerkschaften befürwortet und von den Gewerkschaftsmitgliedern (nach Urabstimmung) ausreichend unterstützt werden.

von

den

erfolgter

kann das vierte und oberste Stockwerk als Zusammenspiel makroökonomischer Politiken sowie ökonomischer Effekte und Bedingungen apostrophiert werden, die insbesondere in der Periode zwischen 1955 und 1975 zu einem konstant hohen Beschäfti-

d) Schließlich

gungsniveau führten.37 Im Bereich der sozialen Entwicklungslinien sind folgende stilisierte Fakten festzuhalten: Wie Abb. 8. zeigt, wurde der stetige Anstieg der Bruttoeinkommen lediglich während der Phase der Vereinigung beider deutscher Staaten unterbrochen.

Abbildung 8:

Quelle:

Entwicklung des Bruttoeinkommens

Eigene Darstellung nach: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, verschiedene Jahrgänge.

Vgl. Offe, C: S. 359-369.

Der deutsche Wohlfahrtsstaat:

Prinzipien. Leistungen, Zukunftsaussichten, 1997,

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

55

Demgegenüber ist seit Anfang der

1970er Jahre ein Anstieg der Arbeitslosenzahl auf immer höhere Sockel zu verzeichnen (Sockelarbeitslosigkeit).

Abbildung 9:

(s.

Entwicklung der Anzahl von Erwerbstätigen und Arbeitslosen seit

Abb.

9)

1997

Saisonbereinigte Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit -Angaben in Tausend

Quelle:

-

Bundesanstalt für Arbeit, 2003.

Als eine der Ursachen der (insbesondere strukturellen) Arbeitslosigkeit sind Qualifizierungsdefizite anzuführen. Sie stellen neben den Auswirkungen für die direkt davon Betroffenen auch ein Problem für das wirtschaftliche Leistungs- bzw. Produktivpotenzial einer Gesellschaft dar, da Wissen einen wesentlichen Produktionsfaktor und eine wichtige Voraussetzung für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung darstellt.38

Wie Tabelle 9 zeigt,

ging der Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss bis Mitte der 1980er Jahre auf 6,5% zurück, um bis Ende der 1990er Jahre auf über 9% anzusteigen.

Vgl. Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S.

100.

Kapitel 2:

56

Tabelle 9:

Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

Schulabgänger differenziert nach Art des Abschlusses Werte in Prozent (Bis 1990 alte Bundesländer, danach gesamtes Bundesgebiet) -

Haupt|

Ohne schulabschluß 1960 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1998 1999

17,9 17,9 12,1

9,4 6,5 6,6

Realschul- oder Fachhoch- Hochentsprechender schulreife schulreife Abschluß k.A k.A. 18,4

Hauptschul-

abschluß

55,9 44,8 36,3 33,9

25,6 33,3

36,5 37,8 34,9 37,8 38,9 38,7

28,8

24,6 23,3 22,5 22,0

0,6 5,1 4,6

11,1 13,2 14,6 20,8 24,7 22,9 22,1 22,3

6,1

9,2 7,2 7,5

9,0 9,2 Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 101.

Quelle:

negative Entwicklung spiegelt sich auch in der Armutsquote wieder. Die Armutsquote wird definiert als Anteil der in Deutschland lebenden Personen, die ein Einkommen (einschließlich staatlicher Transfers) von weniger als 50% bezogen auf den Durchschnitt der Gesamtbevölkerung zur Verfügung haben. Wie die nachstehende Tabelle 10 zeigt, variierte die Armutsquote in Deutschland zwischen 1992 und 1999 zwischen 10% und 12%, im Jahr 200 stieg sie sogar auf 13%.39 Diese

Tabelle 10:

Armutsquote in Deutschland in Prozent -

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

12,1 11,7 11,8 13,0 10,5 10,8 11,3 11,6 12,0 Quelle: Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 93. Damit einher ging auch ein stetiger Zuwachs des Anteils staatlicher 10) gemessen am Bruttosozialprodukt

Sozialleistungen (s.

Vgl. Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 92.

Abb.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

Abbildung 10:

57

Anteil der staatlichen Sozialleistungen am Bruttosozialprodukt

40.0 35.0 30.0 25.0 % 20.0 15.0

10.0 5.0 0.0

p 1960 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1991 1993 1995 p 1997 1999 Jahr

Quelle:

Eigene Darstellung nach: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, verschiedene Jahrgänge.

Eine weitere wichtige Messgröße stellt die Höhe der öffentlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in Prozent des BIP dar. Wie die nachstehende Tabelle 11 zeigt, bewegte sich für Deutschland die Messgröße von den 1960er bis Anfang der 1980er Jahre zwischen 0,3 und 0,45%, mit dem Höchststand von 0,48% in den Jahren 1982/83. Im weiteren zeitlichen Verlaufist der Anteil bis 1999 relativ kontinuierlich auf 0,26% gesunken und liegt als vorläufiger Wert für 2001 bei 0,27%. Damit lag Deutschland meist im Bereich des OECDDurchschnitts, aber deutlich unter Anteilen von Skandinavien, Niederlande und Luxemburg.40

Vgl. Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S.

129f.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

58

Anteil öffentlicher Mittel für Entwicklungszusammenarbeit zent im internationalen Vergleich

Tabelle 11:

am

in Pro-

BIP -

-

D

B

NL

US

J

EU

0,3

0,5

0,2

0,4

0,6

0,3

0,2

0,3

1960

0,3

0,1

0,1

1970

0,3

0,4

0,1

1980

0,4

1990

0,4

0,5

0,3

0,2

0,2

0,9

0,9

0,1

0,3

0,3

1995

0,3

0,6

0,2

0,3

0,3

0,9

0,7

0,1

0,2

0,2

1998

0,2

0,4

0,7

0,2

0,2

0,3

0,2

0,7

0,8 0,7

0,1

0,2

0,2 0,2

0,2

1999

0,2 0,1

0,1

0,3

0,2

2000

0,2

0,3

0,1

0,3

0,2

0,8

0,8

0,1

0,2

0,2

0,0

0,5 0,4

0,0

0,0 0,4

0,3

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 129.

Quelle:

allgemeine Rückgang des Anteils öffentlicher Mittel für Entwicklungszusammenarbeit BIP bei vielen Industrienationen (insbesondere die USA) haben zu einer zunehmenden ungleichen globalen Einkommensverteilung geführt. Wie nachstehende Tabelle 12 zeigt, hat sich seit 1960 der Anteil der obersten und untersten Einkommens-Quintile vergrößert, während gleichzeitig ein deutlicher Rückgang der Anteile der mittleren Quintile festzustellen ist.41 Der am

Relation zwischen oberstem und unterstem das globale Gesamteinkommen

Tabelle 12:

Unterstes

Oberstes durch

Quintil

Summe der drei mittleren Quintile

Quintil

unterstes

1960

70,2 %

27,5 %

2,3 %

31

1970

73,9 %

2,3 %

32

1980

76,3 %

23,8 % 22,0 %

1,7%

45

1989

82,7 %

15,9%

59

1995

90,2 % 89,0 %

3,7 % 9,8 %

1,4% 1,1 % 1,2%

74

Oberstes

1998

Quelle:

Einkommens-Quintil bezogen

auf

82

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 96.

Die nachstehende Tabelle 13 fasst die entsprechenden Indikatoren gegenüber:

o.a.

Nachhaltigkeitsdefizite

zusammen

Vgl. Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 96.

und stellt sie

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung Tabelle 13:

59

Wesentliche Nachhaltigkeitsdefizite und die sie abbildenden Indikatoren

Ausgewählte Indikatoren

Nachhaltigkeitsdefizit

Häufigkeit der Überschreitungen der EU-Grenzwerte für Feinstaub und bodennahes Ozon an ausgewählten

Gesundheitsbeeinträchtigungen

Messstationen Anteil der Bevölkerung, der einem bestimmten Geräuschpegel ausgesetzt ist Armut Drastische terschiede

Armutsquote globale

Einkommensun-

Globale Relation zwischen oberstem und unterstem

Belastung der Waldböden

Einkommens-Quintil Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss Zusammenhang zwischen der Lesefähigkeit von Schülern und ihrem sozioökonomischen Hintergrund Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche pro Tag Anteil gefährdeter Arten bei Säugetieren, Vögeln, Fischen und Gefäßpflanzen Versauerungs- und eutropierungsrelevante Luft-

Abbau nicht erneuerbarer Ressourcen Klimawandel Ungleiche globale Verteilung der

schadstoffemissionen Verbrauch nicht erneuerbarer Energieressourcen C02- Emissionen C02- Emissionen pro Kopf im internationalen Ver-

Arbeitslosigkeit Bildungsdefizite Mangelndes Chancengleichgewicht Flächenverbrauch Rückgang der Biodiversität

Umweltnutzungsmöglichkeiten Staatsverschuldung Mangelnde Wahrnehmung globaler Verantwortung

gleich Defizitquote der öffentlichen Haushalte Umfang der Agrarexportsubventionen in der EU Öffentliche Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in Prozent des BIP

Quelle:

Coenen, R./Grunwald, A.: Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland, 2003, S. 87.

Nachhaltigkeitsindikatoren und Umweltökonomische Gesamtrechnungen Die bis dato skizzierte Ausgangslage der Diskussion über das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung weist bzgl. der Operationalisierung des Leitbildes insbes. auf ein methodisches Problem hin: die entscheidungsorientierte Reduktion von Informationskomplexität. Mit anderen Worten, es ist heute weniger ein Problem, Informationen zu gewinnen, als vielmehr diese in entscheidungsrelevante Indikatoren agglomerieren zu können. Darüber hinaus ist es von zentraler Bedeutung, die bei der Informationsgewinnung entstehenden Werturteile im Rahmen der Indikatorengewinnung zu explizieren, d.h. für Dritte nachvollziehbar darzustellen. 2.4

auf nationaler Ebene werden zunehmend nicht zuletzt, weil in der verabschiedeten Agenda 21 in Nachhaltigkeitsindikatoren entwickelt, von ausdrücklich die 40 Nachhaltigkeitsindikatoren gefordert wird. DieEntwicklung Kapitel Indikatoren sollen abschätzen se (und entscheiden!) helfen, ob Entwicklungsprozesse als sind und welcher bewerten zu konkrete, zukünftige Handlungsbedarf entsteht. Als nachhaltig Im Bereich der internationalen

Organisationen und

60

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

Indikator wird eine Meßgröße bezeichnet, die Informationen über ein bestimmtes Phänomen gibt, wobei sie Informationen gezielt zusammenfassen kann, um eine bestimmte Bewertung zu erleichtern. Zur Unterscheidung von Basisstatistiken wird oft das Bild einer Datenpyramide herangezogen, in der Indikatoren einen Platz im oberen Bereich als Aggregation von Basisdaten haben. Die wesentliche Aufgabe eines Indikators ist demnach, ein komplexes System verständlich und wahrnehmbar zu machen.42 Nachhaltigkeitsindikatoren müssen folgende Anforderungen in mehrerlei Hinsicht erfüllen: •







Wissenschaftliche Anforderungen (z.B. Repräsentativität bezüglich der Zusammenhänge, Transparenz), Funktionale Anforderungen (z.B. Vergleichbarkeit über das Untersuchungsgebiet hinaus), Anforderungen aus der Sicht der Nutzer (z.B. Verständlichkeit/Umsetzbarkeit für Öffentlichkeit und Politik), Praktische Anforderungen

(z.B. Datenverfügbarkeit)43

Zwar werden die Indikatoren meist als Messgrößen dargestellt; sie sollten jedoch auch mit Zielgrößen versehen werden, um aus der Differenz zwischen dem durch sie angezeigten IstZustand und dem durch die Zielgröße justierten Soll-Zustand den Handlungsbedarf ersichtlich werden zu lassen.44. Die folgende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang.

Vgl. Kopfmüller, J. et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, 2001, S. 318ff. Vgl. Coenen, R.: Konzeptionelle Aspekte von Nachhaltigkeitsindikatorensystemen, S. 48. In: TADatenbank-Nachrichten, Nr. 2, 9. Jahrgang Juni 2000, S. 47-53. Birkmann, J. et al. (Hrsg.): Indikatoren für eine nachhaltige Raumentwicklung. Methoden und Konzepte der Indikatorenforschung, 1999, S. 20. -

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung Indikatoren zwischen Basisdaten und Normen

Abbildung 11: Datenebene

Aggregations prozeß

Biosphäre Mensch

61

*

Indikatorenebene

Leitbildebene

Indikatoren-

Leitbild- und

system

Zielsystem Leitbild

Meßdaten

Interaktionen

Ziele

Umwelt

Standards

-

Meßdaten

Objektivität der Information Normativität der Information Konzentration der auf das Ziel hin benötigten Aussage

Quelle:

et al.: Indikatoren ger Entwicklung, 1999, S. 20.

Birkmann, J.

zur

Operationalisierung des

Leitbildes Nachhalti-

Umweltindikatorensysteme In der Umweltberichterstattung stellt 2.4.1

das Pressure-State-Response-Modell einer der bekannUmweltindikatorenansätze dar, das 1994 vor dem Hintergrund des Konzeptes einer Nachhaltigen Entwicklung von der OECD entworfen und seitdem weiterentwickelt wurde. Als methodische Grundlage dient es für eine Reihe von Umweltberichten der OECD, der Europäischen Union sowie der Bundesrepublik Deutschland.45 testen

Pressure-State-Response-Modell (s. Abb. 12) wird unterschieden zwischen Belastungsindikatoren (pressure), die die Belastung der Umwelt durch menschliche Aktivitäten indizieren, Zustandsindikatoren (state), die die Qualität der Umwelt beschreiben sowie Reaktionsindikatoren (response), die gesellschaftliche Reaktionen auf die Umweltprobleme erfasIn dem

Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S. 87. Vgl. Kopfmüller, J et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, 2001, S. 321.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

62

Abbildung 12:

Das

Pressure-State-Response (PSR) Modell der OECD

Pressure

Societal Response Umweltschutzmaßnahmen

State Umweltsituation

Umweltstreßfaktoren

Informationen Zustandsindikatoren

Schadstoffemissonen und Abfallentstehung

Folgewirkungen

Gesellschaftliche

Luft, Wasser

Rückkopplungseffekte öffentliche/ private

indikatoren

Aktivitäten •



Energie

Verkehr Industrie Landwirtschaft andere

* «

~

• •



t_

Quelle:

Reaktionsindikatoren

Direkte Streßfaktoren

Einwirkungs-

Ressourcenverbrauch





• •

Boden ^ Flora/ Fauna Rohstoffe

Informationen |

Entschiedungen Handlungen





Haushalte national/ international

Entscheidungen/ Handlungen

Eigene Darstellung nach: Birkmann, J. et al.: Indikatoren zur Operationalisierung des Leitbildes Nachhaltiger Entwicklung, 1999, S. 24. erfolgt eine konkrete Beobachtung und Analyse

der Umweltsituation vor aldas 1998 erstmals von der sogenannte „Umwelt-Barometer Deutschland", im Rahmen ihres Entwurfs eines Bundesregierung umweltpolitischen Schwerpunktprogramms „Nachhaltige Entwicklung in Deutschland" vorgestellt wurde. Mit dem Ziel, den Umweltschutz stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, soll in Anlehnung an die geringe Zahl von Wirtschaftsindikatoren regelmäßig ein Satz von wenigen Umweltindikatoren veröffentlicht werden. Das Umwelt-Barometer setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen, um die zielbezogenen Trendentwicklungen in den zentralen Umweltbereichen wirksam abbilden zu können, so dass daraus so etwas wie eine „UmweltinformationsPyramide" (s. Abb. 13) abgeleitet werden kann. In Deutschland lem durch das

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

Abbildung 13:

63

Umweltinformationspyramide

Zunehmende Aggregation -

Informationsverdichtung Komplexitätsreduktion

-

Quelle:

Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S. 99.

Hinsichtlich der Umweltindikatoren in Systemen der nationalen, regionalen und lokalen Sozialberichterstattung sind insbesondere folgende drei Ansätze anzuführen:

1) Lebensqualitäts- und Fortschritt-Indikatoren der Stadt Jacksonville (Florida, USA), 2) Umweltindikatoren im System Sozialer Indikatoren des ZUMA, 3) Erfassung sozialer Indikatoren im Ansatz des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP). Das erstmals 1985 erhobene Stadt Jacksonville beinhaltet

der Lebensqualitäts- und Fortschritts-Indikatoren der 90 Indikatoren bezogen auf neun Themenbereiche: Wirt-

System ca.

schaft, Öffentliche Sicherheit, Gesundheit, (Aus-)Bildung, Umwelt, Mobilität, Regierung/ Politik, Soziale Umwelt sowie Kultur und Freizeit.47 Die Umweltindikatoren im System Sozialer Indikatoren des ZUMA wurden seit 1987 am Mannheimer Institut für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) erhoben und weiterentwickelt. Dieses Indikatorensystem zielt auf die Wohlfahrtsmessung und Beobachtung zentraler Tendenzen des sozialen Wandels. Um den Zustand und den Wandel der Umwelt als Bestandteil der objektiven Lebensbedingungen erfassen zu können, wurden in die Sozialberichterstattung relevante Indikatoren aufgenommen, die in komprimierender Form über die „Versorgung mit Umweltgütem", die „Qualität der Umweltbedingungen", die „subjektive Wahrnehmung und Bewertung der Umweltbedingungen", „umweltbeeinträchtigende Aktivitäten"

Vgl. Kopfmüller, J. et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, 2001, S. 326.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

64

sowie die „Sicherung der Umweltqualität" informieren sollen. Hierfür sind diesen fünf Zieldimensionen insgesamt 23 Indikatoren (s. Tabelle 14) zugeordnet.48 Tabelle 14:

Umweltindikatoren im

System Sozialer Indikatoren des ZUMA

Dimension

Indikator

Versorgung mit Umweltgütern

Waldflächenanteil Siedlungs- und Verkehrsflächenanteil Qualität der Umweltbedingungen Kohlendioxid- Emissionen Schwefeldioxid- Emissionen Stickoxid- Emissionen Staub- Emissionen Anteil der geschädigten Waldfläche Subjektive Wahrnehmung und Zufriedenheit mit dem Umweltschutz Bewertung der Umweltbedin- Besorgnis um den Schutz der Umwelt gungen Klage über die Qualität des Trinkwassers Klage über mangelnden Zugang zu Grünflächen Klage über Landschaftszerstörung Klage über Luftbelastungen Besorgnis über die Luftverschmutzung Besorgnis über Klimaveränderungen Besorgnis über die Verschmutzung von Gewässern AktiHausmüllaufkommen Umweltbeeinträchtigende vitäten Fahrleistung im Individualverkehr der Sicherung Umweltqualität Menge Behälterglas- Sammlung Anteil der Ausgaben für Umweltschutz am BSP Anteil der staatlichen Ausgaben für Umweltschutz am BSP Flächenanteil von Naturschutzgebieten Sanktionierte Straftaten gegen die Umwelt

Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat,

Quelle:

2000, S. 113.

sozialer Indikatoren im Ansatz des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) sich um eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, die seit 1984 in einem jährlichen Rhythmus bei denselben Personen und Familien durchgeführt wird. Die Stärken des SOEP liegen vor allem in seiner Analysemöglichkeit begründet, die unter anderem aus dem Längsschnittsdesign des Panels sowie der Möglichkeit zu innerdeutschen Vergleichen resultieren. Es liefert kontinuierlich Informationen zu: Bei der handelt

Erfassung es



Haushaltszusammensetzung,



Wohnsituation,



Erwerbs- und Familienbiographien,

Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.l 11 f.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung •

Erwerbsbeteiligung und berufliche Mobilität,



Einkommensverläufe,

65

Gesundheitszustand sowie Die allgemeine Lebenszufriedenheit in Deutschland49

• •

Neben diesen regelmäßig erhobenen Daten werden darüber hinaus weitere schätzungen in unregelmäßigen Befragungen (s. Tabelle 15) erhoben:

Umweltbezogene Themenbereiche im Erhebungssystem des SOEP

Tabelle 15:

Datenerfassung Gegenstand regelmäßiger Erhebung Gegenstand unregelmäßiger Erhebung Quelle: 2.4.2

subjektive Ein-

Indikatoren

Zufriedenheit mit dem Umweltzustand (seit

1990) Besorgnis 1984) Umweltsituationsbezogene Zukunftserwartungen um

den Schutz der Umwelt (seit

Wichtigkeit von Umweltschutzmaßnahmen Belastende Umwelteinflüsse am Arbeitsplatz Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.116.

Gesamtrechnungssysteme

Die Umweltökonomischen Gesamtrechnungssysteme (UGR) sind in Deutschland Ende der 1980er Jahre mit dem Ziel angetreten, ein Öko-Inlandsprodukt durch den Abzug von Abschreibungen auf das nicht produzierte Naturkapital vom Nettoinlandprodukt zu ermitteln.

Überlegungen zu einer Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) setz-

in Deutschland bereits vor der allgemeinen Anerkennung des Nachhaltigkeitspostulats obersten Leitbild der Umweltpolitik ein. 1991 wurde beispielsweise der wissenschaftliche Beirat „Umweltökonomische Gesamtrechnung" geschaffen, der die Arbeit des Statistischen Bundesamtes fordernd begleiten soll.50 ten

zum

Wie die Abbildung 14 zeigt, werden in den deutschen UGR derzeit die folgenden Module, die in sich methodisch geschlossen und gleichzeitig so weit wie möglich statistisch verknüpft sind, unterschieden: 1. Material- und Energieflüsse sowie 2. Bodennutzung für die Entstehungsseite von Umweltbelastungen („Pressures"), 3. Umweltzustand als Bilanz der natürlichen (Öko-)Systeme bzw. des Naturvermögens

(„State"), 4. tatsächliche Umweltschutzausgaben und

Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.114f. Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweitberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.130.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

66

5.

für die ökonomische Umweltschutzaktivitäten („Response").51

hypothetische Vermeidungskosten

Abbildung 14:

Erfassung

Die deutsche Konzeption der Umweltökonomischen

Belastung

Zustand

und

Bewertung

der

Gesamtrechnung

Umweltschutz Maßnahmen des Umweltschutzes Ivestitionen

Material- und

Energieflußrechnung Rohstoffverbrauch Emittenrenstruktur

Ausgaben

Themenbereich 1

Ausgaben für Umweltsanierungs

Themenberecih 4

maßnahmen minus

Abschreibung Nettoveränderung des Naturvermögens =

Nutzung von Fläche

Unterstellte

und Raum STABIS CORINE Land Cover

Vermeidungskosten zur Erreichung eines nachhaltigen Standards

Themenbereich 2

Themenbereich 3

Themenbereich 5

^-j-ir Standards für zulässige/ tolerierte

_] Gesamtrechnungsmethoden 1 Quelle:

Umweltbelastungen

) Geographisches Informationssystem

C__}

Indikatoren

Radermacher, W./Stahmer, C: Die Umweltökonomische Gesamtrechnung und ihre Verknüpfung mit den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, 1997, S. 159.

Mit der Übergabe der vierten und abschließenden Stellungnahme (2002) hat der Beirat „Umweltökonomische Gesamtrechnung" seine zwölfjährige Arbeit beendet. Mit der Vorlage dieser Stellungnahmen, die jede für sich substanzielle Beiträge zur konzeptionellen Entwicklung der Integration von Umweltschutzbelangen in die amtliche Statistik geleistet haben, hat der Beirat seine Aufgabe erfüllt. Zu einer weitreichenden Umsetzung der Beiratsvorschläge ist es bis dato nicht gekommen. Die Anbindung an das Statistische Bundesamt soll eine regelmäßige und auch in der Öffentlichkeit zugängliche Veröffentlichung der Daten gewährleisten. Die UGR soll jedoch in erster Linie Daten für wirtschaftspolitische Entscheidungen liefern.52 Durch die Verknüpfung der UGR mit den politischen Standards für zulässige bzw. tolerierte Umweltbelastungen soll die UGR für die nationale Ebene eine politische Ordnungsfunktion übernehmen.53

Vgl. Costanza, R. et al.: Einführung in die Ökologische Ökonomik, 2001, S. 161f. Vgl. Radermacher, W./Stahmer, C: Die Umweltökonomische Gesamtrechnung und ihre Verknüpfung mit den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, 1997, S. 162. Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstatrung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.133.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

67

Für den Ansatz der Ermittlung eines nachhaltigen Volkseinkommens (NVE) ist wie für alle UGRs die Kritik an der Aussagekraft des BLP als Indikator für die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der zentrale Ausgangspunkt. Mit dem Ziel, einen Maßstab fur die wirtschaftliche Entwicklung zu finden, der den Verbrauch und die Wertminderung der Umwelt erfasst, hat das Niederländische Zentralbüro für Statistik (CBS) eine umfangreiche methodische Studie zur Ermittlung eines NVE

vorgelegt.54

Der methodische Ansatz des CBS ist wie 1

folgt strukturiert:

Angebotskurve für die Umweltfunktion. Hierzu sind sogenannte Eliminierungskosten ermitteln, die Kosten für Vermeidungsaktivitäten darstellen, die auf die Erhaltung von Umweltfunktionen gerichtet sind. Erstellen einer

zu

,

2

Erstellung einer Nachfragekurve, die die Nachfrage der Gesellschaft nach Umweltfunktionen widerspiegelt. Dabei geht das CBS davon aus, dass Präferenzen für eine Nachhaltige Entwicklung vorhanden sind und diese auch der umweltrelevanten Nachfrage zugrunde liegen.

3

Verknüpfung von Angebots- und Nachfragekurven, wodurch die aggregierten Kosten zur Erreichung von Nachhaltigkeit ermittelt werden sollen, die dann vom traditionell berechneten BIP abzuziehen sind.55

Wie in der nachstehenden Abbildung 15 dargestellt, ist für eine praktische Anwendung zur Ermittlung eines NVE dieser methodische Ansatz anschließend in folgenden Schritten umzusetzen:

der Eliminierungskosten als Emissionen von Schadstoffen, die Funktionsverluste verursachen und als Verbrauch von Ressourcen und Flächen im Ausgangszustand.

1

Erfassung

2

Festlegung von Nachhaltigkeitsstandards

für die

entsprechenden Schadstoffe, Ressourcen

und Flächen. 3

Aufstellen einer Eliminierungskostenkurve für jede Umweltfunktion bzw. problem, falls sich zwischen Schritt 2 und Schritt 1 eine Differenz ergibt.

jedes Umwelt-

4

Bestimmung der Mindestkosten, die aufgewendet werden müssen, um die Umweltbelastung im Untersuchungsjahr bis auf die Nachhaltigkeitsstandards zu reduzieren.

5

Ermittlung des nachhaltigen Volkseinkommens durch Subtraktion der Differenz zwischen gegenwärtiger und hypothetischer nachhaltiger Situation vom konventionell berechneten

Sozialprodukt.56

54

Vgl. van Dieren, W. (Hrsg.): Mit der Natur rechnen Der neue Club-of-Rome-Bericht, 1995, S. 226f. Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitsposrulat, 2000, S.135. Vgl. van Dieren, W. (Hrsg.): Mit der Natur rechnen Der neue Club-of-Rome-Bericht, 1995, S. 244f. -

56

-

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

68

Abbildung

15:

Der methodische Ansatz der Ermittlung eines einkommens

Niveau für Verfügbarkeit der Funktion im Berichtsjahr nachhaltigen Gebrauch

nachhaltigen Volks-

Verfügbarkeit der

Umweltfunktionen,

ausgedrückt in einer physikalischen Maßeinheit

Angebotskurve (Kurve der Eliminierungskosten; Gesamtkosten) unvollständige Nachfragekurve, auf der Basis individueller Präferenzen (ermittelbar durch die Ausgaben, die für die Kompensation der Funktion angewandt werden, etc.) d' Nachfragekurve, auf das Nachhaltigkeitsniveau ausgerichtet BD Der Abstand, der überbrückt werden muß, um zu einer nachhaltigen Nutzung der Umweltfunktion zu gelangen EF Kosten des Verlustes der Funktionen, in Geldwerten ausgedrückt (= Auswirkung auf das Volkseinkommen) Die kleinen Pfeile deuten an, wie die Verluste der Umweltfunktion, die sich in physikalischen Größen niederschlagen, in Geldwerte übertragen lassen. S d

=

=

=

=

=

Quelle:

Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.136.

2.4.3

Integrationsansätze Im Unterschied zu reinen Umweltinformationssystemen fuhren Indikatoren einer integrierten Berichterstattung darüber hinaus zu einer erweiterten Betrachtungsperspektive, da sie neben der Umweltdimension auch die ökonomische und soziale Dimension gleichrangig abzudecken versuchen. Die Ansätze einer integrierten Berichterstattung unterscheidet diese gleichrangige Betrachtung der drei Zieldimensionen ebenso von den Gesamtrechnungsansätzen (UGR), die lediglich ein Instrument zur Erfassung der Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Wirtschaft darstellen.57 Das

Nachhaltigkeitsindikatorenprogramm der UN Commission an den 40 Kapiteln der Agenda 21

(CSD) orientiert sich

for Sustainable Development und ist nach dem „driving

Vgl. Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S. 147.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

69

force/state/response"-Schema strukturiert. Dabei wird hier die ökonomische, ökologische, soziale und institutionelle Dimension von Nachhaltigkeit durch eine Reihe von Indikatoren (s. Abb. 16) abgebildet. Abbildung 16:

Das

Driving Force-State-Response-Modell

Antriebsindikatoren

Zustandsindikatoren

Maßnahmen-

indikatoren

Kategorie: Soziales Kategorie: Wirtschaft

Kategorie: Umwelt Kategorie: Institutionen

Quelle:

Eigene Darstellung nach: Birkmann, J. et al.: Indikatoren zur Operationalisierung des Leitbildes Nachhaltiger Entwicklung, 1999, S. 30.

Von einem ursprünglichen Set von 138 Indikatoren ausgehend (davon 23 der ökonomischen, 38 der sozialen und 15 der institutionellen Dimension zugeordnet) wird derzeit in 20 ausgewählten Ländern eine praktische Erprobungsphase durchgeführt. In Deutschland wird dies unter der Federführung eines interministeriellen Arbeitskreises und unter Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen und Verbände sowie eines wissenschaftlichen Expertenkreises umgesetzt. In einem Bericht an die Bundesregierung ist das Set zunächst noch auf 218 Indikatoren erweitert worden, um so die Planungen schließlich auf 20-30 Kernindikatoren reduziert zu werden. Die nachstehende Tabelle 16 zeigt eine Auswahl verschiedener Antriebs-, Zustands- und Maßnahmenindikatoren und ihre Zuordnung zu den vier Kategorien Soziales, Wirtschaft, Umwelt sowie Institutionen: -

-

Vgl. BMU (Hrsg.): Erprobung der CSD-Nachhaltigkeitsindikatoren in Deutschland, 2000.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

70

Tabelle 16:

Ausgewählte Einzelindikatoren des CSD-Indikatorensystems

Kapitel Agenda 21 Kategorie: Soziales

Antriebsindikatoren

Kapitel 7:

Wachstumsrate der städtischen

Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung

Bevölkerung Pro-Kopf-

Verbrauch fossiler Brennstoffe im

Kfz-Transport

von

rophen

Finanzielle Ressourcen und Finanzie-

rungsmechanismen

Bevölkerungsan-

teil in städtischen Gebieten Wohnfläche pro Person Preise fur Erwerb

Menschliche und wirtschaftliche Verluste aufgrund von Naturkatast-

Kategorie: Wirtschaft Kapitel 33:

Zustandsindikatoren

Maßnahmenindikatoren

infrastrukturausgaben pro Kopf

Wohneigen-

Verhältnis Einkommen Fläche und Bewohneranzahl von städtischen „formellen und informellen" Siedlungen tum im zum

Nettoressourcentransfer am BIP Anteil der staatlichen Entwick-

Auslandsver-

Prozent der Um-

schuldung am BIP

weltschutzausga-

lungsausgaben am

Exporten

Schuldendienst in Relation zu den

BIP

ben am BIP Neue und zusätzliche Finanzmittel für nachhaltige

Entwicklung_ Kategorie: Umwelt Kapitel 18:

Jährliche EntnahGrundwasser und Oberflächenwasser Inländischer Wasserverbrauch pro me von

Schutz der Qualität und der Menge an Süßwasserressourcen

Kopf Kategorie: Institutionen Kapitel 35: Wissenschaft im Dienst einer nachhal-

tigen Entwicklung

Grundwasserre-

Grad der Abwas-

serven

serbehandlung Dichte der hydrologischen

Konzentration fäkaler Kolibakterien im Süßwasser Biochemischer Sauerstoffbedarf in Gewässern Potenzielle Wissenschaftler und

Ingenieure pro

Mio. Einwohner

Netzte

In F&E tätige Wissenschaftler und Ingenieure pro Mio. Einwohner

Anteil der F&EAusgaben am BIP

Quelle:

Döring, Th./Pahl, T.: Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat, 2000, S.150.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

71

Ein Beispiel für ein mehrdimensionales System, das vorwiegend auf die regionale Ebene ausgerichtet ist, stellt das der sogenannten FEST-Indikatoren dar. Dieser in Deutschland erste und bisher weitreichendste Indikatorensatz für Nachhaltige Entwicklung auf regionaler Ebene wurde 1997 von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (F.E.S.T.) mit Sitz in Heidelberg entwickelt.59 Dieses in einem diskursiven Prozess unter Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen und Experten erarbeitetes und 60 Indikatoren umfassendes System untergliedert sich in die drei Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft/Soziales sowie jeweils sechs Themenfelder bzw. Zielstellungen.60 Diese werden (s. Abb. 17) mit Hilfe der „Zauberscheiben" dargestellt, wodurch ausgedrückt werden soll, dass die einzelnen Nachhaltigkeitsbereiche in Beziehung zu einander stehen und nicht isoliert betrachtet werden können. Seine Einbindung und Weiterentwicklung als Informationsgrundlage in kommunalen und regionalen Agenda-Prozessen stellt das Hauptanwendungsgebiet dieses Indikatorensatzes dar. Zwar sind die Indikatoren zunächst für Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis exemplarisch angewendet worden, mittlerweile wird er jedoch auch in anderen Kommunen im In- und Ausland (Viernheim, Luxemburg) als Referenzrahmen und Orientierung verwendet.61

Abbildung 17:

„Zauberscheiben" der FEST-Indikatoren WIRTSCHAFT

UMWELT

Quelle:

et al.: Indikatoren ger Entwicklung, 1999, S. 36.

Birkmann, J.

Vgl. Birkmann, 1999, S. 35f.

J. et al.: Indikatoren

zur

zur

Operationalisierung des Leitbildes Nachhalti-

Operationalisierung

des Leitbildes

Nachhaltiger Entwicklung,

Vgl. Kopfmüller, J et al.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, 2001, S. 325. Vgl. Birkmann, J. et al.: Indikatoren zur Operationalisierung des Leitbildes Nachhaltiger Entwicklung, 1999, S. 36f.

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

72

Die nachstehende Abbildung 18 vermittelt einen abschließenden der Umweltberichterstattung.

Abbildung 18:

Überblick über die Ansätze

Überblick über die verschiedenen Ansätze einer Umweltberichterstattung Ansätze mit

Ansätze ohne Berücksichtigung sozioökonomischer Daten

Umweltstatistiken

Berücksichtigung

sozioökonomischer Daten •

Beobachtungssystem

Umweltindikatorensysteme PSR-Modell (OECD) Umweltbarometer (Bundesregierung) -

Sektoral/medial

Umweltinformationssysteme (mit Ausnahmen)

im Kontext der Sozialberichter-

stattung

Umweltdatenbanken

ZUMA

SOEP •

Gesamtrechungssysteme SEEA (UN) -

Umweltökonomische Gesamt-

rechnung (Statistisches Bundesamt) Nachhaltiges Volkseinkommen (NVE, Hueting) ISEW -



Integrationsansätze DSR (CSD) -

Quelle:

Döring, Th./Pahl, 2000, S. 72.

T.:

Umweltberichterstattung unter dem Nachhaltigkeitspostulat,

Mit Blick auf die drei Hauptgruppen von Berichtsystemen, nämlich Umweltindikatorensysteme, Gesamtrechnungsansätze und Integrationsansätze, die ökonomische, soziale und ökologische Aspekte gleichermaßen berücksichtigen, lassen sich nach den bisherigen Erfahrungen folgende Ergebnisse zusammenfassen: •



Umweltindikatorensysteme Ihnen liegt allein die Umweltperspektive zugrunde, weshalb sie einer an dem Nachhaltigkeitspostulat ausgerichteten Integration ökologischer, ökonomischer und sozialer Indikatoren nur sehr bedingt Rechnung tragen. Die meist im Rahmen von Systemen der indikatorgestützten Sozialberichterstattung ermittelten Daten weisen das Defizit auf, dass die Erfassung umweltrelevanter Informationen eine tendenziell untergeordnete Rolle im Vergleich zur Erhebung der sozioökonomischen Daten spielt. Gesamtrechnungsansätze Hierbei werden in den jeweiligen Ansätzen zumeist monetäre Bewertungen der Wechselbeziehungen zwischen ökonomischen und ökologischen Systemen vorgenommen, vor allem um zu einer Berechnung des Ökosozialprodukt zu gelangen. Dabei werden aber weder subjektive noch sozioökonomische Daten explizit erfasst. Allerdings stellt zumindest

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

73

der Ansatz der satz •

zu

Ermittlung eines nachhaltiges Volkseinkommens einen interessanten Integration ökonomischer, sozialer und ökologischer Daten dar.

An-

Integrationsansätze Diese Ansätze stellen für eine Fortentwicklung von Umweltberichtssystemen sicherlich die wichtigste Ausgangsbasis dar. Allerdings weisen auch Integrationsansätze Zielkonflikte auf: Erstens Konflikte zwischen Integrationsbreite und -tiefe, zweitens zwischen den allgemeinen Anforderungen an die Ausgestaltung eines Berichtssystems und den speziellen Anforderungen an die Integrationsleistung sowie drittens zwischen der Erfassung der regionalen Besonderheiten „vor Ort" und dem Ziel einer möglichen regionenübergreifenden Integration und Vergleichbarkeit („Nutzentransfer") von Daten.62

An dieser Stelle wird auch deutlich, dass das Interesse der staatlichen Umweltberichterstattung weit über das der betriebsindividuellen Berichterstattung hinausgeht, wenngleich erstere

wichtige Rahmendaten für die Nachhaltige Unternehmung liefert. der Konzepte ist ein nicht

zu

unterschätzendes Hindernis auf dem

Die mangelnde Umsetzung Weg zu einer Nachhaltigen

Unternehmung. Die zögerliche Umsetzung bzw. NichtUmsetzung der skizzierten Konzepte hat dazu geführt, dass in den 90er Jahren eine Vielzahl von EDV-gestützten Informationstools unterschiedlicher Reichweite für den Einsatz im Unternehmen entwickelt wurden (nicht zuletzt im Kontext der EMAS-VO). Der vielerorts geforderte „micro-macro-link" ist aber nach wie vor mehr Wunschvorstellung als Realität. Für eine effiziente Nachhaltige Unternehmung wird es zukünftig von großer Bedeutung sein, wie (und wie zügig) sich eine weitere Implementierung der staatlichen Umweltberichterstattung gestaltet oder ob an dieser Stelle nach wie vor auf die Eigeninitiative der Unternehmen gesetzt wird, die aber den limitierenden Faktor der Informationskosten zu berücksichtigen haben.

Vgl. Hansjürgens, B.: Regionale Umweltberichterstattung wicklung, 2000, S. 275f.

unter dem

Leitbild einer

nachhaltigen

Ent-

Kapitel 2: Der Diagnoseraum der Nachhaltigen Unternehmung

74

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-

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

3

Der

77

Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

Die Kenntnis der politischen Entwicklungslinien (Kapitel 1), die zur Etablierung des Leitbildes „Nachhaltige Entwicklung" geführt haben, verdeutlichen ein zentrales Element der Nachhaltigen Unternehmung: Entwicklung. Diese auf den ersten Blick trivial erscheinende Feststellung verdeutlicht erstens die Abkehr von rein ordnungspolitischen Vorstellungen zur Bekämpfung der ökologischen Krise und zweitens den „Bewährungsstatus", der mit der Akzeptanz, aber auch Duldung dieses Leitbildes staatlicherseits verknüpft ist. Mit anderen Worten, scheitern die freiwilligen Bemühungen der Unternehmen um eine umweit- und sozialverantwortlichere Unternehmensführung wird der allmählich gelockerte umweltpolitische Rahmen wieder enger „geschnürt" werden. ,

Darüber hinaus ist die Kenntnis der ökologischen, ökonomischen und sozialen Diagnosen bzgl. der Strategieentscheidungen einer Nachhaltigen Unternehmung von zentraler Bedeu-

tung. Zudem haben in den letzten 15 Jahren einige wenige Unternehmen (die sog. „Öko-Pioniere") grundlegende und weitreichende Umweltschutzkonzepte implementiert, die einerseits sicherlich nicht als status quo in der Volkswirtschaft gelten können, an denen sich andererseits aber auch Neueinsteiger messen lassen müssen. Zudem sind die Anforderungen an den betrieblichen Umweltschutz generell gestiegen. Durch „Umwelttechnik von der Stange" und zunehmend komplexere umweltrechtliche Vorgaben wurde die Messlatte für eine „Nachhaltige Unternehmung" in den letzten 10 Jahren immer höher gelegt. Für die Nachhaltige Unternehmung ist die genaue Kenntnis der unternehmensrelevanten Akteurskonstellation des „Regelungsraums" auch deshalb von Bedeutung, weil diese die demokratische legitimierte Einflusssphäre (Stichwort: „Lobby-Arbeit") kennzeichnen und damit mögliche zukünftige (ex- und interne) Einfluss- und Gestaltungsparameter definieren. 3.1

Staatliche Akteure

Zentrale Akteure der

die staatlichen Umweltschutzinstitutio(BMU), das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Zusammen mit den übergeordneten EU-Einrichtungen, den untergeordneten Landes- und Kommunalbehörden des Umwelt- und Naturschutzes stellen sie ein ausdifferenziertes „Mehrebenensystem" dar, das generell eine große Handlungskapazität aufweist, allerdings auch erhebliche, vertikale wie horizontale Koordinierungsleistungen erfordert. Bei Naturschutz, Landschaftsplanung und Wasserhaushalt kann der Bund beispielsweise nur Rahmenrichtlinien erlassen, die durch Landesgesetze umgesetzt werden müssen. Die Länder verfügen de facto über ein Vollzugsmonopol im Umweltrecht und die Kommunen besitzen aufgrund ihrer Selbstverwaltungsgarantie eine eigene umweltschutzrelevante Kompetenz, insbesondere für die Abfall- und Abwasserentsorgung, die Bauleitplanung und die Energie- und Wasserversorgung, deren Finanzierung nicht durch Steuern sondern überwiegend durch Beiträge und Gebühren erfolgt.1

Umweltpolitik

sind

allgemein

nen, in Deutschland insbesondere das Bundesumweltministerium

Vgl. Simonis, U.:

Stichwort Umweltpolitik,

2001, S. 5.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

78

3.1.1 Internationale Institutionen 3.1.1.1 Vereinte Nationen

Die

Hauptorgane der Vereinten Nationen (United Nations, UN), die Generalversammlung (GV), der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) und die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD), eine funktionale Kommission des ECOSOC, die 1993 als Folge der RioKonferenz errichtet wurde, sind alle (auch) mit globaler Umweltpolitik befasst. Neben diesen zwischenstaatlichen Organen besteht das 1972 gegründete Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), seit Anfang 1998 unter der Leitung des deutschen Exekutivdirektors Prof. Klaus Töpfer, dem wiederum ein eigenes zwischenstaatliches Aufsichtsgremium, der Verwaltungsrat, vorsitzt. Auch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), Regionalkommissionen der Vereinten Nationen, wie die Europäische Wirtschaftskommission (ECE), sowie Sonderorganisationen der Vereinten Nationen befassen sich ebenfalls mit Umweltschutzfragen. Nicht zu vergessen die Umweltkonventionen, die jeweils über eigene Vertragsstaatenkonferenzen verfügen, und das künftige Waldforum der Vereinten Nationen

(UNFF).2

wichtigen Feldern globaler Umweltprobleme wurden 1992 auf der Konferenz internationale völkerrechtliche Abkommen geschlossen. Dabei wurden insbesondere Problemstellungen definiert.

Zu

von

Rio

folgende

1. Klimaschutz 2. Sinkende Biodiversität 3. Kampf gegen die Wüstenbildung 4. Schutz der Wälder3

Seit Bildung des Umweltministeriums im Jahre 19864 hat Deutschland eine Fülle bilateraler Abkommen sei es als Regierungsabkommen oder als Ressortvereinbarungen mit vielen Partnerstaaten in Europa und in anderen Regionen der Welt geschlossen. Diese Abkommen haben entweder ganz allgemein eine Zusammenarbeit im Bereich des Umweltschutzes oder konkrete Projekte der umweltschutzorientierten Zusammenarbeit zum Gegenstand. Besonders eng arbeitet Deutschland mit seinen europäischen Nachbarn in der Umweltpolitik zusammen (Umweltbelastungen sind vielfach „grenzüberschreitend"). Mit Frankreich findet neben den deutsch-französischen Gipfeltreffen und kontinuierlichen Konsultationen jährlich ein deutschfranzösischer Umweltrat der Umweltminister beider Länder statt. Innerhalb der EU kommt den Umweltschutzthemen ein besonders hoher Stellenwert zu. Die Umweltminister treffen sich regelmäßig im EU-Rahmen aber darüber hinaus auch im bilateralen Kontext. Sehr intensiv gestaltet sich auch die Zusammenarbeit mit Russland, Polen und der Tschechischen Republik. Auch mit Polen besteht ein Umweltrat, der regelmäßig zusammentritt, um Fragen der Zusammenarbeit beim Umweltschutz in beiden Ländern zu behandeln. Die enge Zusammenarbeit mit den USA ist ebenfalls von großer Bedeutung. Neben der laufenden Zusammenar-

-

Auswärtiges Amt: Internationale Umweltpolitik. URL: http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussen politik/aussenwirtschaft/umweltpolitik/umwelt-global html. Stand: 25.05.2002. http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/aussenwirtschaft/umweltpolitik/abkommen html. Stand: 25.05.2002. Vorher war die Umweltpolitik im Innenministerium angesiedelt.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

79

beit auf spezifischen Umweltschutzfeldern wird ein intensiverer umweltpolitischer Dialog u.a. auf dem Gebiet der Klimaschutzpolitik gepflegt.5 3.1.1.2 Europäische Union Die erste Erklärung zur Umweltpolitik in der Europäischen Union wurde im Jahr 1972 während des Gipfeltreffens in Paris verabschiedet. In mehreren Aktionsprogrammen wurden seither die Leitlinien der europäischen Umweltpolitik entwickelt. Sie bezogen ihren umweltpolitischen Stellenwert über den durch sie initiierten Kommunikationsprozess und die daraus erfolgte Zielverständigung, die für die Verabschiedung der entsprechenden Verfassungsartikel notwendig war. Somit wurde der Grundsatz des vorbeugenden Umweltschutzes 1983 im 3. Aktionsprogramm festgelegt, bevor er durch die Europäische Einheitliche Akte (EEA) im Jahre 1987 rechtswirksam wurde.6 Im Juli 2002 beschloss (in der Rechtsform verbindlicher Beschlüsse) die Europäische Gemeinschaft ihr schließlich jüngstes von bislang sechs Umweltaktionsprogrammen; erstmalig mit einer Laufzeit von zehn Jahren.

Die vier Schwerpunktbereiche des Programms sind: Klimawandel (Art. 5) Schutz natürlicher Lebensräume und biologische Vielfalt Anthropogene Umwelt und Gesundheit (Art. 7) Ressourcenbewirtschaftung und Abfallwirtschaft (Art.

(Art. 6)

8)7

Mit der Einführung dieses Umweltartikels in den EWG-Vertrag hatte die Gemeinschaft erstmals das Recht, umweltpolitische Entscheidungen auch dann vorzunehmen, wenn diese nicht den wirtschaftlichen Hauptzielen des EWG-Vertrages dienen. Hierdurch wird Umweltschutz zu einem eigenständigen Ziel der EG-Politik u.a. mit folgenden Zielen: • • •

die Umwelt zu erhalten, zu schützen und ihre Qualität zu verbessern, Schutz der menschlichen Gesundheit beizutragen sowie eine umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen zu gewährleisten.8 zum

„Thema der ersten Richtlinien war die Prüfung und Kennzeichnung von gefährlichen Chemikalien, der Schutz des Trinkwassers und des Oberflächenwassers sowie die Überwachung von luftverschmutzenden Stoffen wie SO2, NOx und des

Ausstoßes partikulärer Substanzen von Kraftwerken und Kraftfahrzeugen. Viele der Richtlinien der siebziger und achtziger Jahre betrafen Europas wichtigste Verpflichtung, nämlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen seiner Bürger zu verbessern. Den Menschen wurde immer stärker bewußt, daß für die Lebensqualität nicht allein das Einkommen und materielle Güter zählen. [..] Der neue Artikel im Vertrag spiegelte nur das wider, was die Regierungen bereits erkannt hatten,

http://www.auswaertiees-amt.de/www/de/aussenpoliük/aussenwirtschaft/umweltpolitikybih

umweit

html, Stand: 25.05.2002.

Vgl. Frensch, R.: Auf dem Weg zu einer europäischen Umweltpolitik, 1995, S. 171-172. Vgl. hierzu mit berechtigter Kritik: M. Langerfeldt: Das Sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft.

2003, S. 339-342.

Vgl. Wicke, L./Huckestein, S. 83.

B.: Umwelt

Europa

der Ausbau -

zur

ökologischen Marktwirtschaft, 1991,

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

80

nämlich daß Länder zu einer miteinander verbundenen und voneinander abhängigen Welt von Völkern gehören, die durch die Luft, die sie atmen, die Nahrung, die sie zu sich nehmen, die Produkte, die sie verwenden, die Abfälle, die sie wegwerfen, die Energie, die sie verbrauchen und die Reisen, die sie zu Geschäftszwecken und zum Vergnügen unternehmen, miteinander verbunden sind. So kann beispielsweise eine Fabrik in einem Mitgliedstaat Zulieferungen und Rohstoffe aus verschiedenen anderen Mitgliedstaaten einführen, sie kann Energie aus importiertem Gas erzeugen, Abfälle produzieren, die sich auf die Luft- und Wasserqualität über die Landesgrenze hinweg oder auf nachfolgende Prozesse auswirken, und Erzeugnisse ausführen, für deren Abfälle dann Regierungen und Menschen die Verantwortung tragen, die einige hundert oder sogar viele tausend Kilometer entfernt wohnen." In den Artikeln 130r bis 130t EGV sind die Grundlinien, das Beschlussverfahren und die politischen Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft im Rahmen der Umweltpolitik verankert worden. Es ergeben sich hierdurch erhebliche Änderungen im Umweltrecht sowie in der politischen Prioritätensetzung auf der Ebene der

Gemeinschaftspolitik.10

Nach Artikel 189 EWG-Vertrag stehen der Gemeinschaft zur Durchsetzung ihrer litischen und der übrigen Ziele folgende juristische Informationen zur Verfügung: •







umweltpo-

Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen Staaten verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat und damit auch für jeden Bürger in der Gemeinschaft. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel zur Umsetzung in nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Adressaten können dabei eine oder mehrere Mitgliedsstaaten aber auch eine oder mehrere Personen innerhalb der Gemeinschaft. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich."11

Da die Gemeinschaft bei der Durchsetzung der europäischen Umweltschutzregelungen auf den Vollzug durch die Einzelstaaten angewiesen ist, es hier aber an Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten auf europäischer Ebene mangelte, wurde entsprechend reagiert:

„[.] Die Union ist zu der Erkenntnis gelangt, daß einige ihrer früheren Gesetze nicht mehr den Anforderungen des modernen Umweltschutzes und der Umweltmanagementpraktiken entsprechen. Da der größte Teil der EU-Umweltgesetzgebung in Form von Richtlinien vorliegt, die von den Mitgliedstaaten einzuführen Europäische Kommission: Europa in Bewegung: Umwelt. URL: http://europa.eu.int/comm/dglO/ publications/brochures/move/env/envbro/de/txt01.html#titre. Stand: 25.05.2002. Vgl. Frensch, R.: Auf dem Weg zu einer europäischen Umweltpolitik, 1995, S. 172 Wicke, L./Huckestein, B.: Umwelt Europa, 1991, S. 85. Die

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

81

und durchzusetzen sind, hängt es von den einzelstaatlichen Gesetzen und Verwaltungen ab, inwiefern das Unionsrecht umgesetzt wird. Ein weiteres Problem besteht darin, daß es in den Mitgliedstaaten oftmals an den Institutionen, dem Personal, den Überwachungsmöglichkeiten und der Festlegung von Strafen mangelte, um zu gewährleisten, daß die rechtlichen Regelungen der Union jederzeit und überall befolgt wurden. Gleichzeitig gab es niemals so viele öffentliche Beschwerden bei der Kommission über die Verletzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts. Daher liegt nunmehr die Betonung auf der Verbesserung der Kohärenz, der Einheitlichkeit, des Geltungsbereichs, der Verwaltung und Durchsetzung der Umweltvorschriften der Union. Dazu gehört eine Vielzahl von Maßnahmen, deren Spannweite sehr groß ist und folgendes umfaßt: Einbeziehung der Industrie und der Öffentlichkeit in die Erarbeitung von Rechtsakten, bessere Überwachung der Umsetzung und der Berichterstattung darüber, Ersatz nicht sachbezogener, zu eng gefaßter Richtlinien durch eine gemeinsame Rahmenrichtlinie für jeden Sektor, die an die Mitgliedstaaten gestellte Forderung, Verletzungen der Gesetze zur Umsetzung des EU-Rechts zu bestrafen, Verhängung von Geldstrafen für Mitgliedstaaten, die die Entscheidungen des Gerichtshofes zu Umweltfragen nicht befolgen. 1997 wandte die Kommission dieses neue Verfahren erstmalig an. Die ersten sechs Fälle betrafen Mitgliedstaaten, die frühere Urteile des Gerichtshofes nicht eingehalten haben. Das Ergebnis war positiv, denn in den meisten Fällen haben die Mitgliedstaaten ihre nationale Gesetzgebung unverzüglich mit dem EURecht in Übereinstimmung gebracht."12 Während die rechtliche Harmonisierung in der Politik der Gemeinschaft maßgeblich die Integrationspolitik bestimmt, stehen vor allem in den Grenzregionen der politische Wille und das Engagement der Akteure für den Umweltschutz im Mittelpunkt, d.h. dass in konkreten Projekten die Vermittlungsleistung von innovativen, grenzüberschreitenden denkenden und handelnden Akteuren zu einer Kooperationskultur führt, die nicht nur den Erfolg der Projektarbeit sichert, sondern einen Beitrag zu einem Europa nach dem bottom-up-Prinzip leistet.13 3.1.2 Nationale Akteure

Obwohl die staatliche Neugestaltung des westlichen Teils von Deutschland nach 1945 keine einschneidenden Änderungen in den umweltpolitischen Belangen mit sich brachte, ist in diesem Zusammenhang auf einen entscheidenden Unterschied zwischen der politischen Kultur vor und nach 1945/49 hinzuweisen: Es entstand nunmehr eine Parteien- und Verbändedemokratie wie sie in anderen westlichen Demokratien üblich war und ist. Völlig veränderte Interaktions- und Interventionsmöglichkeiten, dazu eine mehr und mehr mit demokratischem Selbstverständnis ausgestattete Exekutive belebten die Umweltschutzpolitik um so mehr, je weiter sich die Bundesrepublik von den unmittelbaren Aufgaben der Nachkriegszeit, staatlicher Neuordnung und wirtschaftlichen Wiederaufbau entfernte. In der ersten, etwa bis 1959/61 dauernden Phase der Umweltpolitik traten vier hinzu und bestimmten auch im folgenden die Struktur der Umweltpolitik:

Europäische Kommission,

neue

Momente

URL: http://europa.eu.int/comm/dg 1O/publications/brochures/move/env/ envbro /de/txt08.html#titre. Stand: 25.05.2002. Vgl. Frensch, R.: Auf dem Weg zu einer europäischen Umweltpolitik, S. 182f.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

82

1. Charakteristisch war im Gegensatz zur Vergangenheit die übergreifende Zusammenarbeit der Parteien oder Gruppen innerhalb der Parteien. 2. Die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene und die Orientierung am Ausland, besonders den USA, nahm zu. 3. Es wurde ermöglicht, durch einen größeren Mitteleinsatz für Forschungsbereiche, die für den Umweltschutz von hoher Bedeutung waren, Folgen und Voraussetzungen der Umweltbelastung und die möglichen und notwendigen Gegenmaßnahmen genauer zu bestimmen. 4. Es erfolgte die Zusammenarbeit von Regierung, Industrie und forschungsorientierten Verbänden und Einrichtungen (DFG,

VDI).14

Mit dem Wahlkampf von 1961 und der SPD-Forderung nach einem „blauem Himmel über der Ruhr" kann der Beginn der zweiten Phase festgemacht werden. Die auch unter dem Einfluss der Medien und einer internationalen Diskussion (WHO) gewachsene Bereitschaft zu staatlichen Interventionen schlug sich sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Umweltpolitik nieder, etwa im Ausbau der Bürokratien, die bessere politische Planungsdaten und Kontrollmöglichkeiten im Umweltschutz ermöglichen sollten. Die

Koalitionsbildung von SPD und FDP markiert umweltpolitisch einen entscheidenden Wendepunkt, da der Umweltschutz zunehmend von den Bürgern als wichtiger „political issue" verstanden wurde,15 der mit folgenden Vorstellungen einherging: • •

Die Exekutive ist der erste Akteur der Umweltpolitik Es gibt weitgehenden Konsens zwischen den Parteien in der Umweltpolitik.

Aus dieser Zeit stammt

u.a. das Abfallbeseitigungs-Gesetz (1972) und das BundesImissionsschutz-Gesetz (1974). Allerdings war die Umweltpolitik der siebziger Jahre primär auf den Schutz der menschlichen Gesundheit, nicht so sehr auf den Schutz von Flora und Fauna ausgerichtet. Zudem konzentrierten sich die Anstrengungen mehr auf Optimierung, vorhandenen Erlass neuer Rechtsvorschriften, wie auf die Lösung von Vollzugsproblemen.16

In den

achtziger Jahren, der vierten politik an Bedeutung: In München

Phase gewinnt insbesondere die internationale Umweltfindet 1984 eine internationale Umweltkonferenz statt. 1986 wird, nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, schließlich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) errichtet.

Die fünfte Phase ab Ende der achtziger Jahre wird bis heute durch das Leitbild der Nachhaltigen

Entwicklung geprägt.17

Die

Entwicklung des Politikfeldes Umwelt läßt sich zusammenfassend wie folgt skizzieren:



1971

Umweltprogramm (weit über 100 Gesetze und Verordnungen)

Vgl. Wey, K.-G.: Umweltpolitik in Deutschland, S. 153f. Vgl. Wey, K.-G.: Umweltpolitik in Deutschland, S. 154. Vgl. Looß, A.: Entwicklungsstationen der Umweltpolitik, 1995, S. Vgl. Looß, A.: Entwicklungsstationen der Umweltpolitik, 1995, S.

152f. 155f.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung •



• • • •

83

Stärkung der Bundeskompetenzen durch Änderung des Grundgesetzes: Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung ab 1973 Bürgerinitiativbewegungen, ab 1976 Gründung der grünen und alternativen Gruppierungen und Parteien 1974 Bundesimmissionsschutzgesetz 1972

Bereiche

1983 ziehen die Grünen in den Bundestag ein 1986 Errichtung des Umweltministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

An dieser Stelle ist

festzuhalten, dass bis in die späteren 1980er Jahre vorwiegend mit einem „command-and-control-Ansatz" versucht wurde, umweltpolitisches Verhalten über traditionelle Instrumente des Ordnungsrechts zu beeinflussen. Auf Grundlage des sich zunehmend durchsetzenden Leitbildes Nachhaltige Entwicklung erfolgte seit Beginn der 1990er Jahre der allmähliche Wechsel zu einer kooperativeren nationalen Umweltplanung.18 Die zentrale Planungs- und Koordinierungskompetenz der deutschen Umweltpolitik liegt beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) (auch als „Bundesumweltminister bezeichnet). Neben der Federführung für das Umweltprogramm ist er für zahlreiche Gesetzesbereiche zuständig: • • • •

• • •

• • •

• •

• • • •

„Grundsatzfragen der Umweltpolitik Internationale Zusammenarbeit Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen Aufklärung der Bevölkerung in Umweltfragen Klimaschutz, Umwelt und Energie

Luftreinhaltung Lärmbekämpfung Schutz von Grundwasser, Flüssen, Seen und Meeren Bodenschutz und Altlastensanierung Kreislaufwirtschafts- und Abfallpolitik Chemikaliensicherheit, Umwelt und Gesundheit Vorsorge gegen Störfälle in Industrieanlagen Schutz, Erhalt und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt Sicherheit in kerntechnischen Anlagen Strahlenschutz Nukleare Ver- und

Entsorgung"19

Eine besondere Stellung besitzt das Umweltbundesamt als desumweltministers:

nachgeordnete

Behörde des Bun-

Vgl. Jänicke, M.: Entwicklung der Umweltpolitik in Deutschland. Düsseldorf 2001. URL: http:// www. phil-fak.uni-duesseldorf.de/politik/sose2001/umweltpol brd/entwicklung.pdf, Stand: 22.05.2002. Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Aufgaben. URL: http://www. bmu.de/fsetl024.php. Stand: 22.05.2002.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

84



„Wir ermitteln, beschreiben und bewerten den Zustand der Umwelt,

einträchtigungen



von

Mensch und Umwelt

möglichst frühzeitig

um Beund umfas-

send zu erkennen. Wir entwerfen im Rahmen der Ressortaufgaben fachliche Konzepte und schlagen dem BMU und anderen Bundesministerien wirksame Maßnahmen vor.

• •





Wir beraten auch andere staatliche, kommunale und private Einrichtungen. Wir informieren die Öffentlichkeit allgemeinverständlich über die Ursachen sowie praktischen Möglichkeiten zur Lösung von Umweltproblemen. Wir wirken in internationalen Gremien und Konferenzen an der Weiterentwicklung des internationalen Umweltschutzes. Wir stellen unser Wissen und unsere Erfahrungen national und international zur

Verfügung."20

Das Bundesamt für Strahlenschutz ebene dar:

(BfS)

stellt einen weiteren

wichtigen Akteur auf Bundes-

„Das BfS ist eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Um-

welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), die ihre Arbeit im November 1989 in Salzgitter aufgenommen hat. Das BfS nimmt Vollzugsaufgaben des Bundes nach dem Atomgesetz und dem Strahlenschutzvorsorgegesetz wahr, erfüllt Aufgaben auf den Gebieten des Strahlenschutzes, der kemtechnisehen Sicherheit, der Beförderung radioaktiver Stoffe und der Entsorgung radioaktiver Abfälle. Es unterstützt das Umweltministerium bei der Wahrnehmung der Bundesaufsicht."21 Des weiteren ist das Bundesamt für Naturschutz (BfN) eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

(BMU): „Wir beraten das BMU in allen Fragen des nationalen und internationalen Naturschutzes und der

Landschaftspflege,

fördern

Naturschutzprojekte,

betreuen For-

schungsvorhaben und sind Genehmigungsbehörde für die Ein- und Ausfuhr

schützter Tier- und Pflanzenarten."22

ge-

Daneben wurde

Anfang der siebziger Jahre der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Umweltrat) gegründet. Er ist ein Beratergremium der Bundesregierung mit dem Auftrag, die Umweltsituation und -politik in der Bundesrepublik Deutschland sowie deren Entwicklungstendenzen darzustellen und zu begutachten und umweltpolitische Fehlentwicklungen zu deren Vermeidung/Beseitigung aufzuzeigen. Alle zwei Jahre wird ein entsprechendes Gutachten erstellt, der Bundesregierung übergeben und vom Umweltrat veröffentlicht. Darüber hinaus können vom Umweltrat zusätzliche Gutachten und Stellungnahmen zu umweltpolitischen Einzelfragen erarbeitet werden bzw. kann der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit den Umweltrat mit der Erstellung solcher Gutachten und Stellungnahmen 20

21 22

Vgl. Bundesumweltamt: Unser Leitbild. URL: http://www.umweltbundesamt.de, Stand: v. 22.05.2002. Vgl. Bundesamt für Strahlenschutz: URL: http://www.bfs.de/ v. 22.05.2002, 14:25 Uhr. Vgl. Bundesamt für Naturschutz: URL: http://www.brh.de/01/index.htm. Stand: 22.05.2002.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

85

beauftragen. Ziel der Gutachten und Stellungnahmen ist es, die Urteilsbildung bei allen umweltpolitisch verantwortlichen Instanzen und in der Öffentlichkeit zu erleichtern. Überwiegend handelt es sich bei der Tätigkeit des Umweltrates um wissenschaftliche Politikbera-

tung.23

1992 wurde der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) als unabhängiges Beratergremium eingerichtet. Er verfugt über eine Geschäftsstelle in Berlin, die administrativ an das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) angegliedert ist. Der Beirat ist direkt der Bundesregierung zugeordnet und wird im 2-Jahres-Rhythmus abwechselnd vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) federführend betreut. Außerdem begleitet ein interministerieller Ausschuss (IMA) aus allen Ministerien und dem Bundeskanzleramt die Arbeit des Beirats.

Alle zwei Jahre (vor 2001 jährlich) übergibt das Expertengremium dem Bundeskabinett ein Gutachten mit Handlungs- und Forschungsempfehlungen zur Bewältigung globaler Umweltund Entwicklungsprobleme. In Sondergutachten und Politikpapieren nimmt der Beirat auch zu aktuellen Anlässen, wie beispielsweise den Klimakonferenzen in Berlin (1995) oder Kyoto (1997 und 1998) Stellung. Die Hauptaufgabe des interdisziplinär besetzten Beirats ist die Auswertung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus allen Bereichen des Globalen Wandels und daraus politische Handlungsund Forschungsempfehlungen für eine Nachhaltige Entwicklung abzuleiten. Eine wichtige Grundlage hierfür ist das vom Beirat entwickelte Syndromkonzept. Insbesondere gehört zu den Aufgaben des Beirats: • •

• •





globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu analysieren und darüber zu berichten, nationale und internationale Forschungen auf dem Gebiet des Globalen Wandels auszuwerten und auf neue Problemfelder frühzeitig hinzuweisen, Forschungsdefizite aufzuzeigen, Impulse zur interdisziplinären und anwendungsorientierten Forschung des Globalen Wandels zu geben, nationale und internationale Politik zur Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung zu

3.2

zu

beobachten und Handlungs- und Forschungsempfehlungen für Politik und Öffentlichkeit zu erarbeiten und

verbreiten.24

Nicht-staatliche Akteure

Aus Sicht der Nachhaltigen Unternehmung sind das BMU und das UBA die wichtigsten Akteure der nationalen Umweltpolitik. Im Rahmen von Anhörungen, Fachtagungen und Arbeits-

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: URL: http://www.umweltrat.de/profil.htm. Stand: 22.05.2002. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Auftrag und Konzept. URL: http://www.wbgu.de/wbeu auftrag.html. Stand:. 22.05.2002.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

86

gruppen besteht hier eine

wichtige Möglichkeit

der

Informationsgewinnung

und Einfluss-

nahme.

Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland sind in wesentlichen Teilen das Resultat eines BargainingProzesses zwischen einer Vielzahl an Akteuren. Wirtschaftliche und damit auch umweltpolitische Rahmenbedingungen werden zwar letztlich von staatlicher Seite definiert und kontrolliert, deren inhaltliche Ausgestaltung ist jedoch in der Regel das Ergebnis politischer Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Akteuren25 (Staat, Industrieverbände, Parteien, etc.).

Die

Jahren, in denen Umweltschutz zu einem Thema der öffentlichen Diskussion wurde, Unternehmen und Umweltinitiativen noch weitgehend konfliktäre Auffassungen, so näherten sich diese im Zeitablauf allmählich aneinander an. Hierzu trugen institutionalisierte Arbeitskreise wie die 1977 gegründete Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen bei, in denen u.a. Unternehmer und Vertreter der Umweltverbände in einem formalisierten Verfahren über Umweltschutzthemen diskutierten. Der erste offizielle Dialog zwischen Wirtschaft und Umweltschutzorganisationen auf Verbandsebene fand 1985 statt: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Naturschutzring (DNR) diskutierten zum Thema „Neuartige Waldschäden".26 Vertraten in den 1960er und 1970er

Diskussionsforen schafften den Raum, um mit den wechselseitigen Vorbehalten aufzuräumen, Verständnis für die jeweils andere Position zu entwickeln und den Weg für einen konstruktiven Diskurs zu ebnen, bei dem auf Unternehmensseite die Relevanz der ökologischen Zusammenhänge und vice versa auf Seiten der Umweltverbände das Verständnis für ökonomische Zusammenhänge im Zentrum standen.27

Derartige

Der Abbau der Berührungsängste und die Entwicklung hin zu einem stärkeren Dialog und Verständnis für die Gegenposition wird auch in der sechsten These zur Umweltpolitik des BDI aus dem Jahre 1987 deutlich:

„Information und Transparenz führen zu kritischer Kooperation und mehr Konsens. Die Industrie ist bereit, die Kooperation mit allen Beteiligten zu verstärken: sie ist insbesondere bereit, das Mißtrauen zwischen Unternehmen und Umweltverbänden abzubauen. Der Politik kommt eine besondere Bedeutung bei der Aufklärung über Umweltprobleme zu. Kooperation in diesem Sinne erfordert eine offene Informationspolitik von Unternehmen, Verwaltung und Wissenschaft gegenüber den Bürgern. Unterschiedliche Standpunkte sollen offen dargelegt und diskutiert werden. Meinungsstreitigkeiten dieser Art dürfen sich jedoch nicht in ideologischen GrabenJäntcke definiert Akteure der Umweltpolitik als „kollektive Handlungsträger, die in diesem Politikfeld an gesellschaftlich bedeutsamen Meinungs- und Willensbildungsprozessen beteiligt sind", Jänicke, M.: Akteure der Umweltpolitik, 1995, S. 11. Vgl. Melier, E.: Umweltinitiativen zur Beeinflussung des Unternehmensverhaltens aus Sicht der Industrie, 1992, S. 219. Vgl. Meiler, E.: Umweltinitiativen zur Beeinflussung des Unternehmensverhaltens aus Sicht der Industrie, 1992, S. 218 ff.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

87

kämpfen erschöpfen. Kooperation statt Konfrontation darf nicht als Konspiration diffamiert werden. Zur verständnisvollen Kooperation mit Umweltverbänden sind neue Kooperationsfelder bei Wahrung der Verantwortlichkeiten zu suchen [...]. Die Industrie ist zunehmend bereit, verfügbare umweltrelevante Daten den fachlichen Diskussion zugänglich zu machen, soweit dem nicht zwingende Anliegen der im Wettbewerb stehenden Unternehmen entgegentreten. Die Industrie erwartet ihrerseits von den Medien, der Verwaltung und den Umweltverbänden, daß sie mit den Daten verantwortlich umgehen, damit wirkliche Umweltgefährdungen beseitigt werden und nicht Jagd gemacht wird auf vermeintliche Umweltgefahren. Regelmäßige Umweltberichter-

stattung der Unternehmen in ihren Geschäftsberichten ist anzustreben; in Teilbereichen der Industrie ist dies bereits gängige Praxis.

Ein wichtiger Meilenstein in der institutionalisierten Auseinandersetzung mit ökologischen und sozialen Zukunftsfragen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft war die Gründung des „econsense" Forums Nachhaltige Entwicklung im Sommer 2000. Das Forum Nachhaltige Entwicklung ist eine Initiative führender national und global agierender Unternehmen und Organisationen der Deutschen Wirtschaft, die das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung in ihr Unternehmensleitbild integriert haben. Das Forum wurde auf Anregung des BDI gegründet und wird von seinen Mitgliedsunternehmen getragen. Hierzu zählen u.a. die Allianz AG, die BASF, die Bayer AG, die BMW AG, die DaimlerChrysler AG und die Volkswagen AG. Unter Nachhaltiger Entwicklung versteht das Forum Nachhaltige Entwicklung einen langfristig angelegten Lern- und Veränderungsprozess. Dieser erfordert ein kontinuierliches Durchdenken von Ideen und Konzepten zu nachhaltiger Wirtschaft und Politik in einem offenen und kreativen Suchprozess. Bei diesem sind marktwirtschaftliche Instrumente und der offene Dialog die vorrangigen Instrumente. Sie sollen zu Wettbewerbsfähigkeit, Ressourceneffizienz und ökologischer Verträglichkeit, Arbeitsplätzen und Wohlstand führen.29

Die Mitglieder bekennen sich zu •







folgenden Handlungsmaximen:

verpflichten uns zu einem dem Nachhaltigkeitsprinzip entsprechenden Umgang mit allen Ressourcen und orientieren uns in unserem Handeln an anerkannten nationalen und internationalen Leitlinien und Vereinbarungen. Wir sind bereit, unsere Kompetenz im Interesse eines nachhaltigen Wirtschaftens "Wir

einzusetzen. Wir wollen durch

Erarbeitung konkreter und innovativer Lösungsstrategien den politischen Entscheidungsprozeß in Fragen der Nachhaltigen Entwicklung frühzeitig und aktiv mitgestalten. Transparenz und offener Dialog sind Teil unseres Verständnisses von Nachhaltiger Entwicklung. Deshalb sind wir national und international präsent als qualifizierte

Sechste These des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zur Umweltpolitik, 1987, zitiert in: Meiler, E.: Umwemnitiativen zur Beeinflussung des Unternehmensverhaltens aus Sicht der Industrie, 1992, S. 219. Vgl. Econsense (Hrsg.): Grundlagenpapier für den Dialog, 2002, S. 6ff.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

SS



und engagierte Ansprechpartner fur Politik, Wissenschaft, Interessengruppen und Wirtschaft. Wir fördern die Eigeninitiative und Innovationskraft der Wirtschaft flir eine Nachhaltige Entwicklung. Unsere Kompetenz im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung möchten wir ausbauen und andere Unternehmen, private Haushalte und öffentliche Stellen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit als aktive Partner unterstützen und be-

gleiten."30

Das Forum versteht sich als think tank der deutschen Wirtschaft, der die in den Unternehmen vorliegende Sachkompetenz bündelt, um Trends frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und in die nationale und internationale Nachhaltigkeitsdebatte einzubringen. Es versteht sich weiter als Dialogplattform für Wirtschaft, Politik und andere gesellschaftliche Gruppen im nationalen und internationalen Kontext sowie als Initiator neuer Themen. Der Dialog soll die Entwicklung geeigneter Konzepte nachhaltigen Wirtschaftens sowie ein planvolles Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln helfen. Bei diesem Dialogprozess sollen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Fragen eine ausgewogene Beachtung finden.31

Nachhaltige Entwicklung hat verschiedene Projektgruppen eingerichtet, so beispielsweise zu den Themen Klimaschutz und Energiewirtschaft, nachhaltige Produkte und nachhaltiger Konsum, Mobilität/Verkehr aber auch Gesundheit, Bildung, Qualifikation und Innovation.32 Das Forum

Eine, dem Forum Nachhaltige Entwicklung ähnliche Organisation auf internationaler Ebene, ist der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Der World Business Council for Sustainable Development wurde 1995 gegründet und umfasst heute 160 international agierende Unternehmen aus mehr als 30 Ländern und über 20 Branchen, die sich auf Grund ihrer Größe dem Umweltmanagement und dem Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung verschrieben haben. Der World Business Council for Sustainable Development verfügt über ein Netzwerk mit 30 nationalen und regionalen Unternehmensverbänden und Partnerorganisationen, die etwa 700 führende Unternehmensvertreter umfassen. Ziel des World Business Council for Sustainable Development ist es, die führende Rolle der Mitgliedsuntemehmen zu nutzen, um ein Nachhaltiges Wirtschaften und dessen Verbreitung zu fördern. In diesem Kontext unterstreicht der World Business Council for Sustainable Development die Bedeutung von Ökoeffizienz, Innovation und unternehmerischer Verantwor-

tung. 3.2.1 Umweltorientierte Unternehmensverbände

Seit Mitte der 80er Jahre belegen Studien den Trend eines gestiegenen Umweltbewusstseins.33 So führte u.a. dieses öffentliche Bewusstsein nicht nur zur Ökologisierung von Parteipro30 31

32 33

Econsense (Hrsg.): Denken, Kommunizieren, Handeln, o. J., S. 3. Vgl. Econsense (Hrsg.): Denken, Kommunizieren, Handeln, o. J., S. 2. Vgl. Econsense (Hrsg.): Grundlagenpapier für den Dialog, 2002, S. 3. „Umweltbewusstsein" ist dabei eine durchaus problematische empirische Dimension. Korrelationen zum „Umweltwissen" oder „Umweltverhalten" sind kausalanalytisch nicht eindeutig. Keinesfalls kann von ei-

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

89

grammen oder einer stärkeren Dialogbereitschaft der Industrie mit Umweltinitiativen, sondern die Unternehmen selbst versuchten, ihre Produkte und Produktionsverfahren stärker unter

ökologischen Gesichtspunkten zu optimieren. Schon bald nachdem in den Unternehmen erste systematische Anstrengungen zur Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes unternommen wurden, bemühten sich einige Unternehmer auch um die Gründung eigener Interessenverbände.34 Diesen kommt bei der Lösung von branchenübergreifenden Umweltproblemen eine wichtige Rolle zu. Ausgehend von den selbstgesetzten Zielen, die Mitgliedsunternehmen mit entscheidungsrelevanten Informationen zu versorgen, gewinnt das politische Engagement zunehmend an Bedeutung. Ein solches umweit- und wirtschaftspolitisches Mitwirken bedarf einer organisatorischen Basis, um meinungsbildend und gestaltend in die politischen EntScheidungsprozesse eingreifen zu können.

Die vier wichtigsten umweltorientierten Unternehmensverbände in Deutschland sind: •

Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.

e.V.),

Hamburg, • • •

Förderkreis Umwelt future e. V. Münster, Verband zur Förderung umweltgerechten Wirtschaftens (UnternehmensGrün), Modell Hohenlohe e.V., Waldenburg.

Stuttgart,

Diese haben sich zum Ziel gesetzt, für die Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes in Unternehmen einzutreten und gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Politik Konzepte und Instrumente zur Umsetzung zu entwickeln.

Hauptzielgruppe der vier Organisationen sind Unternehmen, die sich für den Umweltschutz Nachhaltige Entwicklung einsetzen. Grundsätzlich stehen die Verbände aber auch Einzelpersonen und kommunalen Gebietskörperschaften offen. Allen vier Verbänden gemeinsam ist die freiwillige Koordination und Förderung unternehmerischen Engagements für den Umweltschutz und eine daraus resultierende Lobby-Arbeit, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. und eine

3.2.1.1 B.A.U.M. e.V. und INEM Der erste Verband im Kontext einer umweltorientierten Untemehmensführung wurde 1984 mit dem Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management ( B.A.U.M. e. V.) gegründet. Mit rund 500 Mitgliedern ist B.A.U.M. heute europaweit die größte Organisation ihrer Art. Sitz der Bundesgeschäftsstelle ist Hamburg. Daneben unterhält B.A.U.M. bundesweit Regionalbüros in 12 Städten.

eindeutigen statistischen Zusammenhang zwischen diesen Dimensionen ausgegangen werden, etwa dass ein entsprechend hohes Umweltwissen zu einem bestimmten Skalenwert „Umweltbewusstsein" fuhrt und damit zu einem entsprechenden Umweltverhalten. Eine Übersicht zu internationalen, umweltorientierten Organisationen zur Förderung eines umweltbewußten Managements findet sich bei Fichter, K./Clausen, J. (Hrsg.): Schritte zum Nachhaltigen Unternehmen, 1998, S. 263ff. So z.B. zu: Asian Productivity Organization, European Business Council for a Sustainable Future, Europenan Roundtable on Cleaner Production, Grenn Cross International, Greening of Industry Network, United Nations Environment Programme. nem

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

90

Seine Aufgabe sieht B.A.U.M. in der Unterstützung der Mitglieder in allen Fragen des unternehmerischen Umweltschutzes und Fragen der Nachhaltigen Entwicklung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf praxisorientierten Dienstleistungen sowie der engen Vernetzung von Unternehmen, Kommunen und privaten Haushalten. B.A.U.M. hat zudem eigenständige Beratungsgesellschaften gegründet, die unter dem Dach der Holding B.A.U.M. AG zusammengefasst sind. Die B.A.U.M. AG hat ihren Sitz in Hamburg. Ihr Unternehmensziel ist es, sich an wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Nachhaltigkeit und Medien zu beteiligen.

im Umweltbereich sind unter anderem die B.A.U.M. Consult Gesellschaften in München, Hamm und Magdeburg sowie die Oikos GmbH in Bonn. Die B.A.U.M. Consult GmbH ist eine Beratungsgesellschaft, die Städte, Gemeinden und Landkreise im Bereich der nachhaltigen Kommunal- und Regionalentwicklung im Sinne der Agenda 21 unterstützt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beratung von Unternehmen bei der Einführung von Umweltmanagementkonzepten und integrierten Managementsystemen.35

Tochtergesellschaften

Um den Unternehmen ein handlungsleitendes Leitbild für ein Nachhaltiges Wirtschaften an die Hand zu geben, hat B.A.U.M. bereits 1990 unter Mitwirkung zahlreicher Wissenschaftler und Unternehmensvertreter einen "Kodex für umweltbewusste Unternehmensführung" entwickelt, der den Unternehmen eine Zielvorgabe für eine praxis- und umweltorientierte Unternehmensentwicklung bietet (vgl. Abb. 19). Dieser Ehrenkodex soll für alle B.AU.M.Mitglieder Grundlage ihrer Aktivitäten sein und ist in die Erarbeitung weiterer Kodices wie z.B. der "Business Charter for Sustainable Development" der International Chamber of Commerce

(ICC) eingeflossen.

In der Präambel wird die besondere Mitverantwortung jedes einzelnen MitgliedUnternehmens für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen betont. Langfristig könne eine freie und soziale Marktwirtschaft nur dann Bestand haben, wenn sie imstande ist, Ökologie und Ökonomie zu versöhnen.36

Vgl. Müller-Christ, G.: Umweltmanagement, 2001, S. 89ff. Vgl. B.A.U.M. (Hrsg.): B.A.U.M.-Jahrbuch, 2000, S. 8ff.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

Abbildung 19:

91

B.A.U.M.-Ehrenkodex

Wir verstehen die Natur, die Gesellschaft, die Wirtschaft und jedes einzelne Unternehmen als Teile eines globalen ökologischen Systems, dessen Gleichgewicht und Artenvielfalt entscheidend für den Fortbestand allen Lebens sind. Wir bekennen uns als Wirtschaftsunternehmen zu Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen.

unserer

besonderen Mitverantwortung für die

Wir sind überzeugt, daß der schonende Umgang mit den öffentlichen Gütern Wasser, Luft und Boden sowie Flora und Fauna mit marktwirtschaftlichen Instrumenten gesichert werden muss, daß dafür eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik erforderlich ist, und daß in gemeinsamer Anstrengung das allgemeine Bewußtsein für den Umweltschutz durch Information und Ausbildung zu verstärken ist. Wir sehen große unternehmerische Chancen in einer umweltorientierten, frei verfaßten und vom Markt gesteuerten Wirtschaftsordnung, die nachhaltigen Wohlstand auch für künftige Generationen sichert. Eine solche Ordnung bietet die Möglichkeit, die Konflikte zwischen Ökonomie und Ökologie zu lösen.

verpflichten wir uns auf den folgenden Kodex unternehmerischen Verhaltens: Wir ordnen den Umweltschutz den vorrangigen Unternehmenszielen zu und nehmen ihn in die Grundsätze zur Führung des Unternehmens auf. Ihn zu verwirklichen, ist ein kontinuierlicher Prozeß. Wir sehen Umweltschutz als wichtige Führungsaufgabe an und stellen sicher, daß er in allen betrieblichen Funktionen und auf allen Ebenen in konkrete Ziele und Verhaltensregeln umgesetzt Aus dieser Erkenntnis

wird. Wir betrachten Umweltschutz als Teil der Linienverantwortung. Die Fachkompetenz wird durch Einsetzung von Umweltschutzbeauftragten oder Umweltausschüssen so organisiert, daß eine umfassende Information und Einbeziehung in alle Entscheidungen sichergestellt ist. Wir integrieren Umweltschutz als eigenständiges Kriterium in das Planungs-, Steuerungs- und Kontrollsystem, nach Möglichkeit in quantifizierter Form. Wir geben uns periodisch detaillierte Rechenschaft über den Stand des Umweltschutzes im Unternehmen, um Schwachstellen zu erkennen, die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen und

erreichte Fortschritte

zu

dokumentieren.

Wir informieren unsere Mitarbeiter ausführlich über Umweltaspekte, motivieren sie zu umweltbewußtem Verhalten auch im privaten Bereich und legen in unseren Bildungsmaßnahmen einen besonderen Schwerpunkt auf den Umweltschutz.

Forschung und Entwicklung verstärkt zur ständigen Verbesserung der Umweltverträglichkeit unserer Produkte und Verfahren. Wir setzen dabei Rohstoffe, Energie, Wasser und sonstige Güter so sparsam wie möglich ein und berücksichtigen die gesamte Lebenszeit der Produkte einschließlich ihrer Entsorgung. Wir beziehen alle Marktpartner in unsere Bemühungen um verbesserten Umweltschutz ein. Wir nutzen die

Wir erarbeiten mit unseren Lieferanten spezielle Umweltstandards, informieren und beraten den Handel und klären unsere Verbraucher über den umweltschonenden Umgang mit unseren Produkten und deren Entsorgung auf. Wir sind zum offenen Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen bereit, stellen den Medien umweltrelevante Informationen zur Verfügung und arbeiten mit Behörden, Verbänden und anderen Institutionen im Umweltschutz zusammen. Wir verstehen die gesetzlichen Bestimmungen als Mindestanforderungen und streben im gesamten Unternehmen ein höheres Maß an Umweltschutz an.

Quelle:

B.A.U.M. e.V.

(Hrsg.):B.A.U.M.-Jahrbuch 1999/2000, Hamburg, S.

lOf.

92

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

Des Weiteren koordiniert B.A.U.M. e.V. die internationalen Aktivitäten im Rahmen des „International Network for Environmental Management (INEM)". Dieses Netzwerk wurde 1991 von B.A.U.M. Deutschland maßgeblich mitbegründet und umfasst etwa dreißig nationale Verbände für umweltorientierte Unternehmensfuhrung, zehn „Cleaner Production Center" und acht Organisationskomitees zur Gründung nationaler Verbände in mehr als 25 Ländern weltweit. (Zu INEM gehören ca. 5000 Mitgliedsunternehmen).

Die

Zielsetzung von INEM ist die weltweite Förderung, Entwicklung, Verbreitung und Anwendung von Prinzipien und Methoden einer umweltbewussten Unternehmensführung und Umwelttechnik sowie die Unterstützung der Gründung weiterer nationaler umweltorientierter Unternehmensverbände, speziell von Klein- und Mittelbetrieben in Entwicklungsländern und Ländern Osteuropas. Folgenden Aufgaben widmet sich INEM (nach eigener Aussage) primär: • • • •



Reduzierung der durch die Industrie verursachten Umweltverschmutzung Verbreitung von wirtschaftlich erfolgreichen Umweltschutzmaßnahmen Förderung des vorsorgenden und integrierten Umweltschutzes Unterstützung von Umweltschutztechnologien, umweltschonenden Produkten/Dienstleistungen und Produktionsverfahren Unterstützung bei der Umsetzung von Umweltleitlinien im Unternehmen

Als internationaler Dachverband arbeitet INEM mit einer Vielzahl von internationalen Organisationen zusammen. Hierzu zählen u.a. die United Nations Commission on Sustainable Development (CSD), verschiedene UN-Organisation wie das United Nations Environment Program (UNEP), die International Organization for Standardisation (ISO) sowie die OECD und des International Council of Local Environment Initiatives (ICLEI).37

B.A.U.M. e.V. ist heute der bedeutendste umweltorientierte Unternehmensverband. Er wurde 1991, neben zahlreichen anderen Ehrungen und Auszeichnungen auf nationaler und internationaler Ebene, als erste Umweltorganisation der Wirtschaft in die „Global 500 Roll of Honour" der Vereinten Nationen aufgenommen. 1995 wurde dem Mitbegründer von B.A.U.M. e.V., Dr. Georg Winter, der Deutsche Umweltpreis durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), verliehen. 3.2.1.2 Förderkreis Umwelt Future e.V. Der Förderkreis Umwelt Future e.V. wurde 1986

von ca. 200 Unternehmen und Führungskräften vorwiegend mittelständischer Unternehmern gegründet. Die Geschäftsstelle ist in Münster. Weiter unterhält Future e.V. deutschlandweit sieben Regionalbüros sowie ein Projektbüro in Lengerich/Westfalen. Ziel von Future ist es nach eigener Aussage, den betrieblichen Umweltschutz in Unternehmen zu verbessern und zusammen mit den Mitgliedsunternehmen und Partnern aus Wissenschaft und Politik praxisnahe Konzepte und Instrumente zur Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung zu entwickeln. Future e.V. verfolgt dabei einen ökonomisch-ökologischen Entwicklungsansatz, wonach neue Herausforderungen aus Umwelt und Gesellschaft aufgegriffen und in unternehmerische Chancen transformiert werden sollen.

Vgl. Müller-Christ, G.: Umweltmanagement, 2001, S. 91.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

93

Die Arbeit von Future e. V. versteht sich nach eigenen Worten dabei als Hilfe zur Selbsthilfe.38 Um den erforderlichen Wissenstransfer zu gewährleisten, werden folgende Maßnahmen

durchgeführt: •

• •

• • •

Organisation von Erfahrungsaustauschgruppen Beteiligung an wissenschaftlichen Forschungsprojekten Herausgabe der Zeitschrift „Unternehmen & Umwelt" Veranstaltung von Management-Workshops Veranstaltung von Foren, Seminaren und Schulungen Moderation von Diskussionen mit Industrievertretern, Politikern und Medien

Vergleichbar mit dem B.A.U.M.-Ehrenkodex haben die Mitgliedsunternehmen eine Grundsatzverpflichtung unterschrieben, in der sie sich zur Verantwortung für eine Nachhaltige Entwicklung bekennen und zur Verbesserung des betrieblichen Umweltschutz verpflichten (vgl. Abb. 20). Abbildung 20: 1

2 3

Grundsatzverpflichtung für Future-Mitgliedsunternehmen

Als Unternehmen tragen wir eine besondere Verantwortung für das Verwirklichen einer Nachhaltigen

Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung verstehen wir im Sinne der in Rio de Janeiro 1992 verabschiedeten Agenda 21, die wir als Aktionsprogramm unserer Regierung unterstützen. Ökonomie und Ökologie sind richtig verstanden keine Gegensätze. Nur durch die Entwicklung eines nachhaltigen globalen Wirtschaftssystems, das sowohl ökologisch als auch sozial verträglich ist, lassen sich die Voraussetzungen für eine lebenswerte Zukunft aller Menschen schaffen. -

-

4

Für unser Unternehmen bedeutet dies: Umweltschutz ist ein wesentlicher Bestandteil

Untemehmensgrundsätze. Wir arbeiten an der ständigen Verbesserung unserer Umweltleistung die gesetzlichen Vorgaben gelten als Mindeststandard Die Umweltauswirkungen unseres Unternehmen (Energie-, Wasser- und Rohstoffverbrauch, Emissionen, Abwasser und Abfall) werden regelmäßig erfaßt und bewertet. Bei der Entwicklung von Verfahren und Produkten werden ökologische Gesichtspunkte ebenso berücksichtigt sie wirtschaftliche. Bestehende Verfahren und Produkte werden nach Umweltkriterien optimiert. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden über Umweltbelange informiert und entsprechend geschult, um Umweltschutz am Arbeitsplatz umsetzen zu können. Wir treffen Vorkehrungen für gesundheitsverträgliche und kooperative Arbeitsbedingungen. unserer

-

Wir informieren die Öffentlichkeit über unsere Umweltsituation und unsere Umweltschutzaktivitäten und tragen in unserem Umfeld zur Verwirklichung ökologisch und sozial verträglicher Strukturen bei.

5

Gemeinsam mit future und dem future-Netzwerk wollen wir sätze auf lokaler, nationaler und globaler Ebene einsetzen.

Quelle:

Future e.V.

(Hrsg): Management at work,

Vgl. Majer, H.: Ökologisches Wirtschaften, 1995, S. 33.

1997.

uns

für die

Umsetzung

unserer

Grund-

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

94

Arbeitsschwerpunkte von future e.V. sind die Umweltberichterstattung, die EMAS-VO, die Umweltverträglichkeit von Produkten, Umwelt-, Qualitäts- und integrierte Managementsysteme, Energiemanagement, Umweltkostemechnung, Abfallmanagement, Lokale Agenda und der Aufbau eines Netzwerkes für Umweltbeauftragte. Im Bereich der Umweltberichterstattung koordiniert future e.V. seit 1994 in Zusammenarbeit mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) das Forschungsprojekt „Umweltberichterstattung". In diesem Projekt werden die politischen Umweltberichte einem Ranking unterzogen. Anhand von Befragungen der verschiedenen Anspruchsgruppen sowie der Auswertung von Veröffentlichungen wurden Kriterien für gute Umweltberichte und Umwelterklärungen ermittelt und die Projektergebnisse in „Capital" veröffentlicht.

Ziel des Rankings ist es, die Umweltberichterstattung von Unternehmen inhaltlich weiterzuentwickeln und verbindliche Kriterien für eine „adäquate" Umweltberichterstattung aufzustellen. Das Ranking soll so die Qualität der in Deutschland veröffentlichten Umweltberichte und -erklärungen verbessern sowie die Diskussion unter den Unternehmen und mit ihren unterschiedlichen Stakeholdern fördern. Weiterhin hat Future e.V. im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekts „Agenda 21 als Grundlage von Unternehmensleitbildern" eine Checkliste erarbeitet, mit der Unternehmen für ihre betriebliche Praxis konkrete Kriterien und Anleitungen zur Operationalisierung des Leitbildes einer Nachhaltigen Entwicklung in der Praxis zur Verfügung gestellt wird. Aufbauend auf dieser Checkliste, die in die Dimensionen Ökologie, Soziales, Ökonomie und Kooperation unterteilt ist, können in einem weiteren Schritt Unternehmen konkrete Anforderungen und Handlungsfelder identifizieren, um einen konkreten Beitrag zum Nachhaltigen Wirtschaften erzielen zu können. Für sein

Engagement

der

Verbreitung

des umweltorientierten Denkens und Handels in der von Future e.V., Klaus Günther, der DBU.

Wirtschaft, erhielt der langjährige Vorstand und Gründer 1995 den deutschen

Umweltpreis

3.2.1.3 UnternehmensGrün Der „Verband zur Förderung umweltgerechten Wirtschaftens" UnternehmensGrün wurde 1992 von 15 in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmen gegründet. Der Verband zählt derzeit etwa 300 Mitglieder, bei denen es sich primär um kleine und mittelständische Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, Selbstständige und Führungskräfte handelt. Die Geschäftsstelle hat ihren Sitz in Stuttgart. UnternehmensGrün unterhält zwar keine Regionalbüros, verfügt aber bundesweit über Ansprechpartner in insgesamt 15 Städten.

UnternehmensGrün sieht sich nach eigenen Worten selbst als Lobby-Verband „für alle Unternehmerinnen, die erkannt haben, dass nur eine umweltgerecht und sozial agierende Wirtschaft unseren Wirtschaftsstandort langfristig sichern kann und die sich ihrer gesellschaftlichen Ver-

antwortung stellen."39

UnternehmensGrün, zit. nach: Müller-Christ, G.: Umweltmanagement, 2001, S. 90.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

95

Der Schwerpunkt von UnternehmensGrün liegt in der politischen Tätigkeit, d.h. im Kontakt mit den politischen Parteien und Entscheidungsträgern sowie einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit. So hat UnternehmensGrün Thesenpapiere veröffentlicht, in denen der Verband Stellung zu Problemen in Wirtschaft und Gesellschaft nimmt. Diese beziehen sich auf Strategien zur nachhaltigen Mobilität, der ÖkoSteuerreform, zur Subventionspolitik sowie zur ökologisch-sozialen Gestaltung des zukünftigen Standortes Deutschland. Für UnternehmensGrün lässt sich „ökologische Verantwortung von sozialer Verantwortung nicht trennen, denn die immer deutlicheren Veränderungen der ökologischen Rahmenbedingungen wirken sich auch auf die sozialen Verhältnisse einer Gesellschaft aus."40 Ziele und

Aufgaben von UnternehmensGrün sind nach eigener Auskunft:

Einsatz für eine ökologische Ausrichtung und Erneuerung der Wirtschaft Aktives Einbringen von Vorstellungen ökologischen Wirtschaftens in die politische Diskussion Förderung sozialer Innovationen Förderung und Unterstützung regionaler, klein- und mittelbetrieblich ausgerichteter Wirtschaftsstrukturen (vgl. Abb. 21).

Abbildung 21:

Ziele von UnternehmensGrün



Ökologisch orientiertes



Auch die soziale Kreativität





Umweltbelastung und eröffnet der Wirtschaft und Gesellschaft neue Zukunftsperspektiven. Deshalb setzen wir uns für die konsequente Verwirklichung ökologischer Konzepte und Strategien ein. Wirtschaften senkt die

von Unternehmen und Wirtschaft ist ein zentraler Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen. Denn im Zeichen eines allgemeinen Wertewandels werden Arbeitsbedingungen, Mitwirkungsmöglichkeiten und Freiräume bei der Arbeitszeitgestaltung für die Gewinnung und Motivation qualifizierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer wichtiger. Deshalb wollen wir, daß soziale Innovationen in der Wirtschaft gefördert werden.

Großindustrielle Strukturen sind den ökologischen Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen. Kleinere und mittlere Unternehmen hingegen sind flexibler und anpassungsfähiger. Deshalb setzen wir uns für die Förderung einer regionalen, klein- und mittelbetrieblich ausgerichteten Wirtschaftsstruktur ein.

Ökologisch

orientiertes Wirtschaften braucht geänderte staatliche Rahmenbedingungen. Hier möchten wir Impulse für eine umweltorientierte Förder-, Steuer- und Abgabenpolitik, für eine ökologisch orientierte Beschaffungs- und Investitionspolitik geben. Kurzum: die Rahmenbedingungen so verändern, daß ökologisches und zukunftsorientiertes Wirtschaften gefördert und nicht behindert wird.

Vgl. UnternehmensGrün (Hrsg):

Erhalt durch Veränderung, 1995, S. 83ff.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

96



Im zu



Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie bezieht UnternehmensGrün Stellung politischen Konzepten, Modellen und Initiativen.

Dabei tragen wir die Vorstellungen ökologischen Wirtschaftens aktiv in die öffentliche Diskussion. Gleichzeitig bietet UnternehmensGrün Unternehmern und Unternehmerinnen, die sich um die Realisierung ökologischer und sozialinnovativer Konzepte bemühen, ein Forum des Erfahrungsaustausches.

Quelle:

www.unternehmensgruen.de.

organisiert UnternehmensGrün für seine Mitglieder Informationsreisen, Seminare, Vorträge und Tagungen. In der vierteljährlich erscheinenden Verbandszeitschrift FORUM Femer

UnternehmensGrün wird über aktuelle Themen und die Arbeit des Verbandes berichtet. Um die Vernetzung ökologisch engagierter Unternehmer zu fördern, fungiert die Verbandszeitschrift auch als Medium zum Erfahrungsaustausch. Mitglieder können sich und ihr Unternehmen kostenlos darin vorstellen und über ihre Arbeit berichten.41 3.2.1.4 Modell Hohenlohe e.V.

„Modell Hohenlohe Netzwerk betrieblicher Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften" ist ein, im Jahr 1991, von 27 Hohenloher Unternehmern aus verschiedenen Branchen gegrün-

deter Unternehmensverband mit Sitz in Waldenburg, Hohenlohekreis. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten, mit Unternehmen deutschlandweit zusammenarbeitenden Unternehmensverbänden, ist das Tätigkeitsfeld von Modell Hohenlohe e.V. regional begrenzt. Aktuell verfügt der Verein „Modell Hohenlohe" über etwa 250 Mitgliedsuntemehmen, die sich regional engagieren und die konzeptionelle Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien fördern (vgl. Abb. 22).

Abbildung 22:

Vision „Modell Hohelohe e.V."

Wir wollen:

Ökologisch aktiv, sozial engagiert und ökonomisch erfolgreich regionale Kompetenzen auf-

bauen und nutzen.

Wir bieten: Hilfe zur Selbsthilfe für die Umsetzung zukunftsfahiger Lösungen in die betriebliche Praxis. Unsere Mitgliedsbetriebe sind: Mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem wicklung in den Betrieben zu verwirklichen.

Quelle:

www.modell-hohenlohe.de.

Vgl. Majer, H.: Ökologisches Wirtschaften, 1995, S. 34.

Weg, die Ziele

der

Nachhaltigen

Ent-

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

97

Ziel des Vereins ist die

Vernetzung vorhandener regionaler/überregionaler Kompetenzen, die Förderung nachhaltigen Wirtschaften, des Umweltbewusstsein und der Umweltverantwortung in der Wirtschaft sowie die Verbesserung des betrieblichen Umweltschutz. Zu den Maßnahmen



• •

• • • •



zählen:

Regelmäßiger, überbetrieblicher Erfahrungsaustausch in branchen- oder sachspezifischen Arbeitsgruppen Einrichtung von Fachbereichen Durchführung von von Mitgliedern gemeinschaftlich getragenen Projekten zur Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes sowie zur Erprobung und Bewertung ressourcenschonender, abfallarmer und umweltverträglicher Produktionsverfahren Durchführung von Seminaren und Informationsveranstaltungen Vergabe von Diplomarbeiten und Forschungsaufträgen Veröffentlichung erarbeiteter Lösungen als Empfehlung auch für Nichtmitglieder Information der Öffentlichkeit durch Berichte in der Tagespresse über beispielhafte Verbesserungen Zusammenarbeit mit verwandten Initiativen,

Aktuelle

Projekte beschäftigen

Behörden, Kammern und Schulen.

sich mit den Themen der betrieblichen

Energieoptimierung,

Öko-Audit, innovative Förderkonzepte zum Klimaschutz, zukunftsfähige Landwirtschaft.42

Die umweltorientierten Unternehmensverbände setzen sich mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung für die Förderung und Verbreitung umweltorientierter Unternehmensführung ein. B.A.U.M. und future sehen die gesetzlichen Umweltschutzbestimmungen nur als Mindestanforderungen. So wird im B.A.U.M.-Ehrenkodex festgehalten: „Wir streben im gesamten Unternehmen ein höheres Maß an Umweltschutz an", future schreibt in seiner Grundsatzverpflichtung fest: „Wir arbeiten an der ständigen Verbesserung unserer Umweltleistung die gesetzlichen Vorgaben gelten als Mindeststandard". -

UntemehmensGrün verfolgt einen „abstrakteren", d.h. politisch orientierten Ansatz und sieht ökologische und soziale Probleme des Wirtschaftens als Einheit, die es gemeinsam zu lösen gilt. „Für UntemehmensGrün läßt sich ökologische Verantwortung von sozialer Verantwortung nicht trennen, denn die immer deutlicheren Veränderungen der ökologischen Rahmenbedingungen wirken sich auch auf die sozialen Verhältnisse einer Gesellschaft aus."4 future bekennt sich in seiner Grundsatzverpflichtung ausdrücklich zum Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 21. Ähnlich wie bei UntemehmensGrün wird nachhaltiges Wirtschaften als Chance zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen im Rahmen der Globalisierung gesehen („Nachhaltigkeit gleich Zukunftsfähigkeit gleich Wettbewerbsfähigkeit"). Der Verein „Modell Hohenlohe" verpflichtet sich ebenfalls dem Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung. Neben der Information und Sensibilisierung der regional ansässigen Unternehmen und Konsumenten, versteht sich der Verein als Medium zur Selbsthilfe bei der Umsetzung zukunftsfähiger Lösungen in der betrieblichen Praxis und fördert schwerpunktmäßig regionale Kooperation.

Vgl. www.modell-hohenlohe.de. UntemehmensGrün (Hrsg.): Erhalt durch Veränderung, 1995, S.

83f.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

98

Aufgabengebiet aller Umweltverbände ist die Lobbyarbeit. Über die pragmatische Orientierung und das Bemühen um die Verbesserung der Instrumente des betrieblichen Umweltschutzes hinaus, will insbesondere UnternehmensGrün bewußt Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben. Weiteres

Übersichtstabelle Unternehmensverbände

Abbildung 23:

BAUM e.V.

future e.V.

UnternehmensGrün

Modell Hohenlohe

Osterstraße 58 20259 Hamburg

Vagadesweg

12 48151 Münster

Hermannstraße 5 a 70178 Stuttgart

Hohebuch 36 74638 Waldenburg

www.baumev.de

www. future-ev.de

www.untemehmens www.modellhohenlohe.de gmen.de

Kontakt

Mitgliederzahl

ca.

Gründung

1984

1986

1992

1991

Struktur

Mitgliedsunter-

überwiegend

Unternehmen, Agenturen,

kleine und mittlere Unternehmen aus allen Branchen, Unternehmens-

kleine und mittlere Unternehmen aus allen Branchen

Umweltberater

berater,

500

nehmen aller Größen und Branchen, Unternehmensbe-

ratungen, Kommunen,

ca.

200

mittelständische

ca.

300

ca.

250

Werbeagenturen

Wissenschaft,

Einzelpersonen Wirkungs- bundesweit;

kreis

ausgewählte Themen

und

Projekte

bundesweit

bundesweit

regional

Nachhaltigkeits-

Ökosteuer,

Klimaschutz

Unternehmen,

Reform der Mitbe-

Landwirtschaft

über Schwesterorganisationen in rund 30 Ländern, international BAUM-Umwelt-

preis, Kampagne "Solar-na klar!",

Check für

Kooperation in

der Textilen Kette

Ökoradar, BAUMIS,

(Texweb), Ranking der Um-

weltberichte

derinformation

Quelle:

BAUM aktuell

eigene Darstellung.

Öko-Audit

Beitritt zur Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft "Erinnerung,

Verantwortung und Zukunft"

KUMIS

Mitglie-

stimmung,

Unternehmen & Umwelt

FORUM UnternehmensGrün

themenspezifische Broschüren

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

99

3.2.2 Deutscher Naturschutz

Ring (DNR) Der Deutsche Naturschutzring (DNR) ist der Dachverband der im Natur- und Umweltschutz tätigen Verbände in Deutschland. Im Jahre 1950 mit ca. 19 Verbänden gegründet, gehören dem DNR heute 98 Mitgliedsverbände an. Als Dachverband greift der DNR regionale, nationale und internationale Naturschutz-Themen auf. Die Aufgaben des DNR auf europäischer Ebene und über die Grenzen Europas hinaus gewinnen immer mehr an Bedeutung. Zu den satzungsmäßigen Aufgaben des DNR •















gehören:

die Koordination der Arbeit der Mitgliedsverbände die Lobbyarbeit bei Regierungen, Ministerien, öffentlicher Verwaltung und Wirtschaftsverbänden die Ausarbeitung von qualifizierten Stellungnahmen zu aktuellen und dringenden Fragen des Natur- und Umweltschutzes die Einrichtung von ad-hoc Arbeitsgruppen zu aktuellen Themen, z. B. zum Naturschutzrecht Service-Leistungen für Verbände und Behörden. Hierzu gibt der DNR 12mal jährlich den Deutschland-Rundbrief heraus, mit einem Überblick über alle aktuellen Gesetze und Positionspapiere zu fachlichen und strategischen Fragen der intensive Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen, z.B. Wissenschaft, Medien, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschafts-, Sport- und Tourismusverbände. die Organisation und Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen und von Fachtagungen, darunter als Mitveranstalter der alle zwei Jahre stattfindende Deutsche Naturschutztag (DNT) zusammen mit dem federführenden Berufsverband beruflicher Naturschutz (BBN, ehem. ABN) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN), hinzu kommen weitere Projekte. die Verbreitung von Informationen, vor allem durch Pressearbeit und durch Veröffentlichungen. Hierzu gehören auch Positionspapiere zu aktuellen Themen sowie Tagungsberichte. Der "DNR-Kurier intern" dient dem Informationsaustausch mit den Mitgliedsver-

bänden.44

Naturschutzverbände sind auf den ersten Blick den „pressure groups" der Unternehmung zuzurechnen. Aber auch hier haben sich in den letzten Jahren gemeinsame Projekte ergeben, die die Konfrontationslinie stellenweise aufgeweicht haben. Während beim Umweltschutz die ökonomisch induzierte (anthropogene) Nutzung der Umwelt grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird (es wird lediglich eine „intelligentere Nutzung gefordert") hebt der Naturschutz auf einen Eigenwert der „Natur" ab, der zur Begründung einer mehr oder weniger rigorosen Erhaltung derselben ins Feld geführt wird. Trotzdem haben sich gerade in den letzten Jahren Kooperationen zwischen Unternehmen und Naturschutzverbänden ergeben, etwa bei der Ausweisung von Ausgleichsflächen im Kontext der Versiegelung von Böden etc.

http://www.dnr.de/indexdnr.html. Stand: 25.05.2002.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

100

3.2.3 Parteien

Seit der Gründung Der Grünen (nach der Wiedervereinigung: Bündnis 90/Die Grünen) und deren Einzug in die Parlamente haben alle großen Volksparteien umweltpolitische Grundsätze in ihre Parteiprogramme aufgenommen, die zu den Wahlterminen fortgeschrieben werden. Während bei den umweltpolitischen Gmndsätzen („was soll erreicht werden") eine weitreichende Annäherung in den Parteiprogrammen zu beobachten ist, bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede bei den anvisierten Umweltprogrammen und geplanten Instrumenteneinsätzen („das wie"). Politische Parteien gehören wohl nicht zu den zentralen Ansprechpartnern der Nachhaltigen Unternehmung. Die Kommunikation auf parteipolitischer Ebene wird vielmehr primär von den umweltorientierten Unternehmensverbänden im Rahmen ihrer Lobby-Arbeit wahrgenommen. Durch eine etwaige Mitgliedschaft in solchen Verbänden (siehe Abschnitt 3.2.1) kann in diesem Zusammenhang von „indirekten Kommunikationskanälen" der Nachhaltigen Unternehmung mit den Parteien gesprochen werden. Dennoch kommt den Parteien insoweit eine Bedeutung für die Nachhaltige Unternehmung zu, da parteipolitische Entscheidungsprozesse einen erheblichen Einfluss auf die (hier: umweltrechtlichen) Gesetzgebungsverfahren in den Parlamenten haben. Um die Bedeutung der Parteien für die Nachhaltige Unternehmung zu skizzieren, reicht es an dieser Stelle daher aus, einige Ausschnitte aus den Partei- bzw. Wahlprogrammen zu zitieren, die Aussagen zur Nachhaltigen Entwicklung beinhalten.

Die Christlich-Demokratische Union

(CDU)

„Gemeinsam die Schöpfung bewahren und gestalten Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und die Bewahrung der Schöpfung sind Kernanliegen der Politik von CDU und CSU. Unser Leitbild ist eine nachhaltige Entwicklung, die den wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand mit der Erhaltung von Natur und Umwelt in Einklang bringt. Wir setzen auch beim Schutz der Umwelt verstärkt auf Markt und Wettbewerb, auf Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Umweltschutz ist eine Bewahrungs- und Gestaltungs-, aber keine Verhinderungsaufgabe. Umweltvorsorge hat Vorrang gegenüber Nachsorge und

Reparatur.

Wir werden das zersplitterte deutsche Umweltrecht in einem „Umweltgesetzbuch" zusammenfassen. Unser Ziel ist, das Umweltrecht überschaubarer, schneller vollziehbar und damit wirksamer und vor allem für Mittelstand und Landwirtschaft praktikabler zu machen. Wir werden dazu die Genehmigungsverfahren zu einer einheitlichen Vorhabensgenehmigung zusammenführen. Der Schutz der Natur ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Wir treten dafür ein, dass Naturschutz nicht gegen, sondern mit dem Bürger verwirklicht wird. In der Naturschutzpolitik setzen wir auf Kooperation statt Konfrontation. Wirksamer Naturschutz ist nur mit den betroffenen Landwirten, Kommunen und Bürgern durchsetzbar. Dies bedeutet auch die Prüfung des in sich nicht stim-

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

migen Schutzgebietssystems

in Deutschland. Unser Ziel ist ein Naturschutz, der

Überleben der heimischen Tier- und Pflanzenwelt durch genügend große Schutzgebiete, ein Biotop-Verbundsystem und den Ausbau des Vertragsnatur-

das

schutzes sichert. Der Schutz der Tiere ist uns gemeinsam mit vielen Bürgern ein wichtiges Anliegen. Wir setzen uns für eine konsequente Umsetzung des in der Verfassung als Staatsziel verankerten Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere ein.

CDU und CSU wollen die Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln. Wir werden die Verpackungsverordnung mit dem Ziel fortschreiben, sie an die veränderten Rahmenbedingungen und den technischen Fortschritt bei der Materialentwicklung sowie bei den Verwertungstechnologien anzupassen und die Ressourcenschonung voranzutreiben. Dabei muss sowohl ökonomischen als auch ökologischen Belangen Rechnung getragen werden. Die hohe Qualität des Trinkwassers ist ein kostbares Gut. Unser Ziel ist es, dass die Kommunen wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge auch in Zukunft wahrnehmen können. Deshalb treten wir dafür ein, dass die Wasserversorgung Aufgabe der Kommunen bleibt. Eine Liberalisierung der Wasserversorgung lehnen wir ab, weil echter Wettbewerb nur begrenzt möglich ist. Wir wollen eine nachhaltige Regionalentwicklung fördern. Regionalisierung verstehen wir als notwendigen Ausgleich zur Globalisierung. Wir stärken deshalb den Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe und kommunaler Allianzen. Wir werden den kooperativen Umweltschutz ausbauen. Wir werden auf den Abschluss von freiwilligen Umweltpartnerschaften zwischen Staat und Wirtschaft, Landwirtschaft und Kommunen hinwirken. Wir werden den Beitrag Deutschlands zur internationalen Zusammenarbeit bei den globalen Herausforderungen Schutz der Erdatmosphäre, Schutz der Artenvielfalt und Bekämpfung des Wüstenwachstums, der Wasserverknappung und der Waldzerstörung intensivieren. Wir werden die Entwicklungszusammenarbeit in den Bereichen Energie-, Umwelt und Ressourcenschutz verstärken".45 Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands

(SPD)

„Gesunde Umwelt Wir bekennen uns zum Ziel einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Nachhaltig ist eine Entwicklung, wenn sie die Interessen künftiger Generationen berücksichtigt.

Quelle: http://regierungsprograrnm.cdu.de/reg-prograrnm02-06/teil05-s50-58.htm.

101

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

102

Die Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist Grundlage unserer Politik. Alle Fachpolitiken stehen dabei in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Unsere Vision ist eine Steigerung der Effizienz beim Einsatz von Energie und Rohstoffen um den „Faktor 4" mittelfristig zu realisieren, d.h. wir wollen Güter und Dienstleistungen mit nur noch einem Viertel des heute benötigten Rohstoff- und Energieeinsatzes produzieren. Die parallele Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit und Umwelt ist ökono-misch wie ökologisch sinnvoll. Ökologie und Nachhaltigkeit sind Langfrist-Ökonomie. Um diesen Prozess parlamentarisch zu begleiten, wollen wir die Arbeitsstruktur des Bundestages weiterentwickeln und einen „Zukunftsausschuss 2010" einrichten.

Der Schutz des Klimas ist eine der großen Aufgaben unserer Zeit. Unser Land ist dabei weltweit Vorreiter bei der Verringerung der schädlichen KohlendioxidEmissionen. Effektiver Klimaschutz braucht langfristige, berechenbare und verbindliche Ziele. Wir werden das Nationale Klimaschutzprogramm umsetzen, um die C02-Emissionen bis 2005 um 25 % zu senken. Ein wichtiger Meilenstein für eine weltweite wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung ist der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Herbst 2002. Wir wollen, dass Deutschland bei der Umsetzung der Leitlinien für eine global nachhaltige Entwicklung eine führende Rolle übernimmt. Die Globalisierung der Wirtschaft muss im Einklang stehen mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung. Deshalb werden wir für entsprechende Initiativen in der laufenden Welthandelsrunde und für weitere Anstrengungen zur Stärkung der UmWeltorganisationen der Vereinten Nationen eintreten. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist national und international ein wichtiges Anliegen. Deshalb wollen wir den Naturschutz weiter stärken. Vermeiden verwerten beseitigen: Das ist die Hierarchie einer modernen Durch klare Stoffwirtschaft. ökologische Standards, eindeutig abgestimmte Zuständigkeiten, und transparente Kontrollmöglichkeiten verbessern wir sowohl die Planungs- wie die Investitionssicherheit für private wie für öffentliche Unternehmen. Eine leistungsfähige Stoffwirtschaft braucht neben dem Ordnungsrecht auch ökonomische Instrumente. Deshalb werden wir die Verpackungsverordnung reformieren. Wettbewerbsförmige Lösungen zur Umsetzung der Produzentenverantwortung durch die Wirtschaft sind zuzulassen und zu fördern. -

-

Wasser ist das

wichtigste Lebensmittel und keine Handelsware wie jede andere. Liberalisierung der Wasserversorgung ab. Daher werden wir die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft und den Schutz des Wir lehnen die

Grundwassers verbessern. Mit Ländern, Kommunen, Unternehmen und Verbänden entwickeln wir eine Strategie zur Modernisierung der Wasserwirtschaft im internationalen Wettbewerb entwickeln."46

Quelle: htrp7/regierangsprogramm.spd:de/servlet/PB/menu/1076217/index.html.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

103

Die Freie Demokratische Partei (FDP) Auszug aus dem Wahlprogramm 2002:

„XII. Ökologische Marktwirtschaft Die FDP ist die Partei der ökologischen Modernisierung in deren Mittelpunkt der Mensch steht. Liberales Leitbild ist dabei eine nachhaltige zukunftsverträgliche Entwicklung, die ökologische Belastungen weiter reduziert und die Ressourcenproduktivität erhöht. Das liberale Leitbild beinhaltet darüber hinaus qualitative Ziele, die ästhetische und kulturelle Belange berücksichtigen, ein gesundes Umfeld schaffen und somit dem Wohlbefinden der Menschen dienen. Für effizienten Umweltschutz sind moderne marktwirtschaftliche Mechanismen zielführend und nicht bürokratisch dirigistische Verfahren. Die FDP setzt vorrangig auf die Eigenverantwortung von Bürgern und Wirtschaft statt auf staatliche Verordnungen. Soziale Marktwirtschaft ist ökologisch.

Nachhaltigkeit Die FDP versteht Nachhaltigkeit als ein Prinzip der Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es geht darum, die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt nachfolgender Generationen zu sichern. Dies erfordert eine sachgerechte Verknüpfung ökologischer, ökonomischer und sozialer Erfordernisse. Nachfolgende Generationen sollen die gleichen Chancen zur wirtschaftlichen Entfaltung haben wie die heute lebenden Generationen. Jede Generation ist verpflichtet, die Freiheitschancen Nachgeborener zu bewahren und nicht durch Verbindlichkeiten und Verschwendung dieses Erbes zu riskieren. Dabei geht es nicht allein um die Menge und Qualität natürlicher Ressourcen. Zum Erbe gehören auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Errungenschaften. Die Nutzung des marktlichen Preismechanismus gewährleistet, dass wirtschaftliche Dynamik und technischer Fortschritt Potenziale zur Kostensenkung aufdecken und auch Chancen für neue Arbeitsplätze entstehen. Umweltpolitische Ziele sollen dabei stets mit größtmöglicher Effizienz realisiert werden, so dass mit gegebenen Mitteln ein möglichst großer Umweltnutzen erreicht wird."47 Bündnis 90/Die Grünen

Die Partei hat im März 2002 nach dreijähriger Diskussion ein neues Grundsatzprogramm, das sog. „Berliner Programm" verabschiedet, das das „Saarbrücker Programm" aus dem Jahre 1980 ablöst. In dem Grundsatzprogramm werden folgende 12 Schlüsselprojekte („Zwölf für 2020") beschrieben:

„Die Schlüsselprojekte im einzelnen: • •



Solarzeitalter Ökologisch mobil Gesamtdeutsche Zukunft

http://www.fdp.de/portaI/pdf/Wahlprogramm.pdf, Stand: 25.05.2002.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

104



Verbraucherinnen



Agrarwende Grundsicherung

• • •

• • • •

Leben mit Kindern

Wissenszugang Einwanderung Frauenpolitik Europa der Bürgerinnen Fairer Welthandel"48

Neben den politischen Parteien sind auch die Koalitionen (Art. 9 III GG) und ihre Dachverbände im umweltpolitischen Diskurs von Bedeutung, da eine evidente Schnittmenge zwischen wirtschaftlichen und umweltpolitischen Grundfragen existiert. Für die umsetzungsrelevanten Ergebnisse des gesellschaftlich bzw. politischen Diskurses um die Rahmenregelungen der Nachhaltigen Unternehmung sind die jeweiligen Positionen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite von zentraler Bedeutung.

3.2.4 BDI und DGB Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

(BDI)

Die Arbeitgeberverbände sehen in der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eine unverzichtbare Basis für eine Nachhaltige Entwicklung, da nur wirtschaftlich erfolgreiche, in einem funktionsfähigen Markt agierende Unternehmen in der Lage sind, nachhaltige Entwicklungsstrategien zu fordern und umzusetzen. Hervorzuheben ist, dass nach Auffassung der Arbeitgeberverbände unter Wettbewerbsfähigkeit nicht nur ökonomische Zielgrößen wie Kapital, Investitionsvolumen und Wachstum zu verstehen sind, sondern auch ein ausgereiftes Bildungssystem und weniger stark regulierte Märkte.

„Wettbewerbsfähigkeit ist nicht allein als einseitig ökonomische Perspektive zu zur Generierung des Kapitals für Produktion und Konsum, sondern als „Querschnittsaufgabe" der Nachhaltigkeit."49

verstehen, als Fähigkeit

Die Aufgabe der Unternehmen im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung ist demnach nicht ausschließlich die Sicherung der Wettbewerbfähigkeit auf einer rein wirtschaftlichen und ökonomischen Basis, vielmehr sollten die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass sie den Prozess der nachhaltigen Entwicklung positiv beeinflussen und prägen können.

Quelle: http://www.gruene-partei.de/rsvgn/rs_rubrik/0,655,00.htm. www.bdi-online.de. Stand: 06.05.2002.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

105

Die

Arbeitgeberverbände sehen die Unternehmen als zentrale Träger des NachhaltigkeitsproNeben der Wettbewerbsfähigkeit stellt die Effizienz eine weitere bedeutsame Schlüsselgröße dar.

zesses.

vergibt seit 1989/90 den BDI- Umweltschutzpreis an Unternehmen, die sich auf herausragende Art und Weise im Bereich Umweltschutz und Nachhaltige Entwicklung engagie-

Der BDI ren.

Im Jahr 2000 initiierte der BDI die von den 22 Mitgliedsuntemehmen

Gründung der Untemehmensplattform ECONSENSE, die (Stand Mai 2002) selbst verwaltet wird, die das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung in ihrer Unternehmensstrategie integriert haben. Die Plattform dient dem Erfahmngs- und Informationsaustausch zwischen Unternehmen, Politik und Verwaltung, gibt Diskussionsanreize und bietet Hilfestellungen an zu Fragen der Nachhaltigkeit. Abbildung 24:

Untemehmensplattform ECOSENSE des BDI Sammlung guter Praxisbeispiele ( Bündelung

Multiplikatorendialog (Kompetenzerweiterung, Dialog Führen)

Themenspezifische Werkstattveranstaltungen (Erarbeitung neuer Lösungsansätze)

von

Kompetenz)

Themenübergreifende Kongresse und Tagungen (Förderung von Dialog, Erfahrungsaustausch)

Kooperationsproj ekte (Umsetzung neuer Ansätze Themen in konkreten Projekten)

Kommunikation (Darstellung von Kompetenz, offener Dialog)

Quelle:

Eigene Darstellung nach: www.ecosense.de/de/portrait/arbeitskonzept.html, Stand 13.05.2002.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund

(DGB)

Auch die Gewerkschaften standen sich zunehmend der Fragestellung gegenüber: Wie soll das gesellschaftliche Produkt verteilt werden, wenn aus Umweltschutzgründen das Mehr entweder von den zusätzlichen Kosten für Umweltschutz aufgezehrt oder ein „Mehr" überhaupt nicht produziert werden sollte bzw. kann? 1972 veröffentlichte der DGB erstmalig „Leitsätze zum Umweltschutz". Insbesondere unter der Anforderung, für das damals beratene Bundesemissionschutzgesetz eine grundsätzliche

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

106

Stellungsnahme abgeben zu müssen, verabschiedete der DGB

Umweltschutzprogramm.50

1974 sein erstes

grundlegendes

Die Gewerkschaften sehen die unternehmerischen Aktivitäten nicht unter den Anforderungen der Wettbewerbsfähigkeit allein, sondern berücksichtigen mindestens gleichwertig und traditionsgemäß die Arbeitnehmer-Interessen in den Betrieben. Auf Gewerkschaftsebene wird für eine Unternehmens- und Arbeitskultur plädiert, die es den Arbeitnehmern ermöglicht, aktiv an der Gestaltung von umweltpolitischen Konzepten teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund betonen die Arbeitnehmervertreter, dass diese Entwicklung nur dann möglich ist, wenn die soziale Absicherung, der Gesundheitsschutz im Betrieb und die Lohnstruktur für die Arbeiter erfolgreich gestaltet und ständig überwacht werden.

„Unser Motto lautet: Wettbewerb durch Innovation auf der Grundlage fairer die keinen Platz für Umwelt-, Sozial- und Lohn-

Wettbewerbsbedingungen, Dumping bieten."51

Die Gewerkschaften fordern, dass zukünftige Tarif- und Arbeitsverträge ein eindeutiges Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Bereich Umweltschutz beinhalten und ein weiterer wichtiger Aspekt den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sichern. -

-

Zur Umweltsituation und

Umweltpolitik nimmt der DGB Ende der neunziger Jahre wie folgt

Stellung: „Der DGB kritisiert, daß Umweltstandards in der Standort-Diskussion oft als unzumutbare Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen angeführt und bestehende Umweltschutzbestimmungen dereguliert und abgebaut werden (z.B. durch Einschränkungen der Öffentlichkeitsbeteiligung an Planungs- und Genehmigungsverfahren). Es ist kurzsichtig, mit Verweis auf Weltmarktkonkurrenz und enger werdende Finanzspielräume der Öffentlichen Hand die Bewältigung ökologischer Probleme zurückzustellen. Der von allen Seiten beklagte Reformstau muß auch in der Umweltpolitik überwunden werden, um dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung durch stetige Reformen näherzukommen. Notwendig ist auch eine Effizienzsteigerung der Umweltpolitik, um deren Kosten zu senken".52 Neben den Positionen der Dachverbände sind insbesondere für branchenspezifische Problemstellungen, die Äußerungen und Aktivitäten der Mitgliedsverbände bzw. Gewerkschaften von Bedeutung, auf deren Darstellungen an dieser Stelle aber verzichtet werden kann. Die bisherigen Kapitel haben den Nachhaltigkeitsdiskurs unter dem Blickwinkel der Rekonstruktion der Debatte (Kapitel 1), der ökologischen, ökonomischen und sozialen Diagnose inkl. möglicher Indikatorensysteme (Kapitel 2) und die Benennung der wichtigsten involvierten Akteure inkl. der Skizzierung ihrer Interessenpolitik (Kapitel 3) zum Gegenstand gehabt. so 51 52

Vgl. Wey, K.-G.: Umweltpolitik in Deutschland, 1982, S. www.deb.de/dokumente. Stand: 13.05.2002. DGB: Umweltpolitische Positionen des DGB, 1998, S. 7f.

167-168.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

107

Die unter Kapitel 3 bezeichneten Akteure verhandeln unter (kontroverser) Berücksichtigung der in Kapitel 2 beschriebenen Diagnosen (Diagnoseraum) konkrete Zielsetzungen und Maßnahmen zur Realisierung der Nachhaltigen Entwicklung, die sich für die Nachhaltige Unternehmung primär in den weitreichenden und komplexen Regelungen des Umweltrechts niederschlagen, das im folgenden Kapitel 4 thematisiert wird. Dabei ist das Umweltrecht basierend auf dem umweltwissenschaftlichen und -technischen Stand des Wissens auch als Surrogat macht- und interessengeleiteter Aushandlungsprozesse zu verstehen, wie bereits durch die Vielfalt der beteiligten Akteure bzw. durch sie vertretenen Interessen deutlich geworden ist. -

-

Abschließend ist zu betonen, dass die offiziellen Verlautbarungen der Akteure naturgemäß die nur einen Teil der „Wirklichkeit" wiedergeben. Neben der Orientierung an Sachzielen nur auf den skizzierten ökologischen, ökonomischen und sozialen Diagnosen basieren (und ihrerseits in Teilen kontrovers diskutiert werden) existieren eine Vielzahl anderer Motivationen, die das Handeln der den beschriebenen Akteuren zuzurechnenden Personen bestimmt. -

-

„mikropolitischen Arenen" werden hintergründig u.a. Eigeninteressen (etwa „Macht- und Arbeitsplatzerhalt", Karriereinteressen) in wechselnden Besetzungen und Koalitionen verhandelt, während vordergründig ökologische Fragestellungen ins Feld geführt werden. In

So existiert in Deutschland eine Art „Umweltszene" mit der Tendenz zur „sozialen Schließung". Dies kann einerseits dazu führen, dass bestimmte Themen „künstlich am Leben erhalten werden" und andererseits innovative Themen abgeblockt werden können. Andererseits ist eine gewisse Hartnäckigkeit bei der Verfolgung tagespolitisch unattraktiver Themen durchaus angebracht und die zusätzlich zu beobachtende „Professionalisierung" der Akteure ein durchaus wünschenswerter Effekt.

Nicht übersehen werden darf an dieser Stelle, dass die „Umweltszene" auf einem hochsubventionierten Markt agiert, d.h. die Teilhabe an Fördermitteln (etwa durch BMU, DBU) einen zentraler Aspekt des Nachhaltigkeitsdiskurses darstellt. Mit anderen Worten, was diskutiert und entwickelt wird, hängt in hohem Maße von der Bereitstellung von Fördermitteln ab. Letztlich ist fur die Nachhaltige Unternehmung aber immer nur ein (u.a. branchenspezifischer) Ausschnitt des durch die Akteure eröffneten Handlungs- und Diskussionsfeldes relevant. Neben der umweltpolitischen Einflussnahme (Unterstützungs- oder Abwehrstrategien) bleibt aber für den Ausbau eines umweltorientierten „Frühwarnsystems" die kontinuierliche Kommunikation mit einer spezifischen Auswahl der beschriebenen Akteure eine wichtige Basis der Nachhaltigen Unternehmung. Mit der Beschreibung der wichtigsten Akteure der Umweltpolitik wird auch der Regelungsraum der Nachhaltigen Entwicklung beschrieben. Wichtigstes Kennzeichen ist, dass die dort verhandelten Gegenstände i.d.R. ergebnisoffen ins Feld geführt werden („Regelungsstreitigkeiten"). Die Ergebnisse (Konsens, Kompromiss oder machtgestützte „einseitige" Interessendurchsetzung) dieser Diskurse können anschließend Bestandteil des Rechtsraumes der Nachhaltigen Unternehmung werden, d.h. sie fließen in Gesetze und Verordnungen ein. Die im Rechtsrahmen definierten Gesetze und Verordnungen sind mit eindeutigen Sanktionsmög-

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

108

lichkeiten versehen, für die dann nur noch fest vorgegebene rechtliche Verfahren im Falle von Rechtsstreitigkeiten möglich sind.

Abbildung 25:

Regelungs- und Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

Regelungsraum (Akteure)

Nachhaltige Entwicklung

H-H

Nachhaltige Unternehmung

Rechtsraum (Umweltrecht)

Quelle:

eigene Darstellung.

Im folgenden Kapitel 4 werden die zentralen Regularien des Umweltrechts zu einem „Rechtsraum" der Nachhaltigen Unternehmung zusammengefasst. Damit sind die wichtigsten Ausdifferenzierungen des Umweltrechts gemeint, die u.a. als Ergebnis der Debatten bzw. Entscheidungen aus dem Diagnose- und Regelungsraum aufgefasst werden. Im Gegensatz zu den übrigen Räumen ist der Rechtsraum einerseits durch eine (mittel- bis langfristige) Aufdauerstel-

lung von Entscheidungen und rigidere Beschreibung („Qualität" der Sanktionen) der Aktionsund Reaktionsmöglichkeiten der Nachhaltigen Unternehmung gekennzeichnet. Andererseits entfalten die Erkenntnisse aus den Erfahrungen mit dem implementierten Umweltrecht (in der Untemehmenspraxis) eine Rückkopplungswirkung auf den Diagnose- und Regelungsraum. Für die Reformulierung der Regularien des Rechtsraumes sind sowohl aktualisierte Diagnosen wie die erneute Diskussion/Entscheidungen des Regelungsraumes von Bedeutung.

Kapitel 3: Der Regelungsraum der Nachhaltigen Unternehmung

109

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Looß,

-

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

4

Der Rechtsraum der

111

Nachhaltigen Unternehmung

Die Kenntnis des für die Unternehmung geltenden Umweltrechts ist für die Konstituierung einer Nachhaltigen Unternehmung von besonderer Bedeutung. In einer ersten Stufe ist die Kenntnis dieser Gesetze und Verordnungen aber auch für alle Unternehmen relevant, da diese den umweltschutzbezogenen Haftungsrahmen abstecken („compliance audit"). In einer zweiten Stufe bilden diese Regelungen die Basis für freiwilligen und proaktiven Instrumenteneinsatz der Nachhaltigen Unternehmung. Da das Umweltrecht eine hoch komplexe und ausdifferenzierte Materie ist, wird an dieser Stelle nur die Grandstruktur des Umweltrechts dargestellt, die aber den Verständnishorizont für die konkrete Anwendung des Umweltrechts bildet. Es ist evident, dass sich die umweltrechtlichen Regelungen etwa in der metallverarbeitenden Industrie von denen in der chemi-

schen Industrie oder im Handwerk stark unterscheiden. Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle, dass es gerade die Anwendung des ausdifferenzierten Umweltrechts (neben der hoch entwickelten Umwelttechnik) war, die die wahrnehmbaren Symptome der Umweltverschmutzung vordergründig erheblich zurückgedrängt hat. Dieser nicht zu bestreitende Erfolg ist aber gerade auch die Quelle des nächsten Problems: Indem die Verschmutzungssymptome zunehmend dem Bereich der sinnlichen Wahrnehmung entzogen wurden (in Teilen nur durch den Transfer von einem Umweltmedium in ein anderes, d.h. die Ursache der Verschmutzung besteht fort; die Immissionen sind z.B. nicht mehr in der Luft, sondern in Filterstäuben gebunden), wird es für die Akteure des Regelungsrahmens zunehmend schwieriger, die Aktualität und Dringlichkeit ihrer Diagnosen etwa gegenüber sozialen Fragestellungen (z.B. Arbeitslosigkeit) durchsetzen zu können. Mit anderen Worten, die Lösung globaler Umweltprobleme (z.B. Klimawandel) steht nach wie vor erst am Anfang, unbestritten ist jedoch eine erhebliche lokale Verbesserung des Zustandes der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden in den entwickelten Industriestaaten. Zum heutigen, hohen Umweltschutzniveau in Deutschland hat neben einer wie gesagt weitentwickelten Umweltschutztechnik, speziell im nachsorgenden Bereich, das Umweltrecht entscheidend beigetragen. -

-

Mit Umweltrecht wird nachfolgend die Gesamtheit aller rechtlichen Umweltschutzaktivitäten bezeichnet, die dem Schutz der Umwelt vor anthropogenen Eingriffen und der Verbesserang der Umweltsituation dienen. Der Oberbegriff der Umweltschutzaktivitäten bezieht sich dabei auf eine Vielzahl von Teilgebieten des Umweltschutzes, zu denen typischerweise folgende

zählen:1 • •



Gewässerschutz Immissionsschutz Strahlenschutz



Abfallvermeidung und -entsorgung



Kontrolle von chemischen Stoffen

Vgl. Kloepfer, M: Umweltrecht, 1998, S. 22.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

112



Bodenschutz



Landschaftspflege

Bis in das letzte Jahrzehnt hinein konzentrierte sich das Umweltrecht stark auf die Regulierung lokal eingrenzbarer Umweltprobleme. Mit der Zunahme weiträumiger und globaler Umweltprobleme hingegen reifte jedoch die Erkenntnis, dass die Bekämpfung der Umweltverschmutzung nicht mehr ausschließlich über die Fixierung von anlagenbezogenen Emissionsgrenzwerten durchführbar ist, sondern vielmehr Regelungsmechanismen zu entwickeln seien, die an der Produktionsweise und den Konsumgewohnheiten anzusetzen haben..2

Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, das den Beginn Umweltpolitik in Deutschland markiert, dient das Umweltrecht drei Zielen:3 Laut dem







der modernen

Sicherung eines Umweltzustandes, den der Mensch für die Aufrechterhaltung seiner Gesundheit und eines menschenwürdigen Daseins benötigt. Schutz von Boden, Luft und Wasser sowie Pflanzen und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen anthropogener Eingriffe. Beseitigung von Schäden und Nachteilen, die aufgrund anthropogener Eingriffe in die Natur entstanden sind.

heutzutage ein ausgesprochen ausdifferenziertes wie unübersichtliches Rechtsgebiet. Die Bestimmungen auf Bundes- und Landesebene umfassen mehr als 9000 Regelungen und untergesetzliche Verordnungen.4 Diese große Regelungsdichte ist darauf zurückzuführen, dass der Umweltschutz nicht wie etwa im Falle des Verwaltungsrechts einem einheitlichen Sachverhalt zugeordnet werden kann, sondern aufgrund seines Querschnittcharakters nur problembezogen und damit rechtsgebietsübergreifend.5 Das Umweltrecht ist

Von daher kann an dieser Stelle nur ein Überblick über die Systemstruktur des Umweltrechts vermittelt werden.6 Das Umweltrecht muss einerseits den normativen Rahmen zur Bewältigung der vielfältigen Umweltprobleme bereitstellen sowie andererseits einen grundsätzlichen Ausgleich zwischen konkurrierenden Umweltnutzungsinteressen wie auch gegenüber sonstigen öffentlichen Belangen, wie wirtschaftliche Entwicklung, technologischer Fortschritt oder soziale Sicherheit herbeiführen.7

Folgenden werden die Entwicklungslinien des Umweltrechts skizziert, wobei die bedeutendste Phase der umweltrechtlichen Entwicklung in Deutschland auf die letzten dreißig Jahre zu datieren ist, weil sich v.a. in dieser Periode das Umweltrecht zu einem eigenständigen Im

Vgl. Klinski, S.: Antrieb oder Bremse. Der Beitrag des Umweltrechts zu einer Nachhaltigen Entwicklung, 2000, S. 78f.

Vgl. Umweltprogramm der Bundesregierung vom 23.09.1971, Bundestagsdrucksache VI/2710, S. 6. Vgl. Freimann, J.: Betriebliche Umweltpolitik, 1996, S. 122. Vgl. Kühne, G.: Entwicklungslinien des Umweltrechts, S. 257. Zur Vertiefung wird auf die einschlägigen Lehrbücher zum Umweltrecht verwiesen. Exemplarisch seien genannt: Klopfer, M.: Umweltrecht, 1998; Kahl, W./Voßkuhle, A.: Grundkurs Umweltrecht, 1998; Schmidt, R.: Einführung in das Umweltrecht, 2001; Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002;. Eine übersichtliche Einführung in das Umweltrecht speziell für Ökonomen bieten. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, S. 22f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

113

ausdifferenziert hat. Im Anschluss daran werden die zentralen Prinzipien des Umweltrechts vorgestellt sowie die Rechtsgebiete des Umweltrechts systematisiert. Das europäische Umweltrecht und das Umweltvölkerrecht bilden den Gegenstand der darauffolgenden Kapitel. Abschließend werden die Voraussetzungen und Herausforderungen des Umweltrechts für das Erreichen einer Nachhaltigen Entwicklung diskutiert.

Rechtsgebiet

4.1

Entwicklung des Umweltrechts Das Umweltrecht ist keine Erfindung unserer Tage. Es existiert vermutlich seit es eine rechtliche Ordnung für das Zusammenleben von Menschen gibt.9 So hat beispielsweise das durch die Wasserwirtschaft herausgebildete römische Wasserrecht, von dem schon bei Piaton die Rede ist, in der römischen Gesetzgebung eine bedeutende Rolle gespielt.10 Nichtsdestotrotz sind ökologische Herausforderungen unserer Zeit gänzlich anders gelagert als in der Antike oder im Mittelalter. So ist die Entwicklung des Umweltrechts immer unter Berücksichtigung kontextualer Faktoren wie den politischen, sozialen und technischen Rahmenbedingungen, der Dringlichkeit und Virulenz ökologischer Probleme, dem MenschNatur-Verständnis und den technischen Problemlösungsmöglichkeiten zu betrachten.11 Mittelalter Bis ins hohe Mittelalter hinein spielte sich das Leben weithin auf lokaler und regionaler Ebene ab. Infolge geringer Bevölkerungsdichte und agrarischer Wirtschaftsweisen ordneten sich die Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen unmittelbar in den Kreislauf der Natur ein. Erst mit der Urbanisierungswelle im hohen Mittelalter des 12. Jahrhunderts setzte der erste Höhepunkt eines allmählichen Distanzierungsprozesses des Menschen von der Natur ein. Mit dem Aufblühen der Städte und der Zunahme der Bevölkerung traten die typischen Probleme städtischer Zivilisationen, insbesondere das Abfall- und Abwasserproblem auf.12 Für die Städte war die Wasserversorgung von essentieller Bedeutung, da diese im Konflikt- und Belagerungsfall eine autonome Versorgung der Stadt gewährleistete. Aus diesem Grund wurde die Brunnenvemnreinigung unter drastische Strafe gestellt.

Die Vorschriften für die Entsorgung von jeglicher Art von Abfall waren allerdings weniger restriktiv. Abfälle waren lediglich mit den fließenden Gewässern zu entsorgen. Grund für dieses Vorgehen war die zur damaligen Zeit vorherrschende Meinung, dass in erster Linie die Luft Krankheits- und Seuchenträger sei (sog. Miasmen-Lehre) und es daher geboten wäre, zusätzliche Belastungen der Luft durch Abfälle zu vermeiden.13 Hinzu kommt, dass die von Leon Batista Alberti vertretene Anschauung vorherrschte, dass "alles hineingeleitete Abwasser von der Erde verdaut wird und verschwindet, ohne dass sich Dünste und Gestank entwi-

Vgl. Jäger, H.: Einfuhrung in die Umweltgeschichte, 1994, S. 224. Zur Entwicklungsgeschichte des Umweltrechts vgl. detailliert Kloepfer, M.: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994. Einen kurzen Überblick geben: Ebel, F.: Umweltrechtsgeschichte, 1988, Peine, F.-J.: Geschichte des Umweltrechts, 1993. Vgl. Hennecke, F. J.: Umweltkatastrophen in der Antike, 1990, S. 197. Zur Umweltgeschichte vgl. exemplarisch: Herrmann, B. (Hrsg.): Umwelt in der Geschichte, 1989; Calließ, J./Rüsen, J./Striegnitz, M. (Hrsg.): Mensch und Umwelt in der Geschichte, 1989. Vgl. Kloepfer, M.: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 9ff. Vgl. Kloepfer, M.: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 24f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

114

ekeln".14 Maßnahmen der Abfall- und Abwasserbeseitigung waren daher primär Maßnahmen des Immissionsschutzes. Weitere Maßnahmen zum Schutz der Luft waren die Verlagerung von geräuschintensiven und luftverunreinigenden Gewerben an den Stadtrand oder außerhalb der Stadtmauer. Im Bereich des Wald- und Forstschutzes wurden nach der starken Rodungsperiode des 8.-12. Jahrhunderts Gegenmaßnahmen eingeleitet. U. a. wurde festgelegt, dass verbotswidrig gerodete Flächen wieder aufzuforsten waren. Des Weiteren wurden sogenannte Bannforste ausgewiesen, mit denen zusammenhängende Waldgebiete gesichert werden sollten. Das Verfügungsrecht über diese Wälder lag bei den Feudalherren. Diese Schutzmaßnahmen beruhten allerdings weniger auf forstpolitischen Erwägungen, als auf der Jagdleidenschaft der Feudalherren. Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit kam in der Forstwissenschaft in den Verordnungen des Spätmittelalters auf.

Industrialisierung

Mit dem Einsetzen der Industrialisierung in England um etwa 1760, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts weite Teile Mitteleuropas erfassen sollte, stellte sich nicht nur ein wirtschaftlicher und politischer Umbruch ein, sondern ebenfalls eine umwelthistorische Zäsur. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wie Liberalisierung der Wirtschaftspolitik, Einführung der Gewerbefreiheit in Verbindung mit technischen Entwicklungen im Maschinenwesen, insbesondere der Dampfmaschine, welche erstmalig eine standortungebundene Energieversorgung gewährleistete, Entwicklung der anorganischen Chemie sowie der Übergang von Holz zu fossilen Energieträgem, führten zu den ersten industriell verursachten Umweltschutzproblemen. Verstärkt wurden diese durch die bis dahin nicht gekannte Reichtumsverteilung und Bevölkerungsexplosion. Insbesondere die chemische Industrie, die Montanindustrie sowie die Kohleverfeuerung und Veredelung zählten zu den bedeutsamsten Emittentengruppen der Luftverschmutzung. Infolge dieser zunehmenden Lärm- und Luftbelastungen wurden erste umfassende immissionsschutzrechtliche Regelungen erlassen. Zu nennen ist hier v.a. die Preußische Dampfkesselgesetzgebung von 1831, die das Aufstellen und den Betrieb von Dampfkesseln erlaubnispflichtig machte. Des Weiteren ergingen ergänzende Richtlinien hinsichtlich Standort der Anlagen, Höhe der Schornsteine sowie technische Anforderungen an die Dampfkesseleinrichtung selbst.15 Die Dampfkesselverordnung bildete die Basis für eine allgemeine Immissionsschutzgesetzgebung. So war die Dampfkesselverordnung der Vorläufer für die preußische Immissionsschutzgesetzgebung im Rahmen der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845. Später wurden diese Regelungen in ähnlicher Form als Teil der Reichsgewerbeordnung von 1871 in ganz Deutschland eingeführt. Diese Reichsgewerbeordnung bildete dann für annähernd 100 Jahre die Grundlage für den Immissionsschutz in Deutschland.16 Neben diesem aus polizeirechtlichen Wurzeln entstandenem Immissionsschutzrecht, wurden in dieser Zeit ebenfalls erste Ansätze eines zivilrechtlichen Haftungsrechts entwickelt, mit denen den neuen technischen Risiken Rechnung getragen wurde. So haben die Eisenbahn-

Leon Batista Alberti: De re aedifictoria, 1452, zitiert nach Heine, G.: Umweltbezogenes Recht im MittelS. 115. Vgl. Kloepfer, M.: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 194, S. 30f. Vgl.Kloepfer, M.: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 32ff.

alter, 1989,

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

115

betreiber

gemäß dem Preußischen Eisenbahngesetz von 1838 und später dem Reichshaftpflichtgesetz von 1871 im Falle von Dritten zugefügten Schädigungen nach der Gefährdungshaftung zu haften. Die Gefährdungshaftung verpflichtet im Gegensatz zur Verschuldenshaftung die Betreiber auch, für unverschuldet verursachte Schäden zu haften.17 In der

darauffolgenden Phase der Hochindustrialisierung bis

zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Industrie innerhalb der deutschen eine beherrschende Stellung Volkswirtschaft gewann und beeinflusste die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Bedingungen entscheidend. Die zum Teil exponentiell verlaufenden Entwicklungen auf technischem, ökonomischem, demographischem und sozialem Gebiet bewirkten in weiten Teilen eine Umwandlung der noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hineinragenden, relativ naturnahen Kulturlandschaft in eine Industrielandschaft. Ursachen dieser Entwicklung sind die Ausdehnung der Städte, die Zunahme des Verkehrs, die zunehmende Bodenversiegelung und der Aufbau von Infrastmkturen sowie ein rapide ansteigender Energieverbrauch.

Die industrielle Entwicklung erreichte dabei eine Eigendynamik, die mittels staatlicher Ordnungs- und Steuerungspolitik nur noch schwer beeinflussbar war. Gleichsam hinkten die wissenschaftlichen Erkenntnisse über mögliche Umweltprobleme, die mit neuen technischen und chemischen Verfahren sowie den neuen Werkstoffen verbunden waren, der industriellen Anwendung schon zu damaliger Zeit weit hinterher. Ein Beleg für die negativen Effekte der gesteigerten industriellen Tätigkeit auf die ökologische Umwelt wird in der Wirkung des stark gestiegenen Emissionsvolumens deutlich. So wurde die heute als externe Kosten bezeichnete Schädigung an Flora und Fauna allein im Ruhrgebiet auf jährlich mindestens 20 Mio. Reichsmark geschätzt.18 Im Bereich des Immissionsschutzrechts war die Entwicklung ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts im wesentlichen durch die Ausdifferenzierung des bestehenden Irnmissionsschutzrechts und der Anpassung an den technischen Fortschritt gekennzeichnet. Grundlegende Änderungen oder Neuerungen wurden nicht in Angriff genommen. Stattdessen wurden bisher vernachlässigte Umweltmedien einem stärkeren Schutz unterzogen. Im Wasserrecht wurden zur Bewältigung des Abwasserproblems landesgesetzliche Regelungen erlassen. Auf Basis sondergesetzlicher Regelungen wurden insbesondere zum Zweck der

Gewässerreinhaltung und großräumiger Lösungen von wasserwirtschaftlichen Aufgaben Wassergenossenschaften gebildet. Wassergenossenschaften können mit den heutigen Kommunalverbänden verglichen werden, die von kreisfreien Städten und Landkreisen gebildet wurden. Diese waren insbesondere für den Bau und Betrieb von Kläranlagen zuständig und legten die Kosten auf die beteiligten Gemeinden, Bergwerke und gewerblichen Unternehmen um.

Abfallbeseitigung wurden nur punktuelle Fortschritte erzielt. So änderte sich Grundkonzept der Abfallbeseitigung bis in die 1970er Jahre nichts. Abfallbeseitigung be-

Im Bereich der am

Vgl. Kühne, G.: Entwicklungslinien des Umweltrechts, 1996, S. 258f. Vgl. Bergerhoff, H.: Untersuchungen über die Berg- und Rauchschadensfrage sichtigung des Ruhrbezirks, 1928, S. 65ff. Vgl. Kloepfer, M.: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 58ff.

mit besonderer Berück-

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

116

deutete bis dahin in erster Linie Stadtreinigung bzw. Müllabfuhr und Ablagerung der Abfälle auf Deponien. Die Abfallverwertung gewann erst in der Wiederaufbauphase nach dem Zeiten Weltkrieg kurzzeitig und randständig an Bedeutung.

Allerdings

fielen bereits Ende des 19. Jahrhunderts wichtige Entscheidungen für die kommunale Finanzierung. So wurde 1893 das preußische Kommunalabgabengesetz erlassen, durch das die Städte in Preußen ermächtigt wurden, Beiträge zum Bau von Kanalisationen und Gebühren für die Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung zu erheben. Weiter konnte auf Basis polizeirechtlicher Verordnungen ein Anschluss- und Benutzungszwang vorgeschrieben werden. Hier liegt der juristische Ursprung der kommunalen Entsorgungspflicht, die, als Ausnahme vom umweltpolitischen Verursacherprinzip, ein wesentliches Prinzip der Regelung der Ab-

fallentsorgung darstellt.20

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden weitere naturschutzrechtliche Maßnahmen erlassen. In Preußen wurde die Grundlage für die Unterschutzstellung von landschaftlich besonders schönen Gebieten geschaffen, auf deren Basis bis 1933 ca. 400 Naturschutzgebiete ausgewiesen wurden.21 Dabei fand der Schutz dieser Gebiete primär aus ästhetischen Gründen und weniger aus landschaftsplanerischen Überlegungen statt. In der Zeit nach 1933 wurde der Naturschutz dann primär aus ideologischen Gründen intensiviert („Deutscher

Wald").22

Die 1950er und 1960er Jahre Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Weiterentwicklung des Umweltrechts lange unterbrochen. So konzentrierten sich die Maßnahmen primär auf die Reparatur der Kriegseinwirkungen (Schuttbeseitigung, Beseitigung militärischer Lasten). Die zuständigen Verwaltungsstellen waren auf lange Zeit handlungsunfähig gemacht worden und generell stand der wirtschaftliche Wiederaufbau im Mittelpunkt des Interesses, was letztlich auch in den ersten Jahren nach dem Krieg zu einem Raubbau an den natürlichen Ressourcen führte. Infolge des sog. „Wirtschaftswunders" nahm dann auch die Landschaftsinanspruchnahme genauso zu, wie die Zunahme an Abfall- und Abwasseraufkommen. Eine Abkehr von dem bis dato vorherrschenden anthropozentrischen Umweltverständnis zu einem ökozentrischen Umweltverständnis war nicht zu erwarten. In den 60er Jahren fand der Umweltschutz

nur

vereinzelt

Berücksichtigung.

Zwar wurde

er-

kannt, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen eine umfassende und zusammenhängende Aufgabe darstellt, dennoch verblieben die umweltrechtlichen Maßnahmen lediglich

punktuell.

Sie beschränkten sich auf die Fortschreibung des althergebrachten Instrumentarid.h. dessen ums, Anpassung an technische Neuentwicklungen. Ein Einstellungswandel, hin zu einem starker ökozentrisch geprägten, vorsorgenden Umweltschutzverständnis, setzte erst Mitte der 1960er Jahre mit dem Erlass der TA (Technische Anleitung) Luft (1964), dem Gesetz zum Schutz vor Baulärm (1965), der TA Lärm (1968) und dem Altölgesetz (1968) ein. Die Entwicklung des Umweltrechts zu einem umfangreichen und eigenständigen Rechtsgebiet ist somit erst in den letzten drei Jahrzehnten zu beobachten. Ausschlaggebender Anstoß hier-

Vgl. Kloepfer, M: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994. S, 68ff. Vgl. Kloepfer, M: Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994, S. 75. Vgl. Kühne, G.: Entwicklungslinien des Umweltrechts, 1996, S. 259., Kloepfer, deutschen Umweltrechts, 1994, S. 77ff.

M.: Zur Geschichte des

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

117

für war das seit Mitte der 1970er Jahre stärker ausgeprägte Umweltbewusstsein. Die Periode ab den 1970er Jahren, in denen das Umweltrecht beschleunig weiterentwickelt wurde, lässt sich in drei Abschnitte unterteilen (vgl. Abb. 26).23

Abbildung 26:

Entwicklungsphasen des deutschen Umweltrechts ab

Ausdifferenzierung • •



• •

Novellierung von:

gesetz



Tierschutzgesetz Abwasserabgaben-

Harmonisierung und Erweiterung

Optimierung

Benzinbleigesetz Fluglärmgesetz Abfallbeseitigungs-



1970

Entwurf eines

Bundesimmissions-

Umweltgesetzbuches

schutzgesetz Abwasserabgabengesetz



gesetz

Bundesnaturschutz-

gesetz •

Wasserhaushalts-

gesetz •

1971

Quelle:

1980

Tierschutzgesetz

1981

1986

1987

eigene Darstellung

Erste Gesetzgebungsphase 1971-1980: Ausdifferenzierung Die erste Gesetzgebungsphase datiert auf den Zeitraum von 1971 bis 1980. Mit Beginn der 1970er Jahre haben die Umweltschutzaufgaben infolge eines gestiegenen Umweltbewusstseins sowie der Bedrohung der natürlichen Ressourcen in der Bundesrepublik Deutschland an neuer Qualität gewonnen. Die neu erlangte politische Bedeutung des Umweltschutzes zeigt sich auch anhand des im Jahr 1971 erstmalig aufgelegten Umweltprogramms der Bundesregierung. Als Reaktion auf die ökologischen Herausforderungen sind ab 1971 verstärkte legislative Aktivitäten zu beobachten. Zu nennen sind hier in erster Linie das Fluglärmgesetz (1971), das Benzinbleigesetz (1971), das Abfallbeseitigungsgesetz (1972), das Tierschutzgesetz (1972), das Bundesimmissionsschutzgesetz (1974), die Einfügung des Abschnitts "Straftaten gegen die Umwelt" in das Strafgesetzbuch (1975), das Abwasserabgabengesetz (1976), das Bundesnaturschutzgesetz (1976), etc. Neben diesen rechtlichen Regelungen wurden die legislativen und administrativen Voraussetzungen des Umweltschutzes verbessert. So wurde die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung sowie die Lärmbekämpfung erweitert (1972), der Sachverständigenrat für Umweltfragen (1974) errichtet sowie das Umweltbundesamt (1974) gegründet.24

Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 31. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 31f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

118

Verglichen mit dem früheren Umweltrecht ist das neu geschaffene Umweltrecht gänzlich neu hinsichtlich Struktur und Reichweite ausgestaltet worden. Dennoch stellt es lediglich eine Antwort auf die neuen ökologischen Problemlagen dar. Dies hatte zur Folge, dass das Umweltrecht eine stark segmentierte, sich an den einzelnen Umweltmedien orientierende, Struktur bekommen hat. Die Folge war eine starke Aufsplitterung des Umweltrechts, dem es an einem integrierten, umweltmedienübergreifenden Zugang mangelte. Zweite Gesetzgebungsphase 1981-1986: Optimierung Zu Beginn der 80er Jahre rutschte die Umweltpolitik in das Mittelfeld der politischen Prioritätenskala. Erst gegen Mitte der 80er Jahre setzten allmählich Verbesserungsmaßnahmen am umweltrechtlichen Instmmentarium ein. So erzeugte die starke Vermehrung des Bestandes an Umweltgesetzen die Erfordernis untergesetzlicher Konkretisierungen. Zwar wurde der Vorsorgegedanke zunehmend betont, jedoch zielten die Maßnahmen hauptsächlich auf eine Verschärfung der Anforderungen und zulässigen Grenzwerte sowie die Anpassung der Verfahren an den neuesten Stand der Technik. Beispiele hierfür sind die Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (1985, 1986) samt des dazugehörigen untergesetzlichen Regelungswerkes, insbesondere der Technischen Anleitung Luft (1986) und der Großfeuerungsanlagen-Verordnung (1983). Des Weiteren sind die fünfte Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes (1986), die Novellierung des Abwasserabgabengesetzes (1986), die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (1986) sowie des Tierschutzgesetzes (1986) zu nennen. Trotz beachtlicher Verbesserungen in manchen Bereichen, darf aber nicht darüber hinweg gesehen werden, dass die Optimierungsbestrebungen sich teilweise in ihr Gegenteil verkehrten. Dies gilt insbesondere für die Strahlenschutzvorsorge, das Artenschutzrecht und das Baugesetz-

buch.25

Trotz aller Optimierung hat ein Aufbruch zu einem gänzlich neuen Umweltrecht nicht stattgefunden. Eine Ausnahme bildet lediglich das Abfallrecht. Dort wurde mit der vierten Novellierung des Abfallgesetzes (1986) dem Vorsorgegrundsatz ein wenig Rechnung getragen, indem die Ziele der Ab fall Vermeidung und Abfallverwertung, allerdings ohne Prioritätenreihenfolge, mit in das Abfallrecht aufgenommen wurden.26

Dritte Gesetzgebungsphase ab 1987: Harmonisierung und Erweiterung Mit der Optimierung der Umweltgesetzgebung hat sich das Problem eines effektiven juristischen Umweltschutzes auf die Vollzugsebene verlagert (Kontroll- und Überwachungsprobleme). Engpass der praktischen Umweltpolitik sind die knappen Ressourcen, insbesondere Kosten und Personal. Aus dieser Problematik ist das heutzutage die Umweltpolitik beherrschende Schlagwort des „Vollzugsdefizits" entstanden. Die Herausforderungen der dritten Gesetzgebungsphase bestehen darin, erstens die vorhandenen Instrumente unter dem Kriterium der optimalen Wirksamkeit einzusetzen, zweitens die segmentierten und medial ausgerichteten Umweltrechtsgebiete miteinander zu verbinden und zu harmonisieren und drittens, anderweitige Wege in der Instrumentendiskussion zu gehen, die das Problem des Vollzugsdefizits umgehen. Große Hoffhungen bezüglich der Harmonisierung und Vereinheitlichung des Umweltrechts, wurden in das Umweltgesetzbuch27 gesetzt. So waren zwei Sachverständigen25 26 27

Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 32f. Vgl. Ritter, H.: Umweltpolitik und Rechtsentwicklung, 1987, S. 929f. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Umweltgesetzbuch,

1998.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

119

Kommissionen damit beauftragt, ein einheitliches Umweltgesetzbuch zu schaffen, das die Zersplitterung und die daraus resultierende Unübersichtlichkeit und Regelungslücken des Umweltrechts aufheben und den steigenden europarechtlichen Anforderungen Rechnung tragen sollten. Der Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch sieht einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil vor. Im Allgemeinen Teil werden die übergreifenden und allgemeinen Rechtsgrundsätze des Umweltrechts zusammengefasst. Es enthält Vorschriften zu den Grundlagen des Umweltschutzes, zur Rechts- und Regelsetzung im Umweltrecht, zur Planung und Zulas-

mationen,

Anlagen, zum betrieblichen Umweltschutz, zum Produktbereich, zu Umweltinforzum grenzüberschreitendem Umweltschutz, zu den ökonomischen Instrumenten

sowie

Überwachung.

sung

von

zur

Speziell im Zulassungsrecht sieht der Entwurf eine integrierte Vorhabensgenehmigung vor, mit der ein Vorhaben einheitlich und medienübergreifend auf seine Wirkungen auf die Umwelt untersucht wird. Statt einer wie bisher isolierten Betrachtung einzelner Auswirkungen auf Wasser, Boden, Luft, Natur und Landschaft, soll dies mittels einer einheitlichen Vorhabensgenehmigung gesamthaft geschehen, was weitere einzelne behördliche Zulassungen entbehrlich macht und der Kompetenzzersplitterung einzelner Behörden entgegenwirkt. Darüber hinaus sieht der Vorschlag ein neuartiges Kapitel vor, bei dem die schädlichen Umweltauswirkungen von Produkten bei Herstellung und Gebrauch begrenzt werden sollen. Ohne eine Zulassungspflicht für Produkte einführen zu wollen, sollen die Pflichten der Hersteller, Vertreiber und Verwender entlang des Produktlebenszyklus normiert werden.

Weiter setzt der Vorschlag auf eine stärkere Eigenverantwortung, wie z.B. auf Eigenüberwachung im betrieblichen Umweltschutz anstelle von behördlicher Kontrolle und Überwachung sowie auf ökonomische Instrumente wie Umwelthaftung und Umweltabgaben. Ein erweiterter Zugang der Bürger zu Umweltinformationen soll femer deren Mitwirkungsrechte, beispielsweise bei Vorhabensgenehmigungen, stärken. Der Besondere Teil gliedert sich in neun Kapitel, die spezielle Regelungen zu einzelnen Umweltmedien und Umweltwirkungen beinhalten. Dies sind Naturschutz, Artenschutz, Landschaftspflege und Waldschutz, Bodenschutz und Gewässerschutz, Immissionsschutz, umweltschonende Energieversorgung, kerntechnische Sicherheit und Strahlenschutz sowie Abfallwirtschaft. Des Weiteren wird der Umweltschutz bei Verkehrs- und Leitungsanlagen, bei der Gen- und Biotechnik sowie bei gefährlichen Stoffen miteinbezogen. ist bis heute aufgrund verfassungsrechtlicher Probleme in den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes nicht verabschiedet worden. Zwar soll an dem Konzept eines einheitlichen Umweltgesetzbuches festgehalten werden, allerdings sind hierfür erst gesicherte verfassungsrechtliche Grundlagen für eine bundeseinheitliche Kodifikation des Umweltrechts zu schaffen.28 Das

Umweltgesetzbuch

Vgl. Mitteilung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Umweltgesetzbuch, Art.-Nr. 2202, Februar 2000.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

120

Einen weiteren Meilenstein in der rechtlichen Verankerung des Umweltschutzes bildet die Aufnahme des Artikels 20a in das Grundgesetz im Jahr 1994. Danach wird dem Umweltschutz der Rang einer Staatszielbestimmung zugewiesen. Artikel 20a GG formuliert: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die zukünftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung." An dieser Stelle ist aber darauf hinzuweisen, dass es sich bei Artikel 20 a GG nicht um ein, dem einzelnen Bürger zustehendes Gmndrecht auf Schaffung und Erhalt einer sauberen und intakten Umwelt handelt. Artikel 20a GG stellt lediglich eine Staatszielbestimmung dar. Er fungiert als verfassungsrechtlicher Abwägungsbelang im Zusammenhang mit staatlichen Entscheidungsprozessen und als Auslegungsmaßstab bei unbestimmten Rechtsbegriffen und Er-

messensentscheidungen. Gleichzeitig ergibt sich hieraus für die Legislative wie Exekutive ein Handlungsauftrag zur grundsätzlichen Beachtung und Fördemng des Umweltschutzes.29 Neben den Harmorusierungsbestrebungen wurde das Umweltrecht weiter fortentwickelt. Gründe hierfür liegen zum einen in den gewonnenen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkennmissen, der Schließung aufgedeckter Rechtslücken und vor allem in der Umsetzung völkerrechtlicher und europarechtlicher Vorgaben. Des Weiteren waren mit der Erlangung der Deutschen Einheit im Jahr 1990 auch umfangreiche rechtliche und organisatorische, den Auf Bundesebene sind hier vor allem Umweltschutz betreffende Maßnahmen, zu nennen: Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (1990), Umwelthaftungsgesetz (1990), Gentechnikgesetz (1990), Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (1994), Umweltinformationsgesetz (1994), Umweltauditgesetz (1995), Bundes-Bodenschutzgesetz (1998), Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform mit dem Stromsteuergesetz (1999) und der Änderung des Mineralölsteuergesetzes (1999) und dem Umweltaudit-Anwendungsgesetz

notwendig.30

(2001).31

4.2

Systematisierung des Umweltrechts Das Umweltrecht lässt sich grob in drei nebeneinanderstehende Teilgebiete unterteilen: Öffentliches Umweltrecht, Umweltstrafrecht und Umweltprivatrecht. Daneben existieren weitere Rechtsgebiete wie das Umweltprozessrecht32 sowie das Umweltvölkerrecht und das europäische Umweltgemeinschaftsrecht (vgl. Abb. 27).33

Vgl. Schmidt, R.: Einführung in das Umweltrecht, 2001, S. 44ff. Vgl. hierzu Kloepfer, M: Umweltrecht im geeinten Deutschland, 1991. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 33f. Auf die Darstellung des Umweltprozessrechtes wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 43ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

Abbildung 27:

121

Systematisierung des Umweltrechts Umweltrecht

Umweltvölkerrecht

Öffentliches Umweltrecht

Umweltstrafrecht

Umwelt-

privatrecht

Europäisches

Umweltrecht

Bundesimmissions-

schutzgesetz Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz Bundes-Boden_

schutzgesetz ff.

-

Quelle: 4.3

eigene Darstellung

Öffentliches Umweltrecht

Den Kembereich des Umweltrechts bildet das öffentliche Umweltrecht. Die öffentlichrechtlichen Umweltschutzbestimmungen stellen den Großteil umweltrechtlicher Regelungen. Aus diesem Bereich entstammen die für Unternehmen besonders relevanten Bestimmungen.

Umweltrecht34 wird weiter unterteilt in Umweltverfassungsrecht und Umweltverwaltungsrecht. Das Umweltverfassungsrecht vereinigt dabei diejenigen Rechtsvorschriften, die aus dem Grundgesetz und den Landesverfassungen stammen. Hierzu zählen insbesondere die Staatszielbestimmung „Umweltschutz" in Art 20 a GG sowie die Regelung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung nach Art 72 Abs. 1 GG. Daneben haben das Rechtsstaatsprinzip und das Sozialstaatsprinzip Bedeutung für den Umweltschutz. Das öffentliche

Das Umweltverwaltungsrecht regelt die hoheitliche Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung auf dem Gebiet der Umweltpflege. Es ist in einer kaum noch überschaubaren Vielzahl an Gesetzen geregelt. Eine, wenn auch nicht überschneidungsfreie, Kategorisierung erfolgt vielfach anhand der Unterteilung in:

medialen, kausalen, Zum Öffentlichen Umweltrecht

vgl. detailliert Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R.: Umweltrecht, 2000.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

122

vitalen und

integrierten Umweltschutz.35 Der mediale Umweltschutz dient dem Schutz der Umweltmedien

Luft, Boden und Wasser

(insbesondere Bundesimmissionsschutzgesetz, Wasserhaushaltsgesetz, Bundesbodenschutzgesetz, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz).36 Regelungen zum kausalen Umweltschutz zielen auf die Herabsetzung der Umweltbelastung mittels Reglementierung des Umgangs mit und der Emission von Stoffen ab (Atomgesetz, Strahlenschutzverordnung, Chemikaliengesetz, Arzneimittelrecht, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz). Der vitale Umweltschutz dient dem direkten Schutz von Tieren und Pflanzen (Bundesnaturschutzgesetz, Tierschutzgesetz). Der integrierte Umweltschutz findet sich in Gesetzen wodurch unterschiedliche Interessen, wie z.B. Nutzungsmöglichkeiten durch Abwägung in Einklang gebracht werden sollen. Typische Bereiche sind die Raumplanung, das Chemikalienrecht, die Gefahrstoffverordnung und das

Gesundheitsrecht.37

Prinzipien des Umweltrechts Diese Prinzipien stellen einen dem Umweltrecht zugrundeliegenden, das gesamte Umweltrecht durchziehende Maxime dar, auf welche das Umweltrecht zurückgeführt werden kann und als deren Umsetzung zu verstehen ist. Die Umweltschutzprinzipien sind bis auf wenige Ausnahmen keine unmittelbar anwendbaren Rechtssätze. Sie stehen vielmehr im Hintergrund konkreterer Normen, deren Auslegung sie prädeterminieren. Solange sie nicht gesetzlich verankert und damit zu unmittelbar verbindlichen und anwendbare Rechtsprinzipien geworden 4.3.1

sind, haben sie nur den Charakter von umweit- und rechtspolitischen Handlungsmaximen.38

Prinzipien des Umweltrechts sind das Vorsorgeprinzip, zip/Gemeinlastprinzip und das Kooperationsprinzip. Die

das

Verursacherprin-

Vorsorgeprinzip Mit dem Vorsorgeprinzip ist gemeint, dass Umweltgefahren und Umweltschäden so weit wie möglich vermieden werden und gar nicht erst entstehen sollen. Verkürzt gesagt, die Schadensvermeidung hat Vorrang vor der Schadensbeseitigung. Vorsorge bedeutet Gefahren- und Risikovorsorge. Daneben gibt es eine zweite, aber umstrittene Interpretation des Vorsorgeprinzips im Sinne der Ressourcenvorsorge. Danach bedeutet das Vorsorgeprinzip das Gebot einer weitestgehenden Schonung der Umweltmedien Boden, Luft, Wasser und Biosphäre im Sinne der Schaffung von ökologischen Freiräumen und im Interesse künftiger Nutzungen.39 Seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro wird dieser langfristige Vorsorgegedanke auch als Prinzip der Nachhaltigkeit bezeichnet.40

Vgl. Peine, F.-J.: Geschichte des Umweltrechts, 1993, S. 244ff. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 4.3.3. Vgl. Erbguth, W.: Juristischer Umweltschutz, 1995, S. 80. Vgl. Bender, B./Sparwasser, R.(Engel, R.: Umweltrecht, 2000, S. 29. Vgl. Schmidt, R.: Einführung in das Umweltrecht, 2001, S. 4ff., Kloepfer, M: Umweltrecht, 1998, S. 166ff.

Vgl. Cansier, D.: Nachhaltige Umweltnutzung als neues Leitbild der Umweltpolitik, 1995, S.

129ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

123

Verursacherprinzip Mit dem Verursacherprinzip ist in seiner Auslegung als Kostenzurechnungsprinzip gemeint, dass derjenige, der die Umwelt belastet oder schädigt, für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufzukommen hat. Weiter gefasst, kommt im Verursacherprinzip die Verantwortung jedes Einzelnen zum Ausdruck, die Umwelt zu schonen, Schäden zu vermeiden, zu vermindern oder zu beseitigen. Die Kostenzurechnung ist lediglich die Folge dieser Verantwortung.41 Sie kann darin bestehen, dass dem Verursacher die Kosten solcher Umweltbelastungen auferlegt werden, die über das rechtlich zugelassene Maß hinausgehen, oder dass der Verursacher zu einem finanziellen Ausgleich für solche Umweltbelastungen herangezogen wird, die das Recht ihm gestattet. Hinter dem Verursacherprinzip steht der Gedanke der verursachergerechten Internalisierung externer Effekte.42 Gemeinlastprinzip Das Gemeinlastprinzip steht ergänzend neben dem Verursacherprinzip. Ist der Verursacher einer Umweltbelastung nicht identifizierbar, so ist eine verursachergerechte Zuweisung der Kosten nicht möglich. Aus diesem Grund tritt der Staat im Rahmen seiner Daseinsvorsorge ein. Die Kosten des Umweltschutzes werden damit der Allgemeinheit übertragen, d.h. über den Staatshaushalt finanziert (Steuern). Das Gemeinlastprinzip steht allerdings subsidiär zum Verursacherprinzip, d.h. eine verursachergerechte Kostenzuweisung geht der allgemeinen

Anlastung vor.43

Kooperationsprinzip Mit dem Kooperationsprinzip ist gemeint, dass Umweltschutz nicht ausschließliche Aufgabe des Staates im Rahmen seiner Daseinsvorsorge ist und von diesem auch nicht durchgängig einseitig gegen Wirtschaft und Gesellschaft durchgesetzt werden soll. Vielmehr soll die Zusammenarbeit aller betroffenen Kräfte im Sinne einer Kooperation zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft den Vollzug des Umweltrechts durch Konsens und die Nutzbarmachung des gemeinsamen S ach Verstandes fördern. Das Kooperationsprinzip bedeutet allerdings nicht Gleichrangigkeit der Kooperierenden. Das Kooperationsprinzip ändert nichts an der Fähigkeit des Staates, seine umweltpolitischen Zielvorstellungen im Rahmen des geltenden Rechts erforderlichenfalls gegen den Willen der Betroffenen durchzusetzen. Unterschiedlichste Umweltgesetze sehen die Beteiligung Dritter bei Planungs- und Feststellungsverfahren vor, z. B. die Vorschrift über die Beteiligung Privater an der Normsetzung ("beteiligte Kreise", § 51 BImSchG), Vorschriften über die Beteiligung in Genehmigungsverfahren (z.B. § 10 III IX

BImSchG).44

-

4.3.2 Instrumente des Umweltrechts

verfügt über eine Vielzahl an Instrumenten mit denen die Ziele der Umweltpolitik verfolgt werden. Diese können nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifiziert werden, wobei sich Überschneidungen nicht vermeiden lassen.45 Die nachfolgende KlassifiDas Umweltrecht

Vgl. Schmidt, R.: Einführung in das Umweltrecht, 2001, S. 6. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 176ff. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 21f., Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 183ff. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 185ff., Schmidt, R.: Emführung in das Umweltrecht, 2001, S. 8f.

Vgl. Rehbinder, E.: Ziele, Grundsätze, Strategien und Instrumente, 1997, S. 04/083f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

124

zierung

orientiert sich

der Wirkungsweise der Instrumente. Grob lassen sich hier Instruindirekten Verhaltenssteuerung unterscheiden. Hinzu kommen Instrumente. Die dritte Instmmentenkategorie kombiniert die Elemente planungsrechtliche direkter wie indirekter Instrumente.46 an

mente der direkten und der

Abbildung 28:

Instrumente des Umweltrechts

Instrumente des Umweltrechts

Instrumente der direkten

Instrumente der indirekten

Verhaltenssteuerung

Verhaltenssteuerung

Gebote und Verbote

Inputauflagen

Sonstige Instrumente des Umweltrechts

Abgaben Emissionsabgaben Inputabgaben Produktabgaben

Umweltverträglichkeitsprüfung

-

Planungsrechtliche

-

Prozeßnormen Allgemein anerkannte Regeln der Technik Stand der Technik Stand von Wissenschaft und Forschung -

-

-

Outputauflagen Mengenlimitierungen -

Produktnormen

-

Emissionsauflagen Frachtbezogen Konzentrationsbezogen

Instrumente

-

Subventionen Handelbare Nutzungsrechte

-

Rücknahmepflichten Pfandpflichten Umwelthaftung

-

Raumbezogene Gesamtplanung Umweltspezifische Fachplanung

Weiche Instrumente -

-

-

Absprachen Selbstverpflichtungen Informationspflichten Organisationspflichten

-

-

-

Quelle: Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 20 Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung Ausgehend von der historischen Herkunft des Umweltrechts aus dem Polizeirecht, das ausschließlich auf die Gefahrenabwehr ausgerichtet war, liegt das Hauptgewicht der umweltrechtlichen Instrumente auf Instrumenten der direkten Verhaltenssteuerung. Die hier angesprochenen ordnungsrechtlichen Instrumente umfassen: •

Gebote/Verböte



Auflagen.

Gebote/Verbote Geboten sind per Gesetz vorgeschriebene Handlungen, welche aus Gründen des Umweltschutzes durchzuführen sind. Gebote schreiben Pflichten fest. Zu diesen Pflichten gehören

Vgl. Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S.

19f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung insbesondere

Kennzeichnungs-, Duldungs-, Unterlassungs-,

Auskünfte- oder

125

Organisations-

pflichten. Umweltverbote untersagen oder beschränken aus Gründen des Umweltschutzes bestimmte Handlungen, insbesondere das Errichten und Betreiben ausgewählter Anlagen oder das Herstellen und Inverkehrbringen von Stoffen bzw. setzen eine behördliche Genehmigung für solche Handlungen

voraus.47

Auflagen Werden bei einer solchen Genehmigung aus den Fachgesetzen abgeleitete Anforderungen an den Betrieb einer Anlage gestellt, so wird von Auflagen gesprochen. Je nachdem in welcher Phase des Produktionsprozesses diese Auflagen ansetzen, wird in •

• •



Inputauflagen, Prozessauflagen, Outputauflagen und Emissionsauflagen

unterschieden. Bei den Inputauflagen wird den Betreibern von Produktionsprozessen die Verwendung bestimmter Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe vorgeschrieben bzw. verboten. Inputauflagen können entweder allgemein verpflichtend oder aber räumlich und zeitlich differenziert vorliegen. Prozessauflagen schreiben konkret anzuwendende Produktions-, Sicherheits- und Entsorgungstechnologien vor, die gewöhnlich in Verwaltungsvorschriften festgeschrieben werden. Hierbei kommen oftmals sogenannte Technikklauseln zum Einsatz, um eine kontinuierliche Anpassung der Verwalmngsvorschriften an den technischen Fortschritt vermeiden zu können. Prozessauflagen nach dem "Stand von Wissenschaft und Forschung" fordern, dass die jeweils fortschrittlichsten, sich in Entwicklung befindlichen Technologien einzusetzen sind, unabhängig davon ob sie in der Praxis schon erprobt wurden. Diese Technikklausel kommt insbesondere im Atomrecht zur Anwendung. Prozessauflagen nach dem "Stand der Technik" fordern den Einsatz der fortschrittlichsten, in der Praxis erprobten Technologien. Prozessauflagen nach den "allgemein anerkannten Regeln der Technik" fordern den Einsatz derjenigen Technologien, die von der Mehrzahl der Betreiber verwendet werden.48 Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung Instrumente der indirekten Verhaltenssteuemng dienen der Beeinflussung der ökonomischen Rahmenbedingungen, der Informationslage und den Wertvorstellungen der Betroffenen. •

Abgaben und Subventionen Umweltabgaben stellen ein ökonomisches Instrument dar, mit dem umweltpolitische Ziele mittels finanzieller Anreize erreicht werden sollen. Bei Umweltabgaben werden umweltschädigende Aktivitäten mit einem von staatlicher Seite festgelegten Preis belegt, welcher die Kosten der Umweltschädigung widerspiegeln soll. Durch die Verteuerung umweltbelastender Aktivitäten sollen so Anpassungsprozesse seitens der Abgabepflichtigen zu umVgl. Strom, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 69ff. Vgl. Bender. B./Sparwasser, R./Engel, R: Umweltrecht, 2000, S. 26.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

126

weltfreundlicherem Verhalten angestoßen werden. Umweltabgaben werden in verschiedenen Formen erhoben. Zu Umweltabgaben im weiteren Sinne zählen Steuern, Gebühren und Beiträge sowie Sonderabgaben. •

Steuern sind an öffentliche Körperschaften zu leistende Zwangsabgaben ohne Anspruch auf Gegenleistung. Sie dienen der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben. Steuern richten sich am Leistungsfähigkeitsprinzip aus. Umweltsteuem sind Steuern mit umweltschützendem

Hauptzweck. •



Gebühren und Beiträge sind eine individuell zurechenbare oder gruppenbezogene Gegenleistung für die unmittelbare Beanspruchung oder Bereitstellung von Verwaltungs- oder Benutzungsleistungen der öffentlichen Hand. Gebühren werden bei der tatsächlichen Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung erhoben, z. B. Abfallgebühr. Beiträge hingegen eröffnen lediglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Leistung.

Sonderabgaben sind im Unterschied

zu Steuern gruppenbezogene Abgaben, spezielle Umweltaufgaben (Gruppennützigkeit) unterliegen.



die der

Zweckbindung

für

Umweltabgaben haben zwei Funktionen. Zum einen sollen Umweltabgaben die idealtypischen Anpassungsprozesse zu umweltfreundlichem Verhalten anstoßen (Lenkungsfunktion), zum anderen soll durch Umweltabgaben die Finanzierung staatlicher Umweltschutzmaßnahmen gesichert werden. In der Praxis dominiert deutlich die Finanziemngsfunktion.51 Anwendungsbeispiele für Umweltabgaben in Deutschland sind der Abfall-, der Gewässer- und der Verkehrsbereich.



4')

50

51

Umweltschutzsubventionen Während Umweltabgaben umweltschädliches Verhalten bestrafen, wird mit Umweltschutzsubventionen umweltentlastendes Verhalten finanziell belohnt. Umweltschutzsubventionen erfolgen durch direkte Finanzhilfen oder Steuervergünstigungen bzw. durch anderweitige Entlastungsmaßnahmen. Im Falle direkter Finanzierungshilfen beteiligt sich die öffentliche Hand bei Maßnahmen zum Umweltschutz anteilig an den Kosten, beispielsweise bei den Anschaffungskosten von Umweltschutzinvestitionen. Im Falle von Steuervergünstigungen handelt es sich in erster Linie um Maßnahmen der Steuerdifferenzierung, bei denen das umweltfreundlichere Substitut steuerlich weniger belastet wird oder diesem steuerliche Vorteile im Rahmen von Sonderabschreibungsmöglichkeiten eingeräumt werden.

Vgl. Michaiis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 23. Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R.: Umweltrecht, 2002, S. 54ff. Vgl. Bartmann, H.: Umweltökonomie, 1996, S. 138ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung •

127

Handelbare Nutzungsrechte Umweltlizenzen und -Zertifikate stellen kontingentierte Umweltverschmutzungsrechte dar. Handelbare Umweltverschmutzungsrechte sind ein Instrument der Mengensteuerung. In einem ersten Schritt werden entsprechend den insgesamt zulässigen Emissionen, Verschmutzungslizenzen von staatlicher Seite ausgegeben oder verkauft und anschließend frei unter den Unternehmen gehandelt. Ein Verursacher von Emissionen ist nur dann zur Emission einer bestimmten Schadstoffmenge berechtigt, wenn er über die entsprechende Menge an Teilverschmutzungsrechten verfügt. Auf diese Weise lässt sich ein politisch festgesetztes Gesamtverschmutzungsmaß relativ treffsicher erreichen. Möchte der Staat den Verschmutzungsgrad reduzieren, so kann er selbst auf dem Markt für Verschmutzungsrechte als Nachfrager auftreten und die erkauften Verschmutzungsrechte vom Markt nehmen. Infolge der Angebotsverknappung stellt sich ein neuer Knappheitspreis für die Nutzung der Umwelt als Schadstoffaufnahmemedium ein und bietet somit den Unternehmen Anreize zur Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen, mit denen der Bedarf an Umweltverschmutzungsrechten gesenkt werden kann. Desweiteren bieten Umweltlizenzen den Anreiz, dass Unternehmen von sich aus umweltschonender wirtschaften, da eingesparte Umweltverschmutzungsrechte ertragssteigernd veräußert werden können. Die Institutionalisiemng von Märkten für Umweltlizenzen kann allerdings beim Einsatz handelbarer Umweltverschmutzungsrechte zum Missbrauch von Marktmacht führen. Je nach Ausgestaltung der Ausgabe und des Handels mit Umweltverschmutzungsrechten können Markteintrittsbarrieren errichtet werden oder Marktteilnehmer durch Aufkauf und Horten von Umweltrechten verdrängt werden. Dagegen ist die ökologische Treffsicherheit dieses umweltpolitischen Instmmentes hoch, da die politisch festgelegte Verschmutzungsgrenze nicht (legal) überschritten werden kann. Der ökologische Erfolg dieses umweltpolitischen Instrumentes hängt allerdings von einer wirkungsvollen Kontrolle der Einhaltung der Emissionswerte ab. Trotz hoher ökologischer Treffsicherheit und ökonomischer Effizienz werden handelbare Umweltrechte bisher nur selten eingesetzt.



Rücknahme und Pfandpflichten Mittels Rücknahme und Pfandpflichten werden die Umweltbelastungen nach dem Gebrauch von Produkten, sprich in deren Entsorgungsphase reguliert. Im Falle eines ausreichend hohen rückzahlbaren Pfandes wird dem Verbraucher eines umweltschädlichen Produktes am Ende der Nutzungsphase ein finanzieller Anreiz gesetzt, das genutzte Produkt einem vorab festgelegten Entsorgungsweg zuzuführen. Eine Pfandlösung ist daher lediglich nachsorgend wirksam. Ein Anreiz zu einer vorsorgenden, ökonomischökologischen Optimierung von Produkten über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg, geht von sogenannten Rücknahme- und Entsorgungs- bzw. Verwertungspflichten aus. Bei diesen wird den Hersteilem von Produkten die Pflicht auferlegt, am Ende der Gebrauchsphase das Produkt ordnungsgemäß zu verwerten bzw. zu beseitigen. Rücknahmepflichten bewirken daher, dass die am Ende der Gebrauchsphase anfallenden Entsorgungskosten an die Hersteller der Produkte verursachergerecht zurückverlagert werden. Diese Kostenverlagerung hat zur Folge, dass Unternehmen die Kosten der Entsorgung bereits in der Produktentwicklungsphase mitberücksichtigen und hieraus Innovationspotentiale (z. B. recyclingfreundliches Design, Materialwahl) entspringen. Die zwischenzeitlich geplante Verordnung über eine Rücknahmepflicht für Altautos wurde zu Gunsten einer Selbstverpflichtung der Automobilindustrie zurückgestellt. Derzeit

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

128

sieht lediglich die Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991 eine Rücknahmepflicht durch die Hersteller bzw. durch sie beauftragte Dritte (Duales System Deutschland) vor.52 •

Planungsrechtliche Instmmente Die Umweltplanung ist ein Instrument der vorsorgenden Umweltpolitik, mit der komplexe Problemzusammenhänge erfasst und im Falle konkurrierender Ziele zu einem Ausgleich gebracht werden sollen. Während die direkten Instmmente des Umweltrechts Handlungen explizit vorschreiben bzw. untersagen und daher eine starke Lenkungswirkung entfalten, dienen die planungsrechtlichen Instrumente schwerpunktmäßig einer auf Umweltvorsorge gerichtetem Verhalten des Staates. In dieser weiten Begriffsfassung findet die Umweltplanung ihren Niederschlag in Regierangsprogrammen und Berichten zum Stand der Umwelt. Beispiele hierfür sind das schon angesprochene Umweltaktionsprogramm der Bundesregierung aus dem Jahr 1971 oder die Umweltaktionsprogramme der Europäischen Union53. Darüber hinaus fallen hierunter die gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) und des Wissenschaftlichen Beirats zur Begutachtung der globalen Umweltveränderungen (WBGU).

ist mit Umweltplanung die Umweltraumplanung gemeint. Hier unzwei Arten von Planung. Die raumbezogene Gesamtplanung legt für eine festgelegte Region in ihrer Gesamtheit die Flächennutzung unabhängig von konkreten Vorhaben fest. Umweltschutz stellt hier nur eines von vielen zu beachtenden Kriterien dar. Im Fall der sogenannten Fachplanung hingegen zielt die Planung explizit auf den Erhalt und die Verbesserung der Umweltsituation ab. Im Vordergrand steht hier die Erarbeitung regionaler Umweltschutzpläne, in denen die angestrebten Umweltschutzziele sowie die Maßnahmen zu deren Erreichen festgeschrieben werden. Die große Anzahl regional spezifischer Fachpläne erfordert dabei ein hohes Maß an Koordination.54 In enger

Begriffsfassung

terscheidet

man

Das bekannteste planungsrechtliche Instrument ist die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Die UVP dient der Gewinnung relevanter Informationen über die voraussichtlichen Umweltauswirkungen eines Projekts, unabhängig davon, ob es sich um ein öffentliches oder privates handelt. Die UVP umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen und Umwelt. Als integrativer Bestandteil von Zulassungsverfahren dient sie der Behörde als Entscheidungshilfe. Nach §14 UVPG ist von den Bundesländern eine federführende Behörde festzulegen, die bestimmte Arbeitsschritte der UVP für alle beteiligten Behörden durchführt. Die Prüfung hat sich auch auf mögliche ökologische Wech-

selwirkungen und Verlagerangsprozesse zu erstrecken. Auf Basis des UVP-Ergebnisses wird zwischen dem möglichen Umweltrisiko und den Belangen des Vorhabens abgewogen. Beispiele UVP-pflichtiger Projekte sind grundwasserrelevante Projekte; Pipelines für Öl, Gas und Chemikalien; Industrieanlagen der Zellstoff- und Papierindustrie; Flurbereinigungsprojekte; Fleisch- und Gemüsekonservenindustrie; Infrastrukturprojekte (z.B. Bergbahnen, Häfen u.ä.) Abstrakte Maßnahmen wie Programme oder Pläne großräumiger Art sind ebenfalls UVP-

pflichtig.

Vgl. Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 25f. Vgl. hierzu die Ausfuhrungen im Kapitel Umwelteuroparecht. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 79ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

129

Aufgrund der komplizierten und langwierigen Genehmigungsvorhaben bei größeren Industrieanlagen wird im Vorfeld der Planungen in Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde der Umfang des Verfahrens abgestimmt. Dieses sog. Scoping-Verfahren dient der Sondierung der Erfolgsaussichten der späteren Anlagenerlaubnis unter Beteiligung sachverständiger Dritter und der Öffentlichkeit (Gutachter, Umweltverbände, Anrainer etc.). Die Umweltverträglichkeitsprüfung bemht auf einer entsprechenden EG-Richtlinie. Das UVPG trat am 01.08.1990 in Kraft. Mit der Änderung von 1997 sollte auch die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU) berücksichtigt werden. Durch diese Instmmente sollen gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, die durch unterschiedliche Systeme der UVP in den Mitgliedsstaaten entstehen können. 1987 wurde als Fachverband der in der Umweltverträglichkeitsprüfung Tätigen, der "Verein Förderung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) e.V." gegründet. 1997 erfolgte die Umbenennung in "UVP-Gesellschaft e.V. (Gesellschaft für die Prüfung der Umweltverträglichkeit)". Ziele der UVP-Gesellschaft e.V. sind insbesondere: Information, Beratung und Austausch von Erfahrungen, sowie das Einwirken auf Gesetzgebung und Verwaltung zum Zwecke der Forcierung der Bemühungen zur Umweltvorsorge. zur

Ausgewählte Gebiete des öffentlichen Umweltrechts Im Folgenden werden die zentralen Umweltgesetze zum Schutz der Umweltmedien skizziert. Die vorgestellten Gesetze werden deshalb als zentral bezeichnet, da sie die umweltrechtlichen Anforderungen umfassen, die von dem Großteil der (produzierenden) Unternehmen zu beachten sind. Auf die Darstellung spezieller umweltrechtlicher Regelungen wird an dieser Stelle verzichtet ( z.B. Düngemittel-, Deponieverordnung, Gefahrstoffverordnung etc.). 4.3.3

4.3.3.1

Bundesimmissionsschutzgesetz Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) hat den Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen, des Bodens, des Wassers, der Atmosphäre sowie von Kultur- und sonstigen Sachgütem vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme und Strahlen sowie das Vermeiden solcher Umwelteinwirkungen zum Ziel.

überwiegende Teil des BImSchG regelt den Schutz vor schädlichen Auswirkungen, die Anlagen ausgehen (anlagenbezogener Immissionsschutz). Die Vorschriften zum produktbezogenen, verkehrsbezogenen und gebietsbezogenen Umweltschutz spielen nur eine untergeordnete Rolle.55 Der

von

Vgl. Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 32f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

130

Abbildung 29:

Sachliche Regelungsbereiche des

Immissionsschutzgesetz

Sachliche Regelungsbereiche des Immissionsschutzrechts

Anlagenbezogener

Produktbezogener

Verkehrsbezogener

Immissionsschutz

Immissionsschutz

Immissionsschutz

Genehmigungsbedürftige Anlagen

Anlagenteile, Geräte

Straßenverkehr

Schongebiete

Schienenverkehr Nicht genehmigungs-

Brenn-, Treib- und

Smoggebiete

Luftverkehr

Belastungsgebiete

bedürftige Anlagen

Quelle:

Gebietsbezogener Immissionsschutz

und Maschinen

Schmierstoffe

Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 31.

Dabei wird das

Bundesimmissionsschutzgesetz durch eine Vielzahl an Verordnungen und untergesetzlicher Regelungswerke konkretisiert. Hierzu zählen einerseits Verordnungen für bestimmte Anlagen (Großfeuerungsanlagenverordnung, Abfallverbrennungsanlagenverordnung), als auch anlagenübergreifende Verordnungen wie die Störfallverordnung. anlagenbezogenen Umweltschutz wird zwischen genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen unterschieden, wobei der Kreis der Anlagen, die genehmigungsbedürftig sind in der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung abschließend aufgezählt Im

wird.

So haben die Betreiber tragen, dass:

genehmigungsbedürftiger Anlagen nach §

5 BImSchG dafür

Sorge zu

schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen der Begrenzung von Emissionen; Abfälle vermieden werden, soweit die Vermeidung technisch möglich und zumutbar ist. Die Vermeidung ist allerdings unzulässig, wenn die Verwertung zu weniger umweltschädlichen Auswirkungen führt. Darüber hinaus sind nicht zu vermeidende Abfälle zu verwerten und nicht zu verwertende Abfälle gemeinwohlverträglich zu beseitigen.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung •

131

eingesetzte Energie sparsam und effizient verwendet wird, v.a. durch den Einsatz von Anlagen mit hohem Wirkungsgrad. Die entstehende Wärme der Anlagen ist soweit technisch möglich und zumutbar durch den Betreiber der Anlage zu verwenden bzw. an Dritte abzugeben. die

Konkretisierung dieser Betreiberpflichten wurden Verwaltungsvorschriften wie die TechAnleitung Lärm und Technische Anleitung Luft erlassen, in denen einzuhaltende Grenzwerte, sicherheitstechnische Prüfungen und Messungen vorgeschrieben werden.

Zur

nische

Unter die nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen fallen diejenigen, die wegen ihres geringeren Grades an möglichen Umweltgefährdungen keiner Genehmigung bedürfen. Hierzu zählen u.a. Werkstätten, Tankstellen, Tiefgaragen, Sportplätze oder Rasenmäher. Im Unterschied zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen schreibt § 22 BImSchG lediglich vor, dass: •





schädliche Wirkungen verhindert werden müssen, sofern sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; die nach dem Stand der Technik nicht vermeidbaren Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden; die bei dem Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden.

Konkretisierung dieser Betreiberpflichten wurden erlassen.56 Zur

ebenfalls diverse

Rechtsverordnungen

Der produktbezogene Immissionsschutz bezieht sich auf das Herstellen, Inverkehrbringen und Einführen von Anlagen, Anlagenteilen, Stoffen und sonstigen Erzeugnissen (§§ 32-37 BImSchG). Das Gesetz sieht vor, dass per Rechtsverordnung Anforderungen an serienmäßig hergestellte Teile von Betriebsstätten und sonstigen ortsfesten Einrichtungen sowie Maschinen und Geräte nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie bestimmten Anforderungen genügen (z.B. Rasenmäherlärm-Verordnung). Gleiches gilt für das Herstellen, Inverkehrbringen und Einführen von Brenn-, Treib-, und Schmierstoffen, z.B. Verordnung über den Schwefelgehalt von leichtem Heizöl und Dieselkraftstoff.

Die verkehrsbezogenen Regelungen des Immissionsschutzes der §§ 38-43 BImSchG reglementieren die Beschaffenheit, den Betrieb und die Prüfung von Kraftfahrzeugen und ihrer Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeugen sowie Schwimmkörpern und schwimmenden Anlagen. Eine Konkretisierung erfolgt wiederum mittels Rechtsverordnung. Im Straßenverkehr sind dies insbesondere die Straßenverkehrszulassungsordnung und das Straßenverkehrsrecht. Was die Verkehrsfühmng anbelangt, kann aus Lärmschutzgründen die Errichtung von

Schallschutzmaßnahmen, beispielsweise Lärmschutzwällen, vorgeschrieben werden.

gebietsbezogenen Umweltschutzes ermächtigen die §§ 44-49 BImSchG die Verwaltung gewisse Gebiete als Schutzgebiete auszuweisen bzw. in Belastungsgebieten die Luftreinhaltung zu planen und zu überwachen. Im Falle von Belastungsgebieten, die sich durch erhöhte Luftverunreinigungen auszeichnen, werden sogenannte Emissionskataster aufgestellt, in denen Angaben über die Art, Menge sowie die räumliche und zeitliche Verteilung Im Falle des

Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S.

11 Iff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

132

Luftbelastung festgehalten werden. Überschreiten die ermittelten Werte gewisse Immissionsgrenzen so hat die zuständige Behörde Maßnahmen aufzustellen, mit denen diese Luftverunreinigungen reduziert werden (sog. Luftreinhaltepläne). der

4.3.3.2 Wasserhaushaltsgesetz/Abwasserabgabengesetz

Die

gesetzlichen Grundlagen zur Sicherung und Bewirtschaftung der Gewässer sind im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes (WHG) und in den Landeswassergesetzen kodifiziert. Unter das Wasserhaushaltsgesetz fallen sämtliche frei vorkommenden Gewässer mit Ausnahme des Meeres. Dies sind oberirdische

Gewässer, das Grundwasser sowie Küstengewässer.

Unter Bewirtschaftung versteht man jegliche Einflussnahme, die auf die Ordnung des Wasserhaushalts nach Menge und Güte abzielt. Die Bewirtschaftung erfolgt daher im Rahmen öffentlich-rechtlicher Benutzungsordnungen. Die unmittelbare Nutzung der Gewässer, sowohl im Sinne der Versorgung wie der Entsorgung, bedarf daher grundsätzlich der behördlichen Erlaubnis oder Genehmigung.

Die Maßnahmen zur Sicherung des Gewässerhaushalts umfassen: • • • •

Benutzungsverbote mit Erlaubnis- und Bewilligungsvorbehalten Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser Abwasserbeseitigungs-, Bewirtschaftungs- und Rahmenpläne Festsetzung von Wasserschutzgebieten, Reinhalteordnungen und Überschwemmungsge-

bieten • •

Planfeststellung von Gewässerausbau Vorschriften über die ordnungsgemäße Unterhaltung der Gewässer

Dem •



Wasserhaushaltsgesetz liegen zwei allgemeine Grundsätze zu Grunde (§la I WHG).

Zur Ordnung von Wassergüte und Wassermenge sind Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang damit auch dem Nutzen einzelner dienen und jede vermeidbare Beeinträchtigung der Gewässer zu unterbleiben hat (Bewirtschaftungsgebot).

Jedermann ist verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung zu verhüten; außerdem ist jeder verpflichtet, mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt sparsam mit den Wasserressourcen umzugehen (Sorgfaltsgebot).57

Das ordnungsrechtliche und planerische Instrumentarium des Wasserhaushaltsgesetzes wird durch das Abwasserabgabengesetz und die Abwasserabgabenregelungen der Länder ergänzt. Mit dem Abwasserabgabengesetz (AbwAG) werden ökonomische Anreize zu einem gewässerschonendem Verhalten gesetzt. Nach § 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwasser in ein oberirdisches Gewässer eine Abgabe zu entrichten, deren Höhe sich nach Menge und Schad-

Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R.: Umweltrecht, 2000, S. 248ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

133

stoffgehalt des eingeleiteten Abwassers bestimmt. Aus Gründen der Verringerung des administrativen Aufwands wird die Abgabelast nicht auf Basis der tatsächlich gemessenen Schadstoffeinleitung sondern auf Basis sogenannter Bescheidwerte berechnet, die sich aus der jährlichen Abwasserfracht, gewichtet mit den im Erlaubnisbescheid zugelassenen Konzentrationswerten errechnet. Die zulässigen Konzentrationswerte orientieren sich dabei am jeweiligen Stand der Technik.58 Wassergüte ist weiter von den spezifischen Stoffeigenschaften des eingeleiteten Abwasabhängig. Zur Sicherstellung der Gewässergüte sind darüber hinaus zahlreiche unmittelbar oder mittelbar wirkende, v.a. stoffbezogene Regelungen erlassen worden, so z.B. das Die

sers

Chemikaliengesetz, das Düngemittelgesetz oder das Waschmittel- und Reinigungsgesetz. 4.3.3.3 Kreislaufwirtschafts- und

Abfallgesetz

Die Abfallwirtschaft wird in dem 1996 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) geregelt. Ziel des Gesetzes ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft zum Zwecke der Ressourcenschonung sowie die Sicherstellung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen.59 Der Abfallvermeidung wird zum Schutz der Umwelt ein grundsätzlicher Vorrang gegenüber der Verwertung eingeräumt. Um möglichst viele Stoffe im Wirtschaftskreislauf zu halten und so die natürlichen Ressourcen zu schonen, hat die Verwertung von Abfällen Vorrang vor der Abfallbeseitigung. Die Wirtschaft soll auf diese Weise dazu angehalten werden, die Herstellung und spätere Entsorgung eines Produktes als geschlossenes

System zu betrachten.60

Weiter definiert das KrW-/AbfG, was unter den Abfallbegriff fällt, schreibt die Grundsätze und Pflichten der Erzeuger und Besitzer sowie der Entsorgungsträger vor. Es regelt die Andienungs- und Überlassungspflichten von Abfällen und bestimmt hierdurch, ob Abfälle entweder den öffentlichen Entsorgungsanstalten zu überlassen sind oder ob diese über private Entsorgungsträger verwertet werden können. Darüber hinaus trifft das Gesetz Regelungen über die Produktverantwortung6' "von der Wiege bis zur Bahre", die Ordnung und Planung der Abfallbeseitigung, die Zulassung von Abfallbeseitigungsanlagen, Genehmigungspflichten für das Einsammeln und Befördern von Abfällen und die Überwachung.

gesetzlichen Anforderungen an die Abfallbewirtschaftung werden durch eine Vielzahl an Rechtsvorschriften konkretisiert. Bekannteste Verordnungen sind die Klärschlammverordnung und die Verpackungsverordnung. In den technischen Anleitungen der TA Abfall und der TA Siedlungsabfall werden konkrete Vorgaben an die technische Ausstattung von Entsorgungsanlagen sowie Grenzwerte formuliert.62 Die

Vgl. Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 43ff. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 134ff. Vgl. Bender, B./Engel, R./Sparwasser, R.: Einfuhrung in das Umweltrecht, 2000, S. 613ff. Zur Produktverantwortung vgl. die Ausfuhrungen zu Rücknahme und Pfandpflichten. Zur Produktverantwortung aus ökonomischer Sicht vgl. speziell Gawel, E.: Produktverantwortung aus ökonomischer Sicht, 2000, S. 143ff.

Vgl. Bender, B./Engel, R./Sparwasser, R.: Umweltrecht, 200, S. 614ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

134

4.3.3.4 Bundes-Bodenschutzgesetz Das Umweltmedium Boden

war für lange Zeit nicht durch ein eigenständiges Regelungswerk geschützt. Statt dessen wurde der Bodenschutz in einer Vielzahl von Normen in den verschiedenen Spezialgesetzen wie dem Immissionsschutz-, dem Gewässerschutz oder dem Abfallrecht geregelt. Mit dem 1999 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz, BBodSchG) wurde diese Zersplitterung aufgehoben und eine einheitliche Grundlage für die Altlastensanierung sowie den Schutz des Bodens geschaffen.

Nach § 1 BBodSchG ist es Zweck des Gesetzes, die Funktionen des Bodens nachhaltig zu sichern bzw. wiederherzustellen, den Boden vor schädlichen Bodenverändemngen zu schützen, schon eingetretene Bodenbelastungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Boden wird im Gesetz definiert als die obere Schicht der Erdkruste einschließlich flüssiger und gasförmiger Bestandteile exklusive des Grundwassers, die eine der in § 2 II BBodSchG aufgelisteten Bodenfunktionen erfüllt (u.a. Lebensgrundlage für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen, Bestandteil des Naturhaushalts (ökologische Bodenfunktion), Archiv der Natur- und Kulturgeschichte (archivalische Funktion) sowie die Nutzungsfunktion des Bodens als Rohstofflagerstätte, Fläche für Siedlung, Infrastruktur und Erholung sowie agrarische Bodennutzung (Bodennutzungsfunktion). Unter die Maßnahmen zum nachhaltigen Schutz des Bodens fallen die Gefahrenabwehrpflicht, wonach der Grundstückseigentümer bzw. der Inhaber der Fläche Maßnahmen zur Abwehr von schädlichen Bodenverändemngen zu ergreifen hat. Insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich zählt hierzu die Pflicht zum Einhalt der umweit- und agrarrechtlichen Rechtsvorschriften.

Weiter ist der Verursacher, aber auch der Eigentümer sowie der derzeitige Inhaber der Bodenfläche verpflichtet, bestehende Bodenverunreinigungen (Altlasten) inklusive der Verunreinigungen von Gewässern, zu sanieren.63 Der Haftungsumfang ist prinzipiell unbegrenzt. Bei Grundstückseigentümern, welche die Altlast nicht verursacht haben, besteht eine Haftungsbegrenzung in der Höhe, die dem Wert entspricht, den das Grundstück unter Berücksichtigung der Wertminderung durch die Altlast besitzt.64 Femer kann ein Grundstückseigentümer zur Entsiegelung einer Fläche verpflichtet werden, wenn der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Bodens oder planungsrechtliche Festsetzungen dies erfordern sowie die Fläche dauerhaft nicht genutzt wird. Nach §6 BBodSchG kann das Auf- oder Einbringen von Materialien auf oder in den Boden hinsichtlich Schadstoffgehalt, Ausbringungszeit und -ort beschränkt oder verboten werden. Darüber hinaus können von den Ländern in Gebieten, in denen flächenhaft schädliche Bodenverunreinigungen aufgetreten sind bzw. mit deren Auftreten zu rechnen ist, sogenannte Bodenschutzgebiete ausgewiesen und weitere Bodenschutzmaßnahmen getroffen

werden.65 63 64

65

Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 165ff. Vgl. Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 58. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 168f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung Weiter beinhaltet das BBodSchG

Sanierung

von

Vorschriften hinsichtlich der

Erfassung

und

Altlasten, Informationspflichten gegenüber Dritten bei geplanten Sanierungs-

maßnahmen oder die gen Flächen.66 4.4

ergänzende

135

Zuständigkeiten hinsichtlich

der

Überwachung von altlastenverdächti-

Umweltstrafrecht

Die Umweltstrafrechtsvorschriften sind eng mit den verwaltungsrechtlichen Regelungen verknüpft. Straftatbestände gehen insbesondere aus dem 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches „Straftaten gegen die Umwelt" sowie aus den speziellen Verwaltungsgesetzen, z. B. dem Tierschutzgesetz hervor. Das Umweltstrafrecht dient als letztes Mittel, um ein umweltwidriges Verhalten zu unterbinden. Es stellt schuldhaftes, d.h. vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten genauso unter Strafe wie den Verstoß gegen umweltverwaltungsrechtlich angeordnete Betriebs- und Genehmigungsauflagen. Die Sanktionsmöglichkeiten des Strafrechts reichen dabei von Geldstrafen im Falle von Ordnungswidrigkeiten über Berufsverbote bis hin zum

Freiheitsentzug.67 4.5

Umweltprivatrecht

Das Privatrecht regelt das Verhältnis zwischen Privatpersonen untereinander. Privatrechtliche Normen schützen die Umwelt daher nur mittelbar. Umweltschutz wird im Privatrecht über das Instmment der Haftung verfolgt. Das Umweltprivatrecht kennt derzeit drei Haftungsgrundlagen. Dies sind zum einen die nachbarrechtlichen Normen der §§ 906, 907, 1004 BGB. Sie sind grundstücksbezogen und gewähren dem Eigentümer bzw. seinen rechtlich Gleichgestellten Beseitigungs-, Unterlassungs- und Ausgleichsansprüche gegenüber Immissionen, ohne dass bereits ein Schaden eingetreten sein muss. Ortsübliche Immissionen sind allerdings zu dulden auch wenn diese risikobehaftet sind. Darüber hinaus schützt das Deliktsrecht des §823 BGB die Rechtsgüter einer Person vor rechtswidriger und schuldhafter Verletzung. Das Deliktsrecht setzt allerdings voraus, dass ein Schaden eingetreten ist und einem Schädiger direkt zurechenbar ist. Unter diesen Voraussetzungen spricht das Deliktsrecht dem Geschädigten Die drohende Pflicht zum SchadenserSchadenersatzansprüche zu

(Verschuldenshaftung).68

bewirkt so einen Anreiz Maßnahmen. satz

zum

Ergreifen

schadensvermeidender und damit

vorsorgender

Die Verschuldenshaftung bringt den Nachteil mit sich, dass Schäden, die aus dem Normalbetrieb einer umweltgefährdenden Anlage resultieren, auf Grund der Schuldhaftigkeit einer Handlung (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nicht unter die Schadensersatzpflicht fallen. Darüber hinaus ist in vielen Fällen der Nachweis der Ursächlichkeit der Handlung für den entstandenen Schaden (Kausalität) nur schwer zu erbringen. Um dieses Defizit zu beheben, wurde 1990 mit dem Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) eine von Verschulden und Rechtswidrigkeit unabhängige Haftung für Individualschäden als Folge von Umwelteinwirkungen eingeführt. Demnach hat der Betreiber bestimmter Anlagen auch für diejenigen Schäden zu haften, die aus dem rechtmäßigen Normalbetrieb einer Anlage re-

Vgl. Michaelis, P.: Betriebliches Umweltmanagement, 1999, S. 59. Vgl. Storm, P.-C: Umweltrecht, 2002, S. 104. Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R.: Umweltrecht, 2000, S. 61.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

136

sultieren (sog. Gefährdungshaftung). Ausgenommen von dieser Haftung sind lediglich diejenigen Schäden, die als unwesentlich bzw. ortsüblich zu bezeichnen sind und ohne ein Verschulden bei bestimmungsgemäßem Betrieb entstanden sind. Die wesentliche Neuemng der Gefährdungshaftung liegt in der Erleichterung des Kausalitätsnachweises bzw. der Umkehr der Beweislast.69 Danach unterstellt das UmweltHG bereits dann eine Kausalität, wenn der Betrieb einer Anlage dazu geeignet ist, einen betreffenden Schaden zu verursachen. Der Betreiber der Anlage wird allerdings nicht in Haftung genommen, wenn er nachweisen kann, dass die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde.7 4.6

Europäisches Umweltrecht Das europäische Gemeinschaftsrecht hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.71 War früher vor allem der nationale Gesetzgeber maßgebend, so ist heute jeder Bereich zunehmend von europäischen Regelungen betroffen.72 Dieser Einfluss auf das nationale Recht hat seine Ursache im supranationalen Charakter des EU-Rechts. Die

Mitgliedsstaaten haben in bestimmten Bereichen der Europäischen Union Hoheitsgewalt übertragen, was zur Folge hat, dass das gesamte Gemeinschaftsrecht den einzelnen nationalen Gesetzgebungen übergeordnet ist (Vorrang des Gemeinschaftsrechts).73 Das heißt insbesondere, dass die gemeinschaftliche Verordnung oder Richtlinie selbst den Verfassungen der Mitgliedsstaaten vorgeht. Das gemeinschaftliche Recht regelt die Umweltpolitik nicht abschließend, sondern setzt über ihre Richtlinien und Verordnungen nur gemeinschaftsweite Rahmenbedingungen und Mindeststandards (z.B. Emissionsgrenzwerte) fest. Im Weiteren wird die Umweltpolitik durch nationales Gesetz bestimmt, welches aber zunehmend mit dem Gemeinschaftsrecht verzahnt ist (vgl. Abb.

30).74

Vgl. Erbguth, W.: Juristischer Umweltschutz, 1995, S. 84. Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R.: Umweltrecht, 2000, S. 78f. Vgl. Ruchay, D.: Wasser- und Abfallwirtschaft im Lichte supra- und

internationalen Rechts, 1997, S. 3. Bereits für 1993 stellt Dieckmann fest, dass 80% des Wirtschaftsrechts in den Mitgliedstaaten der EU Gemeinschaftsrecht ist und fast jedes zweite Gesetz, das in Deutschland erlassen wird, seinen Ursprung auf gemeinschaftlicher Ebene hat. Vgl. Dieckmann, M.: Das Abfallrecht der Europäischen Gemeinschaften, 1994, S. 100. Vgl. Fischer, K.: Die Einwirkungen des europäischen auf das nationale Umweltrecht 1999, S. 320; Dieckmann, M.: Das Abfallrecht der Europäischen Gemeinschaften, 1994, S. 27. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 548; Europäische Kommission (Hrsg.): Gemeinschaftsrecht im Bereich des Umweltschutzes, 1996, S. V. Vgl. Epiney, A.: Umweltrecht der Europäischen Union 1997, S.12f.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

Abbildung 30:

Quelle:

Verhältnis

137

Europäisches zu Nationalem Umweltrecht

eigene Darstellung

Die Rechtsquellen der Europäischen Union lassen sich in zwei Blöcke Gemeinschaftsrecht und das sekundäre Gemeinschaftsrecht.75

unterteilen, das primä-

re

4.6.1 Primäres Gemeinschaftsrecht

primäre Gemeinschaftsrecht wird gebildet von den drei europäischen Gründungsverträgen (Montanunionvertrag, Euratom-Vertrag, EG-Vertrag) samt ihrer Anhänge, Anlagen, Protokolle sowie den späteren Ergänzungen und Änderungen. Das

Gemäß der Konzeption des EG-Vertrages werden im Primärrecht die allgemeinen Grundsätze, Ziele und Prinzipien der europäischen Politik festgelegt. Deren konkrete Ausgestaltung erfolgt jedoch im Sekundärrecht.76 Das Primärrecht enthält daher Ermächtigungsgrundlagen für das Handeln der Europäischen Union. Umweltrechtliche Kompetenzen erlangt die EU über die Art. 175 EGV und Art. 95 EGV. Auf deren Basis werden sekundärrechtliche Akte verabschiedet. Innerhalb des Gemeinschaftsrechts steht das primäre Gemeinschaftsrecht hierarchisch eine Stufe über dem sekundären Gemeinschaftsrecht.77 Dies hat Folgen für die inhaltliche Ausgestaltung des sekundären Gemeinschaftsrechts. Es muss mit dem primären Gemeinschaftsrecht vereinbar sein und darf sich nur innerhalb des durch das primäre Gemeinschaftsrecht aufgespannten Anwendungsbereiches bewegen. Des Weiteren bestimmt die aus dem primären Gemeinschaftsrecht herangezogene Anspmchsgrundlage die weiteren Entscheidungsverfahren 75 76

Vgl. Kahl, W.: Umwelteuroparecht, 1998, S. 74ff. Vgl. Fischer K.: Die Einwirkungen des europäischen auf das nationale Umweltrecht 1999, S. 320. Vgl. Kahl, W.: Umwelteuroparecht, 1998, S. 75. ,

77

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

138

und Mitwirkungsrechte der politischen Akteure und wirkt so auf die inhaltliche Ausgestaltung des sekundären Gemeinschaftsrechts zurück. Femer bestimmt das Primärrecht die verbleibenden Gestaltungsspielräume der Mitgliedsstaaten.78 Das Primärrecht bildet zugleich Grundlage und Schranke für die Umweltkompetenzen der Europäischen Union. Aus diesem Gmnd wird das primäre Gemeinschaftsrecht als das Umweltverfassungsrecht der Europäischen Union bezeichnet.79

4.6.2 Sekundäres Gemeinschaftsrecht

Begriff des sekundären Gemeinschaftsrechts werden alle von EU-Organen auf des primären Gemeinschaftsrecht erlassenen Vorschriften subsumiert.80 Gemäß Art. 249 EGV stehen der Europäischen Union folgende Handlungsinstrumente zur Verfü-

Unter dem

Gmndlage gung:

"

Empfehlungen und Stellungnahmen, Entscheidungen, Richtlinien und

Verordnungen. Die Instrumente unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit und ihres Adressatenumfangs. Eine besondere Stellung nehmen die sogenannten Umweltaktionsprogramme ein. Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich, sondern stellen lediglich politische Zielbestimmungen dar.81 Entscheidungen sind nur für diejenigen verbindlich, an die sich diese direkt wenden, z.B. Mitgliedsstaaten oder auch einzelne Rechtspersonen.82 Diese Instrumente sind relativ unbedeutend83 und werden nachfolgend nicht näher behandelt. Wichtig hingegen sind die Instrumente der Richtlinie und der Verordnung, die nachfolgend dargestellt werden. 4.6.2.1

Verordnungen Verordnungen stellen das in die jeweilige nationale Ordnung am stärksten einschneidende Instmment dar.84 Verordnungen werden mit ihrer Verkündung unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Eine nationalstaatliche Umsetzung ist, anders als bei der Richtlinie, nicht erforderlich. Eventuell der Verordnung widersprechende nationale Vorschriften werden unanwendbar.85 Der umweltpolitische Anwendungsbereich von VerordVgl. Epiney, A.: Umweltrecht der Europäischen Union 1997, S.lf. Vgl. Kahl, W.: Umwelteuroparecht, 1998, S. 74 bzw. Epiney, A.:

Umweltrecht der

1997, S. 19. Vgl. Kahl, W.: Umwelteuroparecht, 1998, S. 74ff.

Europäischen Union

sieht aber für die Zukunft infolge des Subsidiaritäisprinzips ein breiteres Anwendungsgebiet. Fehlt es der EU an der erforderlichen Kompetenz, so bleibt ihr nur dieses unverbindliche Instrument, um auf das Verhalten der Mitgliedstaaten einzuwirken. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 553. Vgl. Europäische Kommission, Hrsg.: Gemeinschaftsrecht im Bereich des Umweltschutzes, 1996, S. VI. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 553. Vgl. Kahl, W.: Umwelteuroparecht, 1998, S. 75. Vgl. Dieckmann, M.: Das Abfallrecht der Europäischen Gemeinschaften, 1994 S. lOlf.

Kloepfer

,

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

139

nungen erstreckt sich in erster Linie auf die Umsetzung institutioneller, organisatorischer oder finanzieller Maßnahmen.86 Bedeutendste Verordnung im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes ist die EMAS-VO:87 4.6.2.2 Richtlinien

Gegensatz zu Verordnungen bedürfen Richtlinien einer nationalstaatlichen Umsetzung innerhalb einer gesetzten Frist. Die Richtlinie legt das angestrebte Ziel fest. Wie allerdings die Umsetzung dieses Ziels erfolgt, sei es in Form eines Gesetzes, einer Verordnung, etc., bleibt jedem Mitgliedsstaat selbst überlassen: Die Mitgliedsstaaten haben Wahlfreiheit hinsichtlich Form und Mittel. Die damit einhergehenden Flexibilitätsvorteile ermöglichen ein harmonisches Ineinandergreifen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Rechts, gefährden aber andererseits die gemeinschaftsweite Effektivität infolge mangelhafter UmsetzungsbemühunIm

gen.

88

Die Umsetzung muss gemäß Gemeinschaftsrecht allerdings so erfolgen, dass jeder seine Rechte vor Gericht geltend machen kann. Diese Forderung nach Einklagbarkeit hatte für den deutschen Gesetzgeber große Folgen, da er seine Regelungstechnik auf dem Gebiet des Umweltschutzes umstellen musste: Die damalige Praxis der Umsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien mit Hilfe normenkonkretisierender Verwaltungsvorschriften und technischer Regelwerke entsprach nicht den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts.89 Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke wie z.B. die TA Luft binden lediglich die Verwaltung, haben jedoch keine einklagbare Drittwirkung. Dies führte dazu, dass der deutsche Gesetzgeber diese Regelungen in die rechtlich verbindlichen Bundesimmissionsschutzverordnungen überführ-

te.90

Umweltaktionsprogramme Umweltaktionsprogramme enthalten die grundlegenden Leitlinien und Visionen sowie Ziele und Schwerpunkte zukünftiger europäischer Umweltpolitik. Sie sind eine Kombination aus umweltpolitischer Reflexion, Analyse der Umwertsituation und politischer Absichtserklämng. Als politische Absichtserklärungen vermögen sie richtungsweisend die Meinung der Europäischen Union widerzuspiegeln, besitzen aber keine rechtliche Verbindlichkeit.91 Bisher wurden insgesamt sechs Umweltaktionsprogramme in den Jahren 1973, 1977, 1983, 1987, 1992 und 4.6.2.3

2001 erlassen.

Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 552. Zur EMAS-VO vgl. Kapitel 7.1: Umweltmanagementsysteme. Diese Gefahr wird aber gebannt, indem eine mangelhafte oder nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie zu unmittelbarer innerstaatlicher Anwendung fuhrt. Vgl. Kloepfer, M.: Umweltrecht, 1998, S. 552 und die dazugehörende Fußnote. Vgl. in diesem Zusammenhang Schröder, M.: Aktuelle Konflikte zwischen europäischem und deutschem Abfallrecht, 1991, S. 915. Vgl. Dieckmann, M.: Das Abfallrecht der Europäischen Gemeinschaften, 1994, S. 103 und die dazugehörige Fußnote 312. Vgl. Caspari, S.: Die Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft, 1994, S. 65ff; Krämer, L.: Um eine Umweltpolitik von innen bittend, 1994, S. 172f.

140

4.7

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung Umweltvölkerrecht

allgemein struktureller Schwächen des Völkerrechts als Konsensualrechtsordnung, der fehlenden Gerichtsbarkeit und eines fehlenden Exekutivorgans zur Überwachung völkerrechtlicher Regelungen, kommt dem Umweltvölkerrecht bei der Bewältigung der globalen Umweltprobleme eine erhebliche Rolle zu. Beispiele für völkerrechtliche Grundlagen des Umweltschutzes sind das Washingtoner Artenschutzabkommen, das Übereinkommen über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreinigungen von 1979, das Walfang-Übereinkommen von 1946, das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen und die in Rio de Janeiro verabschiedete Klima- und Artenkonvention.92 Konzentrierten sich die bisherigen Maßnahmen auf ordnungsrechtliche Maßnahmen, setzen sich allmählich präventive Ansätze der Umweltvorsorge durch, die auf flexibleren Steuerungsstrukturen wie der individuellen Eigenverantwortung aufbauen. Der Strukturwandel des Umweltvölkerrechts von einem Recht der Koexistenz zu einem kooperativen Bewirtschaftungsrecht zeigte sich insbesondere mit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro von 1992.93 Diese gewandelte Anschauung im Völkerrecht trägt den Gegebenheiten globalen Umweltschutzes Rechnung, wonach globale Umweltprobleme nur durch ein konzertiertes Vorgehen erfolgreich angegangen werden können.94 Dennoch bleibt festzuhalten, dass trotz dieser Erkenntnis eine umfassende Kodifikation des Umweltvölkerrechts in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Trotz

Neben dem Diagnose-, Regelungs- und Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung ist das umweltökonomische Denken für diesen Typus der Unternehmung von zentraler Bedeutung. Ein Blick auch auf die Geschichte des umweltökonomischen Denkens offenbart einerseits Aspekte für die Entstehung der ökologischen Krise, wie andererseits Ansatzpunkte zur Beseitigung derselben. Wie bereits durch das „3-Räume-Konzept" deutlich wurde, ist eine strikte Trennung in volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Aspekte der Nachhaltigen Unternehmung nicht möglich.

92 9.5 94

Vgl. hierzu auch Ruffert, M.: Umweltvölkerrecht im Spiegel der Erklärung von Rio, S. 208ff. Vgl. Schmidt, R./Sandner, W.: Einfuhrung in das Umweltrecht, 1997, S. 68f. Vgl. Kilian, M.: Umweltschutz durch internationale Organisationen, 1987, S. 21ff.

Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

141

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Kapitel 4: Der Rechtsraum der Nachhaltigen Unternehmung

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143

Kapitel 5: Umweltökonomische Grundlagen der Nachhaltigen Unternehmung

Umweltökonomische Grundlagen der Nachhaltigen Unternehmung Nachdem die Gmndprinzipien und -struktur des Umweltrechts dargestellt wurden, die einen 5

besonderen Schwerpunkt des Rechtsraumes der Nachhaltigen Unternehmung bilden (neben anderen unternehmensrelevanten Rechtsgebieten), stehen die ökonomischen Engfiihrungen hinsichtlich einer Nachhaltigen Unternehmung im Mittelpunkt der Darstellung. Der Schwerpunkt der Ausführungen wird hierbei auf die zusammenfassende Darstellung volks- und betriebswirtschaftlicher ökonomischer Theoriesätze gelegt, um die Spannweite des ökonomischen Denkens zum Thema „(natürliche) Umwelt und Unternehmen" darzustellen.

Konzeptionalisierung sonderheiten zu Tage:

Bei der

die enge

der

Nachhaltigen Unternehmung treten

u.a.

folgende

drei Be-

Verknüpfung von volks- und betriebswirtschaftlichen Ansätzen und Wissensbe-

ständen, die Verknüpfung mit naturwissenschaftlichen Diagnosen zur Nachhaltigen und dem ebenfalls damit korrelierten umweltrechtlichen Regelungsraum.

Entwicklung

Bei Letzteren drängt sich auf den ersten Blick ein Vergleich mit dem ausdifferenzierten System der Arbeitssicherheit auf, der aber hintergründig betrachtet bzgl. Reichweite und Komplexität der Regelungen nicht aufrecht erhalten werden kann. Gerade die Nachhaltige Unternehmung hinterfragt durch ihre doppelte „Umweltabhängigkeit" (aus dem Blickwinkel der „organisatorischen" und der „ökologischen" Umwelt) die strikte Trennung volks- und betriebswirtschaftlicher Perspektiven. Hinzu kommt die besondere Bedeutung naturwissenschaftlich induzierter Diagnoseszenarien zur Nachhaltigen Entwicklung.

Abbildung 31:

Nachhaltige Unternehmung Regelungsraum

DiagnoseRaum

Nachhaltige Unternehmung Rechtsraum

Quelle:

eigene Darstellung

Der historische Abriss zeigt deutlich auf, dass die Entwicklungen der Moderne (Stichwort: Risikogesellschaft, reflexive Verwissenschaftlichung etc.)1 eine gänzlich neue Qualität von Herausfordemng geschaffen haben, die es rechtfertigen, von einem neuen Typus der Unternehmung zu sprechen. Mit anderen Worten, Umweltschutzprobleme hat es schon immer gegeben, jede ökonomische Aktivität des Menschen geht in der Regel mit Ressourcenverbräuchen einher, aber erst die Radikalität der Moderne hat eine zäsurartige Neuorientierung der Konzepte der Untemehmensfühmng notwendig gemacht.

Beck, U.: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, 1986.

Kapitel 5: Umweltökonomische Grandlagen der Nachhaltigen Unternehmung

144

von Natur (bzw. synonym: Umwelt) hat sich im Laufe der Zeit gewandelt und wird sich weiter verändern (siehe Kapitel 1 und 2)2. Dies ist in der Doppelnatur des Menschen begründet, der seit jeher sowohl ein Teil der Natur ist, wie als kulturschaffendes Wesen die Welt ständig sozial neu erschafft und damit sich selbst neu

Das menschliche Verständnis

mehrfach

prägt3. Diese Ambivalenz wirft die Frage nach den Faktoren für den Wandel des Naturver-

ständnisses auf: sind es theoretische Konzepte (etwa auf der Grundlage philosophischer Wertvorstellungen), die den Weg für veränderte praktische Einstellungen zu ihr ebnen? Oder sind es vielmehr Naturnutzungskonzepte, die erst in Folge von veränderten Umgangsweisen mit der Natur (wie etwa eine systematische Abfallbeseitigung) auftreten?4 5.1

Volkswirtschaftliche Umweltökonomie

5.1.1 Historische Wurzeln des umweltökonomischen Denkens Es ist evident, dass Umweltverschmutzungen nach heutigem Verständnis keineswegs erst in der Neuzeit in Erscheinung getreten sind. Jede ökonomische Aktivität hat i.d.R. Ressourcenverbräuche zur Folge. Die Schädigungen durch extensive Viehweide oder Brandrodung waren nur quantitativ und qualitativ andere als bei der modernen intensiven Landwirtschaft mit Kunstdünger und Einsatz von Pestiziden.

Die Folgen der Natumutzung bestanden im wesentlichen in der Verknappung bestimmter Ressourcen (bspw. Wälder des Mittelmeerraumes zur Zeit der Antike) sowie einer Zerstörung der Naturgegebenheiten wie z.B. der Bodendecke5. Und bereits nach dem Übergang vom Nomadentum zum Errichten fester Wohnplätze entstand beispielsweise das Problem der Abfallbeseitigung. So fanden in Nordeuropa Archäologen Ansammlungen von Küchenabfällen (wie z.B. Muschelschalen), wobei eine dieser Ansammlungen ein Volumen von ca. 200.000 m3 aufwies (aus der Zeit 5000-2000 v. Chr.)6. Das Entstehen und beschleunigte Wachstum der Städte in der römischen Antike, im Mittelalter und vor allem im Zuge der Industrialisierung ließ den Problemstellungen des Umgangs mit Abfällen, Abwässern etc. eine immer größere Bedeutung zukommen. Sind zunächst in erster Linie die Menschen und die Umwelt in unmittelbarer Nähe der Entstehung von Luft- und Wasserverschmutzungen betroffen, wie z.B. im Umfeld von Gewerben, so verursacht zunehmend menschliches Zusammenleben und Wirtschaften diese Probleme der Umweltverbis hin zu irreversiblen Eingriffen in Naturhaushalte und die Artenvielfalt.

schmutzung7

Mit dem Zivilisationsprozess, der am Anfang der Moderne stand, wurde auch die Nutzung der Erdoberfläche und damit der natürlichen Ressourcen in solchem Maße ausgeweitet, dass vor

Vgl. Schäfer, L./Sröker,

E.

Philosophie, Wissenschaft, Technik, 1993,

S.

Vgl. Biervert, B./Held, M.: Veränderungen im Naturverständnis der Ökonomen, 1994, S. 21. Vgl. Schäfer, L./Sröker, E. (Hrsg.): Naturauffassungen in Philosophie, Wissenschaft, Technik, 1993,

S.

(Hrsg.): Näturauffassungen

in

10.

11.

Vgl. Zirnstein, G.: Ökologie und Umwelt in der Geschichte, 1994, S. 16. Vgl. Hösel, G.: Unser Abfall aller Zeiten. Eine Kulturgeschichte der Städtereinigung, 1987, S. 1. Vgl. Calließ, J./Rüsen, .J./Striegnitz, M. (Hrsg.): Mensch und Umwelt in der Geschichte, 1989, S. 47.

Kapitel 5: Umweltökonomische Grundlagen der Nachhaltigen Unternehmung allem im 20. Jahrhundert Prozesse einsetzten, die eine Ressourcen wahrscheinlich werden ließ8. 5.1.1.1

Erschöpfung

und

Vergiftung

145

dieser

Antike

Die Ursachen der ökologischen Krise unserer Zeit sind in abgeschwächter Form bereits für das Altertum festzustellen: die Fokussierung auf den unmittelbaren ökonomischen Nutzen der Natur, die Natur als Ressourcenlieferant und Abfallaufnahmemedium zeigen eine grundsätzliche Übereinstimmung mit den Ursachen der modernen ökologischen Krise. So konstatierte bereits vor zweitausend Jahren der römische Naturforscher Plinius, zwar im Zusammenhang mit einem bestimmten Abbauverfahren im Bergbau, aber dennoch mit dem Anspruch der Allgemeingültigkeit: „Spectant victores ruinam naturae" >siegesgewiß blicken sie auf den Zusammenbruch der Natur