Der Planungsgrundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung [1 ed.] 9783428511747, 9783428111749

Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption des novellierten Raumordnungsrecht

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German Pages 344 Year 2003

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Der Planungsgrundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung [1 ed.]
 9783428511747, 9783428111749

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HENNING BODE

Der Planungs grundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 131

Der Planungsgrundsatz der nachhaltigen Raumentwicklung Von

Henning Bode

Duncker & Humblot . Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-11174-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Meinen Eltern

Vorwort Der Begriff sustainable development oder nachhaltige Entwicklung hat seit der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro im Jahre 1992 eine steile politische Karriere gemacht. Parallel dazu hat sich der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung im europäischen und nationalen Umwelt- und Planungsrecht etabliert. Idealtypisch verwirklicht findet er sich im 1998 novellierten Raumordnungsrecht, wo er als Handlungsmaxime bei der raumplanerischen Aufgabenerfüllung und als Auslegungs- und Anwendungsmaxime hinsichtlich der Raumordnungsgrundsätze fungieren soll. Diese vom Gesetzgeber übertragene Steuerungsfunktion kann nur ein Grundsatz mit hinreichend bekannten Konturen und abgrenzbaren Inhalten entfalten. Ausgehend von den umweltpolitischen und völkerrechtlichen Ursprüngen bemüht sich die Arbeit daher den rechtlichen Gehalt des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung am Beispiel des Raumordnungsrechts herauszuarbeiten, rechtspraktische Konsequenzen für die planenden Stellen darzustellen und am Beispiel typisierter Vorrangregeln Möglichkeiten zur leitbildgerechten Strukturierung der planerischen Abwägung aufzuzeigen. Die Arbeit entstand während meiner Tätigkeit am Lehr- und Forschungsgebiet Berg- und Umweltrecht der RWTH Aachen bei Prof. Dr. Walter Frenz. Sie wurde im Wintersemester 2000 fertiggestellt und im Wintersemester 2002/2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Aktuelle rechtliche Entwicklungen, namentlich das Inkrafttreten der Richtlinie 2001142/ EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UVP-RL) und die novellierte Fassung des Bundesnaturschutzgesetzes, wurden berücksichtigt. Ich danKe sehr herzlich Herrn Prof. Dr. Rüdiger Breuer für die Erstellung des Erstgutachtens und Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer für die freundliche Aufnahme in die Reihe "Schriften zum Umweltrecht". Ihre Vorlesungen zeichnen sich mitverantwortlich für die frühe Schwerpunktsetzung im Umweltrecht. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Walter Frenz, der das Zweitgutachten erstellte und mein Interesse für das Umwelt- und Planungsrecht sowie das Entstehen dieser Arbeit in jeder Hinsicht förderte. Mainz, im März 2003

Henning Bode

Inhaltsverzeichnis Einführung

23

A. Einleitung ..... . ........................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

I. Ausgangslage .................................................................

23

11. Einführung in die Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Der völkerrechtliche Begriff der nachhaltigen Entwicklung .................

24

2. Nachhaltige Entwicklung im Europarecht sowie im nationalen Recht .......

25

3. Die einzelnen Funktionen der neuen Leitvorstellung der Raumordnung .....

26

4. Erforderlichkeit einer Konkretisierung ................................. . . . . .

28

5. Begriffliche Grundlagen ....................................................

29

a) Nachhaltige Entwicklung ...............................................

29

aa) Dreidimensionales Verständnis nachhaltiger Entwicklung ...........

29

bb) Nachhaltig umweltgerechte Entwicklung ...........................

30

b) Die Stellung der Raumordnung im Raumplanungssystem . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Gang der Untersuchung ..........................................................

33

1. Kapitel

Politische und rechtliche Grundlagen und Entwicklungslinien im internationalen, europäischen und nationalen Kontext

35

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee ......... . .......................

36

I. Stockholmer Deklaration und Brundtland-Kommission ........................

36

1. Konturen ...................................................................

37

a) Ableitbarkeit des dreidimensionalen Ansatzes ...........................

37

b) Verklammerung durch die Perspektive künftiger Generationen (intergenerationelle Komponente) ............................................

39

2. Offene Fragen..............................................................

41

10

Inhaltsverzeichnis 11. Rio-Deklaration ....................................... . .......................

42

1. Ansätze für eine erste Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Anthropozentrischer Ansatz .............................................

45

b) Intergenerationelle Gerechtigkeit / Langzeitverantwortung ...............

45

c) Verbindung von ökonomischen und ökologischen Faktoren..............

47

d) Flankierung durch Vorsorgegrundsatz ...................................

48

e) Verursacherprinzip .............................. . ............ . . . ........

49

f) Umweltverträglichkeitsprüfung .... . ............ . .......................

50

2. Konsequenzen..............................................................

51

a) Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung als Zielvorgabe ...........

51

aa) Aus normstruktureller Sicht ........................................

51

bb) Normative Dichte .... . ..................... . .......................

52

b) Fazit...................... . .......... . .......... . .......................

54

111. Agenda 21 ....................................................................

55

1. Nachhaltige Siedlungsentwicklung .........................................

56

a) Vorgaben der Agenda 21 ................................................

56

b) Gehalt ..................................................................

57

2. Integration von Umwelt- und Entwicklungszielen in die Entscheidungsfindung .....................................................................

57

3. Integrierter Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung ....................

59

4. Zwischenergebnis ..........................................................

63

B. Europäische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

I. Politische Entwicklung auf europäischer Ebene ................................

64

11. Aufnahme des Grundsatzes in das Primär- und Sekundärrecht .................

68

1. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung im Gemeinschaftsrecht .......

68

a) Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) .........................

68

b) Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) . . . . . . .

70

2. Europäisches Raumentwicklungskonzept ...................................

72

3. Richtlinie über die Prüfung der Umwe1tauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UVP-RL) ................................................

74

a) Allgemein zur Plan-UVP ................................................

77

b) Öffentlichkeitsbeteiligung ...............................................

79

aa) Rechtspolitische Forderungen ......................................

79

bb) Beteiligung und Einbeziehung de lege lata ..........................

80

cc) Öffentlichkeits beteiligung de lege ferenda ..........................

81

Inhaltsverzeichnis

11

C. Der NachhaItigkeitsgedanke auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

I. Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland .................................

82

1. Gehalt bzgl. emeuerbarer Ressourcen . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . .

84

2. Gehalt bzgl. nicht emeuerbarer Ressourcen .................................

85

3. Konsequenzen für die (Raum-)planung .....................................

86

a) Anforderungen der Managementregeln ..................................

86

b) Entkoppelung von Flächeninanspruchnahme und Wirtschaftswachstum

87

H. Nachhaltige Eingriffe, Auswirkungen, Beeinträchtigungen, etc. ................

89

2. Kapitel

Planung und Nachhaltigkeitsprinzip

91

A. Planungstypische Merkmale .................... . ....................... . . . ......

91

I. Finale Programmierung als Folge einer komplexen Ausgangslage .............

92

1. Finale Struktur von Planungsnormen .......................................

92

2. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung als multipolare Zielvorgabe ...

95

H. Zukunftsbezug ................................................................

97

1. Zukunftsgerichtetheit der Planung ..........................................

97

2. Temporale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens .......................

98

IH. Flexibilität ....................................................................

98

1. Anpassungsfähigkeit der Planung .................... . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . .

98

2. Flexibilität als instrumentelle Voraussetzung für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung ..................................................

99

IV. Integrative Sichtweise .......... .. ..................................... .. ...... 100 1. Planerische Abwägung ..................................................... 100 2. Der integrative Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens ....... . ........ . . . . . .. 101 B. Gesamtplanung ................................................................... 102 I. Strukturelle Affinität .......................................................... 102

H. Verfahrenspraktische Affinität ................................................. 104 C. Fachplanung ...................................................................... 106 I. Sektorale Ausrichtung ......................................................... 106

H. Planerische Gestaltungsfreiheit ................................................ 106

12

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel

Nachhaltigkeitsprinzip im Raumordnungsrecht "Nachhaltige Raumentwicklung" als Leitvorstellung der Raumordnung

110

A. Grundsätzliches............... . ................................................... 11 0 I. Rechtsdogmatische Einordnung der "Leitvorstellung" .........................

111

I. Überblick ..................................................................

111

2. Terminologische Aspekte. . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . 113 3. Funktion als Auslegungs- und Anwendungsmaxime ........................ 115 4. Die Leitvorstellung als Oberziel ............................................ 116 11. Zwischenergebnis ............................................................. 117 111. Bedeutung .................................................................... 118 I. Integrationsfunktion ........................................................ 118

2. Umschreibung des raumplanerischen Zielkonfliktes ........................ 118 IV. Wirkungsweise................................................................ 120 B. Die Verknüpfung von Aufgabe und Leitvorstellung der Raumordnung......... 121 I. Allgemeiner Überblick zum Verhältnis zwischen Vorsorgeprinzip und "Nachhaltigkeitsprinzip" ... . . ... . .... .. . . ... . . ... . . ...... . . ... . . .. . . . ... . . .. . . ... . . .. 122

11. Das Verhältnis der raumplanerischen Vorsorgevariante des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG zur Leitvorstellung einer nachhaltigen Entwicklung... . ... . ... . . . .. 124 111. Fazit ........... . .......... . .......... . ........................................ 126 C. Die neue Leitvorstellung, § 1 Abs. 2 ROG ........................................ 129 I. Negative Abgrenzungsfunktion ................................... . ............ 129

11. Gewichtungsvorgabe .......................................................... 131 III. Wortlautbestandteile der nachhaltigen Raumentwicklung ...................... 134 I. Soziale und wirtschaftliche Ansprüche an den Raum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

a) Ansprüche an den Raum ................................... . ............ 134 aa) Soziale Ansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 bb) Wirtschaftliche Ansprüche.......................................... 137 b) Fazit.................................................................... 137

Inhaltsverzeichnis

13

2. Ökologische Funktionen des Raums ........................................ 138 a) Der Begriff der Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Konkretisierung durch die Raumordnungsgrundsätze .................... 139 aa) Vorgaben des materiellen Raumordnungsrechts ..................... 139 bb) Materielle ökologische Vorgaben mit verfahrensrechtlicher Rückwirkung............................................................ 139 3. Die "Einklang-Formel" ....................... . .......... . .......... . ....... 140 a) Wortlaut bzw. Wortsinn ......................................... . ....... 141 aa) Besonderer Sprachgebrauch im Raumordnungsrecht ................ 141 bb) Der allgemeine Sprachgebrauch als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Vergleich mit planungsrechtlichen Abstimmungsgeboten ........... 147 (1) Das Abstimmungsgebot in den §§ 14 bis 16 ROG .............. 147 (2) Abwägungsüberwindbarkeit und "interkommunales Abstimmungsgebot" ................................................... 149 (3) Übertragbarkeit................................................ 150 b) Gesetzgebungsgeschichte ............................................... 152 c) Gesetzessystematik ..................................................... 154 aa) Äußere Systematik ................................................. 154 bb) Inhaltlich-systematische Erwägungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Fazit .................................................................... 157 4. Dauerhaft und großräumig ausgewogene Ordnung.......................... 160 D. Konkretisierung durch Teilaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Freie Entfaltung der Persönlichkeit in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen .................................................................. 162

1. Raumplanung als "Aktualisierung" verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen ..................................................................... 163 2. Einschränkungen........................................................... 168 a) Gemeinschaftsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Langzeitverantwortung der Raumordnung............................... 175 c) Zeitdimension des ersten Teilaspekts .................................... 184 11. Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen .................... 187 1. Schutzauftrag zur Sicherung des Status quo ......................... . . . . . . . . 187

2. Entwicklungsauftrag ....................................................... 188 3. Umfassende Langzeitverantwortung ........................................ 190

14

Inhaltsverzeichnis 4. Keine Verabsolutierung des Nachweltschutzes .............................. 193 a) Verschlechterungsverbot ................................................ 194 b) Exkurs: Ausgleichsmaßnahmen als Bedingung der Inanspruchnahme des Freiraums? .................... . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . ... 199 aa) Vergleich der Zielsetzungen zwischen Nachhaltigkeitsprinzip und naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 bb) Ausgleichspflicht? ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 202 (1) Vergleich mit dem Geltungsmodus der Eingriffsregelung im

BauGB ........................................................ 203

(2) Raumplanerische Eingriffsregelung ............................ 204 c) Fazit.................................................................... 205 5. Das Gebot zur sparsamen und schonenden Inanspruchnahme der Naturgüter, § 2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 3 ROG ................................................ 206 a) Gehalt .................................................................. 207 b) Kompetenzrechtliche Probleme ......................................... 208 III. Schaffung von Standortvoraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung. .. 211 1. Standortvoraussetzungen als unbestimmter Rechtsbegriff ................... 211

2. Konkretisierung durch den sog. Wirtschaftsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 ROG ....................................................................... 212 3. Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen .............................. 213 4. Standortfestlegungen ....................................................... 214 IV. Langfristiges Offenhalten der Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung .... 217 V. Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 218 E. Fazit .............................................................................. 221

4. Kapitel

Konkretisierung durch Wechselwirkung mit den Grundsätzen der Raumordnung

223

A. Verbindung der neuen Leitvorstellung mit den Grundsätzen ... . . . . . . . . . . . . . . . .. 223 B. Die räumlichen Grundsätze im einzelnen ........................................ 226 1. Raumstruktur, § 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .... .. ...... .. .. .. ... 226 11. Siedlungsstruktur, § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG ....................................... 229

Inhaltsverzeichnis

15

III. Freiraumstruktur, § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG ....................................... 230 I. Freiraumbezogene Zielsetzungen des Flächenschutzkonzepts von Appold . .. 233 2. Vereinbarkeit mit dem Nachhaltigkeitsgedanken ............................ 236

C. Fazit .............................................................................. 238

5. Kapitel

Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen zur Verwirklichung einer nachhaltigen Raumentwicklung

239

A. Notwendigkeit einer Grenzziehung bei "offenen" Zielvorgaben ................. 239 B. Immanente Grenzen einer nachhaltigen Raumentwicklung ..................... 240 C. Sektorale Grenzen der Raumplanung ............................................ 241 I. Aufgabe der Raumplanung ....................................... . ........ . ... 241

1. Raumbezug ................................................................ 241

2. Uberörtlichkeit ............................................................. 241 11. Begrenztheit der Festlegungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 243 1. Vorranggebiete ............................................................. 245

2. Vorbehaltsgebiete .......................................................... 246 3. Eignungsgebiete ......................... . .......... . .......... . ............ 248 4. Fazit ....................................................................... 250 III. Konkretisierungs- bzw. Ausgestaltungsspielraum .............................. 251 IV. Das Raumordnungsverfahren als Umsetzungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 254 V. Fazit ........................................................ . .......... . ...... 256

6. Kapitel

Konsequenzen für die planenden Stellen

258

A. Anforderungen an die Abwägung ................................................ 259 I. Abwägungsdogmatik und Nachhaltigkeit ...................................... 260

1. Nachrichtliche Übernahme der bundesrechtlichen Grundsätze in den Landesplanungsgesetzen ....................................................... 261

16

Inhaltsverzeichnis 2. Anforderungen des Abwägungsgebotes, § 7 Abs. 7 ROG

262

a) Zusammenstellung des Abwägungsmateria1s ............................ 263 aa) Allgemeine Anforderungen ......................................... 263 bb) Spannungsverhältnis zwischen Zukunftsgerichtetheit und Beschränkung des Abwägungsmateria1s ...................................... 265 cc) Bedeutung der Raumordnungsgrundsätze ........................... 268 dd) Kompetenzrechtliche Schranken.................................... 271 ee) Ökologische Belange bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials ........................................................... 274 ff) Bei der Ermitt1ungs- und Feststellungsphase zu berücksichtigender

Zeithorizont ........................................................ 278

b) Gewichtung der Belange ................................................ 279 aa) Rechtsnormative Vorgaben ......................................... 280 bb) Gewichtung vor dem Hintergrund der konkreten Planungssituation 280 c) Ausgleich der Belange .................................................. 283 aa) Grad der Betroffenheit als Gewichtungsdeterminante im Einzelfall 284 bb) Abstrakte (typisierte) Beurteilungsmaßstäbe ........................ 285 (1) "Ausbau vor Neubau" .......................................... 287

(2) "Wiedernutzung vor Neunutzung" bzw. "Flächenrecycling vor Freiflächeninanspruchnahme" .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 292 (3) Trennung unverträglicher Nutzungen ........................... 293 (4) Intergenerationelle Gerechtigkeit als typisierter Beurteilungsmaßstab? ...................................................... 294 d) Abwägungsergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 295 II. Grundsatz der Konfliktbewältigung - Abwägungsgebot - Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung ............................................... 299 B. Begründung von Raumordnungsplänen, § 7 Abs. 8 ROG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 303

1. Bedeutung und Ausmaß der Begründung ...................................... 303 II. Zum Problem des "Wegwägens" ............................................... 305 III. Planerhaltung gemäß § 10 Abs. 2 ROG und Nachhaltigkeit .................... 305

7. Kapitel

Zusammenfassung in Thesen

308

Literaturverzeichnis .................................................................. 321 Stichworlverzeichnis ................................................................. 341

Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a. O. ABI. Abs. Abschn. a. E. a. F. Anm. AÖR ArchVR ARL Art. Aufl. BauGB BauNVO

BauR BauROG 1998

BayLEP

BayLplG BayVBI. BayVGH BBergG Bbg. BBodSchG Bd. ber. 2 Bode

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Abschnitt arn Ende alte Fassung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Völkerrecht (Zeitschrift) Akademie für Raumforschung und Landesplanung Artikel Aufl. Baugesetzbuch (BauGB) i. d. F. der Bekanntmachung vorn 27. August 1997 (BGBI. I, S. 2141) Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO) i. d. F. der Bekanntmachung vorn 23. Januar 1990 (BGBI. I, S. 132, geänd. durch Einigungsvertrag vorn 31. August 1990 (BGBI. 11, S. 889, 1124) und Art. 3 InvestitionserIeichterungs- und Wohnbaulandgesetz vorn 22. April 1993 (BGBI. I, S. 466) Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Raumordnungsrechts (BauROG) vorn 18. August 1997 (BGBI. I, S.2081) Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (Bayerisches Landesentwicklungsprogramm) vorn 25. Januar 1994 (GVBI., S. 25, ber. S. 688), geändert durch Art. 1 § 5 des Gesetzes vorn 26. Juli 1997 (GVBI., S. 311) Bayerisches Landesplanungsgesetz (BayLpIG) i. d. F. der Bekanntmachung vorn 16. September 1997 (GVBI., S. 501) Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesberggesetz Brandenburgisches Bundesbodenschutzgesetz Band berichtigt

18

Abkürzungsverzeichnis

BR-Drucks. BRS BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG bzg!. BVerwGE bzw. ders.

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Gesetz über Naturschutz- und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 25. März 2002 (BGB!. I, S. 119) Bundesrats-Drucksache Baurechtssammlung Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise derselbe

d.h. DÖV dt. DVB!. EFfA EG Einf. Ein!. eng!. et a!. EUDUR EuGRZ f. FAZ ff. Fn. FS FStG geänd. GewArch. GG ggf. Grds. grds. HdbVerfR. Hrsg. HS

das heißt Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) deutsche Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Einführung Einleitung englisch(en) et alteri Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Europäische Grundrechte-Zeitschrift folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Fußnote Festschrift Bundesfernstraßengesetz geändert Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz gegebenenfalls Grundsatz grundsätzlich Handbuch des Verfassungsrechts Herausgeber Halbsatz

BGB BGB!. BlmSchG BMU BNatSchG

Abkürzungsverzeichnis HStR i. d. F. i. d. S. i. E. i. e. S. ILM insbes. i. S. d. i. S. e. i. V. m. IVU -Richtlinie

IWS i. w. S. IzR

JA JÖR JR

19

Handbuch des Staatsrechts in der Fassung in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne International Legal Materials insbesondere im Sinne de(r 1s) im Sinne eine(r 1s) in Verbindung mit Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABI. EG Nr. L 257/26 Institut für wassergefährdende Stoffe an der TU Berlin im weiteren Sinne Informationen zur Raumentwicklung, Zeitschrift des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (ehemals Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung) Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

Jura

Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

Juristische Schulung (Zeitschrift)

Kom.

Kommission

krit. KrW-AbfG

kritisch Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen vom I!. Mai 1995, GVBI. NW, S. 531 ff.

LEPNW LEProNW

LGNW

Gesetz zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm LEPro) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1989, GVBI. NW, S.485 Gesetz zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 15. August 1994, GVBI. NW, S. 710

li. Sp.

linke Spalte

lit. Lit.

littera Literatur

LPlG LPlGM.-V.

Landesplanungsgesetz Gesetz über die Raumordnung und Landesplanung des Landes Mecklenburg-Vorpommern - Landesplanungsgesetz (LPlG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. Mai 1998 (GVBI. M.-V., S. 503, ber. S.613)

2*

Abkürzungsverzeichnis

20 LT-Drucks.

Landtags-Drucksache

LV Bbg.

Verfassung des Landes Brandenburg

LVNW

Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen

m.E.

meines Erachtens

MKRO

Ministerkonferenz für Raumordnung

M.-V.

Mecklenburg-Vorpommern

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

Nds.

Niedersächsisch

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

NROG

Niedersächsisches Gesetz über Raumordnung und Landesplanung (NROG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. April 1994 (GVBI., S. 212), geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. November 1997 (GVBI., S. 481)

NRW

Nordrhein-Westfalen

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift)

NW

Nordrhein-Westfalen

NWLPIG

Landesplanungsgesetz (LPIG) des Landes Nordrhein-Westfalen in Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1994 (GVBI. NW, S. 474, ber. S. 702)

NWVBI.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

ÖPNV

Öffentlicher Personennahverkehr

OVG

Oberverwaltungsgericht

Plan-UVP-RL

Richtlinie 2001 / 42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABI. EG Nr. L 197, S. 30

Plan-UVP-RLV (1996) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (96) 511 endg., ABI. EG Nr. C 129 vom 25. 4. 1997, S. 14 Plan-UVP-RLV (1999) Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (99) 73 endg. vom 22. 2. 1999, ABI. EG Nr. C 83 vom 25.3. 1999,

S.13

Pis.

Plansatz

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

pvs

Politische Vierteljahresschrift

RaumordnungsR

Raumordnungsrecht

RegBrkPIG

Gesetz zur Einführung der Regionalplanung und der Braunkohlenund Sanierungsplanung im Land Brandenburg vom 13. Mai 1993 (GVBI., S. 170), geändert durch Art. 3 des Gesetzes zu dem Landesplanungsvertrag vom 20. Juni 1995 (GVBI., S. 210)

rhpf

rheinland-pfälzisch( es)

Abkürzungsverzeichnis

21

rhptLEPro

Rheinland-pfalzisches Landesentwicklungsprogramrn vom 26. Juni 1995 (GVBI., S. 225)

RL

Richtlinie

Rn.

Randnummer

ROG

Raumordnungsgesetz

r. Sp.

rechte Spalte

Rspr.

Rechtsprechung

RuL

Raumordnungs- und Landesplanungsrecht

S.

Seite

SaAnLPIG

Landesplanungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (LPIG) vom 28. April 1998 (GVBI., S. 255)

SächsBO

Sächsische Bauordnung

SächsLPIG

Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen (Landesplanungsgesetz - SächsLPIG) vom 24. Juni 1992 (GVBI., S. 259), geändert durch Art. 9 des Gesetzes zur Beschleunigung des Aufbaus im freistaat Sachsen vom 4. Juli 1994 (GVBI., S. 1261, 1279) und Gesetz vom 6. September 1995 (GVBI., S. 281 und 285)

s. o.

siehe oben

sog.

sogenannten

Sp.

Spalte

SRU

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

ThBO

Thüringische Bauordnung

TU

Technische Universität

Tz.

Textzeichen

u. a.

und andere

u. ä.

und ähnliches

UAbs.

Unterabsatz Referentenentwurf eines Umweltgesetzbuches vom 15. April 1999, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Z 11 4-41022.

UGBI

UGB-AT

Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil-, Forschungsbericht 10106028/01-03, Umweltbundesamt (Hrsg.)

UGB-KornE

Umweltgesetzbuch, Entwurf der Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (zugleich Hrsg.), 1998.

UmweltR

Umweltrecht(s)

UPR

Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift)

URPIDEP

Umweltrecht in der Praxis - Le droit de I'environement dans le pratique (schweizerische Zeitschrift)

UTR UTR

Umwelt- und Technikrecht (Jahrbuch des) Umwelt- und Technikrechts (der Universität Trier)

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

22 UVP-Ändg.-RL

UVPG

UVP-RL

v. a. VBIBW Verf. VerfG VerfGH VerwArch. VGH Vgl. (vgl.) VN Vorbem. VR VVDStRL WCED WHG

WiVerw. ZaöRV ZAU z.B. ZBI. ZfB ZfBR ZfU ZG Ziff. zit. ZRP ZSRNF ZUR zust.

Abkürzungsverzeichnis Richtlinie 97/11 / EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/377 / EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABI. EG Nr. L 73, S. 5 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBI. I, S.2350) Richtlinie 85/377/EWG vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABI. EG Nr. L 175, S. 40 vor allem Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Verfasser( s) Verfassungsgericht Verfassungsgerichtshof Archiv für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vereinte Nationen Vorbemerkung Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer World Commission on Environment and Development Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz WHG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 12. November 1996 (BGBI. I, S. 1695) Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für angewandte Umweltforschung zum Beispiel Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Bergrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Ziffer zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge Zeitschrift für Umweltrecht zustimmend

Einführung A. Einleitung I. Ausgangslage Die gegenwärtige Generation lebt in vielen Bereichen auf Kosten zukünftiger Generationen, indem ihr Handeln Auswirkungen zeitigt, die in für menschliche Vorstellungen überschaubaren Zeiträumen nicht oder nicht ohne weiteres rückgängig zu machen sind. Dies zeigt sich vor allem in der fortschreitenden Umweltzerstörung, deren Ursachen mannigfaltig sind. Bekannte Beispiele sind die übermäßige Emission von Treibhausgasen und der damit in Zusammenhang gebrachte Klimawandel, 1 die Abholzung der Urwälder sowie die Überfischung der Ozeane. Angesichts der langfristigen Auswirkungen dieses Handeins, der Begrenztheit der natürlichen Lebensgrundlagen und der existentiellen Angewiesenheit des Menschen auf eine weitestgehend intakte Umwelt2 stellt sich die Frage, wie dem entgegengewirkt werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Begriff des "Sustainable Development" bzw. dessen deutschsprachige Übersetzung mit "nachhaltiger Entwicklung" den letzten Jahren zum vieldiskutierten Leitbild staatlicher Politik avanciert. 3 Im Zuge dieser Entwicklung gewinnt der Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" auch auf rechtlichem Terrain zunehmend an Bedeutung.

1 Dazu und zu den jüngsten völkerrechtlichen Entwicklungen anläßlich der 3. Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention von Rio in Kyoto 1997 (sog. Kyoto-Protokoll) etwa Breier, EuZW 1999, 11 sowie Bail. EuZW 1998, 457. 2 Die existentielle Bedeutung der natürlichen Lebensgrundlagen sowohl für die jetzigen als auch für künftige Genrationen betont auch die Gemeinsame Verfassungskommission, vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 67; siehe auch Häberle. in: FS für Zacher, 215 (223). 3 Vgl. dazu etwa Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung", BT-Drucks. 13/7400; Bericht der Bundesregierung anläßlich der UN-Sondergeneralversarnrnlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland, BT-Drucks. 13/7054; Der Rat von Sachverständigen für Umwelt/ragen. Umweltgutachten 1994, Für eine dauerhaft-umwe1tgerechte Entwicklung, zugleich BTDrucks. 12/6995; ders .• Umweltgutachten 1996, Zur Umsetzung einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung, zugleich BT-Drucks. 13/4108; Schräder, WiVerw. 1995,65 ff.; Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR. Kap. 4 Rn. 57 ff.; Voss. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung - Darstellung und Kritik, 1997.

Einführung

24

11. Einführung in die Problemstellung 1. Der völkerrechtliche Begriff der nachhaltigen Entwicklung

Der Begriff sustainable development ist völkerrechtlichen Ursprungs. Er geht zurück auf den 1987 veröffentlichten Bericht der von den Vereinten Nationen eingesetzten Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED). Deren Aufgabe bestand darin, angesichts der globalen Zunahme der Umweltprobleme Empfehlungen für ein langfristiges Konzept zur Versöhnung von Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen vorzulegen. 4 Nach der im Abschlußbericht formulierten und seitdem vielzitierten Definition ist eine Entwicklung nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können. 5 Aufgenommen und erstmals in völkerrechtlichen Dokumenten positiviert wurde der Begriff durch die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED)6, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand.? Nach Grundsatz 4 der Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung (Rio-Deklaration)8 erfordert eine nachhaltige Entwicklung, "daß der Umweltschutz Bestandteil des Entwicklungsprozesses ist und nicht von diesem getrennt betrachtet werden darf'. Gleichzeitig muß das Recht auf Entwicklung Grundsatz 3 zufolge so erfüllt werden, "daß den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen heutiger und künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird". Damit hatte ein Leitbild Eingang in das Umweltvölkerrecht gefunden, welches zum einen den Umweltschutz zum integralen Bestandteil jeder Entwicklung und zum anderen das Postulat der intergenerationellen Gerechtigkeit9 als Maßstab für die Befriedigung des Rechtes auf Entwicklung erklärt. Die ebenfalls auf der Rio-Konferenz verabschiedete Agenda 21 umfaßt 40 Kapitel und zielt mit ihren zum Teil sehr detaillierten Vorgaben und Handlungsaufträgen auf politische Umsetzung des Sustainable-Development-Konzepts. IO Gefordert wird die Ausarbeitung nationaler Strategien, die die verschiedenen sektoralen wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Leitlinien und Planungen so miteinander "in Einklang bringen",tl daß eine sozial ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcenbasis und der Umwelt zum Wohle Vgl. etwa Streinz. Die Verwaltung 1998,449 (450). Näher 1. Kap. A.1. 6 United Nations Conference on Environment and Development. 7 Näher 1. Kap. A.II. S Abgedruckt in UTR 21 (1993), 411 ff. 9 Dazu etwa Bartholomäi, Sustainable Development, S. 85 ff. 10 Siehe auch Hohmann, NVwZ 1993,311 (315): .. Aktionsprogramm zur Implementation des Prinzips sustainable development". Näher 1. Kap. A.III. 11 Agenda 21, Tz. 8.7. 4

5

A. Einleitung

25

künftiger Generationen gewährleistet sei. 12 Damit verlangt der völkerrechtliche Ansatz des sustainable development die Verknüpfung ökonomischer, sozialer und ökologischer Belange zu einer einheitlichen Strategie. 13 Aufgrund der solchennaBen geforderten dreidimensionalen Problemsicht und -bewältigung kann von einem dreidimensionalen Nachhaltigkeitsverständnis gesprochen werden. Im Hinblick auf die temporale Dimension des Sustainable-Development-Konzepts verdeutlicht der künftige Generationen miteinbeziehende Ansatz, daß eine generationsübergreifende "Erhaltung von Optionen",14 insbesondere durch generationsübergreifende Erhaltung der "Stabilität des Ökosystems,,15 angestrebt wird. Daraus abgeleitet wird die Forderung nach einer "zirkulären Ökonomie" im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, die den natürlichen Kapitalstock unangetastet läßt. 16

2. Nachhaltige Entwicklung im Europarecht sowie im nationalen Recht

Parallel zu der noch andauernden Diskussion über seinen Sinn oder Unsinn 17 hat der Begriff der nachhaltigen Entwicklung sowohl im primären Gemeinschaftsrecht durch Art. 2 EG und die infolge des Amsterdamer Vertrages neufonnulierte Querschnittsklausel des Art. 6 EG als auch im Sekundärrecht positiv-rechtlichen Niederschlag gefunden. Ein Beispiel ist der 2. Erwägungsgrund der FFH_RL I8 , aber auch der 1. Erwägungsgrund sowie Art. 1 der sog. Plan-UVP-RL I9 .

Ebenda. Diesen Ansatz aufgreifend etwa SRU, Umweltgutachten 1994, BT-Drucks. 12/6995, S. 9; Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57. 14 Bartholomäi, Sustainable Development, S. 192. 15 So lositsch, URP 1DEP 1997, 93 (96). Ähnlich Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57. 16 Etwa lositsch, URP/DEP 1997,93 (96 f.); Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57. 17 Vgl. etwa einerseits Schröder, WiVerw 1995,65 (74 und 76 f.), der den Begriff "nachhaltig" und die darin zum Ausdruck kommende variable temporale Dimension für "kaum entbehrlich" hält und auch für die Beibehaltung des Nachhaltigkeitszieles bezogen auf die Nutzung und Erhaltung natürlicher Ressourcen eintritt. In letzterem Fall hält er freilich den Begriff für entbehrlich und plädiert für den Begriff "dauerhaft"; grds. positiv Krautzberger, UPR 1999, 401 (403 f.). Andererseits Reinhardt, UTR 43 (1998), 73 (95 und 102), der den Begriff der nachhaltigen Entwicklung als "sinnleeren Rechtsbegriff', "rechtliches nullum" und "junklaw" eines überforderten oder sich verweigernden Gesetzgebers kritisiert. Krit. auch Fickert, BauR 1997,947 (952) sowie Viertel, ZfW 38 (1999), 541 (543), der angesichts der inhaltlichen Unschärfe des Nachhaltigkeitsgedankens eine rechtliche Verankerung als bedenklich betrachtet; skeptisch auch Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 114 f., 140. 18 Dazu 3. Kap. D.IIA.b) aa). 19 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung bestimmter Pläne und Programme. Näher 1. Kap. B.lI.3. 12 13

26

Einführung

Mit den am 1. 1. 1998 in Kraft getretenen Änderungen des Baugesetzbuches und des Raumordnungsgesetzes 20 fand der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung auch auf nationaler Ebene Eingang in das Gesamtplanungsrecht. So sollen die Bauleitpläne gern. § lAbs. 5 Satz I BauGB künftig eine "nachhaltige städtebauliche Entwicklung" gewährleisten, und eine "nachhaltige Raumentwicklung" wird zur neuen Leitvorstellung der Raumordnung. 21

3. Die einzelnen Funktionen der neuen Leitvorstellung der Raumordnung

Der nationale Gesetzgeber definiert die neue Leitvorstellung der Raumordnung wie folgt: "Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnungführt".

Die vage, generalklauselartige Formulierung der Leitvorstellung 22 könnte die pauschal geäußerte Auffassung untermauern, daß es sich bei dem Leitbild bzw. Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung um einen bloßen Programmsatz oder um eine Leerformel handelte. 23 Indes ist der Abstraktionsgrad bzw. die Unbestimmtheit einer Rechtsnorm und die dadurch bedingte geringe Determinationskraft für sich allein betrachtet kein Indiz dafür, daß es sich hierbei lediglich um Programmsätze, mithin rechtlich unverbindliche Bekundungen des Gesetzgebers handelt. Andernfalls müßte auch den Staatszielbestimmungen und den (objektiven) Grundrechtsgehalten 24 jegliche rechtliche Steuerungskraft und rechtliche Bindungswirkung abgesprochen werden. 25 Hinzu kommt, daß bereits die in § 1 Abs. 1 ROG 20 Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Raumordnungsrechts, verkündet als Art. 2 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 (BauROG) vorn 18.8.1997 (BGBI. I, S. 2081); im folgenden ROG abgekürzt. 21 Vgl. auch § 4 des Umweltgesetzbuch-Entwurfes der Sachverständigenkornrnission (UGB-KornE), wo die Leitlinien einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung definiert werden. 22 Nach Ronellenfitsch, in: FS für Hoppe, 355 (359) wurde "der floskelhafte Charakter der Leitvorstellungen" durch das BauROG 1998 im Verhältnis zu § 1 ROG 1965 "noch verstärkt". 23 Reinhardt, UTR 43 (1998), 73 (81). Vgl. auch Brösse, Ziele der Regionalpolitik, S. 40 f., der die programmatischen, generellen Planungsziele in § 1 ROG als Leerformel bezeichnet. 24 Dazu Sommennann, Staatsziele, S. 419 f., 425 f., wonach die objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechte bzw. die daraus abgeleiteten grundrechtlichen Schutzpflichten der grundrechtsirnrnanenten Staatszielkomponente entsprächen. 25 Hierauf und auf die vergleichbare Funktion insbesondere der Staatszielbestimmungen für den Gesetzgeber verweist zutreffend Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 1 Rn. 488 a.E. LV.m. Rn. 476, 482. Zum Rechtssatzcharakter von Staatszielbestirnrnungen etwa Vitzthuml

A. Einleitung

27

a. F. nonnierten Leitvorstellungen 26 nicht als Programmsätze, sondern als unmittelbar geltendes Recht für die Raumordnung der Länder qualifiziert wurden?7 Dieser Einschätzung ist der Gesetzgeber gefolgt, indem er Bund und Ländern gleichermaßen die Leitvorstellung als unmittelbar geltendes Recht vorgegeben hat. Dies verdeutlicht zum einen die systematische Stellung des § 1 Abs. 2 RaG im 1. Abschnitt des Gesetzes, weIches die bundesunmittelbar geltenden allgemeinen Vorschriften des Raumordnungsrechts zusammenfaßt. 28 Zum anderen vennag nur eine materiell-rechtliche Vorgabe der vom Gesetzgeber bzw. nach der gesetzgeberischen Konzeption der Leitvorstellung übertragenen Funktion gerecht zu werden, wonach diese einerseits gern. § 1 Abs. 2 Satz 1 RaG als "Handlungsmaxime,,29 bei der raumplanerischen Aufgabenerfüllung und andererseits gern. § 2 Abs. 1 RaG als "Auslegungs- und Anwendungsmaxime,,3o hinsichtlich der Raumordnungsgrundsätze fungieren soll. Darüber hinaus werden die Länder gemäß § 7 Abs. 1 RaG bei der ihnen obliegenden Aufgabe, die Raumordnungsgrundsätze des § 2 Abs. 2 RaG durch Aufstellung von Raumordnungsplänen 31 zu konkretisieren, was materiell im Wege der Abwägung 32 geschieht, auf die Beachtung der Leitvorstellung verpflichtet. Ein Programmsatz oder eine bloße Deklamation kann diese Geddert-Steinacher, Jura 1996, 42 (43) m. w. N.; speziell zur Umweltstaatszielbestimmung stellvertretend Murswiek, Staatsziel Umweltschutz, 40 (44 f.); ders., NVwZ 1996,222 (223); zum Rechtssatzcharakter und zur geringen Konkretheit des Sozialstaatsprinzips Hoppe, in: HStR III, Rn. 83 f. jeweils m. w. N. Zur Vergleichbarkeit der Strukturmerkmale von Staatszielbestimmungen und planerischen Leitvorstellungen bzw. generellen Planungszielen siehe Sommermann, Staatsziele, S. 427 ff., der folgende Charakteristika hervorhebt: ihre materielle Offenheit und die dadurch bedingte Angewiesenheit auf weitere Konkretisierung, die fehlende subjektiv-rechtliche Komponente und ihre Finalprogrammierung. Insofern bestehen nicht nur textuelle (vgl. insbesondere § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1,2 ROG, dazu im 3. Kap. unter D.1. und H.), sondern auch normstrukturelle Parallelen (dazu im 3. Kap. unter D.1.1. e.E. sowie D.I.2.b). 26 Vor der Novellierung 1997 enthielt das ROG vier gleichwertige Leitvorstellungen. 27 Vgl. Niemeier / Dahlke / Lowinski, Landesplanungsrecht Nordrhein-Westfalen, S. 48; Hoppe, RuL, in: StVwR NW, S. 320; Hoppe/Schoeneberg, RuL, Rn. 535; zustimmend Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Abschn. 4 Rn. 6; vgl. auch Runkel, NuR 1998,449 (449). Bereits in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Änderung des ROG von 1989 (BT-Drucks. 11 /3916, S. 9) heißt es, daß es sich bei den Leitvorstellungen der Raumordnung um übergeordnete Gesichtspunkte der raumstrukturellen Entwicklung handelt, die "ftir die Raumordnung in Bund und Ländern unmittelbare Geltung haben". Aufgabe der Raumordnung sei es, die Struktur des Gesamtraumes der Bundesrepublik Deutschland unter Beachtung der Leitvorstellung zu entwickeln. Hierbei verdeutliche § 1 ROG den Handlungsrahmen. 28 Vgl. Runkel, NuR 1998,449 (449). 29 So die Bezeichnung in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BTDrucks. 13/6392, S. 40; vgl. auch Runkel, NuR 1998, 449 (449 u. 450). 30 So die Bezeichnung in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BTDrucks. 13 / 6392, S. 79. 31 Vgl. §§ 8 Abs. 1,9 Abs. 1 ROG. 32 Vgl. § 7 Abs. 7 Satz 1 ROG.

28

Einführung

gesetzessystematisch zugewiesene Aufgabe und Funktion nicht erfüllen. Insofern wird die Leitvorstellung des § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG zu Recht neben der allgemeinen Aufgabenvorschrift des § 1 Abs. 1 ROG und den Raumordnungsgrundsätzen des § 2 Abs. 2 ROG zu den wichtigen materiellen Vorgaben für die Raumplanung gezählt. 33

4. Erforderlichkeit einer Konkretisierung

Im Zuge dieser Rechtsentwicklung und angesichts der gesetzlichen Positivierung dieses Grundsatzes im nationalen Planungsrecht stellt sich die Frage, welche rechtliche Bedeutung der neuen Leitvorstellung für die planenden Stellen zukommt. Dabei fällt auf, daß die rechtliche Bedeutung des Begriffes der nachhaltigen Entwicklung derzeit nicht geklärt ist. Dies gilt um so mehr, als der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung in den verschiedenen Kontexten mit unterschiedlichen Inhalten angereichert wird?4 So findet dieser Begriff auch für negative Tendenzen Verwendung. 35 Daher und aufgrund seiner begrifflichen Unschärfe wird der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung in der Rechtsliteratur ohne Konkretisierung für nicht vollziehbar gehalten?6 Dieses Defizit will die vorliegende Arbeit verringern, handelt es sich bei dem Begriff doch (auch) um einen Rechtsbegriff, dem der Gesetzgeber, wie soeben skizziert, zahlreiche Funktionen zugewiesen hat. Ziel ist es, einen Beitrag zur Klärung der Frage nach den materiellen Bindungswirkungen des Grundsatzes einer nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Denn nur ein Grundsatz mit hinreichend konkreten Konturen, mithin bekannten und abgrenzbaren Inhalten kann eine Steuerungsfunktion im Rahmen der Planung entfalten. Besonderes Augenmerk ist dabei aus rechtsstaatlichen Gründen dem planerischen Abwägungsvorgang zu widmen. Dieser bewegt sich in dem Spannungsfeld zwischen rechtsnormativer Einbettung einerseits und dem charakteristischen planerischen Gestaltungsspielraum anderer33 Steiner, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. VI, Rn. 22; Erbguth, NVwZ 2000, 28 (30); siehe auch allgemein Badura, UTR 43 (1998), 43 (58), der das "Prinzip des sustainable development ... im Kern (als) ein Rechtsprinzip" bezeichnet. 34 Nach Kastenholz, in: ders. et al., S. 1 existierten bereits 1996 über 60 unterschiedliche Definitionen; zur begrifflichen Unschärfe jüngst Krautzberger/Stemmler, in: FS für Hoppe, 317 f. 35 Vgl. z. B. § 8 Abs. 1 BNatSchG a. F., wonach Eingriffe in Natur und Landschaft Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen sind, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes ... erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen (Hervorhebung des Verf.). Dazu OVG Münster, NuR 2000, 173 - 3. Leitsatz. 36 So etwa Calliess, DVBI. 1998, 559 (561); Schröder, ArchVR 34 (1996), 251 (252); seine Angewiesenheit auf Umsetzung betont Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 140 f. Allgemein zur Konkretisierungsbedürftigkeit des Nachhaltigkeitsprinzips Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rn. 5; Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 64.

A. Einleitung

29

seits. 37 Der planerischen Gestaltungsfreiheit sind, obgleich durch rechtliche Vorgaben begrenzt, "jenseits der ordnungsrechtlichen Mindestgrenze,,38 nur wenig (strikte) Schranken gesetzt. Dieser den planenden Stellen durch das Planungsrecht gewährte Spielraum und die daraus resultierenden Probleme auch für die planenden Stellen wird verschärft durch die rechtliche Verankerung von generellen Planungszielen 39 , deren Gehalt noch nicht eindeutig geklärt ist. Denn je konkreter die gesetzlichen Ziel vorgaben für die planenden Stellen sind, desto eher können diese die der eigentlichen Abwägungsentscheidung vorgelagerte Zusammenstellung des Abwägungsmaterials hieran ausrichten und damit zu einer voraussehbaren, rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gerecht werdenden Entscheidung gelangen.

5. Begrimiche Grundlagen a) Nachhaltige Entwicklung

aa) Dreidimensionales Verständnis nachhaltiger Entwicklung Bei der Verwendung des Begriffes "nachhaltig" kommt es maßgebend auf den textlichen Zusammenhang an. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung basiert, zumindest im nationalen Recht der räumlichen Gesamtplanung,40 auf der Einsicht, daß ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung als Einheit zu verstehen sind. Der darin zum Ausdruck kommende, auf drei Komponenten bezogene integrative Ansatz - sog. dreidimensionales Nachhaltigkeitsverständnis liegt ausweislieh der expliziten Nennung eben dieser drei Komponenten auch der "Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung" in § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG zugrunde. Daß es sich hierbei um eine konfliktgeladene Einheit41 handelt, verdeut37 Der Planer ist Rechtsanwender und Rechtsgestalter zugleich, vgl. zu diesem Spannungsverhältnis Spannowsky, DÖV 1996, 10 17 ff. Dementsprechend verfügt die Exekutive über eine autonom-politische Gestaltungskomponente bei der Gewichtung der Belange, wenngleich ihr der Rahmen durch rechtsnormative Gewichtungsvorgaben und durch die faktischen Gegebenheiten mehr oder weniger vorgegebenen ist, vgl. Dreier, Steuerung der Abwägung, S. 93 f., 391 f. 38 So Dreier, Steuerung der Planung, S. 398. 39 Zur rechtsdogmatischen Einordnung der neuen Leitvorstellung unten 3. Kap. A.1. 40 Vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG sowie zum dreidimensionalen Nachhaltigkeitsverständnis des § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB Krautzberger, in: B/K/L, § 1 Rn. 45; Battis/Krautzberger/ Löhr, NVwZ 1997, 1145 (1146); Schliepkorte, ZfBR 1999,66 (67) sowie Ausschußbericht, BT-Drucks. 13/7589, S. 14. Nach zutreffender Ansicht beinhaltet der Sustainable-Development-Gedanke ebenfalls diesen dreidimensionalen Ansatz, siehe Schräder, WiVerw. 1995, 65 (77 f.); Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1083); Calliess, DVBI. 1998,559 (561); Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 1 Rn. 508; Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 114; Näher 1. Kap. A.I.1; A.II.2.; A.III.2.; a.A. Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 60 ff.; Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GK 11, § 20a Rn. 101. 41 So Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57.

30

Einführung

licht die Tatsache, daß sich hinter diesen drei Elementen unterschiedliche Zielsetzungen und Interessen verbergen, die häufig sogar diametral zueinander stehen. Was beispielsweise aus ökonomischer Sicht für einen weiteren Flächenverbrauch spricht, steht regelmäßig im Widerspruch zu ökologischen Idealvorstellungen. So konkurrieren etwa die Erweiterung eines Flughafens, der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur oder die Schaffung neuer Siedlungsflächen mit dem ökologischen Aspekt des Freiflächenschutzes. Hinzu kommt die vielfach drohende Irreversibilität von Umweltbeeinträchtigungen, die Unurnkehrbarkeit und (teilweise) Unvorhersehbarkeit der Folgen heutigen Handeins und Unterlassens etwa auf dem Gebiet der Ressourcen- oder Kernenergienutzung oder der Gentechnik und die damit einhergehenden langfristigen Auswirkungen, die ein entsprechend langfristig vorausschauendes Agieren erfordern. Dabei erhöhen zahlreiche Interdependenzen zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, ökologischen und sozialen Belangen die Komplexität der Interessenlage. Ziel des dreidimensionalen Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung ist es, diese widerstreitenden Interessen optimierend miteinander in Einklang zu bringen, sie mithin zu versöhnen. Im folgenden werden die Bezeichnungen Grundsatz bzw. Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in diesem Sinne verwendet. bb) Nachhaltig umweltgerechte Entwicklung Epiney / Schey1l42 beschränken die inhaltliche Tragweite des Begriffes auf eine rein umweltpolitische Zielsetzung. Wie noch zu zeigen sein wird, läßt sich der Sustainable-Development-Gedanke jedoch weder auf ein rein ökologisches Prinzip noch auf einen rein ressourcenökonomischen Ansatz verengen. Dies muß jedenfalls vor dem Hintergrund der nationalen Umsetzung gelten. Schon die Verwendung eben dieses Begriffes im nationalen Bau- und Raumordnungsrecht und die Tatsache, daß nicht nur die Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG, sondern auch die gesamtplanerische Ausrichtung dieser Gesetze einen breiter angelegten Ansatz und Blickwinkel verfolgt, der offenkundig über eine ökologische Zielsetzung hinausgeht, widerspricht einer solchen Sichtweise bzw. Interpretation. Wenn Epinel3 nunmehr vorschlägt, die in der völkerrechtlichen Praxis entwickelten Ansätze und Ausprägungen des Sustainable-Development-Konzepts könnten im Rahmen des Art. 20a GG fruchtbar gemacht werden, so ist ebenfalls Vorsicht geboten. Wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird, liegt dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung auch und gerade im völkerrechtlichen44 und primärrechtlichen45 42 Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 60. Siehe nunmehr bekräftigend (und bezogen auf das Umweltvölkerrecht) Epiney, in: v. Mangoldtl Klein I Starck, GG 11, Art. 20a Rn. 101. 43 Epiney, in: v. Mangoldtl Klein I Starck, GG 11, Art. 20a Rn. 102. 44 Zum "dreidimensionalen" Ansatz der Agenda 21 siehe 1. Kap. A.III.2. und 3. 45 Zur europarechtlichen Verankerung des Grundsatzes einer nachhaltigen Entwicklung unten 1. Kap. B.II.

A. Einleitung

31

Kontext ein Ansatz zugrunde, der ökologieexterne Belange in das Konzept integriert. Würde man nun den Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung bereits im Rahmen des Art. 20a GG zur Geltung bringen, so droht eine Anreicherung des Umweltstaatsziels mit solchen Belangen, die ansonsten erst im Konfliktfall bei der dann erforderlichen Abwägung zu berücksichtigen sind. Im übrigen erteilt die jedenfalls insoweit in § 1 Abs. 2 ROG klar umrissene Leitvorstellung der Raumordnung einer Beschränkung des Nachhaltigkeitsgedankens auf umweltpolitische Belange eine Absage. 46 Zur begrifflichen Klarheit beitragen würde insofern die Verweridung des Begriffes der nachhaltig umweltgerechten Entwicklung 47 bzw. besser noch der ökologischen Nachhaltigkeit48 für die Umschreibung rein bzw. primär umweltpolitischer Zielsetzungen. b) Die Stellung der Raumordnung im Raumplanungssystem

Der Schwerpunkt der nachfolgenden Untersuchung orientiert sich an der einfachrechtlichen Konkretisierung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung im Raumordnungsrecht. In Anbetracht dessen soll im folgenden die Stellung der Raumordnung im Raumplanungssystem kurz skizziert werden. Unter raumbezogenen Planungen kann man solche verstehen, durch die Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Funktion oder Entwicklung eines Gebietes beeinflußt wird. 49 Diese Art der Kategorisierung stellt in erster Linie auf die räumlichen Auswirkungen einer Maßnahme, also auf den Gegenstand der Planung ab. Die Maßnahme muß aufgrund ihres Einflusses auf die Raumentwicklung oder die sog. Raumfunktionen eine räumliche Ordnung erforderlich machen. Im System raumbezogener Planungen existieren einmal die Gesamtplanungen und zum anderen die (räumlichen) Fachplanungen. Erstere stellen den Raum als solchen und keinen Fachbelang in den Mittelpunkt. Sie sind gebietsbezogen, und ihre Blickrichtung ist als Querschnittsaufgabe mehrdimensional ausgerichtet; letztere sind dagegen primär projektbezogen und insoweit eindimensiona1. 50 Unterteilt 46 Auch die zutreffend als Kerngedanke des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung bezeichnete Bezugnahme künftiger Generationen [dazu unten 1. Kap. A.ll.1. b) 1 erfolgt im ROG gerade nicht im rein ökologischen Kontext (vgl. den insoweit einschlägigen § lAbs. 2 Satz 2 Nr. 2 ROG - sog. zweiter Teilaspekt - im Gegensatz zu Art. 20a GG), sondern als Grenzposten für die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. I ROG genannte "freie Entfaltung der Persönlichkeit". Dazu 3. Kap. D.l.2.b), c) und D.ll.3. 47 Vgl. Erbguth, DVBl. 1999, 1082 (1084). Problematisch ist insoweit allerdings, daß die Bundesregierung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rio-Deklaration ebenfalls von einer "Politik für eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung" spricht und damit gleichwohl keine rein ökologische Zielsetzung verfolgt, sondern ein umweltverträgliches Gesamtkonzept, vgl. dazu Schröder, WiVerw. 1995,65 (78). 48 So der Vorschlag von Tremmell Laukemannl Lux, ZRP 1999, 432 (433). 49 In Anlehnung an die Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 6 ROG. 50 Vgl. Schmitt Glaeserl König, JA 1980,321 (322 f.); Hoppe, in: HStR, III, § 71 Rn. 10.

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Einführung

man das Merkmal der Gebietsbezogenheit der räumlichen Gesamtplanung wiederum, so kann unter dem Gesichtspunkt der Planungsebene zwischen überörtlicher und örtlicher Gesamtplanung unterschieden werden. Die örtliche Gesamtplanung unterteilt sich in die Bebauungsplanung und die Flächennutzungsplanung. Diese Planungen stehen auf der untersten Ebene der räumlichen Gesamtplanung und sind gemäß § 1 Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung anzupassen. Aus der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 2 ROG ergibt sich, daß Ziele der Raumordnung verbindliche Ergebnisse einer raumplanerischen Abwägungsentscheidung nach § 7 Abs. 7 ROG sind, die in sog. Raumordnungsplänen festgelegt werden. Raumordnungspläne sind überörtliche Nutzungskonzepte für Planungsräume, die größer als ein einzelnes Gemeindegebiet sind. Das ROG unterscheidet zwischen hochstufigen Raumordnungsplänen für das Landesgebiet nach § 8 ROG und solchen für Teilräume der Länder nach § 9 ROG, sog. Regionalpläne. Zwischen diesen Ebenen der Gesamtplanung 51 bestehen Abstimmungs- 52 und Ableitungszusammenhänge, wobei die Aussageschärfe und der Konkretisierungsgrad der einzelnen Planaussagen innerhalb dieses Planungssystems tendenziell "trichterförmig" zunimmt, bevor schließlich - als planerischer Abschluß - auf der kommunalen Ebene die außenwirksamen Festsetzungen der Bebauungspläne treten. Unabhängig vom örtlichen Bezug ist das charakteristische Merkmal jeder Gesamtplanung das "Zusammenfassende" bzw. ihre "Übergeordnetheit". Diese beiden Begrifflichkeiten sind eng miteinander verknüpft. Mit dem BauROG 1998 haben sie nunmehr Eingang in die raumplanerische Aufgabennorm des § 1 Abs. 1 ROG gefunden. Sie gehen zurück auf das sog. Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1954, wo sie wie folgt umschrieben wurden: 53 "Die überörtliche Planung fällt unter den Begriff der "Raumordnung" i. S. d. Art. 75 Nr. 4 GG. Diese ist zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes. Sie ist übergeordnet, weil sie überörtliche Planung ist und weil sie vielfältige Fachplanungen zusammenfaßt und aufeinander abstimmt." Die "Übergeordnetheit" kennzeichnet aber nicht nur den rechtlichen Vorrang der überörtlichen gegenüber der örtlichen Gesamtplanung und den Fachplanungen durch verbindliche Ziel- und Rahmensetzung, sondern zugleich eine auf den Maßstab der Überörtlichkeit und Überfachlichkeit begrenzte Kompetenz der Raumordnung. 54 Zusammenfassende Planung bedeutet die umfassende Abwägung aller Rauman51 Vgl. zum Aufbau des Planungssystems in NRW OVG Münster ZfB (136) 1995, 301 (303). Danach existiert in Nordrhein-Westfalen, wie in den übrigen Flächenländern (die Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben von der Möglichkeit des § 8 Abs. 1 Satz 2 ROG Gebrauch gemacht, so daß Flächennutzungspläne die Funktion von landesweiten Raumordnungsplänen wahrnehmen) ein zwei- oder dreifach (NRW) abgestuftes Planungssystem mit zunehmendem Konkretisierungsgrad. Vgl. dazu Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschn., Rn. 50 mit Fn. 162, Rn. 53 ff. 52 Vgl. insbesondere § 1 Abs. 3 ROG, sog. Gegenstromprinzip. 53 BVerfGE 3, 407 (425). 54 Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 24; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht Rn. 53.

B. Gang der Untersuchung

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sprüche unter Beteiligung aller betroffenen Planungsträger. 55 Dieses Erfordernis verlangt eine leitbildgerechte, räumliche Koordinierung einer Vielzahl von Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen. 56 Das verdeutlicht den querschnittsbezogenen Gestaltungs- und Abstimmungsauftrag der Gesamtplanung. 57 Als zusammenfassende und überfachliche Planung erfaßt die Gesamtplanung alle raum bedeutsamen Faktoren wie Siedlungsentwicklung, Industriebesatz, verkehrsmäßige Erschließung, Umwelt- und Landschaftsschutz usw. und koordiniert diese divergierenden Belange untereinander.

B. Gang der Untersuchung Um die Auswirkungen des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung auf die (Raumordnungs-)Planung untersuchen und schließlich beurteilen zu können, ist zunächst erforderlich, sowohl den Begriff und damit eng verwoben seine Entstehung kurz zu skizzieren. Dieses Erfordernis resultiert aus der bereits angedeuteten begrifflichen Unschärfe, die es zunächst abstrakt und schließlich im Rahmen der konkreten Umsetzung so weit wie möglich auszuräumen gilt. Der Prozeß von der zentralen umweltpolitischen Handlungsmaxime58 bzw. Leitidee zur rechtlichen Positivierung wirft zudem die Frage auf, inwieweit dieses politische Leitbild tatsächlich umgesetzt wurde. Daher wird nachfolgend der Versuch unternommen, die rechtlichen Anforderungen an eine dem Nachhaltigkeitsprinzip verpflichtete Planung näher zu skizzieren. Als Maßstab für die Frage nach der Umsetzung der politischen Handlungsmaxime muß zunächst das politische Programmziel 59 selbst herausgearbeitet werden (dazu im 1. Kapitel). Anschließend ist zu beleuchten, inwieweit Planung als Instrument zur Umsetzung des Programmes grundsätzlich in Betracht kommt. Infolge der gesetzgeberischen Verortung im nationalen Planungsrecht liegt der Schwerpunkt hier auf der Frage nach der Eignung der Planung im allgemeinen und der überörtlichen und örtlichen Gesamtplanung im besonderen (2. Kapitel). Aufbauend auf diesen theoretischen Vorüberlegungen ist der Blick auf 55 So Hoppe, in: HStR 111, § 71 Rn. 24. Angesichts der Vielzahl planerischer Handlungsfonnen richtet sich die Verbindlichkeit des Planproduktes freilich nach der Rechtsfonn des Planes. 56 Vgl. Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungsrecht, Rn. 50; Erbguth, VerwAreh. 87 (1996), 258 (282). 57 Vgl. zum Querschnittscharakter der Raumordnung, Hoppe, in: FS für Scupin, 737

(741 f.).

So Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57. Für eine Einordnung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung als Ziel spricht auch die Verortung des Grundsatzes im nationalen Recht, vgl. §§ lAbs. 5 Satz I BauGB, I Abs. 2 Satz 1 ROG. Ebenfalls als Ziel einordnend aus völkerrechtlicher Sicht Epiney/ Scheyli, Strukturprinzipien, S. 76, 86, die für eine strikte Trennung zwischen dem vom Grundsatz der Nachhaltigkeit vorgegebenen Ziel und den zu dessen Implementierung erforderlichen Mitteln plädieren. 58 59

3 Bode

Einführung

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die rechtliche Umsetzung im Raumordnungsgesetz zu richten. Aufgrund der mannigfaltigen Funktionen, die der neuen Leitvorstellung dort gesetzessystematisch zukommen,6o gilt es letztere weitestgehend zu konkretisieren. Den Ausgangspunkt hierfür bildet zunächst die Legaldefinition des § lAbs. 2 Satz 1 ROG selbst. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei die in der planungsrechtlichen Terminologie unübliche Formulierung des "Miteinander-in-Einklang-Bringens". Sodann sind die sog. Teilaspekte der nachhaltigen Raumentwicklung in § 1 Abs. 2 Satz 2 ROG näher zu untersuchen, wird diesen doch nach der Gesetzesbegründung eine Konkretisierungsfunktion beigemessen61 (3. Kapitel). Weitergehende Anhaltspunkte zur Konkretisierung der Leitvorstellung ergeben sich aus den inhaltlichen Vorgaben der in § 2 Abs. 2 ROG normierten Raumordnungsgrundsätze. Indem letztere wiederum im Sinne der Leitvorstellung auszulegen 62 und anzuwenden 63 sind, entsteht ein Verhältnis der wechselseitigen Konkretisierung (4. Kapitel). Gleichwohl wird sich zeigen, daß die neue Leitvorstellung als "offene Ziel vorgabe" einzustufen ist. Damit werden Grenzziehungen notwendig (5. Kapitel). Schließlich ist die entscheidende Frage zu klären, ob und inwieweit die Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung Konsequenzen für die planenden Stellen, insbesondere die planerische Abwägung als zentrales Institut des Planungsrechts zeitigt (dazu im 6. Kapitel).

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62 63

Siehe oben II.3. BT-Drucks. 13/6392, S. 79. Vgl. § 2 Abs. 1 ROG. Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 ROG.

1. Kapitel

Politische und rechtliche Grundlagen und Entwicklungslinien im internationalen, europäischen und nationalen Kontext Bei dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung handelt es sich um einen Begriff völkerrechtlichen Ursprungs, der nunmehr ins nationale Recht implementiert wurde. Betrachtet man den Weg, den der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung vom politischen Leitbild bis zur rechtlichen Verankerung zurückgelegt hat, per Zeitraffer, so lassen sich grob vier Phasen ausmachen. Am Anfang stand die Erkenntnis der schicksalhaften Verknüpfung von wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz zu Beginn der siebziger Jahre. I Das von den Entwicklungsländern 1972 auf der ersten UN-Umweltkonferenz in Stockholm eingeforderte "Recht auf Entwicklung" und die damit einhergehende zunehmende Beanspruchung der Umwelt rückte die sich abzeichnende globale Verschärfung der Konfrontation zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz in den Mittelpunkt. Es setzte sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß infolge von Industrialisierung und Bevölkerungswachstum die Bedrohung der Umwelt in quantitativer und qualitativer Hinsicht bislang nicht gekannte globale Dimensionen erreicht hatte und der im Umweltvölkerrecht praktizierte mediale bzw. sektorale Ansatz den zahlreichen Interdependenzen natürlicher Lebenskreisläufe sowie deren Verknüpfung mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen nicht gerecht wurde? Sie kann damit als Phase der Problemdefinition bezeichnet werden. Ihr folgten im Vorfeld der Rio-Konferenz die Phasen der Agenda-Gestaltung,3 wo es um die Frage ging, was zur Problembewältigung zu tun ist, und die darauf basierende dritte Phase der Programmforrnulierung. Schließlich folgte, angestoßen von den Beschlüssen der Rio-Konferenz, insbesondere der Rio-Deklaration und der Agenda 21, die vor allem rechtlich relevante Phase der Umsetzung des politischen Programms. Die Übergänge zwischen diesen Phasen sind fließend. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der Betrachtung der rechtlichen und praktiI Vgl. dazu etwa aus rechtlicher Sicht Breuer; Der Staat 20 (1981), 393 (393), ders., in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 2; Kloepfer; Umweltrecht, § 1 Rn. 1 ff.; Benda, UPR 1982,241 (241). 2 Näher zur Entwicklung des Umweltvölkerrechts bis zur Stockholmer Konferenz 1972 Epiney / Scheyli, Strukturprinzipien, S. 20 ff. 3 Dazu Epiney / Scheyli, Strukturprinzipien, S. 24 ff.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

schen Konsequenzen des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung für die planende Verwaltung, mithin vor allem auf der Auswertung der vierten Phase. Gleichwohl müssen dabei auch die entwicklungsgeschichtlichen Gegebenheiten mit in den Blick genommen werden, nicht zuletzt um dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung möglichst klare Konturen verleihen zu können. Hier bieten sich erste Anhaltspunkte für eine Konkretisierung.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee J. Stockholmer Deklaration und Brundtland-Kommission Ausgangspunkt für die umweltpolitische Diskussion der letzten Jahre, an deren vorläufigen Ende der Begriff der "nachhaltigen Entwicklung,,4 im Deutschen (Planungs)Recht steht, war der Bericht der World Commission on Environment and Development aus dem Jahre 1987. Diese sog. Brundtland-Kommission,5 eingesetzt von den Vereinten Nationen mit dem Ziel Empfehlungen über den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und dem Schutz der Umwelt auszuarbeiten, veröffentlichte 1987 ihren Bericht mit dem Titel "Our Common Future".6 Er enthält als bis heute das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung maßgeblich prägende Determinante eine Definition des Begriffs "Sustainable Development". In der deutschen Übersetzung lautet sie: "Nachhaltige Entwicklung ist eine dauerhafte Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können 7 H.

Diese Definition stellt eine Verbindung zwischen den Bedürfnissen der heute Lebenden und zukünftiger Generationen her. Gefordert wird eine Entwicklung, die sowohl die Bedürfnisse der gegenwärtigen als auch der zukünftigen Generationen befriedigt. Die fehlende thematische Einschränkung der hiervon erfaBten Bedürfnisse deutet auf ein umfassendes Verständnis. Gegenstand der Begriffsdefinition ist die Bedürfnisbefriedigung jeder Generation. Intendiert ist daher die langfristige 4 Genauer "nachhaltige städtebauliche Entwicklung" in § 1 Abs. 5 BauGB und "nachhaltige Raumentwicklung" in § 1 Abs. 2 ROG. 5 Benannt nach der Vorsitzenden norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. 6 WCED, Our Common Future. Zu früheren Ansätzen vgl. Schröder; ArchVR 34 (1996), 251 (253). 7 Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff (Hrsg.), S. 46. Auf S. 9 f. etwas anders formuliert: "Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeiten der künftigen Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, zu beeinträchtigen". Im englischen Original heißt es: a development "that (it) meets the needs of the present without compromising the ability offuture generations to meet their own needs", WCED, Our Common Future, S. 8,43.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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Sicherstellung der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse manifestieren sich in erster Linie in sozialen und wirtschaftlichen Ansprüchen. Voraussetzung jeder Bedürfnisbefriedigung ist jedoch letztlich auch ein gesicherter Mindestbestand an natürlichen Lebensgrundlagen, bilden diese doch die Basis jeder Bedürfnisbefriedigung. Will man entsprechend der Brundtland-Definition von Sustainable Development nicht riskieren, daß künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können, so bildet der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zugleich einen wesentlichen Begrenzungsposten jeder wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Angesichts der Begrenztheit der natürlichen Lebensgrundlagen und ihrer eingeschränkten Regenerationsfähigkeit bei gleichzeitiger menschlicher Angewiesenheit auf ihre Nutzung 8 ergeben sich Verteilungsprobleme sowohl innerhalb als auch zwischen den Generationen. Das daraus resultierende und in der Brundtland-Definition angelegte Problem sog. Verteilungsgerechtigkeit stellt sich zum einen zwischen den jetzt Lebenden, sog. soziale bzw. intragenerationelle Gerechtigkeit, und zum anderen zwischen den Generationen, sog. Generationen- bzw. intergenerationelle Gerechtigkeit. Die Begriffsbestimmung der Brundtland-Kommission greift diese Komponenten auf und erklärt die langfristige Sicherung der autonomen Möglichkeit jeder Generation zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse als Maßstab und Ziel für die Lösung dieses Verteilungsproblems. Weitergehende inhaltliche Vorgaben zur Konkretisierung und Verwirklichung dieses Ziels lassen sich jedoch aus dieser überaus weit gefaßten Definition von Sustainable Development nur bedingt ableiten. Unklar bleibt v.a., in welchem Ausmaß den Bedürfnissen künftiger Generationen Rechnung zu tragen ist und damit, in welchem Maße die Befriedigung gegenwärtiger Bedürfnisse durch Nutzung der Umweltgüter zu steuern, zu erschweren oder ggf. sogar auszuschließen ist. Problematisch ist insoweit, daß der Begriff der Bedürfnisbefriedigung alles andere als klar und damit das Ziel selbst interpretationsoffen ist. Der Versuch aus der Brundtland-Definition konkrete Handlungsmaßstäbe für einzelne Politikbereiche abzuleiten muß daher von vornherein scheitern. Gleichwohl werden erste Konturen dieser Zielvorgabe deutlich.

1. Konturen a) Ableitbarkeit des dreidimensionalen Ansatzes Auf den ersten Blick tritt die soziale Dimension einer nachhaltigen Entwicklung, d. h. die Frage der Verteilungsgerechtigkeit von Umweltgütern in den Vordergrund. Gleichzeitig schließt das Konzept des Sustainable Development aber auch ökono8 Hier gilt es zwischen emeuerbaren und nicht emeuerbaren Ressourcen zu unterscheiden. Während die Begrenztheit bei nicht emeuerbaren Ressourcen offen zu Tage tritt, besteht auch bei emeuerbaren Ressourcen eine, wenn auch relative, Knappheit. Die Relativität ergibt sich aus der Abhängigkeit des Bestandes an emeuerbaren Ressourcen von ihrem Vorkommen, ihrer Nutzungsrate und vor allem ihrer Regenerationsrate.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

mische und ökologische Faktoren ein; indem die Bedürfnisbefriedigungjeder Generation anerkannt wird, läßt sich auf die Zielsetzung schließen, daß den heute Lebenden und den zukünftigen Generationen ausreichend Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stehen sollen. Diese Zielsetzung beinhaltet mit der Forderung nach angemessener Entwicklung auch eine ökonomische Dimension. Gleichzeitig werden der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Inbezugnahme der Nachwelt Grenzen aufgezeigt, so daß eine ungebremste wirtschaftliche Entwicklung gerade nicht erfaßt wird. 9 Wirtschaftliche Entwicklung in diesem Sinne ist daher, jedenfalls idealtypisch, qualitativ, während ein quantitatives Wirtschaftswachstum mit dem so verstandenen Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung regelmäßig unvereinbar sein dürfte. Dementsprechend hebt die Brundtland-Kommission an anderer Stelle ausdrücklich hervor, daß das Konzept des Sustainable Development dem Wachstum Grenzen setze, die sich aus "Endlichkeit der Ressourcen und der begrenzten Fähigkeit der Biosphäre zum Verkraften menschlicher Einflußnahme" ergeben. 1O Hinzu kommt, daß jedenfalls die existentiellen natürlichen Lebensgrundlagen erhalten werden müssen. Dies ist eine zwingende Folge der geforderten Rücksichtnahme auf die Fähigkeit zukünftiger Generationen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Insofern kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, daß Sustainable Development oder nachhaltige Entwicklung nach dem Verständnis der Brundtland-Kommission einen ökonomischen, einen ökologischen und einen sozialen Aspekt beinhaltet und diese Komponenten mit Hilfe des Postulats der intergenerationellen Gerechtigkeit in einen Kontext bringt, sie mithin zu versöhnen sucht." Einen weiteren 9 Zutreffend insoweit Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 60 mit dem Hinweis darauf, daß die Verknüpfung von Umweltschutz mit einem unbegrenzten ("ungebremst" s.o.) Verständnis von wirtschaftlicher Entwicklung aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit und der damit einhergehenden Frage nach dem Gewichtungsverhältnis zu einer völligen Konturenlosigkeit des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung führt. Die daraus abgeleitete Konsequenz, das völkerrechtliche Konzept der nachhaltigen Entwicklung beschränke sich auf die Verfolgung umweltpolitischer Zielsetzungen unter Einbeziehung des Nachweltschutzes (vgl. dazu Epiney/Scheyli, a. a. 0., S. 60 ff.), ist m. E. allerdings unzutreffend. Dies stünde gerade im Widerspruch zu dem allgemeinen, sektorale Sichtweisen aufbrechenden Nachhaltigkeitsgedanken, und entspräche einem ausschließlich - oder zumindest primär - ökologisch ausgerichteten Nachhaltigkeitsverständnis i.S.e. nachhaltig umweltgerechten Entwicklung; vgl. zu diesen unterschiedlichen Varianten des Nachhaltigkeitsgrundsatzes zwischen denen streng unterschieden werden muß, Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1085 ff.) sowie oben Einführung

A.l1.5.a).

10 Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff (Hrsg.), S. 10, vgl. auch S. 63 sowie die Zusammenfassung S. 69, wo es u. a. heißt: "Daher erfordert dauerhafte Entwicklung ... ein Produktionssystem, das die Verpflichtung anerkennt, die ökologische Basis für Entwicklung zu erhalten". 11 Daher ergeben sich wie angedeutet aus der Definition der Brundtland-Kommission im Detail betrachtet bereits die Komponenten, die nunmehr als dreidimensionale Variante des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung bezeichnet werden, vgl. nur Runkel, UPR 1997, I (2); ders., NuR 1998,449 (450); Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1083). Insofern wäre es eine verengte Betrachtungsweise würde man das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung nach dem Brundtland-Bericht auf die, wenn auch wesentliche, intergenerationelle Komponente

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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Ausgangspunkt des Nachhaltigkeitspostulats im Sinne des Sustainable-Development-Gedankens bildet der Aspekt der Dreidimensionalität und die abstrakte Gleichgewichtigkeit dieser drei Dimensionen. 12 Plastisch kann von einem Zieldreieck gesprochen werden, dessen Eckpunkte sich wechselseitig bedingen und beeinflussen. 13 b) Verklammerung durch die Perspektive künftiger Generationen (intergenerationelle Komponente)

Die drei Determinanten des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung erhalten ihre besondere Prägung durch den Gedanken der intergenerationellen Gerechtigkeit. 14 Dieser beinhaltet die Forderung nach einer Abgleichung der Bedürfnisse der jetzt lebenden mit jenen künftiger Generationen. Mit Blick auf die existentielle Bedeutung eines ausreichenden Bestandes an natürlichen Ressourcen werden Nutzungsregeln für erneuerbare und nicht erneuerbare Ressourcen aufgestellt, die dem durch den Gedanken der intergenerationellen Gerechtigkeit geprägten Aspekt der Langzeitverantwortung Rechnung tragen sollen. Wahrend die jährliche Nutzung von erneuerbaren Ressourcen deren mögliche Erneuerung nicht überschreiten darf,15 gilt bei nicht erneuerbaren ein lockerer Maßstab, d. h. deren Nutzungsrate soll sich an verschiedenen Faktoren orientieren. Genannt werden die Bedeutung der jeweiligen nicht erneuerbaren Ressource, deren Substituierbarkeit sowie die Schonung der Ressourcenbasis durch verbesserte Technologien. 16 Insgesamt geht es um den langfristigen Erhalt der Tragfähigkeit der Ressourcenbasis l7 und des beschränken. Im Ergebnis wie hier Schröder; ArchVR 34 (1996), 251 (254); Voss, Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung - Darstellung und Kritik, S. 8 f. 12 Vgl. Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung", BT-Drucks. 13/7400, S. 12; SRU, Umweltgutachten 1994, Tz. 1; Rehbinder; in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57; Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1083 f.); Calliess, DVBI. 1998, 559 (561). 13 BMU, BT-Drucks. 13/7054, S. 1; Christner / Pieper; Nachhaltige Entwicklung, S. 16. 14 Lüers, DVBI. 1998,433 (435); Lendi, ZBI. 1999, 193 (201); Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 1 Rn. 508; vgl. zur intergenerationellen Perspektive Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 45 ff., die zutreffend feststellen, daß diese Perspektive als " ... Kern und Grundgedanke des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung bezeichnet werden" kann, S. 46. 15 Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff (Hrsg.), S. 48 f. 16 Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff (Hrsg.), S. 49; zum folgenden auch Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 115. 17 Vgl. Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff (Hrsg.), S. 48; im englischen Original "carrying capacity of the ressource base", WCED, Our common future, S. 45; vgl. dazu auch Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 65 f.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

ökologischen Kapitals 18 bzw. bei nicht erneuerbaren Ressourcen, um den Erhalt ihrer Funktionen 19. Anhand eines Vergleiches dieser auf den Erhalt und die Nutzung natürlicher Ressourcen bezogenen Kriterien mit dem nationalen Recht und dem nationalen Nachhaltigkeitsverständnis lassen sich Unterschiede zum Nachhaltigkeitsprinzip deutscher Tradition aufzeigen. Da eine zirkuläre Ökonomie bei nicht erneuerbaren Ressourcen regelmäßig ausscheidet, wird das Nachhaltigkeitsprinzip überwiegend in Form des Grundsatzes der Ressourcenschonung, genauer als Gebot zur sparsamen und schonenden Inanspruchnahme der jeweiligen Ressource aufrechterhalten 2o• Rechtlich abgesichert wird diese Argumentation unter Berufung auf § 2 Abs. 1 RaG a. F., §§ 1 Abs. 5 Satz 3, 35 Abs. 5 BauGB a. F. und insbesondere § 2 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. 21 Schon der Umstand, daß diese Bestimmungen vor der völkerrechtlichen Entwicklung des Sustainable-Development-Gedankens normiert wurden, läßt es allerdings fraglich erscheinen, ob zwischen ihnen eine Kongruenz besteht. Hinzu kommt, daß eine langfristige und am Prinzip der intergenerationellen Gerechtigkeit orientierte Betrachtungsweise mehr erfordert als die sparsame und schonende Inanspruchnahme der Naturgüter. Denn aufgrund der Endlichkeit nicht erneuerbarer Ressourcen kann eine Nutzung noch so sparsam und noch so schonend sein, sie führt letztlich zur Erschöpfung. Ohne gleichzeitige Substitution ihrer Funktionen wäre künftigen Generationen die Möglichkeit zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse, wie es die Begriffsdefinition der Brundtland-Kommission als Zielvorgabe beinhaltet, insoweit genommen. Demnach können Sparsamkeits- und Schonungs gebote allenfalls als Teilaspekt oder Unterfall des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung eingeordnet werden,22 enthält dieser doch darüber hinausgehend noch Aspekte der Substitution und ein funktionales Nachhaltigkeitsverständnis. Scheidet der Erhalt der Substanz einer nicht erneuerbaren Ressource aus naturwissenschaftlichen Gründen zwangsläufig aus, so müssen zumindest deren Funktionen auf Dauer gesichert werden. Für die Nutzung fossiler Brennstoffe hieße das etwa am Beispiel ihrer Funktion zur Stromerzeugung, daß mit fortschreitender Inanspruchnahme und parallel dazu alternative Möglichkeiten der Energieerzeugung geschaffen werden müssen, wie beispielsweise die Nutzung erneuerbarer Energien. Diese funktionale Betrachtung 18 Vgl. We1tkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff (Hrsg.), S. 56; im englischen Original "to maintain the stock of ecological capital", WCED, Our common future, S. 52. 19 D.h. nicht emeuerbare Ressourcen sollen nicht verbraucht sein, bevor angemessene Ersatzstoffe zur Verfügung stehen, Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere gemeinsame Zukunft, Hauff(Hrsg.), S. 49. 20 Vgl. Rehbinder; in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 63; Schräder; WiVerw. 1995, 64 (70). 21 Vgl. Schräder; WiVerw. 1995,64 (70 f.). 22 Calliess, DVBI. 1998,559 (562); Schräder; WiVerw. 1995,65 (70); wohl auch Rehbinder; in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 63.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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unter Einschluß des Substitutionsgedankens findet im überkommenen deutschen Nachhaltigkeitsverständnis keinerlei Niederschlag. 23 Damit enthält die Brundtland-Definition folgende Forderung: Angesichts der Knappheit an Umweltgütern und dem daraus resultierenden Verteilungsproblem 24 nicht nur zwischen den Angehörigen einer Generation, sondern auch zwischen den Generationen, ist eine Bewirtschaftung und Nutzung der Umweltgüter anzustreben, die sich sowohl an der Regenerationsfähigkeit als auch an der Akkumulationsfähigkeit 25 (Tragfähigkeit der Ressourcenbasis) der Umweltmedien zu orientieren hat. Bei nicht erneuerbaren Ressourcen tritt, zumindest idealtypisch, an die Stelle der Regenerationsfähigkeit die Substitutionsfähigkeit.

2. Offene Fragen Die Kernfrage, wonach sich die gerechte Verteilung der Umweltgüter zwischen den Generationen bemißt, ist damit allerdings keineswegs geklärt. Die vorstehenden Überlegungen haben zwar gezeigt, daß das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung jedenfalls auf die Sicherung der Grundbedürfnisse künftiger Generationen zielt. Aber ist auch eine aktive Vorsorge für weitergehende Bedürfnisse zukünftiger Generationen erfaßt? Ist im Rahmen der Aufgabe, die Möglichkeit künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht zu gefährden, auch dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Weltbevölkerung zumindest mittelfristig stark ansteigen wird, oder reicht es aus, wenn künftige Generationen unabhängig von der Bevölkerungszahl einen in absoluten Zahlen ausgedrückt "gleichen,,26 Ressourcenbestand vorfinden?27 Betrachtet man ausschließlich die Definition der Brundtland-Kommission, so erscheint die weitergehende Interpretation vertretbar. Sieht man dagegen die Passage "ohne zu riskieren" im Gesamtkontext, d. h. insbesondere im Zusammenhang mit dem Ziel, das "ökologischen Kapital" zu erhalten,

23 Explizit aufgegriffen wird der Substitutionsgedanke erst in dem Bericht der Bundesregierung anläßlich der UN-Sondergeneralversammlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland, BT-Drucks. 13/7054, S. 6 bzw. von der Enquete-Kommission, Die Industriegesellschaft gestalten, S. 32; vgl. dazu unten 1. Kap. C.I. 24 Vgl. dazu Kloepjer/ Reinert, ZfU 1995,273 ff.; dies., Verteilungsprobleme, S. 23 ff. 25 Ist die Assimilationsfähigkeit der Umwelt, d. h. die Fähigkeit Emissionen aufzunehmen und abzubauen, mithin sich selbst zu reinigen, überschritten, führt dies zur Einlagerung der Stoffe (Akkumulation) in die Umweltmedien. Der Umfang, in dem die Umweltmedien bzw. ein Ökosystem Stoffe einlagern können, ohne das es zu einer dauerhaften Störung bzw. Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts kommt, beschreibt deren Akkumulationsfahigkeit, vgl. dazu etwa Kloepjer / Reinert, ZfU 1995, 273 (279 f.). 26 Gleich i.S.v. physisch oder funktional gleichwertig. 27 Vgl. dazu aus ethischer Sicht Birnbacher/Schicha, in: Kastenholz et al., S. 153.

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

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spricht einiges für eine lediglich auf die Sicherung der Grundbedürfnisse künftiger Generationen abzielende Interpretation. 28

11. Rio-Deklaration Aufgrund des Brundtland-Berichts sah sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1989 veranlaßt, eine Konferenz über Umwelt und Entwicklung einzuberufen. 29 Diese fand 1992 in Rio de Janeiro statt und endete mit der Annahme von mehreren Dokumenten, in denen sich die Festlegung der Entwicklungspolitik auf den Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung feststellen läßt und die zu weiteren Konkretisierungen führen. Von wesentlicher Bedeutung, was die Bindungswirkung anbetrifft, sind auch die als völkerrechtliche Verträge einzustufende Konvention über Artenvielfalt und das "Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen" (sog. Klimarahmenkonvention).3o Zu nennen sind ferner die "Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung,,31 (sog. Rio-Deklaration) und die "Agenda 21,,32. Die Bedeutung der bei den Konventionen wird vor allem darin gesehen, daß der Begriff des Sustainable Development bzw. der nachhaltigen Entwicklung Eingang in das Völkerrecht gefunden hat33 und eine weitere Konkretisierung hin zu einem rechtlich faßbaren Konzept erfolgte. 34 Sie stellen zwar keine verbindlichen Völkerrechtsnormen dar;35 gleichwohl können sie, trotz ihrer I. E. ebenso BimbacherlSchicha, in: Kastenholz et al., S. 153. Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED). Vgl. dazu Hohmann, NVwZ 1993, 311 ff. 30 Einen kurzen Überblick über die Beschlüsse der Rio-Konferenz vermitteln Epiney I Scheyli, Strukturprinzipien, S. 28 ff.; Hohmann, NVwZ 1993,311 (314 ff.); 31 Der Original "Report of the united Nations Conference on Environment and Development ist abgedruckt in: International Legal Materials (lLM) 31 (1992), S. 814 ff. Die deutsche Übersetzung findet sich in: UTR 21 (1993),411 ff. oder bei EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 183 ff.; vgl. auch die Zusammenstellung der Ergebnisse der Rio-Konferenz in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente; Näher zur Rio-Deklaration Beyerlein / Marauhn, Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung im Umweltrecht nach der Rio-Konferenz, S. 7 f.; Ruffert, UTR 21 (1993),396 (399). 32 UN-Dok. A / Conf. 151/4 Part I-IV; die deutsche Übersetzung findet sich in dem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit herausgegebenen Band, siehe vorstehende Fn. Dazu sogleich unter III. 33 Ruffert, UTR 21 (1993),397 (400 f.). 34 Stellvertretend Schräder, ArchVR 34 (1996), 251 (252); Streinz, Die Verwaltung 1998, 449 (455). 35 Nach zutreffend und ganz allgemein vertretener Ansicht stellt jedenfalls der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung (derzeit) kein V61kergewohnheitsrecht dar, vgl. etwa Beyerlin, ZaöRV 1994, 124 (140 f.); ders., Umweltvölkerrecht, Rn. 38; Schröder, ArchVR 34 (1996), 251 (252); EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 77. A. A. Hohmann, NVwZ 1993, 311 (314), der durch die Rio-Konferenz bereits völkergewohnheitsrechtliche Pflichten begründet 28 29

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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völkerrechtlichen Einordnung als "soft-law,,36 oder "pre-droit,,37 und damit als bloße unverbindliche Verhaltensregeln, in der Praxis erhebliche faktische Autoritäe S entfalten. Bestätigt wird dies nicht zuletzt durch die Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung selbst. 39 Besonders hervorgehoben zu werden verdient auch, daß "soft-Iaw" - und damit auch der als solches eingestufte Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung - nicht nur zur Auslegung geltenden Völkerrechts herangezogen werden, sondern sogar als Auslegungshilfe in Fragen nationalen Rechts Bedeutung erlangen kann. 4o

sieht. Grds. zustimmend Jositsch, URP/DEP 1997,93 (112 f.), der den im Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung angelegten integrati ven Ansatz und dessen intergenerationelle Ausrichtung als rechtsverbindlich akzeptiert ansieht, nicht hingegen die konkreten Maßnahmen. Es dürfte jedoch, die längerfristige Übung unterstellt, an der allgemeinen Überzeugung von einer entsprechenden Rechtspflicht zur Befolgung (opinio iuris) fehlen. Allerdings können einzelne Grundsätze der Rio-Deklaration, wie etwa das seit langem anerkannte und in Grundsatz 2 bekräftigte Verbot grenzüberschreitender Umweltschädigung, durchaus als Völkergewohnheitsrecht qualifiziert werden, vgl. dazu EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 129; Rest, ArchVR 34 (1996), 145 (149) sowie Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 39 mit weiteren Beispielen. 36 Vgl. Kloepfer; Umweltrecht, § 9 Rn. 94 mit Rn. 65; Ruffert, UTR 21 (1993),397 (399); ausführlich EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 77 ff. m. w. N.; zum Begriff des "soft law" Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 134 ff.; Thürer; ZSR NF 1984, Bd. 1,429 ff. 37 Ruffert, UTR 21 (1993),397 (399) m. w. N.; allgemein zu den Begriffen Vitzthum, Völkerrecht, 1. Abschn., Rn. 14,68 und speziell zum Begriff des pre-droit Virraly, La distinction entre textes internationaux de portee juridique et textes internationaux depourvus de portee juridique, Anuaire de I 'Institut de Droit International, Bd. 60 1(1983),16 ff. § 184 a. E. zitiert nach Ruffert, UTR 21 (1993),397 (399). 38 In diesem Sinne Kloepfer; U mweltrecht, § 9 Rn. 65 sowie Epiney I Scheyli, Strukturprinzipien, S. 80, die darauf hinweisen, daß auch an derart unverbindlichen Bestimmungen gewisse gegenseitige Verhaltenserwartungen geknüpft werden, und daß dem "soft-law" eine "Vorreiterfunktion" auf dem Weg zu verbindlichen Völkerrechtsnorrnen zukommt. 39 Aber auch das in der Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen auf einem für das Klimasystem verträglichen Niveau liegende Hauptziel der Klimarahmenkonvention (UNEP I IUC (Hrsg.), Klimakonvention, 2000) ist seit der Verabschiedung des sog. Kyoto-Protokolls (UNFCCC (Hrsg.), Das Protokoll von Kyoto, 1999) auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz am 11. 12. 1997 in Kyoto nunmehr rechtsverbindlich, dazu Breier; EuZW 1999, 11 (12). Gemäß Art. 25 Abs. 1 des Kyoto-Protokolls tritt dieses 90 Tage nach der Ratifizierung durch mindestens 55 Vertrags staaten in Kraft. Weitere Bedingung ist, daß sich darunter Industriestaaten und Länder mit Übergangsvolkswirtschaften befinden, auf die zusammen mindestens 55 Prozent der von dieser Staatengruppe im Jahr 1990 ausgestoßenen Menge Kohlendioxid entfallen. Laut Pressemitteilung 283 des Klimasekretariats der Vereinten Nationen vom 1. Sep. 2000 (www.uno.de/presse/index.htm) wurde das Protokoll bisher zwar von 83 Regierungen einschließlich der Europäischen Union unterzeichnet, aber erst von 23 Staaten - ausschließlich Entwicklungsländer - ratifiziert. 40 Vgl. EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 80 mit Fn. 195.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

1. Ansätze für eine erste Konkretisierung

Weil die Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben grundsätzlich den Einzelstaaten obliegt, lassen sich der Rio-Deklaration41 zwar keine unmittelbar planungsbezogenen Aussagen entnehmen. Dennoch ist nachfolgend zu untersuchen, ob sich aus einzelnen Grundsätzen inhaltliche oder zumindest strukturelle Vorgaben für die Umsetzungsebene gewinnen lassen. Obwohl es sich bei den Grundsätzen der RioDeklaration um politische Absichtserklärungen42 handelt, können diese als Leitlinien Einfluß auf die Politik der Unterzeichnerstaaten gewinnen. Daher und aufgrund der Wechselwirkung zwischen Politik und Recht können ggf. einzelne Grundsätze der Rio-Deklaration zur Konkretisierung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung fruchtbar gemacht werden. Ihnen kann mithin tiefergehende Wirkung auch für die planende Verwaltung zukommen, jedenfalls soweit eine etwaige rechtliche Umsetzung den derart vorgeprägten Begriff der nachhaltigen Entwicklung ohne nähere Konkretisierung verwendet oder in der entsprechenden Gesetzesbegründung ausdrücklich ein Bezug zu den Wurzeln der nachhaltigen Entwicklung im Umweltvölkerrecht hergestellt wird. 43 Die Rio-Deklaration greift den Begriff des Sustainable Development an verschiedenen Stellen auf,44 ohne jedoch eine eigenständige Definition vorzunehmen oder explizit auf das Begriffsverständnis des Brundtland-Berichts Bezug zu nehmen. In der Präambel der Rio-Deklaration wird lediglich die Intention bekundet, an die Stockholmer Deklaration von 1972 anzuknüpfen. Gleichwohl lassen sich der Rio-Deklaration, wie im folgenden noch zu zeigen sein wird, zahlreiche Parallelen zu dem von der Brundtland-Kommission geprägten Begriff des "Sustainable Development" entnehmen. Neben diesem faktischen Befund besteht eine zumindest mittelbare Verbindung zu dem Bericht der Brundtland-Kommission. Rechtliche Grundlage der Konferenz von Rio waren die UN-Resolutionen 44/228 und 44/229 vom 22. 12. 1989,45 die sich weitestgehend auf den Brundtlandt-Bericht stützen. 46

41 UN-Dok. A/Conf. 151/26/Rev. 1. Die Grundsätze der Rio-Deklaration sind abgedruckt in: International Legal Materials (ILM) 31 (1992), S. 876 ff. und in deutscher Übersetzung, in: UTR 21 (1993),411 ff. bzw. bei EpineylScheyli. Strukturprinzipien, Anhang I, S. 183 ff. 42 Vg!. etwa Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 94; Ruffert, UTR 21 (1993),397 (400). 43 Von einer solchen Rückkoppelung des Leitbildes einer nachhaltigen Raumentwicklung an die Agenda 21 der Rio-Konferenz wird allgemein ausgegangen, vgl. etwa Cholewal Dyonglvon der Heide, ROG, Ein!. V. Rn. 21. Dazu auch Töpfer, StenBerichte des BT, 13162. 44 Etwa in Grundsatz 1, Satz 1; Grundsatz 4; Grundsatz 5; Grundsatz 8. 4S Abgedruckt in: UN-Doc. A/44/49, S. 151, 155. 46 Vgl. dazu Hohmann. NVwZ 1993,311 (313).

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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a) Anthropozentrischer Ansatz

Nach Grundsatz I der Rio-Deklaration steht der Mensch im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. Aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung dieser Vorschrift ergibt sich eine anthropozentrische Perspektive der Deklaration. 47 Anthropozentrischer Umweltschutz unterscheidet sich vom sog. ökozentrischen Umweltschutz dadurch, daß die Umwelt nicht um ihrer selbst willen, sondern als Lebensgrundlage des Menschen geschützt wird. 48 Ein ökozentrischer Ansatz, d. h. die Anerkennung von Eigenrechten der Natur, bedeutet letztlich, auf eine, aus Sicht des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, notwendige Relativierung des Umweltschutzes durch ökonomische und soziale Belange weitestgehend zu verzichten. Vor diesem Hintergrund ist die Ausrichtung der Rio-Deklaration konsequent. Der Gegensatz, der mit diesem Begriffspaar zum Ausdruck gebracht wird, verliert allerdings bei einem richtig verstandenen anthropozentrischen Umweltschutz vieles von seiner Sprengkraft. 49 Danach kann der anthropozentrische Umweltschutz nicht dahingehend interpretiert werden, daß es keinen Umweltschutz um seiner selbst willen geben darf50 und die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen abhängig von deren Bedeutung für den aktuellen menschlichen Nutzen zu schützen sind. 51 Letzteres widerspräche im hiesigen Zusammenhang bereits der langfristigen, Bedürfnisse künftiger Generationen mit in die Entscheidungsfindung einbeziehenden Sichtweise, die dem Grundsatz der Nachhaltigkeit innewohnt. Dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung entspricht gerade nicht eine Gegenüberstellung von menschlichen Nutzungsinteressen einerseits und Verantwortung für die Umwelt andererseits. Eine derartige Polarisierung im Sinne eines Entweder-Oder steht im Widerspruch zur Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, wonach ökologische, ökonomische und soziale Faktoren miteinander in Einklang zu bringen und diese untereinander abzugleichen sind. b) Intergenerationelle Gerechtigkeit / Langzeitverantwortung

Der von der Brundtland-Kommission maßgeblich geprägte Gedanke der intergenerationellen Gerechtigkeit findet sich in Grundsatz 3 der Rio-Deklaration 47 Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 94; Rest, ArchVR 34 (1996), 145 (148); Schräder, ArchVR 34 (1996), 251 (255); Ruffert, UTR 21 (1993),397 (400); Streinz, Die Verwaltung 1998,449 (456); EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 48; Calliess, DVBl. 1998,559 (560). 48 Vgl. etwa Kloepfer, Umweltrecht, § I Rn. 19 f. m. w. N. 49 So zutreffend Kloepfer, DVBI. 1988, 305 (313), zustimmend etwa EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 51 m. w. N. 50 So EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 50, wonach dem Grundsatz der Anthropozentrik lediglich zu entnehmen sei, daß die Perspektive denknotwendig vom Menschen bestimmt werde, und der Umweltschutz sich nicht gegen den Menschen richten dürfe. 51 Vgl. EpineylScheyli, Strukturprinzipien, S. 51.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

wieder. Danach muß das Recht auf Entwicklung so erfüllt werden, daß den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen heutiger und künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird. 52 Mit dieser Forderung wird der nachhaltigkeitsimmanenten Zeitdimension,53 die zurecht als Kerngedanke des Nachhaltigkeitsprinzips angesehen wird,54 Ausdruck verliehen. Denn das Postulat, die Bedürfnisse künftiger Generationen angemessen zu berücksichtigen, wirkt nicht nur auf die Frage, welche und wessen sozialen, ökonomischen und ökologischen Belange und Bedürfnisse bei der Entscheidungsfindung im allgemeinen und der Abwägung im besonderen mit zu berücksichtigen sind ein, sondern beeinflußt auch das "Wie" der Abgleichung dieser unterschiedlichen Bedürfnisse zwischen den Generationen. Nach Grundsatz 3 findet das Recht auf Entwicklung der gegenwärtig Lebenden eine Beschränkung durch eben dieses Recht künftiger Generationen. Umsetzungsmittel müssen diesem Zeithorizont Rechnung tragen, mithin prospektiv ausgerichtet sein. Dies trifft zumindest vom Ansatz her auch für Planungen zu. Eindeutige Maßstäbe zur Begrenzung der Entwicklungsbedürfnisse der heute Lebenden zugunsten künftiger Generationen lassen sich aus diesem Grundsatz indes nicht gewinnen. Ableitbar ist allenfalls eine gewisse Obergrenze für die Inanspruchnahme der natürlichen Lebensgrundlagen, als Basis jeder wirtschaftlichen Entwicklung und der menschlichen Existenz. Diese verläuft dort, wo das anerkannte Recht auf Entwicklung der jetzt Lebenden mit der Verschwendung oder erschöpfenden Ausbeute der natürlichen Ressourcen einhergeht. 55 Denn unabhängig von der inhaltlichen Unbestimmtheit des geforderten "gerechten" Verteilungsmaßstabes zwischen den Generationen lassen sich diese Fälle als mit dem Gerechtigkeitsgedanken unvereinbar qualifizieren. Bereits an dieser Stelle deutet sich an, daß die Begriffe "Gerechtigkeit" bzw. "Sozial- und Umweltverträglichkeit" über keinen festen Bedeutungskern verfügen und es infolgedessen in der Regel einfacher ist, etwas als sozial widrig oder ungerecht einzustufen, mithin negative Ziele zu formulieren, als einen positiven Begriffsinhalt im Sinne positiver Ziele zu bestimmen. 56 Erkennt man gleichwohl die Notwendigkeit staatlicher Steuerung 52 In der original Fassung heißt es: "The right to development must be fulfilled so as to equitably meet development and environmental needs of present and future generations". 53 Zur Zeitdimension des Begriffes "Generation(en)" siehe etwa Häberle, in: FS für Zacher, 215 (226 ff.). 54 Vgl. Lüers, DVBI. 1998, 433 (435); Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 46 "Kern und Grundgedanke"; Lendi, ZBI. 1999, 193 (201) bezeichnet das Postulat der intergenerationellen Verantwortung mit Blick auf die drei Dimensionen als "den gemeinsamen Nenner"; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 1 Rn. 508 bezeichnet die Zukunftsgerichtetheit aller drei Komponenten des Nachhaltigkeitsgedankens als dessen "vierte Dimension"; Krautzberger/ Stemmler; in: FS für Hoppe, 317 (320): innovativer Kern des Nachhaltigkeitsprinzips. 55 Jedenfalls soweit keine geeigneten Substitute bereitgestellt werden. In diesem Sinne auch Schröder; ArchVR 34 (1996), 251 (256), der Grundsatz 3 insoweit als Beschränkung des in Grundsatz 2 postulierten Rechts der Staaten auf souveräne Umwelt- und Entwicklungspolitik betrachtet. Zustimmend Epiney / Scheyli, Strukturprinzipien, S. 74.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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durch offene Zielvorgaben an,57 wie dies im Planungsrecht offenkundig der Fall ist, so muß der Gesetzgeber ggf. entsprechende Verfahrensregelungen zur Kompensation treffen. 58 Auf diese veränderte Akzentuierung wird noch näher einzugehen sein. c) Verbindung von ökonomischen und ökologischen Faktoren

Eine weiterführende Konkretisierung erfahrt das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung durch Grundsatz 4 der Rio-Deklaration, der eine Verzahnung von Wirtschafts- und Umweltpolitik einfordert. Danach ist der Umweltschutz als Bestandteil des Entwicklungsprozesses und nicht von diesem getrennt zu betrachten. 59 Spätestens durch diesen Grundsatz 60 wird die Umweltpolitik, und damit deren vordringlichste Aufgabe, die natürlichen Ressourcen zu erhalten, zum integralen61 Bestandteil jeder Wirtschafts- aber auch Sozialpolitik erklärt. 62 Daraus ableiten 56 Kritisch zu den Topoi der Umwelt- und Sozial verträglichkeit van den Daele, PVS 34 (1993), 219 ff., der zu dem Ergebnis gelangt, daß sich Sozial verträglichkeit, genauer Kriterien der Sozial verträglichkeit unabhängig von konkreten politischen Zielvorgaben nicht im Sinne eines normativen Standards definieren lassen. Damit wird zum einen deutlich, daß das - auch in der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung enthaltene - Kriterium der Sozialverträglichkeit, zumindest für sich genommen, mehr ein Ziel als einen operationalisierbaren Maßstab vorgibt, (vgl. van den Daele, a. a. 0., S. 220) was sich unter rechtssystematischen Gesichtspunkten mit der Funktion der Leitvorstellung als generellem Planungsziel trifft. (Dazu unten 3. Kap. A.I.1.,4.) Zum anderen kann diese Abhängigkeit des Leitbildes von politischen Zielvorgaben als Bestätigung für die Notwendigkeit einer interpretatorischen Rückkoppelung an den entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung angesehen werden. Insgesamt zeichnet sich bereits an dieser Stelle die Notwendigkeit ab, daß der Gesetzgeber, wenn er aufgrund der Komplexität eines zu regelnden Sachverhaltes oder der inhaltlichen Konfrontation mit zaiIlreichen Unsicherheitskoeffizienten dazu gezwungen ist, seinen staatlichen Steuerungspflichten durch (relativ) offene Zielvorgaben nachzukommen, die derart defizitäre Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes durch entsprechende Verfahrensregelungen kompensiert, vgl. dazu Lange, VerwArch. 82 (1991), 1 (12 ff.); zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Konkretisierung von Sozialverträglichkeit van den Daele, PVS 34 (1993), 219 (238 f.) und zu deren verstärkten Bedeutung infolge der "nachhaltigkeitsbedingt stärkeren Politisierung raumordnerischen ... Handeins" Erbguth, DÖV 1998, 673 (676), ders., DVBl. 1999, 1082 (1089); vgl. insgesamt zur Bedeutung verfahrensrechtlicher Absicherungen 1. Kap. B.II.3.b) sowie im 6. Kap. A.I.2. und B. 57 Krit. Berkemann, in: FS für Schlichter, 27 (34 ff.). 58 SO Z. B. Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 147; Berkemann, FS für Schlichter, 27 (41, 43); aus der Rspr. etwa BVerfGE 73, 280 (296); 83, 130 (152). S9 Im Original: "In order to achieve Sustainable Development, environmental protection shall constitute an integral part of the development process and cannot be considered in isolation from it". 60 Nach Hohmann, NVwZ 1993, 311 (313) läßt sich dies bereits der Definition von Sustainable Development durch den Bericht der Brundtland-Kommission entnehmen. 61 Dies wird im engl. Original deutlicher: integral part. 62 Dieser Gedanke schlägt sich nunmehr auch in Art. 6 EG nieder, vgl. dazu ausführlich Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 195 ff.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

läßt sich das Integrationsprinzip63, wonach Umweltschutz und wirtschaftliche sowie soziale Entwicklung keine Gegensätze darstellen, sondern sich wechselseitig beeinflussende und bedingende Pole, die nicht auseinanderdividiert werden dürfen, sondern Bestandteile einer einheitlichen Betrachtungsweise sind. Vor dem Hintergrund des dreidimensionalen, auf abstrakter Gleichrangigkeit basierenden Ansatzes des Nachhaltigkeitsgedankens kann von einer horizontalen oder externen Integration gesprochen werden. 64 Externe Integration umschreibt die Integration ökologischer Belange in andere (Politik)Bereiche, während interne Integration für eine medienübergreifende, mithin die Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien Boden, Wasser und Luft berücksichtigende Vorgehensweise oder (Umwelt)Politik steht. Die vom Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung geforderte Gesamtschau ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange ist jedenfalls auf externe Integration angelegt und erfordert auf instrumenteller Ebene einen Ausgleich dieser Belange mittels Gesamtabwägung. Dies deutet auf planungsrechtliche Instrumente. Ob demgegenüber eine Verknüpfung von externer und interner Integration dem Leitbild entspricht oder sogar von diesem gefordert wird, ist im folgenden noch näher zu beleuchten. Letzteres wäre der Fall, wenn der Nachhaltigkeitsgedanke mit einer integrativ ökologischen Betrachtungsweise im Sinne des Ökosystemschutzes65 untrennbar verbunden wäre. d) Flankierung durch Vorsorgegrundsatz

Des weiteren wird, freilich ohne ausdrückliche Bezugnahme auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, der Vorsorgegrundsatz in Grundsatz 15 festgeschrieben und damit im Umweltvölkerrecht etabliert. 66 Danach wenden die Staaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Schutz der Umwelt den Vorsorgegrundsatz an. 67 Auch hier werden also die einzelnen Staaten zur Implementierung dieses ProVgl. dazu Bartholomäi, Sustainable Development, S. 141 ff., 183 ff. Davon zu unterscheiden ist eine integrative Sichtweise innerhalb der einzelnen Dimensionen, die man als vertikale Integration bezeichnen könnte. Bezogen auf die ökologische Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung bestehen insofern Parallelen zum "integrierten Umweltschutz". Vgl. auch Haigh, Integratives Umweltrecht, S. 57 (57) sowie im Anschluß daran Rengeling, Integrierter Umweltschutz, S. 6, 19, der im Zusammenhang mit den sekundärrechtlichen Beispielen des integrierten Umweltschutzes im Europarecht den Begriff der "internen Integration" vorschlägt und der Integrationsklausel des Art. l30r Abs. 2 Satz 3 EG als Beispiel "externer Integration" gegenüberstellt. 65 Vgl. dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 2; § 4 Rn. l3. 66 Vgl. Hohmann, NVwZ 1993,311 (314); Ruffert, UTR 21 (1993),397 (402). Dies ändert freilich nichts an der Einordnung als "soft law" oder "pre-droit". Trotzdem kann darin eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Entstehung verbindlichen Volkerrechts gesehen werden. 67 Hervorhebung des Verf. Aus dem Wortlaut ergibt sich, daß der Vorsorgegrundsatz, wenn überhaupt, lediglich in einer noch näher zu konkretisierenden Wechselwirkung zu der ökologischen Dimension des allgemeinen Nachhaltigkeitsgedankens stehen kann; vgl. dazu sogleich unter 2.b). 63

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A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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grammsatzes aufgerufen. Damit wird deutlich, daß das Leitbild des "Sustainable Development" nach seiner völkerrechtlichen Entwicklung und seinem Verständnis im internationalen Recht nur schwerlich als Unterprinzip des Vorsorgeprinzips qualifiziert werden kann. Ein dahingehende Interpretation von Teilen der Literatur68 wird vor dem Hintergrund verständlich, daß das Nachhaltigkeitsprinzip im deutschen Recht häufig auf eine ressourcenökonomische Interpretationsvariante verkürzt und schließlich mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung gleichgesetzt wird. Auf die Frage nach dem Verhältnis des Nachhaltigkeitsprinzips zum Vorsorgeprinzip, etwaige Schnittmengen und Unterschiede wird noch zurückzukommen sein. 69 Hinzu kommt die Forderung in Satz 2, daß bei drohenden, schwerwiegenden oder bleibenden Schäden ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewißheit kein Grund dafür ist, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben. Damit wird das Rechtfertigungsproblem staatlichen Handeins bei unsicherer Tatsachengrundlage nicht nur angesprochen, sondern klargestellt, daß als Vorsorgeanlaß für gesetzgeberische Maßnahmen bereits ein abstraktes Besorgnispotential ausreichend ist. 7o Insoweit ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung infolge seiner Zukunftsgerichtetheit und des damit ebenfalls intendierten weit vorausschauenden Umweltschutzes die Beweislast für die Ergreifung von Maßnahmen herabsetzt,7l freilich ohne eine "Vorsorge ins Blaue hinein"n zu sanktionieren. 73

e) Verursacherprinzip

In Grundsatz 16 wurde das Verursacherprinzip als Kostenzurechnungsprinzip verankert. 74 Als Adressat werden ausdrücklich die nationalen Behörden genannt. Diese sollen nach Möglichkeit den Einsatz wirtschaftlicher Instrumente und "die Internalisierung von Umweltkosten" fördern. Hierin kommt die Einsicht zum AusCalliess, DVBI. 1998,559 (563); Di Fabio, in: FS für Ritter, 807 (812). Dazu unten 3. Kap. B. 70 Calliess, DVBI. 1998,559 (564); Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 187. Anders im nationalen Kontext etwa Ossenbühl, NVwZ 1986, 161 (166, 168), wo der Vorsorgeanlaß auf einen konkreten Gefahrenverdacht beschränkt wird. 7l Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 187, 194. 72 Begriff nach Ossenbühl, NVwZ 1986,161 (164, 166). 73 Ebenso Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 189. 74 Kritisch zur Beschränkung des Verursacherprinzips auf die Auferiegung von Kosten und für eine Erweiterung in Richtung einer Auferiegung von Verhaltens geboten plädierend Breuer; in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rn. 12; Kloepfer; Umweltrecht, § 4 Rn. 29; Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 194 jeweils m. w. N. 68

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4 Bode

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

druck, daß die Nutzung und der Verbrauch von natürlichen Ressourcen als sog. externe Kosten unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten regelmäßig vernachlässigt werden, und es infolgedessen Aufgabe des nationalen Gesetzgebers und der nationalen Behörden sein muß, die Umweltkosten dem Verursacher aufzuerlegen. Zur Umsetzung des Verursacherprinzips kommen prinzipiell unterschiedliche Verwirklichungstypen in Betracht. Genannt werden neben ordnungsrechtlichen Mitteln insbesondere Abgabenlösungen. 75 Hieraus ergeben sich zwar keine unmittelbaren Folgen für die grundsätzliche Eignung von rechtlichen Instrumenten zur Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung. Dennoch zeigt sich in Verbindung mit Grundsatz 4, wonach Umweltschutz integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses sein muß, daß eine nachhaltige Entwicklung auf flankierende Instrumente, wie hier die Internalisierung der externen Kosten der Umweltverschmutzung, nicht verzichten kann. Darüber hinaus bestehen weitere Wechselwirkungen zwischen dem Verursacherprinzip und dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung. So wirkt die oben beschriebene Zulässigkeit staatlichen Handeins auf der Basis eines abstrakten Besorgnispotentials auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Verursachers zurück, indem die Anforderungen an den Nachweis eines bestehenden Verursachungszusammenhangs entsprechend herabgesetzt werden. Insoweit kann die geringere Beweislast für die Ergreifung von staatlichen Maßnahmen auf die Inanspruchnahme des Verursachers durchschlagen. Dieser kann auch aufgrund unsicherer Tatsachengrundlage in Anspruch genommen werden, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für einen Ursachenzusammenhang vorliegen. 76

f) UmweltverträglichkeitsprüJung

Auch die Forderung in Grundsatz 17 nach der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Vorhaben, die wahrscheinlich wesentliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben, steht in engem Zusammenhang zum integrativökologischen Ansatz des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, wie er in den Grundsätzen 3 und 4 zum Ausdruck kommt. Denn eine Versöhnung von Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung bei Wahrung der Langzeitverantwortung kann nur dann geleistet werden, wenn die Umweltauswirkungen von Vorhaben zunächst ermittelt und bewertet werden und schließlich auch Eingang in den Entscheidungsprozeß finden. Dabei entspricht der präventive Ansatz der Umweltverträglichkeitsprüfung einer verfahrensmäßigen Absicherung des Vorsorgeprinzips, während sein integrativer, medienübergreifender Ansatz grundsätzlich die Zielrichtung der ökologischen Dimension, gerichtet auf einen integrierten Umweltschutz, abzusichern vermag. 77 Angesichts der Zeitdimension des Nachhaltigkeitsgedankens, die 75

76

Vgl. etwa Frenz. Verursacherprinzip im Abfallrecht, S. 20 ff. Frenz/Unnerstall. Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 194.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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die Einbeziehung der Interessen künftiger Generationen in den Entscheidungsprozeß, mithin die Wahrnehmung von Langzeitverantwortung verlangt, müßte der Vorschlag einer Integration von Langzeitinteressen durch eine Art Nachweltverträglichkeitsprüfung näher auf seine Operationalisierbarkeit hin überprüft werden. 78

2. Konsequenzen

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, wie es in der Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung (Rio-Deklaration) zum Ausdruck kommt, bietet erste Anhaltspunkte für eine notwendige inhaltliche Konkretisierung in Form des vorstehend skizzierten Rahmens. Dagegen bleiben wesentliche Fragen, die es für eine rechtliche Umsetzung des politischen Leitbildes zu beantworten gilt, offen. Zwar wird der Umweltschutz in Grundsatz 4 zum integralen Bestandteil des Entwicklungsprozesses erklärt. Offen bleibt dagegen, in welchem konkreten Verhältnis ökologische und ökonomische Belange zueinander stehen. Auch die in Grundsatz 3 geforderte intergenerationelle Gerechtigkeit führt zwar dazu, daß Belange des Nachweltschutzes79 stärker mit in den Blick zu nehmen sind. Ein über diesen Orientierungspunkt hinausgehender Maßstab, der für die Operationalisierbarkeit im Rahmen konkreter Entscheidungen unerläßlich ist, d. h. also das "Wie" der geforderten Langzeitverantwortung, läßt sich dagegen nicht ableiten. Insofern kann von einem grundlegenden Kriterium, an dem sich internationale und nationale Vorhaben messen lassen müssen und das bei fehlender Kongruenz mit diesen Vorgaben zum Vermeidungsimperativ wird,80 schwerlich die Rede sein. a) Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung als Zielvorgabe

aa) Aus normstruktureller Sicht Die Intention des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, ökonomische, ökologische und soziale Belange und damit drei miteinander in Wechselwirkung ste77 Vgl. zum ersteren Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 94 sowie zum letzteren Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1084); Frenz, ZG 1999, 143 (147, 149 f.); Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 149. 78 Vgl. dazu Saladin/Zenger, Rechte künftiger Generationen, S. 109; krit. Kloepfer, Langzeitverantwortung, S. 37 f. 79 Zum verfassungsrechtIichen Nachweltschutz grundlegend Hofmann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung, S. 259 ff. Als Anknüpfungspunkte verwendet er insbesondere jene verfassungsrechtlichen Komponenten, die die überdauernde Kontinuität des Staatswesens zum Ausdruck bringen, S. 262 ff., wie z. B. das in der Präambel des Grundgesetzes angelegte Prinzip Verantwortung (vgl. dazu auch Wiegand, in: JÖR n. F. 43 (1995), S. 31 ff.); zum Nachweltschutz durch Art. 2 Abs. 2, 3 Abs. I GG siehe Hofmann, a. a. 0., S. 280 ff. 80 So Jänicke, Ökologisch tragfähige Entwicklung, S. 2.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

hende Variablen in Einklang zu bringen, läßt sich ohne (fachgesetzliche) Konkretisierung nicht in ein striktes Bewertungsschema "Wenn-dann" pressen. 81 Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung strebt, ausgehend von einem als veränderungsbedürftig eingestuften Ist-Zustand, einen Soll-Zustand an. Diese Intention ist bereits den Begriffen "development" bzw. "Entwicklung" immanent. Bestätigt findet sich dies in der Agenda 21, dem Aktionsprogramm zur Implementierung der Rio-Deklaration, welches in den einzelnen Programmbereichen zwischen Zielen und erforderlichen Maßnahmen differenziert. Auch die rechtliche Verankerung der nachhaltigen Entwicklung im nationalen Recht als Leitbild für die Raumordnung bzw. Bauleitplanung 82 bestätigt diesen Befund. Nicht zuletzt aufgrund der in Grundsatz 3 der Rio-Deklaration zum Ausdruck kommenden Zukunftsbezogenheit ist das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung als final programmiert zu qualifizieren. 83 Damit muß, jedenfalls auf einer derart abstrakten Ebene, eine Instrumentalisierung der nachhaltigen Entwicklung als striktes Vermeidungsgebot zum Schutz der Umwelt zwangsläufig ausscheiden. 84 Bereits an dieser Stelle kann festgehalten werden, daß das neue Leitbild von seiner Konstruktion her eher einem Zweck- als einem Konditionalprogramm entspricht. 85 Dies trifft sich unter normstrukturellen Gesichtspunkten mit der Grundkonzeption von Planungsnormen. 86 bb) Normative Dichte Aus rechtlicher Sicht für den Geltungsmodus des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung entscheidend ist letztlich dessen normative Dichte. Verdeutlichen läßt sich dies anhand der normtheoretischen Differenzierung zwischen Regeln und 81 Im Ergebnis ebenso Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 76; Schräder, ArchVR 34 (1996),251 (261); ders., in: Kastenholz, S. 162 f., der darauf hinweist, daß eindimensionale Vermeidungsgebote der Komplexität der zu treffenden Entscheidung nicht gerecht werden. Zur Begründung verweist er auf die Erfahrungen mit der projektbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung, wo die potentiellen Auswirkungen eines Vorhabens zwar umfassend und medienübergreifend abzuschätzen, die derart erlangten Ergebnisse allerdings lediglich abwägend zu berücksichtigen seien. Zu diesem maximalen Prüfungsrahmen passe ein deduktives, konditionales Bewertungsschema eben nicht. 82 Vgl. § 1 Abs. 2 ROG und § lAbs. 5 Satz 1 BauGB. 83 Vgl. auch Schräder, WiVerw. 1995,65 (65); ders., ArchVR 34 (1996), 251 (264), der Sustainable Development bzw. nachhaltige Entwicklung als Ziel und Maßstab staatlicher Politik bzw. des deutschen Umweltrecht bezeichnet. 84 Vgl. Schräder, ArchVR 34 (1996), 251 (261). A. A. Jänicke, Ökologisch tragfähige Entwicklung, S. 2, der verkennt, daß das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ohne fachgesetzliche Konkretisierung zu unbestimmt ist, um als strikte Vorgabe i.S.e Vermeidungsimperatives zu fungieren. 85 Näher zu dieser klassischen Differenzierung von Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 101 ff.; ders., Rechtssoziologie, Bd. 11, S. 227 f. sowie unten 2. Kap. A.1.1. 86 Näher 2. Kap. A.I.1.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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Prinzipien. 87 Dabei besteht der maßgebliche Unterschied nicht im "Ob", sondern im "Wie" ihrer Geltung. Während Prinzipien als Normen definiert werden, "die gebieten, daß etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird",88 sind Regeln Normen, die "entweder erfüllt werden können oder nicht",89 mithin zwingende Normen. Dementsprechend kann eine Norm nur dann als Regel qualifiziert werden, wenn sie einen relativ hohen Grad normativer Dichte aufweist. Das Problem des Geltungsvorranges sich widersprechender Regeln wird entweder durch eine Ausnahmeregelung oder dadurch gelöst, daß eine Regel nicht anwendbar ist. 90 Der strikte Geltungsanspruch von Regeln impliziert, daß sich aus ihnen konkrete Verhaltenspflichten ableiten lassen müssen. Vor diesem Hintergrund sind die Konturen des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung zu betrachten.

87 Vgl. dazu grundlegend Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; aus völkerrechtlicher Sicht Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 81 ff.; auf das Planungsrecht bezogen Hoppe, DVBI. 1993,681 (684 f.); Hoppe/Grote/els, Öffentliches BauR, § 7 Rn. 19 ff.; Dreier; Steuerung der Abwägung, S. 96 ff.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 9 ff., die die Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien für die Veranschaulichung der unterschiedlichen Geltungswirkung und Steuerungskraft von Raumordnungszielen und Raumordnungsgrundsätzen fruchtbar machen; vgl. dazu auch 3. Kap. A.1. 88 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75. Äußerst kritisch hierzu, (insbesondere aus verfassungsrechtlicher Sicht) Lerche, in: FS für Stern, 197 ff., der sich gegen die umfängliche Ableitung von Optimierungsgeboten (als "durchgehende Kategorie", vgl. S. 206) aus der Verfassung, die derart erzeugte Fixierung auf das unter den gegebenen Umständen "Höchsterreichbare" (vgl. S. 205 f.) und die dadurch bedingte Verwischung von Sachunterschieden sowie die insgesamt damit erzeugte Überspannung der Verfassung wendet. Diese Grundsatzkritik läßt sich, abgesehen von der Tatsache, daß Lerches Ausführungen auf einem Optimierungsverständnis i.S.e. möglichsten Annäherung an einen ideellen Fixpunkt basieren, auf die Thematik der vorliegenden Arbeit indes nicht unbesehen übertragen. Denn der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung wurde im nationalen Planungsrecht, also in einem ohnehin finalprogrammierten Terrain, und dort zudem in de(r / n) Leitvorstellung(en) als generelles Planungsziel verankert, und fungiert damit zwangsläufig, da zielimmanent, als Umschreibung für etwas, wenn man so will, "Höchsterreichbares". Zur finalen Programmierung als Strukturelement der Planung siehe unten im 2. Kap. unter A.I; zur rechtsdogmatischen Einordnung der Leitvorstellung im 3. Kap. unter A.1. 89 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 76. 90 Vgl. zum Regelkonflikt Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 77 f.; Dreier; Steuerung der Abwägung, S. 97; Hoppe/Grote/els, Öffentliches BauR, § 7 Rn. 19. Konflikte werden also in der Dimension der Geltung gelöst, nach dem Prinzip "Entweder-Oder". Hierbei können verschiedene Grundsätze eine Rolle spielen. Bei Regelkollisionen gleicher Rangstufe kann der Grundsatz "lex specialis derogat legi generali" oder bei gleichem Regelungsgegenstand der Grundsatz, daß jüngeres Recht dem älteren vorgeht (sog. lex-posterior-Grundsatz: "lex posterior derogat legi priori"), eine Rolle spielen. Zur grundSätzlichen Anwendbarkeit dieses Grundsatzes im Planungsrecht Hoppe, in: HStR III, Rn. 78. Handelt es sich um eine Regelkollision unterschiedlicher Rangebenen, so geht regelmäßig das ranghöhere dem rangniedrigeren vor, wobei auch Art. 31 GG zur Anwendung gelangen kann.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

b) Fazit

Vorstehende Erörterungen haben erwiesen, daß der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung auf völkerrechtlicher Ebene über folgende Konturen verfügt: - Kemgedanke ist die Forderung, daß die Bedürfnisbefriedigung der heutigen Generation nicht zu Lasten eben dieser Möglichkeit künftiger Generationen erfolgen darf, wobei die jeweiligen Interessen gleichberechtigt zu berücksichtigen sind; Die Voraussetzungen dafür lassen sich nicht auf solche ökologischer Art reduzieren, wenngleich diese besonders hervorgehoben werden; Grenzen für eine nachhaltige Entwicklung ergeben sich aus der Zielvorgabe, jedenfalls die existentiellen Lebensgrundlagen zu erhalten und die Tragekapazität der Umweltmedien als äußerste Grenze zu beachten. Hinzu kommt die Forderung, emeuerbare Ressourcen möglichst nur im Rahmen ihrer Regenerationsrate zu nutzen und nicht emeuerbare Ressourcen langfristig nur in dem Umfang in Anspruch zu nehmen, in dem ihre Funktionen erhalten bzw. substituiert werden; Damit unvereinbar ist jedenfalls ein rein quantitatives Wachstum; gefordert, jedenfalls idealtypisch, ist vielmehr ein qualitatives Wachstum; Die temporale Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung bezieht sich mangels Einschränkung auf alle künftigen Generationen, so daß eine langfristige Betrachtungsweise erforderlich ist; - Dem Grundsatz liegt ein anthropozentrischer Ansatz zugrunde; - Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung steht in einem engen Verhältnis zu den Umweltprinzipien; Der Vorsorgegrundsatz und das Verursacherprinzip flankieren den Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung. Diese Prinzipien sind voneinander zu unterscheiden, wobei eine Wechselwirkung i.S.e. gegenseitigen Beeinflussung prinzipiell nicht ausgeschlossen ist. Diesem Gehalt des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung lassen sich keine eindeutigen Verhaltensregeln entnehmen, die entweder erfüllt werden können oder nicht. Vielmehr wird ein Rahmen abgesteckt, der nicht nur ausfüllungsfähig, sondern ausfüllungsbedürftig ist. Dieser Gestaltungsspielraum muß entweder durch Rechtsanwendung oder durch Rechtsetzung ausgefüllt werden. 91 Vor dem Hintergrund der soeben umschriebenen, mittlerweile als gefestigt geltenden Konturen des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung erscheint, zumindest auf völkerrechtlicher Ebene, eine Anerkennung als Prinzip durchaus vertretbar. 92

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Ebenso Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 82; Frenz, UTR 49 (1999), 37 (80). Vgl. Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 83 f. m. w. N.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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111. Agenda 21 Obwohl es sich bei der Agenda 21 93 ebenfalls um ein politisches und damit rechtlich unverbindliches Aktionsprogramm handelt,94 ist es mit seinen detaillierten Vorgaben auf Umsetzung angelegt95 und kann damit für die soeben angedeutete Notwendigkeit, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zu operationalisieren, fruchtbar gemacht werden. Im Mittelpunkt der Agenda 21 steht der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung, dessen Konkretisierung es dienen soll.96 In 40 Kapiteln behandelt diese stellvertretend einzelne Programmbereiche für das Verhältnis von Umwelt und Entwicklung. In ihren vier Abschnitten spricht die Agenda 21 zahlreiche Politikbereiche einer umweltverträglichen, nachhaltigen Entwicklung an und gibt zum Teil detaillierte Handlungsaufträge. Der Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Daneben sind für die vorliegende Arbeit vor allem die Aussagen über die "Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung" (Kapitel 7),97 die "Integration von Umwelt- und Entwicklungszielen in die Entscheidungsfindung" (Kapitel 8) und den "Integrierten Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung der Bodenressourcen" (Kapitel 10) näher zu beleuchten. Da das Aktionsprogramm für Industriestaaten und Entwicklungsländer gleichermaßen Geltung beansprucht, sind die einzelnen Programmbereiche unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Staates umzusetzen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen 5 bis 7 der Rio-Deklaration, wo den besonderen Bedürfnissen der Entwicklungsländer ein Vorrang eingeräumt wird. Nach Grundsatz 7 Satz 2 tragen die Staaten "angesichts der unterschiedlichen Beiträge zur Verschlechterung der globalen Umweltsituation ... gemeinsame, jedoch unterschiedliche Verantwortung".98 93 UN-Dok. A/Conf. 151/4 Part I-IV. Vgl. zu den nachfolgenden FundsteIlen (Textziffern) die Übersetzung der Agenda 21, in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente. 94 Als solches wird die Agenda 21 in ihrer Präambel gekennzeichnet, Ziff. 1.3. und 1.6. Vgl. dazu Hohmann, NVwZ 1993,311 (318 r. Sp.), der zur Verbindlichkeit der Agenda 21 folgendes anmerkt: "Hierbei (Anm.: Agenda 21) handelt es sich zwar nicht um rechtlich, aber politisch verbindliche Maßstäbe. Angesichts des weltweiten politischen Konsenses kann ein Staat nur dann ein offenes Abweichen von diesen Prinzipien riskieren, wenn ihm der Verlust an politischer Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit egal ist. Die politische Verbindlichkeit ist faktisch ähnlich weitgehend wie die rechtliche". (Hervorhebung im Original). 95 Vgl. Ziffer 1.3 der Präambel sowie Tz. 38.36, wo die wichtige Rolle der Staaten bei der Umsetzung betont wird. Dabei hängt die Realisierung der geforderten Maßnahmen freilich sowohl von der weiteren völkerrechtlichen Entwicklung als auch von der Ergreifung entsprechender nationaler Maßnahmen ab, vgl. Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 30. 96 Vgl. Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 27. 97 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, daß § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB die kommunale Bauleitplanung auf eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung hin verpflichtet.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

1. Nachhaltige Siedlungsentwicklung

a) Vorgaben der Agenda 21

Programmbereich C des 7. Kapitels beschäftigt sich mit der Förderung einer nachhaltigen Flächennutzungsplanung und Flächenbewirtschaftung. 99 Als Handlungsgrundlage werden zunächst die Begrenztheit und der besondere Stellenwert der Ressource Boden als "Grundlage allen menschlichen Handeins" hervorgehoben. IOO Als Ziel wird die Deckung des Flächenbedarfs durch eine umweltverträgliche Raumplanung und Flächennutzung aufgestellt. 101 Die Länder werden zu einer umfassenden Bestandsaufnahme der vorhandenen Bodenressourcen und zur Einführung eines Bodeninformationssystems zur Klassifizierung und entsprechenden Zuweisung von Nutzungen aufgefordert. Dabei sollen ökologisch sensible Gebiete als besonders schutzwürdig ausgewiesen werden. Als Mittel zur geordneten Planung und Nutzung der Bodenressource wird ausdrücklich die Flächennutzungsplanung genannt. 102 Zu diesem Zweck sollen die Staaten die Grundlagen für eine praktische Umsetzung einer verbesserten Flächennutzungsplanung schaffen, die sich in umfassender Weise mit konkurrierenden Raumnutzungsansprüchen z. B. von Verkehr, Industrie, Grünflächen und Schutzgebieten befaßt. 103 Unter Programmbereich E wird auch die Förderung umweltverträglicher Energieversorgungs- und Verkehrssysteme in Städten und Gemeinden als Handlungsauftrag angeführt. Während sich diese Vorgaben an alle Länder richten, werden von den "Industrieländer(n) als Hauptenergiekonsumenten"l04 besondere Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz und der "verstärkte(n) Einsatz emeuerbarer und alternativer Energieträger" gefordert. Angeprangert werden technische Unzulänglichkeiten und ein unrationeller Energieeinsatz als Ursachen für einen steigenden Brennstoffbedarf. Als Maßnahmen werden die Verzahnung der Flächennutzungsund Verkehrsplanung, das Anlegen von Radwegen und ein Überdenken der derzei98 Dieses Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten überträgt den "entwickelten Staaten" eine besondere Verantwortung und ist in nahezu allen neueren, d. h. nach der Umweltkonferenz von Rio aufgelegten Dokumenten des Umweltvölkerrechts enthalten, siehe etwa Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (sog. Klimarahmenkonvention); Art. 10 des Protokolls von Kyoto zur Klimarahmenkonvention. 99 Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente, S. 48 ff. 100 Agenda 21, Tz. 7.27. 101 Agenda 21, Tz. 7.28. 102 Agenda 21, Tz. 7.30. 103 Agenda 21, Tz. 7.30 lit. h). 104 Agenda 21, Tz. 7.47.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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tigen Verbrauchs- und Produktionsmuster zur Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs genannt. 105 b) Gehalt

Eindeutige Konsequenzen für die Planungsebene lassen sich nur aus vereinzelten Aussagen ableiten. Dabei markiert die Agenda in diesem Kapitel einzelne Eckpunkte einer nachhaltigen Flächenbewirtschaftung. Indem einerseits die Begrenztheit der Ressource Boden betont und andererseits die Flächenbedarfsdeckung als Ziel anerkannt wird, werden nur die Spannungspole genannt, zwischen denen sich eine nachhaltige Flächennutzung bewegt. Daß die Eignung der Flächennutzungsplanung zur instrumentellen Umsetzung hervorgehoben wird, ändert für sich besehen nichts an der fehlenden Operationalisierung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung. Deutlich zutage tritt lediglich der gesamthafte, ordnende Charakter, der insgesamt auf eine Minderung der Emissionen, des motorisierten Verkehrs und des unrationellen Ressourcen- und Energieverbrauchs sowie eine Steigerung des Einsatzes emeuerbarer Energieträger oder generell umweltverträglicher Handlungsweisen zielt. Allein die Forderung, durch umfassende Gesamtkonzepte für die städtische Verkehrsplanung umweltschonende Nahverkehrssysteme zu fördem lO6 oder - anders gewendet - emissionsintensiven Verkehr zu reduzieren, stellt einen konkreten, unmittelbaren Bezug zur bauplanungsrechtlichen Ebene her. Verlangt wird eine engere Verzahnung von Flächennutzungs- und Verkehrsplanung zur Minderung der Verkehrs nachfrage, die Unterstützung nicht motorisierter Beförderungsarten durch sichere Rad- und Gehwege in den Innenstädten und städtische Verkehrskonzepte, die öffentliche Verkehrsmittel mit hoher Besetzungsdichte begünstigen.

2. Integration von Umwelt- und Entwicklungszielen in die Entscheidungsfindung Das 8. Kapitel 107 der Agenda 21 befaßt sich mit der Integration von Umweltund Entwicklungszielen auf der Politik- und Planungsebene, der Schaffung eines wirksamen Gesetzes- und Regulierungsrahmens und dem gezielten Einsatz von wirtschaftspolitischen Instrumenten und marktwirtschaftlichen Anreizen. Ausgehend von der momentanen Praxis auf den Ebenen der Politik, der Planung und des Managements zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Faktoren eine Trennung vorzunehmen, wird zur Steigerung der Effizienz und Nachhaltigkeit der Entwicklung eine Integration dieser Faktoren auf allen Ebenen und in allen Res105 106 107

Agenda 21, Tz. 7.52Iit. a), c), f). Zum nachfolgenden Agenda 21, Tz. 7.52Iit. a) bis d). Agenda 21, S. 58 ff.

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

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sorts angemahnt. 108 Als integrative Maßnahmen werden zur Optimierung eines derart komplexen Entscheidungsprozesses die Festlegung eines nationalen Rahmenkonzepts, die Einführung kohärenter Verfahrensmechanismen und die laufende Überwachung, Kontrolle und Fortschreibung des nationalen Konzepts vorgeschlagen. 109 Da hierbei dem Daten- und Informationsniveau eine maßgebliche Rolle zukommt, wird neben einer Intensivierung eines entsprechenden Dateneinsatzes auf allen Planungsebenen auch die Gewährleistung des Zugangs von seiten der Öffentlichkeit zu den einschlägigen Informationen gefordert. Die Bedeutung der regionalen Ebene und des Einsatzes sowohl von rechtlichen und ordnungspolitischen als auch von wirtschaftlichen Instrumenten wird hervorgehoben. Ausgehend von den Beschlüssen der Rio-Konferenz, speziell der Agenda 21, sollen die Regierungen nationale Strategien zur Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung verabschieden. 110 Dabei werden zwar unterschiedliche Prioritäten der Länder je nach Maßgabe der nationalen Politik und Entwicklung anerkannt; gleichwohl werden die Grenzen dieses Freiraums umrissen. So sollen die nationalen Strategien die verschiedenen sektoralen wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Leitlinien und Planungen miteinander "in Einklang bringen"lll. Ziel sei "die Gewährleistung einer sozial ausgewogenen wirtschaftlichen Entwicklung bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcenbasis und der Umwelt zum Wohle künftiger Generationen". 112 Gefordert wird also eine Vemetzung und Zusammenschau der drei Politiken und Bereiche unter Berücksichtigung eines Zeithorizontes, der auch die zukünftigen Generationen mit in den Blick nimmt. Die hierin zum Ausdruck kommende Abkehr von einer sektoralen Sichtweise trifft sich mit dem vieldiskutierten, teilweise als Strukturdefizit des Umweltschutzes bezeichneten Problem, daß herkömmliche Gesetze eine medienspezifische Strategie verfolgen. Der sektoralen Umweltschutzgesetzgebung wird vorgeworfen, sie laufe zumindest Gefahr medienübergreifende Zusammenhänge aus dem Auge zu verlieren. 113 Vor allem bestünde die Gefahr, daß infolge der eindimensionalen Sichtweise die Gesamtbe1astung der Umwelt und die Verlagerung von Umweltbelastungen auf das schwächste Glied nicht berücksichtigt werde. 1l4 Agenda 21, Tz. 8.2 f. Agenda 21, Tz. 8.4 ff. 110 Agenda 21, Tz. 8.7. Infolgedessen sind zahlreiche Regionalstudien zur nachhaltigen Entwicklung entstanden. Zum Beispiel: Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie, BUND/ Misereor (Hrsg.), Zukunftsflihiges Deutschland; M. Buitenkap (Hrsg.), Sustainable Netherlands; Conseil du developement durable, Nachhaltige Entwicklung; M. Kosz (Hrsg.), Action Plan "Sustainable Austria ". 111 Agenda 21, Tz. 8.7. 112 ebenda. 113 Hoppe, VVDStRL 38 (1980), 211 (238); Schlarmann/ Erbguth, Zur Durchsetzung von Umweltbelangen im Bereich der räumlichen Planung, S. 308 f., 335 f.; Ossenbühl, VR 1983, 301 (306); Rehbinder; in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 134 f. 114 Rehbinder; in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 134. 108

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A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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Um Schutzlücken zu verhindern, sei eine medienübergreifende Betrachtungsweise erforderlich. Diese kann einmal verfahrensrechtlich durch Abstimmungspflichten zwischen den Ressorts, durch gesetzlich angeordnete Konzentration von Entscheidungskompetenzen (sog. Konzentrationswirkungen), durch die Ausweitung von Prüfungspflichten, durch die Anordnung von Umweltverträglichkeitsprüfungen oder auch durch Instrumente der Planung verwirklicht werden. 115 3. Integrierter Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung

Ausdrücklich angesprochen wird die Planung als Umsetzungsmittel in Kapitel 10, welches Rahmenbedingungen für die Koordinierung der Entscheidungsfindung abstecken soll, die dann inhaltlich mit den jeweiligen Vorgaben der sektoral ausgerichteten Kapitel anzureichern sind. 1I6 Gefordert wird ein integrierter Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung der "natürlichen Ressourcen wie Böden einschließlich Bodenschätze, Wasser sowie Flora und Fauna".ll7 Angesichts der Begrenztheit der Bodenressourcen, ihrer massiven Inanspruchnahme durch den Menschen und der Ausdehnung der wirtschaftlichen Betätigung entstünden Konkurrenzsituationen und Nutzungskonflikte, denen durch "eine wirksamere und schonendere Nutzung des Bodens und seiner natürlichen Ressourcen,,118 schon heute entgegenzutreten sei. Hierfür böten eine integrierte Raum- und Flächennutzungsplanung aufgrund ihrer Koordinierungsfunktion im Hinblick auf die mit den verschiedenen Aspekten der Bodennutzung und der Bodenressourcen befaßten sektoralen Planungen eine "geradezu ideale Möglichkeit".119 Zur Bewahrung der Unversehrtheit lebenserhaltender Systeme (Ökosysteme) als auch der Produktivität der Umwelt sollen diese Faktoren integrativ berücksichtigt werden. Was die Planung im allgemeinen und die Raumplanung im besonderen anbelangt, so verdient eine Textstelle betreffend den integrierten Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens besonders hervorgehoben zu werden. Unter Textzeichen 10.3 heißt es: "Bodenressourcen werden für viele unterschiedliche Zwecke genutzt, die sich gegenseitig beeinflussen und möglicherweise miteinander konkurrieren; daher ist es wünschenswert, wenn alle Nutzungen in integrierter Weise geplant und gesteuert werden. Die Integration soll auf zwei Ebenen stattfinden, wobei auf der einen Ebene alle ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren (wozu beispielsweise auch die von den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der Gesellschaft ausgehenden Wirkungen auf die Umwelt 115 Dazu Ossenbühl. VR 1983, 301 (306); Rehbinder; in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 135. 116 Vgl. Agenda 21, Tz. 10.4. 117 Agenda 21, Tz. 10.1; 10.3; 1O.7Iit. a). 118 Agenda 21, Tz. 10.1. 119 Agenda 21, Tz. 10.1.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen und die natürlichen Ressourcen gehören) und auf der anderen alle umwelt- und ressoUfcenbezogenen Komponenten (d. h. Luft, Wasser, Flora und Fauna, Boden, geologische und natürliche Ressourcen) berücksichtigt werden. Eine integrierte Betrachtung ermöglicht angemessene Optionen und gegenseitige Abstimmung und bietet dadurch maximale Chancen für eine nachhaltige Produktivität und Nutzung".

Werden im ersten Satz lediglich der potentielle Konflikt zwischen den verschiedenen Raum- bzw. Bodennutzungen und damit der zu bewältigende Konflikt, mithin die Aufgabe der überörtlichen und örtlichen Raumplanung umschrieben, lassen sich aus Satz 2 nähere Vorgaben für das "Wie" der Aufgabenbewältigung entnehmen, die als politische Forderung auf die planungsrechtlichen Instrumente und das Abwägungsgebot vorzudringen vermögen. Indem der durch die Agenda 21 konkretisierte Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens auf eine externe und interne Integration zielt, vermag er Auswirkungen auf das Abwägungsgebot zu zeitigen. Gefordert wird eine Gesamtabwägung integrativermittelter Belange. Eine Umsetzung dieses Ansatzes hätte für die Planung der Bodennutzung auf überörtlicher und örtlicher Ebene Konsequenzen für die Frage, "wie" die einzelnen Dimensionen des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung zu ermitteln und schließlich im Rahmen der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind. Satz 3 legt zumindest eine Prüfung von Standortalternativen nahe. Dabei sollen die Aussagen des Kapitels 10 lediglich den Rahmen für ein integriertes Konzept für die Planung und Bewirtschaftung der Ressourcen abstecken, dessen Ziel es ist, die sektoralen Aussagen der Agenda 21 für eine Entscheidungsfindung zu koordinieren. 12o Als Gesamtziel wird die erleichterte Zuweisung von Flächen für solche Nutzungsformen anvisiert, die den größtmöglichen nachhaltigen Nutzen gewährleisten. Der Umstieg auf eine nachhaltige und integrierte Bewirtschaftung der Bodenressourcen sei unter Berücksichtigung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekte zu fördern. Angesichts der Wechselwirkungen zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Faktoren sollen die Auswirkungen einer Maßnahme auf alle drei Dimensionen im Rahmen einer Gesamtschau gewürdigt werden. Ökologische Aspekte bilden dabei nur einen, wenn auch wesentlichen, Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung, den es integrativ, d. h. einschließlich etwaiger Wechsel wirkungen zwischen den biotischen und abiotischen Bestandteilen der Umwelt, i. S. d. Ökosystemschutzes zu berücksichtigen gilt. 121 Ziel sei es, alle Betroffenen zur Förderung einer aktiven Entscheidungsfindung zu beteiligen, die Planungssysteme zu verbessern und auszubauen und eine optimale Nutzung des Bodens und eine nachhaltige Bewirtschaftung der Bodenressourcen zu gewährleisten. Als Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele soll eine Zielformulierung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene erfolgen, die "auch ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt".122 Damit liegt der 120 121 122

Agenda 21, Tz. 10.4. Vgl. etwa Agenda 21, Tz. 16.20. Agenda 21, Tz. 10.6.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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Agenda 21 ein dreidimensionaler Ansatz i. S. d. Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung zugrunde. Nachfolgend ist der Frage nachzugehen, ob sich bereits aus diesen Forderungen Konsequenzen für den "Soll-Zustand" der Planung und Bewirtschaftung der Bodenressourcen ergeben. Durch das oben beschriebene Gesamtziel für die Bewirtschaftung der Bodenressourcen ergeben sich erste Anhaltspunkte für das geforderte Planungskonzept. Danach sollen Flächenzuweisungen die Nutzungsform mit dem größtmöglichen nachhaltigen Nutzen fördern. Planung wird gemein als final programmiert, d. h. als leitbild- bzw. zielgerichtet eingestuft. 123 Hieraus folgt zum einen das Erfordernis einer hinreichenden Konkretisierung dahingehend, was unter einem größtmöglichen nachhaltigen Nutzen zu verstehen ist. Nur so kann die Flächennutzungsplanung dieser Gestaltungs- und Koordinierungsaufgabe gerecht werden. Zum anderen erfordert dieses Gesamtziel, daß die planenden Stellen über ein entsprechendes Steuerungsinstrumentarium verfügen. Mit der geforderten pauschalen Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Belange ohne weitergehende Konkretisierung hält man schnell einen Strauß sämtlicher Staatsaufgaben in der Hand. Damit wird ein erheblicher Koordinationsaufwand sichtbar, der schnell an die Grenzen des Machbaren stoßen dürfte, soweit den Behörden kein klarer Prüfkatalog an die Hand gegeben wird, den es durchzumustern und in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen gilt. Dieser müßte die zu berücksichtigenden Belange der drei Kategorien im jeweiligen Kontext und auf der jeweiligen Planungsstufe weitestgehend eingrenzen. So ist die soziale, ökonomische und ökologische Bedeutung der Ressourcen Wasser oder Luft eine andere als beispielsweise der mineralischen Bodenressourcen. Wahrend erstere für jedermann existenznotwendig und nicht substituierbar, also durch Ersatzstoffe physisch oder funktionell zu ersetzen sind, sieht dies bei letzteren anders aus. Insbesondere zeichnet sich schon heute eine, wenn auch (noch) begrenzte Möglichkeit ab, die Funktion der fossilen Brennstoffe zur Energieerzeugung und versorgung langfristig durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Dies verdeutlicht, daß allein mit der allgemeinen Forderung nach Berücksichtigung von sozialen, ökonomischen und ökologischen Belangen nicht viel inhaltliche Substanz für die planenden Stellen gewonnen ist. Demnach liegt die Bedeutung der angemahnten dreidimensionalen Problemsicht auch primär auf verfahrensrechtlicher Ebene. Konkrete Ergebnisse und inhaltliche Vorgaben lassen sich daraus allenfalls mittelbar ableiten. Das Herausstellen der integrierten Planung läßt weiter eine Aussage im Hinblick auf die ebenenspezifische Verortung zu. Zum einen verlangt das integrierende, medien übergreifende Element eine zumindest vorrangige Verortung im Rahmen der Gesamtplanung, nicht in der projektbezogenen Fachplanung. Denn letztere ist aufgrund ihrer Konzeption auf die Zulassung bestimmter Vorhaben ausgerichtet und 123 Stellvertretend Böckenförde, Der Staat 11 (1972),429 (437); Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 4; Stern II, § 40 I 3 a m. w. N.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

liegt damit auf einer räumlich begrenzten, unmittelbar bodennutzungsorientierten Ebene. Diese ist dem Modell einer integrierten, mithin großräumige Wirkungszusammenhänge erfassenden Planung nur bedingt zugänglich. 124 Insoweit erscheint auch die Präferenz der Agenda 21 für die ohnehin integrativ 125 ausgerichtete Ebene der Raum- und Flächennutzungsplanung konsequent,126 sollen diese doch durch "Koordinierung der mit den verschiedenen Aspekten der Bodennutzung und der Bodenressourcen befaßten sektoralen Planungs- und Managementaufgaben" ein möglichst hohes Maß an gegenseitiger Abstimmung aller Flächennutzungen erreichen. 127 In diesem koordinierenden Rahmen bewegen sich die sektoralen Programme der Agenda 21. 128 Hier finden sich zum Teil detaillierte Handlungsanweisungen und Maßnahmenbündel für einzelne Ressourcen, wie beispielsweise die Bewirtschaftung und Nutzung der Wasserressourcen, 129 wobei an verschiedenen Stellen der Agenda auf den Gedanken der intergenerationellen Gerechtigkeit, der Kreislaufwirtschaft sowie das Sparsamkeitsgebot Bezug genommen wird. Gleichwohl kann auch eine rationelle Verwendung für sich genommen letztlich zur Verschlechterung und zur Verringerung, wenn nicht gar zur Erschöpfung natürlicher Ressourcen führen. Wenn der Nachhaltigkeitsgedanke die Befriedigung der Nutzungsinteressen der gegenwärtig Lebenden durch das Postulat begrenzt, daß auch die zukünftigen Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können, dann gilt es im Einzelfall das Maß der gebotenen Sparsamkeit vor diesem Hintergrund zu bestimmen. Denn die damit geforderte Versöhnung jetziger und künftiger Nutzungsinteressen ermöglicht freilich keine abstrakte Maßstabsfindung dahingehend, daß sich ein allgemeingültiges Maß zur Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen ableiten läßt. Daran vermag auch die Sparsamkeitsgeboten immanente Forderung nach einer rationellen Verwendung von Ressourcen nichts zu ändern. Vielmehr muß das Maß der gebotenen Sparsamkeit für jede Ressource gesondert ermittelt werden. Dabei müssen die Bedürfnisse der Generationen in Form von tatsächlichen oder geschätzten Nutzungsraten ins Verhältnis zum Gesamtvorkommen der jeweiligen Ressource gesetzt werden. Hierbei spielt auch der Zustand bzw. die Qualität der einzelnen Ressource und deren Bedeutung für die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen eine Rolle. Eine Antwort ist demnach nur dann mög124 Die Eignung von Planfeststellungsverfahren u. ä. im Hinblick auf die integrierte Umweltplanung gänzlich ablehnend Erbguth, DÖV 1984,699 (700). Kritik am Konzept des integrierten Umweltschutzes üben Di Fabio, NVwZ 1998, 329 ff.; Masing, DVBI. 1998,549 (551 ff.); Zöttl, Integrativer Umweltschutz in der neuesten Rechtsentwicklung, S. 226 ff. sowie Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 49. 125 Zumindest was die externe Integration, d. h. die Integration von sozialen, ökonomischen und ökologischen Belangen anbelangt. 126 Näher unten 2. Kap. B.1. 127 Agenda 21, Tz. 10.1. 128 Agenda 21, Tz. 10.4. 129 Agenda 21, Tz. 18.1 ff.

A. Nachhaltige Entwicklung als politische Leitidee

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lieh, wenn sowohl der Gesamtbestand einer bestimmten Ressource als auch deren Substituierbarkeit geklärt ist. Konsequenterweise verlangt die Agenda 21 daher im Hinblick auf natürliche Ressourcen im allgemeinen l30 und auf Wasserressourcen im besonderen l3l eine integrierte Wasserwirtschaftsplanung und -bewirtschaftung mit zeitlich abgestufter Berücksichtigung der Planungsbedürfnisse mittels kurz-, mittel- und langfristiger Planung. Sowohl das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung als auch das in der Agenda 21 favorisierte Instrument der Planung zu deren Verwirklichung sind gekennzeichnet durch eine bereits begriffsimmanente Dynamik. Planung soll bestimmte Vorgänge in gewissen, in den Zielen und Leitbildern näher umschriebenen Bahnen lenken. Sie umfaßt die Ermittlung, Aufstellung und Abstimmung von Zielkatalogen, die in bestimmter Frist und Reihenfolge zur Verwirklichung gebracht werden sollen 132 und in einen bestimmten ihr vorgegebenen Rahmen gestellt sein können. Ihre Aufgabe besteht entweder in der Ziel- 133 oder in der Mittelsuche, 134 da eine Planung ohne Gestaltungsspielraum 135 nicht denkbar ist. 136 Im Rahmen der Ausfüllung dieser Autonomie erfordert Planung eine Prognose über mittel- und längerfristig bestehende Bedürfnisse. Prognosen wiederum verlangen nach geeigneten Informationen, die ihnen zugrunde gelegt werden können. Als Grundlage kann die im Programmbereich B des 18. Kapitels geforderte Abschätzung des Wasserdargebots dienen, welche die für die Planung unerläßlichen Informationen über Güte, Menge und Bedarf der Wasserressource liefern soll. 137

4. Zwischenergebnis Nach der Agenda 21 ist demnach für die Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung ein integrierter Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen erforderlich. Ein für die planenden Stellen operationalisierbares Nachhaltigkeitskonzept setzt eine ausdifferenzierte Beschreibung der konkret zu berücksichtigenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren unVgl. Kap. 10 der Agenda 21. Agenda 21, Tz. 18.12lit. 0) ii); 18.16. 132 Vgl. Böckenförde, Der Staat 11 (1972),429 (437). 133 Böckenförde ebenda. 134 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn. 14; 135 Das BVerwG zählt den planerischen Gestaltungsspielraum in st. Rspr. zu den essentialia der Planung ("... , weil Planung ohne Gestaltungsspielraum ein Widerspruch in sich wäre"), vgl. BVerwGE 34,301 (304); 48, 56 (59); 55, 220 (225). 136 Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 20. Dies ergibt sich aus dem der Planung zugrundeliegenden Zweckprograrnrn (im Gegensatz zum Konditionalprograrnrn); vgl. zu dieser klassischen Differenzierung grundlegend Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 11, S. 227 ff.; ferner Schmitt Glaeserl König, JA 1980, 321 (325); Hoppe, a. a. O. Rn. 19. 137 Agenda 21, Tz. 18.23. 130 131

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

ter Berücksichtigung der Bedeutung, Substituierbarkeit und des vorhandenen Bestandes der einzelnen Ressource voraus. Damit kann festgehalten werden, daß die Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung (zumindest auch) auf planerische Instrumentarien angewiesen ist. Für die rechtlich maßgebliche Frage, wie diese im einzelnen konzipiert sein müssen, lassen sich in der Agenda 21 die skizzierten (rechtlich unverbindlichen) Vorgaben als erste Anhaltspunkte ausmachen. Dabei favorisiert die Agenda 21 einen integrativen Ansatz für die Planung der Ressourcennutzung sowie die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen.

B. Europäische Dimension I. Politische Entwicklung auf europäischer Ebene Das "Sustainable-Development-Konzept" hat auch auf der politischen Ebene der Europäischen Gemeinschaften Spuren hinterlassen. Bereits das Fünfte Umweltaktionsprogramm der EG aus dem Jahre 1993,138 zielte auf den Entwurf "eineer) umweltpolitische(n) Strategie für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft".139 Als Ausgangspunkt ihres Programms verwandte die EG-Kommission l4o die Definition der Brundtland-Kommission von "Sustainable-Development".141 Des weiteren wird auf die RioKonferenz, die Rio-Deklaration und die Agenda 21 an verschiedenen Stellen Bezug genommen. 142 Aufgrund verschiedener Faktoren, insbesondere der im Bericht über den Zustand der Umwelt l43 konstatierten "langsame(n), jedoch gravierende(n) Verschlechterung des allgemeinen Zustands der Umwelt innerhalb der Gemeinschaft", insbesondere im Hinblick auf Klimaveränderung, Übersäuerung, Luftverschmutzung und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, wird die Notwendigkeit einer weiterreichenderen Politik und einer wirksameren Strategie herausgestri138 Programm der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, abgedruckt in: ABI. EG Nr. C 138, S. 5 ff. vom 17.05.1993. 139 So der Titel von Teil I dieses Programms. 140 Als Urheberin des Fünften Umweltaktionsprogramms. Dazu Wägenbaur, EuZW 1992, 289 (289). 141 ABI. EG Nr. C 138, S. 21 vom 17.05. 1993 und fügt eine prosaische Definition hinzu: nIß nicht das Samenkorn, das gebraucht wird, um die Ernte des nächsten Jahres zu säen". 142 Vgl. nur die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Februar 1993 über ein Gemeinschaftsprogramm für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, abgedruckt in: ABI. EG Nr. C 138, S. I ff., vom 17. 05. 1993 wo auf jeder Seite ein Bezug hergestellt wird. 143 KOM (92) 23 endg. - Vol. III.

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chen. l44 Ferner seien die jetzigen Konzepte und Maßnahmen nicht ausreichend, um der mit der zu erwartenden Steigerung im internationalen Wettbewerb und der wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinschaft verbundenen zunehmenden Belastung der natürlichen Ressourcen entgegenwirken zu können. 145 Daher sei ein an der Tragfähigkeit der Umwelt orientiertes Gleichgewicht zwischen menschlicher Tätigkeit, Entwicklung und Umweltschutz in allen Politiken anzustreben. 146 Natürlich läßt sich auch an letzterem Kriterium Kritik anbringen. Der Stringenz bzw. Quantifizierbarkeit, die der Begriff der Tragfähigkeit der Ressourcenbasis 147 impliziert oder doch zumindest nahelegt, steht die Tatsache gegenüber, daß anerkannte Indikatoren für eine Operationalisierung dieses Begriffes nicht existieren. 148 Beinhaltet dieser Begriff mithin keinen normativen Maßstab, so verdeutlicht er gleichwohl die Zielrichtung l49 einer nachhaltigen Entwicklung, wenngleich er auf untergesetzliche Konkretisierung angewiesen bleibt. In dieser Zielsetzung läßt sich der dreidimensionale Ansatz der nachhaltigen Entwicklung im Sinne einer gleichberechtigten Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Belange erstmals explizit festmachen. Daraus folgt, daß der Umweltschutz notwendig integraler Bestandteil jeder sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sein muß und umgekehrt. 150 Die temporale, die Nachwelt mit in den Blick nehmende Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung kommt in der langfristigen Konzeption der neuen "Strategie für Umwelt und Entwicklung" zum Ausdruck. Danach soll das Konzept dazu dienen, "umweltzerstörende Tendenzen und Praktiken zu verändern, damit Wohlstand und Wachstum sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht für heutige und zukünftige Generationen gesichert werden können".151 Es wird die Prämisse aufgestellt, daß "die heutige Generation die Umwelt in einem gesunden Zustand an die nächste Generation weitergeben muß",152 um den sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand auf hohem Niveau halten zu können. Die Umwelt wird in ihrer Gesamtheit als Grundlage jeder weiteren Entwicklung angesehen. Letztere wird damit ihrerseits vorausgesetzt, so daß sich die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung nicht auseinanderdividieren lassen. Dies trifft sich mit dem integrativen Ansatz des Konzepts für eine "dauerhaft und umwe1tgerechte ABI. EG Nr. C 138, S. 11 Absatz 1 i) mit S. 13 Absatz 16 vom 17.05. 1993. ABI. EG Nr. C 138, S. 11 Absatz 1, ii) vom 17. 05.1993. ABI. EG Nr. C 138, S. 11 Absatz 3 und 4, S. 24 vom 17. 05. 1993. Im engl. "carrying capacity" . Vgl. van den Daele, PVS 34 (1993), 219 (225) m. w. N. Insofern sprechen Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 115 zutreffend von einem "allgemeinen Ziel". 150 Vgl. Breier; ZfU 1997, 131 (131); Frenz, Europäisches Umweltrecht, Rn. 6; Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1084). 151 ABI. EG Nr. C 138, S. 13 Absatz 11,2. Spiegelstrich. 152 ABI. EG Nr. C 138, S. 18 Absatz 40. 144

145 146 147 148 149

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

Entwicklung". Bereits terminologisch beinhaltet "dauerhaft" das Moment der Langzeitverantwortung. 153 In diesem Zusammenhang hat Erbguth l54 zutreffend darauf hingewiesen, daß das Postulat einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung stellvertretend für das ökologische Element der allgemeinen dreidimensionalen Nachhaltigkeit steht, mit der Konsequenz, daß sich eine Relativierung der ökologischen Dimension durch eine integrale Berücksichtigung der beiden anderen Dimensionen auf dieser Ebene verbietet. 155 Vielmehr sind an dieser Stelle lediglich die ökologischen Belange für sich integrativ zu ermitteln. Erst in einem zweiten Schritt sind dann die jeweils integrativ ermittelten ökologischen, ökonomischen und sozialen Interessen zum Zweck der Entscheidungsfindung zusammenzuführen und im Rahmen einer Gesamtabwägung miteinander abzustimmen. Soll die Umwelt derart in ihrer Gesamtheit l56 als Grundlage jeder weiteren Entwicklung begriffen werden, so ergeben sich weitere Anhaltspunkte für die rechtliche Umsetzung dieses Konzepts. Ein adäquates rechtliches Instrument muß präventiv ansetzen, alle Umweltmedien erfassen, flächendeckend erfolgen, die genannten drei Faktoren des Leitbildes mit einbeziehen und insgesamt prospektiv, also vorausschauend ausgerichtet sein. Des weiteren hebt die EG-Kommission im 5. Umweltaktionsprogramm hervor, daß das Konzept der Gemeinschaft auf dem Prinzip der gemeinsamen Verantwortung basiert. 157 Daher sei die Palette von Instrumenten im Gegensatz zu den bisherigen Aktionsprogrammen, die vorwiegend auf dem Erlaß von Rechtsvorschriften fußten, vor allem um marktorientierte und andere begleitende Instrumente zu erweitern. 158 Daß die Kommission dabei rechtlich verbindliche Maßnahmen, insbesondere solche des Sekundärrechts, weiterhin für erforderlich hält, wird in Kapitel 7 des fünften Umweltprogramms deutlich. 159 In diesem Zusammenhang wird ein 153 Ebenso, freilich in anderem Kontext Mitschang, DÖV 2000, 14 (19): "Dauerhaftigkeit als Ausdruck der intergenerativen Verantwortung". 154 Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1084). 155 Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1084) spricht von einer "nachhaltigkeitsintemen Nachhaltigkeit", welche im Widerspruch zur nachhaltigkeitsbedingten Neutralität (prinzipielle Gleichrangigkeit der drei Elemente) stünde. 156 Der vom Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung intendierte Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in ihrer Gesamtheit deutet auf eine verfassungsrechtliche Absicherung der ökologischen Dimension über Art. 20a GG. So wird die über Art. 2 Abs. 2 GG hinausgehende eigenständige Bedeutung der Staatszielbestimmung Umweltrecht gerade darin gesehen, daß Art. 20a GG dann greift, soweit der von Art. 2 Abs. 2 GG geforderte Individualbezug fehlt und die Umweltschutzgüter im Ganzen, insbesondere für die Nachwelt betroffen sind, Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 83 f.; Murswiek, NVwZ 1996,222 (224); KloepJer; DVBI. 1996,73 (77 f.). 157 ABI. EG Nr. C 138, S. 26 vor Absatz 3.1. 158 Vgl. ABI. EG Nr. C 138, S. 16 Absatz 31, sowie dort Kap. 3, S. 26 ff. 159 ABI. EG Nr. C 138, Kap. 7, S. 67 ff.

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"ständiger Bedarf an gesetzgebenden Maßnahmen", vor allem "im Hinblick auf die Festlegung der Grundvoraussetzungen für Umweltpflege und Umweltschutz", hervorgehoben. 160 Vor dem thematischen Hintergrund der vorliegenden Arbeit und der rechtlichen Entwicklung im Bau- und Raumordnungsrecht ist die Nennung der sektorbezogenen Planung und Raumplanung 161 bedeutsam. Die Forderung nach einer integrierten Berücksichtigung von sozioökonomischen und ökologischen Faktoren im Rahmen der Strukturplanung wird an dieser Stelle erstmals konkretisiert: "Bei dem Bestreben nach dauerhafter Entwicklung müssen die mit der Planung beauftragten Stellen ... eine Optimierung der Mischung aus Industrie, Energie, Verkehr, besiedeltem Gebieten ... sicherstellen, die mit der Belastungsfähigkeit der Umwelt vereinbar ist".162 Unter Berücksichtigung der im fünften Aktionsprogramm ausgewählten Schwerpunktbereiche 163 wird der integrierten Planung eine maßgebliche Lenk- und Steuerungsfunktion, insbesondere für die Struktur- und Standortplanung, zugesprochen. l64 Vor dem Ziel einer dauerhaften Entwicklung sei es nur konsequent, wenn nicht sogar unumgänglich, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für alle relevanten Politiken, Pläne und Programme 165 durchzuführen. Auf diese Weise würde nicht nur der Umweltschutz erhöht und eine optimierte Ressourcenbewirtschaftung gefördert, sondern auch durch einheitliche Prüfungsstandards der Standortwettbewerb reduziert. Hierauf wird im zweiten Kapitel bei der Frage nach den grundsätzlichen und rechtlichen Anforderungen, die an die Planung im allgemeinen und die Raumplanung im besonderen als mögliche Instrumentarien zur Umsetzung zu stellen sind, zurückzukommen sein.

ABI. EG Nr. C 138, S. 67. ABI. EG Nr. C 138, S. 16 Absatz 31 iii), S. 26 Absatz 3.1; S. 70 Absatz 7.3. 162 ABI. EG Nr. C 138, S. 70, Absatz 7.3. 163 Die ausgewählten Schwerpunktbereiche finden sich in Kap. 4. Es sind: Industrie, S. 28 f. Absatz 4.1; Energie, S. 31 f. Absatz 4.2; Verkehr, S. 33 f. Absatz 4.3; Landwirtschaft, S. 35 f. Absatz 4.4 und Tourismus, S. 37 Absatz 4.5. 164 Vgl. ABI. EG Nr. C 138, S. 25 Abbildung 1, S. 30 Abbildung 2a sowie insbesondere S. 55 Abbildung 7. 165 Auch dieser Ansatz gewinnt zunehmend an Konturen. So hat die Kommission bezugnehmend auf das 5. Umweltaktionsprogramm und in Bestätigung des hohen Stellenwertes, den sie einer Bewertung möglicher Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen auch im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung beimißt, dem Rat der Europäischen Union einen "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme" unterbreitet, vgl. ABI. EG Nr. C 129, S. 14 vorn 25. 4. 97. Aufgrund dieses RichtIinienvorschlages sind auf ihre Umweltverträglichkeit hin "diejenigen Pläne und Programme zu prüfen, die als Teil des Entscheidungsprozesses im Bereich Raumordnung den Rahmen für nachfolgende Genehmigungen vorgeben, einschließlich strategischer Pläne und Programme in den Gebieten Energie, Abfall, Wasser, Industrie (einschließlich Gewinnung mineralischer Rohstoffe), ... ". Vgl. dazu unten B.II.3. 160 161

5*

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I. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

11. Aufnahme des Grundsatzes in das Primärund Sekundärrecht Auf der europäischen Ebene wurde der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung im Zuge der Konsolidierung von EUV und EGV durch den am 1. 5. 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam erstmals explizit festgeschrieben. 166 Angesichts der uneinheitlichen Verwendung des Begriffes der nachhaltigen Entwicklung ist auch im europäischen Kontext kurz zu klären, welches Begriffsverständnis in den Vorschriften des Primärrechts zum Ausdruck kommt. Wegen der Verankerung des allgemeinen Nachhaltigkeitsgedankens im nationalen Raumordnungsrecht sind auch das europäische Raumentwicklungskonzept sowie die Plan-UVP-RL auf etwaige Einwirkungen hin zu untersuchen. 1. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung im Gemeinschaftsrecht

Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde das Postualat einer nachhaltigen Entwicklung sowohl in die Präambel und den Zielkatalog des EUV als auch in den Aufgabenkatalog des EGV aufgenommen. Als Maßstab bei der Frage, welches Nachhaltigkeitsverständnis dem Recht der Union bzw. dem Recht der Gemeinschaft zugrunde liegt, soll im folgenden das dreidimensionale Nachhaltigkeitsgebot fungieren. a) Der Vertrag über die Europäische Union (EUV)

Eines der erklärten Ziele der Union ist nach Art. 2, 1. Spiegel strich EU "die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie die Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung, insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, die auf längere Sicht auch eine einheitliche Währung nach Maßgabe dieses Vertrages umfaßt". Damit nennt diese Vorschrift zwar das Ziel einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung ausdrücklich. Bedenken gegen ein zugrundeliegendes dreidimensionales Nachhaltigkeitsverständnis ergeben sich jedoch bereits aus der Tatsache, daß die Herbeiführung einer nachhaltigen Entwicklung durch das "sowie" dem Ziel der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts nebengeordnet wird. Dies könnte bei isolier166 Einzelne Elemente dieses Grundsatzes ließen sich jedoch bereits vor dem Inkrafttreten der Änderungen des Amsterdamer Vertrages im europäischen Primärrecht bzw. in den (politischen) Umweltaktionsprogrammen der Kommission nachweisen, vgl. dazu Frenzl Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 153 ff.; zu den Aktionsprogrammen ferner Kloepfer; Umweltrecht, § 9 Rn. 48 f.

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ter Betrachtung von Art. 2 1. Spiegelstrich 1. HS EU den Schluß nahelegen, daß die konsolidierte Fassung des EUV von einem ökologischen Nachhaltigkeitsverständnis i.S.e. nachhaltig umweltgerechten Entwicklung ausgeht. Ansonsten wäre die Erwähnung der sozialen und wirtschaftlichen Belange überflüssig oder rein daklaratoricher Natur, sind diese Komponenten nach der umfassenden Konzeption einer nachhaltigen Entwicklung doch deren Bestandteile. Aus der Verknüpfung dieser drei Elemente durch das Wort "sowie" läßt sich indes nicht herleiten, daß hiermit eine Verbindung ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Belange zu einer Einheit gleichberechtigter Belange erfolgt, so daß letztlich der dreidimensionale Ansatz in Art. 2 EU enthalten wäre. 167 Zweifel an einer derartigen Interpretation ergeben sich insbesondere aufgrund der inneren Systematik dieser Vorschrift. Grammatikalisch muß wegen der erfolgten Verknüpfung mit "sowie" zwar davon ausgegangen werden, daß eine dauerhafte und nachhaltige Entwicklung eine von der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts unterscheidbare Zielsetzung zum Ausdruck bringt. In dem mit "insbesondere" eingeleiteten erklärenden Zusatz 168 werden jedoch ausschließlich wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen zur Erläuterung des Begriffs der ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung genannt. 169 Demnach kann der Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" in Art. 2 1. Spiegel strich EU weder im Sinne eines dreidimensionalen noch im Sinne eines ökologischen Nachhaltigkeitsverständnisses interpretiert werden. Insofern kann diese Formulierung nur so verstanden werden, daß soziale und wirtschaftliche Determinanten abstrakt gleichberechtigt ("ausgewogen") sind und die Förderung des Fortschritts zu einer dauerhaften ("nachhaltigen") Entwicklung führen soll. Demgegenüber deutet der 8. Erwägungsgrund der Präambel des EU-Vertrages auf ein umfassendes Verständnis einer nachhaltigen Entwicklung. Dieser lautet: "In dem festen Willen, im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes sowie der Stärkung des Zusammenhalts und des Umweltschutzes den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Völker unter Berücksichtigung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung zu fördern und Politiken zu verfolgen, die gewährleisten, daß Fortschritte bei der wirtschaftlichen Integration mit parallelen Fortschritten auf anderen Gebieten einhergehen." Denn hier werden der Umweltschutz sowie die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, mithin ökologische, ökonomische und soziale Zielsetzungen in einen textlichen und inhaltlichen Zusammenhang gebracht. Die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts soll unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung erfolgen, wobei gleichzeitig der Umweltschutz gestärkt werden soll. Insoweit bezieht sich die Entwicklung auf alle genannten Belange. 170 So aber Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 174. Vgl. dazu Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsfönnlichkeit, Rn. 85. 169 Siehe auch Calliess, DVBI. 1998,559 (562): etwas verengt fonnuliert. 167 168

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

b) Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV)

Art. 2 EG formuliert als Aufgabe der "Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, bei hohem Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, ... , ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität ... zu fördern". Die gleichzeitige Verfolgung dieser Ziele, gerichtet auf eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung, führt dazu, daß grundsätzlich kein Belang den Vorrang gegenüber dem anderen hat, sondern soziale, wirtschaftliche und ökologische Belange abstrakt gleichgewichtig sind. 171 Insgesamt soll die Entwicklung des Wirtschaftslebens ausgewogen und harmonisch sein. Dies impliziert, daß ein Ausgleich zwischen den genannten Belangen vorgenommen wird. Ein solcher Ausgleich zielt darauf, daß jeder Belang soweit wie möglich verwirklicht und kein Belang vollends ins Hintertreffen gerät. Dieser ökologische, ökonomische und soziale Interessen miteinander verbindende Gestaltungsauftrag entspricht demjenigen des allgemeinen dreidimensionalen Nachhaltigkeitsgedankens. Bei der Wahrnehmung der insoweit abstrakt vorgezeichneten Aufgabe ist aufgrund der (teilweisen) Gegenläufigkeit der einzelnen Aufgaben eine Konfliktbewältigung durch Abwägung 172 erforderlich. Auch die neue Querschnittsklausel des Art. 6 EG stellt einen Bezug zur nachhaltigen Entwicklung her l73 : "Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden." Art. 6 übernimmt damit im Grundsatzkapitel des Vertrags die Klausel über die Einbeziehung der Umweltschutzerfordernisse bei der Festlegung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken, die bereits in Art. 130 r EGV verankert war. Zwar kann eine Interpretation des Begriffs der nachhaltigen Entwicklung nicht allein im Kontext des Art. 6 EG erfolgen, lassen sich der Querschnittsklausel doch insoweit keine konkreten inhaltlichen Vorgaben für eine nachhaltige Entwicklung entnehmen. Trotzdem erfolgt eine verfahrensrechtliche Vorgabe dahingehend, daß die Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes nach der gesetzgeberischen Intention mit der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung untrennbar verbunden ist und damit letztere jedenfalls eine - durch Art. 174 Abs. 1 und 2 EG ihrerseits konkretisierte l74 - ökologische Dimension auf170 Vgl. im einzelnen Frenzl Unnerstall. Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 153 f., 173. 17\ Ebenso Frenzl Unnerstall. Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 180. 172 Mangels Widerspruchsfreiheit der einzelnen Determinanten des Grundsatzes Nachhaltiger Entwicklung und dessen integrativen Ansatzes kann man die Abwägung als nachhaltigkeitsimmanent bezeichnen. Zielt der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung somit auf eine dreidimensionale Gesamtabwägung, so fragt sich zum einen, ob letztere zwingend eine planerische i.S.v. § 1 Abs. 6 BauGB sein muß und zum anderen, ob dieser Planungsgrundsatz die Abwägung modifiziert, dazu unten 3. Kap. C.III.3. sowie 6. Kap. \73 Eingehend Calliess. DVBI. 1998,559 (564 ff.). 174 Calliess, DVBI. 1998, 559 (565).

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weist. Daher führt diese Bestimmung bei konsequenter Anwendung dazu, daß der Umweltschutz zum integralen Bestandteil jeder Gemeinschaftspolitik wird und derart eine Anbindung an soziale und wirtschaftliche Entwicklungsprozesse erfolgt, wie es Grundsatz 4 der Rio-Deklaration fordert. 175 Aufgrund der inhaltlichen Anreicherung der Querschnittsklausel durch die Ziele und Grundsätze des Art. 174 Abs. 1 und 2 EG erfolgt auch und gerade eine Einbeziehung der Vorgabe zur umsichtigen und rationellen Verwendung natürlicher Ressourcen sowie des Vorsorgeund Vorbeugegrundsatzes. Die zuletztgenannten Prinzipien stehen ihrerseits in einer engen Verbindung zu einer nachhaltigen Entwicklung, ermöglichen sie doch eine langfristig vorsorgende Planung und Bewirtschaftung der Umwelt unter Berücksichtigung der Interessen künftiger Generationen. 176 Neben diesem Zukunftsbezug zielt die strikte Formulierung der Querschnittsklausel im Ergebnis auf die Einbeziehung ökologischer Belange bei jedem Tatigwerden der Gemeinschaft. Damit wird dem dreidimensionalen Anliegen des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen. 177 Insgesamt wird der Begriff der nachhaltigen Entwicklung immer in direktem textlichen Zusammenhang mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielen bzw. Aufgaben genannt. Im Ergebnis spricht damit einiges dafür, daß die gesonderte Erwähnung der einzelnen, hinter den drei Dimensionen des umfassenden Nachhaltigkeitskonzepts i. S. d. Sustainable-Development-Gedankens stehenden Komponenten in Art. 2 EG der inhaltlichen Konkretisierung des übergreifenden Leitziels einer "nachhaltige Entwicklung" dienen. Ausgehend von dem umweltvölkerrechtlich geprägten umfassenden Begriffsverständnis ist deren Nennung überwiegend deklaratorischer Natur, wenngleich eine erste inhaltliche Konkretisierung erfolgt. l78 Des weiteren wird der integrative Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens durch die Querschnittsklausel des Art. 6 EG ganz im Sinne von Grundsatz 4 der Rio-Deklaration verwirklicht.

Dazu oben 1. Kap. A.Il.1.c). Siehe Frenz, Europäisches Umweltrecht, Rn. 143 f. 177 Ebenso Calliess, DVBI. 1998,559 (568). 178 Dies gilt auch im Hinblick auf § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB. Auch hier soll für die inhaltliche Konkretisierung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung auf die Definition des Gesetzgebers in § lAbs. 2 ROG zurückgegriffen werden, vgl. Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 1 Rn. 509; Schink, DVBI. 2000, 221 (221). Dann aber ist die ausdrückliche Erwähnung des bauleitplanerischen Leitzie1s in § lAbs. 5 Satz 1 BauGB, eine sozialgerechte Bodennutzung zu gewährleisten bzw. die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, an sich überflüssig, sind diese Belange und Ziele nach der Begriffsdefinition des § lAbs. 2 ROG doch begriffsimmanent. Auch hier werden aus Gründen der KlarsteIlung einzelne Aspekte noch einmal betont. Unentschlossen Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § I Rn. 499, der einerseits auf die Definition des § 1 Abs. 2 ROG und deren auf Gleichrangigkeit der einzelnen Komponenten angelegte Konzeption verweist (Rn. 509) und Überschneidungen mit den übrigen bauleitplanerischen Leitvorstellungen eingesteht, andererseits jedoch an deren eigenständigen Bedeutung festhalten will und der Einordnung einer "nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung" als Oberziel entgegentritt (Rn. 500). 175

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

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2. Europäisches Raumentwicklungskonzept Das nationale Recht ist in zunehmendem Maße dem Einfluß des EG-Rechts ausgesetzt. Dies hinterläßt auch Spuren auf dem Gebiet des deutschen Planungsrechts, 179 insbesondere des Raumplanungsrechts. 180 Anlaß für Überlegungen in Richtung eines Europäischen Raumentwicklungskonzeptes l81 ist unter anderem der grundlegende Wandel der politischen Rahmenbedingungen in Gesamteuropa, namentlich der Systemwandel in den sog. Reformstaaten Mittel- und Osteuropas, deren Wunsch nach Aufnahme in die Europäische Union und die Zusammenführung der Wirtschaftsräume von EG und EFfA 182 im europäischen Binnenmarkt. 183 Zwischen den Entwicklungsräumen und den unterentwickelten Regionen der Europäischen Gemeinschaft bestehen Disparitäten, die sich durch Aufnahme neuer Mitgliedstaaten noch verstärken dürften. Vor diesem Hintergrund entfaltet die Europäische Union zunehmend Aktivitäten im Bereich der Raumordnung. Während allerdings hinsichtlich der Notwendigkeit eines Europäischen Raumentwicklungskonzeptes (EUREK)184 infolge dieser Veränderungen und des dementsprechend gesteigerten Koordinierungsbedarfs, insbesondere mit Blick auf die ebenfalls als notwendig erachtete Abgleichung der Standortbedingungen, weitestgehend Einigkeit besteht,185 wird die Kompetenzfrage kontrovers diskutiert. Explizit genannt wird die Raumordnung im europäischen Primärrecht allein in Art. 175 Überblick bei Wahl, in: FS für Blümel, 617 ff. Näher dazu Spannowsky, UPR 1998, 161 ff.; Jarass, DÖV 1999,661 ff. sowie jüngst ders., DVBl. 2000, 945 ff.; siehe auch Battis, in: FS für Hoppe, 303 (304 ff.; 313); speziell zu den möglichen Auswirkungen der Plan-UVP-RL sogleich unter 3.; zu den Auswirkungen der FFH-RL bzw. deren Umsetzung durch die im Gefolge von Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30. 4. 1998 (BGBl. I, S. 823) eingefügten §§ 19a ff. (jetzt §§ 32 ff.) BNatSchG auf die Gesamtplanung siehe (bezogen auf die Bauleitplanung) Düppenbecker/Greiving, UPR 1999, 173 ff.; am Beispiel der Raumordnung Erbguth, NuR 2000, 130 ff.; speziell zu § 19c a. F. / § 34 n. F. BNatSchG (Verträglichkeitsprüfung) Beckmann/Lambrecht, ZUR 2000,1 ff. 181 Dazu Jarass, DVBl. 2000, 945 (947 f.); Battis, in: FS für Hoppe, 303 (304 ff.). 182 In diesem Zusammenhang ebenfalls von Bedeutung ist die seitens der EU und der zwölf südlichen Mittelmeeranrainerstaaten angestrebte Errichtung einer das gesamte MitteImeer umspannenden Freihandelszone bis zum Jahr 2010, sog. Prozeß von Barcelona. Vgl. dazu die Berichte "Ein euro-mediterraner Wirtschaftsraum nützt allen" und "Die Partner am Mittelmeer trennen noch immer viele Schranken" in: FAZ Nr. 88 v. 16. 4. 99, S. 11, 14. 183 Vgl. zu den veränderten politischen Rahmenbedingungen als Ausgangslage für Überlegungen zu einem Europäischen Raumentwicklungskonzept Krautzberger/Selke, DÖV 1994,685. 184 Zur Entstehungsgeschichte des EUREK siehe Wahl, in: FS für Hoppe, 913 (917 mit Fn. 12). Die erste Fassung des EUREK ist abgedruckt in BR-Drucks. 690/97; die verabschiedete Fassung des EUREK ist abgedruckt in BT-Drucks. 14/1388. 185 Krautzberger/Selke, DÖV 1994,685 f.; Hoppe/Deutsch, in: EUDUR, § 88 Rn. 23; Wahl, in: FS für Hoppe, 913 (919, 922): Diskrepanz zwischen sachlicher Notwendigkeit und rechtlichem Dürfen einerseits und zwischen tatsächlichem Handeln mit weichen Rechtsformen und rechtlichem Dürfen andererseits. 179

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Abs. 2 EG, der die Beschlußfassung für "Maßnahmen im Bereich der Raumordnung" regelt. Demzufolge ist umstritten, ob es sich hierbei um eine Ermächtigungsgrundlage, die Bestätigung einer von der Umweltkompetenz der Gemeinschaft umfaßten, allerdings sektoral begrenzten Kompetenz für die Raumordnung 186 oder, wie überwiegend angenommen, lediglich um eine Verfahrensvorschrift 187 handelt. Unabhängig davon wurde das Europäische Raumentwicklungskonzept anläßlich eines informellen Treffens der Raumordnungsminister der Europäischen Union in Potsdam am 10./ 11. 05. 1999 beschlossen. 1s8 Damit verständigten sich die Mitgliedstaaten und die Kommission nach einem mehr als 5-jährigen Diskussionsprozeß auf gemeinsame räumliche Ziele bzw. Leitbilder für die zukünftige Entwicklung des Gesamtraumes der Europäischen Union. Das EUREK ist ein rechtlich unverbindliches Dokument. 189 Damit ist es jedoch nicht unbedeutend, handelt es sich doch bei derartigen Strategiepapieren erfahrungsgemäß um Vorstufen verbindlichen Planungsrechts. 190 Hervorzuheben ist daher, daß das EUREK Ziele und politische Optionen aufzeigt, die zu einer nachhaltigen Entwicklung des europäischen Raums beitragen sollen. Es bildet einen Bezugsrahmen zur Koordinierung der Fachpolitiken der Gemeinschaft. Neben einer Darstellung der wichtigsten räumlichen Entwicklungstrends Europas dient das EUREK als politischer Orientierungsrahmen für die Mitgliedstaaten. Verfolgt werden drei grundlegende Ziele: den ökonomischen und sozialen Zusammenhalt der EU zu stärken, eine nachhaltige Entwicklung zu sichern, - die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Raum auszubauen. Weitere politische Ziele für den europäischen Raum bilden die Empfehlungen für ein ausgewogenes polyzentrisches Städtesystem, die Vernetzung der Transport- und Kommunikationsinfrastruktur, die Entwicklung des Kultur- und Naturerbes.

186 So Battis, in: FS für Schlichter, 185 (191), der zwar eine sachlich aufraumordnerische Maßnahmen innerhalb der Sektoralpolitik Umwelt beschränkte Kompetenz anerkennt, zugleich jedoch hervorhebt, daß sich Raumordnung nicht darauf beschränke. 187 Hoppe/Deutsch, in: EUDUR, § 88 Rn. 41 f.; David, DÖV 1993, 1021 (1024); Krautzberger/Selke, DÖV 1994,685 (687); Wahl, in: FS für Hoppe, 913 (918, 921). 188 BT-Drucks. 14/1388. 189 Vgl. EUREK, BT-Drucks. 14/1388, Nr. 22; dazu und zur rechtlichen Einordnung als "uneigentlicher Ratsbeschluß" bzw. "uneigentliche Ratsentschließung" Jarass, DVBI. 2000, 945 (948). 190 Vgl. Wahl, in: FS für Blümel, 617 (620 f.); Jarass, DVBI. 2000, 945 (946 f.), der darauf hinweist, daß bereits in der VO 1261/1999 v. 21. 6. 1999 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und damit in einem bindenden Rechtsakt der Gemeinschaft auf das EUREK Bezug genommen wird, Jarass, a. a. 0., 948 mit Fn. 30.

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

Das Dokument fordert auch eine Neubewertung der Partnerschaft zwischen Stadt und Land, d. h. eine integrative Betrachtung von Stadt und Land als funktionalräumliche Einheit mit vielfältigen Beziehungen und Abhängigkeiten. Der Querschnittscharakter von Raumentwicklungspolitik und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit sowohl von Fachplanungen als auch speziell der Regionen in der EU werden im EUREK ebenfalls besonders betont. Beim informellen Ministerrat in Tampere am 04./ 05. 10. 1999 haben die Minister ein Übereinkommen über das EUREK-Aktionsprogramm getroffen, was einen ersten Schritt zur Umsetzung des EUREK in der Praxis darstellen soll. Die Mitgliedstaaten und die Kommission verpflichten sich darin, im Rahmen einer mittelfristigen Agenda mit vorläufigem Zeitplan 12 ausgewählte Aktionen entsprechend der vorgesehenen Aufgabenteilung durchzuführen. Zur konkreten Umsetzung dieser transnationalen Zusammenarbeit bedient sich die Gemeinschaft der Regional- und Strukturförderung. Im Gegensatz zum nationalen Recht fehlt es insoweit an einer institutionellen Trennung zwischen Raumordnung und Strukturpolitik. 191 Die Initiative Interreg 11 C der EU umfaßt drei Förderschwerpunkte, von denen sich einer auf Raumordnung und Aktionen transnationaler Zusammenarbeit in großen zusammenhängenden Räumen bezieht. Ziel ist auch hier die Förderung einer ausgewogenen und nachhaltigen Raumentwicklung in Europa. Hierfür waren für die Programmperiode 1999 von der Kommission rd. 100 Mio. ECU bereitgestellt worden. Fortgeführt wird dieses Aktionsprogramm für den Zeitraum von 2000 bis 2006 durch die Initiative Interreg III. Teilbereich B, der sich mit der transnationalen Raumordnung in der Gemeinschaft befaßt, steht ebenfalls unter dem Leitbild einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung. 192

3. Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UVP-RL) Zwischen der Umweltverträglichkeitsprüfung und der integriert ökologischen Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung besteht, vermittelt über das verbindende Element des medienübergreifenden Ansatzes,193 eine gewisse Affinität. 194 Die derart verfahrensrechtlich abgesicherte, integriert ökologische Betrachtungsweise gilt allerdings nach gegenwärtiger Rechtslage nur für einzelne Projekte. Weitere rechtliche Impulse könnten indes infolge der bis zum 21. Juli 191 Jarass, DVBI. 2000, 945 (946) weist darauf hin, daß diese Politiken von der gleichen Generaldirektion wahrgenommen werden. 192 Näher Jarass, DVBI. 2000, 945 (949). 193 Vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 i.Y.m. Anhang I lit f) Plan-UVP-RL bzw. Art. 3, 4. Spiegelstrich UVP-Ändg.-RL 194 Vgl. oben 1. Kap. A.II.1.f).

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2004 195 umzusetzenden Plan-UVP-Richtlinie zu erwarten sein. 196 Vor dem thematischen Hintergrund der vorliegenden Arbeit und der Verankerung des allgemeinen Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung im nationalen Bau- und Raumordnungsrecht sind vor allem die dahingehenden Auswirkung der Plan-UVP-RL zu untersuchen. Infolge des erweiterten Anwendungsbereiches der Plan-UVP-RL durch den geänderten Richtlinienvorschlag vom 18. 2. 1999 197 wurde die Einschränkung des Anwendungsbereiches auf "Entscheidungsprozesse im Bereich Raumordnung,,198 aufgegeben. Gegenstand sind jetzt Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Auswirkungen 199 auf die Umwelt haben, u. a. in den Bereichen "Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung" der in den Anhängen I und 11 der UVP-RL aufgeführten Projekte gesetzt wird. 2OO Die zu prüfenden Pläne und Programme müssen entgegen der ursprünglich vorgesehenen Begriffsbestimmungen - weder Bestimmungen201 über Art, Größe, Standort oder Betriebsbedingungen enthalten noch hierauf Bezug nehmen. 202

Nach Art. 1 Plan-UVP-RL ist es erklärtes Ziel der Richtlinie, "im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, daß Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden, indem dafür gesorgt wird, daß bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, entsprechend dieser Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden.,,203 Damit wird in der Vorverlagerung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Planungsebene ein wichtiger Aspekt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung gesehen. Demzufolge wird eine gebietsübergreifende, Vgl. Art 13. Abs. 1 Plan-UVP-RL. Vgl. (zum Vorschlag einer Plan-UVP-RL) etwa Wagner, in: Hoppe, UVPG, Vorbem. Rn. 61 ff.; Hoppe/Deutsch, in: EUDUR, § 88 Rn. 73 f.; Jarass, DÖV 1999,661 (668); Ziekow, UPR 1999, 287 ff. sowie jüngst Steinberg, in: FS für Hoppe, 493 (498 ff.). Krit. zum Entwurf der Plan-UVP-RL die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 277 /97; dazu wiederum krit. Steinberg, in: FS für Hoppe, 493 (502 ff.): insgesamt kaum ernstzunehmende Einwände; ebenfalls positiv Ziekow, UPR 1999,287 (292 ff.): Implementation in das geltende Gesamtplanungsrecht ohne größere Schwierigkeiten. 197 KOM (99) 73, endg. vom 18.2. 1999, ABI. EG Nr. C 83 vom 25.3.1999, S. 13. 198 Vgl. den 9. Erwägungsgrund sowie Art. 2 des ursprünglichen Vorschlags für eine PlanUVP-RL, abgedruckt in ABI. EG Nr. C 83, 14. 199 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Plan-UVP-RL. 200 Vgl. Art. 3 Abs. 2lit. a) Plan-UVP-RL. 201 Vgl. Art. 2lit. i), 3. Spiegelstrich Plan-UVP-RLV (1996). 202 So Art. 21it. i), 2. Spiegel strich Plan-UVP-RLV (1999). 203 Deutlicher noch Erwägungsgrund la Plan-UVP-RLV (1999): "Eine nachhaltige Entwicklung, die eines der grundlegenden Ziele der Europäischen Union ist, hängt von einer soliden Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und von der Erhaltung des Gleichgewichts der verschiedenen Ökosysteme ab, damit die heutige Generation ihre Bedürfnisse decken kann, ohne künftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen ihre Bedürfnisse zu decken." 195

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

von der einzelnen Anlage abhebende Sichtweise zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung zumindest für förderlich erachtet. Ebenfalls dem Gebot der Frühzeitigkeit Rechnung tragend wird im 4. Erwägungsgrund der Plan-UVP-RL die verfahrensrechtliche Natu?04 des Richtlinienvorschlags klargestellt und festgelegt, daß die Umweltprüfung vor der Entscheidung zur Annahme des jeweiligen Plans oder Programms durchgeführt werden muß. Gleichzeitig wird die Umweltprüfung als "wichtiges Werkzeug zur Einbeziehung von Umwelterwägungen" bezeichnet. Daraus läßt sich ableiten, daß Umwelt(verträglichkeits)prüfungen, jedenfalls aus europäischer Sicht, zur verfahrensrechtlichen Absicherung der Zielvorgabe einer nachhaltigen Entwicklung auf der Umsetzungsebene als besonders geeignet angesehen werden. Ein weiterer Kernpunkt der Plan-UVP-RL zur Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung wird in der Möglichkeit gesehen, Standortaltemativen bereits auf der Planungsebene, insbesondere auf regionaler Ebene zu berücksichtigen. So sind nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang I lit. h) Plan-UVP-RL im Rahmen des Umweltberichts "vernünftige Alternativen" zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. Eine solche projekt- bzw. anlageübergreifende Sichtweise bringt verschiedene Vorteile mit sich. Zum einen lassen sich Summationseffekte sinnvollerweise nur aus diesem Blickwinkel und nicht bei einer anlagenbezogen Betrachtungsweise berücksichtigen. Zum anderen kann die Standortwahl auf der Genehmigungsebene nur noch sehr bedingt beeinflußt werden, so daß eine Alternativenprüfung auf der Planungs- bzw. Programmebene, und zwar vor der Annahme derartiger Pläne und Programme erforderlich ist. 205 Bevor unter Berücksichtigung der Zielvorstellungen einer nachhaltigen Entwicklung auf die Konsequenzen einer Plan-UVP für die räumliche Gesamtplanung eingegangen wird, ist noch auf zweierlei hinzuweisen: Bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage werden bestimmte Arten von Bebauungsplänen einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen?06 Erfaßt werden aufgrund des projektbezogenen Charakters der Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP_RL207 indes lediglich projekt- bzw. vorhabenbezogene Bebauungspläne. Die Plan-UVP dient damit zum einen der Vorverlagerung der Umweltverträglichkeitsprüfung und zum anderen der Lückenschließung. Vgl. auch Erwägungsgrund 9: "Diese Richtlinie betrifft den Verfahrensaspekt, ... ". Vgl. Steinberg, in: FS für Hoppe, 493 (499). Zum Zeitpunkt der Alternativenprüfung siehe bereits Schlarmann, Alternativenprüfung, S. 94 ff.: spätestens im Zeitpunkt der Planungsentscheidung. Zur Beschränkung der Prüfung auf solche Alternativen, die "nach dem Planungsstand noch ernstlich in Betracht kommen", BVerwGE 100, 238, 6. Leitsatz; zu den Anforderungen, die die Rspr. an die Alternativenprüfung im Rahmen der planerischen Abwägung stellt siehe den Überblick bei DoldelMenke, NJW 1999, 1070 (1071). 206 Der sachliche Anwendungsbereich des UVPG richtet sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.Y.m. Anlage I zum UVPG. Die für bauplanungsrechtliche Vorhaben einschlägige Nr. 18 erfaßt nur Bebauungspläne, die für die dort genannten Vorhaben aufgestellt werden. 207 Richtlinie 85/337/ EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vom 27. 6. 1985, ABI. EG Nr. L 175, S. 40, zuletzt geändert durch die UVP-Änderungsrichtlinie vom 3. 3. 1997, ABI. EG Nr. L 73, S. 5. 204

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Des weiteren ist mit Blick auf die dem allgemeinen Nachhaltigkeitsgedanken immanente "Dreidimensionalität der Problemsicht und -bewältigung"Z08, wie sie in § lAbs. 2 Satz I ROG zum Ausdruck kommt, noch folgendes voranzustellen. Wie bereits oben 209 erläutert, muß zwischen einer nachhaltig umweltgerechten Entwicklung und dem allgemeinen Grundsatz nachhaltiger Entwicklung streng unterschieden werden. Ersteres steht für ein integrativ ökologisches Konzept i. S. d. Ökosystemschutzes, was weitestgehend der ökologischen Dimension des dreidimensionalen Konzepts nachhaltiger Entwicklung entspricht. 210 Eine Parallele kann demnach nur zwischen der Umweltverträglichkeitsprüfung, dem Konzept der nachhaltig umweltgerechten Entwicklung und der ökologischen Dimension der allgemeinen Nachhaltigkeit gezogen werden. 211 Die Gemeinsamkeit besteht in der integrativen, medienübergreifenden Sichtweise. Darüber hinaus beinhaltet jedoch der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung den Auftrag an die planenden Stellen, alle drei Dimensionen gleichermaßen integrativ zu ermitteln und schließlich die Teilergebnisse unter angemessener Berücksichtigung des Nachweltschutzes miteinander in Einklang zu bringen, mithin durch planerische Abwägung abzustimmen. Insofern lassen sich der Umweltverträglichkeitsprüfung, nicht zuletzt infolge ihrer verfahrensbezogenen Konzeption 212 nur verfahrensrechtliche Anforderungen bzw. Vorgaben für das "Wie" der Ermittlung, der schließlich in die Gesamtabwägung einzustellenden ökologischen Belange entnehmen. a) Allgemein zur Plan-UVP

Unter Berücksichtigung dieser Prämissen kann die Plan-UVP-RL zur verfahrensrechtlichen Konkretisierung und damit zur Operationalisierung der ökologiSo die prägnante Formulierung von Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1083). Einleitung A.II.5.a). 210 Nicht unmittelbar erfaßt ist indes die Langzeitperspektive, vgl. dazu oben I. Kap. A.II.I.f), die im Erwägungsgrund la Plan-UVP-RLV (1999) noch besonders hervorgehoben wurde. 2ll Nach Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1084), steht eine nachhaltig umweltgerechte Entwicklung für einen integrierten Umweltschutz, wie er gerade in § 2 Abs. I Satz 2 UVPG sowie § 3 UVP-RL versinnbildlicht sei. Man kann die UVP daher als verfahrensrechtliche Absicherung der integriert zu ermittelnden ökologischen Auswirkungen einer Maßnahme, und damit der ökologischen Dimension des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung, einstufen. Vgl. dazu auch Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien, S. 94. Auf europäischer Ebene wird die UVP indes lediglich als ein Mittel angesehen, um die Anforderungen des Art. 174 EG (13Or EGVa. F.), d. h. die angemessene Einbeziehung der Umwelterfordernisse in alle sonstigen Politiken, insbesondere wirtschaftliche und soziale Maßnahmen, sicherzustellen, vgl. etwa 4. Umweltaktionsprogramm, ABI. EG Nr. C 328, S. 10 vom 7. 12. 1987 sowie dazu Frenz/ Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 168 ff. 212 Vgl. etwa Hoppe/Deutsch, in: EUDUR, § 88 Rn. 66 und insbesondere den 3. Erwägungsgrund der UVP-RL. 208 209

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

sehen Dimension des allgemeinen Nachhaltigkeitsgrundsatzes beitragen,z13 Idealtypisch verlangt dieser jedoch eine vergleichbare (verfahrensrechtliche) Absicherung der vom jeweiligen Programm bzw. Plan tangierten sozialen und ökonomischen Interessen,z14 Die noch ins nationale Recht umzusetzende Plan-UVP-RL wird zu einer wesentlichen Erweiterung der UVP-pflichtigen Pläne führen und vermag damit einen Beitrag zu leisten, zumindest das ökologische Strukturelement bereits auf dieser Entscheidungsstufe zur Geltung zu bringen. Insbesondere was die Raumplanung anbelangt, sind sämtliche nationalen Pläne hiervon erfaßt. 215 Darüber hinausgehend erstreckt sich ihr Anwendungsbereich auch auf die Ebene der Bauleitplanung. Während allerdings Flächennutzungspläne grundsätzlich erfaßt werden, ist dies bei Bebauungsplänen nicht der Fall. Letztere enthalten Festlegungen, die sich im Vergleich zur Ebene der Raumordnung und zu Flächennutzungsplänen, die das gesamte Geineindegebiet erfassen, regelmäßig auf "kleinere Gebiete auf lokaler Ebene" beschränken, mithin auf vergleichsweise kleine Flächen beziehen. Demnach unterliegen sie nur dann einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn sie gern. Art. 3 Abs. 3 Plan-UVP-RL nach Auffassung der Mitgliedstaaten erhebliche negative (Umwelt)Auswirkungen haben können.

213 Vgl. dazu die Pressemitteilung 224/99 des BMU vom 11. 12. 1999, wo es heißt: "Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß über wichtige umweltrelevante Aspekte nicht erst bei der konkreten Zulassungsentscheidung für ein einzelnes Projekt (z. B. eine Eisenbahntrasse), sondern bereits auf vorgelagerten Planungsebenen (z. B. bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans) entschieden wird. Die geplante Richtlinie ist ein wesentlicher Baustein für die Integration des Umweltschutzes in andere Politikbereiche und eine notwendige Ergänzung zur bereits bestehenden Umweltverträglichkeitsprüfung bei konkreten Projekten". Letzteres, d. h. die Integration des Umweltschutzes in andere Politikbereiche ist nach der neuen Querschnittsklausel des Art. 6 EG, auf die der 1. Erwägungsgrund der PlanUVP-RL ausdrücklich Bezug nimmt, ein wesentlicher Aspekt zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. 214 Dies leitet zu dem grundlegenden Problem über, daß der "allumfassende" Ansatz des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung leicht zu einem verfahrensrechtlichen "Kollaps" führen kann und dementsprechend eine verfahrensrechtliche Konzentration oder der im Vorfeld zur Änderung des Raumordnungsgesetzes geäußerte Vorschlag auf ein gesondertes (eindimensionales) fachplanerisches Instrumentarium zugunsten von flexiblen Fachbeiträgen als Beitrag zur Regionalplanung zu verzichten und dies mit der Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung zu kombinieren. Die Möglichkeit einer (umfassenden) Einbeziehung der Öffentlichkeit eröffnet nunmehr die rahmenrechtliche Regelung in § 7 Abs. 6 ROG. Vgl. dazu und zur Differenzierung zwischen Einbeziehung und Beteiligung der Öffentlichkeit Erbguth, DÖV 1998,673 (676). Problematisch ist jedoch insoweit, daß § 7 Abs. 6 ROG fakultativer Natur ist. Insofern kann die gemäß Art. 13 Abs. 1 bis zum 21. April 2004 umzusetzende Plan-UVP-RL, die letztlich eine Öffentlichkeitsbeteiligung zwingend erfordert (vgl. Art. 6 Abs. 1,4 i.Y.m. Art. 21it. d) Plan-UVP-RL; dazu sogleich unter cc). 215 D.h. sämtliche Pläne und Programme der Landesplanung, vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. a) Plan-UVP-RL.

B. Europäische Dimension

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b) Öjfentlichkeitsbeteiligung

aa) Rechtspolitische Forderungen Entweder zwecks Kompensation von kognitiven Unsicherheiten,216 insbesondere im Umwelt- und Technikrecht,217 oder im Zusammenhang mit der Einsicht, daß die rechtliche Steuerungs- und Determinierungskraft gerade im Planungsrecht,z18 aber auch im zunehmend integrativ auszurichtenden (Anlagen)Genehmigungsrecht an ihre Grenzen stÖßt,219 werden vielfach Absicherungen auf der Verfahrensebene für erforderlich gehalten. Die vom Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung geforderte Dreidimensionalität von Problemsicht und -bewältigung, sein integrativer Ansatz, und vor allem seine Zukunfts gerichtetheit, beinhalten ebenfalls zahlreiche Unsicherheitskoeffizienten. Angesichts dieser inhaltlichen "Offenheit" der Zielvorgabe der allgemeinen Nachhaltigkeit ist verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls ein besonderes Gewicht beizumessen,z2o Vor diesem Hintergrund muß auch Grundsatz 10 der Rio-Deklaration gesehen werden. Danach sind Umweltfragen am besten unter Beteiligung aller betroffenen Bürger auf der jeweiligen Ebene zu behandeln. 221 In Satz 3 heißt es: Die Staaten erleichtern und 216 R. Schmidt, DÖV 1994,749 (755): Angesichts des unzureichenden wissenschaftlichen Erkenntnisstandes nie ganz behebbare "Notlösung". 217 Vgl. etwa v. Lersner, NuR 1990, 193 (197); speziell auf das Problem der Langzeitverantwortung bzw. intergenerationellen Gerechtigkeit bezogen Kloepfer, Langzeitverantwortung, S. 41, der anhand bestimmter Anforderungen (Langzeitpräsens, Priorität des Langzeitinteresses, Objektivität und Akzeptanz), die an eine Institutionalisierung von Langzeitverantwortung zu stellen sind, zu dem Ergebnis gelangt, daß derzeit bestehende Institutionen sich nur bedingt eignen und demnach sowohl in strukturell-institutioneller als auch in verfahrensmäßiger Hinsicht Regelungsbedarf besteht, will der Staat den Anforderungen an eine intergenerationelle Gerechtigkeit gerecht werden. 218 Stellvertretend zu den rechtlichen Grenzen richterlicher Kontrolle bei (optimierenden) Abwägen Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139 (162 ff.). Zur hervorgehobenen Bedeutung von Verfahrensvorschriften im Planungsrecht bereits Schmidt-Aßmann, DÖV 1981,237 (240): "Abwägung (ist) zu allererst als Vorgang zu deuten". 219 Siehe dazu Würtenberger, VVDStRL 58 (1999), 139 (166 ff.) m. w. N., der, mangels klarer Entscheidungsmaßstäbe, den gebotenen Grundrechtsschutz nur durch eine diskursive, kooperative (Rahmen)Gestaltung des Verwaltungsverfahrens gewährleistet sieht. Kritisch zum "Modethema" Grundrechtsschutz durch Verfahren etwa Ronelienfitsch, in: FS Blümel, 497 (517 ff.), wonach es letztlich nur auf das Abwägungsergebnis ankomme und: "Einen geglückten Interessenausgleich wieder aufzuheben, nur weil irgendwelche Verfahrensverstöße aufgedeckt worden sind, oder weil Abwägungsbelange, auf die es letztlich nicht ankommt, übersehen oder fehlgewichtet wurden, erscheint widersinnig". 220 In diesem Sinne auch Erbguth, DVBI. 1999, 1082 (1089). Zum vergleichbaren Problem im Zusammenhang mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "Allgemeinwohl" bzw. "öffentliches Interesse" bereits Ossenbühl, VR 1983, 301 (302); siehe auch RöthellHartmann, UTR Bd. 31 (1995),71 (72 ff.) im Zusammenhang mit der Grenzwertfestsetzung. 221 Auch das BVerwG, BauR 1980, 36 hat die Bedeutung der Bürgerbeteiligung bei Planungen mehrfach betont, da sie es ermögliche, dem Plangeber Betroffenheiten deutlich zu machen. Dies ist im Planungsrecht deshalb von Bedeutung, weil die im Beteiligungsverfah-

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1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

fördern die öffentliche Bewußtseinsbildung und die Beteiligung der Öffentlichkeit. Von daher zeigen sich Parallelen zwischen der rechtspolitischen Forderung nach einer sog. Legitimation durch Verfahren 222 und dem politischen Aktionsprogramm der Rio-Deklaration. Durch die Formulierung "am besten" beläßt es Grundsatz 10 der Rio-Deklaration freilich bei einem reinen Appell an die Konferenzteilnehmer. bb) Beteiligung und Einbeziehung de lege lata Nach der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 5 ROG ist landesrechtlich vorzusehen, daß bei der Zielaufstellung durch die Träger der Landes- oder Regionalplanung diejenigen öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts zu beteiligen sind, für die eine Zielbeachtenspflicht nach § 4 Abs. I oder 3 ROG begründet werden soll. Als öffentliche Stelle i. S. d. § 4 Abs. I Satz 1 ROG wird damit insbesondere den Gemeinden ein Beteiligungsrecht gern. § 7 Abs. 5 ROG eingeräumt. Die Rechtsprechung wertet solche Beteiligungsrechte als verfahrensrechtliche Absicherung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der als Maßstab für die Überprüfung von überörtlichen Planungseingriffen in die kommunale Planungshoheit Anwendung findet. 223 Durch die kommunale Beteiligung sei zudem sicher gestellt, "daß der untergesetzliche Normgeber umfassend über die in die Abwägung einzustellenden Belange - insbesondere diejenigen von örtlichem Gewicht - unterrichtet wird." Das Raumordnungsgesetz macht damit Beteiligungspflichten von der Reichweite der Zielbindungswirkung abhängig. Anknüpfungspunkt ist damit freilich nur die unmittelbar aus dem Raumordnungsgesetz resultierende Beachtenspflicht. Wird eine solche Zielbindung durch besondere Raumordnungsklauseln, wie insbesondere § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB angeordnet, so ergeben sich nach der Gesetzeslage keine weitergehenden Beteiligungspflichten. Dies erscheint deshalb bedenklich, weil der über § 35 Abs. 3 BauGB ermöglichte bodenrechtliche Durchgriff materielle Rechtspositionen von Privaten in erheblichem Maße schmälern kann, ohne daß deren verfahrensrechtliche Einbindung und damit eine verfahrensrechtliche Kompensation erfolgt. Andererseits kann allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Negativwirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als sog. Regelvermutung ausgestaltet und damit widerlegbar ist. Die von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorausgesetzte Ausschlußwirkung zielförmiger Festlegungen führt daher ren vorgebrachten Gesichtspunkte die Ermittlungs- und die anschließende Gewichtungsphase der Abwägung beeinflussen. 222 Vgl. dazu einerseits Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 203 ff., speziell zur zweckgerichteten Planung S. 207 f., der aufgrund der damit verbundenen gesteigerten Aufnahme von Informationen die Rationalität der Entscheidung belastet sieht. Andererseits sieht der SRU, Umweltgutachten 1987, Tz. 137, in der Öffentlichkeitsbeteiligung ein "unverzichtbares Element der UVP" und betont gerade die "Verbesserung der Informationsbasis für den Entscheider", wenngleich in der Beteiligung der Öffentlichkeit allein kein Garant für transparente und nachvollziehbare Entscheidungsabläufe gesehen wird, Tz. 139. 223 Vgl. VerfGH NW, NWVBI. 1990,51 (53).

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nur in der Regel, d. h. regelmäßig und nicht generell dazu, daß öffentliche Belange privilegierten Vorhaben entgegenstehen. Im Einzelfall kann sich also durchaus etwas anderes ergeben, sofern es dem privaten Vorhabenträger gelingt die gesetzliche Regelvermutung zu widerlegen. Nach Perer Runkel ist eine Abweichung von der Regelvermutung beispielsweise dann denkbar, wenn das zu genehmigende Vorhaben nach den Umständen des Einzelfalles nicht den Vorhaben entspricht, die der Träger der Regionalplanung räumlich steuern wollte. 224 Des weiteren führt er den Fall an, daß bestimmte private Belange aufgrund der grobkörnigen Sichtweise der Raumordnung noch nicht mit in die Planung eingeflossen sind. In der Praxis wird es nicht immer einfach sein zu ermitteln, welche Vorhaben und Maßnahmen die planenden Stellen im einzelnen erfassen wollten. Was die Beteiligung von Privaten in der räumlichen Gesamtplanung anlangt, so eröffnet § 7 Abs. 6 ROG den Ländern lediglich die Möglichkeit zur Einbeziehung oder Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des Aufstellungsverfahrens. Diese Regelung ist jedoch nicht obligatorisch. Demnach bleibt abzuwarten, ob die Länder von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machen. 225 Für die Ebene der überörtlichen Raumplanung kann jedenfalls festgehalten werden, daß die Beteiligung der Öffentlichkeit nach der gesetzgeberischen Konzeption des ROG nicht als zwingende Voraussetzung zur Verwirklichung des Nachhaltigkeitsgedankens angesehen wird.

cc) Öffentlichkeitsbeteiligung de lege ferenda In diesem Zusammenhang könnte sich die noch umzusetzende Plan-UVP-RL auswirken. Sofern eine Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 1 Plan-UVP-RL erforderlich ist, ist nach Art. 5 Abs. 1 Plan-UVP-RL ein Umweltbericht mit den im Anhang I der Plan-UVP-RL genannten Informationen zu erstellen. Dazu gehört insbesondere eine Beschreibung der Umweltmerkmale der Gebiete, die voraussichtlich erheblich beeinflußt werden, der Umweltprobleme und der erhebliche Auswirkungen des Plans, insbesondere auf FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete, die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen, "einschließlich sekundärer, kumulativer, synergistischer, kurz-, mittel- und langfristiger, ständiger und vorübergehender, positiver und negativer Auswirkungen." Damit wird deutlich, daß die Richtlinie von einem umfassenden Verständnis der Umweltauswirkungen ausgeht. Zudem sind geplante Maßnahmen zur Verhinderung, Verringerung oder zum Ausgleich erheblicher Umweltauswirkungen des Plans oder Programms sowie die Gründe für die Ablehnung geprüfter Alternativen zu nennen. Anschließend sind sowohl der Planentwurf als auch der Umweltbericht gemäß Art. 6 Abs. 1, 4 Plan-UVP-RL den betroffenen Umweltbehörden und zumindest der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, Art. 6 Abs. 1,4 i.Y.m. Art. 2 224 225

6 Bode

Runkel, DVBI. 1997,275 (280). Vgl. zur Umsetzungsfrist § 22 ROG.

82

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

lit. d) Plan-UVP-RL. Danach zählen auch die "relevanten Nichtregierungsorganisationen", also die gern. § 29 a. F. / § 58 n. F. BNatSchG anerkannten Naturschutzverbände, zur Öffentlichkeit i. S. d. Plan-UVP-RL. Die Ergebnisse der auf diese Weise verfahrensrechtlich geregelten Umweltprüfung fließen über das Berücksichtigungsgebot des Art. 8 Plan-UVP-RL in das Planaufstellungsverfahren ein. Damit wird eine umfassende Berücksichtigung der umweltrelevanten Auswirkungen im Vorfeld der Planverwirklichung verfahrensrechtlich sichergestellt.

C. Der Nachhaltigkeitsgedanke auf nationaler Ebene I. Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland Parallel zu der Entwicklung auf internationaler und europäischer Ebene ist auch in Deutschland eine Auseinandersetzung auf den unterschiedlichsten Ebenen mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung angestoßen worden. Im Anschluß an die Rio-Konferenz bestand eine regelrechte Aufbruchstimmung,226 welche jedoch momentan von einer Phase der zunehmenden Ernüchterung abgelöst wird. Die aktuelle politische Diskussion ist primär von arbeitsmarktpolitischen Themen beherrscht, wie der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 1998227 jüngst konstatierte. 228 Gleichwohl wirkt das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung nicht nur auf politischer Ebene bzw. in der politischen Diskussion,229 sondern infolge der rechtlichen Entwicklung auch in der (planungs)rechtlichen Diskussion 23o fort. Insbeson226 Was die Einsetzung einer Enquete-Kommission und die zahlreichen Dokumente zu diesem Thema belegen. Vgl. Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt", Konzept Nachhaltigkeit, BT-Drucks. 13/7400; Rat von Sachverständigen für Umwelt/ragen, Umweltgutachten 1994 - Für eine dauerhaft umweltgerechte Entwicklung, BT-Drucks, 121 6995; ders., Umweltgutachten 1996 - Zur Umsetzung einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung, BT-Drucks. 13/4108; ders., Sondergutachten 1998 - Flächendeckend wirksamer Gewässerschutz. Ein Schritt zur dauerhaft umweltgerechten Entwicklung, BT-Drucks. 131 10196. 227 Rat von Sachverständigen für Umwelt/ragen, Umweltgutachten 1998, zugleich BTDrucks. 13 110195. 228 Vgl. das Vorwort des Umweltgutachtens 1998, BT-Drucks. 13 11 0\ 95. 229 Siehe etwa FAZ Nr. 180 vom 6. 8. 99, S. 51 "OECD gibt deutschen Städten gute Noten"; FAZ Nr. 186 vom 13. 8. 99, S. 6 "Grüne Realpolitiker stellen Thesen zur Umweltpolitik vor". Ferner wird der Nachhaltigkeitsgedanke an verschiedenen Stellen der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen "Aufbruch und Erneuerung Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert angeführt, etwa in der Präambel sowie unter IV. 2, wo die Parteien die Erarbeitung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie als Ziel ihrer Umweltpolitik beteuern. 230 Von den zahlreichen Fachtagungen zum Thema nachhaltigen Entwicklung seien hier nur folgende genannt: 1. Speyerer Planungsrechtstage: "Das Bau- und Raumordnungsgesetz

C. Der Nachhaltigkeitsgedanke auf nationaler Ebene

83

dere die von der Bundesregierung in dem "Bericht anläßlich der UN-Sondergeneralversammlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York,,231 aufgestellten drei "Managementregeln der Nachhaltigkeit" bieten einen Ansatz für eine weitere Konkretisierung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung. Diese lauten: 232 ,,1. Die Nutzung erneuerbarer Naturgüter (z. B. Wlilder oder Fischbestände) darf auf Dauer nicht größer sein als ihre Regenerationsrate - andernfalls gingen diese Ressourcen zukünftigen Generationen verloren.

2. Die Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen (z. B. fossile Brennstoffe, Energieträger oder landwirtschaftliche Nutzfläche) darf auf Dauer nicht größer sein als die Substitution ihrer Funktionen (Beispiel: denkbare Substitution fossiler Energieträger durch Wasserstoff aus solarer Elektrolyse). 3. Die Freisetzung von Stoffen und Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfahigkeit der natürlichen Umwelt (Beispiel: Anreicherung von Treibhausgasen in der Atmosphäre oder von säurebildenden Substanzen im Waldboden)". Stellt man diese Aussagen den vier Regeln der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" gegenüber, so zeigt sich eine weitestgehende inhaltliche Übereinstimmung. Letztere lauten: 233 ,,1. Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll deren Regenerationsrate nicht überschreiten. 234 Dies entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit, d. h. (mindestens) nach Erhaltung des von den Funktionen her definierten ökologischen Realkapitals.

2. Nicht erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktional gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höhere Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird. 1998 - Erfahrungen und Novellierungsbedarf', 10. Bis 12. 3. 99 ; Tagung: "Nachhaltige Regionalentwicklung", Berlin, 11. /12. 3. 99; "Nachhaltige städtebauliche Entwicklung - Anforderungen an die gemeindliche Bauleitplanung", Kaiserslautern, 27./28. 9. 99. Aus der Lit. Erbguth, DVBI. 1999, 1082 ff. 231 BT-Drucks. 13 /7054. 232 Zitiert nach Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bericht der Bundesregierung anläßlich der UN-Sondergeneralversammlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York, Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland, BT-Drucks. 13/7054, S. 6. 233 V gl. Enquete-Kommission, Die Industriegesellschaft gestalten, S. 32; dies., Konzept Nachhaltigkeit, BT-Drucks. 13/7400, S. 13. 234 Ähnlich SRU, UmweItgutachten 1994, zugleich BT-Drucks. 12/6995, S. 47: ,,1. Die Nutzung einer Ressource darf nicht größer sein als ihre Regenerationsrate ... all ihrer Funktionen (Ressourcenschonung). Insgesamt zu den Managementregeln für erneuerbare Ressourcen auch FrenzlUnnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 62 ff., die diese mit Blick auf deren Ziel, eine Konstanz des Naturkapitals zu sichern, als notwendig, allerdings nicht hinreichend einstufen. 6*

84

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

3. Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der Belastbarkeit der Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berücksichtigen sind, nicht zuletzt auch die "stille" und empfindliche Regelungsfunktion ( ... ). 4. Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt muß in ausgewogenem Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen". Hierin wird zu Recht eine Übertragung und Erweiterung des forstwirtschaftlichen Bewirtschaftungsprinzips der Nachhaltigkeit auf den gesamten Umgang mit natürlichen Ressourcen gesehen. 235 Indes können die Managementregeln nicht ohne weiteres mit dem dreidimensionalen Nachhaltigkeitsverständnis gleichgesetzt werden. Die Enquete-Kommission betont ausdrücklich, daß es sich bei vorstehenden Regeln um ökologische Handlungsziele handelt und die Formulierung ökonomischer und sozialer Ziele bewußt ausgeklammert wurde. 236 Insoweit können sie allerdings zur Konkretisierung der ökologischen Dimension des weitergehenden Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung herangezogen werden.

1. Gehalt bzgl. erneuerbarer Ressourcen

Indem diese Managementregel die Regenerationsrate einer Ressource zum Maßstab für deren Nutzung erklärt, werden ökologische, genauer biologische Faktoren als Bezugsgröße verwandt. Im Vordergrund steht damit zumindest der quantitative Erhalt einer Ressource; ökonomische Größen stehen nicht im Vordergrund. 237 Gleichwohl wirkt der derart bezweckte Erhalt des Naturkapitals, indem er - idealtypisch - den Bestand einer Ressource konstant hält, auf die wirtschaftliche Nutzbarkeit dieser Ressource zurück. Ob sich darüber hinausgehend auch ein qualitativer Maßstab im Sinne einer Forderung nach einem qualitativ konstanten Erhalt des Naturkapitals für emeuerbare Ressourcen ableiten läßt, wird bezweifelt. 238 Dagegen spricht indes, daß sich vorstehenden Managementregeln betreffend erneuerbare Ressourcen über die Kopplung des zulässigen Nutzungsmaßstabs an die Regenerationsrate sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Komponente entnehmen läßt. Regeneration bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Wiederherstellung bzw. Zurückversetzung in den ursprünglichen Zustand. 239 Damit ist die Nutzung einer emeuerbaren Ressource nachhaltig i. S. d. ersten Managementregel, wenn langfristig ein Zustand erhalten bleibt, der quantitativ und qualitativ dem ursprünglichen Zustand, d. h. demjenigen vor der Nutzung entspricht.

235 236 237

238 239

So Heins, Nachhaltige Entwicklung der Industriegesellschaft, S. 49. Vgl. Enquete-Kommission, Konzept Nachhaltigkeit, S. 13 f. Ebenso Frenzl Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 63. Frenzl Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 64. Duden, Fremdwörterbuch, S. 693.

C. Der Nachhaltigkeitsgedanke auf nationaler Ebene

85

Gleichwohl sind die bei den Definitionsansätze nicht deckungsgleich. Während die Managementregel der Bundesregierung ausschließlich die Regenerationsrate zum Maßstab erklärt und die Ressource in ihrem physischen Bestand als solche erhalten bleiben soll, basiert die Definition der Regenerationsrate nach der EnqueteKommission auf einem funktionalen Ansatz. Das zu erhaltende ökologische Realkapital wird von den Funktionen her definiert. Danach ist ein physischer Ersatz für den Verbrauch erneuerbarer Ressourcen nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die Funktionen der entsprechenden Ressource erhalten bleiben. Damit ermöglicht die Interpretation der Enquete-Kommission eine Substitution von Naturgütern, deren Bestand nutzungsbedingt verringert wurde durch funktionale Äquivalente. Eine weitere Relativierung enthält die Managementregel der Enquete-Kommission durch ihre Formulierung als "Sollvorschrift". Damit sind Abweichungen von dieser Regel in atypischen Fällen möglich. Unter normtheoretischen Gesichtspunkten ist die Managementregel der Enquete-Kommission also keine Regel im eigentlichen Sinne, sondern ein Prinzip. 240 2. Gehalt bzgl. nicht erneuerbarer Ressourcen

Raumplanung hat die Verteilung, Sicherung und Entwicklung der begrenzten Ressource Raum zum Gegenstand. Ihre Aufgabe ist es, die Voraussetzungen für die Befriedigung der unterschiedlichen Ansprüche an den Raum241 sowie für den Erhalt und die Entwicklung seiner ökologischen Funktionen zu schaffen. Versteht man Raum in einem dreidimensionalen Sinne, mithin als Produkt der Dimensionen Boden, Wasser und Luft, so sind auch die dahinterstehenden Determinanten für sich betrachtet nicht erneuerbare Ressourcen. 242 Damit ist die jeweils zweite Managementregel von besonderer Raumordnungsrelevanz. Danach wird die Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen dann als mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung vereinbar angesehen, wenn ein physisch oder funktional gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höhere Produktivität der nicht erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird. Unabhängig von der normativen Offenheit der Formulierung "gleichwertiger Ersatz" lassen sich hieraus gewisse Konturen gewinnen. Insbesondere wird die zirkuläre 240 Vgl. zu dem aus normtheoretischer Sicht grundlegenden Unterschied zwischen Regeln und Prinzipien Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; auf das Planungsrecht bezogen Hoppe, DVBI. 1993,681 (684 f.). Danach sind Regeln Normen, die stets nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden können, beanspruchen mithin strikte Geltung. Während eine Regelkollision auf der Geltungsebene zu lösen ist, muß eine Prinzipienkollision (dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 f. im Einzelfall anhand des jeweiligen Gewichts, mithin durch Abwägung gelöst werden. Vgl. dazu oben 1. Kap. A.l1.2.a)bb). 241 Näher dazu unten 3. Kap. C.III.1.a). 242 Vgl. allgemein zu den Steuerungsmöglichkeiten der Raumordnung hinsichtlich dieser drei Umweltmedien Book, Bodenschutz, S. 31 ff.; Thum, Gewässerfunktionen, S. 29 ff.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 171 ff. sowie Breuer, IzR, 1980,509 (515 ff.).

86

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

Idee der Nachhaltigkeit nicht in dem Sinne für nicht erneuerbare Ressourcen verabsolutiert, daß eine weitere Inanspruchnahme zugunsten nachfolgender Generationen ausgeschlossen wird. Vielmehr erfolgt eine Betrachtung von den jeweiligen Funktionen her, die eine bestimmte Ressource für den Menschen wahrnimmt. Dieser Teil der Managementregel ist für die Raumordnung nur von untergeordneter Bedeutung. Denn für Raum i.S.v. Boden, Wasser und Luft und deren Funktionen, wie etwa die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichenden Mengen von sauberer Luft und Wasser sowie ausreichend Grund und Boden für die bauliche und sonstige Nutzung, ist kein funktional gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen denkbar. Relevant ist diese erste Alternative lediglich für Teilbereiche der Raumordnung. Indem diese etwa nach § 2 Abs. 2 Nr. 9 Satz 3 ROG auch die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen zu schaffen hat, wäre die Ableitung von Planungsdirektiven für die Ausweisung entsprechender Flächen zumindest denkbar. Denn legt man bezüglich mineralischer Rohstoffe eine funktionale Betrachtung zugrunde, stellt mithin auf die Sicherung der Energieversorgung als (Haupt- )Funktion der fossilen Energieträger ab, so kommt angesichts deren zumindest theoretisch denkbaren Substituierbarkeit durch erneuerbare Ressourcen eine raumordnerisch gekoppelte Flächenausweisung in Betracht. Bevor der letztlich entscheidenden Frage nachgegangen wird, inwieweit die politische Zielvorgabe der insoweit relevanten Managementregeln im ROG tatsächlich umgesetzt wurde, soll zunächst untersucht werden, ob eine Übertragung insbesondere der zweiten Managementregel auf die Raumordnung überhaupt in Betracht kommt, und wenn ja, welche Konsequenzen dies für die Zielsetzung der Raumordnung und damit für planenden Stellen hätte.

3. Konsequenzen für die (Raum-)Planung

a) Anforderungen der Managementregeln

Die Managementregeln sind auf Erhalt des "ökologischen Kapitals" gerichtet, sei es nun physisch oder funktionell. Während die ersten beiden Managementregeln eine Konkretisierung des ressourcenökonomischen Ansatzes des allgemeinen Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung darstellen, knüpft bzw. knüpfen die 3. bzw. die 3. und 4. Managementregel an die Tragekapazität der Ressourcen an. Auf den ersten Blick erscheinen sie daher lediglich als Ausdruck einer nachhaltig umweltgerechten Entwicklung, mithin der ökologischen Dimension des allgemeinen Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung. Indes gehen diese Managementregeln über die Zielsetzung eines integrierten Umweltschutzes hinaus, wie er der ökologischen Nachhaltigkeit zugrunde liegt. Denn sie fordern mehr als einen integrativen Prüfansatz und eine angemessene Berücksichtigung der Umweltauswirkung von Nutzungsansprüchen einschließlich etwaiger Wechsel wirkungen zwischen den Um-

C. Der Nachhaltigkeitsgedanke auf nationaler Ebene

87

weltmedien, wie er beispielsweise in § 2 Abs. I Satz 2 UVPG zum Ausdruck kommt. Dies gilt nach dem Wortlaut der jeweils zweiten Managementregel auch für die Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen, wozu die Bundesregierung ausweislich des Klammerzusatzes die beispielhaft genannten landwirtschaftlichen Nutzflächen zählt. Deren Nutzung darf auf Dauer nicht größer sein, als ein physisch und funktional gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird. Verlangt wird also jedenfalls die Substitution ihrer Funktionen. Es fragt sich, inwieweit die planenden Stellen diese Forderung umsetzen können.

b) Entkoppelung von Flächeninanspruchnahme und Wirtschaftswachstum

Zunächst gilt es die Forderung zu betrachten, daß im Falle der Inanspruchnahme nicht erneuerbarer Ressourcen, hier von (Frei)Flächen, ein physisch und funktional gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen zu schaffen ist. Erneuerbare Ressourcen, die als Substitute zur Deckung des Flächenbedarfs dienen könnten, existieren nicht. Dennoch lassen sich sowohl auf politischer Ebene als auch auf rechtlicher Ebene Anhaltspunkte dafür ausmachen, worin die Bundesregierung bzw. der Bundesgesetzgeber Lösungsmöglichkeiten für die Umsetzung der Zielvorgabe einer nachhaltigen Flächennutzung sieht. In ihrem Bericht anläßlich der UN-Sondergeneralversammlung in New York243 hebt die Bundesregierung folgendes hervor: "Die "Flächeninanspruchnahme" ist in den vergangenen Jahrzehnten in etwa linear zur wirtschaftlichen Entwicklung verlaufen. Um die ökologischen Funktionen der Fläche langfristig zu erhalten, zu regenerieren und zu verbessern, strebt die Bundesregierung eine deutliche Entkoppelung von Flächeninanspruchnahme und Wirtschaftswachstum an". Für die Umsetzung dieser zunächst rein politische Maxime eignet sich die Raumordnung bzw. das Raumordnungsrecht nur sehr bedingt. Denn das Raumordnungsrecht vermag lediglich einen vorhandenen Flächenbedarf zu kanalisieren, indem es für bestimmte raumbedeutsame Nutzungen und Funktionen mit unterschiedlichem Verbindlichkeitsgrad ausgestattete Festlegungen trifft244 und damit das "Wie" und eingeschränkt, über strikte Planaussagen (sog. Ziele der Raumordnung, vgl. § 3 Nr. 2 ROG) auch das "Ob" der Flächeninanspruchnahme steuert. Eine Beeinflussung der Flächennachfrage als eigentliche Ursache der hohen Flächeninanspruchnahme entzieht sich dagegen dem Zuständigkeits- bzw. Einflußbereich der Raumordnung und scheitert dementsprechend mangels geeigneter Instrumente. 245 BT-Drucks. 1317054, S. 53. Vgl. dazu die Gebietskategorien des § 7 Abs. 4 ROG. 245 Hierfür kommen v.a. steuer- und abgabenrechtliche Instrumentarien, wie die in der Diskussion stehende Bodenwertsteuer in Betracht. Überlegenswert wäre zudem die abschreibungsmäßige Gleichstellung des Erwerbes gebrauchter und neuer Immobilien bzw. die 243 244

88

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

Eine weitere (Frei)Flächeninanspruchnahme, beispielsweise für Siedlungs- oder Verkehrszwecke, unter der Bedingung, daß deren Funktionen auf Dauer substituiert werden, kann aber dadurch ermöglicht werden, daß bisher für vergleichbare Zwecke genutzte brachgefallene Flächen in entsprechendem Maße entsiegelt und anschließend renaturiert bzw. wiedernutzbar246 gemacht werden. Andererseits kann die Inanspruchnahme weiterer Freiflächen reduziert werden, indem brachgefallene Siedlungs- bzw. Industrieflächen einer unmittelbaren baulichen Folgenutzung zugeführt werden. Im letzteren Fall wird der zweiten Managementregel vollumfänglieh entsprochen, denn: Das Erfordernis einer Substitution der ökologischen Funktionen dieser Fläche scheidet mangels Beeinträchtigung von vornherein aus. Die wirtschaftliche bzw. soziale Funktion der Fläche wird durch die Folgenutzung perpetuiert. Das materielle Raumordnungsrecht beinhaltet in § 2 Abs. 2 Satz 3 ROG auch einen dahingehenden Ansatzpunkt247 . Dort heißt es: "Der Wiedernutzung brachgefallener Siedlungsflächen ist der Vorrang vor der Inanspruchnahme von Freiflächen zu geben,,?48 Des weiteren soll nach § 2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 5 ROG "bei dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen der Boden in seiner Leistungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden." Schließlich eröffnet § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG die Möglichkeit, der naturschutzrechtlichen Eingriffsproblematik bereits auf raumplanerischer Ebene im Rahmen von Festlegungen zur anzustrebenden Freiraumstruktur Rechnung zu tragen. So können die Träger der Raumordnungsplanung die Festlegung von Gebieten für sog. Freiraumnutzungen nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b ROG zugleich mit der Festlegung von Ausgleiehsflächen für zu erwartende unvermeidbare Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes kombinieren. Nach der zweiten Alternative der zweiten Managementregel der Enquete-Kommission ist dieser Regel auch dann entsprochen, wenn nicht erneuerbare Ressourcen nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden, in dem ein physisch oder funktional gleichwertiger Ersatz in Form höherer Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird. Diesem funktionalen Kompensationsinteresse ist auch dann genüge getan, wenn die Inanspruchnahme ökologisch weniger bedeutsamer Flächen durch eine ökologische Aufwertung an anderer Stelle kompensiert wird. Als wesentlicher ökologischer Aspekt einer am Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung orientierten Raumordnung kann damit die Reduzierung des Freiflächenverbrauchs durch Flächenrecyc1ing sowie dessen funktionaler Ausgleich durch Ausgleiehs- bzw. Kompensationsmaßnahmen angesehen werden. steuerrechtliche Besserstellung solcher Immobilien, die auf brachgefallenen Industrie- oder Siedlungsflächen errichtet werden. 246 Vgl. zur städtebaulichen Bedeutung der Wiedernutzbarrnachung von Baubrachen Krautzberger, WiVerw. 1997, 1 ff. 247 Die nachfolgende Vorschrift des Raumordnungsgesetzes bezieht sich ausdrücklich nur auf das Siedlungsflächenrecycling, so daß die Wiedernutzung von Industriebrachen zumindest keine ausdrückliche Erwähnung findet. 248 Zum Flächenrecycling 3. Kap. 0.11.5.; 4. Kap. B.II.

c. Der Nachhaltigkeitsgedanke auf nationaler Ebene

89

11. Nachhaltige Eingriffe, Auswirkungen, Beeinträchtigungen, etc. Die rechtliche Verbindlichkeit betreffend gilt es zwischen rechtlichen und politischen Prinzipien zu trennen. Während letztere in der Regel unverbindlich sind und allenfalls eine Selbstfestlegung herbeiführen, sind erstere, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität auf rechtliche Geltung, mithin Beachtung im Recht angelegt. 249

Im nationalen positiven Recht lassen sich unterschiedlich stark ausgeprägte Anhaltspunkte für eine Verankerung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung ausmachen. Maßgebliche Vorarbeit diesbezüglich wurde bereits an anderer Stelle geleistet. 25o Danach hat sich der Begriff "nachhaltig" im deutschen Umweltrecht mit unterschiedlichen Begriffsinhalten etabliert. Diese variieren je nach Regelungszusammenhang und terminologischem Kontext. Daß eine "nachhaltige städtebauliche Entwicklung,,251 einen anderen normativen Gehalt aufweist als die Formulierung in § 8 Abs. 1 BNatSchG a. E, wonach Eingriffe in Natur und Landschaft solche Veränderungen sind, die die "Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können" liegt auf der Hand. Ist von "nachhaltig" ohne erklärenden Zusatz wie etwa "Entwicklung" die Rede, so wird damit regelmäßig nur eine zeitliche Aussage getroffen. Dies entspricht der gesetzestechnischen Verwendung des Begriffes. Spricht der Gesetzgeber von "nachhaltigen Schäden" (z. B. § 32 Abs. 3 Satz 2 LEPro) oder "nachhaltig beeinträchtigen" (z. B. § 8 Abs. 1 BNatSchG a. E), dann hat dies nichts mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung zu tun. Vielmehr wird auf die Eingriffsintensität der jeweils tatbestandlich umschriebenen Handlung abgestellt. § 19 g Abs. 5 WHG erfaßt mit dem Wort "nachhaltig" Auswirkungen auf ein Gewässer von nicht unerheblichem Umfang und von längerer Dauer. 252 Der mit der Verwendung des Begriffes "nachhaltig" zum Ausdruck kommende Zeitaspekt ist allerdings variabel. Ausreichend für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen kann bereits eine Beeinträchtigung von längerer Dauer sein?53 Siehe dazu Di Fabio, in: FS für Ritter, 807 (813). Schröder, WiVerw. 1995, 65 (67 ff.); Christner / Pieper, Nachhaltige Entwicklung, S. 37 ff. 251 Vgl. § 1 Abs. 5 BauGB. 252 Dazu Czychowski, WHG, § 19 g Rn. 17 m. w. N.; ebenso OLG Schleswig, NuR 1990, 92 (93) zum Begriff "nachhaltig" in § 326 StGB. Zum Begriff "nachhaltig" in § 8 Abs. I BNatSchG a. F. siehe BVerwG, NVwZ 1991, 364 (367) sowie OVG Münster, NuR 2000, 173 3. Leitsatz: Bei dem Merkmal "erheblich" im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 8 a. EI § 18 n. F. BNatSchG) geht es primär um die - objektive - Gewichtigkeit der Beeinträchtigungen und bei dem Merkmal "nachhaltig" um deren zeitliche Komponente im Sinne von "dauerhaft". 253 Zutreffend Schröder, WiVerw. 1995, 65 (74), der in diesem Zusammenhang von der variablen temporalen Dimension des Begriffes "nachhaltig" spricht. 249

250

90

1. Kap.: Politische und rechtliche Grundlagen

Während der Begriff im letzteren Fall als Maßstab für die Intensität eines Eingriffs Verwendung findet, fungiert er im Städtebaurecht und im Raumordnungsrecht als planerisches Leitziel für eine von den planenden Stellen anzustrebende Versöhnung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen. Vor allem im terminologischen Zusammenhang mit dem Wort "Entwicklung" kommt also der auf internationaler Ebene vorgeprägte, dreidimensionale Ansatz zum Ausdruck.

2. Kapitel

Planung und Nachhaltigkeitsprinzip Bevor auf die tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen der neuen Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung für die planenden Stellen eingegangen wird, soll noch der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich Planung im allgemeinen und die Raumplanung im besonderen von ihren Strukturen her für die Umsetzung dieses Leitbildes überhaupt eignen. Dies soll vorab anhand eines strukturellen Vergleiches zwischen den planungsspezifischen Strukturen und jenen des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung untersucht werden. Um die rechtliche Ausstrahlungskraft des Nachhaltigkeitsgedankens auf die Aufgabenwahrnehmung der planenden Stellen beurteilen zu können, ist auch ein Vergleich mit der herkömmlichen Aufgabenumschreibung der Raumplanung notwendig. Etwaige Akzentverschiebungen lassen sich auf diese Weise sichtbar machen.

A. Planungstypische Merkmale Planung ist eine Form des staatlichen Handeins, der Plan das entsprechende Handlungsinstrument. Ein maßgebliches Problem der Planung liegt darin begründet, daß sie zwar einerseits als unverzichtbare Handlungsform moderner Staatsund Verwaltungstätigkeit bezeichnet werden kann,! andererseits aber aufgrund der Heterogenität der Pläne 2 weder eine selbständige Rechtskategorie darstelle noch einer bestimmten traditionellen Handlungsform zuzuordnen ist. 4 Vielmehr existieI Schmidt-Aßmann, in: FS für Schlichter, 3 (5); Maurer; Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn. 10. 2 Vgl. Ossenbühl, Gutachten B, S. 50, der infolge seiner umfassenden Untersuchung zur

(Entwicklungs-)planung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Heterogenität der Pläne einer einheitlichen Kategorisierung entgegensteht. 3 Der Streit über die Einordnung des Plans in den klassischen verwaltungsrechtlichen Formenkanon von Verwaltungsakt, Verordnung, etc. einerseits oder nach der sog. Aliud-These als eigenständige Rechtsform andererseits hat bis heute zu keinem Ergebnis geführt; vgl. hierzu ausführlich Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung, Bd. 1, S. 21 ff.; ferner Stern, Staatsrecht H, § 40 H 6. 4 Vgl. Maurer; Allgemeines Verwaltungsrecht, vor § 9 und die, wenn auch veraltete Übersicht bei Ossenbühl, Gutachten B, S. 46. Die rechtliche Einordnung in das System der Handlungsformen ist deshalb bedeutsam, weil jede Handlungsform eigene Problemforrnu-

92

2. Kap.: Planung und Nachhaltigkeitsprinzip

ren Pläne in den unterschiedlichsten Rechtsformen. 5 Dieser Befund trifft auch für die Raumordnung und Landesplanung zu. 6 Dies erklärt mit, warum eine einheitliche, unter rechtlichen Gesichtspunkten brauchbare Definition der Planung mit hinreichend deutlichen Konturen bislang nicht gelungen ist7 und wohl auch nicht gelingen kann. Zudem wäre eine solche Generaldefinition aufgrund ihres zwangsläufig hohen Abstraktionsgrades nicht hinreichend detailliert und daher von geringem praktischen Nutzen. Dieser Befund schließt es dagegen nicht aus, die ungeachtet dieser Problematik vorhandenen planungsspezifischen Strukturen in Erinnerung zu rufen. Den zahlreichen Definitionsversuchen, theoretischen Abhandlungen und der Rechtsprechung zum Planungsrecht lassen sich bestimmte planungsimmanente Merkmale entnehmen, welche den Plänen bzw. der Planung, unabhängig von der Handlungsebene oder der Rechtsform, gemeinsam sind. Der Zugriff auf planungstypische Merkmale kann unter Umständen das ersetzen, was bei festen Rechtsbegriffen aus den Definitionsmerkmalen erschlossen werden kann. 8 Anhand dieser Kriterien ist zu klären, inwieweit sich Planung im allgemeinen und Raumplanung im besonderen als Instrument zur Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung eignen.

I. Finale Programmierung als Folge einer komplexen Ausgangslage 1. Finale Struktur von Planungsnormen

Planung wird als eine bestimmte Methode des Vorgehens beschrieben, durch die eine rationale Erledigung staatlicher Aufgaben gewährleistet werden soll.9 Sie ist sowohl begrifflich als auch ihrem Wesen nach zukunfts gerichtet und basiert demlierungen und -lösungen bereitstellt, insbesondere was die Verfahrensvorschriften und den Rechtsschutz betrifft. 5 Vgl. etwa den Bebauungsplan, der gemäß § 10 Abs. I BauGB als Satzung ergeht, die Haushaltspläne des Bundes, die gemäß Art. 110 Abs. 2 GG durch formelles Gesetz festgestellt werden sowie die Landesentwicklungspläne, die teilweise als formelles Gesetz (§ 13 Abs. 4 NWLPIG) und teilweise als Rechtsverordnung (z. B. die gemeinsamen Landesentwicklungspläne von Berlin und Brandenburg gemäß Art. 8 Abs. 6 Satz I LPIVertrag) beschlossen werden. 6 Speziell zu den zahlreichen Rechtsformen der Landesplanung Krebs, in: SchmidtAßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschn. Rn. 56, 60. 7 Siehe bereits Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, S. 42; Ossenbühl, Gutachten B, S. 50, der eine Begriffsbildung von vornherein nur für Teilbereiche der Planung für sinnvoll erachtet; dahin tendierend auch Schmitt Glaeser/König, JA 1980, 321 (321); Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 4; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 7 Rn. 3. 8 So Schmidt-Aßmann, in: FS für Schlichter, 3 (11). 9 Badura, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 39 Rn. 1. Zur (angeblichen) Rationalität planerischen Entscheidens eingehend Berkemann, in: FS für Schlichter, 27 (30 ff.).

A. Planungstypische Merkmale

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zufolge auf einer analysierenden Erfassung der Ausgangslage und Prognosen über zu erwartende Entwicklungen. Während im Rahmen der politischen Planung nicht nur Ziele aufgestellt, sondern auch Mittel zu deren Verwirklichung aufgezeigt werden, sind der planenden Verwaltung regelmäßig die anzuvisierenden Ziele vorgegeben. Letztere koordiniert die unterschiedlichsten Einzelrnaßnahmen nach Maßgabe der vorgegebenen Zieldirektiven. Demzufolge besteht eine Gemeinsamkeit sämtlicher Planungsinstrumente darin, daß sie mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung eine Aussage über einen Ist-Zustand, den angestrebten Soll-Zustand und ggf. eine Auswahl der erforderlichen Maßnahmen enthalten. 10 Dieser Zukunfts- und Zielorientiertheit entspricht die normstrukturelle Konzeption der Planung. Die Entscheidungsstruktur und der Steuerungsanspruch von Planung läßt sich durch die klassische Gegenüberstellung von Planungsnormen einerseits und "normalen" Rechtsnormen andererseits verdeutlichen. Während erstere nach dem final programmierten 11 "Zweck-Mittel-Schema" aufgebaut sind, folgen letztere dem "Wenn-dann-Schema".12 Diese Kategorisierung zwischen Final- und Konditionalprogrammen ist freilich wie jede Typisierung eine idealtypische. In der Rechtswirklichkeit bestehen zahlreiche Überschneidungen und Mischformen, die eine derartige Unterscheidung zu einem gewissen Grad relativieren. 13 Gleichwohl ergeben sich hieraus maßgebliche Unterschiede in der jeweiligen Problemverarbeitungskapazität und der inhaltlichen Determination des Entscheidungsvorganges. Konditionalprogramme legen Entscheidungsvorgänge nach dem "Wenn-dannKioepfer; Umweltrecht, § 5 Rn. 10. Vgl. auch BVerfGE 95, I (16) - Südumfahrung Stendal: "Planung hat mithin finalen und keinen konditionalen Charakter", unter Verweis auf E 80, 137 (162) - Reiten im Walde. 12 Grundlegend Luhmann, VerwArch. 55 (1964), I (7 ff.); ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 101 ff.; König, VerwArch. 62 (1971), I (3). Ausführlich zur Differenzierung zwischen Konditional- und Zweckprogramm Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung, Bd. I, S. 34 ff. Dieser grundlegende Gedanke durchzieht die gesamte Planungsliteratur, vgl. etwa Schmitt Glaeser/König, JA 1980,321 (325); Ossenbühl, Gutachten B, S. 184; Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 19; Just, Planerische Abwägung, S. 23 f.; Brohm, Öffentliches BauR, § 11 Rn. 3; Battis, BauR und RaumordnungsR, S. 17 f. Zur grundlegenden Kritik von Rubel vgl. die Zusammenfassung bei Hoppe/Grotefeis, Öffentliches BauR, § 7 Rn. 35; krit. zum materiellen Gehalt der normstrukturellen Unterscheidung zwischen Konditional- und Finalrechtssätzen etwa Di Fabio, in: FS für Hoppe, 75 (82 ff., 95). 13 Vgl. dazu Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Abschn. 4 Rn. 98 f., der darauf hinweist, daß angesichts der relativ unbestimmten und damit Handlungsspielräume eröffnenden verwaltungsrechtlichen Generalklauseln (etwa § 14 OBGNW) zwar keine grundsätzlichen qualitativen, wohl aber quantitative Unterschiede zwischen Verwaltungs- und Planungsermessen bestehen, so daß die Unterscheidung zwischen Final- und Konditionalprogramm durchaus eine heuristische Funktion besitzt. Zu den Parallelen zwischen Verwaltungs- und Planungsermessen siehe Brohm, Öffentliches BauR, § 11 Rn. 5 ff. Die gegenwärtig im Zusammenhang mit der Kodifikation eines UGB beabsichtigte Einführung einer "planerischen Vorhabengenehmigung" (siehe § 102 UGB-KomE; § V 27 UGB I) wird diese idealtypische Grenzziehung weiter aufweichen, vgl. dazu Spoerr; DVBI. 1999, 1463 (1464 ff.). Eingehend zur planerischen Vorhabengenehmigung Hoppe/Schiannann, Die planerische Vorhabengenehmigung, passim. 10 11

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2. Kap.: Planung und Nachhaltigkeitsprinzip

Schema" fest, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, stehen auf der Rechtsfolgenseite der Norm bestimmte Mittel zur Problemlösung zur Verfügung. Dagegen nennen Zweck- bzw. Finalprogramme bestimmte Zwecke bzw. Ziele, die von den planenden Stellen zum Teil mit vorgegebenen Mitteln erreicht werden sollen. 14 Im Rahmen der Mittelauswahl ergeben sich erhebliche Entscheidungsspielräume,15 welche proportional zur Anzahl der Planungsleitlinien 16 zunehmen. 17 Denn je vielfältiger die zielförmigen Vorgaben und Grundsätze sind, und je unklarer ihre Rangfolge oder je konträrer ihre Zielrichtung ist, desto mehr Zielkonflikte müssen im konkreten Planungsfall zum Ausgleich gebracht werden. 18 Die planerische Gestaltungsfreiheit ist eine Konsequenz dieser Finalprogrammierung, die Abwägungsdogmatik ist die Reaktion der Rechtsprechung auf die planungsspezifische Gestaltungsfreiheit. Diese Charakteristika hängen unmittelbar mit der komplexen Ausgangslage zusammen, mit der sich jede Planung konfrontiert sieht. 19 So scheidet aufgrund dieser Komplexität regelmäßig eine abstrakte Vorprogrammierung des Entscheidungsprozesses, der seitens der Exekutive durch reine Subsumtion umzusetzen wäre, aus. Denn eine konditionale Programmierung ist nur möglich, wenn ein Interessenkonflikt bekannt, überschaubar und ein für allemal entschieden werden kann?O Dagegen sind bei der Planung die relevanten Belange häufig abstrakt gleichrangig 21 und stehen miteinander in einem wechselseitigen Beziehungsgeflecht, so daß sich erst in der konkreten Planungssituation mittels wertender Abstimmung einzelne Belange durchsetzen können. Die damit erforderliche Interessenkoordinierung 22 ist normativ eingebettet in das planungsrechtliche Abwägungsgebot. 23 Bei der Abwägung werden vorgegebene oder aus Vgl. König, VerwAreh. 62 (1971),1 (3); Hoppe, DVBI. 1974,641 (643). Schmitt Glaeser/König, JA 1980,321 (325); Dreier, Steuerung der Abwägung, S. 48. 16 Planungsleitlinien können der planenden Verwaltung in Form von Zielen und / oder Grundsätzen vorgegeben sein. Problematisch ist insoweit, daß im Fachplanungsrecht teilweise keine gesetzlichen Zielvorgaben existieren, vgl. dazu Dreier, Steuerung der Abwägung, S.49. 17 Hoppe, DVBI. 1974,641 (645); Schmitt Glaeser/König, JA 1980,321 (326); Funke, DVBI. 1987,511 (516); Dreier, Steuerung der Abwägung, S. 49. 18 Vgl. dazu etwa den umfassenden Katalog von Grundsätzen der Raumordnung in § 2 Abs. 2 ROG, die alle strikt formuliert und nicht widerspruchsfrei sind. 19 Zur Komplexität als "Charakteristikum planerischer Vorgänge" bereits SchmidtAßmann, DÖV 1974,541 (544); Breuer, NVwZ 1982, 273 (274). 20 Ähnlich Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung, Bd. 1, S. 43. 21 So etwa die überwiegend vertretene Ansicht zu § 1 Abs. 5 a. F., vgl. Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 1 Rn. 48; zustimmend Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, S. 63. 22 Vgl. etwa Forsthoff, in: Planung III, 21 (27) zählt die abstimmende Koordination zu den begrifflichen Merkmalen des Planes; Schmidt-Aßmann, in: FS für Schlichter, 3 (4) allgemein und (23) im Hinblick auf informelle Planung; ferner Dreier, Steuerung der Abwägung, S.29. 23 Das planungsrechtliche Abwägungsgebot ist in den meisten Planungsgesetzen ausdrücklich enthalten, z. B. § 1 Abs. 6 BauGB, § 7 Abs. 7 Satz 1 ROG; § lAbs. 2 a. F. / § 2 14

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A. Planungs typische Merkmale

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den tatsächlichen Gegebenheiten resultierende Belange24 bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert im Hinblick auf die allgemeine Zielsetzung der Planung, daß es "durchweg um den Ausgleich mehr oder weniger zahlreicher, in ihrem Verhältnis zueinander komplexer Interessen, die überdies meist in einer eigentümlichen Weise ineinander verschränkt sind", geht. 25 Aufgrund dieser, die Planung kennzeichnenden komplexen Interessenlage 26 scheidet eine abstrakte Problemlösung aus. Vielmehr beschränken sich die Vorgaben an die Planung auf bestimmte ihr vorgegebene Leitlinien bzw. Zie1vorgaben. Abwägung bedeutet danach größtmögliche Koordination aller Belange im Hinblick auf die Zwecksetzung der Planung. 27 Sie ist immer dann erforderlich, wenn bestimmte Lebenssachverhalte sich nicht apriori konditional programmieren lassen, weil kein (potentiell) betroffenes Rechtsgut so hochwertig ist, daß es sich auf jeden Fall durchzusetzen vermag; vielmehr ein Ausgleich der verschiedenen divergierenden Interessen erst in der konkreten Planungssituation möglich ist.

2. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung als multipolare Zielvorgabe Diese komplexe Sachstruktur ist auch dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung immanent. Indem es ökologische, ökonomische und soziale Faktoren miteinander in Einklang zu bringen sucht, ist es letztlich auf einen abwägenden Ausgleich dieser Belange angelegt. Hinzu tritt eine künftige Generationen miteinbeziehende temporale Dimension, nämlich die Forderung nach dem dauerhaften Erhalt des natürlichen Kapitals im Sinne einer zirkulären Ökonomie. 28 Diese Forderung besitzt keinen feststehenden Inhalt. Vielmehr ist sie einmal abhängig von der Art der Ressource, d. h. von der Frage, ob diese emeuerbar ist oder nicht. Hinzu kommen Faktoren wie beispielsweise die volkswirtschaftliche und ökologische Bedeutung der jeweiligen Ressource, ihr mengenmäßiges Vorkommen und ihre SubstituAbs. I n. F. BNatSchG, §§ 16 Abs. 2 Satz I, 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG. Aufgrund der Verortung im Rechtsstaatsprinzip gilt es allerdings auch ohne ausdrückliche Positivierung für sämtliche staatliche Planungen, vgl. etwa BVerwGE 41, 67 (68); 48, 56 (63); 55, 220 (227); 61, 295 (301); 64, 33 (35); 64, 270 (272 f.); zuletzt BVerwG, ZffiR 1999,348 (348) = BauR 2000, 239 ff. 24 Schmitt Glaeser/ König, JA 1980, 414 (418). Das BVerwG spricht davon, daß in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was "nach Lage der Dinge" in sie eingestellt werden muß, vgl. BVerwGE 48, 56 (63); VGH München, DVBI. 1990, 167 (169). Vgl. hierzu Hoppe DVBI. 1977, 136 ff.; Weyreuther, UPR 1981, 33 (37) sowie Just, Planerische Abwägung, S. 67 ff. 25 BVerwG,DVBI. 1969,697 (699). 26 Vgl. auch Brohm, Öffentliches BauR, § 11 Rn. 2. 27 So die prägnante Formulierung von Schmitt Glaeser/König, JA 1980,414 (418). 28 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1317400, S. 13; Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR, Kap. 4 Rn. 57.

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2. Kap.: Planung und Nachhaltigkeitsprinzip

ierbarkeit. Letzteres hängt maßgeblich mit der technischen Entwicklung zusammen. Sowohl die Beurteilung der Substitutionsquote einer bestimmten Ressource bzw. ihrer Funktion als auch die Orientierung der Ressourcennutzung an der Tragekapazität der Umweltmedien erfordert eine umfassende Betrachtung aus der "Vogelperspektive". Auch der im Leitbild angelegte doppelt integrative Ansatz 29 erfordert eine Methode, die verschiedene Determinanten mit in den Blick nimmt, sie bewertet, zueinander in Beziehung setzt und schließlich einen Ausgleich vornimmt. Bei der komplizierten Vernetzung von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Interessen können Eingriffe in einem Teilbereich zu schwer vorhersehbaren Konsequenzen in einem anderen führen. Übertragen auf den Entscheidungsprozeß und die Struktur von Konditionalprogrammen heißt dies, daß sich die Mittel zur Problemlösung auf der Rechtsfolgenseite ("im Dann-Teil,,30) aufgrund der schwer kalkulierbaren Auswirkungen nicht abstrakt determinieren lassen. Auch eine erschöpfende Normierung der Bedingungen für die Problemlösung auf der Tatbestandsseite ("im Wenn-Teil"), im Sinne einer Vorherbestimmung der Entscheidungsvoraussetzungen, scheidet damit aus. 3l Dies trifft sich mit dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, welches, indem es ein langfristiges Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichem Fortkommen, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz anvisiert, primär einen bestimmten Zustand bzw. ein Ziel vorgibt, mithin final ausgerichtet ist. Es beinhaltet drei Variablen, die es zu versöhnen gilt. Über den Weg zu diesem Ziel, d. h. insbesondere über die Mittel der Problemlösung, enthält es keine konkrete Aussage. Die Versöhnung der drei Faktoren ist nur mittels situationsadäquatem Ausgleich zu erreichen. Aus diesem Grunde läßt sich weder ein abstrakter Vorrang einer einzelnen Komponente postulieren, noch ist eine Lösungsstrategie denkbar, die mit Hilfe der juristischen Subsumtionstechnik zu bewältigen wäre. Die Auflösung dieses Interessengeflechts setzt einen wertenden, situationsgerechten Abgleich voraus. Damit besteht die Notwendigkeit einer Koordination gegenläufiger Interessen durch Abwägung auch bei der Konkretisierung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung. 32 Demnach kann der Auftrag an die Exekutive nur 29 Vgl. dazu oben 1. Kap. A.I1I.3. sowie unten 3. Kap. B.I1I. Speziell zum medienübergreifenden Ansatz 1. Kap. A.lI.I.f); A.III.4. 30 In Anlehnung an Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung, Bd. I, S. 35. 31 Zu diesem Gedanken auch allgemein Schmitt Glaeser/ König, JA 1980,321 (325). 32 Gerade die in der Komplexität der Interessenlage zu sehende Parallele zwischen Planung und Nachhaltigkeitsgedanken verdeutlicht gleichzeitig, nicht zuletzt infolge der Erfahrungen mit einer allzu holistischen Vorstellung von den Möglichkeiten einer umfassenden Entwicklungsplanung in den sechziger und siebziger Jahren, die Grenzen in der Problembewältigung und -verarbeitung. Vgl. dazu insofern kritisch Wahl! Appel, in: Prävention und Vorsorge, S. 63 ff., allerdings auch mit dem Hinweis, daß die Planungsdiskussion nicht jegliche Integrationsbemühungen per se ad absurdum geführt, sondern lediglich die Unzulänglichkeit eines Versuchs der Integration gezeigt habe, vgl. Fn. S. 64 Fn. 190. Daher gelte es aus den Fehlern bzw. Erfahrungen von damals zu lernen, d. h. insbesondere die Problemverarbeitungskapazität nicht aus dem Auge zu verlieren, vgl. dazu S. 65 f. Vgl. zu den planungsund nachhaltigkeitsimmanenten Grenzen im 5. Kap. Bund C.

A. Planungstypische Merkmale

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Abwägung heißen, und zwar unter Berücksichtigung des Zieles einer nachhaltigen Entwicklung. Insofern zeigt sich eine Parallele zwischen der finalen Ausrichtung von Planungsnormen und der aufgrund ihrer Vagheit bzw. inhaltlichen Unschärfe bestehenden Ausfüllungsfahig- und Ausfüllungsbedürftigkeit der völkerrechtlichen Vorgaben des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung. 33 Auch dieser beinhaltet als solcher keine subsumtionsfähigen Maßstäbe, sondern eine abstrakte Ziel vorgabe. Die Maßstäbe zur Zielerreichung müssen erst im Rahmen einer situationsadäquaten Konkretisierung durch Abwägung der einzelnen Komponenten herausgearbeitet werden.

11. Zukunftsbezug 1. Zukunftsgerichtetheit der Planung

Der Übergang von einer primär reaktiven Ordnungsplanung hin zu einer zukunftsbezogenen Planung wurde schon zu Beginn der 70er Jahre in der Phase der sog. Planungseuphorie beschrieben. 34 Unabhängig davon richtet sich jede Form von Planung mehr oder weniger auf die Zukunft,35 indem sie ausgehend von einem bestehenden Zustand einen Soll-Zustand nach Maßgabe bestimmter Ziele anvisiert36 und Maßstäbe für zukünftiges Verhalten setzt37 . Planung bedeutet daher auch immer Zukunftsgestaltung. 38 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, daß sich komplexe Sachverhalte nicht allein mit Mitteln punktueller und reaktiver Kontrolle zufrieden stellend bewältigen lassen. Vielmehr fordern sie ein methodisches Vorgehen, das parallel zu seiner Zielrichtung auch künftige Entwicklungen, Perspektiven und Prognosen in sich aufnimmt, miteinander verknüpft und aufeinander abstimmt. Siehe oben I. Kap. A.II.2.b). Vgl. Bäckenfärde, Der Staat 11 (1972),429 (433); Ossenbühl, Gutachten B, S. 31. 35 Vgl. bereits Kaiser; in: Planung H, 11 (23 f.), der zwar prinzipiell zwischen statischen und strategischen Plänen unterscheidet und die unterschiedliche temporale Dimension hervorhebt. Letztlich aber "eine Erstreckung in die Zeit" und damit das spezifische "Zeitmoment" jedes Planes betont. Siehe auch Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 13; Hoppe/Grotefels, Öffentliches BauR, § 7 Rn. 9: "Sie (Anm.: Planung) bedeutet Gestaltung komplexer Situationen in die Zukunft". 36 Siehe Badura, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht., § 39 Rn. 1; vgl. auch Stern, Staatsrecht H, § 40 I 3a; Hoppe, in: HStR, III, § 71 Rn. 4 "methodisches Lenkungsmittel zukünftigen Geschehens". 37 Schmidt-Aßmann, in: Salzwedel, Grundzüge des UmweltR (1982), 117 (124); ähnlich zuvor schon ders., DÖV 1974, 541 (542): Vorentwurf einer normativen Ordnung, ebenso Hoppe, in: HStR III, § 71 Rn. 2. 38 Kloepfer; in: FS für Hoppe, 111 (113) bezeichnet Planung als "das zukunftsgestaltende Instrument par excellence" und sieht hierin "den besten Zugang zu einer prospektiven Rechtswissenschaft", S. 121. 33

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2. Kap.: Planung und Nachhaltigkeitsprinzip

Aufgrund dieser wie auch immer zu konkretisierenden Zukunftsbezogenheit wird das Vorausschauende bzw. die Vorsorge als weiteres typusbestimmendes Merkmal der Planung,39 und letztere mithin als typisches Instrument zur Verwirklichung des Vorsorgeauftrages, angesehen. 4o

2. Temporale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens

Diese Zukunftsbezogenheit der Planung trifft sich mit der Intention des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, die natürlichen Ressourcen als Grundlage jeder Entwicklung auch zukünftigen Generationen zu erhalten. 41 Die langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen verlangt nach langfristig konzipierten, vorausschauenden Maßnahmen.

III. Flexibilität 1. Anpassungsfähigkeit der Planung

Pläne werden als flexible Aktionsmodelle beschrieben. 42 Sie basieren auf einer analysierenden Erfassung der gegenwärtigen Lage und einer Prognose künftiger Entwicklungen. Davon ausgehend werden Ziele aufgestellt, die erreicht werden sollen, und ggf. Mittel zu deren Verwirklichung aufgezeigt oder den planenden Stellen vorgegeben. Gleichwohl verbleibt der planenden Verwaltung aufgrund der planungstypischen Finalprogrammierung eine gewisse Flexibilität zur Auswahl der Handlungsmöglichkeiten. 43 Pläne zielen auf die Verwirklichung eines Sollzustandes44 und enthalten aufgrund ihrer komplexen Materie zwangsläufig PrognoSchmitt Glaeser / König, JA 1980, 321 (322); Dreier, Steuerung der Abwägung, S. 28. Ladeur, Risikooffenheit und Zurechnung, S. 130 f.; Schmidt-Aßmann, in: FS für Schlichter, 3 (6); Reinhardt, in: UTR 43 (1998), 73 (81). Vgl. zur Vorsorge durch Planung Trute, Vorsorgestrukturen, S. 137 ff. Restriktiv Wahl! Appe/, in: Prävention und Vorsorge, S. 60 f., die den Zukunftsbezug zwar als verbindendes Element zwischen Vorsorge und Planung anerkennen, gleichzeitig jedoch die Unterschiede betonen. Danach setze Planung auf die Möglichkeiten der Zukunfts gestaltung, während Vorsorge darauf abziele, die Wirkungen der Gegenwart in die Zukunft hineinzubedenken, um an den daraus gewonnenen Erkenntnissen das Verhalten in der Gegenwart auszurichten. 41 Siehe Frenz, Europäisches Umweltrecht, Rn. 6,41; Lüers, DVBI. 1998,433; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § I Rn. 508. 42 Begriff nach Kaiser, in: Planung 11, 11 (25); ebenso Schmidt-Aßmann, in: FS für Schlichter, 3 (17). 43 Obemdorfer, Die Verwaltung 1972, 257 (262); Wahl, Rechtsfragen, Bd. I, S. 80 sowie Appold, Freiraumschutz, S. 16 m. w. N. 44 Vgl. auch Ibler, JuS 1990,7 (ll): " ... die Planung kennzeichnende Veränderung von Belangen in Richtung auf einen für die Zukunft beabsichtigten (geplanten) Zustand ... ". 39

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A. Planungs typische Merkmale

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seunsicherheiten.45 Aufgrund der Begrenztheit menschlichen Wissens und der Verstärkung dieser Tatsache durch die oben beschriebene Zukunftsorientiertheit jeder Planung und der schweren Einschätzbarkeit zahlreicher Umweltfaktoren enthalten Pläne nur einen Vorentwurf einer normativen Ordnung. 46 Kirchhof? bringt die Wechselbezüglichkeit von Planung und Planverwirklichung und die daraus resultierende Flexibilität von Planung und Plänen auf den Punkt, wenn er formuliert: "Planung ist Entscheidungsvorbereitung unter Korrekturvorbehalt, der Plan eine Festlegung zumindest unter Anpassungsvorbehalt". Insoweit bedarf das ZweckMittel-Programm der Planung parallel zum Gang der Planverwirklichung und den sich abzeichnenden Planabweichungen der ständigen Fortschreibung, Aktualisierung und ggf. der Anpassung. 48

2. Flexibilität als instrumentelle Voraussetzung für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung Diese Flexibilität der Planung als Konsequenz der planungsimmanenten Unsicherheitskoeffizienten, wie Prognose, Komplexität, Konnexität der Maßnahmen und die Zukunftsorientiertheit ist gerade eine Grundvoraussetzung, die an ein Umsetzungsmitte1 zur Verwirklichung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung zu stellen ist. Dies ergibt sich aus den beiden wesentlichen Elementen dieses Leitbildes. Zum einen zielt es auf die Versöhnung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Faktoren, mithin die Synthese von drei Variablen. Zum anderen erfordert es entsprechend seiner intergenerationellen Intention nach langfristig konzipierten Maßnahmen. Allen Wesensmerkmalen des Leitbildes gemeinsam ist ihre schwere Prognostizierbarkeit, die sich durch bestehende Interdependenzen und die Zeitdimension noch verstärkt. Die Abgleichung der wirtschaftlichen Entwicklung mit sozialen und ökologischen Faktoren hin zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung erfordern einen ständigen Prozeß der Harmonisierung. Um dieser Dynamik gerecht werden zu können, bietet sich der Rahmencharakter von Plänen und ihr Anpassungsvorbehalt an. 49 Der Rahmencharakter der Planung ist eine Folge der Zielorientiertheit, der Anpassungsvorbehalt resultiert aus den mit der Zukunftsbezogenheit verbundenen Prognoseunsicherheiten. Eine nachhaltige Entwicklung bedarf aufgrund der zahl45 Stern. Staatsrecht II, § 40 I 3b bezeichnet Prognose und Kalkül als Unsicherheitskoeffizienten jeder Planung. 46 Vgl. Hoppe. in: HStR, III, § 71 Rn. I; Schmidt-Aßmann. in: FS für Schlichter, 3 (17). 47 HStR, III, § 59 Rn. 1I0. 48 Ossenbühl. Gutachten B, S. 32 f.; Schmidt-Aßmann. in: FS für Schlichter, 3 (17). 49 Der Rahmencharakter verdeutlicht den Planungszusarnmenhang bei mehrstufigen Planungen (wie etwa der Raumordnung) aus vertikaler Sicht. Die Pläne der höheren Ebene haben Rahmencharakter gegenüber dem .planabhängigen Plan der nächst niedrigeren Ebene. Vgl. dazu Wahl. Rechtsfragen der Landesplanung, Bd. I, S. 93 ff.

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2. Kap.: Planung und Nachhaltigkeitsprinzip

reichen Unsicherheitsfaktoren eines Instrumentariums, das im Hinblick auf den Mitteleinsatz im Rahmen vorgegebener Zieldirektiven korrekturf