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German Pages 332 Year 2022
Christopher J. Garthe Das nachhaltige Museum
Edition Museum | Band 62
Christopher J. Garthe (Dr.) ist kreativer Kopf und Berater für Nachhaltigkeit im Kultursektor bei studio klv sowie als freier Dozent, Autor und Referent aktiv. Für Museen, Besucherzentren, Science Center und Erlebniswelten entwickelt er Ausstellungen mit Bezug zu nachhaltigen Themen und begleitet sie bei der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements. Er studierte Geografie, Landschaftsökologie und Regionalplanung in Hannover und Grenoble sowie Erwachsenenbildung, Lebenslanges Lernen und Journalismus in Berlin und promovierte zum Thema Bildung und Tourismus in Schutzgebieten.
Christopher J. Garthe
Das nachhaltige Museum Vom nachhaltigen Betrieb zur gesellschaftlichen Transformation
Für finanzielle Unterstützung bedanke ich mich bei der Andrea von Braun Stiftung, die sich dafür einsetzt, Grenzen zwischen den Disziplinen zu überwinden und die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu fördern.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Mark Schäfers, Bielefeld Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg Print-ISBN 978-3-8376-6171-2 PDF-ISBN 978-3-8394-6171-6 https://doi.org/10.14361/9783839461716 Buchreihen-ISSN: 2702-3990 Buchreihen-eISSN: 2702-9026 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschaudownload
Inhalt
Vorwort und Dank ...................................................................7 1
Einleitung: Nachhaltigkeit im Museum als Such- und Lernprozess............9
TEIL I MUSEEN UND NACHHALTIGKEIT 2
Der Museumssektor im Wandel............................................... 15
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Die Vision: Das nachhaltige Museum ......................................... 31
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Drei Hebel für die Transformation .......................................... 55
TEIL II NACHHALTIGER MUSEUMSBETRIEB 5
Leitung und Governance..................................................... 83
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Verwaltung und Betrieb ..................................................... 101
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Sammlung und Konservierung ..............................................129
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Forschung und Wissenschaft................................................147
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Ausstellung und Kuration....................................................167
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Bildung und Partizipation ................................................... 191
TEIL III NACHHALTIGKEIT IM MUSEUM UMSETZEN 11
Nachhaltigkeit als Veränderungsprozess ...................................213
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Ziele, Nachhaltigkeitsstrategie und Indikatoren ........................... 243
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Umsetzung und Berichterstattung ......................................... 265
Literaturverzeichnis ............................................................. 289 Abbildungsverzeichnis ........................................................... 329
Vorwort und Dank
Wie wäre es, wenn Museen – eine der komplexesten Institutionen der heutigen Gegenwart, wie es Robert Janes und Richard Sandell treffend formuliert haben – ihr einzigartiges Potenzial und ihre gesellschaftlichen Verflechtungen für Klimaschutz, mehr soziale Gerechtigkeit und ein Wohlergehen im umfassenden Sinn einsetzen würden? Dann wären Museen als zentrale gesellschaftliche Akteure Multiplikatoren für Nachhaltigkeit in lokaler und globaler Dimension. Diese Vision treibt mich seit langem an – und stellt die Motivation für diese Buch dar. Bestärkt wurde ich dabei von zahlreichen Vordenkern auf dem Gebiet der Museologie sowie meinem persönlichen Resonanzraum am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, der mir wiederholt Richtungssicherheit geboten hat. Zahlreiche spannende Projekte habe ich für und mit Museen umgesetzt – aber nie in einem Museum gearbeitet. Das Buch bietet demnach gewissermaßen einen externen Blick auf die Institution Museum – und bleibt dadurch zwangsläufig begrenzt. Der globalen Dimension der Idee der Nachhaltigkeit folgend, blickt das Buch explizit nicht auf die spezifische Situation, die Rahmenbedingungen und Diskussionsstränge in Deutschland. Daraus folgt unter anderem, dass die weit verbreitete gute Praxis in deutschen Museen nicht beleuchtet wird. Leser*innen mögen es mir verzeihen, dass ich lediglich aufgrund der Lesbarkeit mich dazu entschieden habe, im Buch die allgemeine, maskuline Form zu verwenden – darin enthalten sind selbstredend auch alle Frauen und nonbinären Personen. Das vorliegende Buch konnte nur durch die Unterstützung zahlreicher Menschen entstehen, denen ich zu tiefem Dank verpflichtet bin. Ich danke Nina Schallenberg, Carsten Stark, Andrea Wieloch und drei anonymen Gutachtern für ihre wertvollen Kommentare sowie Sarah Sutton, Henry Mc Ghie und Caitlin Southwick für ihre offene und motivierende Art, die Vision des
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Das nachhaltige Museum
nachhaltigen Museums weiterzuverfolgen. Jan Löken und Bernhard Kehrer haben durch Unterstützung und Freiraum dieses Buch ermöglicht. Ulrich Petschow und Thomas Korbun haben durch Ihre kritische Perspektive meine Gedanken geschärft. Für eine finanzielle Unterstützung danke ich außerdem der Andrea von Braun Stiftung, die sich dem Abbau von Grenzen zwischen Disziplinen verschrieben hat und deren Zusammenarbeit fördert.
1 Einleitung: Nachhaltigkeit im Museum als Such- und Lernprozess
Die großen gesellschaftspolitischen Fragen zu Klimaschutz, De-Kolonisation, Gerechtigkeit und Digitalisierung spiegeln sich im Museumssektor wider und haben eine Diskussion über ein sich veränderndes Selbstverständnis von Museen in Gang gesetzt. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine spürbar wichtigere Rolle – im Gespräch unter Kolleginnen und Kollegen, auf Fachtagungen sowie in Publikationen. Nicht selten ist der Diskurs um Nachhaltigkeit in Museen allerdings davon geprägt, dass zunächst geklärt werden muss, was in diesem Kontext mit Nachhaltigkeit gemeint ist. Es gilt also auszuloten, was Nachhaltigkeit in Museen bedeuten kann und wie sie als konkrete Idee umsetzbar wird.
Status quo: Orientierung in unbekanntem Terrain Im Rahmen des Reflexionsprozesses über einen Wandel im Museumssektor sind eine Vielzahl von Projekten und konkreten Aktivitäten in Museen entstanden, die von Klimaschutzmaßnahmen über pragmatische Restitutionsbestrebungen bis hin zu einer Neuausrichtung der Museumsdefinition reichen. Diese beispielhaften Projekte illustrieren, auf welch vielfältige Weise Nachhaltigkeit im Museumssektor greifbar wird. Sie werden jedoch in der Regel isoliert voneinander umgesetzt, ohne systematisch Bezüge herzustellen. Der Diskurs um Nachhaltigkeit und ihre Umsetzung vollzieht sich in Museen derzeit ohne einen gemeinsamen Bezugsrahmen. Dieser wäre in einem sich derart dynamisch entwickelndem Feld aber hilfreich, um Interaktionen und Maßnahmen einzubetten und sie aufeinander zu beziehen. Es erscheint
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Das nachhaltige Museum
zudem notwendig, eine gemeinsame Sprache für das Themenfeld Nachhaltigkeit in Museen zu finden.
Ansatz: Exploration, Kompilation und Impuls Das vorliegende Buch möchte einen Beitrag dazu leisten, Nachhaltigkeit als Such- und Lernprozess im Museumssektor voranzubringen. Zuallererst wirft das Buch Fragen auf, wie der seit 35 Jahren geführte allgemeine Diskurs um Nachhaltigkeit in seiner Vielgestaltigkeit in der Museumspraxis fruchtbar werden kann. Welche Rolle könnte Nachhaltigkeit für Museen spielen? Bieten sich Museen neue Chancen durch das Thema Nachhaltigkeit? Wie können Museen zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen? Das Buch folgt damit einem explorativen Ansatz. Es sollen Utopien ermöglicht und Gedanken begonnen werden, die keine verbindliche Idee von Nachhaltigkeit im Museum aufzeigen, sondern einem Suchprozess gleich das inhaltliche Terrain erkunden. Zur Erkundung des Terrains greift das Buch relevante Aspekte des allgemeinen Nachhaltigkeitsdiskurses heraus und bezieht diese auf das Museum. Es zeigt Schnittstellen und Bezüge zwischen der Idee der Nachhaltigkeit im weitesten Sinn und dem gesamten Museumssektor auf. Das Buch ist somit als eine breit gefächerte Zusammenstellung von Nachhaltigkeitsaspekten in Museen konzipiert. Dem Ansatz folgend, bereits bestehende Konzepte auf das Museum zu übertragen, werden bekannte Instrumente und Methoden auf dieses neue Anwendungsfeld angepasst. Als Überblick bietet es auch einen Kontext, in dem unterschiedliche Diskurslinien miteinander verbunden und zusammengedacht werden. Damit sorgt es für Orientierung und kann zur Entwicklung eines konsistenten Bezugsrahmens beitragen. Eine solch umfassende Kompilation bedient sich zwangsläufig einer Vogelperspektive und bleibt damit an vielen Stellen an der Oberfläche. So können wichtige Details der Arbeit im Museumsalltag im Einzelnen nicht adressiert werden. Das Buch stellt keinen Handlungsleitfaden für die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Museum dar und verzichtet auch weitgehend auf konkrete Empfehlungen für die Praxis. Dabei bewegt es sich in einem rapide wandelnden Kontext. In diesem Sinn möchte das vorliegende Buch einen Einstieg in das Thema ermöglichen und hofft dabei, gezielt Impulse setzen zu können. Im Sinne eines kollektiven Lernprozesses ist eine hierauf aufbauen-
1 Einleitung: Nachhaltigkeit im Museum als Such- und Lernprozess
de Vertiefung von Aspekten durch Praktiker1 und Wissenschaftler nicht nur wünschenswert, sondern notwendig.
Inhalt: Nachhaltigkeit, Museum und Transformation Das Buch gliedert das Thema in drei Teile: Zunächst bettet es die Institution Museum in die großen Diskurslinien der Nachhaltigkeit ein. Danach beleuchtet es die konkreten Tätigkeitsfelder in Museen und schließt mit einem pragmatischen Ansatz, der die Transformation in Museen erleichtern soll. Teil I entwickelt auf Basis von grundlegenden Überlegungen zur Nachhaltigkeit die Vision des nachhaltigen Museums. Daraufhin werden aus einer Querschnittsperspektive einige Ansätze und zentrale Handlungsfelder für die Museumspraxis aufgezeigt. Teil II nimmt den Betrieb des Museums mit seinen Abteilungen in den Blick. Die Kapitel adressieren die spezifischen Aufgaben und Tätigkeiten im Museum und reflektieren nachhaltige Praktiken. Teil III überträgt die Vision des nachhaltigen Museums in praktisches Handeln. Dafür wird das Instrument des Nachhaltigkeitsmanagements entwickelt und dessen Einsatz in Museen praktisch erläutert.
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Lediglich aufgrund der Lesbarkeit verwende ich im Buch weitgehend die maskuline Form – darin enthalten sind selbstredend auch alle Frauen und non-binären Personen.
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TEIL I MUSEEN UND NACHHALTIGKEIT
2 Der Museumssektor im Wandel
Globale Krisen, insbesondere der Klimawandel sowie die soziale Dynamik der Klimaschutzbewegung, stellen für Museen neue Rahmenbedingungen dar, innerhalb derer sie sich positionieren müssen. Kann das Konzept der Nachhaltigkeit – über 30 Jahre alt – eine Grundlage für die Antwort der Museen sein? Was kann Nachhaltigkeit für Museen bedeuten?
2.1
Globale Krisen als Ausgangspunkt
Die wichtigen Herausforderungen der Gegenwart stehen für eine neuartige Art von Problemlagen, das gilt für Klimawandel, Wirtschafts- und Finanzmarktkrisen, Biodiversitätsverlust, globale Spaltung und Migration. Sie sind durch eine enge Verzahnung von menschlichem Wirken und natürlicher Mitwelt gekennzeichnet. So sind selbst Artensterben und Versteppung nicht als rein ökologische Erscheinungen zu verstehen, sondern exemplarische Probleme in sozial-ökologischen Zusammenhängen. Diese vielfältigen Krisenerscheinungen in unterschiedlichen sozial-ökologischen Systemen sind keine isolierten Entwicklungen, die jeweils einer eigenen Lösung bedürften. Vielmehr müssen sie zusammengedacht und ihre Zusammenhänge aufgedeckt werden. Es sind Entwicklungen, die als unterschiedliche Symptome einer zentralen Fehlentwicklung aufgefasst werden können. Der Kern dieser »multiplen Krise« (Brand und Wissen 2013) ist die auf fossilen Energieträgern beruhende Wirtschaft, die unter dem Konkurrenzprinzip einem Wachstumsparadigma folgt. Diese verdeckten Zusammenhänge sowie die spezifischen Charakteristika und Dynamiken der genannten Problemlagen erschweren eine Analyse sowie die Entwicklung von Lösungsansätzen für diese multiplen Krisenerscheinungen.
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Das nachhaltige Museum
Komplexität im Anthropozän Die Ausrufung des Erdzeitalters des Anthropozän unterstreicht die globalen Auswirkungen der Menschheit auf das sozial-ökologische System Erde (siehe dazu Davies 2016; Crutzen 2006). Die globale Wirkmächtigkeit der Menschheit im Anthropozän führt dazu, dass alle globalen Herausforderungen als komplexe, miteinander verbundene Probleme aufgefasst werden müssen, die Biologie, Ökologie, Kultur, Technologie, Wirtschaft und Politik tangieren. Ein Kennzeichen dieser globalen Herausforderungen ist demnach, dass es sich zumeist um Problemlagen, Themen und verbundene Lösungsansätze handelt, die sich durch hohe Komplexität auszeichnen. Diese zeigt sich beispielsweise darin, dass es stets mehrere Ursachen sowie mehrere Optionen für Lösungen und angepasste Verhaltensweisen gibt. Noch dazu können Ursachen, Auswirkungen und Anpassungsoptionen (bspw. im Hinblick auf den Klimawandel) je nach Perspektive anders ausfallen. So haben in unterschiedlichen Regionen die Auswirkungen des Klimawandels teilweise gravierende Folgen, in anderen wiederum nur geringfügige oder sogar positive Auswirkungen. Auch können je nach wirtschaftlicher Branche unterschiedliche Auswirkungen erwartet werden, und daher unterschiedliche Anpassungsstrategien angezeigt sein.
Lange Zeithorizonte und schnelle Dynamik Die fatalen Auswirkungen der globalen Krisen wie Klimawandel oder Biodiversitätsverlust liegen häufig noch lange in der Zukunft. Nicht nur die Logik des politischen Systems, die sich an Legislaturperioden orientiert, sondern auch die menschliche Psyche sind nicht daran gewöhnt, auf Ereignisse zu reagieren, die lange in der Zukunft liegen (Marshall 2015). Aufgrund der langsamen Dynamiken der globalen Veränderungen beschäftigt sich die Forschung zunehmend mit langen Zeitreihen und Szenarien. Ebenso bezieht sich wissenschaftliche Modellierung und Risikoabschätzung auf in der Zukunft liegende Ereignisse. Die wachsende Bedeutung der Zukunftsforschung ist dafür ein Anzeichen. Analysen von Steffen (2011) zur Entwicklung des Anthropozän weisen neben dem globalen Ausmaß der Auswirkungen und der zunehmenden Komplexität auch auf schnelle Dynamiken hin. Darüber hinaus zeichnen sich viele dieser Problemlagen durch nicht-lineare Entwicklungen aus, bei denen unter Umständen Kipppunkte existieren, die in kurzer Zeit zu erheblichen Dyna-
2 Der Museumssektor im Wandel
miken und Veränderungen führen können. Ein Beispiel hierfür ist eine Abschwächung des Golfstroms und dessen Folgewirkungen. Darüber hinaus ist eine Entwicklung nach einem Kipppunkt häufig nicht mehr rückgängig zu machen, wie beispielsweise die Abholzung von Regenwäldern. Ein Beispiel für weitere, spezifische temporale Aspekte dieser globalen Herausforderungen ist der Zusammenhang zwischen Wohlstand und den damit einhergehenden negativen Umweltauswirkungen, wobei diese zeitlich stark verzögert auftreten und daher maskiert werden. (Steffen et al. 2011, 749–751)
Unsicherheit und Risiken Aufgrund der beschriebenen temporalen Aspekte sowie der hohen Komplexität spielen Wahrscheinlichkeiten und damit Unsicherheit in der Adressierung dieser Problemlagen eine immer größere Rolle. So ist der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten und Szenarien ein integraler Bestandteil jeder Zukunftsforschung. Dazu treten bei komplexen Fragestellungen auch sich widersprechende Forschungsergebnisse. Denn weil für die Lösung von Problemen in der Regel unterschiedliche Wissensbestände notwendig sind, ergeben sich je nach fachlichem Zugang verschiedene Perspektiven auf das Problemfeld. Aus jedem dieser konkurrierenden Wissensbestände können unterschiedliche Erkenntnisse in die Diskussion zum Problem einfließen. So kann aus Sicht unterschiedlicher fachlicher Perspektiven häufig keine allgemeingültige Bewertung hinsichtlich einer Maßnahme abgeleitet werden. Globale Herausforderungen sind daher häufig insgesamt durch Unsicherheit geprägt. Unsicherheiten beziehen sich einerseits auf die Veränderungen des globalen NaturErde-Systems mit Teilsystemen wie Klima oder Biodiversität. Am Beispiel Klimawandel zeigt sich, dass die Auswirkungen, insbesondere auf lokaler Ebene, bisher nur höchst unsicher vorhergesagt werden können. Andererseits trifft dies auf sozial-gesellschaftliche Entwicklungen wie globale Migration in noch höherem Maße zu. Da die Vorhersage dieser Veränderungen und der damit verbundenen Risiken auf unsicheren Erkenntnissen beruht, sind Diskussionen über die daraus folgenden Auswirkungen häufig auch durch Konflikte über die Gültigkeit wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse geprägt. Solche Konflikte stellen für die Rolle und Wahrnehmung von Wissenschaft sowie insbesondere für die Wissenschaftskommunikation eine Herausforderung dar, denn ein weit verbreitetes positivistisches Wissenschaftsverständnis wird damit grundsätzlich in Frage gestellt. Die immer deutlicher zutage tretende Unsicherheit führt auch zu wachsender Skepsis und Kritik
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gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb, seinen Akteuren und seiner Funktion für die Gesellschaft. Daraus folgt, dass sowohl für die Adressierung der multiplen Krisenerscheinungen als auch für die Wissenschaftskommunikation nicht nur die Bedeutung von Wissen zunehmen wird, sondern auch, dass die Produktion von Wissen, also Wissenschaft, in Zukunft stärker im Fokus stehen wird.
Wicked Problems Die weltweiten Herausforderungen betreffen regelmäßig eine große Anzahl von Menschen, haben wirtschaftliche Auswirkungen und sind daher häufig durch Konflikte über die zugrunde liegenden Werte gekennzeichnet. Wenn zu den Konflikten um fachliche Wissensbestände auch Diskussionen um tiefer liegende Werte und daraus abgeleitete Zielvorstellungen oder Leitbilder treten, kann von Wicked Problems gesprochen werden (Balint 2011, 2). Tatsächlich spielen neben der Unsicherheit von Forschungsergebnissen gerade im Kontext der Nachhaltigkeit auch Werte und Normen eine entscheidende Rolle. Beispielsweise berühren Zielkonflikte bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit häufig ethische und normative Fragen. Nachhaltigkeitsfragen produzieren daher besonders häufig ungeordnete Konflikte oder Wicked Problems. Werden Wicked Problems außerdem drängend, d.h. bedürfen sie einer schnellen Bearbeitung bzw. Lösung, kann auch von »super wicked problems« (Levin et al. 2012) gesprochen werden. Super Wicked Problems sind außerdem dadurch gekennzeichnet, dass die Verursachenden der Probleme gleichzeitig auch Betroffene sein können. Des Weiteren werden Analyse und Bearbeitung der Probleme erschwert, weil keine zentrale Instanz existiert, die ausreichend legitimiert ist. (Levin et al. 2012) Wicked Problems sind häufig nicht vollständig lösbar. Da sie als Wertkonflikte aufzufassen sind, können sie nur unter Bezugnahme auf normative Grundlagen diskutiert und bearbeitet werden. Angemessene Methoden fokussieren bspw. auf Dialog und gegenseitiges Lernen, während wissenschaftliches Fachwissen, technische Informationen und Expertenmeinungen von geringerer Bedeutung sind. Wicked Problems erfordern daher eine neue Art der Bearbeitung, von der individuellen Ebene bis hin zu gesellschaftlichen Aktivitäten, von lokaler Verwaltung bis zu multinationalen Kooperationen.
2 Der Museumssektor im Wandel
Nachhaltigkeit als Antwort auf die globalen Herausforderungen Als Reaktion auf die globalen Krisenerscheinungen wurde das Bild der globalen Leitplanken entwickelt. Diese »planetary boundaries« (Rockström et al. 2009, 472) beschreiben einen Entwicklungsspielraum, in dem die Menschheit sich auf der Erde entwickeln kann, ohne langfristige negative Folgen zu verursachen. Eine Kernidee dieser Leitplanken ist, dass ein Überschreiten von Schwellenwerten geophysikalische Dynamiken auslösen könnte, die nicht mehr aufzuhalten sind. Eine Analyse anhand dieser Planetary Boundaries ergibt, dass die drängendsten Probleme der Biodiversitätsverlust, der Stickstoffkreislauf sowie der Klimawandel sind. (Rockström et al. 2009, 472) Nachhaltigkeit ist als Reaktion auf die globalen ökologischen Herausforderungen entwickelt worden. Die weitere Ausdifferenzierung des Nachhaltigkeitsdiskurses sowie die Übertragung und Anwendung auf eine Vielzahl von Disziplinen und Handlungsbereiche adressieren – zum Teil nicht unbedingt beabsichtigt – ebenfalls die dargestellten Krisen und Wicked Problems. Nachhaltigkeit ist daher ein passendes Leitbild und ein Rahmen zur Analyse von und Lösungsentwicklung für diese Herausforderungen. Insbesondere spiegelt Nachhaltigkeit in ihrer Komplexität und Vielfältigkeit der Ansätze und Methoden die Komplexität dieser Krisen wider. Ob Nachhaltigkeit im Kern auch eine Kritik am wirtschaftlichen Wachstumsparadigma umfasst, ist zum Teil strittig, wird hier aber als Voraussetzung zur Erreichung der expliziten Ziele der Nachhaltigkeit gesehen. Nachhaltigkeitsforschung hat einen großen Wissensfundus über die Auswirkungen der Menschheit auf das System Erde erzeugt. Mit diesem Wissen kommt auch Verantwortung: Die gegenwärtige Generation hat die Pflicht, dieses Wissen zu nutzen, um die Interaktionen mit dem Planeten und der Mitwelt so zu ändern, dass die multiple Krise entschärft wird.
2.2 Die Idee der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung sind mittlerweile Begriffe, die in den allgemeinen Wortschatz eingegangen sind. Der Erfolg dieser Begriffe liegt auch an der Möglichkeit, unterschiedlichste Auffassungen und Bedeutungen in sie hineinzuprojizieren. Nachhaltigkeit kann in diesem Sinn auch als Sammelbegriff verstanden werden, der vieles anspricht und so umfassend verwendet wird, dass er schwer greifbar ist. Vor diesem Hintergrund ist es
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Das nachhaltige Museum
wichtig, ein grundlegendes Verständnis dieses Leitbildes zu entwickeln, um sich sicher im Diskurs bewegen zu können und die Schnittstellen zum Museumssektor zu identifizieren.
Hintergrund und Kontext Für eine Annäherung bietet es sich zunächst an, die Entwicklung sowie die wichtigsten Meilensteine des Leitbildes der Nachhaltigkeit zu skizzieren (siehe Abbildung 1). Anfänge: Nachhaltigkeit als ur-menschlicher Antrieb Bereits lange vor einer expliziten Formulierung des Konzeptes fußte die Lebensweise vieler vorindustrieller Gesellschaften auf einer nachhaltigen Ressourcennutzung. Im 18. Jahrhundert wird Nachhaltigkeit als Prinzip der Forstwirtschaft formuliert (siehe Jahn und Carlowitz 2013). In diesem ursprünglichen Verständnis bedeutet Nachhaltigkeit, dass nur so viele Bäume gefällt werden, dass der Wald langfristig bewirtschaftet werden kann. Spätestens zur Mitte des 20. Jahrhunderts mehren sich die Anzeichen für negative Auswirkungen des menschlichen Wirtschaftens auf Ökosysteme und begründen weltweite Umweltbewegungen (bspw. Carson 1962) 1972: Problemaufriss: Die Grenzen des Wachstums Der Club of Rome veröffentlicht eine umfassende Studie zu den globalen Auswirkungen menschlichen Wirtschaftens und weißt damit bereits auf den Kern der multiplen Krise hin: das Wachstumsparadigma (siehe Meadows et al. 1972). 1987: Leitbild: Nachhaltige Entwicklung Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UN) veröffentlicht den Bericht »Unsere gemeinsame Zukunft«. Darin wird erstmals nachhaltige Entwicklung als Konzept umfassend ausformuliert. Dieser sogenannte Brundtland-Bericht stellt den Ausgangspunkt des Diskurses über nachhaltige Entwicklung dar. 1992: Globale Umwelt- und Entwicklungspartnerschaft Auf der Konferenz zu Umwelt und Entwicklung der UN in Rio de Janeiro werden zahlreiche Abkommen verabschiedet, die als Grundlage für eine globale Zusammenarbeit für mehr Nachhaltigkeit gesehen werden können. Dazu ge-
2 Der Museumssektor im Wandel
hören unter anderem die Deklaration von Rio, die ein weltweites Recht auf nachhaltige Entwicklung fixiert, die Klimarahmenkonvention, die Biodiversitätskonvention sowie die Agenda 21. 1997: Verbindliche Ziele im Klimaschutz Zur Umsetzung der UN-Klimarahmenkonvention werden auf der Klima-Konferenz (COP3) in Kyoto erstmals verbindliche Ziele festgelegt. Das verabschiedete Kyoto-Protokoll definiert rechtsverbindliche Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. 2000: Millenniums-Entwicklungsziele Auf dem Gipfel der UN in New York werden mit Blick auf die globalen Ungleichheiten acht Entwicklungsziele (Millennium Development Goals) formuliert. Die Ziele sollen bis 2015 Armut und weltweite Ungerechtigkeit reduzieren und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung fördern. 2002: Die große Transition In der Studie »The Great Transition« (Raskin et al. 2002) werden die Leitplanken zukünftiger Entwicklung definiert und Szenarien von nachhaltigen Zukünften entwickelt. Nachhaltige Entwicklung wird dabei als dynamischer Prozess für eine große Transition verstanden. 2004: Agenda 21 for Culture Der Weltverband der Kommunen (United Cities and Local Governments) verabschiedet die Lokale Agenda 21 für Kultur. Ziel ist es, Kultur als vierte Säule der nachhaltigen Entwicklung zu etablieren. 2015: Ziele für nachhaltige Entwicklung Auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in New York wird die Agenda 2030 verabschiedet. Sie skizziert eine umfassende Vision für eine nachhaltige Entwicklung in globaler Partnerschaft. Ihr Kern sind 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die bis 2030 erreicht werden sollen. 2020: BNE 2030 Die von der UNESCO herausgegebene Studie »Education for Sustainable Development: A roadmap« (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2020) bezieht explizit die Ziele der Agenda 2030 auf den Bil-
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dungssektor. Sie beleuchtet Schnittstellen und definiert Möglichkeiten, wie Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) zur Erreichung der SDGs beitragen kann. Abbildung 1: Meilensteine der Nachhaltigkeitsidee
Quelle: eigene Abbildung.
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Grundlegende Werte und Nachhaltigkeitsethik Die Komplexität der Probleme und die systemischen Zusammenhänge führen zu der Einsicht, dass diese Herausforderungen nur gemeinsam zu bewältigen sind. Respekt, Fürsorge und Toleranz sind grundlegende Werte einer Nachhaltigkeitsethik – es geht also im Kern um die Anderen, nicht um das Selbst. Nachhaltigkeit ist damit vor allem durch eine altruistische Denk- und Handlungsweise geprägt. Nachhaltige Entwicklung steht daher entgegengesetzt zu Über-Individualisierung und Ellenbogengesellschaft, dem Konkurrenzkampf des Neo-Liberalismus und zur Anti-Solidarität der Globalisierung (Latour 2018). Sie setzt nicht nur in ihren Zielen, sondern auch in der Umsetzung auf eine Zugewandtheit gegenüber dem Anderen und der Mitwelt. Aus diesen Überlegungen folgt auch der für den Nachhaltigkeitsgedanken zentrale Wert der Gerechtigkeit. In der weltweiten Perspektive der ökosystemischen Problemlagen resultiert daraus eine Gerechtigkeit globaler Dimension. Alle, überall haben das gleiche Recht auf ein gutes Leben (»buen vivir« Vanhulst und Beling 2014). Kennzeichnend ist die Hinzunahme der zeitlichen Perspektive, die den ökologisch langfristigen Prozessen entlehnt ist. Daraus folgt eine intergenerationelle Gerechtigkeit. Alle, auch in Zukunft, haben ein Recht auf ein gutes Leben. Der Gerechtigkeitsbegriff wird im Sinne der Nachhaltigkeit also ausgeweitet: Er umfasst eine globale Dimension sowie eine intertemporale Komponente. Dieses Verständnis stellt den normativen Kern der Nachhaltigkeitstheorie dar (Ekardt 2020, 152–153). Verkürzt und einprägsam kann diese Art der Gerechtigkeit auch als »Enkeltauglichkeit« (Ott 2020) beschrieben werden.
Verständnis von und Diskurs zu Nachhaltigkeit Der Begriff der Nachhaltigkeit wird seit vielen Jahren geradezu inflationär verwendet und ist schon seit geraumer Zeit ein Trendwort. Im öffentlichen Diskurs wird Nachhaltigkeit unterschiedlich ausgelegt (siehe Buchal 2016). Um zeitgemäß oder fortschrittlich zu erscheinen, werden die Begriffe »nachhaltig« und »Nachhaltigkeit« immer wieder unscharf und auch irreführend verwendet. Der vielleicht häufigste irreführende Gebrauch ist, dass nachhaltig synonym mit langfristig benutzt wird. Eine unscharfe Verwendung des Begriffs überlässt ihn nicht nur anderen Beteiligten, die durch abweichende Bedeutungen den Diskurs in ihrem Interesse prägen können, sondern es
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besteht auch die Gefahr, dass die gesamte Vision und Diskussion über das nachhaltige Museum diskreditiert wird. Obwohl eine Vielzahl an Definitionen existiert, orientiert sich dieses Buch an dem ursprünglichen Verständnis und bezieht die klassische Definition in einem weiteren Schritt auf den Museumssektor. Vor dem Hintergrund der Systemforschung haben Meadows et al. (1972) in der Studie »Die Grenzen des Wachstums« Nachhaltigkeit ganz grob als Zustand des globalen Gleichgewichts beschrieben. Die maßgebliche Definition von Nachhaltiger Entwicklung bezeichnet eine Entwicklung als nachhaltig, wenn sie den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen (World Commission on Environment and Development 1987, 43). Nachhaltige Entwicklung kann auch als ein Such-, Reflexions- und Gestaltungsprozess verstanden werden, der sich am Leitbild einer global gerechten und gleichzeitig nachhaltigen Lebensweise orientiert (Michelsen et al. 2016, 26). Es kann ferner auch die Bedeutung von Nachhaltiger Entwicklung und Nachhaltigkeit unterschieden werden, denn mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung wird eine Dynamik impliziert, die im Kern auf ein, vermutlich wirtschaftliches, Wachstum hindeutet (Springett und Redclift 2015, 16). Nachhaltigkeit kann auch als Konzept mit drei Dimensionen aufgefasst werden. Diese Sichtweise lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass eine intergenerationelle Gerechtigkeit, wie sie im Brundtland-Bericht gefordert wurde, nur durch ein Zusammendenken von unterschiedlichen Perspektiven möglich wird. Nachhaltigkeit beruht danach auf den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Im Gegensatz dazu wird Nachhaltigkeit heute oft als ein sogenanntes grünes Konzept missverstanden. Ein auf ökologische Herausforderungen und möglicherweise technische Lösungen reduziertes Verständnis ist jedoch viel zu eng gefasst. Auch wenn ökologische Probleme den Ausgangspunkt darstellen, adressiert Nachhaltigkeit in erster Linie eben nicht ökologischen Themen, sondern stellt den Menschen in den Mittelpunkt: Seine Bedürfnisse und das Gute Leben.
Zentrale Ideen der Nachhaltigkeit Transformation und kultureller Wandel Für eine nachhaltige Zukunft ist eine globale Große Transformation notwendig. Für diesen nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ist ein neuer Gesellschaftsvertrag notwendig. Nachhaltigkeit zielt damit auf einen
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kulturellen Wandel in allen Gesellschaftsbereichen (siehe German Advisory Council on Global Change 2011). Postwachstum und Suffizienz Nachhaltigkeit stellt das Paradigma des Wirtschaftswachstums infrage. Sie entwickelt Visionen für eine Postwachstumsgesellschaft, die mit geringerer Produktion und geringerem Konsum zu mehr Gerechtigkeit und einem neu definierten Wohlstand führen (siehe Jackson 2009). Suffizienz stärkt eine Fokussierung auf das richtige Maß in der Überflussgesellschaft und entwickelt Ansätze für eine Reduktion des Konsumverhaltens. Verantwortung und Corporate Social Responsibility Aus dem Ziel einer global gerechteren Entwicklung ergibt sich für den globalen Norden und insbesondere für Unternehmen und Institutionen mit internationalen Beziehungen eine herausgehobene Verantwortung für die Umsetzung von Nachhaltigkeit. Im Unternehmenssektor steht für diese Entwicklung der Ansatz der Corporate Social Responsibility (CSR). Dabei umfasst CSR aber nicht nur soziale Aspekte, sondern bezeichnet auch die unternehmerische Verantwortung für alle Auswirkungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Glokalisierung und Lokale Agenda 21 Die systemischen, globalen Herausforderungen müssen auch von unten, konkret auf lokaler Ebene adressiert werden. Der Slogan »Denke Global, handle lokal« bringt den Zusammenhang zwischen Globalisierung und lokaler Bedeutung in einer nachhaltigen Perspektive auf den Punkt. Die Glokalisierung wird im Rahmen der Lokalen Agenda 21 vor Ort umgesetzt. Beteiligung und Kooperation Nachhaltige Entwicklung ist ein grundsätzlich vereinbarungsbasierter Prozess, der mittels Beteiligung und Kooperation umgesetzt wird. Graswurzelbewegungen sind genauso wie Ansätze der deliberativen Demokratie ein essenzieller Bestandteil, um eine sozial gerechte Transformation zu realisieren. Lernprozess und Anpassung Die vielfältigen Herausforderungen der multiplen Krise bedürfen eines anpassungsfähigen Lösungsansatzes. In diesem Sinn ist Nachhaltigkeit ein Such- und Lernprozess, der sich nicht auf einem vordefinierten Pfad be-
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wegt. Eine solche Offenheit berücksichtigt auch die langen Zeithorizonte, Unsicherheiten und die Lösung von Zielkonflikten.
2.3 Nachhaltigkeit im Museum zwischen Utopie und Banalität Die globalen Krisenerscheinungen und das Leitbild der Nachhaltigkeit haben vielfältige Bezüge zur Arbeit in Museen. Doch die Komplexität des Begriffs und die Bandbreite unterschiedlicher Anforderungen machen die Übertragung auf Museen und die Umsetzung in ihnen zu einer großen Herausforderung. Gleichwohl wird eine Fokussierung auf gesellschaftliche Wirksamkeit und Transformation bereits zahlreich und vielfältig im Museumssektor umgesetzt. So wurde bereits 1972 in der UNESCO World Heritage Convention zusammen mit Museumsfachkundigen die Empfehlung entwickelt, sich auf die soziale Bedeutung von Museen zu fokussieren. In der Museumspraxis existieren seit vielen Jahren die Community-based Museen sowie Ecomuseen, zwei Beispiele, die – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten – eine lokal verankerte und auf soziale sowie ökologische Nachhaltigkeit ausgelegte Museumsarbeit entwickeln, weiterdenken und umsetzen. (Brown 2019, 4)
Nachhaltigkeit liegt im Kern der Mission von Museen Ein guter Ausgangspunkt für die Suche nach Bezügen zur Nachhaltigkeit im Museumssektor sind die ethischen Richtlinien für Museen. Das Bewahren für zukünftige Generationen (The International Council of Museums 2017, 14) als eine zentrale Aufgabe von Museen umfasst eine intergenerationelle Zukunftsperspektive und damit einen Kern der Nachhaltigkeitsidee. Museen können in diesem Sinn als langfristige und umfassende Archive der Menschheit verstanden werden. Gerade Museen sind mit ihrer Perspektive auf langfristige Zeiträume dazu prädestiniert, intergenerationelles Denken voranzutreiben. So ist für Museumsmitarbeitende die Arbeit mit langen Zeiträumen alltäglich – auch ein langfristiger Blick in die Zukunft, wie es die Klimawandelprozesse oder die intergenerationelle Perspektive der Nachhaltigkeit erfordern, ist hier besonders anschlussfähig (Janes 2015, 4). Insofern ist die Sichtweise der Enkeltauglichkeit in Museen in besonderem Maße stimmig.
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Museen bewahren Kulturgüter und Sammlungen für nachfolgende Generationen. Aber Nachhaltigkeit ist viel mehr als Bewahren. Denn durch das Bewahren entstehen zahlreiche Zielkonflikte mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit – die Auswirkungen auf den Klimawandel durch energieintensive Museumsgebäude sind nur ein Beispiel dafür. Die Aufgabe des Bewahrens umfasst daher nicht automatisch eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Die Aufgabe des Bewahrens kann auch in einer globalen Dimension aufgefasst werden. Wenn die globale Klimakrise sich weiter verschärft, sind Fragen des Raumklimas in Museen die kleinsten Probleme für Sammlungsobjekte. Museen und Sammlungen werden dann durch Extremwetterereignisse oder andere globale Verwerfungen gefährdet. Schließlich werden das kulturelle Erbe und Sammlungen nicht nur in einem Depot, sondern letztlich auf der Erde aufbewahrt. Nachhaltigkeit und Klimaschutz können daher als die endgültige präventive Konservierung verstanden werden. (Sutton und Wylie 2008, 5). Diese Argumentation ist eigentlich offensichtlich und einleuchtend – wird aber leider nur zu häufig vergessen: Das, was schlecht für den Planeten ist, ist auch schlecht für Museen.
Nachhaltigkeit ist keine zusätzliche Aufgabe Die globalen Krisenerscheinungen und der damit einhergehende Wandel hat den Museumssektor zwischenzeitlich voll ergriffen. Nie war es offener, was das Wort Museum bedeutet und was ein Museum ausmacht. Die Diskussion darüber wird nicht nur auf Fachtagungen und im Flurgespräch weiterentwickelt, sondern auch durch den Prozess der Re-Imaginierung von Museen durch den Internationalen Museumsrat, kurz ICOM (The International Council of Museums 2021). Im Rahmen dieses Prozesses werden die Museumsdefinition und der ICOM-Ethikkodex überarbeitet. Bei den Zwischenergebnissen wird im Hinblick auf Nachhaltigkeit eines deutlich: Nachhaltigkeit wird ganz klar nicht als eine weitere Mission, nicht als ein weiteres zentrales Tätigkeitsfeld von Museen verstanden. Vielmehr wird es von knapp der Hälfte der in der zweiten Konsultationsstufe befragten Personen als zugrunde liegender Wert der Museen gesehen (Erika et al. 2021, 48). Dies weist auf ein wichtiges Argument in der Diskussion zum nachhaltigen Museum hin. Nachhaltigkeit ist also keine zusätzliche Aufgabe für Museen. Es ist nichts, was es auch noch zu erledigen gilt. Nachhaltigkeit ist viel mehr eine Frage, wie Arbeit in Museen eingeordnet, entwickelt und ausgeführt und welcher Sinn ihr gegeben wird. Sie ist damit ein zutiefst kulturelles Thema.
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Nachhaltigkeit kann auch verstanden werden als das grundlegende Verständnis oder der soziale Kitt, der die Arbeit an Museen prägt. Die vielfältige gute Praxis in Museen weltweit kann häufig heute bereits als nachhaltig gelten, auch wenn sie nicht in diesem Sinn konzipiert und bisher nicht so bezeichnet wird. Durch die Perspektive der Nachhaltigkeit werden Aufgaben und Tätigkeiten neu reflektiert und bewertet – und damit entsteht eine grundlegende Chance, die museale Praxis zu verbessern. Nachhaltigkeit kann auch keine eigenständige neue Mission oder Aufgabe von Museen sein, da sie quer zu allen anderen Aufgabenbereichen eines Museums liegt. Sie tangiert alle Bereiche und steht damit niemals gleichberechtigt neben anderen Aufgaben wie Sammeln, Bewahren oder Vermitteln. Damit hat Nachhaltigkeit auch die Chance, Mitarbeitende über Abteilungsgrenzen und Disziplinen hinweg zu einen, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und auf diese Weise ein gemeinsames Projekt aller Mitarbeitenden zu werden. Die fachlichen Bezüge und Arbeitsrealitäten von unterschiedlichen Fachkräften im Museum, bspw. Konservatoren und Pädagogen, und was sie motiviert und antreibt, sind mitunter sehr weit voneinander entfernt. Nachhaltigkeit kann hier eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Arbeitsrealität im Alltag bieten. Die Komplexität der globalen Krisen verlangt von Museen eine Re-Evaluierung ihres Selbstverständnisses. Die Vision eines nachhaltigen Museums kann vor diesem Hintergrund auch als Vehikel dienen, um die Relevanz von Museen zu stärken. Nachhaltigkeit ist daher das Thema der Zukunft für Museen. Wenn Museen relevant bleiben wollen, müssen sie Nachhaltigkeit als zentrale Idee verankern.
Hindernisse und Bewahren des Status quo Die aufgezeigten Schnittstellen zwischen Museen und Nachhaltigkeit werden derzeit nicht systematisch adressiert und entwickelt. Insgesamt steht die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Museumsarbeit erst am Anfang. Dies deutet – über 30 Jahre nach Erscheinen des Brundtland-Berichtes – auf zahlreiche Hindernisse im Museumssektor hin. So sind für die Veränderungsdynamik im Museumssektor diverse Treiber und Bremser von Bedeutung (Sutton 2019, 433): Zu den Treibern gehören die allgemeine gesellschaftliche Dynamik sowie eine zunehmende Dynamik im Museumssektor, Innovationswille, Forderungen von Besuchern und Mitarbeitenden sowie neue Förderprogramme. Zu den Hindernissen gehören Budgetknappheit, schwere Zu-
2 Der Museumssektor im Wandel
gänglichkeit von Fachwissen zu Nachhaltigkeit sowie fehlende Ressourcenzuweisungen durch die Direktion. Außerdem existieren konkrete Vorbehalte und Gegenargumente bei Mitarbeitenden in Museen gegen die Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit. Dazu gehören fehlende Zeit und die Befürchtung, dass Ressourcen in anderen Aufgabenbereichen innerhalb des Museums reduziert werden. (Sutton 2019, 433) Ein auf diese Gründe aufsattelndes Narrativ ist die Erzählung von Nachhaltigkeit als sogenanntes Luxusprojekt. So wird Nachhaltigkeit häufig als etwas behandelt, das umgesetzt wird, wenn die Gesamtsituation, insbesondere die Besuchszahlen und das Budget, dies zulassen.
Von »Nice-to-have« zu »Must-have« Vor dem Hintergrund von Digitalisierung, De-Kolonisation und schrumpfenden Fördermitteln erscheint Nachhaltigkeit nicht als das drängendste der Probleme. Letzten Endes ist Nachhaltigkeit für den Museumsbetrieb kein Muss, keine Pflicht, sondern die Kür, wenn gerade nichts Anderes mehr ansteht – so die unbewusste Überzeugung oder die reflektierte Argumentationslinie vieler Kritiker des nachhaltigen Museums. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick in andere Branchen. So ist in vielen anderen Branchen Nachhaltigkeit bereits vom »Nice-to-have« zum »Must-have« geworden. Ein nachhaltiger Betrieb rückt auf der Agenda von Unternehmen immer weiter nach oben. Ein wichtiger Grund für diesen Wandel ist der Druck der Geldgebenden und Förderer. In anderen Branchen ist es bereits üblich, mehr Fördermittel zu bewilligen, wenn das Unternehmen bzw. die Institution über ein nachvollziehbares Nachhaltigkeitsmanagement verfügt. Nachhaltigkeit ist für Branchenführer nicht länger ein »Nice-to-have«, sondern eine Notwendigkeit. So könnten in Zukunft auch im Museumssektor Nachhaltigkeitskriterien eine zentrale Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine (Projekt-)Förderung spielen. Bei einer gesicherten Grundförderung durch öffentliche Gelder ist eine von außen verursachte Veränderung nie existenzbedrohend – genauso wie in anderen Bereichen des Non-Profit Sektors. Vor diesem Hintergrund kann von vielen auch Nachhaltigkeit als vernachlässigbare Anforderung gesehen werden. Öffentlich getragene oder hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanzierte Museen besitzen daher in dieser sektoralen Veränderungsdynamik eine Sonderrolle. Im öffentlichen Sektor wird eine umfassende Ausrichtung auf Nachhaltigkeit vermutlich nicht von der Mehrheit der Institutionen umge-
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setzt werden, wenn nicht verbindliche Vorgaben zur Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements existieren oder ein solches mit einem Vorteil für das jeweilige Museum verbunden ist. Daraus folgt, dass für eine Transformation des Sektors entweder eine Messung von Nachhaltigkeit oder eine Berichterstattung über sie obligatorisch werden muss, oder die Zuteilung öffentlicher Ressourcen wird an die Nachhaltigkeitsleistung gekoppelt. (Adams et al. 2014, 58) Museen und ihre Aufgaben werden sich aufgrund der globalen Herausforderungen und Dynamiken zwangsläufig wandeln. (Cameron 2015, 345). Und wenn dieser grundlegende Wandel ohnehin nicht aufzuhalten ist, erscheint es nur klug, diesen proaktiv zu gestalten. Die folgenden Kapitel sollen Inspirationen dazu liefern, wie dies gelingen kann.
3 Die Vision: Das nachhaltige Museum
Die Vision des nachhaltigen Museums stützt sich auf zahlreiche Ansätze, die die Bedeutung von Museen in Bezug auf die Herausforderungen der Gegenwart in ähnlicher Weise skizzieren. Dazu gehören ökologische (siehe Sutton und Wylie 2008) und sozial verantwortliche Perspektiven (siehe Sandell 2016; Janes und Conaty 2005) genauso wie die Betonung der Rolle von Museen für den Klimawandel (siehe Cameron und Neilson 2015) oder in gesellschaftlichen Bewegungen (siehe Janes und Sandell 2019b). Darauf aufbauend hat sich ein konstruktiver Reflexionsprozess und Diskurs zum Wandel in Museen sowie im gesamten Museumssektor entwickelt (siehe Black 2021; Janes 2013). Doch wie lassen sich diese vielfältigen Ansätze in die konkrete Arbeit der Museen integrieren? Wie können Museen die unterschiedlichen Anforderungen aufeinander abstimmen und deren Umsetzung harmonisieren? Die Vision des nachhaltigen Museums bietet einen Kontext, in dem sich die Diskurslinien verbinden und zusammengedacht werden. So entwickelt sich ein konsistenter Bezugsrahmen mit einer gemeinsamen Sprache, der allen Beteiligten, also dem Personal, dem Publikum sowie weiteren Stakeholdern, die Zusammenarbeit erleichtert und so zur Lösung der Herausforderungen – ob ökologische Effizienz oder soziale Gerechtigkeit – beiträgt. Das nachhaltige Museum bietet außerdem die große Chance, die Umsetzung der Maßnahmen durch einen klar gegliederten Prozess zu vereinfachen, Synergieeffekte zu nutzen und Zielkonflikte zu adressieren.
3.1 Nachhaltigkeit als Leitbild für Museen Nachhaltigkeit als Leitbild für Museen bedeutet eine Fokussierung auf die Frage, wie Museen zu einer sozial gerechten Zukunft innerhalb der planetaren Grenzen beitragen können. Dafür sind insbesondere die weltweiten und
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Das nachhaltige Museum
intergenerationellen Auswirkungen der Museumsarbeit zu berücksichtigen. Das Leitbild Nachhaltigkeit schärft den Blick für die Funktion von Museen in sozial-ökologischen Systemzusammenhängen und deutet auf das spezifische Potenzial von Museen hin, in diesen Systemen auf eine globale nachhaltige Zukunft hinzuwirken. Nachhaltigkeit rückt dafür in das Zentrum des Selbstverständnisses von Museen und prägt die Arbeit in ihnen grundlegend. Mit einem solchen Leitbild entstehen neuartige Museen, durch die in ihrem Umfeld kulturelle, soziale und wirtschaftliche Strukturen erneuert werden.
Vier Prinzipien des nachhaltigen Museums
Abbildung 2: Prinzipien des nachhaltigen Museums
Quelle: eigene Abbildung.
Die Arbeit im Nachhaltigen Museum folgt vier Prinzipen, die als Grundlage für alle folgenden und abgeleiteten Ansätze, Empfehlungen und Maßnah-
3 Die Vision: Das nachhaltige Museum
men dienen. Im Großen und Ganzen können diese Prinzipien als elementare Voraussetzung für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement verstanden werden (siehe Abbildung 2). Einleuchtende Grundlage ist ein Bekenntnis zu der Idee der Nachhaltigkeit. Da Nachhaltigkeit ein normatives Konzept ist, geht damit einher, dass Museen, in anderer Weise als bisher, wertbasiert arbeiten. Nachhaltigkeit stellt die normative Grundlage für das Wirken des Nachhaltigen Museums dar. Dies bedeutet, dass sich Museen für ein besseres Leben, eine gerechte Verteilung von Gütern und Ressourcen und einen verantwortungsvolleren Umgang mit der Natur einsetzen. Die normativen Grundlagen des Nachhaltigen Museums sind direkt anschlussfähig an das Konzept der institutionellen Empathie, das als eine Museumspraktik gedacht wird, die im wahrhaftigen und tiefen Austausch mit den Menschen in ihrer Umgebung – Gemeinschaften, Publikum, Mitarbeitende – entsteht (Jennings et al. 2019, 505–511). Das nachhaltige Museum arbeitet darüber hinaus wirkungsorientiert. 30 Jahre Forschung, Experimentieren, Lernen und Umsetzen von Nachhaltigkeit haben gezeigt: Es ist ein grundlegender Wandel unserer Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsweise notwendig. Das zweite Prinzip des nachhaltigen Museums stellt daher die Arbeit an einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation und ihre Umsetzung dar. Diese nach außen gerichtete Perspektive erfordert eine Identifizierung der wesentlichen Hebel, die Museen für eine Große Transformation besitzen (vgl. Kap.4) Ein Prinzip der Umsetzung fokussiert auf die sozialen und organisationalen Aspekte des Veränderungsprozesses. Das Gesamtsystem von Führungs- und Steuerungsmechanismen eines Museums kann auch als Governance bezeichnet werden. Governance bezeichnet dabei Formen der politischen und gesellschaftlichen Steuerung, die gerade nicht (vollständig) institutionalisiert sind. Governance betont damit einen kooperativen Ansatz der Lenkung von Museen auf mehreren Ebenen. Gute Governance (Good Governance) zielt im Sinne einer guten fachlichen Praxis auf eine gute, gewissenhafte und verantwortungsvolle Ausübung dieses kooperativen Steuerungsansatzes des Museums. Der achtsame Umgang mit Ressourcen fungiert als zentrales Element der Arbeitskultur des Nachhaltigen Museums. Dabei sind materielle sowie nicht-materielle Ressourcen angesprochen. Neben Gebäuden und Sammlungen gehören dazu die weitere Infrastruktur, Geräte und Materialien, aber auch Mitarbeitende, Wissen und finanzielle Ressourcen. Ein verantwortungs-
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voller Umgang mit den Ressourcen sorgt für eine positive ökologische und ökonomische Bilanz. (Wedl und Reimoser 2016, 15)
Dimensionen der Nachhaltigkeit in Museen Nachhaltigkeit wird häufig anhand von drei Dimensionen oder Säulen konzeptualisiert: ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Nachhaltigkeit und soziale Nachhaltigkeit. Diese Perspektive führte zum Triple-BottomLine-Konzept, das sich auf den Betrieb von Unternehmen bezieht und im Nachhaltigkeitsmanagement weit verbreitet ist. Der Triple-Bottom-LineAnsatz unterschätzt jedoch beispielsweise die Bedeutung, die Museen in den komplexen Transformationsprozessen auf lokaler Ebene spielen können (Errichiello und Micera 2018, 16). Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte sind auch für Museen wichtig. Aber bei dieser Sichtweise fehlt ein zentraler Aspekt eines jeden Museums: die Interaktion mit dem Besucher. Daher müssen die Museen die Programmatik als weitere Dimension in ein Nachhaltigkeitsverständnis für Museen integrieren. Bei der Anwendung der Nachhaltigkeitsidee auf den Museumssektor kann zu den drei Dimensionen der Triple-Bottom-Line die vierte Dimension des Programms hinzugefügt werden. Dieses Konzept für Museen kann als Quadruple-Bottom-Line bezeichnet werden (Sutton 2010): •
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Planet, der ökologische Fußabdruck. Die Umweltauswirkungen von Museen sind die offensichtlichsten Verbindungen zum Konzept der Nachhaltigkeit. In diesem Aufgabenfeld existieren zwei maßgebliche Ansätze: Erstens das Ressourcenmanagement und zweitens bewusstseinsbildende Maßnahmen. People, die soziale Gerechtigkeit. In Museen stehen hier die Themen Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Gender, indigene Völker, Vertreibung, De-Kolonisation und Restitution im Mittelpunkt. Daneben spielen Aspekte von Inklusion, Gleichberechtigung und Zugang eine Rolle für den Museumsbetrieb. Profit, die ökonomische Leistung. Für Museen umfasst ökonomische Nachhaltigkeit Fragen zu ihrer finanziellen Resilienz, Einsparungen durch Ressourceneffizienz sowie eine Postwachstums-Strategie. Programm, der Auftrag des Museums. Nachhaltige Programmatik bedeutet alle Aspekte des Programms auf Nachhaltigkeit hin auszurichten. Da-
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zu gehören beispielsweise Ausstellungen oder museumspädagogische Angebote, genauso wie kooperative Projekte. Aus dem Blickwinkel vieler Museen erscheint es naheliegend, neben den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales, Kultur als die vierte Dimension von Nachhaltigkeit in Museen zu verankern (Stylianou-Lambert et al. 2014; Loach et al. 2017). Auch wurde darauf hingewiesen, dass Kultur und Nachhaltigkeit sich zwangsläufig gegenseitig bedingen und kulturelle Entwicklung und Dynamik die Nachhaltigkeit positiv beeinflussen (Hawkes 2003, 2). Kultur als vierte Säule der Nachhaltigkeit ist aus theoretischer Sicht nachvollziehbar und für das weite Feld der Kulturpolitik überaus zielführend. Der Wert von Kultur für eine nachhaltige Entwicklung ist ebenfalls unbestritten und die Reflexion und Diskussion über kulturelle Nachhaltigkeit schärft und bereichert den Nachhaltigkeitsdiskurs insgesamt (Soini und Birkeland 2014, 221). Kultur als vierte Dimension von Nachhaltigkeit zu etablieren, könnte jedoch die Umsetzung von Nachhaltigkeit in Museen verkomplizieren, denn die Schnittstellen von Kultur und Museumsarbeit sind so mannigfaltig, dass die Abgrenzung zu den anderen Dimensionen, insbesondere der sozialen Nachhaltigkeit, unübersichtlich wird. Für die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Museumsbetrieb bleibt die kulturelle Dimension zu umfassend und gleichermaßen zu herausfordernd. Programm als vierte Dimension der Nachhaltigkeit stellt eine Engführung von Kultur für die Spezifika des Museumsbetrieb dar. Dieses Nachhaltigkeitsverständnis folgt damit einem pragmatischen und anwendungsorientieren Blick auf Museen.
Starke Nachhaltigkeit und planetare Grenzen der Museumsarbeit Für eine weitere Konkretisierung des Nachhaltigkeitsbegriffs für die Museumsarbeit sind auch die Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Im Zentrum dieser Überlegung stehen dabei die Konzepte von starker und schwacher Nachhaltigkeit. Schwache Nachhaltigkeit basiert auf der Überzeugung, dass ökologische, ökonomische und soziale Ressourcen gleichberechtigt beurteilt werden und sich gegeneinander aufwiegen lassen. Wirtschaftliches Handeln und der Schutz der Lebensgrundlagen stehen dabei gleichrangig nebeneinander. Die Visualisierung eines Drei-Säulen-Modells legt häufig auch diese Auslegung von Nachhaltigkeit nahe. Starke Nachhaltigkeit erkennt dagegen an, dass natürliche Ressourcen
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vielfach nicht erneuerbar sind und in der Regel auch nicht durch Menschen oder Sachkapital ersetzt werden können. Das führt zu der Erkenntnis, dass absolute Grenzen des Wachstums existieren und es einen Entwicklungskorridor für menschliche Entwicklung gibt, in dem ein begrenzter Spielraum zur Umsetzung wirtschaftlicher und sozialer Ziele liegt. Diese Auffassung einer starken Nachhaltigkeit ist auch als Donut-Modell der Nachhaltigkeit bekannt (siehe Raworth 2018), das für das nachhaltige Museum als Ausgangspunkt dient. Anders als beim Drei-Säulen Modell ist das ökonomische System in das soziale System eingebettet, das daher Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Handeln vorgibt. Das soziale System ist wiederum in das ökologische System eingebettet, das die planetaren Entwicklungsgrenzen für Ökonomie und Soziales definiert. Die ökologische Dimension umhüllt demnach die ökonomische wie auch die soziale Dimension. Abbildung 3: Dimensionen der Nachhaltigkeit im Museum
Quelle: basierend auf Raworth 2018, 12.
3 Die Vision: Das nachhaltige Museum
Die Anwendung des Drei-Säulen-Modells führt häufig dazu, dass ökonomische Belange mit Verweis auf Arbeitsplätze, Wohlstand und andere soziale Folgen argumentativ der Vorrang eingeräumt wird. Ein ökologischer Umbau oder soziale Gerechtigkeit sind nur insofern umsetzbar, als die ökonomische Säule dadurch nicht zu sehr reduziert wird. Im Donut-Modell der starken Nachhaltigkeit greift diese Argumentation nicht mehr, da soziales Umfeld und ökologische Grenzen die Vorgaben für die ökonomischen Aktivitäten darstellen (siehe Abbildung 3).
Fallstricke: Lernen aus 35 Jahren Nachhaltigkeit Das Konzept der Nachhaltigkeit ist rund 35 Jahre alt. Daher existieren Forschungs- und Evaluationsergebnisse, Ansatzpunkte für Maßnahmen und zahlreiche Erfahrungen aus anderen Branchen. Mit einem Blick auf diese Umsetzungspraxis lassen sich viele Fallstricke für das nachhaltige Museum vermeiden. Mehr Suffizienz statt nur Effizienz Ressourcenmanagement ist ein guter Ansatz zur Realisierung von Einsparpotenzialen. Eine Effizienzrevolution – ob im Gebäudeenergiebereich oder beim Transport von Kulturgütern – ist aber nicht der Schlüssel zu einem geringeren ökologischen Fußabdruck. Eine Reflexion über das, was genügend ist, und eine Definition des richtigen Maßes sind der Ausgangspunkt für ein Umdenken, das zu einer Reduktion des Ressourcenverbrauchs führt (siehe Abbildung 4). Mehr Degrowth statt nur Green Growth Der Auftrag des Sammelns ist im Kern auf fortschreitendes Wachstum ausgelegt. Ein grünes, nachhaltiges Wachstum von Museen reduziert die negativen Auswirkungen, adressiert aber nicht den Kern der multiplen Krise. Degrowth (Postwachstum) für Museen bedeutet, das Wachstumsparadigma für Museen zu hinterfragen und sich in einer Postwachstumsgesellschaft zu positionieren.
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Abbildung 4: Effizienz und Suffizienz im Museumsbetrieb
Quelle: basierend auf Schneidewind 2018, 59.
3 Die Vision: Das nachhaltige Museum
Mehr umfassende Enkeltauglichkeit statt nur technokratische Einzellösungen Technische Maßnahmen an Gebäuden sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einem ökologischen Museum, sie werden aber dem Leitbild der Nachhaltigkeit nicht gerecht. Eine reduktionistische Sicht auf technologische Einzellösungen verstellt den Blick darauf, dass sich grundlegend die Arbeits- und Funktionsweise von Museen ändern muss. Nachhaltigkeit in Museen bedarf einer umfassenden Änderung auf strategischer Ebene. Mehr Große Transformation statt nur Klimaschutz Klimaschutz und die Reduktion von Treibhausgasemissionen sind nicht nur wegen den immer offensichtlicheren Folgen der Erderwärmung, sondern auch wegen der globalen Dynamik von Fridays for Future allgegenwärtig. Der notwendige Prozess einer Großen Transformation, die als kultureller Umbauprozess die gesamte Gesellschaft erfasst, geht weit über den Klimaschutz hinaus. Es ist nötig, sich klar zu machen, dass Klimaschutz ein wichtiger, aber vielleicht nicht der wichtigste Baustein im nachhaltigen Museum ist. Mehr politische Steuerung statt nur individuelle Verhaltensänderung Für eine nachhaltige Publikumsorientierung des Museums sind die Besucher mit ihren Werten, Einstellungen und ihrem Verhalten im Hinblick auf Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Änderungen im politischen System besonders wirksam sind und Museen stärker als politisch Akteure auftreten müssen. Mehr Zukunftskunst statt nur einfache Lösungen Auf viele Fragen und Herausforderungen gibt es keine einfachen Antworten und noch weniger einfache Lösungen. Es existieren keine Patentrezepte – schon gar nicht für den Museumsbereich. Vielmehr ist ein adaptives und kreatives Vorgehen zur Umsetzung von Nachhaltigkeit gefragt, eine »Zukunftskunst« (Schneidewind 2018).
Ansatzpunkte für Nachhaltigkeit in Museen Ausgehend von den Prinzipen des nachhaltigen Museums, den Dimensionen der Nachhaltigkeit und Erfahrungen aus zahlreichen Museen lassen sich erfolgsversprechende Ansatzpunkte identifizieren, die bei einer Umsetzung von Nachhaltigkeit im Museum berücksichtigt werden können:
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Strategischer Wandel statt Einzelprojekte Im durch digitale Medien geprägten Alltag werden auch professionelle Entwicklungen und Diskurse immer kurzlebiger und verkommen damit zu oberflächlichen Trends. Derzeit kann Nachhaltigkeit im Museumssektor durchaus als Trend bezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund gilt es, nicht in Aktionismus zu verfallen. Es ist immer gut, aktiv zu werden und Ideen umzusetzen, Projekte zu beginnen und Maßnahmen umzusetzen. Wichtig ist dabei, dass es nicht isolierte Einzelprojekte bleiben – im einzelnen Museum sowie im Sektor insgesamt. Ziel kann es nicht sein, lediglich auf der Basis von Erfahrungsaustausch und Fallbeispielen dieses komplexe Thema angehen zu wollen. Bei einer solchen Vorgehensweise wird der Trend verebbt sein, bevor der Museumssektor eine fundierte, gesamtheitliche Vorgehensweise zu dem Thema sowie eine klare Vorstellung davon entwickelt hat, wie er seine Nachhaltigkeitsleistung und seinen gesellschaftlichen Beitrag messbar verbessern kann. Es gilt vielmehr, strategisch, fachlich fundiert und gemeinschaftlich koordiniert die Dynamik innerhalb des Museumssektors zu nutzen, um das nachhaltige Museum langfristig auf eine solide Basis zu stellen. Große Hebelwirkung Der vielleicht wichtigste Ansatzpunkt ist die Identifikation von Handlungsfeldern, mit denen Museen als Multiplikatoren wirken und eine große Hebelwirkung auf andere ausüben können. Wenn Museen durch ihre eigenen Aktivitäten andere dazu bringen, ebenfalls nachhaltiger zu handeln, können beträchtliche gesellschaftliche Effekte erzielt werden. Da hier auch die Erwartungen von Stakeholdern außerhalb des Museums einbezogen werden müssen, sind solche Maßnahmen vergleichsweise schwierig umzusetzen. Die offensichtlichste Multiplikatorenrolle besitzen Museen im Hinblick auf ihr Publikum. Erhebliche Verbesserung Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme wird schnell klar, wo die größten Potenziale zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung liegen. Häufig ist der Energiebereich ein guter Einstieg, da hier leicht Effizienzpotenziale realisiert werden können, die zu geringerem Energieverbrauch und gleichzeitig sinkenden Kosten führen. Einfache Umsetzbarkeit und schnelle Erfolge Ein völlig anderer Ansatz ist – möglicherweise auch intuitiv – Maßnahmen und Bereiche zu identifi-
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zieren, die sehr schnell und einfach umgesetzt werden können und bei denen gleichzeitig eine Verbesserung wahrnehmbar ist. Dafür ist es sehr hilfreich, Bottom-up vorzugehen und Mitarbeitende aus allen Abteilungen einzubinden. Interne Motivation Wichtig für den langfristigen internen Veränderungsprozess ist die Förderung des Engagements der Mitarbeitenden an der Veränderung mitzuwirken. Bereiche oder Maßnahmen mit besonders großer Sichtbarkeit, die exemplarisch für andere Lösungen stehen, eignen sich, um hier Verbesserungen anzustoßen. So können Mitarbeitende motiviert werden, sich auch langfristig für mehr Nachhaltigkeit im Museum einzusetzen. Werkzeugkoffer | Methode
Vision entwickeln: Sustainability Change Story Gründe Die multiplen Krisen der Gegenwart – ob Klimawandel, Migration oder Ernährungssicherheit – stellen globale Herausforderungen dar, zu deren Lösung Museen etwas beitragen müssen. Die gesellschaftliche Dynamik in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit treibt Museen dazu, diese Themen aufzugreifen, wenn sie für die Gesellschaft als Ganzes relevant bleiben möchten. Die Integration dieser Themen und Interessen sind auch zentral, wenn Museen weiterhin eine große Menge an Besuchern erreichen möchten. Außerdem können in Zukunft Fördervorgaben mit nachhaltigen Anforderungen verknüpft werden, sodass für Museen eine Sicherung des ökonomischen Gestaltungsspielraums die Notwendigkeit für einen Wandlungsprozess verdeutlicht. Ziel Der Wandel zu einem nachhaltigen Museum ist die Antwort des Museumssektors auf diese multi-perspektivischen Dynamiken. Dabei geht es einerseits um eine interne Nachhaltigkeit, d.h. die Optimierung des Museumsbetriebes in Bezug auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit, sowie andererseits um eine externe Nachhaltigkeit, d.h. die Wirkung der Museen nach außen in Richtung Besucher und in die Gesellschaft hinein. Das Ziel ist die Stärkung des Beitrags von Museen
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zu einer gesellschaftlichen Transformation in Richtung Nachhaltiger Entwicklung. Strategie Um das Ziel des nachhaltigen Museums zu erreichen, ist ein Blick auf die Prozesse und Arbeitsweisen in Museen notwendig. Hier bietet das Instrument »Nachhaltigkeitsmanagement in Museen« einen Ansatz. Des Weiteren ist eine Ausrichtung von Forschung, Bildung und Ausstellung auf die relevanten Themen der Transformation im Sinne einer Nachhaltigen Programmatik notwendig. Was bleibt und was ändert sich Durch diesen Wandlungsprozess bleiben Museen im Kern, was sie seit jeher sind: Um Objekte und Sammlungen konzentrierte Institutionen zur Bewahrung des Natur- und Kulturerbes. Die Mission und die Aufgaben der Museen bleiben durch diesen Wandel unberührt. Die Institution Museum wird durch den Wandel noch offener und diskursiver, sie agiert politischer und mit mehr Fokus auf ihre Wirksamkeit und sie präsentiert sich zukunftsgewandter und aktueller. Die Arbeit in Museen wird kooperativer, agiler und integriert neue Werte.
3.2 Museen und die Große Transformation Die Vision des nachhaltigen Museums betont die gesellschaftliche Relevanz von Museen im Hinblick auf eine nachhaltige Zukunft. Dieses Verständnis wurde bereits aus unterschiedlichen Perspektiven skizziert und diskutiert, unter anderem als soziale Verantwortung (siehe Janes und Conaty 2005), Governance (siehe Malaro 2014), Soft Power (siehe Lord und Blankenberg 2015) oder Aktivismus (siehe Janes und Sandell 2019b). Die gesellschaftliche Relevanz des nachhaltigen Museums umfasst insbesondere seinen Beitrag zu einem globalen Wandlungsprozess, zu einer sogenannten Großen Transformation. Rückgreifend auf den von Karl Polanyi beschriebenen Wandel der Gesellschaftsordnung entwickelt die »Große Transformation« einen Entwurf für eine gesamtgesellschaftliche Transformation in Richtung Nachhaltigkeit (German Advisory Council on Global Change 2011). Das visionäre Narrativ der Großen Transformation bedeutet gemeinsame Anstrengungen für einen
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Umbau der wichtigen gesellschaftlichen Sphären und das fordert einen neuen Gesellschaftsvertrag. Im Kern einer solchen Transformation steht mehr Genügsamkeit sowie eine Neuausrichtung der globalen Wirtschaftsweise (Schneidewind 2018). Hinzu tritt die Bedeutung eines grundlegenden Wertewandels, eines »Great Mindshift« (Göpel 2016). Göpel (2016) differenziert Instrumente und Maßnahmen nach ihrer transformativen Wirkung und unterteilt sie in verschiedene Ebenen. Die geringste Hebelwirkung haben Maßnahmen auf der obersten Ebene wie Politiken und typische Praktiken der Agenda für nachhaltige Entwicklung. Dazu gehören Subventionen, Steuern oder Normen. Im Museumssektor sind damit die Reaktionen auf Anforderungen und das Feedback von Stakeholdern und Publikum angesprochen, die die ständige Weiterentwicklung und eine Dynamik in Richtung Nachhaltigkeit sicherstellen. Eine mittlere transformative Wirkung wird durch eher systemische Elemente erzielt. Diese umfassen z.B. die Struktur von Informationsflüssen oder Rückkopplungsschleifen. Im Museum betrifft dies die Einführung eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagements und die Orientierung an Standards, die organisationalen Wandel beschleunigen und die Lösung von Kernproblemen innerhalb des Museums ermöglichen können. Das größte Potenzial liegt auf der tiefen Ebene. (Göpel 2020) Nach dieser Auffassung stellt die Veränderung von Werthaltungen das Kernstück einer Transformation dar. Um einen Beitrag für eine Große Transformation zu leisten, müssen sich Museen von nach innen gewandten zu nach außen orientierten Institutionen wandeln – ein Allgemeinplatz im Diskurs zur Veränderungsdynamik im Museumssektor wie auch in der Museumspraxis. Dieser Blick nach außen wird durch eine Wirkungsorientierung für die Arbeit in Museen anwendbar gemacht und setzt eine Unterscheidung zwischen interner und externer Nachhaltigkeit voraus.
Interne und externe Nachhaltigkeit Wenn von Nachhaltigkeit im Museumssektor die Rede ist, ist es hilfreich, zwischen einer internen und einer externen Perspektive zu unterscheiden. Interne Nachhaltigkeit bezeichnet die Nachhaltigkeit einer Institution, ihren Betrieb und die internen Prozesse. Ein Beispiel dafür ist die Reduktion des Energieverbrauchs. Externe Nachhaltigkeit bezeichnet den Einfluss des Museums auf die nachhaltige Entwicklung außerhalb des Museums. Dazu gehören Auswirkungen auf Besucher, andere Stakeholder, gesellschaftliche Pro-
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zesse sowie das sozio-politische System insgesamt. Ein Beitrag von Museen zu einer Großen Transformation besteht damit vor allem aus Maßnahmen im Bereich der externen Nachhaltigkeit (siehe Abbildung 5). Nichtsdestotrotz können auch Maßnahmen der internen Nachhaltigkeit durch unterschiedliche Mechanismen, wie beispielsweise eine Vorbildwirkung, außerhalb des Museums zu einer Transformation beitragen. Mit Blick auf die globalen Krisen des Ökosystems tragen ohnehin interne sowie auch externe Nachhaltigkeitsbestrebungen zur Einhaltung der planetaren Grenzen bei (siehe Worts 2019).
Abbildung 5: Interne und externe Nachhaltigkeit
Quelle: eigene Abbildung.
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Ansätze für gesellschaftliche Wirksamkeit Museen bringen ideale Voraussetzungen zur Umsetzung einer externen Nachhaltigkeit mit, da sie als sogenannte Grenzorganisationen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft vermitteln (Lyth et al. 2017, 11). Eine zentrale Funktion von Museen im Hinblick auf gesellschaftliche Wirksamkeit ist die Unterstützung eines öffentlichen Diskurses. Die spezifische Ressource von Museen ist der physische Raum, das Museumsgebäude, in dem das Publikum und unterschiedliche Stakeholder interagieren können. So können Museen einen Ort bereitstellen, an dem Besucher für die Transformation relevante Themen reflektieren und so zur Bildung von Sozialkapital beitragen (Lyth et al. 2017, 10). Museen können in Diskursen auch als geschützter Raum fungieren, in dem offene Kontroversen ausgetragen und konstruktiv damit umgegangen wird (siehe Cameron 2005, 229). Durch diese diskursive Praktik entsteht zwischen Museen und ihrem Publikum eine gemeinsame Kompetenz (Shared Authority) im Hinblick auf das für eine Transformation relevante Wissen, die Einstellungen und Werthaltungen. Die Ermöglichung von ergebnisoffenen Diskursen und Diversität in Ausstellungen tragen zu dieser gemeinsamen Kompetenz bei. Im Sinne eines Such- und Lernprozesses sind Museen aufgerufen, eher Fragen zu stellen, als durch eine direktive Übermittlung von Botschaften Antworten zu geben. Museen können so als ein Forum gedacht werden, in dem Besucher auf partizipative Weise Bedeutungen selbst entdecken. (Dodd 2015, 29) Eine solche Entwicklung zu einem offenen Diskursort und die damit verbundene Reflexion der Deutungshoheit von Museen ist der Ausgangspunkt für eine gesteigerte gesellschaftliche Wirksamkeit. Durch Partizipation im weitesten Sinne können Museen eine dynamische Beziehung mit dem Publikum aufbauen, die auf wechselseitigem Zuhören und Lernen beruht – und damit auch eine direktere und stärkere Verbindung mit der Gesellschaft als Ganzes entwickeln. Insbesondere für Museen, die abgesehen von Bildungsprogrammen und speziellen Veranstaltungen vorwiegend auf einen ruhigen, kontemplativen Genuss ausgelegt sind, besteht darin eine Chance, ihre Wirksamkeit noch weiter zu erhöhen. (Houlberg Rung 2021, 247) Museen können darüber hinaus auch ganz spezifische Ansätze für gesellschaftliche Wirksamkeit entwickeln. Dazu gehört das Konzept der Boundary Work bzw. ihre Funktion als Grenzorganisation. Für eine solche Boundary Work sind auch sogenannte Grenzobjekte von Bedeutung. Grenzobjekte sind Aufbewahrungsorte oder Sammlungen von physischen Objekten, die den In-
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formations- und Wissenstransfer erleichtern (McGreavy et al. 2013, 4199). So können Museumssammlungen als Grenzobjekte wahrgenommen und als einzigartiges Potenzial für eine gesellschaftliche Verständigung begriffen werden. Gerade kleine Museen können auch zu einer Transformation beitragen, wenn sie ihre eigene Rolle im Kontext der Nachhaltigkeit reflektieren. Obwohl kleine, lokale Initiativen und viele Mikromuseen nicht formal als Museen anerkannt sind, bringen gerade sie etwas mit, was viele größere Institutionen anstreben: Eine breite Beteiligung der gesellschaftlichen Basis, eine lokale Verankerung, einen direkten Bezug zur Lebenswelt der Besucher (Brown 2019, 6) – und damit eine erhebliche Wirksamkeit. Die dort stattfindenden Interaktionen und Beteiligungsprozesse in Zukunft noch stärker auf Fragen und Herausforderungen der Nachhaltigkeit auszurichten, ist eine Chance für den Museumssektor als Ganzes. Museen werden in Zukunft noch stärker als vermittelnde Akteure agieren und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Ihr einzigartiges Potenzial für die Große Transformation besteht darin, ihre Rolle im gesellschaftlichen System zu stärken und als aktive Akteure in der politischen Sphäre zu agieren. Dabei kommt der lokalen Ebene eine besondere Bedeutung zu, wie Janes und Sandell ausführen: Museen können vor allem dann als Pioniere des gesellschaftlichen Wandels fungieren, wenn sie nachhaltige Zukünfte für den Museumssektor und ihr lokales Umfeld entwickeln und so im besten Sinne ein »activist museum« (Janes and Sandell 2019a, 1) sind. Die damit beschriebene Fokussierung auf externe Nachhaltigkeit bedeutet auch eine Verschiebung »from being on the periphery of society to one that is now more widely respected by a range of different sectors and stakeholders« (Lyth et al. 2017, 10).
3.3 Die Agenda 2030 als globaler Bezugsrahmen Zentraler Bezugsrahmen für alle Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit sind die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der UN. Dabei handelt es sich um Ziele für die globale Entwicklung, die bis 2030 erreicht werden sollen. Sie zielen auf ein besseres Leben für alle Menschen, jetzt und für künftige Generationen. Zahlreiche Sektoren setzen Maßnahmen im Sinne der SDGs um, und die UNESCO hat auf die besondere Bedeutung von Kultureinrichtungen für die Erreichung dieser Ziele hin-
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gewiesen (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2018). Auch Museen können auf verschiedene Weise zur Erreichung der SDGs beitragen. Allerdings haben bisher nur wenige Museen systematisch ihre Möglichkeiten im Hinblick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung entwickelt (z.B. Lanzinger und Garlandini 2019). Die meisten Museen zögern, die SDGs zu operationalisieren, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die Ziele für das Tagesgeschäft, das sich auf Sammlungen und Besucher konzentriert, nicht ausgelegt sind.
SDGs in der Museumsarbeit Damit die SDGs für den Museumssektor fruchtbar gemacht werden können, muss zunächst analysiert werden, welche Schnittstellen zwischen den einzelnen SDGs und den Arbeits- sowie Wirkungsbereichen von Museen existieren und wie Museen zu jedem einzelnen Ziel beitragen können. Wenn alle Teilziele der 17 SDGs auf Arbeitsbereiche in Museen bezogen werden, entsteht schnell eine unüberschaubare Anzahl an Möglichkeiten und Ansatzpunkten für Museen. Trotz dieser Komplexität und der Schwierigkeit, die SDGs für die Museumsarbeit zu operationalisieren, bieten sie auch eine nicht zu unterschätzende Chance. Sie sind weithin bekannt, werden zumeist auch auf nationaler Ebene vorangetrieben und bieten einen weltweit harmonisierten Bezugsrahmen. In diesem Sinne bieten sie eine motivierende Rahmenbedingung für Museen, aktiv zu werden, mehr auf ihre gesellschaftliche Wirkung zu achten und einen internen Veränderungsprozess anzustoßen. Gerade bei einer direkten Einbindung in einen regionalen oder nationalen SDG-Prozess kann es für Museen sinnvoll sein, die SDGs als handlungsleitenden Rahmen für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit zu verwenden. (Visser 2018a) Der offensichtlichste Bezugspunkt zum Museumssektor ist die Aufgabe, das Kultur- und Naturerbe zu schützen und zu bewahren, sowohl innerhalb von Museen als auch ganz allgemein. Das Verständnis des Erbes, also etwas, das eine nachfolgende Generation erhält, ist direkt mit der Idee der Nachhaltigkeit verbunden. Konkret ist die Bewahrung des Kultur- und Naturerbes im SDG-Teilziel 11.4 aufgeführt. Darüber hinaus leisten Museen insbesondere auf der Basis von Erkenntnissen, die aus fachspezifischen Sammlungen gewonnen werden, Beiträge zu zahlreichen anderen SDGs wie beispielsweise Hochwertige Bildung (SDG4), Forschung und Innovation (SDG9), Klima-
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schutz (SDG13), Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen (SDG 16), Weniger Ungleichheiten (SDG 10), Leben im Wasser (SDG14) und Leben an Land (SDG15). (McGhie 2019, 45–46; Visser 2018b) Die Beiträge zu den einzelnen SDGs werden in diesem Buch konkretisiert und auf die Arbeitsbereiche des Museums bezogen. Dabei wird eine museums- und damit anwendungsbezogene Perspektive gewählt, die sich nicht an der Strukturierung der SDGs orientiert. Eine naheliegende Herangehensweise für die Arbeit mit SDGs in Museen ist, den jeweiligen thematischen Fokus, Sammlungsschwerpunkt oder das Thema einer Ausstellung mit den SDGs abzugleichen und ein oder zwei SDGs auszuwählen, zu denen der größte Beitrag geleistet werden kann. Die Fokussierung auf ein SDG kann temporär erfolgen, bspw. für einen Teilbereich der Sammlung, oder langfristig, bspw. wenn die Ausrichtung des gesamten Museums den Bezug zu einem spezifischen SDG nahelegt. (Visser 2018a) Grundsätzlich können Museen mit den folgenden Strategien und Aktivitäten zu den SDGs beitragen: »(i) Schutz und Bewahrung des kulturellen und natürlichen Erbes der Welt, sowohl innerhalb der Museen als auch im Allgemeinen; (ii) Unterstützung und Bereitstellung von Lernmöglichkeiten zur Unterstützung der SDGs; (iii) Ermöglichung der kulturellen Teilhabe für alle; (iv) Unterstützung eines nachhaltigen Tourismus; (v) Ermöglichung von Forschung zur Unterstützung der SDGs; (vi) Ausrichtung der internen Führung, des Managements und der Abläufe auf die Unterstützung der SDGs; (vii) Ausrichtung der externen Führung, Zusammenarbeit und Partnerschaften auf die SDGs« (McGhie 2019, 42). Diese Ansatzpunkte tragen in unterschiedlicher Weise und zu jeweils unterschiedlichen SDGs bei. Die Integration der SDGs steht abgesehen von der dargestellten Komplexität ohnehin vor vielfältigen Herausforderungen. Dazu gehört auch die Repräsentation von Kulturerbe in den SDGs. Das Teilziel 11.4 bildet nicht hinreichend die Herausforderungen und Chancen der kulturellen Bedeutung von Museen für eine nachhaltige Entwicklung ab und greift daher zu kurz. Sogenannte Schattenindikatoren können den Indikator 11.4 unterstützen. (Petti et al. 2020, 20) Um die SDGs auf internationaler Ebene zu erreichen, sind lokale Aktivitäten und damit die Einbindung lokaler Gemeinschaften notwendig. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie lokale Aktivitäten zur Erreichung der SDGs auf nationaler und internationaler Ebene beitragen können und auch quantitativ sichtbar werden. Dies ist insbesondere eine Herausforderung im Museumssektor, da der Bereich des Natur- und Kulturerbes äußerst komplex und vielfältig ist. Der Beitrag von lokalen Aktivitäten
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im Museumssektor ist schwierig zu bemessen, da internationale und lokale Werte im Hinblick auf Natur- und Kulturerbe sich unterscheiden können. (siehe Petti et al. 2020, 1) Die Übertragung der SDGs auf lokale Kontexte und ihre Anwendung in ihnen ist voraussetzungsvoll, da gewachsene, kulturelle Kontexte vor Ort möglicherweise wenig anschlussfähig sind an die analytische Herangehensweise, die hinter den SDGs steht. Hier braucht es eine Übersetzungsleistung, für die Museen ideal geeignet scheinen. (United Cities and Local Governments 2018, 35)
Blinde Flecken der Agenda 2030 So wichtig die Agenda 2030 auch als politischer Bezugsrahmen ist, kann sie nicht als ultimative Vision für Museen funktionieren, da die SDGs in einem multinationalen Aushandlungsprozess entstanden sind und daher im Hinblick auf zahlreiche Aspekte der Museumsarbeit zu kurz greifen. Aus Museumsperspektive ist ein zentraler Kritikpunkt an den SDGs, dass eine Thematisierung der Nord-Süd Beziehung auf globaler Ebene weitgehend fehlt. Insbesondere die Folgen des globalen Kolonialismus und die daraus erwachsende Verantwortung des Globalen Nordens werden nur am Rande beleuchtet – und wären doch gerade für eine Re-Kontextualisierung der Sammlungen von großer Bedeutung. Die Möglichkeiten, über eine solche Fokussierung eine weltweite Veränderungsdynamik anzustoßen, werden durch die SDGs nicht ausgeschöpft. Des Weiteren beziehen sich die SDGs auf relative statt absoluter Verringerungen der Ressourcennutzung. Diese relative Verringerung bildet damit nicht die notwendige absolute Reduktion ab und öffnet daher auch in Zukunft die Möglichkeit für nichtnachhaltiges Wirtschaften und nichtnachhaltige Konsummuster. Die SDGs zielen damit nur in geringem Maße explizit auf eine gesellschaftliche Transformation. (Eisenmenger et al. 2020, 1106) Das transformative Potenzial der SDGs könnte gestärkt werden, wenn der Museumssektor die Teilziele und Indikatoren so für die eigene Arbeit auslegt, dass beispielsweise absolute Verringerungen sowie konkrete Effekte auf eine Transformation angestrebt werden (siehe Hajer et al. 2015, 1656)1 .
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Die Vision des nachhaltigen Museums beruht auf der Übertragung und Anpassung von Ideen, Konzepten und Ergebnissen aus anderen Disziplinen und Zusammenhängen auf den Museumssektor. Auf eine solche Übertragung auf die Institution Museum – wie hier aus der allgemeinen Forschung zu SDGs – wird in den Fußnoten hingewiesen.
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Eine grundsätzliche Kritik an den SDGs betrifft die Unterziele und Indikatoren der SDGs, die Wirtschaftsleistung und -wachstum vor globale ökologische Auswirkungen stellen (Eisenmenger et al. 2020, 1104). Für viele Regionen sind wirtschaftliche Entwicklung und steigende Einkommen – auch durch Museen – weiterhin wichtig Ziele. Doch gerade in den Industrienationen und den dort ansässigen Museen müsste im Sinne einer starken Nachhaltigkeit der Fokus auf einer Postwachstumsstrategie liegen.
3.4 Partizipative Wissenschaft als gesellschaftlicher Kontext Museen sichern nicht nur die Erhaltung des menschlichen Erbes, sondern sie generieren und vermitteln Wissen auf Grundlage ihrer Sammlungsbestände. Die Vermittlung von Wissen spielt heute im Gegensatz zur Informationsgesellschaft (siehe Masuda 1983) nur noch eine untergeordnete Rolle, denn Wissen ist online sehr schnell, einfach und quasi überall verfügbar. Außerdem werden Wissensbestände in immer kürzeren Abständen angepasst und revidiert und bedürfen daher einer fortlaufenden Aktualisierung. Hinzu kommt, dass die steigende Komplexität von wissenschaftlichen Ergebnissen zunehmend eine Interpretation erschwert und sie ohne weitere Kontextualisierung für Laien häufig wertlos bleiben. Darüber hinaus sind Informationen und Wissen immer leichter manipulierbar, weshalb »alternative Fakten« mehr und mehr in gesellschaftliche Diskurse hineinwirken. Dieser Bedeutungsverlust von Wissen für das Individuum wird gerahmt von einem Bedeutungszuwachs von Wissenschaft für die Gesellschaft. Wissenschaftler fungieren zunehmend als Beratende in gesellschaftlich-politischen Steuerungsfragen. Ihre Erkenntnisse ragen immer tiefer in politische Entscheidungsprozesse hinein. Damit rücken Wissenschaft und Forschung ins Zentrum des Zusammenlebens und der Demokratie. (Bäckstrand 2003, 33) Diese Entwicklung macht eine Reflexion über die gesellschaftliche Relevanz von Wissen und Wissenschaft notwendig. Für Laien und die Gesellschaft als Ganzes wird eine grundlegende wissenschaftliche Kompetenz, eine Scientific Literacy, zur wichtigen Fähigkeit, um am immer stärker durch Wissenschaft geprägten gesellschaftlichen Diskurs teilzuhaben. Auch wenn die Forderung nach einer breiten wissenschaftlichen Grundbildung nicht neu ist, sind die gängigen Kritikpunkte (siehe Shamos 1995) vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung mindestens neu zu bewerten. In Zukunft wird ein Verständnis der wissenschaftlichen Arbeitsweise, der Scientific Method und
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des Forschungsprozesses als Ganzes an Bedeutung gewinnen. Damit zeichnet sich eine Gesellschaft ab, die weniger auf Informationen und Wissen beruht, als vielmehr auf Wissenschaft, denn gerade zur Adressierung der globalen Herausforderungen spielen Wissenschaft und problemorientierte Forschung eine zentrale Rolle.
Bürgernahe Wissenschaft für die Steuerung einer nachhaltigen Demokratie Die multiple Krise sowie das Leitbild der Nachhaltigkeit machen wissenschaftliche Erkenntnisse notwendig, um auf deren Basis Steuerungsmechanismen und Lösungen zu entwickeln. Problemorientierte Forschung, oder auch »postnormal science« (Funtowicz und Ravetz 1993), setzt hier an und überführt die globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen in wissenschaftliche Fragenstellungen. Forschende bewegen sich damit an der Schnittstelle von wissenschaftlicher Beratung und der Entwicklung von Politiken (Jasanoff 1994, 230). In diesem Rahmen können Wissenschaftler auch Agenda-Setting im politischen Diskurs betreiben (Ingram et al. 1992, 46). Daraus folgt u.a., dass die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Entscheidungsträgern umgedeutet werden muss. In diesen Prozess müssen neben Forschenden, Experten und Politikern auch Bürger einbezogen werden. (Bäckstrand 2003, 25) Eine Verbreiterung der gemeinsamen Berührungsfläche von Wissenschaft und Politik geht auch mit einer grundsätzlich offenen Wissenschaft Hand in Hand. So können wissenschaftliche Erkenntnisse vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen als Allgemeingut betrachtet werden (Bäckstrand 2003, 25). Die daraus folgende wissenschaftliche Arbeitsweise bezieht sich stärker auf demokratische Prozesse und ist von tiefer Partizipation geprägt (Funtowicz und Ravetz 1993, 754). Es stellt sich somit die grundsätzliche Frage, wie Menschen befähigt werden, an der heutigen, durch Wissenschaft geprägten Gesellschaft stärker teilzuhaben.
Die partizipative Wissenschaftsgesellschaft der Zukunft Die Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung und die Förderung einer wehrhaften Demokratie verlangen nach einer Transition von einer Wissensgesellschaft hin zu einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft. Diese partizipative Wissenschaftsgesellschaft ist geprägt von einem problem-
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orientierten, transdisziplinären Forschungsverständnis und grundsätzlich zugänglichen Prozessen und Ergebnissen. Eine solche Wissenschaft zeichnet sich außerdem durch eine Kultur der kritischen Reflexion aus. Kritisches Denken und das Prüfen von Fakten (Fact Checking) setzen sich auch mit der postfaktischen Gesellschaft auseinander, während eine transparente Reflexion von Wissenschaftshistorie und Erkenntnistheorie erkennbar macht, dass auch Naturwissenschaft ein kultureller Prozess ist. Die demokratische Tragweite einer solchen Gesellschaft manifestiert sich in einer Diskussionskultur, mit der zur individuellen Meinungsbildung beigetragen wird und innerhalb derer kontroverse Themen offen ausgehandelt werden. Wenn die Krise der Demokratie auf einen Verfall der politischen Kultur zurückzuführen ist, dann kann die partizipative Wissenschaftsgesellschaft zu einer »dritten Aufklärung« (Hampe 2018) beitragen und eine demokratische Kultur stützen. Gerade Wicked Problems bedürfen mit ihren normativen Anteilen eines Diskurses, der als gesellschaftliche Praxis eingeübt werden muss. Grundvoraussetzung für einen solchen Diskurs ist eben offene und partizipative Wissenschaft. Die Schnittstelle zwischen Bürgerwissenschaft und Transdisziplinärer Forschung einerseits, sowie Demokratiebildung und deliberativer Demokratie (siehe Gutmann und Thompson 2004) andererseits bietet hier zukünftige Potenziale, die noch entwickelt werden müssen. Mit der Integration eines solchen deliberativen Ansatzes können Museen auch als Vermittler in Entscheidungsprozessen agieren und dadurch ihre Rolle in sozio-politischen Zusammenhängen stärken (Cameron und Deslandes 2011, 147). Nachhaltigkeit droht als utopisches Projekt vor allem auch an sozialen Ungleichheiten, Ablehnung und mangelndem Kooperationswillen zu scheitern. Eine partizipative Wissenschaftsgesellschaft kann in diesem Sinn zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen, indem sie: • •
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einen Dialog sowie eine Kooperation zwischen wissenschaftlichen Experten und Bürgern fördert; die globalen, komplexen Fragestellungen adressiert und Entscheidungen, die unter den Bedingungen großer Unsicherheit stattfinden, durch kollektive Erkenntnisprozesse vorbereitet; ein Grundverständnis über Bedingtheit und Interpretationsspielraum von wissenschaftlichen Ergebnissen schafft und deren Bedeutung für daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen erleichtert;
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beiträgt zur Erleichterung einer größeren Nachvollziehbarkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere an der Schnittstelle zu politischen Entscheidungsprozessen; angemessene Erwartungen ermöglicht an das, was Wissenschaft leisten kann und was nicht; das Vertrauen in Wissenschaft und Forscherpersönlichkeiten stärkt; eine grundsätzliche Kommunikation über Vorteile und Grenzen der rationalen Denkweise fördert – und eine klare Vorstellung davon erzeugt, welchen Platz traditionelle Formen des Erkenntnisgewinns darin haben können; Bürger über das Wahlrecht hinaus befähigt und unterschiedliche Möglichkeiten schafft, sich in wichtige gesellschaftliche Prozesse einzubringen.
Eine zuweilen ausgerufene Epistemokratie (Bogner 2021, 110), also eine Quasi-Herrschaft des Wissens, bringt für die Demokratie zahlreiche Unwägbarkeiten und Gefahren mit sich. Die hier skizierte Öffnung von Wissenschaft und Politik könnte genau dort ansetzen und ein stärker diskursives und auch kontrollierendes Element einbringen. So würde sie demokratische Strukturen im Umgang mit den globalen Herausforderungen stärken. Hierzu können Museen beitragen, indem sie Bürger befähigen, sich in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen.
Museen als zentrale Akteure der Wissenschaftsgesellschaft Museen verbinden traditionell Forschung mit Kommunikationsaktivitäten und eignen sich daher nicht nur als Orte der Wissensvermittlung, sondern auch als Orte des Interagierens und Partizipierens im Rahmen einer Wissenschaftsgesellschaft (siehe Silvestrini 2013). Im Rahmen einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft sind Museen besonders geeignet, sich zu Institutionen zu entwickeln, die den Austausch zwischen Wissenschaftlern, Experten, Politikern und Laien vermitteln und ermöglichen. Damit können sie die Schwelle für die Beteiligung der breiten Öffentlichkeit an der Wissenschaft senken (Bandelli 2016, 138–142). Museen können in diesem Rahmen als ein Marktplatz, ein öffentlicher Treffpunkt für Bürger, als ein neuer Typus von Agora dienen (Einsiedel und Einsiedel 2004, 73). Museen werden ihren Kommunikationsauftrag neu priorisieren, um den Austausch zwischen Wissenschaftlern und Laien zu erleichtern und vielfältige Partizi-
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pationsmöglichkeiten zu bieten. Dies wiederum wird die Entwicklung neuer Infrastrukturen und neuer Personalstellen in den Einrichtungen erfordern. Vor dem Hintergrund der überwältigenden Probleme und der steigenden Komplexität ziehen sich eine zunehmende Anzahl von Bürgern in eine Subjektivität zurück, u.a. um sich von einer wahrgenommenen Herrschaft des Wissens zu befreien. Museen können mit ihrer ganz spezifischen Art und Weise, Realität und Geschichte abzubilden und zu hinterfragen, als gesellschaftliche Gegenorte verstanden werden, an denen ihr Publikum einen einzigartigen Zugang zu einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft geboten bekommt. Museen können damit eine spezifische Wahrheitspraktik (Hampe 2018, 34) kultivieren und zu einer aufgeklärten Kultur beitragen. Sie ergänzen so die klassischen wissenschaftlichen Perspektiven und ermutigen Besucher mit besonders eindrücklichen Mitteln, aktive Bürger zu sein. In einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft steigt die Bedeutung von Museen als zentrale Orte, an denen die Themen Wissenschaft, Demokratie und globale Zukünfte erlebbar werden. Museen dienen damit unmittelbar der sozialen Kohäsion und einer Stärkung der Demokratie und tragen zu politischen Entscheidungsprozessen bei. In dieser herausgehobenen Rolle dient das Museum als Brennglas für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, gesellschaftliche Dynamik und politische Steuerung unter dem Vorzeichen einer nachhaltigen Zukunft.
4 Drei Hebel für die Transformation
Damit die Vision des nachhaltigen Museums Realität wird, ist es hilfreich, jene Aspekte, Ansätze und Maßnahmen zu identifizieren, die sich besonders stark auf die angestrebte Transformation auswirken. Wie können Museen als Multiplikatoren wirken? Wie können sie ihr spezifisches Potenzial für eine gesellschaftliche Veränderung nutzen? Das folgende Kapitel entwickelt aus einer Querschnittsperspektive heraus unterschiedliche Ansätze, die als Hebel für die Transformation des Museumssektors wirksam werden können (siehe Abbildung 6).
4.1 Die Illusion der Neutralität und politischer Aktivismus Museen, die sich für Nachhaltigkeit und eine global gerechte und lebenswerte Zukunft einsetzen, können politisch nicht neutral bleiben. Um den dafür notwendigen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben müssen Museen daher politisches Engagement zu ihren Kernaufgaben hinzufügen. Der Einsatz (engl.: Advocacy) für Themen, zu denen Museen eine Kontextualisierung sowie spezifische Erkenntnisse beitragen können, kann sogar als gesellschaftliche Pflicht von Museen aufgefasst werden. Die damit skizzierte Orientierung nach außen, also der Blick auf gesellschaftliche Wirkungen, ist im Gegensatz zum Blick nach innen, also der Optimierung des Betriebes unter nachhaltigen Gesichtspunkten, der wichtigste Aspekt, um die gesellschaftliche Transformation zu unterstützen. (Janes und Sandell 2019a, 15–16)
Neutralität und Wertorientierung von Museen Dürfen Museen eine eindeutige Wertorientierung kommunizieren? Oder sind sie zur Neutralität verpflichtet? Viele Museen haben sich bisher in einer neu-
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tralen Position gesehen und nicht in erster Linie gesellschaftliche Herausforderungen thematisiert (Janes 2015, 3). Die Begründung dafür, sich als Museum in konfliktreichen Diskursen nicht zu positionieren, war häufig, dass man weder über das Wissen noch über die Mittel verfügte, um diese zusätzlichen neuen Fragen und Themen anzugehen (Lyons und Bosworth 2019, 175). Ein weiterer Grund weshalb viele Museen bisher auf ihre Neutralität bestanden haben, ist auch die Angst, potenzielle Geldgebende, ob öffentliche oder private, vor den Kopf zu stoßen und damit die eigene finanzielle Grundlage zu gefährden (Janes 2015, 3). Je nach nationaler Rechtslage kann eine quasi-politische Kampagnentätigkeit sogar einer Gemeinnützigkeit von Museen widersprechen (Miller et al. 2004, 90). Diese Haltung bestätigt auch eine Studie, in der sich eine Mehrheit der befragten Personen dafür aussprach, dass Museen keine Meinungsführerschaft übernehmen und keinen spezifischen Standpunkt vertreten sollten (Cameron 2005, 226). Neutralität von Museen im Hinblick auf praktische Probleme der Nachhaltigkeit hat zumeist zur Folge, dass Museen inaktiv bleiben und nicht zur Lösung eines Problems beitragen. Im Hinblick auf Krisenerscheinungen wie den Klimawandel kann Inaktivität aber nicht mehr als neutrales Verhalten gelten, sondern es stellt bereits eine parteiische Handlung dar (Rodegher und Freeman 2019, 341). Die Vision eines nachhaltigen Museums erfordert also eine Reflexion über die grundlegenden Werte für die zukünftige Museumsarbeit. (siehe auch: Cameron 2005, 222; Janes 2015, 4) Auch die Erwartungen, die von unterschiedlichen Stakeholdern an Museen herangetragen werden, können als Aufruf gelten, sich zu öffnen und deutlicher zu kontroversen Themen im gesellschaftspolitischen Diskurs zu positionieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nur empfehlenswert, sondern sogar zwingend notwendig, die Wertgrundlagen sowie die ideologischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen, von denen die Arbeit in Museen maßgeblich beeinflusst wird, bewusst offen zu kommunizieren. Dies kann die Reputation und Glaubwürdigkeit von Museen in Zukunft nur stärken. (Evans et al. 2020, 19–21) Museen als wissenschaftliche Einrichtungen basieren auf Erkenntnisgewinn durch wissenschaftliche Methoden. Obwohl insbesondere Naturwissenschaft versucht, objektiv zu sein, kann sie niemals neutral sein. Auch Naturwissenschaft entdeckt keine universellen Wahrheiten, sondern ihre Ergebnisse sind immer auch von ihren Rahmenbedingungen beeinflusst (vgl. Kap.8.2). Ein solches Verständnis von Naturwissenschaft legt nahe, dass Museen niemals neutral sein können und dies auch nie waren. Museen erschienen in der
4 Drei Hebel für die Transformation
Vergangenheit häufig objektiv und neutral, da die zugrunde liegenden Werte unbewusst waren oder diese zumindest nicht offen und transparent an die Öffentlichkeit kommuniziert wurden (Evans et al. 2020, 19). Die bewussten oder unbewussten Werthaltungen in der Museumsarbeit prägen auch wichtige Narrative, die gesellschaftliche Wirkmächtigkeit entfalten können und so dazu beitragen, wie Geschichte, Gegenwart und Zukunft wahrgenommen werden. Diese Narrative stellen damit auch einen wichtigen Ausgangspunkt gesellschaftlichen Verhaltens dar und können Veränderungen behindern oder begünstigen. (Janes und Sandell 2019a, 8) In diesem Sinn können im Prinzip alle Tätigkeiten eines Museums als politisch interpretiert werden (Ashley 2014, 274). Dagegen wird häufig argumentiert, dass es vielmehr die Rolle von Museen sei, kritisches Denken anzuregen, Diskussionen auszulösen und mit Informationen zur Meinungsbildung beizutragen und somit Menschen zu befähigen, selbst Entscheidungen zu wichtigen gesellschaftlichen und globalen Fragen zu treffen (siehe dazu Cameron 2005, 226). Einerseits liegt ein großes Potenzial von Museen für den gesellschaftlichen Wandel darin, dass sie Verantwortung an die Besucher abgeben, sie selbst entscheiden lassen, welche Themen für sie wichtig sind, und sie selbst Schlussfolgerungen ziehen lassen (Cameron 2005, 229). Aber dieses Verständnis von Museen als Befähiger von eigenständigem Denken und kritischem Reflektieren steht in einem unauflösbaren Gegensatz zu der Gewissheit, dass Museen niemals neutral sein können. Sie präsentieren niemals nur Fakten – und Nachhaltigkeit als normatives Konzept verlangt eine Haltung der Museen. Die Post-Neutralität von Museen bietet jedoch auch vielfältige Chancen, denn eine politische Neutralität von Museen begrenzt immer auch ihr soziales Vermögen, gesellschaftliche Transformation anzustoßen (Lyons und Bosworth 2019, 174). Eine klare Positionierung bietet die Chance, die positiven Wirkungen des Museums für die Gesellschaft stärker in den Blick zu nehmen und damit deutlicher zu kommunizieren (Evans et al. 2020, 23). Ein solcher offener Umgang mit den wertbasierten Grundlagen für Museen im Allgemeinen und für die Arbeit von Wissenschaftlern in Museen im Besonderen bildet darüber hinaus den optimalen Ausgangspunkt, über die gesellschaftliche Bedingtheit von Naturwissenschaft zu reflektieren und Museen als einen zentralen Akteur in einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft (vgl. Kap.3.4) zu platzieren. Durch diesen öffentlich geführten Reflexionsprozess können Museen:
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einen Beitrag zu kontroversen Themen leisten; Orientierung in einer postfaktischen Gesellschaft bieten; und Meinungsbildung ermöglichen.
Abbildung 6: Museen und die Große Transformation
Quelle: eigene Abbildung.
Diese neue Wertorientierung von Museen bietet auch Chancen für interne Entwicklungsprozesse. Werthaltungen wirken sich auf das Museum aus, indem sie Normen und Verhalten der Mitarbeitenden beeinflussen und damit die gesamte Arbeitskultur prägen. Noch direkter ist der Einfluss von Werthaltungen auf die Rolle der Direktion und ihren Führungsstil. (Davies et al. 2013,
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354–356) So haben Untersuchungen gezeigt, dass Werthaltungen der Direktion, die von altruistischen Aspekten geprägt sind, zu einem institutionellen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit beitragen (Florea et al. 2013, 393). Werte wie Uneigennützigkeit, Respekt und Empathie bei Leitung und Mitarbeitenden tragen zu einer flexibleren und agileren Organisation bei, da Unterstützung, Kooperation und Kompromiss die Arbeit prägen und dynamische Reaktionen erlauben. Die darauf aufbauende Kommunikation über persönliche Erwartungen und Ziele ermöglicht auch eine höhere Eigenverantwortung im Sinne einer Selbstorganisation mit flachen Hierarchien. (Florea et al. 2013, 399–401) Vor diesem Hintergrund besteht die Herausforderung für die Direktion darin, authentische Maßnahmen zu entwickeln, die grundlegende und sehr persönliche Aspekte wie Selbstlosigkeit, Empathie und Gerechtigkeitsempfinden ansprechen und fördern. Wenn Museen dazu aufgerufen sind, ihre Wertgrundlagen offen zu kommunizieren, könnte Nachhaltigkeit als ein neuer Kernwert der Museumsarbeit definiert werden (Evans et al. 2020, 22). Denn eine solche Offenheit geht Hand in Hand mit dem Verständnis von Gerechtigkeit, Transparenz und Kooperation als Grundlagen einer nachhaltigen Entwicklung.
Engagement und politischer Aktivismus Um Nachhaltigkeit als politisches Projekt gesamtgesellschaftlich voranzubringen, bedarf es stets auch engagierter und kompetenter Unterstützender. Diese Beteiligten setzen ihre eigenen und spezifischen Kompetenzen und Perspektiven für das politische Projekt ein (Lafferty 2004, 10). Museen können für den Implementierungsprozess von Nachhaltigkeit zu einem solchen Akteur werden. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitspolitik wird auch durch Individualisierung, Zersplitterung und Segmentierung der Gesellschaft erschwert, denn diese Tendenzen vermindern grundsätzlich die Möglichkeit, demokratische Prozesse zu steuern (Bressers 2004, 285–286). Dem setzt Nachhaltigkeit mit wechselseitigen und kooperativen Ansätzen etwas entgegen. Museen können als sozialer Raum in vielfältiger Weise dazu beitragen. Museen besitzen auch eine politische Relevanz, da sie zwangsläufig in ein soziokulturelles und politisches Umfeld eingebunden sind und in ihm funktionieren müssen. Doch auch ganz konkret sind Museen auf vielfältige Weise politisch. Beispielsweise spielen sie eine Rolle in politischen Prozessen wie Globalisierung und Postkolonialismus und haben durch ihre Aufgaben
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und ihre Position die Macht, die Identitätsbildung zu beeinflussen. (Stylianou-Lambert und Bounia 2016, 22) Nationalmuseen sind ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, denn sie können von Regierungen genutzt werden, um nationale Narrative zu entwickeln, zur Identitätsbildung beizutragen und gleichzeitig gezielt ökonomische Effekte und Entwicklungen anzustoßen (Gray 2015, 27). So kann an Museen exemplarisch aufgezeigt werden, wie gesamtgesellschaftliche soziale, kulturelle und politische Kämpfe stattfinden (Macdonald 2001, 16). Es ist offensichtlich, dass unterschiedliche Arten von politischer Aktivität und Engagement auf die Arbeitsweise von Museen einwirken. Politische Akteure beeinflussen, was von Museen erwartet wird, ihre tatsächlichen Aktivitäten und wie sie mit unterschiedlichen Gruppen interagieren (Gray 2015, 150). Museen sind einerseits selbst politisch und werden gleichzeitig als einzelne Institutionen sowie als gesamter Sektor von Akteuren aus der politischen Sphäre beeinflusst. Darüber hinaus wirken Museen auf verschiedene Weise in den politischwissenschaftlich-kulturellen Kontext hinein. Zum einen konzentrieren und integrieren sie viele disziplinäre Wissensbestände. Zum anderen tragen sie zur Stabilisierung von wissenschaftlichen und künstlerischen Narrativen sowie Interpretationen bei. Außerdem bieten sie einen Ort, an dem Individuen und Gruppen ihre subjektiven Perspektiven ausleben und hinterfragen sowie mit neuen Perspektiven in den politischen Raum zurückkehren können. (Luke 2002, 223) Die Verhandlung über Interpretation und Bedeutung der Vergangenheit liegt zu einem großen Teil in den Händen von Museen. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung von kollektiven Identitäten und beeinflussen damit auch ganz konkret das politische Handeln im Hier und Jetzt sowie unser Denken und Planen im Hinblick auf die Zukunft. (Stylianou-Lambert und Bounia 2016, 21) Die politische Rolle von Museen hat Gray (2015) treffend analysiert und wird im Folgenden basierend auf seiner Arbeit skizziert. Die Bedeutung von Museen, nicht nur wegen ihrer konkreten Aufgaben, sondern auch aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung für die Gesellschaft, zeigt, dass der gegenwärtige Mangel an politischer Zentralität nicht an den Museen selbst liegt (Gray 2015, 169). Obwohl Museen tatsächlich eine zentrale kulturelle Rolle spielen, werden sie von den wichtigsten politischen Akteuren durchweg als nicht wirklich bedeutsam angesehen. Dies trifft insbesondere für Länder zu, in denen der Museumssektor weitgehend privat finanziert ist. Insgesamt besteht eine Kluft zwischen der Bedeutung von Museen für gesellschaftspolitische Prozesse und ihrer Repräsentation im politischen System. (Gray 2015, 166) »The
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inability of the museums sector to establish a clear political role for itself has left it in the position that it is not really taken very seriously by political actors whose policy concerns are seen to be of far greater significance than are those of museums« (Gray 2015, 155). Eine solche Entpolitisierung des Museumssektors bietet gewisse Vorteile, birgt aber auch eine Reihe von politischen Risiken. Zu den Vorteilen gehört die Entwicklung von Organisationsformen und Praktiken, die insgesamt relativ unabhängig von politischer Einmischung sind. Diese Entpolitisierung ermöglicht es also Museen und ihrem Personal, ihre gesellschaftliche Funktion in relativer Isolation auszuüben. Der damit einhergehende Nachteil ist, dass der Sektor im Vergleich benachteiligt wird und es ggf. schwerer hat, Förderungen zu erhalten oder zu sichern. (Gray 2015, 155; 169) Mit dieser Entpolitisierung geht auch einher, dass Museen nicht als aktive Akteure in der politischen Sphäre auftreten. Das macht sie häufig zu Objekten im Kalkül anderer politischer Interessen. Dadurch werden auch ihre Leistungen für Gesellschaft, Kultur und Politik abgewertet oder ignoriert. In der Folge neigen andere politische Akteure dazu, Museen als randständig zu betrachten und ihnen nicht die Aufmerksamkeit schenken und die Rolle zuzugestehen, die ihrem Beitrag zum gesellschaftlichen Leben angemessen wäre. (Gray 2015, 168) Aus dieser Betrachtung von Gray folgt, dass Museen, um einen Beitrag zu einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit leisten zu können, ihre Rolle als Akteure in der politischen Arena neu definieren müssen. Dieser Schritt ist längst überfällig. Anwaltschaft, Aktivismus und politische Arbeit werden für Museen und Museumverbände zu bedeutenden Aufgabenfeldern der Zukunft werden (siehe Abbildung 7). Um in der politischen Sphäre Nachhaltigkeit voranzubringen, ist eine institutionelle Verankerung notwendig. Dazu können einerseits Museumsverbände ihren Beitrag leisten, denn sie sind nicht nur als Mitwirkende in politischen Diskursen von Bedeutung, sondern insbesondere auch im Framing und politischen Agenda Setting für den gesamten Sektor. (Gray 2015, 162) Gleichzeitig ist es nicht ausreichend, Nachhaltigkeitsaspekte in der Verbandsarbeit sektoral aufgeteilt – bspw. durch bestehende Fachgruppen innerhalb von Verbänden – zu adressieren. Eine institutionelle Verankerung in Interessenvertretungen und Zusammenschlüssen von Museen muss durch eine spezifisch dafür eingerichtete Stelle oder Initiative umgesetzt werden, die dem transversalen Charakter und der Langfristigkeit der Aufgabe angemessen ist. Nur so kann auch eine wechselseitige Integration der neuen Anforderungen zwi-
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schen den unterschiedlichen Professionen und der Vielfalt der Einrichtungen im Museumssektor gelingen. (siehe Heinrichs 2013a, 241–242)
Abbildung 7: Politisierung und Aktivismus im nachhaltigen Museum
Quelle: eigene Abbildung.
4.2 Klimaschutz und Dekarbonisierung Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen der Gegenwart, der nur durch gemeinsame Anstrengungen aller gesellschaftlichen Akteure begegnet werden kann. Eine Vision für das nachhaltige Museum
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muss folgerichtig im Kern auch Ansätze zu einem wirksamen Klimaschutz und zur Dekarbonisierung des Museumssektors aufzeigen. Museen verursachen im Vergleich zu anderen Kulturinstitutionen relativ hohe CO2 -Emissionen und tragen damit in nicht zu unterschätzendem Umfang zur Klimakrise bei. Einen Großteil der CO2 -Emissionen in Museen verursacht der Energieverbrauch durch die aufwendige Heizung, Lüftung, Klima- und Kältetechnik (HLKK) insgesamt. Weitere Emissionen entstehen durch Abfall, Wasserverbrauch und Geschäftsreisen. Die komplexe Klimatechnik ist aufgrund der konservatorischen Anforderungen an die Aufbewahrung und Präsentation der Sammlungsobjekte notwendig. Dabei gilt es, insbesondere die umfangreichen Depots und Archive in den Blick zu nehmen (vgl. Kap.7.3). Klimaschutz in Museen muss daher am Facility Management ansetzen und zielt auf eine Reduktion des Energieeinsatzes und schließlich auf eine CO2 -Neutralität. Dazu bietet sich die Methode der Klimabilanzierung an.
Klimabilanzierung in Museen Das Instrument der Bilanzierung kann unterschiedliche Betrachtungsebenen berücksichtigen und auf verschiedene Untersuchungsgegenstände angewandt werden. Während eine Umwelt- oder Ökobilanzierung alle Umweltauswirkungen erfasst, werden bei einer Klimabilanzierung lediglich die klimarelevanten Wirkungen, insbesondere die Treibhausgasemissionen berücksichtigt. Gegenstand einer Bilanzierung können gesamte Staaten, einzelne Industriezweige, Gebietskörperschaften wie Kreise oder Städte, Unternehmen oder Institutionen wie Museen oder auch einzelne temporäre Projekte wie Veranstaltungen sein. Dabei gilt es bezüglich einer Bilanzierung im Hinblick auf die Klimawirksamkeit unterschiedliche Begriffe zu differenzieren: Eine CO2 -Bilanz bezieht sich nur auf die CO2 -Emissionen, eine Treibhausgas-Bilanz auf alle Treibhausgase und eine Klimabilanz umfasst alle Treibhausgasemissionen sowie alle anderen Aktivitäten, die das Klima beeinflussen. Das Ergebnis einer Klimabilanzierung beziffert den Ausstoß an Treibhausgasen in metrischen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten (tCO2e). Es existieren verschiedene Normen und Richtlinien für die Erstellung einer Klimabilanzierung. Dazu gehört unter anderem die DIN ISO-Normenreihe 14060 und die PAS 2060 zur Klimaneutralität. Um die Klimabilanz von Museen zu berechnen, existiert derzeit, im Gegensatz zu anderen Branchen, noch kein globaler Standard. Es liegen jedoch gute Ansätze auf nationaler Ebene sowie für spezifische Ak-
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tivitäten wie den Leihverkehr vor (siehe Lambert und Henderson 2011). Als globaler Orientierungsrahmen kann in jedem Fall das Greenhouse Gas Protocol (GHG) (World Resources Institute 2004) gesehen werden. Wenn Museen eine Klimabilanzierung in Angriff nehmen, sollten sie sich daher grundsätzlich am GHG orientieren. So kann auch eine Vergleichbarkeit im Hinblick auf Vorgehen und Ergebnisse innerhalb des Museumssektors realisiert werden. Als erster Schritt eines Klimaschutzprogramms im Museum werden eindeutige Zielvorgaben definiert. Für die Entwicklung von Zielen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen ist eine Rückkopplung an die Ziele des Paris Agreement sinnvoll. Die Entwicklung solcher Reduktionsziele für Museen können auch als wissenschaftlich basierte Ziele (Science Based Targets) beschrieben werden. Bei der Zielentwicklung kann zwischen einem Ziel von »deutlich unter 2°C Erderwärmung« und dem Ziel von »maximal 1,5°C Erderwärmung« unterschieden werden (Giesekam et al. 2021, 1657). Eine Bezugnahme auf die national gültigen Reduktionsziele kann jedoch auch schwierig sein, da sie sich auf Emissionen in zurückliegenden Jahren beziehen, in Museen eine solche Datenbasis in der Regel aber nicht vorhanden ist. Um die Aussagekraft einer Bilanzierung sicherzustellen, müssen sowohl die Elemente definiert werden, die die Bilanzierung einschließt, als auch diejenigen, die ausgelassen werden. In einer Klimabilanzierung werden die wichtigsten Treibhausgase wie CO2 , Methan, Lachgas, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, Perfluorkohlenwasserstoffe, Stickstofftrifluorid und Schwefelhexafluorid berücksichtigt. Diese Festlegung der Bilanzgrenzen betrifft auch die Frage, auf welche Art von Emissionen das Museum überhaupt Einfluss nehmen kann. Um die grundsätzliche Idee des Instruments der Klimabilanzierung zu verstehen, sind die Vorgaben zu den Bilanzgrenzen des GHG essenziell. Emissionsquellen werden demzufolge nach ihrer Herkunft in drei Bereiche (Scopes) differenziert. Scope 1 umfasst direkte Treibhausgasemissionen aus dem Verbrennungsprozess in Systemen am Standort des Museums. Dies sind bspw. Heizungen und Fahrzeuge. Scope 2 umfasst indirekte Treibhausgasemissionen für den Bezug von Strom und Fernwärme. Scope 3 umfasst alle anderen indirekten Treibhausgasemissionen. Dies betrifft gleichermaßen vor- wie nachgelagerte Aktivitäten des Museumsbetriebes. Hierunter fallen Emissionen durch Transport (von Exponaten), Dienstreisen und die Arbeitswege der Mitarbeitenden oder der Abfallentsorgung. Auch die gesamten Emissionen aller eingekauften Waren und Dienstleistungen werden in Scope 3 abgebildet. Um Organisationen bei der Ermittlung zu unterstützen und die Bilanzgrenzen weiter zu spezifizie-
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ren, empfiehlt das GHG die Bilanzierung auf die Vorgänge einzugrenzen, die von der Organisation kontrolliert oder verwaltet werden können. Darüber hinaus kann noch zwischen dem operativen Kontrollansatz, dem finanziellen Kontrollansatz und dem Eigentumsansatz unterschieden werden (World Resources Institute 2004, 16–17). Basierend auf diesen Vorgaben wird die Systemgrenze für das jeweilige Museum festgelegt. Allerdings ist es für Museen in der Regel zu aufwendig und nicht praktikabel, alle Emissionen innerhalb der Systemgrenzen zu erheben. Eine pragmatische Vorgehensweise identifiziert daher die wesentlichen Quellen für Emissionen, d.h. die Quellen mit einem sehr großen Anteil an den Gesamtemissionen sowie Quellen, die unmittelbar durch das Museum beeinflusst werden können. Für eine Berichterstattung nach GHG müssen immer all jene Emissionen berücksichtigt werden, die durch die Organisation selbst verursacht werden (Scope 1 und 2). Emissionen die von Dienstleistern und Anderen erzeugt werden (Scope 3), können freiwillig in die Bilanzierung mit aufgenommen werden. (World Resources Institute 2004) Emissionen im Scope 3 sind ungleich aufwendiger zu erheben als Emissionen in Scope 1 und 2. Daher muss in Scope 3 die Wesentlichkeit der Emissionsquellen besonders genau geprüft werden. Falls es keine belastbaren Daten zu diesen Emissionen gibt, kann zumindest durch qualitative Aussagen der Scope 3 in der Bilanzierung abgedeckt werden. Die meisten Länder, Unternehmen und Branchen konzentrieren sich auf die Bereiche 1 und 2 und ignorieren den dritten Bereich. Dies ist nachvollziehbar, da Emissionen in den ersten beiden Bereichen nicht nur leichter zu erheben, sondern auch leichter zu steuern sind. Museen haben in der Regel eine unmittelbare Kontrolle über die Emissionen der Bereiche 1 und 2. Die größten Emissionen werden jedoch oft im dritten Bereich verursacht, der auch die Emissionen durch Dienstleister und das Publikum mit einschließt. Nach der Definition der Bilanzgrenzen und der Identifizierung der wesentlichen Emissionsquellen beginnt die Datenerhebung. Zunächst werden nun alle Aktivitäten des Museumsbetriebs identifiziert, durch die im Rahmen der zuvor definierten Vorgaben Treibhausgase emittiert werden. Daraufhin werden Verbrauchswerte recherchiert und gesammelt. Falls eine Datenerhebung nicht möglich ist, können auch wohlbegründete Schätzwerte einfließen. Die Durchführung einer Klimabilanzierung ist daher immer auch ein Abwägungsprozess zwischen der Notwendigkeit, belastbare Daten zu erzeugen, und dem zunehmenden Aufwand bei genaueren Erhebungsmethoden. Daraufhin erfolgt die eigentliche Berechnung der durch die Aktivitäten und
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Verbräuche verursachten Emissionen an Treibhausgasen. Dafür werden die vorhandenen Daten in äquivalente Mengen an CO2 umgerechnet. Für diese Berechnung stehen unterschiedliche Online-Rechner und Datenbanken zur Verfügung. Die Klimabilanzierung von Museen ist auch deshalb eine Herausforderung, weil häufig relevante Vergleichsdaten anderer Museen fehlen. Zum Vergleich könnten sich Bewertungssysteme anbieten, die auf den Verbrauchsdaten anderer Gebäudetypen basieren. Museen schneiden aber im Vergleich häufig sehr schlecht ab, da aufgrund des notwendigen Raumklimas für Sammlung und Besucher die relative Energieverbrauchsintensität (Energieverbrauch pro Fläche) bei Museen oft ungleich höher ist als in anderen Gebäuden. (Sutton 2019, 431) Auf Basis der Ergebnisse der Klimabilanzierung werden die Aktivitäten und Handlungsfelder des Museums identifiziert, die einerseits besonders klimarelevant sind, die andererseits aber auch direkt oder ggf. einfach beeinflusst werden können. Aus den Ergebnissen können somit regelmäßig direkte Maßnahmenpakete zum Klimaschutz am Museum entwickelt und als Teilbereich in ein umfassendes Nachhaltigkeitsmanagement (vgl. Kap.11) eingepasst werden.
Von der Klimabilanzierung zum ökologischen Fußabdruck Eine Dekarbonisierung von Museen trägt zur Bewältigung des Klimawandels bei, adressiert jedoch noch nicht Krisenerscheinungen wie Pandemien, Migration, Biodiversitätsverlust und soziale Ungleichheit. Eine ökologische Modernisierung des Museumssektors, die auf die Reduktion von CO2 -Emissionen und Klimaschutz fokussiert, greift daher zu kurz. Klimabilanzierungen und Energieeffizienzsteigerungen sind wichtige Instrumente. Eine weitergehende Analyse der Umweltauswirkungen von Museen stellt jedoch einen wirkungsvolleren Ansatz für mehr ökologische Nachhaltigkeit dar. Ein Instrument dafür ist die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks (Wackernagel und Beyers 2019) von Museen. Der ökologische Fußabdruck ist ein Indikator für den menschlich erzeugten Druck auf Ökosysteme generell, also nicht nur das Klimasystem. Er stellt ein Maß für die Ressourcennutzung und deren Umweltauswirkungen dar. Zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks von Museen wird der Ressourcenverbrauch in fünf Verbrauchskategorien aufgeschlüsselt. Die Schwierigkeiten bezüglich der Definition der Bilanzgrenzen gelten hier genauso wie bei dem Instrument der Klimabilan-
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zierung. Obwohl der Ansatz einige methodische Herausforderungen aufweist (Wiedmann und Barrett 2010; Galli et al. 2016), kann er für Museen hilfreich sein, da er weit verbreitet ist und zahlreiche abgeleitete Instrumente und Anwendungsbeispiele existieren. Die Einstiegshürde ist daher niedriger als bei anderen Instrumenten der Umweltbilanzierung. Klimaschutz adressiert lediglich einen Teil der ökologischen Auswirkungen eines Museums und ökologische Nachhaltigkeit stellt nur einen kleinen Teilaspekt der komplexen Vision des nachhaltigen Museums dar. Weil der Klimawandel eines der drängendsten globalen Probleme ist, erscheint es trotzdem sinnvoll, diesem Instrument eine besondere Bedeutung innerhalb des Nachhaltigkeitsmanagements einzuräumen. Nicht zuletzt ist die Reduktion von klimarelevanten Emissionen an Museen ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Vor dem Hintergrund dieser quantitativen Maßnahmen und greifbaren Erfolge sollte man allerdings die langfristigen, indirekten, qualitativen und schwerer messbaren Wirkungen von Forschung und Bildung von Museen nicht vernachlässigen – und auch nicht deren Multiplikationswirkung für Besucher und andere Stakeholder.
4.3 Das Publikum als Change Agent Museen können wie kaum ein anderer gesellschaftspolitischer Akteur unterschiedliche Sphären und Aspekte miteinander verbinden – von Wissenschaft bis zur Kunst, von Historie bis hin zu Zukunftsvisionen – von Artefakten bis zu virtuellen Realitäten. Sie haben daher als publikumsorientierte Einrichtungen einzigartige Möglichkeiten, zu einer gesellschaftlichen Transformation in Richtung Nachhaltigkeit beizutragen. Wenn ein tiefgreifender Wandel der gesamten Gesellschaft notwendig ist, um die globalen Krisen zu bewältigen, dann spielen Menschen die zentrale Rolle in diesem Prozess. Die Arbeit mit dem Publikum ist daher der entscheidende Hebel für Museen, um Transformation zu unterstützen. Um Museumsarbeit in diesem Sinn wirksamer zu gestalten, gilt es, das Museum als einen alle einladenden und für alle offenen Ort in der Mitte der Gesellschaft zu positionieren.
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Diversität, Inklusion und benachteiligte Zielgruppen Museen sind seit jeher, wenn auch nicht absichtlich, mit Zugangsbarrieren für viele Menschen verbunden. Die soziale Dimension des nachhaltigen Museums fördert eine Integration von und Öffnung für spezifische Zielgruppen, denen bisher der Zugang zu Museen aus unterschiedlichen Gründen erschwert wurde. Inklusion kann als Bestrebung verstanden werden, verstärkt mit potenziellen Besuchern zu kommunizieren, die traditionell im Publikum unterrepräsentiert sind. Es geht darum, ihnen einen Museumsbesuch zu ermöglichen oder sie zum Kommen zu motivieren (Sandell 2003, 47). Dabei geht es also um den Abbau von symbolischen, sozialen und physischen Zugangsbarrieren (Kinsley 2016, 486). Verbesserte Zugänglichkeit und Publikumsentwicklung sind dabei die Treiber dieser Bestrebungen. Inklusion kann in einer weiterreichenden Auslegung auch als ein Beteiligungsprozess verstanden werden, in den sich Stakeholder im Rahmen von Governance und anderen Partizipationsformen in die Arbeit des Museums einbinden (Sandell 2003, 47). Inklusion richtet sich – analog zur Perspektive auf interne und externe Nachhaltigkeit – nach innen sowie auch nach außen. Inklusion und die Förderung von Diversität betreffen damit nicht nur die soziodemografische Struktur des Publikums, sondern auch die Mitarbeitenden im Museum. Auch dadurch entsteht eine positive, sich selbst verstärkende Dynamik, denn das Museum als soziales System wird maßgeblich durch Menschen – Besucher und Mitarbeitende – gestaltet. Eine höhere Diversität und inklusive Praktiken führen so zu einem Wechsel hin zu kooperativer Museumsarbeit mit sich ändernden Zielgruppen und damit mittelfristig hin zu einer Änderung der traditionellen Arbeitsweise im Museum. (Taylor 2017, 160) Zu den unterrepräsentierten und benachteiligten Gruppen gehören Menschen, die nicht in Städten leben oder die nicht die Möglichkeit haben, dorthin zu reisen, sowie Menschen, die nicht die notwendigen finanziellen Ressourcen haben, um einen Museumsbesuch zu bezahlen. So sind Museen als Freizeiteinrichtungen per se ausgrenzend für prekär Beschäftigte, die sich nicht für einen Besuch frei nehmen können. Außerdem umfasst ein inklusiver Ansatz bildungsferne Milieus sowie Gruppen, in denen ein Museumsbesuch unüblich ist und die grundsätzlich auch keinen Anlass haben, dies zu ändern. (Reeve 2006, 56) Inklusion und das Streben nach Diversität nehmen aber auch allgemein gesellschaftlich benachteiligte und diskriminierte Gruppen sowie Minderheiten in den Blick. Dazu gehören unter anderem potenziel-
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le Besucher von ethnischen Minderheiten (bspw. Migranten) oder Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe (bspw. People of Colour) oder sexuellen Orientierung (bspw. LGBTIQ+) diskriminiert werden. Museen können diese potenziellen Besucher insbesondere durch Kooperationen und Partnerprogramme mit anderen Initiativen und Institutionen erreichen (Koster und Baumann 2005, 91). Darüber hinaus können in Kooperation entwickelte Programme außerhalb des Museums effektiv sein, um benachteiligte Zielgruppen anzusprechen. Inklusion und die Förderung eines diverseren Publikums ist jedoch voraussetzungsvoll und bietet zahlreiche Fallstricke. Ein inklusiver Ansatz muss nicht nur die Zugänglichkeit verbessern und bspw. migrantische oder queere Perspektiven integrieren, sondern auch die Ursachen für Exklusion freilegen (Sullivian und Middleton 2019, 108). Ein inklusiver Ansatz zielt daher nicht nur auf eine höhere Diversität im Museum, sondern auch auf eine Reflexion und Diskussion zu Gründen und Lösungsmöglichkeiten von Benachteiligungen und Exklusion. Im schlechtesten Fall kann Inklusion aufgesetzt wirken und Machtasymmetrien verfestigen sowie Benachteiligungen aufrechterhalten. Dabei ist es schwierig, solche Tendenzen frühzeitig zu erkennen, da sie häufig unbewusst ablaufen (Ng et al. 2017, 143). Die fehlende aufrichtige Anerkennung von marginalisierten Gruppen kann ebenfalls dazu führen, dass Ansätze der Inklusion über viele Jahre weitgehend erfolglos bleiben (Kinsley 2016, 487). Durch eine umfassende Inklusion können Museen in idealtypischer Weise ihre sozial-gesellschaftliche Multiplikatorenfunktion realisieren. Sie können durch mehr Diversität innerhalb der Besucher und der Museumsmitarbeitenden zu Botschaftern in Teilöffentlichkeiten und spezifischen sozialen Milieus werden (Coleman 2018, 28). Museen tragen damit dazu bei, das Leitbild Nachhaltigkeit sozial spezifisch und zielgruppenadäquat zu kommunizieren und eine Transformation voranzutreiben.
Nachhaltigkeitskommunikation im Museum In diesem Sinne kann Kommunikation über Nachhaltigkeit ein grundlegender Ansatz sein, um den Wandel innerhalb von Museen umzusetzen sowie zu einer Transformation außerhalb des Museums beizutragen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sowie der Diskurs um Forschung und Wissenschaft spielen eine zentrale Rolle in diesem Kommunikations- und Aushandlungsprozess. »Die Aufgabe der Nachhaltigkeitskommunikation besteht darin, ein Ver-
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ständnis der Welt, d.h. des Verhältnisses zwischen Mensch und Umwelt in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, ein kritisches Problembewusstsein für dieses Verhältnis zu entwickeln und dieses dann mit gesellschaftlichen Werten und Normen in Beziehung zu setzen« (Godemann und Michelsen 2011, 6). Nachhaltigkeitskommunikation bedient sich dafür unterschiedlicher Instrumente und Methoden, wie Strategien des Empowerments, der Partizipation oder des Sozialmarketings (Godemann und Michelsen 2011, 9). Obwohl Museen auch mit Arten und Instrumenten der Nachhaltigkeitskommunikation experimentiert haben, die breitere Zielgruppen emotional und individuell ansprechen und einen deutlichen Alltagsbezug haben (Fischer et al. 2020, 38), werden Museen bisher kaum explizit als Orte der Nachhaltigkeitskommunikation aufgefasst. Nachhaltigkeitskommunikation in Museen steht vor vielfältigen Herausforderungen. Nachhaltigkeit ist ein normatives Konzept, das auf dem fundamentalen Prinzip der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit beruht und eine Positionierung von Museen erfordert. Die normative Natur des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung bedeutet für eine Nachhaltigkeitskommunikation, dass Diskurse nicht nur auf der Grundlage von rationalen Argumenten, sondern auch von Wertorientierungen sowie moralischen Intuitionen geführt werden. Dadurch werden Besucher dazu angeregt, ihre Annahmen und persönlichen Interessen sowie die Auswirkungen ihres Verhaltens zu reflektieren. (Ott et al. 2011, 24) Weitere Herausforderungen für Nachhaltigkeitskommunikation umfassen die Unsichtbarkeit der Ursachen, die zeitliche und räumliche Distanz zu den Auswirkungen, eine fehlende direkte Erfahrung der Auswirkungen, kaum wahrnehmbare positive Effekte durch individuelle Verhaltensänderung, eine grundlegende Komplexität und Unsicherheit, die Grenzen der eigenen Wahrnehmung sowie tangierte Eigeninteressen. (Moser 2010, 31) Für Museen ergibt sich daraus die konkrete Frage, wie mit langen Zeithorizonten und mit Ergebnissen der Zukunftsforschung allgemein umgegangen wird, und wie diese in Ausstellungen integriert und kommuniziert werden können. Ziel einer darauf bezogenen Kommunikation im Museum ist es, die Besucher zu befähigen, konstruktiv mit der, zumeist für den Laien unüberschaubaren, Komplexität umzugehen. Eine weitere Herausforderung ist der Umgang mit Unsicherheit. Hier gilt es, diese Unsicherheiten offen zu kommunizieren und auf dieser Basis einen Reflexionsprozess über die wissenschaftliche Herangehensweise und deren Aufgaben in einer demokratischen
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Gesellschaft in Gang zu setzen. Eine weitere Herausforderung stellt die Einschätzung von zukünftigen Risiken dar. Darüber hinaus existiert eine kontroverse Debatte darüber, ob Nachhaltigkeit in die Verantwortung des Individuums fällt, oder ob Nachhaltigkeit vielmehr ein politisches Ziel ist. Die Institutionen, in denen Bildungsaktivitäten und Nachhaltigkeitskommunikation stattfinden sind klassischerweise vermittelnde Orte zwischen dem Politischen und dem Privaten. (Mieg et al. 2013, 188) Zu dieser Vermittlung können Museen beitragen, bringen sie doch in wesentlich besserer Art und Weise als formale Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten die politische und die private Sphäre miteinander in Verbindung. Museen können hier als eine vermittelnde Institution dienen, die den scheinbaren Widerspruch zwischen individueller und politischer Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft zu überbrücken vermag.
Das transformative Potenzial des Publikums Auf dem Weg zu einer gesellschaftlichen Umgestaltung unterscheidet Göpel (2016) Instrumente und Maßnahmen in verschiedene Ebenen, eine oberflächliche, mittlere und tiefe Ebene. Das größte transformative Potenzial liegt auf der tiefen Ebene. Veränderungen von Werthaltungen und Mindsets von Mitarbeitenden und Besuchern führen hier zu veränderten Visionen, Zielen und kollektivem Handeln. (Göpel 2020) Nach dieser Auffassung stellt die Veränderung von Werthaltungen, ein Great Mindshift, das Kernstück einer Transformation dar. Dabei stehen nicht individuelle Verhaltensänderungen, bspw. im Sinne eines nachhaltigen Konsums, im Mittelpunkt, sondern kollektive Vorstellungen und die breite Öffentlichkeit (siehe Abbildung 8). In diesem Prozess können Museen eine wichtige Rolle spielen, denn sie können als bedeutende Multiplikatoren fungieren (vgl. Kap. 4.1). Die authentischen Erlebnisse während eines Museumsbesuchs, die Aura des Objektes und die emotionalen Geschichten in der Ausstellung haben die Kraft, bei Besuchern einen Reflexionsprozess über Werthaltungen und Mindsets anzuregen. Mit einer publikumsorientierten Museumsarbeit, die diese Effekte fokussiert, können Museen zu einer kollektiven, öffentlichen Reflexion über die zugrunde liegenden Wirkmechanismen von nicht-nachhaltiger Entwicklung beitragen. Eine solche publikumsorientierte Museumsarbeit greift auf Ansätze der Nachhaltigkeitskommunikation zurück und profitiert von Erkenntnissen kommunikationspsychologischer Evaluationen, ist aber nie manipulativ,
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sondern folgt einem befähigenden Verständnis der Bildung und Vermittlung in Museen (vgl. Kap 10.1).
Abbildung 8: Ebenen der Transformation im Museum
Quelle: basieren auf Göpel 2016, 42.
Vom Wollen zum Handeln: Psychologische Wirkungsforschung Ob und in welchem Maße Besucher nach einem Museumsbesuch ihr Verhalten ändern, ist von vielfältigen individuellen Aspekten abhängig. Dazu gehören neben Einstellungen, Wissen und Handlungsabsichten (Intentionen) auch zahlreiche weitere, sehr viel schwerer zu erfassende Faktoren. Zu diesen Faktoren zählen persönliche Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmale wie Charakterzüge, Erwartungen und Erfahrungen zur Selbstwirksamkeit sowie Auffassungen zur eigenen Identität. Hinzu kommen soziale und kulturelle Normen, die den Handlungsspielraum häufig beschränken. Es bleibt
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eine langfristige Aufgabe, diese psychologischen Fragestellungen auf Museen, Ausstellungen, pädagogische Angebote und deren Wirksamkeit zu beziehen. Diese Aufgabe wird vor dem Hintergrund der neuen Rolle von Museen zunehmend wichtiger. Wenn Wissensvermittlung eine der großen Aufgaben von Museen ist, dann ist insbesondere die Bedeutung von Wissen für umweltgerechtes bzw. nachhaltiges Handeln von Interesse. Doch zwischen Wissen, Einstellungen und Verhalten besteht in der Regel ein geringer Zusammenhang (Kaiser et al. 1999, 4; Bamberg und Möser 2007; Hines et al. 1987). Umweltbezogenes Wissen hat einen geringen Einfluss auf Einstellungen zur Thematik und auf das Verhalten, weshalb auch von der sogenannten Kluft zwischen Wissen und Handeln (Knowledge-Behavior-Gap) gesprochen wird. Je nach psychologischem Erklärungsmodell wird der geringe Zusammenhang zwischen Wissen und Handeln durch verschiedene Faktoren erklärt (Kaiser et al. 1999, 4).
Abbildung 9: Kommunikation im Museum und nachhaltiges Verhalten
Quelle: basierend auf Stern und Dietz 1994, 77.
Es existieren zahlreiche psychologische Modelle zum Zusammenhang von Wissen, Einstellungen, Intention und Verhalten. Für den Einsatz in Museen erscheint insbesondere die Value-Belief-Norm Theorie (Stern et al. 1999) geeignet, die auf individuelles, soziales und politisches Handeln in Bezug auf Umweltprobleme angewandt wurde. Das Modell postuliert einen hierarchischen Einfluss, der von abstrakten Orientierungen bis hin zu konkreten Ver-
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haltensweisen reicht: Werte beeinflussen Überzeugungen und diese beeinflussen Intentionen und damit schließlich auch das Verhalten (siehe Abbildung 9). Die drei Elemente Wertorientierungen, verhaltensbezogene Überzeugungen und Verhaltensintentionen stehen demnach im Zentrum einer erfolgreichen Kommunikation. Der direkte Einfluss von Werten auf Verhalten ist jedoch umstritten (Bardi und Schwartz 2003, 1207; Maio et al. 2006, 298). Dagegen sagen Intentionen das Verhalten besser voraus, als andere kognitive Faktoren wie Einstellungen, Risikowahrnehmung oder Faktoren der Persönlichkeit. Und doch werden nur in etwa der Hälfte der Fälle Vorhaben in die Tat umgesetzt (Sheeran und Webb 2016, 516). Dies beschreibt die sogenannte Kluft zwischen Absicht und Verhalten (Intention-Behavior-Gap) (Sheeran 2002, 7). Auch wenn die relevanten Faktoren für die Überführung von Absichten in tatsächliches Verhalten noch weitgehend unbekannt sind (Carrington et al. 2014, 2759), existieren einige Ansatzpunkte für die Kommunikation im Museum. Wichtig sind beispielsweise die Überzeugungen zu den Konsequenzen des Verhaltens (Stern et al. 1993, 328), die auch als wahrgenommene Kosten und Nutzen des Verhaltens verstanden werden können (Snelgar 2006, 88). Ein weiterer Faktor, der zwischen Absichten und tatsächlichem Verhalten vermittelt, ist die Bereitschaft, persönliche Opfer zu bringen (Carrington et al. 2014, 2764–2765). Ein Verzicht auf die unmittelbaren Eigeninteressen, um das Wohlergehen von anderen zu fördern, kann auch mit altruistischen Werthaltungen und den grundlegenden Werten der Nachhaltigkeit in Deckung gebracht werden. Falls dieser Zusammenhang empirisch belegt wird, könnten Museen in Zukunft Strategien entwickeln, die eine solche Bereitschaft und assoziierte Werthaltungen wie Respekt, Uneigennützigkeit und Fürsorge gezielt fördern. Van Zomeren (2008) weist darauf hin, dass nicht individuelle Verhaltensänderungen, sondern kollektives Verhalten im Fokus eines psychologisch informierten Kommunikationsansatzes stehen sollten. So könnte die soziale Identifikation mit einer Gruppe als zentraler Erklärungsansatz dafür dienen, weshalb Intentionen in Verhalten umgesetzt werden (siehe van Zomeren et al. 2008). Die Identifikation mit einer Gruppe und ihren Zielen und damit einhergehende gruppenbasierte Emotionen sowie die Überzeugung, etwas bewirken zu können, stellen dabei die wesentlichen psychologischen Mechanismen dar. Genau dieses kollektive Gefühl der Wirkmächtigkeit könnte eine bedeutende Triebfeder für die Transformation sein (Fritsche 2015, 30), wes-
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halb Selbstwirksamkeit im Zentrum einer Nachhaltigkeitskommunikation in Museen stehen sollte.
Angewandte Kommunikationspsychologie im Museum Auch wenn zielgruppengerechte Ansprache in der publikumsorientierten Museumsarbeit eine Selbstverständlichkeit darstellt, verlangt Nachhaltigkeitskommunikation eine neue Perspektive und Analyse der Rezipierenden. Dabei spielen nicht nur Einstellungen zu der multiplen Krise eine Rolle, sondern auch deren Handlungsabsichten. Im Hinblick auf den Klimawandel kann die Öffentlichkeit in folgende unterschiedliche Milieus unterteilt werden (Schrader 2021, 100; basierend auf Metag et al. 2017): • • • • • •
die Alarmierten; sie sind von negativen Auswirkungen überzeugt und setzten Klimaschutzhandeln um; die Besorgten; sie teilen die Einstellungen der Alarmierten in geringer Ausprägung und handeln nur ansatzweise klimaschutzrelevant; die Vorsichtigen; sie sind unsicher bezüglich der Auswirkungen auf den Klimawandel und noch nicht von Handlungsabsichten geprägt; die Unbekümmerten; sie sind verunsichert und beschäftigen sich nicht näher mit dem Klimawandel; die Zweifelnden; sie sind nicht überzeugt davon, dass der Klimawandel durch Menschen verursacht ist; die Ablehnenden; sie fühlen sich in ihrem Individualismus eingeschränkt und sind skeptisch gegenüber den Erkenntnissen der Klimaforschung.
Museen könnten vor allem die Vorsichtigen und Unbekümmerten für das Thema sensibilisieren. Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Kommunikation mit diesen Zielgruppen ist, dass einfache und klare Botschaften zum Einsatz kommen. Darauf aufbauend gilt es, die persönliche Relevanz des Klimawandels greifbar zu machen – die Auswirkungen im Hier und Jetzt stehen dabei im Mittelpunkt. Die Einbindung von vertrauenswürdigen und lokalen Fachkundigen kann der Kommunikation zusätzlich Autorität und Legitimität verleihen. (Leiserowitz et al. 2021, 101–102) Für die Besorgten – und in geringerem Maße auch für die Alarmierten – ist die Frage der Umsetzung von Absichten in Verhalten besonders relevant. In dieser Hinsicht kann eine Kommunikation die Museumsbesucher stärker als Mitglieder sozialer Gruppen ansprechen und weniger als Individuen. Dabei stehen soziale Identität
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und Selbstkonzepte sowie soziale Normen im Vordergrund. So kann die oben skizzierte Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit in Gruppen gestärkt werden und zu einem kollektiven Handeln angeregt werden. Basierend auf den vielfältigen psychologischen Forschungsergebnissen, die hier nur ansatzweise diskutiert werden und den umfangreichen Empfehlungen von Schrader (2021) kann eine effektive Nachhaltigkeitskommunikation im Museum insbesondere folgende Aspekte berücksichtigen: • • • • • • • •
Positive Botschaften und Inhalte verwenden; Lösungsansätze aufzeigen und Wirkmächtigkeit erfahrbar machen; Komplexität durch konsistente Argumentation und Einbettung in Narrative reduzieren; mit Risiken und Angst sensibel umgehen; emotionale Nähe vorsichtig herstellen; zeitliche Nähe aufzeigen; Routinen und Verhaltensänderungen einüben; Erzählungen und Geschichten einsetzen.
Eine Leitlinie für aktivierende Kommunikation ist die Verwendung positiver Formulierungen und Perspektiven. Grundsätzlich gilt es, negative Informationen bzw. demotivierende Informationen zu vermeiden, da diese zu Passivität führen können (Grothmann 2017, 230–235). Um den Krisenerscheinungen positiv zu begegnen ist es von Bedeutung, die eigene Wirkmächtigkeit zu erfahren. Daher bietet sich als Einstieg in eine Kommunikation eine konkrete Handlungsoption bzw. ein Lösungsvorschlag an. Die aufgezeigten Lösungsansätze sollten alltagskompatibel und vor Ort realisierbar sein. Idealerweise sind sie lokal oder regional spezifisch und auf die besondere Situation der Zielgruppe zugeschnitten. Hieran wird schnell deutlich, dass eine solche Kommunikation eine tiefe Kenntnis von den Rezipierenden und ihren Lebenswelten verlangt und eine kreative Vorstrukturierung dessen voraussetzt, was Mitglieder dieser Zielgruppen wollen und können. Die Komplexität der Sachverhalte führt häufig zu verwirrenden, potenziell widersprüchlichen Aussagen. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass Informationen und Botschaften sich nicht widersprechen, vielmehr sollten sie sich gegenseitig stützen. Das setzt jedoch eine Auswahl von Argumenten und eine Fokussierung auf die Aspekte voraus, mit denen ein konsistentes Argumentationsmuster entwickelt werden kann. Für die Anschlussfähig-
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keit der Kommunikation ist die Einbettung in Narrative oder Diskurslinien wichtig, denn diese bieten ein Muster für die Deutung von Informationen und wecken gleichzeitig Assoziationen und erzeugen Gefühle. Hier gilt es, eine Achtsamkeit für die vorherrschenden Narrative und Framings innerhalb des Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsdiskurses auszubilden, um die eigene Kommunikation darin zu platzieren und die Wirkung in der Zielgruppe besser abzustimmen. Neben den Inhalten der Kommunikation steht gerade bei komplexen Themen auch die Art der Kommunikation im Mittelpunkt. Sie sollte spannend und abwechslungsreich sein und Aufmerksamkeit generieren. Gleichzeitig können mit Vergleichen und Analogien die Imagination angeregt werden (Moser 2010, 40). Komplexität kann durch die Integration künstlerischer Praxis in die Kommunikation sehr gut reduziert werden. Anders als rationale wissenschaftliche Erläuterungen ermöglicht Kunst eine mittelbare Kenntnis der zugrunde liegenden Komplexität (John 2015, 84). Mit den globalen Krisen sind vielfältige Risiken verbunden. Das Ziel einer Risikokommunikation ist es, die Risiken an sich in den Mittelpunkt zu stellen, und nicht Gefahren oder Schäden. Darüber hinaus sollte über Risiken des globalen Wandels in einer Weise berichtet werden, die die Rezipierenden zum Handeln ermutigt (Adomßent und Godemann 2011, 31–32). Neben Gefahren und Risiken spielen insbesondere bei der Kommunikation zum Klimawandel auch erzeugte Ängste eine Rolle. Diese Ängste bedingen wiederum Abwehrreaktionen wie Verweigerung oder Wunschdenken und Fatalismus, die die Handlungsbereitschaft weiter senken (van Zomeren et al. 2010, 344). Weil die Kommunikation von Risiken häufig Angst auslöst und Abwehrmechanismen in Gang setzt, sollte es vor allem um die unterschiedlichen Lösungsansätze gehen und insgesamt Hoffnung gefördert werden (Schrader 2021). Dies kann beispielsweise durch die Darstellung und die Narration von Pionieren und Vorbildern geschehen, die an die Lebenswelten der Besucher anschlussfähig sind. Emotionen können als motivierendes Element angesehen werden, das in der Konzeption und Planung von Kommunikation mit einem differenzierten Blick betrachtet werden sollte. Wichtig zu beachten ist, dass die Berücksichtigung von Emotionen und emotionaler Nähe nicht dasselbe ist wie das gezielte Auslösen von Emotionen. Das Auslösen von Emotionen ist mindestens zwiespältig zu sehen, auch weil emotionale Reaktionen häufig individuell sehr spezifisch sind und man nicht davon ausgehen kann, dass die beabsichtigten Effekte und die gewünschten Handlungsabsichten erreicht werden. (Chapman et al. 2017) Dagegen kann die Herstellung von emotionaler Nähe einen
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wirkmächtigen, wenn auch voraussetzungsvollen Ansatz für die Kommunikation darstellen. Als Ausgangspunkt ist hier zu ergründen, was für die jeweilige Zielgruppe von emotionaler Bedeutung ist. Für die Effektivität der Kommunikation in Bezug auf Intentionen und Verhalten ist es besonders relevant, ein Gespür dafür zu bekommen, was die Zielgruppe in ihrem persönlichen Alltag berührt und zum Handeln motiviert. Dafür können Fokusgruppen ein hilfreiches Instrument sein. Ansatzpunkte für die Kommunikation von Werten wie Empathie, Respekt und Verantwortung können Visualisierungen und das Hineinversetzen in andere Menschen (bspw. Enkel oder Menschen in anderen Erdteilen) sein. Eine emotionale Nähe kann auch Abwehrreaktionen, Leugnung und Angst auslösen. Am Schluss sollte man keinesfalls ein Ohnmachtsgefühl hinterlassen, sondern sich in positiver Kommunikation auf Lösungsoptionen allgemein und persönliche Handlungsoptionen im Konkreten fokussieren. (Schrader 2021, 173) Für Problemlagen mit langen Zeithorizonten ist ein Ansatz zeitlicher Nähe herzustellen. Wenn Probleme bzw. deren Auswirkungen weit in der Zukunft liegen, kann versucht werden, Auswirkungen oder Handlungsoptionen in der nahen Zukunft zu finden und die Kommunikation darauf zu konzentrieren. (Schrader 2021, 81) Wenn Kommunikation auf die Änderung von Verhalten zielt, sind Routinen und Gewohnheiten ein Schlüssel zur Veränderung. Unterschiedliche Ansätze können die Änderung von Gewohnheiten begünstigen. Dazu gehört die Einübung von Mikro-Gewohnheiten, die Nutzung von Auslösern, sogenannten Triggern, sowie die Belohnung von kleinen Erfolgen. Auch die Kluft zwischen Intention und Verhalten kann in der Kommunikation berücksichtigt werden. Ein weiterer Ansatz in diese Richtung ist die Fokussierung auf konkrete Situationen, in denen die Intention in die Handlung umgesetzt wird – häufig Entscheidungssituationen mit unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten. Diese können bspw. in Ausstellungen visualisiert, so die Entscheidung erprobt und das beabsichtigte Verhalten eingeübt werden. Als weiterer Faktor für das Verhalten sind die Überzeugungen zu den Konsequenzen des Verhaltens anzugehen. Kommunikation in Museen und Ausstellungen könnte viel mehr als bisher die Kosten-Nutzen-Abwägung einzelner Verhaltensweisen reflektieren. Das Erzählen von Geschichten kann ein weiterer, sehr guter Zugang sein, um Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit locker und effektiv umzusetzen. Geschichten sind häufig barrierearm, da sie mit Bildern arbeiten, Personen und deren Erleben in den Mittelpunkt stellen, kurzweilig und span-
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nend sind und damit die Aufmerksamkeit des Zuhörenden binden. Darüber hinaus besitzen sie aber Qualitäten, die für die Ziele der Nachhaltigkeitskommunikation und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (vgl. Kap.10) zentral sind: Durch das Hineinversetzen in Hauptfiguren können Zuhörende andere Perspektiven annehmen, Empathie üben und sich für neue Sichtweisen öffnen. Durch Geschichten werden gemeinsame Bedeutungen, gemeinsame Vorstellungen und gemeinsame Realitäten konstruiert. Sie sind vor allem dort hilfreich, wo konkrete und alltägliche Hindernisse ein nachhaltiges Handeln erschweren. (Schrader 2021, 231)
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TEIL II NACHHALTIGER MUSEUMSBETRIEB
5 Leitung und Governance
Das Leitbild der Nachhaltigkeit erfordert einen radikalen Wandel im Museum. Eine solche Neuausrichtung umfasst sowohl strategische Entscheidungen als auch Fragen der Arbeitskultur. Welche Rolle kommt dabei der Leitung zu? Welche Bedeutung haben Führungsstil und Personalpolitik? Die für eine Veränderung notwendige Top-down-Dynamik wird hier durch einen Governance-Ansatz in die sozialen Zusammenhänge im Museum und vor Ort eingebunden.
Vision Selbstverständnis
Transformationale Führung für Museen in der Mitte der Gesellschaft
Expertise
Moralische Richtungssicherheit, Wirkungslogik, Zukunfts- und Kooperationskompetenz
Praktik
Gesellschaftliche Wirksamkeit fokussieren und erweitern
5.1
Strategische Entwicklung durch Wirkungsorientierung
Die Wirkungen von Museen sind vielfältig und es existieren zahlreiche Konzepte und empirische Untersuchungen zu den positiven gesellschaftlichen Wirkungen von Museen (z.B. Scott 2006, 59–65). Museen tragen unabhängig von ihren Bestrebungen im Feld der Nachhaltigkeit vor allem zu gemeinschaftlicher Identität, sozialem Zusammenhalt, Demokratiebildung und zivilgesellschaftlichem Dialog bei, sie stärken eine aufgeklärte Gesellschaft, neues Wissen, die Verhandlung zentraler Herausforderungen von Gegenwart
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und Zukunft, Glück und Wohlergehen und fördern den Aufbau kommunaler Kapazitäten und Stadtentwicklung (siehe Thompson et al. 2011). Diese Wirkungen können bezüglich ihrer Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung bewertet und daraufhin ausgerichtet und gestärkt werden. Ein Bezugspunkt zwischen Nachhaltigkeit und diesen allgemeinen Funktionen ist der Beitrag zu einer demokratischen und offenen Gesellschaft. Museen können hierzu in vielfältiger Weise beitragen und »an important bulwark against the erosion of the public realm« (Thompson et al. 2011, 6) sein. Häufig existiert jedoch nur eine sehr lose Verbindung zwischen der Mission eines Museums und dessen tatsächlichen Handlungen bzw. Wirkungen. Dieses Phänomen kann als Entkopplung (Decoupling) bezeichnet werden. Wirkungsorientierte Leitung und Wirkungsmessung adressieren dieses Problem und tragen zu einer verbesserten Verwirklichung der Aufgaben und Missionen von Museen bei. (siehe Arvidson und Lyon 2014, 882)1 Insbesondere im Non-Profit Sektor wird ein wirkungsorientierter Blick auf die Aktivitäten von Organisationen oder Institutionen immer wichtiger. Ein Grund dafür ist die Forderung, die Wirksamkeit der Arbeit zu kommunizieren und in der Außendarstellung zu verwenden. Dieser Fokus blendet jedoch das größte Potenzial einer Wirkungsorientierung aus. Dieses Potenzial liegt in einem kontinuierlichen Lernprozess, der dadurch angestoßen wird. Mit einer fortlaufenden Überprüfung und Optimierung der Wirkungen können Museen so zu lernenden Organisationen werden. Da Museen per se auf einen Beitrag zum Gemeinwohl abzielen, sind sie in einer perfekten Position, um eine Vorreiterstellung einzunehmen mit der Planung, Messung und Berichterstattung eines auf Wirksamkeit ausgerichteten Nachhaltigkeitsverständnisses. (siehe Jones und Mucha 2014, 1479)
Wirkungsmessung im Museum Wirkungsorientierung und Social-Impact-Assessment sind Ansätze, die viele Überschneidungen mit Corporate Social Responsibility und ähnlichen Instrumenten aufweisen. Obwohl diese Überschneidungen selten systematisch untersucht und aufgezeigt wurden (Nigri und Michelini 2019, 65), sind diese verschiedenen Konzepte doch hilfreich, um unterschiedliche Anknüpfungspunkte zur Transformation des Museumsbetriebs zu bieten. 1
Hier genauso wie Jones und Mucha im Folgenden bezugnehmend auf Non-Profit Organisationen.
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Die Messung von Wirkungen ist voraussetzungsvoll, denn sie erfordert Kompetenz in der Umsetzung von sozialwissenschaftlicher Forschung, lange Zeitreihen und erhebliche personelle Ressourcen (siehe Ebrahim und Rangan 2014, 132)2 . Dies übersteigt häufig die Möglichkeiten von Museen. Trotz solch ungünstiger Voraussetzungen sollten Museen die Chance ergreifen, sich mit Wirkungsmessung zu beschäftigen und die zugrunde liegenden Denkschemata sowie die Ansätze selbstverständlich in ihre Arbeit zu integrieren. Als grundlegender Ansatz dient die Entwicklung einer Wirkungslogik (engl.: logic model). Sie beschreibt die logischen Zusammenhänge zwischen Ressourcen, Leistungen und Wirkungen auf der Ebene der Zielgruppe sowie auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Die konzeptuelle Entwicklung einer Wirkungslogik ermöglicht damit die Messung und das Monitoring von Wirkungen und erleichtert auch die Identifizierung der wesentlichen Bereiche für die Messung. (Knowlton und Phillips 2013, 89–95) Wirkungslogiken für Museen identifizieren die wichtigsten Ergebnisse, die von der Museumsarbeit erwartet werden und verknüpfen diese mit Ressourcen und Maßnahmen. (Ebrahim und Rangan 2014, 137) Eine solche Wirkungslogik wird mit allen Stakeholdern gemeinsam entwickelt. Dadurch enthalten das Modell und damit auch die Basis der Wirkungsorientierung mindestens implizit bereits eine gemeinsame Vision sowie auch eine gemeinsame Definition von erfolgreichem Handeln. (McLaughlin und Jordan 2015, 86) Eine Wirkungslogik besteht aus den folgenden Ebenen: • • • •
Input; Output; Outcome; Impact.
Der Input bildet die Ressourcen ab, die für die Erreichung der Ziele eingesetzt werden. Diese sollte man berücksichtigen, um die Wichtigkeit der Ressourcenzuteilung innerhalb des Museums transparent zu machen und die Effizienz der Maßnahmen zu erheben. Indikatoren können den Input sowie die anderen Ebenen der Wirkungslogik abbilden. Der Output bezeichnet die Maßnahmen bzw. die im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements durchgeführten Aktivitäten. Dazu gehören bspw. die Prozesse des Nachhaltigkeits2
Abgeleitet von Managementempfehlungen für soziale Wirksamkeit.
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managements wie Beteiligungsmöglichkeiten sowie die konkreten Maßnahmen des Nachhaltigkeitsprogramms in den verschiedenen Handlungsfeldern. Der Output kann bspw. in der Anzahl an Veranstaltungen oder der Anzahl an Teilnehmenden liegen. Dabei spielt auch eine Rolle, ob alle angesprochenen Stakeholder wirklich erreicht wurden. Der Outcome bildet die Wirkung der Maßnahmen in der direkten Zielgruppe von Museen ab. Dazu gehören bspw. das Publikum und Nutzende der wissenschaftlichen Einrichtungen eines Museums. Innerhalb der Zielgruppen kann des Weiteren nach unterschiedlichen Stufen der Wirkung unterschieden werden: Von Wissen über Einstellungen zu Verhalten. Die Wirkung wird danach differenziert, ob und inwiefern sich auf erster Ebene das Wissen der Zielgruppen durch das Nachhaltigkeitsmanagement verändert, auf zweiter Ebene ihre Einstellungen sowie auf dritter Ebene ihr Verhalten. Der Outcome adressiert damit auch maßgeblich die Dimensionen ›Funktion und Erlebnis‹ innerhalb des Konsultationsprozesses für eine Museumsdefinition durch ICOM (The International Council of Museums 2021). Ein solches Wirkungslogik-Modell weist in diesem Zusammenhang auch auf mögliche Schärfungen der Museumsdefinition hin. Im Kern einer wirkungsorientierten Arbeit steht die Planung für und das Management von Wirkung auf gesellschaftlicher Ebene: der Impact. Der Impact bildet ab, welche gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen das Nachhaltigkeitsmanagement unterstützt, welche Stakeholder, Akteure und Gruppen von der Museumsarbeit profitieren und wie die Auswirkungen auf die Verhältnisse vor Ort zu beurteilen sind. Die Herausforderung hierbei ist es, breite gesellschaftliche Fragen auf die Museumsarbeit zu beziehen und die Wirkung darauf bezogen zu operationalisieren. Da gesamtgesellschaftliche Veränderungen durch eine Vielzahl von Entwicklungen und Rahmenbedingungen beeinflusst werden, ist der Beitrag der Museumsarbeit in der Regel nicht zu isolieren. Hilfreich bei der Entwicklung ist es außerdem, nur spezielle Teilfragen, örtlich beschränkte Auswirkungen oder Subgruppen anzugehen und nicht ein gesamtgesellschaftliches Problem oder eine sehr umfassende Fragestellung. Insofern muss im Einzelfall überprüft werden, ob ein quantitativer Zielwert sinnvoll erscheint. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gesamtgesellschaftliche Prozesse häufig einen langen Zeithorizont haben. Während neben einer Wirkungsmessung mit Logic Models noch viele andere Instrumente in Frage kommen, sind für Museen insbesondere auch weniger aufwendige Ansätze interessant. Dazu gehört beispielsweise eine geschichtenbasierte Evaluation mit einem Fokus auf den wichtigsten Änderungen. Diese Art der Wirkungsmessung identifiziert Veränderungen und Wir-
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kungen ohne dabei Indikatoren zu verwenden. Die Messung geschieht anhand von Geschichten der Veränderung auf praktischer Ebene. Daraufhin werden die wichtigsten dieser Geschichten durch ein spezielles Gremium systematisch ausgewählt. (Ebrahim und Rangan 2014, 137–138) Eine Geschichte im Rahmen einer Evaluation zeichnet sich durch geplantes Vorgehen aus und ist keine zufällige Erzählung. Dabei wird die Quelle jeder Geschichte identifiziert sowie die Geschichte durch weitere Personen verifiziert. Eine Evaluationsgeschichte wird ergänzt durch eine Dokumentation, die die Aufnahme der Geschichte anhand einer Methodik beschreibt. Sie soll auch eine Einschätzung darüber enthalten, inwiefern die Geschichte für andere Personen der Zielgruppe als repräsentativ angesehen werden kann. (Krueger 2015, 538)
5.2 Governance, Führung und New Work Teilhabe und Beteiligung sind grundlegende Ideen für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. Um einen umfassenden partizipatorischen Ansatz in Museen zu verfolgen, können verschiedene Interessengruppen noch stärker als bisher beteiligt werden. Als Stakeholder eines Museums sind alle Personen, Gruppen oder Organisationen zu verstehen, die an der Arbeit des Museums beteiligt, daran interessiert oder davon betroffen sind. Zu den Stakeholdern von Museen zählen • • • • • • • • • • • •
Zivilgesellschaft im weiteren Sinn; Publikum; Mitarbeitende; Beirat und weitere beratende Gremien; Geldgebende wie Förderer, Spender, Sponsoren und Investoren; Kunstschaffende und Sammelnde; Wissenschaftler, Forschende und Studierende; Zulieferer und Dienstleister; lokale Akteure wie Verwaltung, Behörden, Unternehmen etc.; Kooperationspartner im weitesten Sinne; Politik und Nichtregierungsorganisationen; Museums- und Kultursektor im Allgemeinen.
Im Rahmen des nachhaltigen Museums gilt es, Anforderungen und Erwartungen der Stakeholder zu analysieren und stärker in die Museumsarbeit zu
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integrieren und damit auch verstärkt Governance-Formen der Museumsarbeit auszubilden.
Museum Governance für Nachhaltigkeit Das Konzept der Corporate Governance bezeichnet eine gute Unternehmensführung und adressiert unter anderem transparente und faire Märkte, eine effiziente Ressourcenallokation sowie insbesondere die Anerkennung der Rechte von Stakeholdern und die Förderung einer aktiven Zusammenarbeit, Offenlegung und Transparenz. (Organisation for Economic Co-operation and Development 2015, 9–11) Während es also beim Ansatz der Corporate Governance ursprünglich vor allem um die Berücksichtigung von Stakeholderinteressen ging, wird eine gute Führung hier als eine nachhaltige Führung des Museums verstanden. Die Aspekte einer Corporate Social Responsibility treten daher zu den Stakeholderinteressen hinzu und ergänzen diese (Fischer 2017, 206)3 . In der Umsetzung bedeutet Good Governance im nachhaltigen Museum eine Transparenz der internen Entscheidungsprozesse und eine Offenlegung der Arbeitsweise des Museums. Eine Öffnung des Museums auf dieser grundlegenden Ebene führt zu einer positiven sozialen und programmatischen Bilanz. Diese grundlegenden, im Kern ethisch motivierten Überlegungen werden dabei gepaart mit einer Verwaltung, die Effizienz und Effektivität im Betrieb in den Blick nimmt. Dadurch werden auch starre interne Strukturen verringert und es wird ihnen zu mehr Agilität verholfen. Governance im Museumssektor dient auch dazu, die neue, nachhaltigere Rolle der Museen in der Gesellschaft zu definieren und zu verankern. Die Stakeholderbeziehungen im Rahmen von Governanceprozessen führen zu einer neuen Interpretation dessen, was Museen in und für die Gesellschaft und den Transformationsprozess leisten. Governance ist daher auch als Kern des Kulturwandels zu sehen, um eine veränderte Bewertung von Museumsleistungen wahrnehmbar und kommunizierbar zu machen. (siehe O’Riordan 2017, 425) Durch die Öffnung wirken auch die wesentlichen Stakeholder vermehrt auf die Museumslandschaft: So widmen sich Museen auch auf Druck der wichtigsten Stakeholder zunehmend unterschiedlichen Aspekten der Nachhaltigkeit und verschmelzen somit Ansätze der Good Governance mit denen der Corporate Responsibility. Umge3
Hier genauso wie Fischer, Aluchna und Minciullo im Folgenden basierend auf Veröffentlichungen zu CSR-Management.
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kehrt wirken Museen vermehrt in die Governance-Ebenen nichtstaatlichen Regierens hinein. Insbesondere bei Aspekten zur Nachhaltigkeit betrifft diese politische Rolle auch globale Probleme, womit Museen auch für eine Global Governance an Bedeutung gewinnen dürften. (Fischer 2017, 275–277) Governance im Museumssektor ist in den meisten Fällen immer noch traditionell und statisch und sieht nur eine eingeschränkte Partizipation der Öffentlichkeit, insbesondere in Entscheidungsprozessen, vor (Bandelli et al. 2009, 99–100). Dass die Ausgestaltung dieser Stakeholderbeziehungen für Museen relevant ist, haben Untersuchungen zur Auswirkung unterschiedlicher Governanceformen gezeigt. So wirken sich unterschiedliche Governanceformen, insbesondere bei privaten Spendenden und privaten Museen, auf Besuchszahlen, öffentliche Markenbildung und Finanzen aus – wie genau das der Fall ist, hängt stark von lokalen Rahmenbedingungen ab (Goetzmann und Oster 2003, 97). Diese Partizipationsprozesse sind voraussetzungsvoll, denn häufig verhindern museumsinterne Hindernisse eine erfolgreiche Umsetzung – wie etwa das Ringen um Entscheidungsbefugnisse und Deutungshoheit sowie überhaupt eine generell ungeklärte Rolle der Öffentlichkeit in solchen Partizipationsprozessen (Bandelli und Konijn 2013, 433–434). Den Ansprüchen der Stakeholder sollte mit Respekt begegnet werden und eine Berücksichtigung der Interessen sollte in den Entscheidungsprozessen im Museum in der Leitungsebene verankert werden. Eine Gute Praxis der Governance für Museen definiert die Funktionsweise von Prozessen in den Entscheidungsgremien des Museums, die Verantwortlichkeiten von Führungskräften in Bezug auf bestimmte Stakeholder sowie Vorgaben zu Transparenz und Art und Weise der Kommunikation mit Stakeholdern (siehe Aluchna 2017, 99). Im Hinblick auf einzelne Stakeholder und Gremien sind im Museumssektor einerseits Geldgebende – und zwar häufig öffentliche Stellen wie Verwaltungen – von besonderer Bedeutung. Die Herausforderung besteht nicht in der Minimierung des Einflusses der Geldgebenden bzw., im Fall einer öffentlichen Verwaltung, in der Minimierung der in den Museumsbetrieb hineinreichenden Bürokratie. Vielmehr geht es um die aktive und offene Gestaltung dieser Beziehungen, um den Machtanspruch beider Stakeholdergruppen auf den Museumsbetrieb auszuhandeln. Um diese Herausforderungen zu meistern, ist es notwendig, ein gemeinsames Verständnis der beabsichtigten Leistung und gemeinsame Zielformulierungen zu entwickeln. Die wirkungsorientierte Überprüfung und Berichterstattung bindet beide Stakeholdergruppen in einen konkreten und zielgerichteten Dialog mit dem Museum
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ein (Griffin 1991, 294). Nachhaltigkeitsmanagement bietet sich als optimales Instrument an, um dies zu realisieren. Andererseits sind die Beiräte von Bedeutung, die in der Regel die Erfüllung der Mission unterstützen und kontrollieren. Zu den wichtigen Aufgaben von Beiräten gehört die Überprüfung der Leistungen des Museums. Außerdem spielen die Kontrolle der Direktion sowie die Sicherstellung im Hinblick auf rechtliche Anforderungen eine Rolle. Ein solches Governance-Verständnis trägt zu einer höheren Verantwortung und Transparenz bei, um den komplexeren Anforderungen und den Rahmenbedingungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit gerecht zu werden. (Rentschler 2004, 36) Dem Beirat kommt daher im Hinblick auf Good Governance eine besondere Rolle zu. Diversität in der Zusammensetzung im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft und Ausbildung wirken sich dabei positiv auf den Einsatz für Nachhaltigkeit aus. Des Weiteren kann durch die Aktivität einzelner Beiratsmitglieder das Thema Nachhaltigkeit im Museum erheblich gestärkt werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Schwerpunktsetzung eines Mitglieds unter Umständen auch das gesamte Nachhaltigkeitsmanagement oder die Berichterstattung auf nicht erwünschte Weise beeinflussen kann. (siehe Minciullo 2019, 30–31) Zu einer Good Governance gehören Transparenz und Verantwortlichkeit. Das heißt, es muss detailliert über Rolle und Einflussmöglichkeiten der unterschiedlichen Funktionsträger – wie Direktion, Leitungsgremien und Beiräte – informiert werden (Camilleri 2017, 12). Ein wichtiger Unterschied zwischen einer Corporate Governance und der Governance von Museen ist, dass im Museumssektor die Direktion zwar häufig Beiräten rechenschaftspflichtig sind, diese Beiräte aber nur selten einer weiteren Instanz außerhalb des Museums gegenüber verantwortlich sind (siehe Glaeser 2003, 1)4 . Die schwache Ausformulierung von Governanceformen im Umfeld von Museen hat auch zu einer Entwicklung geführt, die als Einkapselung oder Selbstbezogenheit beschrieben werden kann. Die Governance von Museen wird dabei weniger von Stakeholdern und stattdessen stark von Fachspezialisten wie bspw. Kuratoren geprägt. Diese Entwicklung ist ebenso bei anderen Organisationen im NonProfit Sektor zu beobachten. Gerade mit dem Ziel einer besseren Nachhaltigkeitsleistung sollten diese schwachen Governance-Strukturen aufgebrochen und gestärkt werden. Dies trägt auch zu einer stärkeren Orientierung von Museen nach außen bei. (siehe Glaeser 2003, 40)
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Übertragen aus der Governance-Forschung im Non-Profit Sektor.
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Die Aushandlung im Governance-Prozess und die berücksichtigen Stakeholder unterscheiden sich global erheblich (Banik 2015b, 3–4) – insbesondere bei staatlichen Museen. Denn der direkte Einfluss der öffentlichen Hand in Museen ist eine direkte Folge der grundlegenden Struktur der öffentlichen Verwaltung im jeweiligen Land (Griffin 1991, 295). Auch im globalen Süden führen zunehmend Aktivitäten von Stakeholdern dazu, dass Museen aufgerufen sind, ihre Governance zu verbessern. Insbesondere führen Nachhaltigkeitsbestrebungen aufgrund der drängenden Problemlagen zu einer größeren Einbindung von Stakeholdern und zu besseren Governance-Arrangements (Banik 2015a, 159). Governance ist insbesondere in der Beziehung zu indigenen Gemeinschaften von zentraler Bedeutung. Der wichtigste Aspekt ist die aktive Gestaltung und Pflege von langfristigen Beziehungen. Nach diesem Verständnis ist es wichtig, nicht nur einmalige Aktivitäten oder Pilotprojekte anzustoßen, sondern eine Strategie für eine tragende Zusammenarbeit zu entwickeln. Für beide Seiten ist es dabei von Vorteil, die Zusammenarbeit durch schriftliche Dokumente zu fixieren und zu formalisieren. Insbesondere für Museen, die indigene Kultur und Geschichte thematisieren, sollten indigene Vertreter im Beirat oder Vorstand eine Selbstverständlichkeit darstellen. (Scott und Luby 2007, 280–282) Auch für kleine und mittlere Museen spielen lokale Gemeinschaften als Stakeholder eine zentrale Rolle. Governance-Formen sind daher in solchen Museen mit einem Fokus auf lokale und regionale Zusammenarbeit zu entwickeln, in denen – im Gegensatz zu großen nationalen Institutionen – die öffentliche Verwaltung und große Beiräte einen stärkeren Machtanspruch einbringen. (Nelson 2020, 46)
Führungsstil und Hierarchien Da Museen eine komplexe und einzigartige Organisation darstellen, zeichnet sich gute Führung im Museumsumfeld auch durch spezifische Anforderungen und Ansätze aus. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche in Richtung Nachhaltigkeit im Allgemeinen und des Wandels in Museen im Besonderen stellt sich die Frage, welche Konzepte von Führung und Management sich eignen, um den Veränderungsprozess zu unterstützen. Das Konzept der transformationalen Führung kann als veränderungsorientierte Führung verstanden werden, das vor allem in Krisen und Situationen des Wandels wirksam ist und daher sehr geeignet erscheint (Pundt und Nerdinger 2012, 27). Transformationale Führung bietet insbesondere die Chance für Führungskräfte, ihre Beziehung zu Mitarbeitenden auf allen Ebenen zu in-
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tensivieren und zu verbessern (Muralidharan und Pathak 2018, 580). Idealerweise wird transformationale Führung mit Ansätzen der transaktionalen Führung kombiniert. Während transaktionale Führungsmethoden dazu beitragen, einen strukturellen Orientierungsrahmen für das Verhalten der Mitarbeitenden zu entwickeln, können durch die Ansätze der transformationalen Führung nachhaltigkeitsorientierte Ziele, Visionen und Werte transportiert werden (Stock-Homburg et al. 2014, 309). Daneben könnte auch das Konzept der gemeinsamen Führung (Shared Leadership) geeignet sein, den Wandel – auch der Führungskultur – umzusetzen. Im Rahmen der geteilten Führung werden durch Kooperationen innerhalb des Teams auch Prozesse der Veränderung begünstigt (Pundt und Nerdinger 2012, 42). Stärker inhaltlich bezogen ist das Konzept der nachhaltigen Führung (Sustainable Leadership). Nachhaltige Führung wird nach Gerard (2017, 8–12) durch drei Ansätze charakterisiert. Erstens werden ethische Verpflichtungen im Hinblick auf die Außenwelt zur Grundlage des eigenen Handelns gemacht. Zweitens dient die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen und deren Integration in die langfristige Strategie von Museen als Dreh und Angelpunkt. Drittens wird die Optimierung von internen Prozessen und der Aufbau von internen Kapazitäten als Praktik etabliert. Dies wird durch einen Fokus auf Lernen und Entwicklung der gesamten Organisation sowie der Mitarbeitenden auf allen Ebenen des Museums umgesetzt. Nachhaltige Führung erfordert von Führungskräften, dass sie ihren Führungsstil innerhalb der komplexen Dynamik der globalen Krisen verorten, um durch kollaborative Ansätze ihre Beziehungen aufzubauen und pragmatische Antworten auf Herausforderungen mitzugestalten (Ferdig 2007, 33). Im Kern dieses Führungsstils steht somit ein nachhaltigkeitsorientiertes Weltbild, eine »sustainability-literate world view« (Parkin 2010, 155).
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Abbildung 10: Führung und New work im nachhaltigen Museum
Quelle: eigene Abbildung.
Der Wandel in Museen erfordert neben einem Führungsstil, in dem gemeinsame Zuständigkeit und Verantwortung dominieren, auch den Abbau der steilen Hierarchien (Janes und Sandell 2019a, 9). Die oft starre, hierarchische Struktur von Museen könnte in Zukunft durchlässiger und flacher werden. Mit dezentralisierten Entscheidungsbefugnissen können Mitarbeitende mehr Verantwortung für ihre eigene Arbeit übernehmen. Daraus folgt auch
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Das nachhaltige Museum
eine klare Kommunikation der erwarteten Ergebnisse, für die jeder Mitarbeitende verantwortlich ist (siehe Abbildung 10). Der Abbau von Hierarchien betrifft auch die funktionale Organisation von Museen. Wann immer möglich sollten Kommunikation und Entscheidungsfindung über Fachgrenzen hinaus vereinfacht und unterstützt werden. Museen sollten Vorgaben umsetzen und die Mitarbeitenden dazu motivieren, neue Ideen und Innovationen einzubringen. In einem solchen Führungsstil sind Mitarbeitende dazu aufgerufen, auch ihre persönlichen, nicht berufsbezogenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen zu mobilisieren. Solche Impulse können wichtig sein, um Mitarbeitende zu motivieren und das volle Potenzial des Museums zur Zusammenarbeit mit diversen Stakeholdern auszuschöpfen. So können zuvor unbekannte Kompetenzen der Mitarbeitenden und Verbindungen in lokale Gemeinschaften sichtbar und nutzbar gemacht werden. (Black 2021, 261–262)
New Work und Arbeitskultur Diese Änderungen in Führungsstil und Organisationsstruktur tragen zu einer neuen Arbeitskultur in Museen bei. Ansätze und Instrumente der New Work können wertvolle Inspirationen liefern, durch die der angestrebte Wandel der Arbeitskultur in Richtung Nachhaltigkeit unterstützt werden kann. Instrumente des New Work zielen häufig darauf ab, dass Arbeit mehr Sinn erhält, sie steigern die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und erleichtern die Produktion von besseren Arbeitsergebnissen (Schnell und Schnell 2019, 17). Ein Aspekt von New Work ist außerdem, dass die Beteiligung von Mitarbeitenden als Kernelement der Steuerung der Institution Museum verstanden wird (siehe Hackl et al. 2017, 94)5 . Ein solcher Wandel der Organisationskultur, der flache Hierarchien, offene Zusammenarbeit, eine wettbewerbsfreie Atmosphäre und eine ehrliche Kommunikation innerhalb der Einrichtung umfasst, führt zu einem engeren Austausch mit lokalen Gemeinschaften und zieht Freiwillige, neue Mitarbeitende und Besucher an (Lyth et al. 2017, 12). Eine partizipative Arbeitskultur kann als Voraussetzung für eine mobilisierende und anziehende Wirkung außerhalb der Organisation gesehen werden. Ein Instrument, das Museumsleiter einsetzen können, ist die Verwendung von Leitbildern. Damit kann die strategische Ausrichtung des Museums fixiert werden, die dann intern und extern klar kommuniziert wird. Direktoren können auch
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Beruhend auf allgemeinen New Work-Ansätzen.
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die Effektivität ihrer Führung deutlich steigern, wenn sie Leitbilder strategisch entwickeln und einsetzen (Davies 2007, 270). Leitbilder können auch für die einzelnen Aufgabenbereiche innerhalb des Museums formuliert werden; Ansatzpunkte dafür liefern die Infokästen in den jeweiligen Kapiteln. Werkzeugkoffer | Methode
Veränderung moderieren Als Moderationsmethode bietet sich Dynamic Facilitation an. Es handelt sich dabei um eine offen moderierte Gruppendiskussion, die auf eine Lösungsfindung durch Kreativität fokussiert. Zunächst werden dazu alle Aussagen der Teilnehmenden unter den Überschriften Herausforderungen und Fragen, Lösungen und Ideen, Bedenken und Einwände sowie Informationen und Sichtweisen gesammelt. Der nach dieser umfassenden Bestandsaufnahme entstehende offene Raum setzt das kreative Potenzial der Teilnehmenden frei und ermöglicht die Entwicklung neuer Ideen und Lösungen. (Rough 1997, 35–36)
5.3 Personalpolitik und Arbeitsplatz Zu den Aspekten einer sozialen Nachhaltigkeit gehört auch der verantwortungsvolle Umgang mit dem Personal. Das nachhaltige Museum als Arbeitsplatz fokussiert damit die Arbeitssituation der Mitarbeitenden und deren Zugangs- und Entwicklungschancen.
Das Museum als Arbeitgeber Das nachhaltige Museum als Arbeitsplatz ist ein sicherer, inklusiver und offener Ort, der Gleichberechtigung für alle Mitarbeitenden – von der Ausschreibung über die tägliche Arbeit bis zu Aufstiegschancen – umsetzt, keine Diskriminierungen duldet und systemische Benachteiligungen abbaut. Diversität ist eine Grundlage für die Personalpolitik im nachhaltigen Museum. Diese Gleichberechtigung betrifft unter anderem Menschen, die aufgrund körperlicher Merkmale, ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung gesellschaftlich benachteiligt werden. Die systematische Benachteiligung von Frauen auch in Museen ist vielfältig (Baldwin und Ackerson 2017). Obwohl Frauen einen hohen Anteil an
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den Mitarbeitenden in Museen stellen, sind sie in leitenden Positionen und in der Funktion der Direktion immer noch unterrepräsentiert. Die hohe Anzahl an langjährigen und qualifizierten Mitarbeiterinnen stellt aber eine ideale Voraussetzung dafür dar, dass Museen eine Vorreiterrolle im öffentlichen Sektor für die Gleichberechtigung von Frauen übernehmen. Dazu gehört auch der Grundsatz der Lohngleichheit. Dieser bedeutet, dass gleicher Lohn für unterschiedliche, aber gleichwertige Arbeit gezahlt wird. Dies betrifft insbesondere den in vielen Ländern und Institutionen bestehenden Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Außerdem ist der Museumssektor von vielen befristeten Verträgen oder Teilzeitangestellten geprägt, die zur Prekarisierung von Mitarbeitenden beitragen. Inklusion als Grundsatz der Personalpolitik bedeutet auch, dass Mitarbeitende dazu befähigt und dabei unterstützt werden, Inklusion in ihrem Arbeitsalltag umzusetzen. Eine diverse Struktur der Mitarbeitenden trägt zu einer inklusiven Arbeitsweise bei und führt zu agilen und lernenden Organisationen. (Taylor 2017, 155) Nachhaltigkeit bedeutet für Betriebe, einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz zu bieten. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes für Mitarbeitende mit unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen sollte dabei zur Selbstverständlichkeit gehören. Die Gestaltung eines produktiven, ökologisch optimierten Arbeitsplatzes kann den internen Wandlungsprozess unterstützen und erheblich zur Umsetzung beitragen. Produktive Arbeitsumgebungen sind unter anderem durch die folgenden baulichen Eigenschaften gekennzeichnet: die Möglichkeit zur Bewegung, Veränderungen und Variabilität in der Gestaltung, Möglichkeit der Personalisierung samt persönlicher Gestaltung der Umgebung, gute Luftqualität von Innenräumen sowie Pflanzen und Sichtbeziehungen in die Natur. Zu den Faktoren, die eine hemmende Wirkung auf die Arbeitsproduktivität haben, gehören Lärm und visuelle Ablenkungen, spiegelnde Displays sowie allgemein Unterbrechungen. (Stringer 2009, 168) Gesundheitsförderung ist ein Aspekt von Nachhaltigkeit, der im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitszeiten sowie der Büroinfrastruktur umgesetzt werden kann. Die Mobilität der Mitarbeitenden spielt dabei auch eine Rolle für die Nachhaltigkeitsleistung des Museums. Durch die Förderung von Tickets des öffentlichen Personennahverkehrs kann die Nutzung des Individualverkehrs zum Pendeln reduziert werden. Für Geschäftsreisen kann man die Notwendigkeit von Flugreisen überprüfen und, falls notwendig, erst ab einer zu definierenden Distanz ermöglichen.
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Nachhaltige Personalpolitik Wenn das nachhaltige Museum von den Menschen im Museum und ihren sozialen Interaktionen zum Leben erweckt wird, kommt tatsächlich der Personalpolitik und -entwicklung eine entscheidende Bedeutung im Veränderungsprozess zu. Nachhaltige Personalpolitik gestaltet die Arbeitsverhältnisse unter Berücksichtigung unternehmerischer und gleichwohl gesellschaftlicher Ziele im Hinblick auf die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Nachhaltige Personalpolitik integriert als Ansatz Gestaltungsoptionen für Arbeitsverhältnisse mit einem Beitrag zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung. (Ehnert et al. 2014, 19) Nachhaltige Personalpolitik zielt darauf ab, Mitarbeitende zu einem nachhaltigen Handeln zu befähigen, sie selbst zu solch einem Verhalten zu motivieren und Möglichkeiten und Chancen für nachhaltige Aktivitäten bereitzustellen. Zu den konkreten Maßnahmen gehören Strategien der Personalbeschaffung wie bspw. die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Stellenbeschreibungen. Des Weiteren umfasst sie ein Wissensmanagement für Nachhaltigkeit sowie die Bewertung anhand von Zielen, Vorgaben und Verantwortlichkeiten im Hinblick auf nachhaltige Wirksamkeit. Dazu können auch Vergütungs- und Belohnungssysteme zur Anwendung kommen. Beispielsweise können Kriterien für nachhaltigere Prozesse in das Vorschlagswesen integriert werden. Man kann auch die Anreizstrukturen der Personalentwicklung auf nachhaltige Qualifikationen und Kompetenzen hin ausrichten – etwa relevante Fähigkeiten bei der Beurteilung der Leistung berücksichtigen (Kirschten 2008, 263). Grundsätzlich ist es ebenfalls die Aufgabe einer nachhaltigen Personalpolitik, Möglichkeiten für die Beteiligung der Mitarbeitenden zu verbessern sowie deren Befähigung und Engagement zu fördern (Renwick et al. 2013, 9). Kriterien für die Umsetzung einer nachhaltigen Personalpolitik umfassen die Qualität des Arbeitslebens sowie den Index der Arbeitsplatzqualität. Die Qualität des Arbeitslebens nimmt auf individueller Ebene vor allem die Arbeitszufriedenheit sowie die Motivation in den Blick. Der Index der Arbeitsplatzqualität umfasst Indikatoren wie Löhne, nicht standardisierte Formen der Beschäftigung, Arbeitszeit und Work-Life-Balance, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit, Möglichkeiten der Karriereentwicklung sowie das Vorhandensein einer Personalvertretung. (Zink 2014, 40–41) Nachhaltige Personalpolitik wird dann besonders wirksam, wenn sie die Fähigkeiten der Mitarbeitenden fördert, mit Konflikten und Komplexität umzuge-
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hen, wenn sie außerdem durch Fortbildungen persönliche moralische Werte stärkt und durch Arbeitsplatzgestaltung und organisationale Rahmenbedingungen partizipative Prozesse fördert; auch die Unterstützung einer Beteiligung der Mitarbeitenden in zivilgesellschaftlichen Organisationen auch außerhalb des Museums gehört dazu (Voegtlin und Greenwood 2016, 197–198). Die Umsetzung einer nachhaltigen Personalpolitik hat vielfältige Auswirkungen auf ein Museum. Zu den Effekten der nachhaltigen Personalpolitik gehören ein positiver Einfluss auf die ökologische, soziale und wirtschaftliche Leistung, die Förderung von gesunden und motivierten Arbeitskräften generell sowie insbesondere die Anwerbung und Entwicklung von Fachkräften. Nachhaltige Personalpolitik steigert das psychologische und soziale Wohlergehen der Mitarbeitenden und erhöht Zufriedenheit und Engagement in Bezug auf den Arbeitsplatz. (Macke und Genari 2019, 810–813)
Personalentwicklung Ziel einer nachhaltigen Personalentwicklung ist es, die Beschäftigten zu befähigen, neben ihrer Fachexpertise wertbezogene Ziele im Hinblick auf eine nachhaltige Transformation so in ihre tägliche Arbeit zu integrieren, dass sie auch in ihrer beruflichen Entwicklung persönlich davon profitieren. Personalentwicklung vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit ist charakterisiert durch eine klare Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Beschäftigten als eine interne Anspruchsgruppe. (Kurz et al. 2018, 228) Bestandteil einer nachhaltigen Personalentwicklung ist es, relevante Qualifikationen und Kompetenzen im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsangeboten zu vermitteln. Dabei geht es nicht nur um Fachwissen, sondern auch um die Fähigkeit, dieses Wissen in den Arbeitsabläufen und Routinen anzuwenden. (Kirschten 2008, 262) Nachhaltigkeit kann in unterschiedlicher Art und Weise in die Personal- und Organisationsentwicklung in Museen integriert werden. Dazu gehören nach Schmitt (2018, 71–72): •
•
Sensibilisierung und Wissensvermittlung: Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsthemen als expliziter Gegenstand von Maßnahmen der Personalentwicklung; Persönlichkeitsentwicklung: Förderung von Werthaltungen und Kompetenzen im Hinblick auf Nachhaltigkeit.
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Die Fort- und Weiterbildungsangebote können in Museen nachhaltigkeitsorientiertes Handeln in folgenden Kontexten angehen: • • • •
Verhalten am Arbeitsplatz (ortsbezogen); Tätigkeit (inhaltsbezogen); Persönlichkeit (individuelle Verhaltensaspekte); Struktur (soziale und institutionelle Rahmenbedingungen) (Schmitt 2018, 74).
Für die Integration dieser Anforderungen in die Qualifizierung und Weiterbildung sind insbesondere Formate geeignet, die sich an einer Bildung für nachhaltige Entwicklung orientieren (Kurz et al. 2017, 37). Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
Leitung und Governance 1. 2. 3. 4. 5.
Einen Führungsstil praktizieren, der auf Gerechtigkeit, Wertschätzung und Herzlichkeit basiert; einen kontinuierlichen Stakeholderdialog starten; Chancengleichheit und faire Bezahlung für alle Mitarbeiter gewährleisten; eine Wirkungslogik für das Museum erstellen; Weiterbildungen und Schulungen mit Nachhaltigkeitsbezug anbieten.
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6 Verwaltung und Betrieb
Die Funktionen Verwaltung und Betrieb sind die zentralen Schaltstellen zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung im Museum. Ein umfassendes Aufgabenfeld darin stellt das Gebäudemanagement (Facility Management) und das damit zusammenhängende Ressourcenmanagement dar. Mit welchen Stellschrauben kann die interne Nachhaltigkeit des Museumsbetriebs optimiert werden? Gerade im Gebäudemanagement können erhebliche Verbesserungen im Hinblick auf ökologische Auswirkungen erzielt sowie finanzielle Einsparungen erreicht werden. Eine nachhaltige Beschaffungspolitik wirkt zudem als Hebel auf den Markt und somit in die Gesamtgesellschaft hinein. Vision Selbstverständnis
Prototyp einer nachhaltigen Institution und eines fortschrittlichen Arbeitgebers
Expertise
Agilität, Innovative Prozessgestaltung, Diversität, Effizienz- und Suffizienzmethoden
Praktik
Alle Mitarbeiter und Abteilungen befähigen, nachhaltiger zu arbeiten
6.1
Institutionelle Resilienz und erweiterte Buchhaltung
Die ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit manifestiert sich in der allgemeinen Verbesserung der finanziellen Resilienz. Darüber hinaus tragen auch die nachhaltigen Aktivitäten in anderen Bereichen des Betriebs dazu
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Das nachhaltige Museum
bei, finanzielle Einsparungen zu realisieren. Außerdem kann eine nachhaltige Buchhaltung als interner Treiber die Entwicklung hin zu einem nachhaltigen Museum befördern.
Finanzielle Resilienz Resiliente Organisationen sind widerstandsfähig gegenüber Störungen und können ihre Kernfunktion weitgehend unabhängig von widrigen Umständen von außen erfüllen. Die Ausprägung von Stabilität und Flexibilität eines Museums spielt dabei die entscheidende Rolle. (siehe DesJardine et al. 2019, 1436)1 Organisationale Resilienz kann Museen darin unterstützen, trotz Störungen von außen weiter zu bestehen und gleichzeitig die Fähigkeit zu entwickeln, sich zu regenerieren. Dabei tragen auch soziale und ökologische Maßnahmen zur allgemeinen Resilienz einer Institution bei (DesJardine et al. 2019, 1455). Insbesondere die Covid-Pandemie sowie die globale Finanzkrise haben gezeigt, dass es für die Resilienz von Museen essenziell ist, den zyklischen Aufschwung und Abschwung der ökonomischen Entwicklung mitzudenken und einzuplanen (siehe Kotler et al. 2008, 189). Eine höhere Resilienz zielt v.a. auf eine Erweiterung der Einnahmequellen und damit eine mögliche Lockerung der Abhängigkeit von öffentlichen Zuschüssen bzw. Subventionen sowie auf eine Reduktion der Kosten. Grundsätzlich ist die ökonomische Steuerung von Museen beeinflusst durch die zahlreichen Aufgaben von Museen sowie durch unterschiedliche Finanzierungsquellen, die aber häufig nicht gewinnorientierten Modellen folgen. Darüber hinaus sind hohe Fixkosten typisch, die allerdings nur bedingt von den Besuchszahlen abhängig sind. Insgesamt existieren nur begrenzte Einsparpotenziale, die dazu genutzt werden könnten, andere Aktivitäten oder Investitionen zu refinanzieren (Lindqvist 2012, 15). Wichtigste Einnahmearten umfassen Grundförderung, Spenden, Sponsoring und erwirtschaftete Einnahmen (Lindqvist 2012, 3). Zur Sicherung und Erweiterung der Einnahmequellen fokussiert eine Strategie für mehr wirtschaftliche Resilienz und Nachhaltigkeit auf drei Ansätze:
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Beruhend auf Managementforschung zu Resilienz.
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• • •
Erhöhung der eigenen Einnahmen; Diversifizierung der Förderstruktur durch professionelles Marketing und ein Finanzierungsnetzwerk; politische Lobbyarbeit zur langfristigen Sicherung der Grundfinanzierung.
Eigene Einnahmen von Museen umfassen vor allem Eintrittsgelder sowie Einnahmen aus Führungen, Kursen und Veranstaltungen, Einnahmen aus der Vermietung von Räumen, Einnahmen aus Shops und Gastronomie sowie aus Mitgliedsbeiträgen, E-Commerce, Lizenzvereinbarungen und Tantiemen. Gerade ein professionalisiertes Marketing kann dazu beitragen, eigene Einnahmen zu erhöhen sowie Einnahmequellen zu diversifizieren (Lindqvist 2012, 3). Teile des Museumssektors sind durch eine nicht unbegründete Abneigung gegen Privatisierung und Kommerzialisierung gekennzeichnet – eine strategische Entwicklung von Einnahmequellen wird dabei häufig als unerwünschte Kommerzialisierung gewertet (Kotler et al. 2008, 198).
Eintrittspreise und Museumsshops Zum Selbstverständnis von Museen gehört auch, dass sie bis zu einem gewissen Grad außerhalb von ökonomischen Maximen wie der Gewinnmaximierung operieren. Wenn Gleichberechtigung und freier Zugang zu Informationen Grundpfeiler einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft sowie allgemein einer nachhaltigen Entwicklung sind, dann legt dies auch nahe, eine Diskussion über Eintrittspreise in Museen zu führen. In vielen Teilen der Welt werden selbstverständlich Eintrittspreise erhoben und eine Diskussion um generell kostenlosen Eintritt in allen Museen trifft dort häufig auf Widerstand und Unverständnis. Eine Meta-Analyse für unterschiedliche Länder von Kliment (2019) zeigt, dass mit freiem Eintritt die Besuchszahlen zum Teil deutlich steigen, eine Diversifizierung der Publikumsstruktur aber in der Regel nicht erreicht werden kann. Daneben werden die geringeren Einnahmen durch Eintrittsgelder nicht durch zusätzliche Einnahmen in Gastronomie oder Shop ausgeglichen. Nichtsdestotrotz steigern der freie Eintritt und höhere Besuchszahlen die Bindung an und die Relevanz von Museen. (Kliment 2019, 23–25) Für eine Zunahme jener Besucher, die sozial benachteiligten oder bildungsfernen Zielgruppen angehören, scheint also ein kostenloser Eintritt kein ausreichendes Instrument darzustellen. Im Sinne einer Gleichberechtigung im Rahmen der Nachhaltigkeit können zumindest einige Tage
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ohne Eintritt eingeführt werden, während andererseits kostenpflichtige Karten für regelmäßige Besucher zur Einnahmengenerierung beitragen können (O’hagan 1995, 45). Es sollten hier weitere Ansätze flankierend eingesetzt werden, um die Diversität im Publikum zu fördern. In den USA sind auch die Beiträge von Fördermitgliedern eine relevante Größe der Einnahmen. Dieser Ansatz könnte analog zur Abo-Ökonomie insgesamt auf den Museumssektor ausgeweitet werden. Unterschiedliche Mitgliedschaften könnten für Interessierte und Besucher unterschiedliche Premium-Zusatzleistungen umfassen, die über die allgemeinen gesellschaftlichen Aufgaben des Museums hinausgehen. Mit einer zielgruppenspezifischen Entwicklung dieser Mitgliedermodelle mit zugeschnittenen Leistungspaketen könnten viele Museen eine neue und dauerhafte Einnahmequelle entwickeln. Neben den Eintrittsgeldern kommt auch den Museumsshops eine weitere wichtige Rolle zu. Museumsshops haben sich von einer bedeutungslosen Nebensache zu einer wichtigen Museumsfunktion weiterentwickelt, für die Mottner (2005; 2007) zahlreiche Vorschläge entwickelt, die im Folgenden dargestellt werden. Im Idealfall können Museumsbesucher anhand der angebotenen Produkte ihren Besuch zuhause fortsetzen und das Besuchserlebnis somit verlängern. Bei strategischer Entwicklung der Produkte können damit auch wichtige Aufgaben des Museums wie Vermittlung und Bildung unterstützt werden. Dieser Bedeutungszuwachs von Museumsshops hat häufig zu erheblichen Einnahmensteigerungen geführt. Museumsshops und ihre Produkte und Wirkungen sind dann besonders erfolgreich, wenn die Produktentwicklung in die strategische Gesamtplanung des Museums, mindestens jedoch in die übergreifende Marketingstrategie des Museums eingebettet ist. (Mottner und Ford 2005, 838) In eine solche Produktentwicklung können neben Shopbetreibern und gegebenenfalls Lieferanten auch Kuratoren und Museumspädagogen einbezogen sein. Aufbauend auf Sammlung oder Ausstellung können so einzigartige Produkte entwickelt werden, die sich nicht nur authentisch auf die Mission des Museums und den Ort des Erwerbs beziehen, sondern die auch ein Alleinstellungsmerkmal des Produktsortiments begründen. Die dabei entwickelten Produkte können sich auf Sammlungsobjekte beziehen und die Bekanntheit bedeutender Objekte steigern, um diese als Multiplikatoren und Botschafter des Museums in den Alltag der Besucher zu integrieren (Mottner und Ford 2005, 837). Neben einer Reproduktion sind auch Adaptionen, weitere Interpretationen oder der Zukauf von anderen, aber passenden Produkten möglich
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(Mottner 2007, 143–144). Insbesondere banal wirkende Produkte, die auf Basis von bekannten Objekten der Sammlung produziert werden, wie beispielsweise Handyhüllen, können einen weitreichenden positiven Effekt haben, denn sie werden als Gebrauchsgegenstände in den Alltag der Besucher integriert (Albuquerque und Delgado 2015, 6418). Damit kann eine zumindest visuelle, wenn auch nicht tiefgreifende intellektuelle Präsenz des Themas oder des Auftrags des Museums umgesetzt und eine weite Zielgruppe erreicht werden. Eine Verlängerung des Besuchserlebnisses durch Produkte bedeutet, Erinnerungen an den Besuch auszulösen und wach zu halten. Dies betrifft neben der Produktentwicklung allgemein auch die Gestaltung des Shops und die Präsentation der Produkte in ihm. Das Produkt und sein Umfeld erinnern den Besucher damit an das Erlebnis innerhalb der Ausstellung und erleichtern, einen auch emotionalen Bezug aufrechtzuerhalten und so die Bindung an das Museum zu stärken. Wichtig für den Erfolg von Museumsshops sind geschulte Mitarbeitende und Leitende, die einerseits Verkäufer sind, andererseits aber ein tiefes Wissen zur Sammlung, zum Museum und zu seinen spezifischen Produkten besitzen – und auch auf Fragen zu ihrer nachhaltigen Produktion eine Antwort wissen. (Mottner 2007, 147)
Diversifizierung der Förderung Im Hinblick auf institutionelle Resilienz ist ein Problem, dass Museen in vielen Ländern maßgeblich von einer einzigen Einnahmequelle abhängig sind: der staatlichen Finanzierung. Dies führt zu einer wirtschaftlichen Hochrisikosituation. Wenn staatliche Haushalte schrumpfen, kann das für Museen schnell lebensbedrohlich werden. Diese Abhängigkeit zu lockern, unterstützt finanzielle Resilienz. In Ländern, in denen Museen bereits seit langem auf nicht-öffentliche Gelder angewiesen sind, ist der Grad der Professionalisierung im Hinblick auf Fundraising, Marketing und finanzielles Management häufig höher als in Ländern, in denen Museen vorwiegend durch öffentliche Gelder finanziert werden. Hier lohnt es sich, die zahlreichen Instrumente und Erfahrungen aus den USA und anderen Ländern, in denen es ähnlich ist, auf die Situation vor Ort zu übertragen, um eine diversifizierte und robustere Finanzierung sicherzustellen. (Woodward 2012, 25) Für die Sicherung einer langfristigen Finanzierung ist auch die Bedeutung der unterschiedlichen Stakeholder sowie ihre Einflussmöglichkeiten auf die Finanzen des Museums zu analysieren und dementsprechend anzugehen.
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Beispielsweise können spezielle Stiftungen auf nationaler Ebene für Museen eine solche Bedeutung erlangen, dass der Vorstand, der über die Mittelvergabe der Stiftung entscheidet, einen wesentlichen Stakeholder des gesamten nationalen Museumssektors darstellt (Lindqvist 2012, 8–9). Um eine Finanzierung aus unterschiedlichen Quellen aufeinander abzustimmen, sind auch die Abhängigkeiten zwischen diesen Quellen zu berücksichtigen. So betont Hughes (1999), dass häufig eine positive Korrelation zwischen öffentlicher und privater Förderung existiert, was für kleine und unterfinanzierte Museen eine Barriere darstellt, um neue Finanzquellen zu erschließen. Auch innerhalb der öffentlichen Förderung muss hier weiter differenziert werden. So springt öffentliche Förderung auf lokaler Ebene häufig ein, wenn nationale oder andere subnationale Förderungen nicht verfügbar sind. Darüber hinaus sind Einnahmen im Museum, individuelle Spenden und Sponsoring genauso wie lokale oder regionale Förderung durch öffentliche Geldgebende häufig vom Standort und der sozio-ökonomischen Lage im Einzugsgebiet für Besucher abhängig (Hughes und Luksetich 1999, 27–28). Unterschiedliche theoretische Ansätze können hierbei neue Impulse für die Finanzierung von Museen aufzeigen. Zum Beispiel kann anhand der Spieltheorie analysiert werden, ob das Netzwerk der Finanzierungsquellen sich durch gleich starke Knotenpunkte auszeichnet oder durch wenige mächtige Knotenpunkte dominiert wird. Daraus können direkte Empfehlungen für die Entwicklung eines starken finanziellen Netzwerkes sowie für Fundraising-Strategien von Museen abgeleitet werden. (siehe dazu Mann 2017, 177) Mit einer Diversifizierungsstrategie gehen allerdings auch Risiken einher. Insbesondere staatliche Museen befinden sich hier in einem Dilemma, da die Einsparung von Kosten oder die Erschließung von zusätzlichen Fördermitteln oder Sponsoren in der Regel eine Reduktion der öffentlichen Förderung nach sich zieht. Außerdem führt eine Reduzierung von öffentlicher Grundfinanzierung häufig auch zu einer weiteren Reduktion von Projektförderung oder Sponsoring, da hier häufig eine maximale Förderquote zur Anwendung kommt und Eigenanteile eingebracht werden müssen. (Hughes und Luksetich 1999, 36) Auch Museen, die von Spenden und Sponsoren abhängig sind, befinden sich in einem Dilemma, da die Erwartung der Geldgebenden die Museumsarbeit und die Erfüllung von gesellschaftlichen Leistungen beeinflussen kann (Frey und Meier 2006, 1030). Grundsätzlich rückt eine solche Vorgehensweise das Museum stärker in die Nähe von profitorientierten Institutionen und deren Methoden. Darüber hinaus kann diese Strategie potenziell einen hohen Aufwand für die Direktion und das Marketing bedeu-
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ten, es kann zu Kompromissen im Hinblick auf das Leitbild führen und eine Fokussierung auf Leistungsindikatoren notwendig machen (Lindqvist 2012, 11). Gleichermaßen ergibt sich hier aber auch eine Schnittstelle für das Nachhaltigkeitsmanagement. Mit einer stärker wirkungsorientierten Arbeitsweise und der Einführung von Indikatoren für die Nachhaltigkeitsleistung können ideale Voraussetzungen für eine solche Diversifizierungsstrategie geschaffen werden. Die Finanzierung von Museen ist von Seiten der Förderer in der Regel langfristig geplant und angelegt. Daher spielen oft politische Entscheidungen, insbesondere bei staatlichen oder zum großen Teil öffentlich finanzierten Museen, eine zentrale Rolle für die ökonomische Nachhaltigkeit. Politische Lobbyarbeit ist vor diesem Hintergrund vermutlich das wichtigste Instrument, um ökonomische Resilienz und eine langfristig sichere Finanzierung zu stützen. Der Aufwand dafür ist regelmäßig hoch und die Zeithorizonte lang. Außerdem können die Erfolge sehr stark von Wahlergebnissen, dem Wechsel relevanter politischer Akteure und von changierenden Schwerpunkten abhängig sein (Lindqvist 2012, 12). Für die Umsetzung von Nachhaltigkeit in Museen ergeben sich nicht nur weitere Anknüpfungspunkte in der politischen Lobbyarbeit, sondern auch weitere Partner, neue potenzielle Koalitionen sowie weitere Zielgruppen und politische Zuständigkeiten. Nachhaltigkeit erweitert hier die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten von politischer Lobbyarbeit für Museen. Daran wird auch die zunehmende Bedeutung von Museumsverbänden und -vertretungen deutlich. Auf sub-nationaler, nationaler und internationaler Ebene sollten Museumsverbände die Chance ergreifen, durch einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit die Lobbyarbeit neu aufzustellen, und dies gleichzeitig als Anstoß nehmen, diese weiter zu intensivieren, um die institutionelle Resilienz von Museen langfristig zu steigern.
Positive wirtschaftliche Effekte durch Nachhaltigkeit Es gibt zahlreiche Untersuchungen und Erfahrungen, die zeigen, dass sich nachhaltiges Wirtschaften positiv auf die wirtschaftliche Leistung einer Institution auswirkt. Diese Auswirkungen umfassen: • • •
Senkung der Kosten; Schaffung neuer Einnahmequellen; Förderung von Innovationsprozessen innerhalb der Institution;
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• •
Steigerung von Reputation und Markenwert; Steigerung der Attraktivität als Arbeitsplatz.
Auch im Museumssektor existieren erste Belege dafür, dass ein Nachhaltigkeitsmanagement mit einer Erhöhung der langfristigen wirtschaftlichen Leistung einhergeht (Pop et al. 2018, 82). Die meisten Kosteneinsparungen machen sich jedoch nicht sofort bemerkbar. Werden Instrumente wie Lebenszykluskosten (LCC) und die Gesamtbetriebskosten (TCO) berücksichtigt, werden die positiven wirtschaftlichen Effekte durch die Umsetzung von nachhaltigen Praktiken häufig sehr schnell deutlich und quantifizierbar. Um die Vorteile eines Wandels hin zu mehr Nachhaltigkeit einzuschätzen, sind langfristige Bewertungen notwendig. (Hodges 2005, 312) Auch die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements kann spezifische Einnahmemöglichkeiten generieren. Im Hinblick auf Museumsshops können intelligente Wege für Merchandising entwickelt und Produkte wie zum Beispiel Geschenke aus upgecycelten Materialien angeboten werden. Auch können aus der Fokussierung auf neue Wirkungsbereiche des Museums weitere Einnahmemöglichkeiten entstehen oder vorhandene ausgebaut werden. Bspw. können durch die Weiterentwicklung eines Dialogforums im Sinne einer gesellschaftlichen Agora die Einnahmen aus Vermietung und Veranstaltungen zunehmen. Grundsätzlich ist für eine Diversifizierung der Förderstruktur ein zielgerichtetes Marketing notwendig, dass im Kontext des nachhaltigen Museums darauf abzielt, Geldgebende zu identifizieren, die der eigenen Überzeugung im Hinblick auf Nachhaltigkeit entsprechen. Darüber hinaus wird es spezifisch nachhaltigkeitsbezogene Unterstützende geben, beispielsweise im Bereich nachhaltige Gebäude. (Sutton und Wylie 2008, 137) Mit einer stärkeren Fokussierung von Wirkungen auf die Gesamtgesellschaft und Leistungen für sie sollte es nachhaltigen Museen in Zukunft insgesamt leichter fallen, Förderungen zu erhalten und Gelder zu akquirieren. Wenn glaubhaft und nachprüfbar Funktionen erbracht werden, die über die Kernaufgaben des Museums hinausgehen, erschließen sich fast automatisch andere öffentliche und private Fördermittelzugänge und Geldgebende. Während dieser Ansatz zunächst vielleicht vor allem auf zeitlich begrenzte Projektförderungen zutrifft, könnte dies mittel- bis langfristig durchaus auch die Grundfinanzierung von Museen betreffen und eine öffentliche, dauerhafte Förderung sicherstellen. Bei öffentlich geförderten Museen kommt noch die Perspektive der Verwendung von Steuergeldern hinzu: Wenn Museen Maß-
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nahmen ergreifen, die ihre Leistungen für die Gesellschaft und damit ihre Legitimität steigern, wird dies langfristig auch zu einem positiven Einfluss auf ihre finanzielle Situation führen. (Lindqvist 2012, 13) Insgesamt begünstigt die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit auch den Zugang zu neuen Möglichkeiten und zu Kooperationen, die sich ebenfalls finanziell positiv auswirken können (Sutton und Wylie 2008, 138). Abbildung 11: Bausteine der finanziellen Resilienz
Quelle: eigene Abbildung.
Auch wenn es vielerorts ein illusorisches Ziel ist, Museen finanziell so resilient aufzustellen, dass sie kommende Krisen ohne öffentliche Unterstützung überstehen können, so kann doch Nachhaltigkeit im finanziellen Bereich ins-
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gesamt als ein Ansatz verstanden werden, der die finanziellen Mittel zumindest in solche Projekte und Veränderungsmaßnahmen leitet, die sowohl die Nachhaltigkeit steigern, als auch die langfristige Stabilität von Museen erhöhen (siehe Abbildung 11).
Nachhaltige Buchhaltung als Treiber der organisationalen Transformation Klassische Buchhaltung verwendet Instrumente zur Bewertung, Messung und Kontrolle von vorwiegend finanziellen Aktivitäten einer Organisation. Sie bildet dabei allerdings nicht die für ein nachhaltiges Museum relevanten Werte ab und ist daher nur eingeschränkt für eine Buchhaltung im nachhaltigen Museum geeignet. Eine nachhaltige Buchhaltung unterstützt die Transformation einer Institution, da sie aus finanzieller Perspektive auf nicht nachhaltige Praktiken aufmerksam macht und eine zentrale Informationsquelle für entscheidungsbefugte Personen ist (Laine et al. 2021, 24). Eine nachhaltige Buchhaltung überträgt Ansätze und Konzepte des Nachhaltigkeitsmanagements auf die finanzielle Ebene und integriert Nachhaltigkeit so in das ökonomische Entscheidungssystem des Museums. Ziel ist es, Methoden und Instrumente klassischer Buchhaltung so weiterzuentwickeln, dass sie Nachhaltigkeitsaspekte abbilden. Während für die Ausformulierung der Schnittstelle zwischen Buchhaltung und Nachhaltigkeit noch viele Fragen ungeklärt sind (Bebbington und Unerman 2018, 22), existieren auch erfolgversprechende Beispiele wie das Instrument der Sustainability Balanced Scorecard (Laine et al. 2021, 59), eine Vollkostenrechnung, die externe Effekte zu internalisieren versucht, sowie das Instrument der Gemeinwohlbilanzierung. Die Gemeinwohlbilanzierung basiert auf dem Verständnis, dass das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftsweise nicht allein der finanzielle Erfolg ist. Vielmehr geht es um ein auf allen Ebenen erfolgreiches Wirtschaften mit dem Gemeinwohl als Maßstab. Eine Gemeinwohlbilanz geht über eine finanzielle Bilanzierung hinaus und schlägt eine Brücke zur Berichterstattung von Nachhaltigkeitsleistungen (Felber und Maskin 2015, 21–24). Die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz orientiert sich an 20 Aspekten des Gemeinwohls, die sich aus einer Matrix der wichtigen Stakeholder und den vier Kernwerten Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Transparenz und Mitentscheidung sowie ökologische Nachhaltigkeit ergeben (siehe Blachfellner et al. 2017). Die Gemeinwohlbilanz ist damit vergleichbar mit anderen Umweltma-
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nagementsystemen (EMAS, ISO), Qualitätsmanagementsystemen (EFQM, Balanced Score Card) oder Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (GRI). Der Unterschied besteht darin, dass die Gemeinwohlbilanz dann die bisherige Hauptbilanz, also die finanzielle Bilanz des Museums ersetzt. Die finanzielle Bilanz ergänzt dann lediglich noch die monetären Aspekte der eigentlichen (Gemeinwohl-)Bilanzierung der Museumsleistungen. Damit unterscheidet sich die Gemeinwohlbilanz grundlegend von den anderen Ansätzen, die in Konkurrenz zur finanziellen Hauptbilanz erstellt werden. Aufgrund dieser Konkurrenz bleibt die Einführung und Erstellung von Umweltmanagementsystemen wie EMAS oder einer Nachhaltigkeitsberichterstattung nach GRI in der Regel freiwillig, da sie sich potenziell negativ auf den Erfolg, nämlich die Finanzbilanzierung, auswirken können. (Felber und Maskin 2015, 28–29) Aufgrund der Anwenderfreundlichkeit könnte das Instrument insbesondere den kleinen und mittleren Museen dabei helfen, ohne hohen Initialaufwand schnell einen Überblick zu den relevanten finanziellen und nicht finanziellen Wirkungen der Museumsaktivität zu erhalten (siehe Meynhardt und Fröhlich 2017, 174).2 Im nächsten Schritt zu einer nachhaltigen Buchhaltung können die Buchungen in der Gemeinwohlbilanz mit einem monetären Gegenwert versehen werden. Eine zentrale Überlegung dafür ist die Berücksichtigung von Externalitäten. Die Berücksichtigung von Externalitäten führt zu einer umweltökonomischen Bewertung der Museumsaktivitäten, bspw. durch KostenNutzen-Analysen, die in der Buchhaltung von Museen zum Einsatz kommen kann (siehe dazu Bennett und James 2000, 31). Es existieren unterschiedliche Ansätze, um externe Kosten zu identifizieren und zu quantifizieren. Ein auf Umweltexternalitäten fokussiertes Konzept, das auch für Museen anwendbar ist, bietet das Natural Capital Protocol (Natural Capital Coalition 2016). Häufig sind jedoch die externen Kosten nicht monetär abbildbar und werden daher in der Finanzberichterstattung bzw. Buchhaltung nicht ausgewiesen (Unerman et al. 2018, 514). Während externe Kosten in der Regel aufwendig zu berechnen sind, können interne nachhaltigkeitsbezogene Kosten in jedem Fall in die Buchhaltung integriert werden (Bennett und James 2000, 56). Wenn die wissenschaftlichen und daraufhin ökonomischen Einschätzungen zu den Folgen der globalen Krisenerscheinungen konkreter werden, wird auch die finanzielle Internalisierung von bestimmten Kosten zunehmen. Wie sehr dieser wissenschaftliche und methodische Prozess vorangetrieben wird, hängt 2
Bezugnehmend auf Empfehlungen für das Non-Profit Management.
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nicht zuletzt an der Veränderung von gesellschaftlichen Werthaltungen (Unerman et al. 2018, 514), zu der Museen beitragen können.
Museen als Pioniere des Postwachstums Wenn eine Große Transformation auch die Abkehr vom Wachstumsparadigma umfasst, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Postwachstumsgesellschaft auf die ökonomische Zukunft von Museen haben wird. Dem Postwachstumsansatz liegt die Analyse zugrunde, dass Wachstum und übermäßiger Konsum globale Umweltschäden und soziale Ungleichheiten verursachen (Andriotis 2018, 107). Das Konzept des Postwachstums (Degrowth) sucht nach »responses to the biggest dilemma of our times: reconciling our aspirations for the good life with the constraints of a finite planet« und konzentriert sich auf »finding a credible vision of what it means for human society to flourish in the context of ecological limits« (Jackson 2009, 3). Postwachstum stellt umfassendes Wohlergehen und ein gutes Leben über materialistische Ziele. Postwachstum relativiert die maßgebliche Bedeutsamkeit des wirtschaftlichen Wachstums für das Wohlergehen und das gute Leben von Menschen und zeigt dagegen alternative Konzepte und Wege zu einer Verbesserung des menschlichen Wohlergehens auf (Cosme et al. 2017, 322). Dazu gehört auch die Auffassung »small is beautiful« (D’Alisa et al. 2015, 4). Im Kern der Aufgabe des Sammelns ist im Gegensatz zu einem Postwachstum ein Nukleus für kontinuierliches Wachstum angelegt. Eine ständig wachsende Sammlung benötigt neue Räumlichkeiten zur Lagerung und Ausstellung. Ohne dies zu hinterfragen, ist daher Wachstum das Ziel zahlreicher Museen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass das wirtschaftliche Wachstumsparadigma auch im Museumssektor an immer neuen und größeren Neubauten und aufwendigen Blockbuster-Ausstellungen ablesbar ist. Es scheint offensichtlich, dass der durch dieses Wachstum ausgelöste Ressourcenverbrauch nicht nachhaltig ist. Hieran wird deutlich, dass diese Auslegung des Sammelns negative Effekte auf die Nachhaltigkeit mit sich bringen kann. Mit einer Abkehr von dem Mehr an Besuchern, Objekten, Geld und einer Entwicklung hin zu einem gemäßigten oder sogar Null-Wachstum können Museen zu einer Postwachstumsökonomie der Zukunft beitragen (Janes und Sandell 2019a, 10). Während immer mehr Erkenntnisse und Ansätze zur Umsetzung von Postwachstum auf der Makroebene, also ein stabiles Wirtschaftssystem
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ohne Wachstum, vorliegen, existieren nur erste Erfahrungen, wie man eine erfolgreiche Institution ohne Wachstum führen kann. Zu den Empfehlungen gehören (siehe Seidl und Zahrnt 2010)3 : • • • • •
Abstimmung der Größe des Museums auf den Markt; Fokus auf Qualität; Flexibilisierung der Organisationsabläufe; Intensivierung des Kontakts mit den Besuchern durch Partizipationsinstrumente; interne Entwicklung in Richtung Innovation und Qualität.
Es gilt, in Zukunft auszuloten, wie Museen mit einer Postwachstumsstrategie in Bezug auf ihre Sammlungen aber vor allem auch in Bezug auf ihr grundlegendes Betriebs- und Finanzkonzept zur Nachhaltigkeit beitragen können (Mairesse 2010, 56).
6.2 Nachhaltige Beschaffung Nachhaltige Beschaffung ist ein »Prozess, bei dem öffentliche Organisationen ihren Bedarf an Gütern, Dienstleistungen, Bau- und Versorgungsleistungen auf eine Weise decken, die über den gesamten Lebenszyklus hinweg ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet, das nicht nur der Organisation, sondern auch der Gesellschaft und der Wirtschaft zugutekommt und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf die Umwelt deutlich verringert« [Übersetzung des Verfassers] (United Nations Environmental Programme 2017, 1). Die Beschaffung durch Museen mit öffentlichen Geldern sollte stets als Vorbild für die Beschaffung durch privatwirtschaftliche Akteure dienen (Brandl 2011, 403). Insofern stehen Museen hier ganz besonders in der Pflicht eine nachhaltige Beschaffungspraxis umzusetzen (siehe Abbildung 12).
Umsetzung und Ablauf Nachhaltige Beschaffung umfasst eine umfangreiche interne Vorbereitung, darauf aufbauend eine Marktsondierung samt Vorgesprächen und schließlich
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Abgeleitet von Postwachstumsempfehlungen für Unternehmen.
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die Ausschreibung und Vergabe. Die interne Vorbereitung umfasst folgende Schritte (Sönnichsen und Clement 2020, 15): • • • •
Aufbau interner Prozesse und Kapazitäten für eine nachhaltige Beschaffung; Definition von allgemeinen Beschaffungskriterien; Entwicklung einer internen Beschaffungsrichtlinie; Entwicklung und Vorhalten von Informationen zur Integration in Leistungsbeschreibungen, Eignungskriterien und Zuschlagskriterien.
Die folgenden Ausführungen zur Implementierung einer nachhaltigen Beschaffung beruhen im Wesentlichen auf Clement (2011; 2016)4 und Sönnichsen (2020), die als ersten Schritt eine Marktsondierung und erste Vorgespräche vorschlagen. Ziel ist, intensive Beziehungen zu den Dienstleistern und Zulieferern aufzubauen. Dabei werden die Anforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit kommuniziert und den potenziellen Leistungserbringern mitgeteilt, welche Nachhaltigkeitsziele erreicht werden sollen. Daraufhin können gemeinsam Möglichkeiten der Realisierung diskutiert werden. Viele Dienstleister können Alternativen besser einschätzen, als die Beschaffer in Museen. Dieser intensive Austausch mit Lieferanten ist ein Kernelement, um nachhaltige Beschaffung umzusetzen, wenn nachhaltige Produkte und Lösungen nicht ohne weiteres allgemein verfügbar sind. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ausschreibungen muss dabei mit deutlich längeren Laufzeiten gerechnet werden, damit erfolgreiche Angebote abgegeben werden können, denn Bietende benötigen Vorlauf, um Lösungen zu recherchieren, anzupassen oder zu entwickeln. (Clement et al. 2011, 10–11) Deswegen ist es wichtig, Dienstleistern genügend Zeit zur Vorbereitung einzuräumen. Hierbei müssen ggf. auch neue Lieferanten in Betracht gezogen und zu ihnen Kontakte aufgebaut werden. Gerade kleine Unternehmen bieten häufig innovative, nachhaltige Lösungen an. Um langfristig eine nachhaltige Beschaffung umzusetzen, sind häufig auch zentrale Dienstleister hilfreich, die die gleichen Werte und Überzeugungen teilen. (Sönnichsen und Clement 2020, 15) Der Vorteil einer solchen kooperativen Vergabepraxis liegt vor allem im Umgang mit Risiken: Diese werden proaktiv im Vorfeld mit potenziellen Bietenden diskutiert und geklärt (Walker und Loosemore 2003, 121).
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Beruhend auf allgemeinen Empfehlungen zu nachhaltiger Beschaffung.
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Eine Ausschreibung spezifiziert Vorgaben oder Anforderungen an das Produkt, dessen Herstellung und unter Umständen den gesamten Lebenszyklus sowie Anforderungen an das anbietende Unternehmen. Zu den Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen gehören unter anderem Energieeffizienz, Materialien, Zertifizierungen und Siegel sowie Vorgaben für Recycling und Entsorgung. Auch kann mit einer Positivliste oder einem Best-in-Class-Prinzip gearbeitet werden, um besonders nachhaltige Materialien bzw. Produkte angeboten zu bekommen. Zu den Anforderungen im Rahmen der Herstellung können ökologische und soziale Standards entlang der Lieferkette gehören. Idealerweise kann eine Lebenszyklusanalyse in die Ausschreibung mit aufgenommen werden sowie weitere Kriterien, wie bspw. verursachte CO2 -Emissionen. Zu den Anforderungen an Dienstleister und Zulieferer gehören regelmäßig die Erfüllung von Umwelt- oder Sozialstandards sowie bspw. die Anwendung eines Umweltmanagementsystems. Bezüglich der Anforderungen an Größe und Umsatz der Bietenden ist es wichtig, nicht kleine und innovative Unternehmen auszuschließen, um auch auf deren Lösungen zugreifen zu können. Hier kann es notwendig sein, die Lose der Ausschreibungen zu verkleinern oder die Bildung von Bietergemeinschaften zu begünstigen (Clement et al. 2016, 50). Sofern das Vergaberecht es zulässt, sollten Anforderungen an das zu beschaffende Produkt oder die Dienstleistung stets in den Auftragsgegenstand bzw. die Leistungsbeschreibung einer Ausschreibung integriert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass nur Angebote, die die nachhaltigen Anforderungen erfüllen, berücksichtigt werden können. Eine große Auswirkung auf das Feld der Dienstleister haben Ausschreibungen, die neue und innovative Lösungen erfordern. (Sönnichsen und Clement 2020, 10)
Herausforderungen im Museum Für eine erfolgreiche Umsetzung besitzt die verantwortliche Person für die Beschaffung eine Schlüsselfunktion innerhalb des Museums. Da deren Überzeugungen und Werte einen großen Einfluss auf die Ausgestaltung einer museumsweiten Beschaffungspolitik im Sinne der Nachhaltigkeit haben, sollte im Rahmen der Personalpolitik sehr genau ausgewählt werden, wer diese Position innerhalb der Institution besetzt. Auch Studien aus diversen Kulturkreisen belegen, dass die Einstellung der Leitungsebene zu Fragen der Beschaffung oftmals die entscheidende Barriere für eine nachhaltige Beschaffungspolitik darstellt (z.B. Islam et al. 2017).
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Zu den wichtigsten Herausforderungen für eine nachhaltige Beschaffung in Museen gehört zunächst die Notwendigkeit eines Umdenkens bei der verantwortlichen Person: Für einen Budgetverantwortlichen im Einkauf müssen nicht nur die Vorteile einer nachhaltigen Beschaffung deutlicher werden, sondern er muss realisieren, dass nicht nur der geringste Preis ausschlaggebend ist (Clement et al. 2016, 15–17). Insbesondere für öffentlich geförderte Museen ist es eine Herausforderung, die Wahrnehmung bezüglich der wahren Kosten einer Anschaffung zu schärfen, die die Gesamtkosten während des Lebenszyklus umfassen, statt nur den Anschaffungspreis. Diese Sichtweise ist in Museen erschwert, da jährliche Budgets häufig keinen Anreiz für langfristige Einsparungen bieten. Dazu kommt, dass die Budgetverantwortung für Anschaffung und laufende Kosten häufig auf unterschiedliche Abteilungen verteilt sind. Hilfreich zur Überwindung ist eine transparente Kommunikation zu den Lebenszykluskosten an alle Abteilungen. Eine zweite Hürde der nachhaltigen Beschaffung sind fehlende Informationen über den Markt. Nachhaltige Anbieter und Produkte sind in der Regel hoch innovativ und ein aktueller Marktüberblick erfordert eine tiefe Recherche, die die Vergabeverantwortlichen in Museen häufig nicht leisten können. Wenn Informationen zu alternativen Produkten fehlen, können diese auch nicht vorgeschlagen und eingekauft werden. Aus dieser Hürde ergibt sich die grundsätzliche Notwendigkeit zu einer stärker partizipativ-konsultativen Beschaffung. Mit einer solchen Vorabbeschaffung können Museen Vorteile, Risiken und Kosten nachhaltiger Produkte vor der eigentlichen Ausschreibung bewerten. (Clement et al. 2016, 17) Die dritte zentrale Herausforderung sind eingefahrene und wenig flexible Verfahren und Prozesse der Beschaffung, die seit langem etabliert sind, eine hohe Zuverlässigkeit aufweisen und schnell durchgeführt werden können. Charakteristisch dabei ist, dass die verantwortlichen Personen sich meist risikoavers verhalten, da sie die Unsicherheit vermeiden möchten, die mit unterschiedlichen Vergabekriterien und Bewertungsregeln im Rahmen von nachhaltiger Beschaffung einhergehen. (Cheng et al. 2018, 781) Daher werden häufig bekannte Vorgehensweisen bevorzugt, da die Verantwortlichen vor allem keine rechtlichen Konflikte riskieren möchten (Sönnichsen und Clement 2020, 12). Fehlende finanzielle Ressourcen stellen gerade bei kleinen Museen eine Barriere für die Einführung einer Nachhaltigen Beschaffung dar, denn der Aufbau von Strukturen und Fachwissen in diesem Bereich kann aufwendig
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sein (Grandia et al. 2015, 243)5 . Daher empfiehlt es sich, als Einstieg in die nachhaltige Beschaffung eine einzelne oder eine kleine Zahl von Produktgruppen auszuwählen. Dafür bieten sich einerseits Produkte an, für die zahlreiche nachhaltigere Alternativen verfügbar sind. Andererseits können auch Produkte gewählt werden, die offensichtliche nicht-nachhaltige Auswirkungen verursachen (Robert und Schmidt 2015, 12).
Abbildung 12: Nachhaltige Beschaffung im Museum
Quelle: eigene Abbildung.
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Basierend auf Evaluationen der öffentlichen Beschaffung.
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Lebenszyklusanalysen als Instrument Für die nachhaltige Beschaffung ist die Arbeit mit und Auswahl aufgrund von Lebenszyklusanalysen ein wichtiges Instrument. Lebenszyklusanalysen bilden die Umweltauswirkungen eines Materials, Produkts oder einer Dienstleistung ab – und zwar von der Herstellung bis zur Entsorgung. Damit werden auch Aspekte der gesamten Lieferkette sowie vor- und nachgelagerte Auswirkungen mit in die Entscheidung einbezogen. Lebenszyklusanalysen sind ein Instrument, um einen realistischen Eindruck zu gewinnen, wie sich eingesetzte Materialien und Produkte, beispielsweise in der Restaurierung oder beim Ausstellungsbau, auf die Umwelt auswirken. Die ISO-Norm 14044 definiert Anforderungen an Ökobilanzierung bzw. Lebenszyklusanalysen. Darin werden insbesondere auch Fragen zu Umfang und Bilanzgrenzen thematisiert. Das Instrument stellt damit eine Engführung auf die ökologischen Auswirkungen dar. Noch voraussetzungsvoller und noch weniger verbreitet sind Nachhaltigkeitsanalysen, die wann immer möglich zum Einsatz kommen sollten und neben der Ökobilanzierung auch eine Sozialbilanzierung sowie die Lebenszykluskosten berücksichtigen (Klöpffer und Grahl 2014, 370). Die Lebenszykluskostenrechnung (Life-Cycle-Costing, LCC) berücksichtigt alle Kosten, die mit einem Gegenstand oder Gebäude verbundenen sind und gehört ebenfalls zu dem Kerninstrumentarium einer nachhaltigen Beschaffung. Im Gegensatz zur Lebenszyklusanalyse berücksichtigen die Lebenszykluskosten auch die Lebensdauer von Materialien im Vergleich zu ökologisch vorzuziehenden Alternativen. Damit bilden sie die Gesamtkosten genauer ab. (Hodges 2005, 318–319) Die Lebenszykluskosten bieten als Beschaffungskriterium gerade für Museen mit hohem Besucheraufkommen eine wichtige Grundlage, um Nachhaltigkeit und langfristige Kostensicherheit zu vereinen. Die Lebenszykluskostenrechnung ist damit insbesondere für eine finanzielle Bewertung und Argumentation von Belang. Auch wenn zur Erstellung eigener Bewertungen von Produkten zahlreiche Instrumente und Vorlagen nutzbar sind (bspw. Adell et al. 2011), ist sie sehr aufwendig und bedarf tiefen Fachwissens, dass ggf. im Museum nicht vorhanden ist. Für eine nachhaltige Vergabepraxis besteht daher ein hoher Bedarf, die Ergebnisse von Lebenszyklusanalysen zu bündeln und den Zugang zu diesen Informationen zu erleichtern. Ein erster Ansatz, insbesondere für Materialien, die in der konservatorischen Arbeit eingesetzt werden, sowie für relevante Aspekte von Ausstellungen, ist eine sich im Aufbau befindliche Datenbank (siehe Nunberg et al. 2019).
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Wareneinkauf in Museumsshops Im Sinne einer nachhaltigen Beschaffung sollten angebotene Waren in Museumsshops lokale oder regionale, aus unbedenklichen Ressourcen hergestellt und idealerweise re- oder upgecycelt sein. Gerade im Konsumkapitalismus sind die in Museen erworbenen Produkte in besonderer Weise ein Aushängeschild des Museums. Das Museum als Institution, das Materialität und Objekte im Kern seines Handelns platziert, sollte ganz selbstverständlich den in den Museumsshops angebotenen Objekten eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Im Gegensatz dazu wird das Sortiment meist von der Museumsdefinition losgelöst gesehen und ihm wird nicht die notwendige Beachtung zuteil. Insgesamt kann sich die Bedeutung von und der Blick auf Museumsshops ändern, denn während diese in der Vergangenheit vor allem als zusätzliche Einnahmequelle gesehen wurden, könnten sie in Zukunft viel stärker in das Gesamtkonzept des Museums eingebunden werden (Mottner und Ford 2005, 838) und als wichtiges Instrument gelten, die Mission, den Bildungsauftrag sowie die Nachhaltigkeitsorientierung des Museums zu erfüllen und zu kommunizieren. Wenn auf Grundlage einer internen nachhaltigen Beschaffungsrichtlinie bspw. auf die Lebenszyklusanalyse der Produkte geachtet wird, können möglicherweise nur geringere Gewinnmargen erzielt werden.
6.3 Gebäude und Ressourceneinsatz Das Museumsgebäude verursacht häufig nicht nur einen großen Teil der Kosten, sondern auch der umweltrelevanten Wirkungen. Facility Management verwaltet und steuert die physische Infrastruktur des Museums, sorgt für einen sicheren, gesunden und produktiven Arbeitsplatz, stellt die Aufbewahrung der Sammlung sicher und schafft die Voraussetzungen für ein angenehmes Besuchserlebnis (Hodges und Sekula 2013, 18). Nachhaltiges Facility Management umfasst im Wesentlichen folgende Aufgaben und Herausforderungen (Shah 2007, 42): •
•
Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in alle gebäudebezogenen Prozesse und internen Dienstleistungen, wie Reinigung, Wartung von Haustechnik etc.; Ressourcen- und Abfallmanagement, insbesondere die Reduktion des Energieverbrauchs und der Einsatz von erneuerbaren Energieformen;
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Beschaffungs- und Lieferkettenmanagement, insbesondere die Gewährleistung, dass nachhaltige Kriterien in der Lieferkette umgesetzt werden; Sicherstellung von nachhaltigen Standards bei Bau- und Sanierungsprojekten, insbesondere der Einsatz von Lebenszykluskosten als Grundlage für größere (bauliche) Investitionsmaßnahmen; Umsetzung sozialer Nachhaltigkeitsaspekte in Planung und Betrieb.
Der Facility Manager besitzt häufig eine herausgehobene Position, da er einen Überblick über das gesamte Gebäude und alle damit verbundenen Prozesse besitzt. Darüber hinaus kann er in der Regel auf finanzielle und strategische Planungsinstrumente zurückgreifen, um nachhaltige Praktiken zu unterstützen und umzusetzen. Daher kann der Facility Manager eine Schlüsselposition zur Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeit an Museen sein und langfristig positiven Einfluss auf das Museum ausüben. (Hodges 2005, 312) Die Aufgabenteilung und Verantwortlichkeit zwischen Beschaffung und Facility Management sind häufig fließend und unterschiedlich ausgeprägt. Auch wenn in kleineren Museen keine spezifische Stelle existiert, sollte trotzdem die Rolle und deren Verantwortungsbereich bewusst zugeordnet werden.
Facility Management als Ressourcenmanagement Museen sind aufgrund der klimatischen Standards für die Lagerung und Ausstellung von Sammlungsobjekten und dem damit verbundenen Energieverbrauch besonders ressourcenintensive Einrichtungen. Darin liegt aber auch eine große Chance: Kostensenkung durch effektiveres Ressourcenmanagement. Ressourcenmanagement umfasst Überlegungen zu Grundstück, Wasser, Energie und Materialien. Dabei betrifft das museumsspezifische Thema der Sammlung und Konservierung vor allem die Aspekte Energie und Raumluftqualität, während die Ausstellungsgestaltung vor allem Materialien und weitere Ressourcen betrifft. Ziel ist, den Verbrauch zu reduzieren, Ressourcen wiederzuverwenden oder nachhaltigere Ressourcen zu verwenden. Beispiele für konkrete Ansätze umfassen (Sutton und Wylie 2008, 61ff): • •
Emissionsreduzierung und Energieeffizienz: Beleuchtung, HLKK-Systeme und erneuerbare Energien; integriertes Abfallmanagement: reduzieren, wiederverwenden, recyceln;
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Wassereinsparung und -management: Reduzierung des Verbrauchs und Wiederverwendung.
Neben der ökologisch bedeutsamen Reduktion des Ressourceneinsatzes wird im nachhaltigen Facility Management auch die soziale Dimension des Museumsgebäudes adressiert. Ein sozial nachhaltiges Museumsgebäude ermöglicht nicht nur die Nutzung für möglichst viele Menschen, sondern fördert auch Gemeinschaft und trägt zu einer sozialen Bereicherung bei (Greiff 2012, 12). Beispiele hierfür sind eine gute Zugänglichkeit auch für mobilitätseingeschränkte Nutzende oder die gleichberechtigte Berücksichtigung von allen Anspruchsgruppen. Weitere Ansatzpunkte für sozial nachhaltige Museumsgebäude umfassen die Beteiligung späterer Nutzender im Planungsprozess sowie eine Planung, die das Zusammenleben von Nutzenden und Anwohnern und die Kommunikation untereinander fördert (Greiff 2012, 39). Gerade Maßnahmen des Ressourcenmanagements eignen sich, um darauf aufbauend Angebote, Informationsveranstaltungen und Workshops für Mitarbeitende und Besucher zu entwickeln. So kann das intern angesammelte Wissen zu diesen Themen weitergegeben werden. Jede Maßnahme eines Nachhaltigkeitsmanagements kann auf diese Weise in ein Bildungsprogramm für Mitarbeitende und Besucher übersetzt werden (Sutton und Wylie 2008, 116) und stellt eine Möglichkeit dar, um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit außerhalb des Museums zu schärfen.
Energie Aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten sowie der Bedeutung für die Treibhausgasemissionen kommt der Steuerung des Energieverbrauchs eine Schlüsselrolle im nachhaltigen Facility Management zu (Hodges und Sekula 2013, 131). Die Reduktion des Energieverbrauchs ist ein wichtiger Schritt zu mehr Nachhaltigkeit und zu geringeren Betriebskosten. Als erster Schritt ist eine Analyse des energetischen Status quo notwendig. Eine solche Energiebilanz berücksichtigt den Energiebedarf für HLKKSysteme, Warmwasser und Beleuchtung. Für die Energiebilanzierung kann es hilfreich sein, die seit langem erprobten Vorgehensweisen aus anderen Bereichen auf Museen zu übertragen. Insbesondere für den Gebäudebereich gibt es zahlreiche Instrumente, die problemlos in Museen eingesetzt werden können. (Sutton 2019, 432) Dabei sind auch die relevanten ISO Normen zu Energieeffizienz und zur thermischen Dämmung zu berücksichtigen (u.a. ISO
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91.120.10, ISO 7946). Um zielführende Maßnahmen zu identifizieren, können je nach Komplexitätsgrad des Gebäudes umfangreiche Analysen hilfreich sein. Dazu gehören Infrarot-Thermografie, hygrothermische Gebäudemodelle bzw. thermisch-energetische Gebäudesimulationen, Luftwechselmessungen mit Indikatorgas oder spezielle Lichtsimulationen. Hilfreich können auch regional hochaufgelöste Klimamodelle sein, mit denen die Auswirkungen von Wärme, Feuchtigkeit, Sonne und Wasserdampf auf die Bausubstanz abgebildet werden können (siehe Leissner und Fuhrmann 2016, 25). Zur Messung des Energieverbrauchs werden häufig Indizes wie der jährliche Gesamtenergieverbrauch pro qm (Energy Use Intensity) verwendet. Zielführender wäre es jedoch, den Energieverbrauch direkter an die Aktivitäten und Leistungen des Museums zu knüpfen (Hodges und Sekula 2013, 132). Beispielsweise könnten in die Berechnung von Verbrauchsindizes auch die Größe der Sammlung oder die Besuchszahl integriert werden. Als erster Ansatzpunkt gilt es, die Energiequellen anzupassen. Neben einem Wechsel zu einem Ökostromanbieter kann auch das Potenzial zur Nutzung von erneuerbaren Energiequellen wie Sonnenenergie, Wind und Erdwärme überprüft werden. Die Nutzung von oberflächennaher Geothermie, gerade für die Unterstützung von Heizung und Kühlung, bietet ein großes Potenzial, um erneuerbare Energiequellen für Museen zu erschließen. Damit können bis knapp 50 Prozent der Energiekosten eingespart werden, wie Simulationsberechnungen ergeben haben (Cadelano et al. 2019, 3192). Um den Energieverbrauch in Museen zu reduzieren, können erfolgreiche Vorgehensweisen aus anderen Branchen angewandt werden. Es existieren detaillierte Empfehlungen zu Energieeinsparungen mit Blick auf Büroarbeitsplätze bzw. der Gestaltung von »green workplaces« (Stringer 2009; Paillé 2020; Gordon 2001) oder auch für energieeffiziente Labore. Ebenso können Empfehlungen für eine ökologisch sensible Digitalisierung auf das Arbeitsumfeld in Museen angepasst werden. Dazu gehört bspw. die Nutzung von grünen Providern und Rechenzentren. Hinzu kommen museumspezifische Empfehlungen, insbesondere für Sammlung und Ausstellung. Um in Museen den Energieverbrauch zu reduzieren, können insbesondere die folgenden Parameter analysiert und optimiert werden: • •
Klimatechnik, bzw. HLKK-Systeme (vgl. Kap.7.3); Beleuchtung und Umgang mit Tageslicht – Unabhängig von den Anforderungen der jeweiligen Sammlung und den Voraussetzungen eines Ge-
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bäudes kann überprüft werden, wie Tageslicht für eine differenzierte Tageslichtbeleuchtung eingesetzt werden kann; Energieverbrauch von Medienkonzepten – Zertifizierte und energieeffiziente Medientechnik vermindert in den Ausstellungen den Energieverbrauch (vgl. Kap.9.3).
Neben der Reduktion des Energieverbrauchs müssen auch die Nutzungszeit und ggf. unterschiedliche Energiepreise zu unterschiedlichen Zeiten (bspw. nachts und tags), der Spitzenbedarf und die Variabilität der Energiepreise auf der Grundlage des Spitzenverbrauchs sowie Reduktionsanreize, wie bspw. Programme und Anreize zur Reduzierung des Energieverbrauchs, berücksichtigt werden (Hodges und Sekula 2013, 132–133).
Wasser und Abwasser Wasser ist in vielen Regionen mit zuverlässiger öffentlicher Wasserversorgung eine relativ kostengünstige Ressource und auch Wassermangel stellt häufig noch keine Herausforderung dar. Daher wird die Reduzierung des Wasserverbrauchs im Vergleich zum Energieverbrauch weniger intensiv vorangetrieben. Doch Wasser- und Abwassermanagement werden im Rahmen des Facility Managements an Bedeutung gewinnen, gerade weil Wasser in Zukunft eine knappere Ressource sein wird und die Kosten dafür in vielen Regionen steigen werden. (Hodges und Sekula 2013, 148–149) Zur Messung und Bewertung der Wasserverwendung eignet sich das Konzept des Wasserfußabdrucks (Hoekstra und Chapagain 2011). Dieser bildet nicht nur den direkten und indirekten Wasserverbrauch (blauer Fußabdruck) ab, sondern integriert auch die Verschmutzung von Wasser (grauer Fußabdruck). Der Wasserfußabdruck klammert allerdings die Wasserverfügbarkeit aus, die in bestimmten Regionen der Welt zukünftig zu einer ernsthaften Herausforderung wird (Bringezu 2018, 19). Wie bei der Reduzierung des Energieverbrauchs ist es notwendig, den Wasserverbrauch unterschiedlicher Verbraucher innerhalb des Museums zu messen, um angepasste Maßnahmen zur Reduzierung zu entwickeln und die Kosten für Wasser und Abwasser im Museum zu steuern. Mit einem umfassenden Wassermanagement können 10–30 Prozent des Wasserverbrauchs eingespart werden (Hodges und Sekula 2013, 153). Für Museen spielt auch der Wasserfußabdruck von Produkten und Dienstleistungen eine Rolle. Dieser ist nicht selten deutlich größer als der
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Fußabdruck des Museumsbetriebs. Wassereinsparungen bei Dienstleistern sind jedoch schwieriger zu realisieren, da sie nicht direkt umgesetzt werden können (Hoekstra und Chapagain 2011, 106). Daher ist es wichtig, Ansätze zu finden, wie der Wasserverbrauch reduziert werden kann. Maßnahmen im Rahmen des Wassermanagements umfassen das Vermeiden, Reduzieren und vor der Entsorgung möglichst ein Behandeln von Abwasser. Komponenten mit größerer Effizienz können zur Einsparung beitragen. Die Produktion von Abwasser kann bspw. durch die Nutzung von Grauwasser reduziert werden. Ein weiterer Ansatz ist die Wassereinsparung durch verändertes Verhalten der Nutzenden. (Hodges und Sekula 2013, 149)
Materialien und Abfallmanagement Im Hinblick auf Materialien und Abfälle im Museum sind die Idee der Kreislaufwirtschaft bzw. das Cradle-to-Cradle Prinzip sowie Praktiken des Teilens und Tauschens wesentliche Ansatzpunkte. Ganz konkret ist für den Umgang mit Materialien und Abfall das 3R-Konzept handlungsleitend: Vermeiden, Wiederverwenden oder Wiederaufbereiten (Reduce, Reuse, Recycle). Mit einem integrierten Abfallmanagement können diese Ansätze für Museen angepasst und umgesetzt werden. Am Anfang steht wie in anderen Bereichen des Ressourcenmanagements eine Analyse. Hierfür existieren verschiedene Vorgehensweisen für ein sogenanntes Abfall-Audit, die allerdings nicht auf Museen zugeschnitten sind. Diese erleichtern die Ermittlung der relativen Anteile von unterschiedlichen Abfallarten sowie das Aufzeigen der Potenziale eines Abfallmanagements. Die wichtigsten Quellen von Abfall im Museum umfassen: • • • •
Material für Verpackung und Versand; Abfälle aus Sammlung und konservatorischen Tätigkeiten; beendete temporäre Ausstellungen und Reste des Ausstellungsbaus; Abfall und Biomüll aus der Gastronomie.
Zur Umsetzung von Maßnahmen ist die Reihenfolge des 3R-Konzeptes nicht beliebig. Grundsätzlich liegt – wie auch in anderen Bereichen des Museums – die Priorität auf der Vermeidung. Nur wenn bspw. nicht auf die Verpackung verzichtet werden kann, sollte eine Wiederverwendung in Betracht gezogen werden – das Recycling ist die letzte und schlechteste Option. Vermeidung ist der einfachste und effektivste Ansatz, da hier Abfall gar nicht erst entsteht.
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Die Bedeutung der Vermeidung weist allerdings über die konkrete Anwendung hinaus, da Müllvermeidung auch ein transformatives Potenzial besitzt, indem sie Menschen dazu bringt, ihr Konsumverhalten zu reflektieren. Gerade beim Thema Abfall spielt individuelles Verhalten und dessen Änderung eine zentrale Rolle – hier können auch Workshops dazu beitragen, Chancen und Ansätze der Abfallvermeidung im Arbeitsalltag zu integrieren. Als zweiter Ansatz sollte stets überlegt werden, ob Materialien oder Produkte in anderer Form oder an anderer Stelle wieder- bzw. weiterverwendet werden können. Zwei gute Beispiele dafür sind wiederverwendbare Handschuhe oder modulare Ausstellungssysteme. Hierzu gehören auch Ansätze um die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und in Reparaturen zu investieren. Repair Cafés bilden hier einen Ausgangspunkt, der auch für Produkte im Museum genutzt werden kann. Als letztes Glied in der Kette sind auch Recycling- und Entsorgungsdienstleister in das Abfallmanagement einzubeziehen. Hier gilt es, Einrichtungen in der Region sowie Entsorgungsunternehmen zu vergleichen und unter Nachhaltigkeitsaspekten auszuwählen.
Sanierung und Neubau Die Sanierung eines Museumsgebäudes ist ein komplexes Vorhaben, denn hier überlagern sich in exemplarischer Weise die Funktionen von und Ansprüche an Museen: Zunächst muss das Gebäude den konservatorischen Anforderungen Rechnung tragen. Zugleich gilt es, Mitarbeitenden und Besuchern ein adäquates Raumklima zu bieten und eine angemessene Beleuchtung der Ausstellungen sicherzustellen. Häufig werden diese Anforderungen von den Vorgaben des Denkmalschutzes gerahmt, der die Grenzen des Möglichen definiert. Um diese komplexen und zum Teil widersprüchlichen Anforderungen abzuwägen, sind – sofern nicht schon vorhanden – Messungen zu Raumklima und Lichtsituation notwendig. Simulationsprogramme können helfen, um die raumklimatische Situation nach der Sanierung einerseits sowie den Energieverbrauch andererseits zu berechnen. Anhand von dynamischen Simulationen können unterschiedliche Varianten, insbesondere für Teilbereiche des Gebäudes entwickelt werden. Basierend auf diesen Ergebnissen können alle Stakeholder des Planungsprozesses die Optionen diskutieren und bewerten. Die Herausforderungen und Lösungsansätze für die Abwägung von raumklimatischen Rahmenbedingungen und Vorgaben der Konservierung werden in Kap. 7.3 thematisiert.
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Für eine Bewertung aus nachhaltiger Perspektive ist der ganze Lebenszyklus des Gebäudes zu berücksichtigen. Obwohl der Energieverbrauch und die Emissionen während der Herstellung von Baumaterial und der Bauphase an sich im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse eines Museums nicht ignoriert werden dürfen, zeigen beispielhafte Untersuchungen, das der überwiegende Anteil des Energieverbrauchs im Zeitraum des Betriebes anfällt (Ge et al. 2015, 127). Neben dem Energieverbrauch im Lebenszyklus sind auch die Gesamtbetriebskosten (TCO) zu berücksichtigen, die alle Kosten des Museumsgebäudes von der Planung, dem Entwurf und dem Bau über den Betrieb und die Instandhaltung bis hin zum Ersatz von Systemen oder Renovierung abbilden. Dabei ist zu beachten, dass häufig die Personalkosten den weitaus größten Teil der Gesamtbetriebskosten ausmachen. Ein weiterer zentraler Aspekt bei der Berechnung der TCO ist die Lebensdauer von Gebäudeteilen, Systemen und Materialien. Es ist daher notwendig, detaillierte Informationen über die Langlebigkeit dieser Elemente einzuholen, auf deren Grundlage eine Entscheidung getroffen werden kann. (Hodges 2005, 316) Zur Minimierung der TCO kann sich für Museen und Archive die Adaption von traditionellen Bautechniken und konstruktiven Lösungen an die heutigen Anforderungen auszahlen. Durch eine clevere Mischung können hoch innovative Lösungen für Sanierungen und Neubauten entstehen (siehe Crimm et al. 2009, 125). Die Entscheidung und Abwägung von gebäudebezogenen Maßnahmen, Lösungen und Änderungen kann auf Basis der LCC- und TCO-Methodik durch den Facility Manager durchgeführt werden. Dabei sollten bereits in der Planungsphase die (ökologischen) Folgekosten berücksichtigt werden, vor allem weil häufig Förderungen für Modernisierungs- und Baumaßnahmen verfügbar sind, während Unterhaltskosten dann aus den regulären Haushaltsmitteln des Museums bestritten werden müssen.
Die neue Rolle von Facility Management im nachhaltigen Museum Dem Facility Management kommt nicht nur aufgrund des Ressourcenmanagements und der Relevanz für die Klimabilanzierung eine wichtige Rolle im gesamten Nachhaltigkeitsmanagement zu. Die Erfassung und Aufbereitung von Leistungskennzahlen des Gebäudes sind wichtige Daten für das Monitoring des Nachhaltigkeitsprogramms. Sie dienen auch darüber hinaus der Unterstützung von vielfältigen Entscheidungsprozessen. Deswegen wird sich Facility Management zu einem zunehmend datengetriebenen Tätigkeitsfeld entwickeln, in dem die eingehenden Versorgungs- und Verbrauchsdaten
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ausgewertet und in unterschiedlichen Zeithorizonten für eine interne und externe Berichterstattung aufbereitet werden müssen (Shah 2007, 41). Digitale Gebäudemanagementsysteme können diese Entwicklung unterstützen, indem sie die Überwachung und Steuerung von gebäudetechnischen Anlagen ermöglichen. Durch intelligente Gebäudetechnik kann die Umsetzung eines energieeffizienten und gleichzeitig anpassungsfähigen Gebäudes erleichtert werden (Atkin und Brooks 2021, 270). Facility Management muss auch gesetzliche Vorgaben erfüllen, die Anforderungen von externen Zertifizierungen berücksichtigen und zunehmend auf die Ansprüche von Stakeholdern reagieren. Darüber hinaus setzen auch weitere Partner Zertifizierungen ein und beabsichtigen damit verbundene Maßnahmen, die sich auf das Gebäude und die Arbeit des Facility Managements auswirken. Facility Manager stehen vor der Herausforderung, die vielen beteiligten Stakeholder in den Prozess in Richtung eines nachhaltigeren Gebäudes einzubeziehen. Dazu gehören unter anderem Geldgebende, Regulierungsbehörden, Bauunternehmen und Lieferanten sowie weitere Betriebe, Kooperationspartner, Kunden, Mitarbeitende und die Leitungsebene (Roper und Payant 2014, 209). Diese vielfältigen Anforderungen, Zielsetzungen und Vorgaben zu koordinieren, wird ein zunehmend wichtigeres Aufgabenfeld (Shah 2007, 38). In Zukunft werden immer mehr gebäudenahe Dienstleistungen vergeben bzw. outgesourct. Dies stellt eine weitere Herausforderung für das Facility Management in Zusammenarbeit mit der Beschaffung dar, da Nachhaltigkeitskriterien in diese Vergabeprozesse integriert werden müssen. So kann das Finden von Auftragnehmern erschwert werden – und die Kosten steigen. (Roper und Payant 2014, 537) Der Facility Manager hat in der Regel die Zielvorgabe, das Gebäude mit den geringstmöglichen Kosten zu betreiben. Doch im Gebäudebereich ziehen Maßnahmen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz häufig unvermeidbare Investitionen nach sich. Hier steht das Facility Management vor der Herausforderung sich für diese Investitionen stark zu machen, indem kurzfristige Effizienzsteigerungen, mittelfristige Verbesserungen der Umweltbilanz und langfristige Kosteneinsparungen dargestellt werden. Dafür müssen Facility Manager die Finanzplanung und Buchhaltung ihrer Institutionen im Detail kennen und verstehen, um die Maßnahmen am Gebäude dann so entwickeln zu können, dass sie einen wirtschaftlichen Nutzen für die Institution erzielen. (Hodges 2005, 316)
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Zur Umsetzung dieser neuen Aufgaben benötigt das Facility Management, insbesondere bei großen Institutionen, personelle Unterstützung. Um die zusätzlichen Aktivitäten abbilden zu können, sind in Zukunft vor allem Kompetenzen im Bereich von Datenbearbeitung bzw. Data Science und Kommunikation gefragt. Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
Verwaltung und Betrieb 1. Zu einem Energieversorger mit erneuerbaren Energien wechseln; 2. auf LED-Beleuchtung umstellen, Bewegungssensoren und differenzierte Tageslichtbeleuchtung nutzen; 3. eine Richtlinie für nachhaltige Beschaffung erstellen; 4. Kooperationen mit Unternehmen aufbauen, die sich zu Nachhaltigkeit bekennen und entsprechende Dienstleistungen und Produkte anbieten; 5. in Museumsshop und Gastronomie ausschließlich nachhaltige und fair gehandelte Waren, bzw. biologisch und regional erzeugte Lebensmittel anbieten.
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In Bezug auf die Umweltauswirkungen von Museen sind Sammlungen besonders relevant. Ihre konservatorische Bewahrung verursacht einen Großteil der klimawirksamen Effekte. Um den Energieverbrauch zu senken, ist vor allem die Optimierung der Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik wichtig. Darüber hinaus ist eine neue Debatte zur Sammlungstätigkeit im Allgemeinen und zu konservatorischen Standards im Speziellen notwendig. Können Sammlungen schrumpfen und trotzdem die Kernmission des Bewahrens erfüllen? Lassen sich Klimakorridore erweitern, ohne den Erhalt der Sammlungsobjekte für folgende Generationen zu gefährden? Besonders wenn Sammlungen Kern und Herzstück eines Museums sind, fällt Konservatoren, Restauratoren und Kuratoren eine wichtige Rolle zu, diese Fragen abzuwägen und die Zukunft des Museums zu gestalten. (siehe Keene 2002, 248) Vision Selbstverständnis
Kultur- und Naturerbe für eine gesellschaftliche Transformation bewahren und einsetzen
Expertise
Stakeholder-Integration, Risikomanagement und problembezogenes Objektwissen
Praktik
Re-Kontextualisieren, Reduzieren, In-Wert-Setzen, Öffnen
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Das nachhaltige Museum
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Zur Notwendigkeit einer hermeneutischen Re-Vision
In einer globalisierten Welt mit zunehmend diversen Gesellschaften erscheint eine Neubewertung von Sammlungen aus museumsethischer Perspektive angezeigt. Eine solche neue Hermeneutik analysiert und stellt sicher, dass sich die Vielfalt von Menschen sowie deren Perspektiven und Narrative in den Sammlungen und im Museum als Ganzes widerspiegeln. Sammlungen als Basis vieler Museen im globalen Norden sind häufig nicht nur Ergebnis einer bürgerlichen Emanzipation, sondern gleichzeitig vor dem Hintergrund asymmetrischer Machtverhältnisse zu Zeiten der Kolonialisierung entstanden – für Sammlungen der Alltagskultur und andere Sammlungen wie bspw. der zeitgenössischen Kunst gilt das in geringerem Maße. Gleichwohl waren und sind die Sammlungstätigkeit, die Art der Präsentation und die Vermittlung häufig durch eine eurozentristische, mindestens aber westliche Perspektive des globalen Nordens geprägt. Ebenso sind die durch und mit Sammlungen vermittelten Narrative häufig geprägt von ungleichen Machverhältnissen – von der regionalen bis zur globalen Ebene – und der Perspektive der einflussreicheren und zum Teil elitären Akteure. Aufgrund dieses historischen Hintergrundes der Entstehung sowie der langjährigen Vermittlungspraxis werden in Museen verstärkt diese geschichtlichen Hintergründe aufgearbeitet und die Sammlungsobjekte sowie die Museumsarbeit insgesamt neu konzeptualisiert und kontextualisiert. Die globalen Dimensionen der multiplen Krise machen eine solche Re-Vision notwendiger denn je.
De-Kolonisation und Re-Kontextualisierung Eine solche neue Ausrichtung von Museen und Sammlungen ist unter anderem eine De-Kolonisation (siehe z.B. Onciul 2015; Chambers et al. 2014; Edwards et al. 2006), sie erschöpft sich darin aber nicht. Sie umfasst die kontextuelle Einbettung und Interpretation der Objekte sowie die Narrative, die mit ihnen und um sie herum entwickelt werden. Hier mit den Herkunftsgemeinschaften der Objekte zusammenzuarbeiten und Indigene einzubinden ist eine weitere Aufgabe einer Re-Kontextualisierung. De-Kolonisation bedeutet auch, anhand der Objekte die unbequemen Wahrheiten von Kolonisierung, Unterdrückung und Ausbeutung zu erzählen. Dies kann den Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit der Historie sein und so zu einer faktischen De-Kolonisation im Hier und Jetzt beitragen. (Lonetree 2009, 334)
7 Sammlung und Konservierung
Die historischen Rahmenbedingungen, unter denen Objekte in die Sammlung gelangt sind, können mit einer Provenienzrecherche erfasst und damit analysiert werden, ob eine Konstellation im Rahmen von Imperialismus, Kolonialismus, Krieg im Allgemeinen oder Raubkunst im Besonderen dabei eine Rolle gespielt haben. Solche problematischen Objekthistorien umfassen (Bienkowski 2015, 433): • • • • • •
Gegenstände, die einem kolonialem Kontext entstammen; Illegalen Erwerb und Raub im Rahmen kriegerischer Handlungen; Symbole der kulturellen Identität einer Herkunftsgemeinschaft; Änderung von Landesgrenzen; Vereinigung von Teilen eines Objektes; Ansprüche von Einzelpersonen bezüglich der Eigentumsrechte.
Die Ergebnisse der Provenienzrecherche sowie eine museumsethische Neubewertung von Objekten führen zwangsläufig zu Überlegungen über die Rückgabe von Sammlungsobjekten. Im Sinne einer nachhaltigen Sammlungstätigkeit sollten Praktiken der Restitution und Repatriation für Museen zur Regel werden und nicht die Ausnahme bilden. Damit könnte auch eine Ausrichtung des Rückgabeprozesses auf eine unkomplizierte, unbürokratische und schnelle Abwicklung einhergehen. Darüber hinaus sollte der Prozess auf einer gleichberechtigten Zusammenarbeit der Parteien beruhen – im Gegensatz zu einer häufig bevorteilten Position des derzeitigen Objektinhabers. Als Orientierung für einen Rückgabeprozess, der dem Grundverständnis der Nachhaltigkeit folgt, kann der Ansatz der deliberativen Demokratie dienen. Ein Prozess im Sinne eines deliberativen Ansatzes ist gekennzeichnet durch einen Ansatz der Inklusion und Partizipation für die Herkunftsgemeinschaften, einen gleichberechtigten, offenen Dialog über den Wert von Objekten und gemeinsame Entscheidungsstrukturen. (Bienkowski 2015, 447) Ein solcher Prozess ist voraussetzungsvoll, baut aber genau auf den Veränderungen auf, die im Rahmen eines Nachhaltigkeitsmanagements ohnehin umgesetzt werden. Die Rückgabe sollte idealerweise eingebettet sein in eine enge Zusammenarbeit mit der Herkunftsgemeinschaft, die dann auch in eine langfristige Beziehung mündet und über die Rückgabe selbst hinaus andauert (Bienkowski 2015, 432). In der Sammlungsarbeit können indigene Perspektiven weiter gestärkt werden, indem respektvoll und sensibel mit Objekten und Narrativen von indigenen Völkern umgegangen wird. Dabei sind insbesondere kulturelle Ge-
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pflogenheiten der Herkunftsgemeinschaften zu berücksichtigen und zu respektieren. Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes sind in vielen indigenen Gemeinschaften wichtige Aufgaben, die von speziell dafür ausgebildeten Mitgliedern der Gemeinschaft übernommen werden. Hier sind unterschiedliche Ansätze für das Management des Kulturerbes zu vereinen. Es geht dabei um den Umgang mit Objekten und um ihre Verwendung etwa in kulturellen Praktiken. Die westliche Perspektive der Sammlungswissenschaft, dass Objekte am besten bewahrt werden, wenn sie nicht benutzt und geschützt gelagert werden, entspricht häufig nicht dem Verständnis von Bewahren in Herkunftsgemeinschaften. (Onciul 2015, 120–122) Indigene Perspektiven können im Ausstellungskontext nur dann glaubhaft gestärkt werden, wenn mit indigenen Gemeinschaften eng zusammengearbeitet wird. Hier ist es, wie im Prozess der Re-Kontextualisierung und De-Kolonisation insgesamt, sehr wichtig, nicht etwa überholte und dominante Muster der weißen, westlichen Vorherrschaft – vielleicht auch unbewusst – zu verfestigen. Die Kooperation mit Herkunftsgemeinschaften und Indigenen dient nicht oder zumindest nicht hauptsächlich dazu, deren Perspektiven in die Interpretation und Kommunikation des Museums zu integrieren und damit Ausstellungen spannender und besser zu gestalten. Damit könnten auch asymmetrische Machverhältnisse und einseitige Profite stabilisiert werden. Golding stellt vor diesem Hintergrund gerade die Möglichkeit von Museen in den Fokus, Menschenrechte, Menschlichkeit und Vielfältigkeit in den Sammlungen zu finden und mit diesen Themen wie Rassismus zur Diskussion zu stellen. Insofern können Museen zu einem Ort werden, an dem lokalen Ideen und Lebensweisen ein Raum geben wird und mit einer solchen kuratorischen Arbeit soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte gefördert werden. (Golding 2013, 14)
Obhut und dynamisches Bewahren Die Überlegungen zu Erwerbskontexten und Rückgabeprozessen führen auch zu neuen Ansätzen des Sammelns und Bewahrens (siehe Abbildung 13). Ein nachhaltiges Museum könnte sich stärker auf ein dynamisches Bewahren fokussieren. Dazu gehören folgende Ansätze (Meijer-van Mensch 2016): • •
»Guardianship«: eine Ethik der Obhut; »Shared Ownership«: gemeinsame Verantwortung von Museen und Herkunftsgemeinschaften;
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•
»Protection in situ«: ein Schutz am ursprünglichen Ort, d.h. Objekte dort zu belassen, wo sie sind, aber zu ihrem Schutz beizutragen.
Diese neue Ethik des Sammelns definiert sich über eine fließendere und offenere Beziehung zwischen Objekten und Erfahrungen im Museum. Damit geht ein Wandel von einem Selbstverständnis des Besitzens zu einer Haltung von Obhut und Fürsorge (Guardianship) einher. (Marstine 2011, 17) Das Konzept von Guardianship oder Stewardship lässt auch Durchlässigkeit und Komplexität bei der Katalogisierung von Objekten zu, anstatt Sammlungen durch die Beschränkungen von Datenbanken und taxonomischen Konventionen zu begrenzen (Marstine 2011, 19). Aus dem Ansatz des Guardianship kann auch das Verständnis einer gemeinsamen Eigentümerschaft und damit einer gemeinsamen Verantwortung (Shared Ownership) abgeleitet werden. Herkunftsgemeinschaften und Museen übernehmen dabei die gemeinsame Verantwortung für die Erhaltung (Meijer-van Mensch 2015). Dabei geht es um eine gemeinsame Befugnis, indem die Bedeutung und Autorität von lokalen Gemeinschaften bei der Bewahrung ihres eigenen kulturellen Erbes betont werden (Kreps 2008, 203). Dies könnte bspw. dazu führen, dass Gemeinschaften besonderen Zugang zu diesen Objekten erhalten oder sie für einen bestimmten Zeitraum zurückerhalten (Meijer-van Mensch 2015). Ein radikalerer Ansatz, der eine Abkehr vom Sammeln nach sich zieht, stellt der Ansatz des Schutzes am Ort dar (Protection in situ). Dies bedeutet, Objekte dort zu belassen, wo sie sind, aber zu ihrem Schutz beizutragen.
Post-Globalisierung und Digitalität Die Diskussion über Restitution, Rückgabeprozesse und neue Konzepte des Bewahrens insgesamt führt unweigerlich zu einer grundlegenden Reflexion über den Eigentumsbegriff. Für einige Kulturen erscheint die Sammlung von Objekten mit dem Zweck, sie zu bewahren und in einem Museumskontext auszustellen, geradezu absurd, denn sie besitzen traditionelle und gut funktionierende Mechanismen, um ihr kulturelles Erbe und die damit verbundenen Objekte zu bewahren. Gerade der Gegensatz zwischen dem westlichen Konzept von Besitz und dem Verständnis in indigenen Kulturen kann fruchtbar gemacht werden, um Shared Ownership und einen Schutz am Ort in Zusammenarbeit mit Herkunftsgemeinschaften zu entwickeln. (Tythacott und Arvanitis 2014, 6–7) Diese radikale Re-Konzeptualisierung verabschiedet sich
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damit auch von einer Materialität und einer Sammlungsidee, die aufgrund von kolonialen Machtverhältnissen erst möglich wurde und die im fortwährenden Objektbezug auch weiter zum Ausdruck gebracht wird. Für Museen, die dem Verständnis des Sammelns als Obhut und dem Schutz am ursprünglichen Ort folgen, öffnen sich auch völlig neue Möglichkeiten, ihr Publikum sowie andere Stakeholder im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung einzubinden. Um Besucher für den Reichtum des kulturellen Erbes außerhalb des Museumsgebäudes zu sensibilisieren, können die traditionellen Ausstellungs- und Kommunikationsmethoden der Museumsarbeit neu überdacht werden. Insbesondere innovative Methoden mit digitalen Medien bieten hier Möglichkeiten, um das Besuchserlebnis in situ mit dem Museum zu verbinden. (Manders 2008, 39) Wenn Sharing Economy bedeutet, dass Museen nicht die Last des Besitzes tragen wollen, dann machen digitale Sammlungen die Dinge, die sie nicht besitzen wollen, für die Allgemeinheit verfügbar. Dieser Ansatz stellt Museen in den Mittelpunkt der Sharing Economy (siehe Merritt 2014, 45). Eine Neuausrichtung von Museen im Post-Kolonialismus kann auch radikale Konzepte wie ein Museum ohne Objekte, virtuelle Museen oder Hypermuseen, in denen Objekte lediglich medial präsentiert werden (Sola 2017, 257), unterstützen. Die Kontextualisierung, Information und Narration können leichter angepasst und an aktuelle Entwicklungen adaptiert werden sowie unterschiedliche Perspektiven zulassen. Damit entsteht ein flexibler Ausstellungsraum, der einfacher auf bestimmte Zielgruppen sowie spezifische Vermittlungsziele zugeschnitten werden kann. Das post-koloniale Museum kann auch als ein Museum ohne Ort gedacht werden, das als diffuse Institution vollständig im sozialen Raum agiert (Angelis et al. 2014, 18).
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Abbildung 13: Sammlung und Nachhaltigkeit
Quelle: eigene Abbildung.
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7.2 Postwachstum und Entsammeln Die Aufgabe des Sammelns beinhaltet bereits einen Antrieb für kontinuierliches Wachstum. Daher ist die Kritik am Wachstumsparadigma und der Diskurs zu Postwachstum für Museen insbesondere im Hinblick auf die Sammlung äußerst relevant. Postwachstum für Sammlungen bedeutet, eine neue und fachlich fundierte Diskussion über Deakzession zu führen, unabhängig von der Provenienz und den Rahmenbedingungen der Akzession.
Sammlungsstrategie und Wachstum Typischerweise befinden sich Museumssammlungen in einem ungebremsten Wachstum, bei dem die Wachstumsrate deutlich über der Rate der Deakzession liegt (Vecco und Piazzai 2015, 223). Wenn ungebremstes Wachstum niemals nachhaltig sein kann, dann müssen Museen einen Weg finden, das Entsammeln – trotz der damit verbundenen Risiken – in ihre Identität zu integrieren. Es geht demnach um eine nachhaltige Sammlungsstrategie, die am Bewahren für die Zukunft festhält und gleichzeitig die Kritik am Wachstumsparadigma berücksichtigt (siehe Abbildung 13). Eine Sammlungsstrategie im nachhaltigen Museum stützt sich grundlegend auf die Idee der Nachhaltigkeit. Sie definiert eindeutige Kriterien für Objekte zur Aufnahme in die Sammlung und zielt vor allem auf einen stark kontrollierten bzw. restriktiven Sammlungszuwachs in klar definierten Bereichen. Eine solche Strategie umfasst jedoch nicht nur die spezifisch sammlungsbezogenen Überlegungen wie Verkleinerung bzw. Postwachstum, Guardianship oder Restitution. Sie kann darüber hinaus auch die Funktion der Objekte für eine nachhaltige Entwicklung berücksichtigen. Eine Postwachstumsstrategie könnte auch das Streben nach Vollständigkeit und Repräsentativität hinterfragen. Vielmehr könnten Sammlungen noch stärker als ausschnitthaft, durch Entstehungszusammenhänge bedingt und teilweise aus Zufällen entstanden begriffen werden (Merriman 2008, 17). Während die Vision, eine große Sammlung für die Ewigkeit zu bewahren, eventuell die großen Nationalmuseen umsetzen, könnten kleinere Museen zukünftig andere Sammlungsstrategien verfolgen. Sie könnten regional oder zeitlich begrenzte kulturelle Funktionen übernehmen und ihre Sammlungsstrategie nicht unbedingt auf eine quasi unbestimmte Zeit ausrichten. (Merriman 2008, 18) Die Sammlungsstrategien von Museumsverbünden bieten dabei eine besondere Chance, denn hier können etwaige Doppelungen
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von Objekten auftreten. Mit einer Fokussierung auf das Exemplar im jeweils besten Zustand können hier gegebenenfalls bereits sinnvolle Ansätze zur Entsammlung gefunden werden.
Entsammeln vereinfachen Um Sammlungen zu verkleinern bzw. die Anzahl der Sammlungsobjekte zu verringern, muss Entsammeln vereinfacht werden und Museen müssen in die Lage versetzt werden, ihre Sammlungsobjekte leichter loszuwerden (Davies und Wilkinson 2008, 15). Einem Entsammeln geht stets eine umfangreiche Prüfung voraus, bei der die Voraussetzungen zur Deakzession anhand eines individuellen Kriterienkatalogs bewertet werden. Das Vorgehen der Deakzession muss für jedes Objekt dokumentiert werden. Dieser Vorgang des Entfernens kann unterschiedlich realisiert werden, unter anderem durch Rückgabe, Weitergabe oder langfristige Ausleihe, Schenkung, Verkauf oder Tausch sowie auch Zerstörung. Dabei gibt es unterschiedliche Rahmenbedingungen für eine Deakzession, die auch durch die Entstehungsgeschichte und institutionelle Verankerung in unterschiedlichen Kulturkreisen begründet sind. Museen, die als privatwirtschaftliche Institutionen agieren und deren Sammlungen aus privaten Schenkungen herrühren, haben in der Regel geringere Hürden für ein Entsammeln. Wenn dagegen Sammlungsobjekte aus königlichen Sammlungen stammen, Museen von der öffentlichen Hand finanziert sind und den Auftrag haben, das kulturelle Erbe zu bewahren, sind die Hürden für eine Deakzession in der Regel sehr hoch. Die zentrale Kritik an der Praktik der Deakzession ist, dass sie offensichtlich die Gefahr birgt, dass Sammlungsobjekte nicht mehr für folgende Generationen bewahrt werden. Wenn aber wachsende Sammlungen sowie deren Finanzierung zunehmend problematisch werden, besteht Zukunftsfähigkeit auch aus dem Vermögen, Sammlungen in ökonomischen und anderen Krisen für nachfolgende Generationen bewahren zu können (Vecco und Piazzai 2015, 223).
Neue Chancen durch schrumpfende Sammlungen Obwohl Deakzession ein wichtiger Bestandteil einer Postwachstumsstrategie für Museen ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig radikales Entsammeln und das Stoppen von Akzession von Objekten; dies würde tatsächlich der grundle-
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gendsten Mission des Museums widersprechen. Postwachstum bedeutet vor allem auch: »doing more, and doing better, with less« (Latouche und Macey 2009, 55). Eine nachhaltige Sammlungsstrategie kann trotz schrumpfender Bestände neue Bedeutungen und neue Ansätze zur Inwertsetzung von Objekten in den Blick nehmen. Wachstum in Bezug auf Sammlungen könnte in Zukunft nicht als eine steigende Anzahl an Objekten verstanden werden, sondern als die Ausbildung von intensiveren und relevanteren Beziehungen der Sammlung zu Besuchern und anderen Stakeholdern sowie die Überführung von Objekten aus den Museen in neue Bedeutungszusammenhänge (Morgan und Macdonald 2020, 66). In einer zunehmend materiellen Kultur, die auch durch Konsumobjekte geprägt ist, wird das Sammeln von Alltagsgegenständen durch Laien außerhalb des Museums weiter zunehmen. Diese Entwicklung bietet die Möglichkeit zur vertieften Zusammenarbeit mit Stakeholdern und den Ausgangspunkt für Diskurse zum Sammeln als epistemologischer Praktik. (Macdonald 2006, 92) Zusammenfassend gehen mit dem Entsammeln zahlreiche Chancen einher; dazu gehören (Vecco und Piazzai 2015, 225): • • •
ethische Vorteile: ständig wachsende Sammlungsbestände sind nicht nachhaltig; praktische Vorteile: bessere Zugänglich- und Sichtbarkeit aus Publikumsperspektive; finanzielle Vorteile: geringere Kosten für den Sammlungsbestand sowie erzielte Erlöse.
7.3 Archive, Depots und ökoeffiziente Prozesse Sammlungen tangieren im Wesentlichen zwei Aspekte der Nachhaltigkeit: einerseits eine soziale und ethische Dimension, die in den vorhergehenden Abschnitten diskutiert wurde, sowie andererseits die ökologischen Auswirkungen. Depots und Archive verbrauchen die meisten Ressourcen innerhalb des Museums und verursachen damit den größten negativen Effekt im Hinblick auf Umwelt und Klima (Abbey 2012, 107). Ein Grund dafür ist, dass die Sicherung und Erhaltung von Objekten sowie die Pflege der Sammlungen insgesamt energie- und ressourcenintensiv sind. Bei Ansätzen für eine Transformation zu nachhaltigen Sammlungen tritt daher schnell die Konfliktlinie
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zwischen den konservatorischen Anforderungen im Hinblick auf das Raumklima und die Energieeinsparungen in der Klimatechnik hervor.
Raumklima und Nachhaltigkeit Um einen optimalen Schutz der Sammlungsobjekte zu gewährleisten, haben Museen heute strenge Anforderungen an das Raumklima. Sie basieren auf der Erkenntnis, dass eine stabile Umgebung, also enge Umweltparameter, den sichersten Zustand für die Ausstellung und Lagerung von Sammlungen darstellen. Diese maximal engen Klimakorridore zur Konservierung der Sammlungsobjekte resultieren häufig in voll klimatisierten Gebäuden mit enorm hohen Energieverbräuchen und CO2 -Emissionen. Obwohl diverse Klimaklassen genügend Spielräume bieten (American Society of Heating Refrigerating and Air-Conditioning Engineers Inc. 2019), um angepasste Vorgaben für die meisten Sammlungen zu definieren, halten viele Museen an den strengen Raumklimaklassen fest (Kramer et al. 2017, 14). Ein Grund dafür ist auch, dass Richtlinien und Schwankungsbereiche für das Raumklima in der Vergangenheit aufgrund der technischen Beschränkungen der Klimasysteme festgelegt wurden und weniger im Hinblick auf die Anforderungen der Sammlung (Neuhaus 2013, 118). Vor diesem Hintergrund hat sich der praxisorientierte und auch wissenschaftliche Diskurs darüber intensiviert, wie hoch das Risiko für Objekte bei unterschiedlich stark schwankenden Parametern wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit wirklich ist (siehe Bickersteth 2014). Im Hinblick auf eine Reduktion des Energieeinsatzes geht es vor allem darum zu ermitteln, wie groß der Bereich der Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankung sein kann, ohne die Objekte einem inakzeptablen Risiko auszusetzen. (Weintraub 2012, 342–343) Mit dem Motto »stable is safe« argumentieren Konservatoren, dass die jetzigen Bedingungen das Resultat jahrzehntelanger Anstrengungen sind und deshalb keine Lockerung der Standards zugelassen werden sollte. Auf der anderen Seite wird für breitere Klimakorridore argumentiert und dafür, dass für die empfindlichsten Objekte Sonderlösungen umgesetzt werden können. (Bickersteth 2014, 218) Grundsätzlich müssen die Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen von Umweltparametern auf Objekte als wenig eindeutig bezeichnet werden. Außerdem sind die Ergebnisse häufig durch experimentelle Methoden und nicht durch die Erhebung langer Zeitreihen in Museen entstanden. Der derzeitige Stand der Forschung muss insgesamt als zu in-
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konsistent bezeichnet werden, als dass darauf aufbauend sichere Entscheidungen getroffen werden können. (Bickersteth 2014, 223)
Risikomanagement Daher scheint es angezeigt, einen vorsorgenden Ansatz hinter sich zu lassen und stattdessen ein Risikomanagement einzusetzen (Staniforth 2014, 213). Dass Versicherungen, auch im Rahmen von Leihgaben, eine solches Risikomanagement akzeptieren, ist eine weitere Entwicklungsaufgabe für ein nachhaltiges Sammlungsmanagement. Für ein Risikomanagement im Hinblick auf Raumklima-Vorgaben in Museen müssen vielfältige Informationen auf Detailebene abgewogen und mit komplexen Informationen auf der Makroebene, bspw. zum Gesamtgebäude und dem Klima, kombiniert werden (Ankersmit und Stappers 2017, 9). Ankersmit und Stappers (2017) haben einen klar strukturierten Prozess zur Entscheidungsfindung im Hinblick auf das Innenraumklima entwickelt, der im Folgenden skizziert wird: In einer Umfeld- und Stakeholderanalyse werden alle Beteiligten eingebunden und deren Ziele integriert. Den Rahmen setzten nicht nur Standards und Gesetze, sondern auch Vorgaben von Leihgaben und Versicherungen. Daran schließt sich eine Analyse von Wert und Bedeutung der Objekte an. Daraufhin werden die Klimarisiken der Sammlungsobjekte sowie die des Gebäudes analysiert und in Empfindlichkeitsklassen unterteilt (Ankersmit und Stappers 2017, 10). Im Rahmen einer solchen Sensitivitätsanalyse sollten vor allem Objekte identifiziert werden, die ein hohes Risiko haben, durch klimatische Beeinträchtigungen beschädigt zu werden, ebenfalls solche Objekte, bei denen ein falsches Raumklima einen großen Wertverlust hervorrufen kann (Ankersmit und Stappers 2017, 272). Die Ansprüche der Mitarbeitenden und des Publikums werden ebenfalls definiert. Die beiden maßgeblichen Schritte des Risikomanagements umfassen die Gebäudeanalyse und die Entwicklung von Vorgaben. Eine Untersuchung des jeweiligen Gebäudes ergibt die für das Innenraumklima entscheidenden Faktoren. Beispielsweise gilt es, die Aspekte des Gebäudes zu identifizieren, die den wichtigsten Einfluss auf das Innenraumklima besitzen. Daraufhin folgt die Entwicklung von Vorgaben für das Raumklima auf Basis aller vorher gesammelten Informationen und unter Berücksichtigung der Stakeholder. Ausgehend von den Vorgaben werden nun unterschiedliche Strategien zur Umsetzung im Gebäude, bspw. in Form von Klimazonen und Einzellösungen für Objekte entwickelt. Der Prozess schließt mit einer strukturierten Ent-
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scheidungsmethodik, mit deren Hilfe die Alternativen gegeneinander abgewogen werden. (Ankersmit und Stappers 2017, 10) Als Entscheidungsmethoden kommen bspw. die Multikriterienanalyse sowie die Kosten-Nutzen-Analyse in Frage. Obwohl akzeptiert werden muss, dass Entscheidungen bezüglich des Raumklimas mit Unsicherheiten behaftet sind und jede Entscheidung ein Risiko beinhaltet, führen eine solche Strukturierung des Prozesses und die Berücksichtigung vieler Kriterien zu besseren Entscheidungen. (Ankersmit und Stappers 2017, 264–265) Diese klassischen Entscheidungsmethoden werden bei der Anwendung in Sammlungen mit einer Konsequenzmatrix ergänzt, um eventuelle Auswirkungen auf Sammlungsobjekte abzubilden (Ankersmit und Stappers 2017, 249). Dieser gemeinsame Abwägungsprozess aller Stakeholder führt zu einer Entscheidung, die für Teilbereiche des Gebäudes sowie jahreszeitenabhängig definiert, welche Schwankungen von relativer Luftfeuchtigkeit und Temperatur zulässig sind (Ankersmit und Stappers 2017, 201). Im Hinblick auf einen nachhaltigen Betrieb ist es essenziell, dass Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen der Multi-Kriterien-Analyse in die Entscheidung Eingang finden. Des Weiteren sollten in eine erweiterte Kosten-NutzenAnalyse auch die Folgekosten im Hinblick auf Energieverbrauch und den Klimawandel integriert werden. So wichtig die risikenbasierte Bewertung und die Diskussion darüber ist, wie Sammlungsobjekte beschädigt werden könnten, so könnte ein Perspektivwechsel den Wandlungsprozess beschleunigen. Eine vorteilsbasierte Diskussion könnte sich stärker um die Frage drehen, wie nachhaltige Entwicklung und gesellschaftlicher Wandel von der Ausstellung und Interpretation der Sammlungen profitieren kann. Eine fundierte Einschätzung dieser positiven Wirkungen sollte ebenso in den Abwägungsprozess um das Innenraumklima in Museen einbezogen werden. Ziel sind kostengünstige, energieeffiziente und auf die Sammlung und das Gebäude individuell angepasste raumklimatische Bedingungen. (Ankersmit und Stappers 2017, 186) Da eine solche Entwicklung einer Raumklimastrategie aufwendig und kostenintensiv ist, wird häufig die schnellste und scheinbar sicherste Entscheidung getroffen: In der weiteren Planung wird von einer gemischten und gleichzeitig hochsensiblen Sammlung ausgegangen (Ankersmit und Stappers 2017, 11). Dagegen bieten die Tolerierung größerer Schwankungen und flexiblere Werte von Temperatur- und Luftfeuchtigkeit die Möglichkeit, die Energiekosten ohne kostenintensive Umbaumaßnahmen zu senken. Dabei ist zu beachten, dass durch die einfach umzusetzende Änderung der
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Toleranzbereiche nicht andere Einsparpotenziale in den Hintergrund treten, die zwar vielleicht eine höhere Investition in HLKK-Systeme erfordern, aber zu wesentlich substanzielleren Energieeinsparungen führen könnten. (Weintraub 2012, 343)
Ansätze für energieeffiziente Depots In der Vergangenheit orientierte sich die Klimatisierung in Depots an international gültigen Normen, die die Rahmenbedingungen des Gebäudes sowie des Außenklimas weitgehend ignorierten. Eine nachhaltige Klimatisierung von Sammlungsdepots ergänzt diese gültigen Standards durch Erfahrungswissen, das auf die spezifische Situation vor Ort bezogen ist. Dadurch entsteht ein saisonal gleitendes Klima, mit höheren Schwankungen, mit dem trotzdem sichere Umgebungsverhältnisse für die Sammlungsobjekte gewährleistet werden können. Die Luftaustauschrate ist eine zentrale Kenngröße im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, da durch sie die Menge der aufbereiteten Luft und damit die Größe der Klimaanlage definiert wird. Hier ist insofern ein Umdenken erforderlich, als das Raumklima in Museen eher das lokale Klima widerspiegeln sollte, als internationale Standards. (Staniforth 2014, 216) Zu dieser veränderten Strategie der Klimatisierung tritt auch eine angepasste und ressourcenschonende Umsetzung: Passive Klimatisierung wie beispielsweise natürliche Belüftung bedarf geringerer technischer Investition und zieht damit auch eine einfachere Steuerung nach sich. Im Gegensatz zu einer aktiven Kontrolle des Raumklimas durch Klimaanlagen bietet eine passive Steuerung durch bauphysikalische Eigenschaften den Vorteil, dass sie langlebiger und verlässlicher ist. (Neuhaus 2013, 118) Auch wenn Temperaturschwankungen der maßgebliche Faktor für den Zerfall von organischen Sammlungsobjekten sind, zeigen zahlreiche Fallstudien von historischen Museen und Archiven sowie Neubauten aus unterschiedlichen Klimazonen, dass Sammlungsgut durch Temperaturschwankungen – die zwar außerhalb der heute geltenden Normen liegen, aber trotzdem als gemäßigt bezeichnet werden können – nicht geschädigt wird. Wird die relative Luftfeuchte als zweiter entscheidender Faktor statt durch Heizung und Kühlung mit einer Luftentfeuchtung kontrolliert, ergeben sich – zumindest für die meisten Standorte in gemäßigten Klimazonen – energieeffiziente Möglichkeiten der Konservierung. Die Luftentfeuchtung kann mittels Solarenergie betrieben werden und vorübergehende Extremwetterereignisse können durch einen Feuchtepuffer ausbalanciert werden.
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Unter dieser Perspektive kann eigentlich, so wird argumentiert, kaum noch von einem Konflikt zwischen Energieeinsparung und konservatorischen Standards gesprochen werden. (Larsen et al. 2012, 58–60) Entscheidend für die Nachhaltigkeit von Neubauten ist auch, wie die skizzierte Risikoabwägung in die Planungsphase integriert wird. Zielführend ist es, die Objekte mit den höchsten Anforderungen im Hinblick auf klimatische Schwankungsbereiche speziell zu behandeln und nicht das gesamte Museum nach ihnen zu planen. Empfindliche Objekte können in Spezialvitrinen aufbewahrt werden, die eine Kontrolle des Raumklimas erleichtern, anstatt dass das gesamte Gebäude nach den Anforderungen einzelner Objekte klimatisiert wird. Die Integration von Risiken in die Planung beinhaltet auch die Abwägung der Eintrittswahrscheinlichkeit mit den Kosten der kompletten Minimierung dieser Wahrscheinlichkeit: Der Energieverbrauch sollte dort verringert werden, wo die Eintrittswahrscheinlichkeit extrem gering ist. (Neuhaus 2013, 125) Ferner können Algorithmen und Energiesimulation den Energieverbrauch von unterschiedlichen Klimaklassen berechnen, um durch dynamische Steuerungen der Klimatechnik die Risiken für Sammlungsobjekte und Energieeffizienz in Einklang zu bringen (Kramer et al. 2017, 14). Mit der zunehmenden Digitalisierung des Sammlungsbestandes und dem Aufbau von Datenbanken für objektbezogene Daten können Wissenschaftler und andere Stakeholder auf viele Informationen inklusive Bilder und 3D-Darstellungen zugreifen, ohne das Objekt im Depot in Augenschein zu nehmen. Daraus folgt laut Sutton (2008, 6), dass das physische Sammlungsobjekt im Depot weniger oft genutzt wird. In Zukunft kommen daher Sammlungen mit einem geringeren Platzbedarf aus, da Objekte dichter gelagert werden können. So können alternative, energieeffiziente Konzepte der Depotorganisation umgesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Gliederung von Depots nach Materialien, was einfachere einheitliche klimatische Verhältnisse ermöglicht und zu Energieeinsparungen führen kann. Die Digitalisierung der Sammlungen birgt damit auch eine große Chance für die ökologische Nachhaltigkeit von Archiven: Die langfristige (Auf-)Bewahrung der Sammlungsobjekte tritt in den Vordergrund, während die leichte Zugänglichkeit weniger bedeutsam wird – damit können Platzbedarf und Energieverbrauch erheblich reduziert werden. (Sutton und Wylie 2008, 6) Zusammenfassend muss der Einsatz von HLKK-Systemen in einem Abwägungsprozess zwischen den Anforderungen zur Aufbewahrung von Kulturgut und dem Ressourcenverbrauch definiert werden. Es geht also um eine optimale und keine maximale Risikominimierung für das Sammlungsgut.
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Daraus folgt vor allem, dass die Standards der Klimaanforderungen in der Regel – auch vor dem Hintergrund neuer Forschungsergebnisse – neu bewertet und entwickelt werden müssen.
Nachhaltigkeit in Konservierung und Restaurierung Nachhaltigkeit in Konservierung und Restaurierung betrifft insbesondere die Nutzung von Risikoprognosen, den Ansatz der präventiven Konservierung sowie einen bewussten Einsatz von Materialien und Produkten für die eigentlichen Tätigkeiten (Di Turo und Medeghini 2021, 3619). Die folgenden Empfehlungen basieren maßgeblich auf Silva und Henderson (2011). Materialien und Substanzen, die bei Konservierung und Restaurierung zum Einsatz kommen, können bei ihrer Herstellung, Anwendung sowie ihrer Entsorgung gewisse Auswirkungen auf die Umwelt haben. Zu den Tätigkeiten mit potenziell problematischen Substanzen gehören unter anderem Abbeizen, Reinigen und Trocknen, Entfernen toxischer Verunreinigungen, Korrosionsschutz sowie Lagerung (Silva und Henderson 2011, 7). Im Kern einer Praxis der nachhaltigen Restaurierung steht daher eine ökologische Beschaffung, Verwendung und Entsorgung. Hier gilt es, eine enge Zusammenarbeit mit den Arbeitsfeldern Beschaffung und Abfallmanagement zu entwickeln. Der zentrale Ausgangspunkt für die ökologisch nachhaltige Anwendung solcher Substanzen ist die Einhaltung von relevanten Vorschriften. Dazu gehören organisatorische, nationale und internationale Bestimmungen, bspw. zur Verwendung von Gefahrstoffen. Einen zusätzlichen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit wäre die vorausschauende Veränderung von Praktiken und eingesetzten Materialien. Beispielsweise können potenziell schädliche Produkte und Substanzen bereits vor einem Verbot identifiziert und durch umweltfreundliche Alternativen ersetzt werden. (Silva und Henderson 2011, 8) Bei der Auswahl von Materialien für Behandlungen sollten die Konservatoren basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen die Notwendigkeit ihrer Verwendung hinterfragen und wann immer möglich Alternativen zu gefährlichen Produkten einsetzen. Im Allgemeinen ist anzustreben, für die Reinigung und Konservierung von Sammlungsobjekten ungiftige und biologisch abbaubare Substanzen zu verwenden. Idealerweise basiert die Auswahl der Produkte auf Lebenszyklusanalysen, mindestens jedoch auf Abschätzungen zu den Umweltauswirkungen. (Di Turo und Medeghini 2021, 3619) Eine Datenbank, in der die relevanten Faktoren für die konservatorische Arbeit sowie auch Informationen zur Umweltverträglichkeit und Ergebnisse von Lebens-
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zyklusanalysen abrufbar sind, kann dieses Vorgehen unterstützen. Es wird allerdings noch dauern, bis für einige der Substanzen, die eine grundlegende Rolle in der Konservierungspraxis spielen, alternative Materialien verfügbar sind. (Silva und Henderson 2011, 10–11) Bis dahin können Restauratoren den Verbrauch dieser Produkte durch sorgfältige Planung der Mengen und selektive Anwendung reduzieren. Insgesamt kann durch die fortlaufende Reflexion der eigenen Arbeitspraxis nicht nur die Effizienz der konservatorischen Maßnahmen verbessert, sondern gleichzeitig die unnötige Verwendung umweltbelastender Substanzen reduziert werden. (Silva und Henderson 2011, 12) Das Abfallmanagement im Arbeitsfeld Konservierung und Restaurierung orientiert sich wie in anderen Bereichen auch an dem 3R-Prinzip: Reduce, Reuse und Recycle. Als erster Schritt ist ein Abfall-Audit hilfreich, dass sich idealerweise an das Abfallmanagement der gesamten Institution angliedert (vgl. Kap.6.3). Aufgrund der potenziell umweltschädlichen Stoffe in der Konservierungspraxis ist aber auch ein spezifisches Abfall-Audit des Konservierungslabors sinnvoll, selbst wenn kein übergeordneter Prozess im gesamten Museum existiert. Grundsätzlich sollten potenziell schädliche Abfallstoffe in Übereinstimmung mit Vorgaben entsorgt werden. Wann immer möglich sollte man auf die lokale Infrastruktur für Recycling zurückgreifen. (Silva und Henderson 2011, 8–9) Ein möglicher Eintrag von umweltschädlichen Stoffen in Boden und Grundwasser durch Konservierungstätigkeiten sollte minimiert werden. Neben allgemeinen Vorkehrungen, um dies im Arbeitsalltag zu verhindern, sollte ebenfalls ein Notfallplan existieren, der Maßnahmen vorsieht, um im Fall einer unbeabsichtigten Freisetzung den Eintrag in die Umwelt zu verhindern. (Silva und Henderson 2011, 12) Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
Sammlung und Konservierung Eine Postwachstumsstrategie und einfachere Vorgaben für Deakzession entwickeln; 2. die Schwankungsbereiche der Klimatechnik überprüfen und flexible Raumklimaregime einsetzen; 3. den Erwerbskontext von Sammlungsobjekten offensiv kommunizieren und für Stakeholder zugänglich machen; 1.
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4. Partnerschaften mit Herkunftsgemeinschaften und Organisationen im globalen Süden stärken; 5. den Einsatz von toxischen Materialien und Lösungsmitteln verringern bzw. durch Alternativen ersetzen.
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Viele Museen sind neben ihrer öffentlichen Funktion für das Publikum auch wichtige natur- oder kulturhistorische Forschungseinrichtungen. Ihre Sammlungen stellen eine unschätzbare Ressource für zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen dar. Wie kann Forschung an Museen die grundlegenden Fragen der Nachhaltigkeit aufgreifen? Welche Rolle spielen sie in einer Gesellschaft, die zunehmend durch Wissenschaft geprägt wird? In diesem Umfeld agieren Museen stärker als je zuvor an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft und fördern eine offene, partizipative und demokratische Wissenschaftskultur. Vision Selbstverständnis
Begegnungs- und Diskursort für Wissenschaft und Gesellschaft
Expertise
Museales transdisziplinäres Forschungsverständnis, epistemologische Wissenschaftskommunikation, topaktuelle Digitalkompetenz
Praktik
Forschung als offene, kooperative und partizipative Tätigkeit verwirklichen
8.1
Nachhaltigkeitswissenschaft und transdisziplinäre Forschung
Die Entwicklung einer eigenständigen Nachhaltigkeitswissenschaft basiert auf der Annahme, dass Nachhaltigkeit nur auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen realisiert werden kann (Vries 2017, 4). Die Nachhaltig-
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keitswissenschaft ist am Ende der 1980er Jahre als Forschungsagenda entstanden und hat sich seitdem sehr dynamisch entwickelt. Zunächst standen umweltbezogene Fragestellungen im Vordergrund, die insbesondere auf globale Systeme angewandt wurden und im Sinne einer globalen Ökosystemforschung den wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskurs geprägt haben. (Vries 2017, 4) Zu Anfang dominierten ingenieurwissenschaftliche Disziplinen, die sich vor allem mit der Steuerung von ökologischen Systemen beschäftigen. Die Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit und die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung keine rein naturwissenschaftlichen oder ökologischen Probleme sind, sondern dass die Interaktion zwischen Natur und Gesellschaft im Zentrum steht, bildet den Ausgangspunkt für Fragen der Nachhaltigkeitswissenschaft. Diese sozial-ökologische Perspektive auf die Fragen der nachhaltigen Entwicklung sind somit kennzeichnend für den Ansatz der Nachhaltigkeitswissenschaft. Sie adressiert Probleme der nachhaltigen Entwicklung und bearbeitet sie insbesondere anhand von Theorien und Modellen, die die Zusammenhänge zwischen natürlichen und sozialen Systemen beschreiben. Darüber hinaus umfasst Nachhaltigkeitswissenschaft auch eine Anwendungsperspektive, in dem sie praktische Maßnahmen als Antwort für Probleme der Nachhaltigkeit entwickelt. (Kates 2016, 1) Die Auswirkungen und Risiken durch globale Krisen wie Klimawandel und Migration werden besonders in bestimmten Regionen sichtbar. Diese räumlichen Ausprägungen stehen in einem Zusammenhang mit sozialen sowie ökologischen Charakteristika vor Ort. Nachhaltigkeitswissenschaft ist daher auch immer ortsbezogen und agiert auf regionaler Ebene bzw. setzt diese in Beziehung zu globalen Systemen und Prozessen. (Kates et al. 2001, 641) Nachhaltigkeitswissenschaft kann zusammenfassend charakterisiert werden als (i) die Erforschung von sozial-ökologischen Systemen mit einem Fokus auf (ii) Wechselwirkungen zwischen natürlichen Systemen und sozialen Systemen, mit der Hilfe von (iii) transdisziplinären, integrativen Forschungsansätzen, um (iv) problembezogene Fragestellungen zu beantworten (Vries 2017, 5). Nachhaltigkeitswissenschaft kümmert sich um gesellschaftlich relevante Probleme mit Bezug zum Leitbild der Nachhaltigkeit. Damit unterscheidet sie sich von einem klassischen wissenschaftlichen Zugang, der Wertfreiheit als Ausgangspunkt jedes wissenschaftlichen Handelns setzt. (Evans und Achiam 2021, 1197)
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Sozialer Zusammenhalt durch transdisziplinäre Wissenschaft Die folgenden Überlegungen zur Übertragung des Ansatzes der Transdisziplinarität auf die Forschung im Museum basieren auf Jahn (2008). Für die in Kap.2.1 skizzierten Wicked Problems ist charakteristisch, dass sie Ursachen und Auswirkungen auf sozialen, räumlichen und zeitlichen Ebenen miteinander verbinden: Es greifen lokale und globale Aspekte ineinander, lange Zeithorizonte beeinflussen aktuelle Fragen (Jahn 2008, 25). Nachhaltige Entwicklung betrifft also unterschiedliche räumliche und zeitliche Spektren, was die Bearbeitung für die traditionelle, disziplinär aufgespaltene und arbeitsteilige organisierte Wissenschaft erschwert. »Dies erfordert eine neue Herangehensweise und neue Formen der Wissensproduktion, welche die Struktur dieser komplexen gesellschaftlichen Probleme adäquat aufgreifen« (Jahn 2008, 25). Diese Änderung ist vor allem eine Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation, wird doch bisher in weiten Teilen der Gesellschaft erwartet, dass Wissenschaft eindeutige und unumstößliche Fakten bereitstellt, um Entscheidungsprozesse zu unterfüttern. Dass wissenschaftliche Erkenntnisse zunehmend unsicher werden, führt dabei zu einem grundlegenden Zweifel an wissenschaftlicher Methodik, die jedoch zur Unterstützung von Entscheidungen auf globaler, gesellschaftlicher wie individueller Ebene notwendig ist. (Jahn 2008, 26) Transdisziplinäre Forschung setzt laut Jahn (2008) genau hier an: Sie bindet gesellschaftliche Akteure in den Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung mit ein. Transdisziplinarität ist ein Ansatz integrativer Forschung. Problemlagen werden dabei in einem Dialog der wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Akteure auf bearbeitbare Forschungsfragen zugespitzt (Jahn 2008, 27) . In der transdisziplinären Forschung arbeiten Forschende aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam an neuen Lösungen für ein Problem. Darin findet häufig eine Fokussierung auf Probleme des täglichen Lebens statt. Sie sorgt dafür, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen besser verständigen können. Transdisziplinäre Forschung bringt Menschen und Organisationen mit unterschiedlichen Interessen miteinander in Verbindung und ermöglicht eine Zusammenarbeit. Als Resultat entsteht auch eine Verbindung von unterschiedlichen Wissensbeständen und insbesondere die Möglichkeit, Erfahrungswissen und traditionelles Wissen zu verknüpfen. (Bergmann et al. 2010, 41–43) An dieser Funktion wird deutlich, wie stark transdisziplinäre Wissenschaft über den
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Wissenschaftsbetrieb hinaus in die Gesellschaft hineinwirkt und dort zu Verständigung und kulturellem Zusammenhalt beiträgt.
Transdisziplinäre Forschung in Museen Die Forschung im nachhaltigen Museum identifiziert Schnittstellen und produktive Ansatzpunkte zwischen Nachhaltigkeitswissenschaft und der sammlungsbezogenen Forschung. Während vor allem in Naturkundemuseen die Bezüge offensichtlich sind, ist ein breiteres Verständnis von Nachhaltigkeit hilfreich, um auch für andere Museumsgattungen Berührungspunkte und Chancen freizulegen. Wenn lebensweltliche Probleme als Ausgangspunkte für Forschungsfragen dienen, müssen Akteure der gesellschaftlichen Praxis in jedes transdisziplinäre Forschungsprojekt einbezogen werden (Bergmann et al. 2012, 36). Museen können in solchen Konstellationen als Praxispartner in transdisziplinären Forschungsvorhaben involviert sein und selbst weitere Stakeholder wie etwa Besucher miteinbeziehen. Damit Transdisziplinarität zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann, muss sie eingebettet werden in eine breite gesellschaftliche Debatte zur Rolle der Wissenschaft, sowie zu deren Lösungsansätzen für die globalen Herausforderungen (Hirsch Hadorn et al. 2008, 441). Museen können besonders wichtige Akteure in solchen Forschungsverbünden sein, da sie ideale Orte für diesen gesellschaftlichen Diskurs darstellen und hier als Scharnier zwischen Forschung und Gesellschaft dienen können. Museen können in dieser Rolle auf einzigartige Weise zu einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft beitragen (siehe Abbildung 14). In der transdisziplinären Forschungspraxis werden außerdem Integrationsmethoden und -instrumente eingesetzt. Zu diesen Methoden gehören unter anderem theoretische Rahmung und die Integration durch Artefakte und Produkte (Bergmann et al. 2012, 50). Im Rahmen von transdisziplinärer Forschung in und mit Museen bietet sich vor allem die Integration durch Artefakte als sogenannte Grenzgegenstände (Boundary Objects) an. Ein Boundary Object »markiert diejenigen Schnittstellen, an denen sich Akteure aus verschiedenen Bereichen wie Wissenschaft, Politik, Wirtschaft begegnen, orientieren und verständigen können, ohne zuvor aufwendige Übersetzungs- und Transformationsleistungen in Bezug auf Begriffe, Theorien und Methoden leisten zu müssen« (Bergmann et al. 2010, 106). Sammlungsobjekte in Museen sind somit geradezu exemplarische Boundary Objects, da sie sich mit ihrer Plastizität und ihrer anschaulichen Gegenständlichkeit für trans-
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disziplinäre Forschungsprozesse als »materialisierte Kristallisationspunkte« (Bergmann et al. 2010, 108) anbieten. Dabei geht es nicht ausschließlich um unterschiedliche Perspektiven auf und Informationen zu den Boundary Objects (Star und Griesemer 1989, 414), sondern um deren materielle Qualität als Ausgangspunkt für eine Problemlösung. Durch ihre Eigenschaft als reale Gegenstände bieten Sammlungsobjekte grundsätzliche Potenziale für einen Praxisbezug. Objekte können also sowohl als Integrationsschnittstelle für anwendungsbezogene Fragen als auch für wissenschaftsbezogene Projektpartner dienen (Bergmann et al. 2012, 108). Daneben hat der Einsatz künstlerischer und sensorischer Methoden in Forschungsprozessen das Potenzial, nicht nur andere Methoden der Erkenntnisgewinnung zu entwickeln, sondern auch die Wissensvermittlung im Bereich der Nachhaltigkeitswissenschaften zu bereichern. Diese künstlerische Forschung ermöglicht neue Formen der Wissensproduktion insbesondere für die komplexe Nachhaltigkeitswissenschaft. (Heinrichs 2018, 132) Dabei existieren zahlreiche Überschneidungen zu Co-Design, Co-Produktion und Co-Dissemination (Pettibone et al. 2018, 222). In Museen tritt die Co-Kuration zu diesen Methoden hinzu. Die Perspektive der Transdisziplinarität bietet auch Chancen für Registrare und die Arbeit mit Sammlungen. Die Organisation von Sammlungen ist häufig von formalisierten und geschlossenen Kategorisierungen gekennzeichnet. Laut Cameron und Mengler (2009) wirken sich solche starren Formalisierungen auch auf die Anschaffung neuer Objekte, die Informationsspeicherung sowie die Ausstellung aus. Dagegen erweitert die Digitalisierung von Sammlungen den kulturellen Bezugsrahmen und bringt neue Anforderungen zur Abbildung dieser Komplexität mit sich. (Cameron und Mengler 2009, 190–191) Transdisziplinäres Sammlungsmanagement kann die Bedeutung von Objekten über Disziplingrenzen hinaus erweitern. Es kann dazu dienen, die Grenzen der Klassifikation und der Kontextualisierung durchlässiger zu machen. (Cameron und Mengler 2009, 213–214). Transdisziplinäre Ansätze für Museumssammlungen können verwendet werden, um die Beziehungen und die Organisation von Sammlungsobjekten neu zu deuten. Dadurch können neben dem Sammlungsmanagement auch die Interpretation von Objekten und die kuratorische Arbeit neue Impulse erhalten. (Cameron und Mengler 2009, 189)
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Abbildung 14: Transdisziplinarität im Museum
Quelle: basierend auf Jahn 2008, 31.
Lokale Verankerung durch Transdisziplinarität Um komplexe sozial-ökologische Probleme auf lokaler Ebene zu lösen, ist ein gemeinsamer Lernprozess von unterschiedlichsten Akteuren notwendig.
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Ein solches Netzwerk kann auch als Community of Practice verstanden werden. Museen können durch eine transdisziplinäre Zusammenarbeit auf lokaler Ebene zu einer sogenannten Transdisciplinary Community of Practice beitragen. (Cundill et al. 2015, 1–2) Erfolgreiche lokale Kooperationen sind jedoch voraussetzungsvoll und erfordern spezifische Ansätze. Um Interessierten den Einstieg in den Partizipationsprozess im Rahmen der Nachhaltigkeitsforschung zu ermöglichen, ist es wichtig, dass für nicht an einem Projekt beteiligte Besucher niedrigschwellige Möglichkeiten zum Beobachten durch sogenannte intellektuelle Nachbarn existieren. Dies ermöglicht den außenstehenden Akteuren, das im Projekt generierte Wissen wahrzunehmen, zu hinterfragen und zu verbreiten. Darüber hinaus erleichtert die Arbeit mit charakteristischen lokalen Boundary Objects die Identifikation mit dem Projekt für unterschiedliche Akteure. Eine lokale Einbettung kann außerdem gesteigert werden, indem die asymmetrischen Machtstrukturen zwischen Experten und Laien sensibel und strategisch angegangen und in Frage gestellt werden. (Cundill et al. 2015, 3–4)
8.2 Vom Public Understanding of Research zur Vermittlung von Erkenntnistheorie Wissenschaftliche Erkenntnisse und die Ergebnisse von Forschungsvorhaben werden für die Steuerung der Gesellschaft zunehmend relevant. Ein Beispiel dafür ist die Interpretation der Daten während der Covid19-Pandemie oder die Diskussion um Klimawandelmodellierungen. Für den gesellschaftlichen Diskurs insgesamt und jeden Einzelnen wird es in Zukunft notwendig sein, nicht nur wissenschaftliche Ergebnisse zu verstehen, sondern auch den Prozess der Forschung selbst verstehen und reflektieren zu können. Diese Reflexionsfähigkeit wird zunehmend wichtiger, um als informierter und engagierter Bürger an der Gestaltung der Gesellschaft mitwirken zu können. Wissenschaftskommunikation wird sich daher in Zukunft weniger auf die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Themen fokussieren, sondern viel mehr auf die Vermittlung des Forschungsprozesses selbst. Der Ansatz einer solchen Wissenschaftskommunikation ist ein Public Understanding of Research und nicht ein Public Understanding of Science (Powell und Field 2001). Vor diesem Hintergrund besteht der Bildungsauftrag von Museen in erster Linie nicht in der Vermittlung von Erkenntnissen, sondern in der Sensibilisierung für den Prozess des Erkenntnisgewinns.
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Public Understanding of Research konzentriert sich auf Forschung als Prozess. Dabei werden auch Fehler, Irrwege und abweichende Interpretationen aufgezeigt. Gleichermaßen werden die normativen Grundlagen von Forschung transparent gemacht sowie die ethischen und gesellschaftlichen Implikationen diskutiert. Die möglichen Anwendungen von wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Auswirkungen werden thematisiert. (Powell und Field 2001, 423–424) Um den Prozess der Forschung verständlich zu vermitteln, geht es zunächst um eine Heranführung an wissenschaftliches Arbeiten bzw. die sogenannte wissenschaftliche Methode, Scientific Method (siehe Gower 2002). Dabei wird reflektiert, wie der Einfluss von Fehlern, individuellen Perspektiven, sozialen Interaktionen und Prägungen sowie Vorurteilen ausgeschaltet werden kann. Zu einem kritischen Verständnis trägt bei, die auftretenden Probleme und Herausforderungen für Forschende zu thematisieren und aufzuzeigen, wie damit im Forschungsprozess umgegangen wird. Ein wichtiger Aspekt für das Verständnis der wissenschaftlichen Arbeitsweise ist darüber hinaus die Entwicklung und Anwendungen von Methoden und Instrumenten. Dadurch wird der Prozess der Wissensgenerierung nachvollziehbar und greifbar. Für eine solche Kommunikation über die Herangehensweise wie Erkenntnisse und Wissen entstehen, bedarf es neuer sozialer Orte, denn diesem Diskurs muss ein Raum gegeben, er muss moderiert und gestaltet werden (Durant 2004, 59). Dafür ist die radikale Öffnung von Forschungseinrichtungen für die Öffentlichkeit dringend notwendig. Mit ihrer expliziten Publikumsfokussierung erscheinen Museen – viel stärker als Universitäten und Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen oder Labore – als die optimal geeigneten Institutionen, um diesen Prozess zu gestalten. Museen sind der ideale Ort, um Forschung für Laien zu öffnen, Bürgerwissenschaft zu fördern und allgemein zu einem öffentlichen Verständnis von Forschung beizutragen.
Wissenschaftstheorie als Grundlage der Vermittlung Um transdisziplinäre Forschung und Nachhaltigkeitswissenschaft zu verstehen und einordnen zu können, ist es darüber hinaus notwendig, ein grundlegendes Verständnis von theoretischen Überlegungen zur Beschaffenheit und Bewertung von Wissen zu erwerben. Als niedrigschwelliger und leichter Einstieg kann dazu ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte dienen. Interessant kann hier eine historische Betrachtung sein, ob und inwiefern sich als sicher
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erachtetes, also wahres Wissen im Laufe der Zeit verändert hat. Diese Veränderlichkeit der sogenannten wissenschaftlichen Paradigmen (Kuhn 1996) gilt heute als Allgemeinplatz der Wissenschaftsgeschichte. Kuhn stellt damit vor allem das Konzept des allgemeingültigen Wissens in Frage. Diese Erkenntnis führt die Wissenschaftskommunikation von einer wissenschaftshistorischen Perspektive zu einer grundlegenden Reflexion über die Frage, was Wissen ist, in welcher Beziehung es zur Realität steht, wie Wissenschaft arbeitet und welche Aussagen sie mit ihren Methoden generieren kann. Um diese Fragen in die Vermittlungsarbeit gerade von (natur)wissenschaftlichen Museen zu integrieren, ist ein Rückgriff auf die elementaren Konzepte der Wissenschaftstheorie bzw. Wissenschaftsphilosophie hilfreich. Wissenschaftsphilosophie analysiert die Methoden der wissenschaftlichen Untersuchung und hinterfragt zugrunde liegende Annahmen. Während Theorien häufig als wahre Abbilder der Realität verstanden werden, können sie auch lediglich als Grundsatz aufgefasst werden, um Beobachtungen in der Zukunft vorherzusagen. Nach diesem Verständnis ist Wissen kein absolutes Abbild der Realität. Es kann vielmehr als Wissen im ingenieurwissenschaftlichen Sinn verstanden werden, dass korrekte Vorhersagen erlaubt, ohne dabei wahr sein zu müssen. (Rosenberg und McIntyre 2020, 10) Eine weitere Schlussfolgerung von Kuhn (1996) ist, dass auch Naturwissenschaft nicht losgelöst von sozialen Einflüssen praktiziert wird und diese sogar häufig stärker sind, als die rein auf Erkenntnis gerichteten Überlegungen. Wissenschaft kann daher nur verstanden und kommuniziert werden, wenn man sie als soziale Praktik interpretiert. (Rosenberg und McIntyre 2020, 254) Eine wichtige Überlegung vor diesem Hintergrund ist die Frage nach der Rolle von Werthaltungen in der Wissenschaft. Es kann argumentiert werden, dass insbesondere Naturwissenschaft mit Fakten befasst sei und so auf objektive Weise Wissen produziere. Werthaltungen und ethische Überlegungen betreffen dieser Diskurslinie zufolge lediglich die Anwendung von wissenschaftlichen Ergebnissen. In diesem Verständnis ist Wissenschaft selbst ein wertfreier Prozess. Andererseits wird argumentiert, dass Wissenschaftler als Menschen immer Werthaltungen in den Forschungsprozess einbringen. Von Werten beeinflusst ist beispielsweise die Auswahl der Forschungsthemen und -fragen, die Wahl und Entwicklung von Theorien, um Beobachtungen und Datensätze zu erklären, sowie die Bewertung der Bedeutsamkeit potenzieller Anwendungen, die zumindest implizit von Wissenschaftlern häufig mitgedacht werden. (Okasha 2016, 123) Gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeitswissenschaft und transdisziplinäre Forschung spielt die Bedingtheit von
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Wissenschaft durch das Zusammenspiel von sozialen Faktoren und der wissenschaftlichen Methode eine entscheidende Rolle. (Lewenstein und Bonney 2004, 63). Diese Entstehung von Wissen in einem gemeinschaftlichen Prozess betrifft einerseits die Bedeutung von wissenschaftlichen Peer Groups, die einen wichtigen Mechanismus zur Qualitätssicherung innerhalb des Erkenntnisprozesses darstellen. Andererseits betrifft dies auch die Eingebundenheit der Forschenden in die Gesellschaft als Ganzes und in ihre Ansprüche sowie die damit einhergehenden Abhängigkeiten.
Ort für eine kritische Reflexion der Wissenschaftsgeschichte Museen basieren aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte, so Schwan (2014), häufig auf den Idealen der Aufklärung und einem Wissenschaftsverständnis des Empirismus. Die Geschichte der Wissenschaft wird dabei nicht selten als die Entdeckung von natürlichen Gegebenheiten dargestellt. Dahinter tritt mindestens implizit eine Auffassung von (Natur-)Wissenschaft hervor, die korrekte, unbestreitbare, wahre und eindeutige Erkenntnisse und Theorien hervorbringt. Genau diese Sichtweise trägt zum gesellschaftlich dominanten, aber problematischen Verständnis bei, nach dem Wissenschaft wahres und sicheres Wissen produziert. Gerade die globalen Krisen wie Covid19 und der Klimawandel haben deutlich gemacht, dass die Unsicherheit von Beweisen sowie die Notwendigkeit zur Revision ein zentraler Teil der wissenschaftlichen Arbeitsweise sind. (Schwan et al. 2014, 72). Vor diesem Hintergrund kann Wissenschaftskommunikation in Museen stärker als bisher die Unsicherheit und die soziale Bedingtheit von Wissen – auch zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen – herausstellen. Diese Position und der bewusste Umgang mit erkenntnistheoretischen Grundlagen kann der Ausgangspunkt für Vermittlungsarbeit in Museen sein. Gerade im Anwendungsfeld der Nachhaltigkeitswissenschaft erscheint eine größere Transparenz und Offenheit im Hinblick auf die Bedingtheit des Forschungsprozesses sinnvoll. Denn die problembezogene Herangehensweise von Nachhaltigkeitswissenschaft setzt normative Grundlagen voraus und verweist damit direkt auf die epistemologischen Fragestellungen zur Allgemeingültigkeit oder Bedingtheit von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese neue Ausrichtung der Wissenschaftskommunikation im Museum führt auch zu einem Dilemma: Durch den Fokus auf Wissenschaftstheorie und -philosophie rücken zunehmend Prozesse und menschliche Aktivitäten in den Mittelpunkt – während in Museen ja besonders Objekte und die Ma-
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terialität des Wissens im Zentrum stehen. Museen stehen vor der Herausforderung, neue Wege zu finden, um ihre Kompetenzen daraufhin anzupassen. (Lewenstein und Bonney 2004, 65)
Erkenntnistheorie als Besuchserlebnis Das skizzierte Wissenschaftsverständnis kann vor allem für die kuratorische und pädagogische Arbeit an Museen wirksam werden. Dies bedeutet, dass wissenschaftshistorische, wissenschaftstheoretische und wissenschaftsphilosophische Perspektiven in der Museumsarbeit insgesamt an Bedeutung gewinnen. Gegenstand und Thema von Museen und ihren Ausstellungen ist damit zukünftig immer zu einem Teil die Produktion von Wissen. Die Sammlung und Musealisierung von Objekten ist ein eigener erkenntnistheoretischer Prozess, weil die Gegenstände in einen neuen Zusammenhang gestellt werden, der neue Erkenntnisse zu generieren vermag. Diese dem Museum eigene Methode des Erkenntnisgewinns kann ein guter Ausgangspunkt für die Thematisierung von wissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Prozessen darstellen. Diese auf sich selbst gerichtete Reflexion führt den Besucher von dem unmittelbaren Besuchserlebnis hin zur Betrachtung auf einer Meta-Ebene. (Heesen 2010, 217) Diese Meta-Perspektiven auf Wissen und die Institution Museum sensibilisieren Besucher dafür, dass Sammlungstätigkeit, Forschung und Verbreitung von Wissen in spezifische Rahmenbedingungen eingebettet sind, die sich je nach Ort und Zeit stark unterscheiden und damit sowohl die Arbeit als auch die Ergebnisse prägen. Bei der Vermittlung einer solchen Meta-Perspektive auf Wissenschaft im Museum, spielen unterschiedliche Aspekte eine Rolle. Einerseits wird die Veränderlichkeit von Wissen dargestellt, insbesondere durch Wissenschaftsgeschichte und den Fokus auf Kooperationsprozesse und Machtungleichgewichte im Wissenschaftsbetrieb. Andererseits spielen die divergierenden Betrachtungsweisen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen eine zentrale Rolle. Hier können Museen noch stärker als bisher unsichere und uneindeutige Beweise präsentieren und diskutieren – und damit einen Einblick in den Forschungsprozess selbst geben. Diese Unsicherheiten und Widersprüche können zwischen unterschiedlichen Erklärungsmodellen oder Theorien, zwischen einer theoretischen Vorhersage und beobachteten Daten oder zwischen unterschiedlichen Interpretationen von Daten und Ergebnissen existieren. (Schwan et al. 2014, 72)
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Ein Museum, das die Wissensproduktion selbst reflektiert, ist nur glaubwürdig, wenn es die gleiche Haltung auch gegenüber sich selbst praktiziert. Das bedeutet, dass die internen Prozesse der Museumsarbeit, des Sammelns und Bewahrens sowie der Darstellung und Verbreitung von Wissen transparent gemacht werden. Das Museum kann so als Ort der Wissensgenerierung und -vermittlung selbst zum Objekt des Diskurses werden. Die große Herausforderung dabei ist, diese Sachverhalte und Reflexionsprozesse so zu vereinfachen, dass sie für die Museumsarbeit und für Besucher anschlussfähig sind. Das kann häufig auch ohne die direkte Erwähnung solcher Termini und der philosophischen und wissenschaftshistorischen Diskurse, Positionen und Ereignisse geschehen, vielmehr kann das damit einhergehende Wissenschaftsverständnis implizit die Museumsarbeit prägen und bei Vermittlungsaktivitäten mitschwingen. Die offensichtliche Spezifizität von Museen für diesen Prozess des Erkenntnisgewinns liegt in der objektbezogenen Arbeit. Gerade die Kontextualisierung und die Interpretation von Objekten bietet hier die Möglichkeit, auf diese grundlegenden Fragen und Positionen zu verweisen. Ein weiterer charakteristischer Aspekt ist die Frage nach der Bedeutung von Materialität für den Erkenntnisgewinn. Mit dem Fokus auf einer Materialität des Wissens können Museen zu Forschungseinrichtungen der Wissenschaftstheorie werden, die einzigartige Voraussetzungen mitbringen, um Wissensforschung anhand von Sammlungen zu betreiben. Diese grundsätzlichen Fragen des Forschungsprozesses und das Verständnis von Methoden und Instrumenten können Besucher am besten im Prozess selbst, also im Tun, erlernen und reflektieren. Eine handlungsorientierte Umsetzung führt demnach zur öffentlichen Beteiligung an wissenschaftlicher Forschung bzw. zu partizipativer Wissenschaft. Initiativen in diesem Feld werden häufig breit unter dem Begriff der Bürgerwissenschaft oder Citizen Science zusammengefasst. (Strasser et al. 2019, 55) Werkzeugkoffer | Methode
Reflexion unterstützen Der Partizipationsprozess im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements zeichnet sich durch einen Diskurs über sowie eine Neuausrichtung von Wertgrundlagen der Arbeit im Museum aus. In kleineren Gruppen bietet sich dafür die
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Methode des Laddering an. Laddering eignet sich für die Reflexion von Verhaltensmustern durch das Aufzeigen von Bedürfnissen und Glaubenssystemen, die dem Verhalten zugrunde liegen. Beim Laddering werden in einer Interviewsituation, in einer größeren oder in Zweiergruppen, die Antworten des Gesprächspartners immer wieder in Fragen transformiert – so entsteht eine Leiter der Reflexion zu den tieferliegenden Überzeugungen und Werten. Dieser Erkenntnisprozess alleine kann bereits hilfreich sein bei der Änderung von Verhaltensmustern. Er bietet in jedem Fall einen Ausgangspunkt für die Entwicklung von Handlungsalternativen und Prozessen. (Bourne und Jenkins 2005, 415–416)
8.3 Citizen Science und offene Forschungslabore Bürgerwissenschaft oder Citizen Science kann als eine Form der Beteiligung der Öffentlichkeit in der Wissenschaft verstanden werden. Einerseits umfasst das Verständnis von Bürgerwissenschaft, dass Wissenschaft für Bürger zugänglich und nützlich ist (Irwin 1995, xi). Andererseits kann Citizen Science als Forschungsprozess verstanden werden, der von Laien selbst durchgeführt wird. Citizen Science trägt bei zu einer Förderung der Demokratie, der Bildung von Sozialkapital, der Steigerung der Scientific Literacy, der Ausrichtung von Forschung auf lokale Probleme sowie zu Einsparungen von Zeit und Geld, insbesondere für die öffentliche Verwaltung (Conrad und Hilchey 2011, 283). In der Konzeption von Citizen Science Projekten wird in der Regel zwischen wissenschaftlichen, politischen und bildungsorientierten Zielen abgewogen (Pettibone et al. 2018, 223). Eine Herausforderung von Citizen Science ist die Übernahme von Verantwortung für den Forschungsprozess. Während diese klassischerweise bei Forschungsinstitutionen liegt, übernehmen im Rahmen der Citizen Science Individuen, idealerweise kontrolliert durch die Zivilgesellschaft, die Verantwortung (Finke 2014, 111). Die Ungenauigkeiten in der Abgrenzung zu einem Verständnis von Transdisziplinarität und der jeweiligen Rolle von Laien im Forschungsprozess werden hieran bereits deutlich. Transdisziplinäre Forschung sowie auch Citizen Science besitzen einen normativen Kern: Beide Ansätze sind Instrumente eines politischen Programms, das zu einer gesellschaftlichen Transformation beitragen soll (siehe Pettibone et al. 2018, 224).
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Citizen Science ermöglicht auch ganz spezifische Praktiken des Erkenntnisgewinns. Dazu gehören unter anderem das Erfassen, Berechnen, Analysieren und eine Produktion im Sinne von Ko-Produktion und der Maker Culture. Allerdings besitzen die verschiedenen Praktiken je nach Disziplin häufig eine unterschiedliche Bedeutung. Während Erfassen für bspw. biologische Projekte außerhalb des Museums eine Rolle spielt, ist das Analysieren für digitale Sammlungsbestände ein wichtiger Zugang. (Strasser et al. 2019, 55) Einer bürgernahen, durch Citizen Science gestärkten Wissenschaft, kommt eine Schlüsselrolle zu, um die Große Transformation zur Bewältigung der globalen Herausforderungen in Gang zu setzen (Finke 2014, 204–205). So kann Citizen Science dazu führen, dass nachhaltigkeitsorientierte Einstellungen und Verhaltensweisen in unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung Verbreitung finden (Ballard et al. 2017, 96). Auf lokaler Ebene trägt Citizen Science auch zur Resilienz von Kommunen sowie zur Ausprägung von lokalen nachhaltigen Lebensstilen bei (Ballard et al. 2017, 89).
Museen als Nukleus einer nachhaltigen Bürgerwissenschaft Das spezifische Potenzial von Museen für Citizen Science Ansätze ist derzeit weder ausreichend analysiert noch theoretisch beleuchtet (Hecker et al. 2018, 8). Und doch sind Museen idealtypische Orte für die Umsetzung einer Citizen Science, denn sie stellen herausgehobene Orte des öffentlichen Diskurses dar, an denen Laien und Wissenschaftler zusammenwirken. Museen können eine Vorreiterrolle in der Bürgerwissenschaft einnehmen, indem sie relevante Stakeholder in wissenschaftliche Forschungsprojekte einbeziehen (Garthe und Peter 2014, 16). Das Versprechen einer breiten Beteiligung der Öffentlichkeit kann auch der Ansatz der Citizen Science nur begrenzt einlösen, zeigen Untersuchungen doch, dass die Teilnehmenden an Projekten der Bürgerwissenschaft einer ohnehin wissenschaftsaffinen Schicht entstammen (Strasser et al. 2019, 62). Insbesondere kleineren und mittleren Museen kommt hier eine Schlüsselrolle zu, sind sie doch in der Fläche verteilt, lokal gut vernetzt und bieten niedrige Eintrittshürden für Interessierte (Finke 2014, 168). Nach einem umfassenden Verständnis von Citizen Science geben Museen auch einen Teil ihrer Deutungshoheit auf und verankern sich damit stärker in einer wissensdemokratischen Zivilgesellschaft. Diese kann auch darüber hinaus durch interaktive öffentliche Konsultationsprozesse gestärkt werden (Einsiedel und Einsiedel 2004, 73). Solche deliberativen Modelle zur Einbindung der Öffentlichkeit in Forschungsfragen können von Museen übernommen werden und
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so ein neues publikumszentriertes Angebot an Museen darstellen (siehe Abbildung 15). Abbildung 15: Partizipation und Bürgerwissenschaft im nachhaltigen Museum
Quelle: eigene Abbildung
Citizen Science Projekte an Museen können indirekt und direkt zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Indirekte Effekte umfassen Bildung, Sensibilisierung und daraus resultierende Änderungen in Einstellungen und Verhalten. Direkte Wirkungen betreffen beispielsweise die Bereitstellung von Informationen für Entscheidungsprozesse oder einen konkreten Beitrag zu Steue-
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rungsmechanismen. (Ballard et al. 2017, 88) Museen können die sozial-ökologischen Effekte von Citizen Science verbessern, indem sie neue Zielgruppen erschließen, Freiwillige mobilisieren und Forschung vorantreiben, die auf lokale Fragestellungen fokussiert sind (Ballard et al. 2017, 87). Die Umsetzung im Museum kann auf vielfältige Weise erfolgen: Als Projekt im Museum selbst, als Aktivität, möglicherweise in Kooperation außerhalb des Museums, sowie als rein digitale Aktivität. Ein bürgerwissenschaftlicher Ansatz wurde von Museen auch in Projekten eingesetzt, die Crowdsourcing oder ein Monitoring außerhalb des Museums zum Ziel haben. Innerhalb des Museums kann das Publikum in die Datenauswertung, die Analyse von Proben und Fotos oder die Erstellung von Grafiken und Tabellen einbezogen werden. Insbesondere für digitalisierte Sammlungen bieten sich Citizen Science Projekte für die Datenverarbeitung an (Ballard et al. 2017, 91). Als digitale Ansätze können Webportale oder Smartphone-Apps dienen, mit denen Freiwillige ortsunabhängig Daten sammeln, produzieren und einpflegen können. Die Integration von Ansätzen der Citizen Science in reguläre Forschungsprojekte zieht jedoch auch eine Abhängigkeit der Museen nach sich. Die Wissenschaftler am Museum sind in ihrer Arbeit dann unter Umständen abhängig von Datenerhebungen oder anderen Tätigkeiten der Bürgerwissenschaftler. Die gewaltige Chance von transdisziplinärer Forschung und Citizen Science in Museen ist, die Aktivitäten sowie die verfügbaren Daten für das Besuchserlebnis in Ausstellungen nutzbar zu machen. Hier gilt es Ansätze zu entwickeln, wie diese Daten Objekte, interaktive Exponate und ganze Raumsituationen anreichern können. Insbesondere für digitalisierte Sammlungen bieten sich Citizen Science Projekte für die Datenverarbeitung an (Ballard et al. 2017, 91). Als digitale Schicht können Daten nicht nur neue Kontextualisierungen erlauben, sondern auch individualisierbare Inhalte und damit Erlebnisse ermöglichen. Allerdings tragen Citizen Science Projekte in Museen längst nicht immer zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Ob ein solcher Effekt erzielt wird, hängt von vielfältigen Faktoren ab. Zur Entwicklung erfolgreicher und wirksamer Projekte in Museen können folgende Aspekte berücksichtigt werden (Ballard et al. 2017, 93–94): • •
Ein langfristiges Engagement von Freiwilligen; eine Kooperation mit der öffentlichen Verwaltung, die die Erkenntnisse weiterverwendet und Maßnahmen daraus ableitet;
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• • •
ein Programmdesign, dass auf Effektivität ausgerichtet ist und eine Evaluation beinhaltet; eine Kooperation von unterschiedlichen Museumsabteilungen; eine Zusammenarbeit von unterschiedlichen Museen oder anderen relevanten Institutionen.
Um die Wirksamkeit für lokale Nachhaltigkeit zu erhöhen, können insbesondere die erzeugten Daten in den Entscheidungsprozessen für Politik und Verwaltung eingesetzt werden (Conrad und Hilchey 2011, 281). Grundsätzlich kann Citizen Science erst dann seine gesamte Wirkung entfalten, wenn es im Sinne einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft (vgl. Kap.3.4) die Hürden der Mitarbeit für breite Zielgruppen bzw. die gesamte Gesellschaft deutlich herabsetzt.
Digitalisierte Sammlungen und Big Open Data Lösungsansätze für die globalen Herausforderungen greifen auf umfangreiche Datensätze zurück, die durch theoriebasierte Forschung mit ortsspezifischen und langen Zeitreihen erzeugt werden. Insbesondere die Erforschung der dynamischen natürlichen Systeme führt zu erheblichen Datenmengen. Der Umgang mit diesen großen Datenmengen (Big Data) wird daher zukünftig ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Entwicklung. Durch die Verknüpfung dieser Fragen mit dem Konzept der Citizen Science und der Erhebung von großen Datenmengen durch Bürgerwissenschaftler wird Big Data in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Für Museen birgt die Verbindung von Citizen Science und Big Data ein erhebliches Entwicklungspotenzial, vor allem im Hinblick auf digitalisierte Sammlungen. Sammlungsspezifische Daten können für aktuelle Forschungsfragen nutzbar gemacht werden, indem sie ortsspezifische und historische Daten beitragen, die von aktuellen Erhebungen außerhalb des Museums ergänzt werden (Spear et al. 2017, 1). Eine weitere Chance von Citizen Science ist, Daten für Fragestellungen und Bereiche zu generieren, die grundsätzlich wenig erforscht sind (Ballard et al. 2017, 89). Dadurch können neue Wissensbereiche im Hinblick auf die Sammlung erschlossen und Fragestellungen unabhängig von externen Fördermittelvorgaben verfolgt werden. Citizen Science kann so dazu beitragen, die Bedeutung von Sammlungen für Fragen der Nachhaltigkeit zu fokussieren und diese in der Öffentlichkeit bewusster zu machen. Voraussetzung dafür ist eine grundsätzliche Offenheit gegenüber
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neuesten digitalen Entwicklungen und Technologien und deren Bewertung im Hinblick auf Anwendbarkeit und Bedeutung für die Arbeit im Museum. (Gries 2019, 102) Digitalisierte Sammlungsdaten und Citizen Science machen auch die Bedeutung eines Open Access bzw. Open Data Ansatzes für Museen sichtbar. Die Bereitstellung von Daten für alle Bürger sollte eine Selbstverständlichkeit sein und ist die Grundvoraussetzung für große Sichtbarkeit und eine Wirksamkeit für alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen. Welche Potenziale der Open Data Ansatz für Museen, bspw. im Rahmen von Hackathons haben kann, wurde in zahlreichen Projekten illustriert. Die Anwendung des OpenData bzw. Open-Science Ansatzes auf Sammlungen hat außerdem zu Bestrebungen geführt, digitalisierte Proben (Samples) im Rahmen des Open-Specimen-Movement frei zugänglich zu machen (Colella et al. 2021, 405). Museen können in diesem Zusammenhang Proben (Specimen) als wissenschaftliche Rohdaten bewahren und zugänglich machen (Schilthuizen et al. 2015, 237). Eine wichtige zukünftige Chance für Big Data in Museen besteht in der Möglichkeit, die Datenbestände von Museen miteinander zu verbinden. Darauf können auch neue Portale und Infrastrukturen aufgebaut werden, die gänzlich neue Analyse- und Anwendungsmöglichkeiten zulassen. (Kitchin 2014, 62) Digitalisierte Objekte sind daher weniger als isolierte Sammlungen zu sehen, vielmehr sind sie ein wichtiger Baustein in offenen und interdisziplinären Netzwerken zur Informations- und Datengenerierung. Dabei produzieren sie inhaltliche Beziehungen und Metadaten, die zu einem digital-globalen Wissensspeicher beitragen und ein semantisches Web ermöglichen. (Cameron und Robinson 2007, 186) Gerade in der Zusammenarbeit mit Big Data kann eines der Hauptprobleme von Citizen Science, die Datenqualität, adressiert werden. Während sich bisher zur Steigerung der Datenqualität insbesondere Kalibrierung und Validierung anboten, können in Zukunft durch die Fortschritte im Umgang mit Big Data, geringere Datenqualitäten immer besser ausgeglichen werden (Ballard et al. 2017, 89). Gleichzeitig gehen mit der fortschreitenden Digitalisierung auch Zielkonflikte im Hinblick auf die Nachhaltigkeit einher. Digitale Museen und Sammlungen verbrauchen mehr Energie und tragen somit zum Klimawandel bei. Ansätze zu einer nachhaltigen Digitalisierung aus anderen Sektoren, wie bspw. die Nutzung von ökologisch optimierten Rechenzentren, müssen auf die spezifischen Rahmenbedingungen von Museen noch angepasst werden.
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Offene Forschungslabore in Museen Museen sind ein idealer Ort, an dem Nichtwissenschaftler und Wissenschaftler einander begegnen können. In einem direkten Dialog zwischen Wissenschaftlern und Besuchern können sie die gesellschaftlichen Bedingungen für Forschung sowie die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft reflektieren. Dieses Ziel kann durch die Einrichtung von offenen Forschungslaboren (Open Research Labs) erreicht werden, in denen Wissenschaftler echte Forschung in einer Museumsumgebung durchführen und dabei mit den Besuchern interagieren (Garthe 2018). Es existieren zahlreiche offene Forschungslabore, an Kunstmuseen und in der Konservierungswissenschaft (siehe Watts et al. 2008). Im Gegensatz zu einem Schüler- oder Besucherlabor werden in offenen Forschungslaboren keine Experimente oder Aktivitäten durchgeführt, die für Kommunikationszwecke konzipiert sind. In einem offenen Forschungslabor findet tatsächliche Forschung statt, die nur durch die Forschungsfragen der Wissenschaftler bestimmt wird. Es sollte daher stets die Authentizität der im Labor durchgeführten Forschung gewährleistet sein. Die Ausgestaltung von offenen Forschungslaboren sollte eine Interaktion auf Augenhöhe ermöglichen und nicht eine Atmosphäre begünstigen, in der die Besucher die Wissenschaftler lediglich distanziert beobachten. (Hix et al. 2012, 135) Mit der Einrichtung von offenen Forschungslaboren sind zahlreiche Vorteile verbunden, die exemplarisch am Beispiel des Open Nanotechnology Lab in München evaluiert und aufgearbeitet wurden (Hix et al. 2012; Hix und Heckl 2011). Durch die Möglichkeit, laufende Experimente zu beobachten oder Fragen zu stellen, kann in diesem direkten Dialog das Interesse an der Forschungstätigkeit geweckt werden. Auch kann man Ausstellungsthemen in dieser authentischen Situation vertiefen und reflektieren. Daneben existieren Vorteile für Wissenschaftler. Durch die Interaktion mit den Besuchern erhalten sie einen Einblick in soziale und kulturelle Kontexte, die die Wahrnehmung ihres jeweiligen Forschungsgebietes bestimmen. Durch diese Erfahrungen werden die Wissenschaftler in die Lage versetzt, die Reaktionen und Diskussionen der Öffentlichkeit über ihr Forschungsgebiet besser zu verstehen (Hix et al. 2012, 137). So kann ein Offenes Forschungslabor das »scientists’ understanding of the public« (Mooney 2010, 10) fördern. Insofern trägt die Arbeit in einem Offenen Forschungslabor in hohem Maße dazu bei, den Prozess der Forschung im Allgemeinen und das eigene Forschungsgebiet im Detail zu reflektieren. Wissenschaftler, die im offenen Forschungslabor
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gearbeitet haben, sind damit gut darauf vorbereitet, Chancen und Risiken ihrer Forschung in einem breiten gesellschaftlichen Kontext zu diskutieren. Die Arbeit in einem offenen Forschungslabor ist durchaus mit Herausforderungen für die dort arbeitenden Wissenschaftler verbunden, denn aufgrund der intensiven Kommunikation mit den Besuchern kann die wissenschaftliche Produktivität zurückgehen (Hix und Heckl 2011, 381). Zusammenfassend können offene Forschungslabore eine Schlüsseleinrichtung für zukünftige transdisziplinäre Forschungsbemühungen sein und ein grundlegendes Element der Wissenschaftskommunikation an jedem Museum darstellen. Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
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Ein transdisziplinäres und problemorientiertes Verständnis von Forschung im Museum formulieren; Partnerschaften mit Institutionen der Nachhaltigkeitswissenschaft aufbauen; Informationen und Daten konsequent gemeinfrei zugänglich machen; Bürgerwissenschaftler in die Forschung am Museum einbinden; Interessierte Wissenschaftler identifizieren und ein offenes Forschungslabor einrichten.
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Ausstellungen sind ein einzigartiges Instrument, um das Museumspublikum für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und zu begeistern. Können Ausstellungen und Kuration umgekehrt auch von der Nachhaltigkeitskommunikation profitieren? Welche spezifischen Potenziale nutzen Ausstellungen, um Nachhaltigkeit unmittelbar am Objekt oder als Raumerfahrung zu vermitteln? Neben Nachhaltigkeit als thematischem Bezugsrahmen stehen auch Fragen der umweltverträglichen Produktion und des Leihverkehrs im Fokus.
Vision Selbstverständnis
Objektbasiertes Erlebnis- und Lernformat mit einzigartigem Potenzial für die große Transformation
Expertise
Psychologisch fundierte Nachhaltigkeitskommunikation, Transformative Gestaltung, Kreislaufwirtschaft und Sharing
Praktik
Ausgehend von der gesellschaftlichen Wirkung entwickeln und realisieren
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Nachhaltige Programmatik und thematisches Framing
Nachhaltigkeit als Antwort auf die globalen Herausforderungen im Museum zu verankern, bedeutet, das Thema in allen programmatischen Aktivitäten zu berücksichtigen. Die Entwicklung einer solchen nachhaltigen Programmatik setzt ein gemeinsames, vom gesamten Museum getragenes Wertegerüst voraus, auf dessen Basis Angebote und Aktivitäten entwickelt werden. Sie integriert die unterschiedlichen Dimensionen von und Perspektiven auf Nachhal-
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tigkeit (siehe Des Griffin und Abraham 2000, 351). So können Herausforderungen, Probleme und inhaltliche Bezüge zu Nachhaltigkeit verstärkt in Ausstellungen Resonanz finden. Dabei bieten sich zwei Ansätze an, um Nachhaltigkeit als Ausstellungsthema zu adressieren: Erstens kann bei jeder Ausstellung die Relevanz des Ausstellungsthemas für eine nachhaltige Entwicklung identifiziert werden. Im Themenfeld der Ausstellung können Bezüge zu Nachhaltigkeit freigelegt werden. Das bedeutet beispielsweise, in Themen und Objekten die Mensch-Umwelt-Beziehungen in den Blick zu nehmen. Wenn dies anhand von Objekten oder im Rahmen der Ausstellung selbst schwer zu vermitteln ist, könnten diese Perspektiven zumindest in Begleitveranstaltungen und -programmen integriert werden. Zweitens kann von Zeit zu Zeit eine Ausstellung mit großer Relevanz für den Themenkreis der nachhaltigen Entwicklung gezeigt werden. Die Fokussierung auf Nachhaltigkeit birgt dabei viele Chancen: Nachhaltigkeit ermöglicht durch eine systemische Sicht auf Themen neue Perspektiven und damit innovative Ausstellungen (siehe Abbildung 16). Nachhaltige Programmatik fokussiert im Besonderen auch Kinder und Jugendliche als Zielgruppe, da sie maßgeblich von den globalen Zukünften betroffen sind und diese gestalten werden. Nachhaltiges Kuratieren und Ausstellen bedeutet auch, die Transparenz im Hinblick auf den Entstehungszusammenhang von kuratorischer Arbeit zu erhöhen. Quellen und Wahrheitsgehalt von Medieninformationen werden von vielen Menschen bereits selbstverständlich hinterfragt und bisweilen auch angezweifelt. Ausstellungen als Kommunikationsform können diese Ansprüche und Erwartungen der Besucher stärker aufnehmen, indem kuratorische Konzepte, Quellen und Entscheidungen im Produktionsprozess offensiv transparent kommuniziert und den Besuchern zugänglich gemacht werden. (Cameron 2005, 230) Gerade diese neue Art der Programmatik sollte man auf ihre Wirksamkeit überprüfen (siehe Nelson und Cohn 2015, 34). Denn so kann eine nachhaltige Programmatik als zukunftsfähiger Ansatz weiterentwickelt und ausformuliert werden.
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Abbildung 16: Programmatik und nachhaltiges Ausstellen
Quelle: eigene Abbildung.
Bezugspunkte zur Nachhaltigkeit freilegen Aufgrund der grundlegenden ethischen Ideen des Leitbilds der Nachhaltigkeit und der umfassenden Anwendung auf die sozial-ökologischen Systeme können in den allermeisten Ausstellungen Bezugspunkte zu Themen der Nachhaltigkeit identifiziert werden. Das funktioniert auch unabhängig von der
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Museumsgattung. Der Ausgangspunkt dafür ist, Nachhaltigkeit in ihrer gesamten Dimension als thematisches Framing für die Praktik des Kuratierens und Ausstellens einzusetzen. Die aufgedeckten Bedeutungszusammenhänge, Narrative und Beziehungen zwischen dem Gegenstand der Ausstellung und einer nachhaltigen Entwicklung können daraufhin stärker in den Mittelpunkt der Ausstellung rücken oder im Begleitprogramm ausformuliert und vertieft werden. Nachhaltige Entwicklung wird so auch aus seiner ökologischen Nische herausgeholt und an weite Felder des Museumssektors anschlussfähig gemacht. Diese Vorgehensweise ist besonders wichtig, da sie zu einem umfassenden Verständnis von Nachhaltigkeit beiträgt sowie ein Einsickern in inhaltlich entferntere Museumsgattungen begünstigt. Ein Beispiel dafür wäre eine Ausstellung in einem Kunstmuseum zur Landschaftsmalerei, die während der kleinen Eiszeit im 19. Jahrhundert entstanden ist – ein idealer Ausgangspunkt um über den anthropogenen Klimawandel zu reflektieren (siehe Ossing 2012). Gerade die fruchtbare Schnittstelle von Kunst und Nachhaltigkeit kann Kunstmuseen hier zu Vorbildern machen, wie dieses Framing auf authentische und inspirierende Weise in Programmatik und Ausstellungen umgesetzt werden kann. Beispielsweise schaffen Kunstwerke, die sich Formen der sozialen Praxis bedienen, im Idealfall unbequeme, subversive und ermöglichende Situationen für neue Erfahrungen. Aufgrund der verbundenen Irritationen wird es den Rezipierenden erleichtert, Konventionen, gewohnte Praktiken sowie Einstellungen und Werthaltungen zu reflektieren und in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern. (Lineberry und Wiek 2016, 316) Auch eine nachhaltige Ästhetik, die Komplexität wahrnimmt und wertschätzt, kann in Kunstmuseen einen Diskurs über Nachhaltigkeit bereichern (Kagan 2012, 34).
Ausstellungen zu den Kernfragen der gesellschaftlichen Transformation Neben einem thematischen Framing von Ausstellungen mit einem anderen Schwerpunkt, können Ausstellungen auch konkrete Fragen der gesellschaftlichen Transformation und der Nachhaltigkeit in den Blick nehmen. Dabei können sich unterschiedliche Museumsgattungen wie selbstverständlich in ihrem Kompetenzraum bewegen, ohne zwangsläufig auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen oder diese vermitteln zu müssen. Nachhaltigkeitswissenschaft kann in Ausstellungen dieser Art als inhaltliche Basis und Referenzrahmen für Kuration und Kommunikation dienen.
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Wenn dies passend erscheint, können auch aktuelle Ergebnisse von nachhaltigkeitsbezogenen Forschungsvorhaben thematisiert oder im Museum vorhandenes Know-how im Bereich der Nachhaltigkeitswissenschaft einbezogen werden. Eine Integration von sozial und gesellschaftlich wichtigen sowie kontroversen Themen kann einen Beitrag zu aktuellen Diskursen leisten – und damit die Wirkung für eine gesellschaftliche Transformation weiter steigern. Die Wicked Problems der Gegenwart sind häufig in der einen oder anderen Weise mit Naturwissenschaften verbunden. Naturkundemuseen sind im Vergleich zu anderen Museumsgattungen daher der perfekte Ort, um das Publikum für diese Themen zu begeistern. Basierend auf dem Wissen aus naturwissenschaftlichen Sammlungen können sie im Sinne eines »Natural Futures Museum« (Garthe 2018) ein gesellschaftliches Forum zur Verhandlung der globalen Zukünfte entwickeln. Auch Wissenschafts- und Technikmuseen eignen sich in besonderer Weise zur Moderation wesentlicher Aspekte des Nachhaltigkeitsdiskurses. Sie können beispielsweise auf authentische und eindrückliche Weise thematisieren, dass die industrielle Entwicklung die Natur-Mensch-Beziehungen indigener Gemeinschaften oft vernachlässigt hat, und dass die Industrialisierung eine der Hauptursachen des Klimawandels darstellt. (Evans und Achiam 2021, 1204)
9.2 Transformatives Kuratieren und Ausstellen Ausstellungen im Nachhaltigen Museum nutzen die herkömmlichen Ansätze des Kuratierens und Ausstellens und entwickeln sie unter den Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeitskommunikation weiter. Ein Grundsatz dafür ist, Werthaltungen der Nachhaltigkeit zu übertragen sowie spezifische Perspektiven und Bedeutungszusammenhänge zu stärken. Beispielsweise kann soziale Gerechtigkeit als Prinzip von Kuration und Ausstellung bedeuten, alternative Traditionen der kuratorischen Praxis wertzuschätzen und ihnen einen Raum zu geben. Dies trifft insbesondere auf eigenständige Ansätze und kuratorische Traditionen von Indigenen zur Bewahrung und Präsentation zu. Einer solchen indigene Kuration stärkere Aufmerksamkeit zu schenken, trägt nicht nur zur Reflexion über Konzepte von Spiritualität und Materialität von Objekten bei, sondern setzt auch das Museum als Ganzes in Bezug zu indigenen Verortungen von Bewahren und Vermitteln. (Kreps 2008, 193–194) Soziale Nachhaltigkeit in Ausstellungen zeichnet sich insgesamt durch die Fokussierung der Perspektiven von anderen benachteiligten gesellschaftlichen Grup-
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pen aus. Dazu gehört beispielsweise auch die queere Re-Interpretation von traditionellen historischen Narrativen oder Präsentationsformen, die sonst in der Regel auf männlich-heteronormativen Annahmen aufbauen (Mills 2010, 83). Durch die Integration von spezifischen Perspektiven kann auch die lokale Einbettung und Wirksamkeit von Museen gestärkt werden. So wird ein spezifischer Ortsbezug durch die stärkere Integration eines Sense of Place realisiert. Eine solche ortsbezogene Programmatik nutzt die einzigartigen Charakteristika des Ortes, um daraus Programme, Ausstellungen und Veranstaltungen zu entwickeln. Eine Fokussierung dieser Perspektive stärkt die Rolle von Museen als Akteure in lokalen Dialogprozessen und deren positiven Einfluss auf lokale Gemeinschaften. Diesen lokalen Perspektiven einen Raum zu geben, kann nicht nur zum kulturellen und wirtschaftlichen Gedeihen von Stakeholdern beitragen, sondern diese einzigartigen und wahrhaftigen Perspektiven können auch die kuratorische Arbeit erheblich bereichern. (Utt und Olsen 2007, 299) Der direkte Bezug zum spezifischen Ort, zu seinen Qualitäten und Charakteristika kann im Sinne eines Sense of Place bzw. einer Natur- und Kulturinterpretation den Kern jeder nachhaltigen Programmatik darstellen, denn nachhaltige Entwicklung ist immer lokal fundiert, um globale Ziele zu erreichen. Ein solcher Ansatz ist dabei inklusiv und offen für Andersartigkeit, denn ein Ort kann multiple Identitäten besitzen und dient gerade nicht dazu, andere Menschen wie bspw. Personen mit Migrationshintergrund, auszuschließen. Gerade vor dem Hintergrund von globaler Migration können Museen ein Ort sein, um über räumliche Identität zu reflektieren und zu diskutieren, einen inklusiven Sense of Place zu propagieren und dabei auch für lokale Andersartigkeiten zu sensibilisieren sowie diese zu unterstützen. (Whitehead und Lanz 2019, 21–26) Neben der Bedeutung der lokalen Ebene für nachhaltig sensibles Kuratieren und Ausstellen spielen auch temporale Aspekte eine weitere Rolle. Die Berücksichtigung der langen Zeithorizonte und der Unsicherheit der Dynamiken führen zu einer steigenden Bedeutung von Szenarien und Perspektiven der Zukunftsforschung. Modelle und Szenarien des Klimawandels sind die prominentesten Beispiele dafür. Diese Perspektive kann in Museen eine größere Bedeutung erlangen, wenn Methoden von Zukunftsforschung in Ausstellungen und kuratorischer Praxis angewandt und reflektiert werden. Szenarien müssen sich aber nicht auf die geophysikalische Klimaentwicklung beschränken, sondern können die Lebensrealitäten der Zukunft ganz konkret imaginieren und visualisieren. Neben der Vermittlung von Ergebnissen der
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Zukunftsforschung und der Diskussion über Zukunftsbilder können Museen sich auch selbst in Prozesse der Zukunftsforschung einbringen und damit an der Entwicklung von Visionen, Utopien, Leitbildern und Szenarien, die den gesellschaftlichen Diskurs immer stärker prägen werden, mitwirken. Dabei bringen Museen eine einmalige, ganz spezifische Perspektive ein, können sie doch die Geschichte mit der Zukunft verbinden und bereichern mit ihren historischen Perspektiven die Methoden der Zukunftsforschung und das Denken über lange Zeithorizonte. (Salazar 2015, 104) Museumsbesuche können vor allem dann die Perspektive auf die langfristigen, globalen Herausforderungen ändern, wenn Besucher selbst die Prozesse der Szenarioentwicklung beeinflussen können. Wenn partizipative Formate und interaktive Exponate Besucher dazu motivieren, kreativ über die eigene Zukunft nachzudenken und so ein gemeinsamer Prozess in Gang gesetzt wird, in dem mögliche Zukünfte imaginiert, reflektiert und diskutiert werden, tragen Ausstellungen zu einer globalen Transformation unter langfristiger Perspektive bei. Museen als Gegenort zum gesellschaftlichen Alltag ermöglichen dabei auch, neue Perspektiven zuzulassen und bisher Ungedachtes in Betracht zu ziehen. (McGhie et al. 2020, 193) In diesem Sinn kann Nachhaltige Programmatik auch als Slow Programming gedacht werden. Darunter können auf Langfristigkeit angelegte Projekte verstanden werden, die sich jenseits der gegenwärtigen Logik von Ausstellungen und des Wirkungshorizonts von Museen bewegen. Mit einer solchen Langfristigkeit gehen auch Dynamik, Langsamkeit und Achtsamkeit einher, die sich gut auf Prozesse der Nachhaltigkeit beziehen lassen. Gerade diese Ansätze der Zukunftsentwicklung, bspw. in Bezug auf den Klimawandel, bieten sich an, um in narrative Szenarien übersetzt zu werden. (Veland et al. 2018, 43)
Storytelling und Narrative der Nachhaltigkeit Erzählungen sind für die Nachhaltigkeitskommunikation von besonderer Bedeutung, denn narrative Strukturen dienen dazu, Beobachtungen Sinn zu geben, neue Schlussfolgerungen zu generieren und Modelle für Veränderungen zu entwickeln. Erzählungen sind die Basis, um ein Verständnis davon zu entwickeln, wie die Welt verändert werden kann. Kollektive Narrationen bieten ein Gefühl der Sicherheit in Situationen des Wandels und Umbruchs. Dagegen begrenzt ein »narratives Vakuum« die Wirksamkeit der Nachhaltigkeitskommunikation. (Veland et al. 2018, 42–43)
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Storytelling für Nachhaltigkeit ist eingebettet in einen normativen Rahmen: Einerseits bezieht es sich auf einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit, andererseits zielt die Erzählung darauf, die Kompetenzen der Lernenden zu erhöhen, um in eigenverantwortlicher und reflektierter Art zu handeln. (Fischer et al. 2020, 41) Storytelling mit Hinblick auf Nachhaltigkeit bietet die Chance, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, die Aufnahme komplexer Informationen zu vereinfachen und zur Überwindung kultureller Barrieren beizutragen. Exemplarisch dafür ist die Kommunikation mit und Ansprache von Zielgruppen, die im Alltag wenig Schnittmengen mit Wissenschaft und wissenschaftlichen Erkenntnissen als Grundlage von Handlungsentscheidungen haben. Darüber hinaus können Geschichten moralische Fragen aufwerfen und damit einen normativen Resonanzraum eröffnen. Das Geschichtenerzählen ist somit ein ideales Instrument, um die Wertgrundlagen der Nachhaltigkeit zu reflektieren. Storytelling bietet auch die Möglichkeit, die Lebenserfahrungen anderer nachzuvollziehen und sich in sie einzufühlen – Grundlage für den Gerechtigkeitsanspruch einer globalen nachhaltigen Entwicklung. (Fischer et al. 2020, 44–45) Nachhaltigkeitskommunikation in Ausstellungen kann dafür Erzählungen entwickeln, die mit erkennbaren Akteuren, Motiven, Ursachen und Wirkungen arbeiten (Marshall 2015, 38). Falls Erzählungen derzeit eingesetzt werden, findet sich in Museen nicht selten ein kommunikativer Top-down-Ansatz, der an eine klassische Wissenschaftskommunikation angelehnt ist. (Veland et al. 2018, 43) Dagegen setzt Storytelling für Nachhaltigkeit die grundlegenden Bestandteile des Erzählens wie Handlung, Personalisierung, Dramaturgie, Chronologie, Kontext, Stilistik, Tonalität und Modalität ein und fokussiert diese auf die Effekte hinsichtlich Bildung bzw. Kompetenzerwerb sowie Nachhaltigkeit im Allgemeinen und der BNE im Besonderen. Solche transformativen Erzählungen verwenden weniger die klassischen Heldengeschichten, sondern sie respektieren vielmehr widersprüchliche Weltanschauungen und stärken die Fähigkeit der Zuhörenden, mit den Problemen und Konflikten langfristig positiv umzugehen. (Haraway 2016, 119) Für eine wirksame Nachhaltigkeitskommunikation können auch transformative Narrationen entwickelt werden, die nicht-textliche Erzählungen einbinden. Beispielsweise bilden mathematische Narrative einen Ausgangspunkt, um naturwissenschaftlich dominierte Fragestellungen neu zu vermitteln. (Veland et al. 2018, 43–44) Eine Herausforderung dabei ist, dass die notwendige Reduzierung der Komplexität nicht zu einer übertriebenen und verfälschenden Vereinfachung führt. (Fischer et al. 2020, 45) Dabei wird auch
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zukünftig das narrative Defizit im Museum bestehen bleiben, wenn man keine grundsätzlich neuen transformativen Erzählungen entwickelt.
Komplexität und Unsicherheit erfordern neue Interaktionen Interaktive Exponate bieten sich in Ausstellungen in idealer Weise als Ergänzung an, um die Komplexität von Nachhaltigkeit erlebbar zu machen. Insbesondere mediale Exponate sind in der Lage, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zu vermitteln, die für die Funktionsweise von sozial-ökologischen System von großer Bedeutung sind. Interaktive Exponate und responsive Medieninstallationen eignen sich in besonderer Weise dazu, systemisches Wissen zu vermitteln und den Besuchern ein Verständnis von Nachhaltigkeit zu erleichtern. Auch das Denken in Szenarien – ein wesentliches Element der Zukunftsforschung – kann eindrücklich durch interaktive Medien erlebbar werden. Hier können immersive Erfahrungen, wie virtuelle Umgebungen oder Serious Games, die globalen Zukünfte visualisieren, die Ausstellung ergänzen und den Bildungsauftrag unterstützen. Serious Games sind pädagogisch konzipierte Spiele, die sich mit einem ernsten Inhalt beschäftigen oder Probleme der realen Welt oder der Nachhaltigkeit nachahmen. Sie können Nutzenden ermöglichen, neue Perspektiven einzunehmen oder Handlungsoptionen auszutesten. Gerade Gruppenerlebnisse und kollaboratives Lernen in virtuellen Umgebungen sind anschlussfähig an Online-Gaming und stellen eine Chance für Museen dar, auf authentische Weise museale Inhalte zu transportieren und sich dabei deutlich von formalen Lehr-Lernsituationen abzuheben. Dabei ist eine Begleitung oder Anleitung insbesondere für Kinder und Jugendliche hilfreich, um den Lernerfolg zu vertiefen. (Apostolellis et al. 2018, 37) Neben einer spielerischen Vermittlung von Komplexität bieten interaktive Exponate auch die Möglichkeit, gezielt ein nachhaltiges Verhalten der Besucher zu fördern (siehe Bendor 2018). Die Kluft zwischen Verhaltensintentionen und Verhalten ist eine entscheidende Herausforderung im Hinblick auf nachhaltiges Verhalten; Gewohnheit und Routinen entscheiden auch darüber, ob eine Absicht auch in die Tat umgesetzt wird (vgl. Kap.4.3). Mit interaktiven Exponaten können nicht nur die konkreten Entscheidungssituationen simuliert und vorweggenommen werden. Sie können auch so konzipiert werden, dass geplantes nachhaltiges Verhalten eingeübt und damit später in realen Situationen leichter umgesetzt werden kann.
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Ideale Synergieeffekte zwischen interaktiven digitalen Erlebnissen und der objektbezogenen Ausstellungsarbeit bieten Augmented Reality Anwendungen. Damit kann man Objekte und Kunstwerke mit unterschiedlichen und individuell einstellbaren Informationsebenen anreichern und mit Medien ergänzen und kontextualisieren. Darüber hinaus können sie in ihren ursprünglichen Bedeutungszusammenhängen erfahrbar sowie in neue Narrative transferiert werden. Spielerische Ansätze ermöglichen die virtuelle Veränderung von Objekten oder bspw. im Museumsshop die direkte Umwandlung von Lieblingsobjekten der Ausstellung in Souvenirs. Ein zentraler Kritikpunkt der skizzierten Entwicklungsmöglichkeiten ist die mediale Überfrachtung des Museumserlebnisses, das im Kern auf der Aura des Objektes basiert. Hier gilt es tatsächlich, ein Gleichgewicht zu finden, dass die Potenziale der medialen Ergänzungen nutzt, ohne die Objekte in den Hintergrund treten zu lassen. Dieses Gleichgewicht wird sich nicht nur von Museum zu Museum unterscheiden, sondern es kann auch innerhalb einer Ausstellung changieren. Innerhalb einer Ausstellung können beide Zugänge – interaktive Medienexponate und digitale Ebenen einerseits sowie kontemplatives Wahrnehmen und Wertschätzen von Objekten andererseits – nebeneinander existieren und zum Einsatz kommen. Gleichwohl werden Besucher durch mediale und digitale Angebote zwangsläufig weniger Zeit mit den realen Objekten und in der Ausstellung verbringen. Hier gilt es, Berührungsängste abzubauen und im Sinne einer Publikumsorientierung undogmatisch vom Besucher aus zu denken. Einerseits werden digitale und virtuelle Erlebnisse niemals den persönlichen Kontakt und die daraus erwachsende gesellschaftliche Relevanz des Museumsgebäudes ersetzen. Andererseits sollten auch die Chancen von virtuellen Umgebungen für Museen, bspw. im Rahmen von Serious Games, nicht unterschätzt werden. Auch dort werden emotionale und soziale Verbindungen geknüpft, die die Bedeutung des Museums als relevanten Ort steigern und in Wiederholungsbesuchen resultieren können. Insgesamt bauen rein digitale Angebote nicht nur Zugangshürden ab, sondern öffnen Museen auch weltweit für andere Interessierte und erhöhen damit im digitalen Alltag die Sichtbarkeit von Museen.
Digitalität als Chance für die Publikumsorientierung Die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie in Museen erleichtert auch eine radikale Nutzerfokussierung und eine neuartige Ausrichtung auf das Publikum. Die Einbindung der Stakeholder und umfassende Partizipationsan-
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sätze sowohl in Ausstellungen als auch im Kurationsprozess führen zu einem neuen Verständnis davon, wie Museen mit ihrem Publikum in Kontakt treten. Hierbei steht die Entwicklung von digitalen Plattformen im Zentrum, mit denen Kollaboration, Generierung von Inhalten und soziales Lernen ermöglicht werden. Solche digitalen Erlebnisse können auch auf Crowdsourcing in Ausstellungen ausgerichtet sein, das es ermöglicht, Inhalte zu erstellen, zu Tagging in sozialen Medien, Ko-Kuration und weiterem führen kann. Diese Plattformen dienen einem langfristigen Dialog mit den Besuchern, der idealerweise zu einem anhaltenden Engagement für Nachhaltigkeit führt. (siehe Vermeeren et al. 2018, 4) Dadurch entsteht eine stärkere Verbindung zwischen dem Publikum und dem Museum, und das Gefühl einer Verantwortlichkeit (Ownership) steigt aufseiten der Besucher. Solche digitalen Plattformen verbinden beispielsweise konservatorische und sammlungsrelevante Daten mit Erlebnissen für Besucher, bringen fachwissenschaftliche Fragestellungen mit Ansätzen der Bürgerwissenschaft zusammen oder auch kuratorische Perspektiven mit Social Media-Narrativen. Die Entwicklung dieser Plattformen kann somit als eine virtuelle Weiterentwicklung des sozialen Ortes Museum im digitalen Raum verstanden werden. Im Hinblick auf die transformatorische Wirkung von Museen haben digitale Technologien in Ausstellungen insbesondere das Potenzial, Besucher dort abzuholen, wo sie sich in ihrem Alltag bewegen, in ihrer digitalen Welt. Die Digitalisierung von Ausstellungen birgt somit einen direkten Bezug zur alltäglichen Lebenswelt des Publikums. Auf diese Weise können Themen, Botschaften und Fragen aus dem Ausstellungskontext über Echtzeitdaten, künstliche Intelligenz und Schnittstellen zu Social Media an die in der jeweiligen Zielgruppe relevanten Diskurse angekoppelt werden. Im besten Fall entsteht daraus nicht nur eine höhere Relevanz der Ausstellung, sondern auch eine intensive Teilhabe des Publikums. (Giannini und Bowen 2019, 211–212) In diesem Sinn unterstützt die Digitalisierung auch einen Wandel von der Museumsarbeit für Besucher hin zu einer Arbeit mit Besuchern. Digitale Technologien erleichtern partizipatorische Erlebnisse und ermöglichen eine grundlegende Veränderung zu einem Museumsverständnis der Teilhabe und Beteiligung (Bautista 2014, 225). Mit einer Ausrichtung der Digitalisierung auf die Besucher entstehen auch neue Chancen: Zu dem Publikum im Museum treten auch Besucher hinzu, die das Museum ausschließlich digital besuchen. Die Ansprache, Entwicklung und Bindung dieser Digital Audience stellt die Außenkommu-
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nikation des Museums insgesamt vor neue Herausforderungen. (Frenzel 2019, 226)
Nachhaltige Ausstellungsgestaltung und transformatorische Szenografie Ausstellungsgestaltung für Nachhaltigkeit basiert auf den Prinzipien des Ökodesigns und erweitert diese um andere Dimensionen von Nachhaltigkeit, bspw. mit den Ansätzen des sozialbewussten Designs oder des DesignAltruismus. Eine weitere Entwicklung stellt ein Design-Aktivismus (FuadLuke 2009, 27) dar, der auf nachhaltige Veränderungen hinwirkt und damit auch explizit politisch ist und gesellschaftliche Missstände adressiert. Gestaltung und Design stellen in diesem Sinn vor allem den Kontext bereit, in dem Individuen eine Verhaltensänderung einfacher nachvollziehen oder umsetzen können (Niedderer et al. 2016, 70). Um den Gestaltungsprozess an sich nachhaltiger zu gestalten, können Gestaltende auf unterschiedliche Ansätze zurückgreifen. Dazu gehören Design Thinking oder Ansätze wie Co-Design. Auch systemische Sichtweisen und Konzepte aus der Ökologie können die Arbeit von Gestaltenden befruchten. Dazu gehören Ansätze wie Lernen im Team, die Nutzung von Einschränkungen, um Design zu verbessern, der Einbezug von Stakeholdern, Prinzipien der Permakultur oder der Biomimetik. (Jedlicka 2010, 145–247) Durch solche kollaborativen Prozesse wie partizipatives Design entstehen nachhaltige Lösungen von langfristigem Wert. Dagegen liefern Gestaltungsprozesse ohne Kollaborationen nur kurzfristig geeignete Lösungen, die wahrscheinlich auch weniger nachhaltig sind (Chick und Micklethwaite 2011, 46). Um die Wirksamkeit guter Gestaltungsansätze für nachhaltiges Design zu verbessern, kann Open Source Design genutzt werden, um eine leichtere Verbreitung von Entwürfen zu ermöglichen (Chick und Micklethwaite 2011, 49). Transformatorische Szenografie basiert auf der Übertragung von Ideen und Prinzipien aus der Nachhaltigkeitstheorie, dem Postwachstum und dem Diskurs zur gesellschaftlichen Transformation in einen räumlichen Kontext. Die Gestaltungssprache und die architektonisch ausgeformten Raumbilder unterstützen dabei im besten Fall die psychologischen Erkenntnisse der Kommunikationsforschung. Beispielsweise kann eine partizipative und responsive Raumgestaltung die Bedeutsamkeit von Kooperation für die Lösung der Klimakrise symbolisieren und basal erlebbar machen. Die Entwicklung einer
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solchen Nachhaltigkeitskommunikation im Raum folgt den Ansätzen der Gestaltung für Nachhaltigkeit sowie des Design-Aktivismus.
9.3 Sharing und nachhaltige Produktion Neben inhaltlichen Bezügen zum Themenkreis der Nachhaltigkeit sind auch die negativen ökologischen Auswirkungen der Produktion von Ausstellungen zu berücksichtigen. Damit Ausstellungen möglichst nachhaltig realisiert werden können, sollten Kriterien für eine ressourcenschonende Produktion bereits in den Planungs- und Gestaltungsprozess integriert sein (siehe Abbildung 17). Abbildung 17: Ökologisch-kollaborative Ausstellungsproduktion
Quelle: eigene Abbildung.
Als Ausgangspunkt für einen solchen Gestaltungsprozess eignen sich Ansätze des Ökodesigns (siehe Yeang und Woo 2010). Dabei sind insbesondere die Aspekte des Abfallmanagements mit zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt liegt hier ganz klar auf der Vermeidung von Abfall durch Leihe, Sharing,
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Tausch und Wiederverwendung ganzer Bauteile und Korpusse. Neben diesen eher organisatorischen Lösungen zur Vermeidung stehen Aspekte wie geringer Materialverbrauch, Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit oder modulare Einsetzbarkeit im Mittelpunkt des Gestaltungsprozesses. Bereits in der Entwurfsphase kann berücksichtigt werden, welche Teile und Materialien für andere Ausstellungen wiederverwendet werden könnten. Die Planung und Gestaltung von Ausstellungen kann grundsätzlich darauf ausgerichtet sein, Materialien einzusparen. Ausstellungen werden häufig in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern oder Gestaltenden entwickelt. Hier sollte im Sinne einer nachhaltigen Beschaffung (vgl. Kap. 6.2) sichergestellt werden, dass diese die zuvor definierten Nachhaltigkeitsstandards einhalten. Idealerweise sollten diese Anforderungen bereits in Ausschreibungen eine Rolle spielen und dann auch in Verträgen fixiert werden. Die nachhaltige Produktion von Ausstellungen und die konsequente Umsetzung von Ökodesign-Prinzipien wird unweigerlich zu Zielkonflikten in der Ausstellungsentwicklung führen. Potenziell höhere Kosten für nachhaltigere Produkte und Materialien sind dabei der banalste, wenn auch nicht unbedeutendste Zielkonflikt. Der entscheidende Zielkonflikt betrifft jedoch die Gestaltung selbst, und damit die kreative Freiheit der Gestaltenden. Häufig stehen sich die gewünschte Gestaltung und eine nachhaltige Produktion oder Wiederverwendbarkeit gegenüber. Hier kann man nur gemeinsam nach neuen Lösungen suchen, um beide Ziele miteinander in Einklang zu bringen. Jedenfalls ist auch von Seiten der Gestaltung Kompromissfähigkeit gefragt. Zusammenfassend sind daher bei jedem Ausstellungsprojekt die Nachhaltigkeitskriterien mit konkurrierenden Interessen, etwa von Kuration, Bildung und Gestaltung abzuwägen (vgl. Kap.13.1).
Umweltverträgliche Materialien und Ökobilanzierung Um auch die nachgelagerten Auswirkungen von Museen zu erfassen, sind gerade Ausstellungen mit dem Instrument der Ökobilanzierung bzw. Lebenszyklusanalyse (vgl. Kap.6.2) zu bewerten. Die Ergebnisse der Analyse sollten nicht nur dazu dienen, Materialien und Produkte auszuwählen, sondern sie sollten auch insgesamt im Planungsprozess eingesetzt werden, um die Ausstellung im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsleistung zu optimieren. Für Dauerausstellungen sollte nach Möglichkeit statt einer Lebenszyklusanalyse eine
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Lebenszykluskostenanalyse eingesetzt werden, um der typischerweise langen Einsatzdauer Rechnung zu tragen. Während der Vorbereitung und beim Bau von Ausstellungen werden eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien eingesetzt. Diese sollten nach ihrer Umweltauswirkung ausgewählt werden. Folgende Materialien können zum Einsatz empfohlen werden: • • • • • •
Materialien mit guter Ökobilanz (wenn verfügbar); ungiftige Materialien; Materialien und Produkte, die ein Öko- oder Umweltzeichen führen; recycelte Materialien; Materialien, die sich zum Upcycling eignen; sowie der Verzicht auf Verbundmaterialien.
Für die unterschiedlichen Materialarten existieren allgemeine Ansatzpunkte, um die Auswahl und den Einsatz umweltverträglich zu gestalten. Holz bietet als nachwachsender Rohstoff viele Vorteile, etwa einen guten Dämmwert, einen geringen ökologischen Fußabdruck sowie biologische Abbaubarkeit und die Möglichkeit zum Recycling. Beim Einsatz von Holz ist einerseits eine nachhaltige forstliche Bewirtschaftungsform wichtig, die durch Zertifizierungen wie bspw. Forest Stewardship Council (FSC) nachgewiesen werden kann. Andererseits ist, wenn möglich, regionales Holz zu wählen, um Emissionen durch den Transport zu minimieren. Pappe ist haltbar, günstig, formbar und kann mit umweltverträglichen Beschichtungen geschützt werden. Sie kann aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammen, was durch verschiedene Gütesiegel belegt werden kann. Idealerweise kommt recycelte Pappe zum Einsatz, die auch problemlos wieder recycelt werden kann. Pappe und insbesondere Wabenplatten aus Karton stellen eine gute Alternative dar, deren Möglichkeiten in der Ausstellungsgestaltung noch nicht annähernd ausschöpft sind. Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen wie Hanf oder auch Biokunststoffe können eine Alternative für bewährte Materialien darstellen. Ohne weitere Informationen auf sogenannte grüne Alternativen umzuschwenken, wird der Situation jedoch nicht gerecht. Auch hier gilt es, die Lebenszyklusanalyse dieser alternativen Materialien genau zu bewerten und mit den herkömmlichen Materialien zu vergleichen.
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Auf Kunststoffe wie PVC, die in der Regel aus Erdöl hergestellt werden, sollte wenn möglich verzichtet werden. Eine umweltfreundliche Option innerhalb der Kunststoffe stellen dabei Hohlkammerplatten dar. Verbundmaterialien können ein Problem darstellen, da diese in der Regel nicht oder nur aufwendig recycelt werden können. Dazu gehören bspw. Schaumstoffplatten, aber auch Holzwerkstoffe. Holzwerkstoffe wie Leimholz, Sperrholz, Grobspanplatten (OSB) oder mitteldichte Faserplatten (MDF) zeichnen sich häufig durch größere strukturelle Festigkeit aus als herkömmliches Holz. Bezüglich des ökologischen Fußabdrucks können Holzwerkstoffe dann interessant werden, wenn sie aus Nebenprodukten anderer Prozesse oder aus schnell nachwachsendem Holz hergestellt worden sind. Auch recyceltes Holz, insbesondere in Form von Spanplatten, ist diesbezüglich vorteilhaft. In der Produktion werden jedoch häufig Schadstoffe wie synthetische Kleber und Bindemittel eingesetzt. Sperrholz, OSB-Platten und Spanplatten enthalten in der Regel weniger Bindemittel als MDF- oder HPL-Platten. Darüber hinaus geben auch Label Auskunft über die Menge von eingesetzten Schadstoffen. Daher sind diese nicht kompostierbar, bzw. biologisch abbaubar. Wenn möglich sollte auf Verbundmaterialien verzichtet werden. In der Materialgruppe von Klebstoffen, Farben, Versiegelungen und ähnlichem sollte insbesondere auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) geachtet werden, die langsam ausgasen. Der Grundsatz ist hier, Produkte ohne potenziell gesundheitsschädliche oder giftige Bestandteile zu wählen. So existieren beispielsweise Kleber und Farben auf Wasserbasis oder pflanzliche Klebstoffe. Vitrinen als essenzieller Bestandteil von Ausstellungen vereinen unterschiedliche Materialien mit einer Vielzahl von Anforderungen. Gerade für Vitrinen ist deshalb eine Betrachtung der Lebenszykluskosten sinnvoll. Neben der Langlebigkeit ist hier auch auf schadstofffreie Materialien zu achten, die keine flüchtigen Stoffe ausdünsten. Hier können unter anderem spezielle Kleber und Dichtungen sowie essigsäurefreie Silikone zum Einsatz kommen. Karton- und Papierprodukte sollten nach Möglichkeit ebenfalls säurefrei sein. Gedruckte Produkte im Ausstellungskontext umfassen Objektschilder, Tafeln sowie den Direktdruck auf unterschiedlichste Materialien und Oberflächen. Ergänzend zur Ausstellung werden ebenfalls zahlreiche Printprodukte verwendet, so z.B. vielfältige Werbematerialien wie Poster, Banner, Flyer und Programme, Bildungsmaterialien und Handreichungen, die allerdings nicht spezifisch für den Ausstellungskontext sind. Die Umweltwirkungen ge-
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druckter Produkte hängt maßgeblich vom Trägermaterial, den Farben und der Veredelung ab. Bei Farben, Tinten und Beschichtungen ist auch hier auf umweltschädliche Bestandteile wie Metalle oder volatile Inhaltsstoffe zu achten. Des Weiteren hängt die Nachhaltigkeit von gedruckten Elementen von der Auswahl der Trägermaterialien wie Folien, Papiere, Verbundmaterialien, oder Textilien ab. Die bedruckbaren Trägermaterialien variieren in großem Maße im Hinblick auf die eingesetzten Ressourcen und deren Nachhaltigkeit (siehe Jedlicka 2010; Sherin 2008). Beim Einsatz von Folienplot sollte auf PVCFolien verzichtet werden.
Medientechnik und Energieeffizienz Der Einsatz von elektronischen Komponenten und Medientechnik nimmt in Ausstellungen zu. Die Schlagwörter Green IT oder Sustainable AV bezeichnen die Bestrebungen, Medientechnik aus ökologischer und nachhaltiger Sicht zu bewerten (siehe bspw. Maxwell und Miller 2012; Berkhout und Hertin 2004). Die nachhaltigkeitsrelevanten Effekte von Medien-, AV- und IT-Produkten entstehen nicht nur durch Herstellung, Nutzung und Entsorgung, sondern auch durch indirekte Auswirkungen wie Reboundeffekte (Williams 2011, 357). Grundsätzlich können medientechnische Komponenten unter verschiedenen Aspekten auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet werden. Dazu gehören: • •
• • • • •
Ressourcenverbrauch bei der Herstellung; Graue Energie, also die Energie, die über den gesamten Lebenszyklus der Geräte (Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf, Entsorgung) eingesetzt wird; Energieverbrauch; Herstellung aus recycelten Materialien; Einsatz recycelbarer Materialien (siehe bspw. Pini et al. 2019); Einsatz schadstoffarmer Materialien; Lebensdauer, insbesondere von Leuchtmitteln.
Im Hinblick auf die Umweltauswirkungen wird in der Regel die Energieeffizienz bei der Auswahl berücksichtigt. Hier können Labels wie Energy Star die Auswahl erleichtern. Komplexe medientechnische Systeme bringen jedoch auch Zielkonflikte in der Abwägung der Nachhaltigkeitskriterien mit sich. Ein noch überschaubares Beispiel ist das energieeffizienteste Leuchtmittel, das jedoch so viel Wärme in einer Vitrine produziert, dass eine zusätzliche
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Klimatisierung notwendig wird. Dieser Fall macht deutlich, dass detaillierte Daten zu den Komponenten notwendig sind, um eine nachhaltige Planung zu realisieren. Um zu einer einfacheren Auswahl der nachhaltigsten Produkte zu kommen, sind Lebenszyklusanalysen notwendig, die für Endkundenprodukte bereits gängig, für professionelle Produkte zum Einsatz in Museen und Ausstellungen allerdings noch sehr selten sind. Auch der sich rasant entwickelnde IT-Sektor führt zu methodischen Schwierigkeiten, die die Erstellung von Lebenszyklusanalysen erschweren (Cheung et al. 2018; Arushanyan 2013). Auch aufgrund der geringen Verfügbarkeit solcher Informationen werden Komponenten häufig ausschließlich anhand der technischen Gütekriterien sowie der Anschaffungskosten und ggf. der Betriebskosten sowie der Lebensdauer ausgewählt. Dabei werden die Betriebskosten maßgeblich durch die mit dem Wartungsaufwand verbundenen Lohnkosten bestimmt. Aus rein ökonomischer Perspektive sind daher Produkte günstiger, die komplett ausgetauscht werden, anstatt eine Wartung wie beispielsweise den Austausch eines Projektor-Leuchtmittels einzuplanen. Daraus folgt auf Herstellerseite eine zunehmende Entwicklung von teuren technischen Geräten, die als Wegwerflösungen konzipiert sind. Damit die Medientechnik in Museen nachhaltiger wird, sollten Museen verbindliche Vorgaben für Geräte definieren und Zertifizierungen verlangen. Darüber hinaus sollten Ausschreibungen nicht nur Energieeffizienz, sondern auch Lebenszyklusanalysen als Kriterium beinhalten und Bietende aufgefordert werden nachzuweisen, wie das nachhaltigste Produkt ausgewählt wurde.
Sharing, modulare Systeme und Ausstellungsbörsen Gerade bei großen und aufwendigen Wechselausstellungen, bei denen nach dem Abbau viel Abfall entsteht, wird die Nicht-Nachhaltigkeit der Arbeitsweise von Museen besonders augenfällig. Hier können Ansätze der Sharing Economy die Umweltverträglichkeit des Ausstellungssektors viel stärker positiv beeinflussen, als die zuvor aufgezeigten kleinteiligen Lösungen. Sharing Economy oder auch kollaborativer Konsum kann als Konzept verstanden werden, bei dem Informationstechnologie genutzt wird, um den Vertrieb, die gemeinsame Nutzung und die Wiederverwendung von Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen (Heinrichs 2013b, 229). Dabei zeigt kollaborativer Konsum auch einen Weg vom Konsumismus zu aktiver Bürgerschaft: Der Aspekt der Gemeinschaft tritt zum materiellen Konsum hinzu und
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erweitert ihn so zu einem verantwortlichen Handeln im Sinne einer nachhaltigen Gesellschaft (siehe Botsman und Rogers 2011). Ein guter Ansatzpunkt zur Umsetzung dieser Ideen ist die Entwicklung von modularen Systemen in der Ausstellungsarchitektur. Diese können einerseits museumsintern entwickelt und genutzt werden. Auch aufgrund der hohen initialen Investitionskosten und fehlender Lagerkapazitäten bietet sich andererseits die Entwicklung innerhalb von Museumsverbünden an, oder die Entwicklung als kooperatives Projekt innerhalb einer Stadt oder einer Metropolregion. Gegebenenfalls können in diesem Zug stadt- oder regionalweite Depots eingerichtet werden, die als langfristige Einrichtung die Entwicklungskosten von temporären Ausstellungen für alle beteiligten Museen erheblich reduzieren könnten. Daneben vertreiben Unternehmen modulare Systeme, die wiederverwendbar sind und leicht eingelagert werden können. Die starke Beschränkung der gestalterischen und insbesondere szenografischen Möglichkeiten muss nicht als Hindernis gesehen werden, sondern kann möglicherweise neue kreative Ansätze freisetzen. Einmalige Sonderausstellungen können nicht nur im Hinblick auf den Ausstellungsbau und die Korpusse, die nach dem Ausstellungszeitraum in der Regel entsorgt werden, sondern auch im Hinblick auf die Ressourcen und Kosten für Kuration und Design als sehr nicht-nachhaltig bezeichnet werden. Während Wanderausstellungen aufgrund der mehrmaligen Verwendung bereits per se nachhaltiger sind, können sie wiederum durch Transport und Verpackung ebenfalls nicht-nachhaltige Effekte verursachen. Wanderausstellungen bieten insbesondere Chancen aus Sicht der ökonomischen Nachhaltigkeit, können dabei doch die Kosten der Entwicklung auf mehrere Institutionen verteilt werden, bzw. kleinere Museen von den Strukturen und dem Wissen großer Museen profitieren. Für die Konzipierung von Wanderausstellungen sind unterschiedliche Kooperationsmodelle denkbar. Erstens können Wanderausstellungen von einem Museum konzipiert und anschließend an andere Museen verliehen werden; zweitens können mehrere Museen ihre Fähigkeiten ergänzen und so eine Wanderausstellung hocheffektiv erstellen, sodass sie nacheinander in den beteiligten Museen gezeigt wird; drittens können privatwirtschaftliche Anbieter Ausstellungen in Eigenregie entwickeln, die dann an Museen verliehen werden. Auch wenn bereits sehr häufig Wanderausstellungen in Kooperation erstellt werden, ist dieses Modell noch weit entfernt davon, die selbstverständliche Vorgehensweise zu sein. Gerade die geringeren Aufwände für inhaltliche Entwicklung und Gestaltung können im Sinne eines nachhaltigen und kooperativen Ansatzes innerhalb des Muse-
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umssektors als wichtiger erachtet werden, als die Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen, die durch singulär hergestellte Ausstellungen erreicht werden können. Ein bedeutendes Element für die Anbahnung von Kooperationen, für die Förderung von Wanderausstellungen insgesamt sowie deren Marketing stellen Tauschbörsen für Wander- und Sonderausstellungen dar. Das Konzept der Sharing Economy wird hier auf den gesamten Ausstellungssektor übertragen. Eine gut funktionierende Ausstellungsbörse bringt enorme Vorteile mit sich: Mit einem gut durchsuchbaren Online-Angebot könnte sie die erste Anlaufstelle für Museen für Sonderausstellungen sein und könnte daher erheblich zur vielfachen Nutzung von Sonder- und Wanderausstellung beitragen. Neben ökonomischen Vorteilen die durch den Sharing-Ansatz für die Museen realisiert werden können, sind insbesondere die längere Lebens- und Nutzungsdauer der Ausstellungen und damit eine bessere Ökobilanz des Lebenszyklus möglich. Insbesondere kleine und mittlere Museen könnten von diesem Angebot profitieren, da sie ggf. gegen Ende des Lebenszyklus einer Ausstellung hoch attraktive Ausstellungen in ihren Häuser präsentieren könnten.
9.4 Vom Leihverkehr zur kollaborativen Sammlung Wichtige Kulturgüter für möglichst viele Menschen erlebbar zu machen, ist eine der wichtigsten Aufgaben von Museen. Initiativen wie »Lending to Europe« (Leeuw et al. 2005) unterstützen dieses Ziel, vereinfachen den internationalen Transport und tragen dazu bei, dass der Leihverkehr – auch von Einzelobjekten – zunimmt. Darüber hinaus ist auch das Feld der Wanderausstellungen im Wachsen begriffen, was besonders auf aufwendig kuratierte und auf ein Massenpublikum zugeschnittene Ausstellungen zurückzuführen ist. Solche Blockbuster-Ausstellungen generieren zumeist enorm hohe Besuchszahlen und damit auch erhebliche und oft notwendige Einnahmen für Museen. So wichtig diese Funktionen von Museen auch sind, müssen die dadurch verursachten nicht-nachhaltigen Auswirkungen dieser Entwicklung doch in den Blick genommen werden.
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Neuartiges Risikomanagement und Modal Split Die negativen Auswirkungen umfassen unter anderem die Ressourcennutzung sowie die Klimabilanz der zahlreichen und oft internationalen Transporte. Eine Berücksichtigung dieser Effekte macht eine neue Bewertung des klassischen Risikomanagements im Leihverkehr notwendig. Neben die Evaluierung der Risiken für die Objekte tritt die Einschätzung des Risikos für die Umwelt und die Gesellschaft durch klimaschädliche Effekte des Leihverkehrs. Diese Wirkungen müssen im Rahmen eines neuartigen Risikomanagements gegeneinander abgewogen werden. Ein solches Vorgehen muss demnach insbesondere die Bereiche des Leihverkehrs berücksichtigen, bei denen mit den größten negativen Auswirkungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu rechnen ist. Dazu gehören unter anderem Transport und Verpackung. Für den Transport von Sammlungsobjekten werden derzeit vor allem dieselbetriebene und klimatisierte LKWs sowie kerosinbetriebene Flugzeuge eingesetzt. Der entscheidende Ansatz zur Verringerung der ökologisch nachteiligen Auswirkungen ist daher die Veränderung der Verkehrsmittelwahl, des Modal Split. Der Leihverkehr muss weg von der Straße und dem Flugzeug, hin zu mehr Nutzung von Schiff und Eisenbahn. Doch gegenwärtig wird der Schienenverkehr nur selten als Option in Betracht gezogen. Eine Hürde zur Veränderung des Modal Split ist die fehlende Forschung zum Risiko für die Objekte beim Transport mit anderen Verkehrsmitteln und damit fehlende Entscheidungsgrundlagen für die Konservatoren und Registrare sowie für Versicherungen. Daraus folgt häufig, dass die bekannten Lösungen wie der LKW-Transport verwendet werden. Wenn der Transport mit LKWs unverzichtbar ist, sollten Speditionsunternehmen ausgewählt werden, die auf Nachhaltigkeitsaspekte in ihrem Betrieb achten und zumindest nachweisen, dass ihre Fahrzeuge ökologisch optimiert sind. Dazu gehören beispielsweise Aggregate für die Klimaanlage, um so den Motorleerlauf zu reduzieren oder die aerodynamische Anpassung der Anhänger.
Verpackung und Materialien Im Hinblick auf die Verpackung und die für den Leihverkehr eingesetzten Materialien ist die Unterscheidung zwischen der direkten Verpackung, bzw. Polsterung sowie der eigentlichen Transportkiste wichtig. Transportkisten sind häufig individuell für ein Objekt hergestellte Holzkisten, die einmalig verwendet werden. Verpackungsmaterial besteht zumeist aus erdölbasierten
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Kunststoffen und Schäumen. Soweit Lebenszyklusanalysen überhaupt vorliegen, sind die eingesetzten Verpackungsmaterialien in der Regel wenig nachhaltig und stoßen bei Raumtemperatur zum Teil leichtflüchtige Stoffe aus. Hinzu kommt, dass aufgrund der Arbeitsabläufe in Museen und der fehlenden Lagerräume häufig eine erhebliche Menge an Material verschwendet wird und kaum Wiederverwendung stattfindet. Aus rein ökonomischer Sicht ist dies auch nachvollziehbar, da Lagerkosten und Lagerverwaltung die Kosten des Verpackungsmaterials deutlich übersteigen würden. (Warden 2009, 55–56) Auch im Feld der Transportverpackung folgt der zentrale Handlungsansatz der klassischen 3R-Formel: Reduce – Reuse – Recycle, also vermeiden, wiederverwenden und Re- bzw. Upcyceln. Da auf Transportkisten nicht verzichtet werden kann, geht es hier um Wiederverwendung. Da eine Wiederverwendung zumeist an fehlenden Lagerkapazitäten scheitert (Warden 2009, 54), bietet sich die Miete von Transportverpackungen an. Insgesamt existieren im Feld des Transports von Kulturgütern noch zu wenige nachhaltige Alternativen – von Verpackungsmaterialien über Transportkisten bis hin zu einer Sharing-Plattform für Kuriere.
Auf Kuriere verzichten und Leihverkehr neu organisieren Viele Objekte werden regelmäßig durch einen Kurier des Leihgebers begleitet. Dabei haben Untersuchung zur Klimabilanzierung gezeigt (Lambert und Henderson 2011), dass gerade die Kuriere einen erheblichen Anteil der mit einem Transport verbundenen C02 -Emmissionen verursachen. Daher sollten Kuriere nicht gewohnheitsmäßig, sondern nur in gut begründeten Fällen eingesetzt werden. Kuriere können sich auch Aufgaben aus unterschiedlichen Institutionen teilen, bspw. kann ein Kurier eines Leihnehmers zum Einsatz kommen, wenn ein Objekt zwischen zwei leihnehmenden Museen transportiert wird. Klimawirksam ist vor allem, wenn durch das Objekt ein Sitzplatz im Flugzeug belegt wird, weshalb stattdessen eine andere Lösung für den Transport gefunden werden sollte (Lambert und Henderson 2011, 225). Auch die Routenplanung, bspw. von Wanderausstellungen, kann zu einem nachhaltigeren Leihverkehr beitragen. So könnte ein neues Planungs- und Reservierungssystem entwickelt werden, bei dem die Verleiher die Leihgabe nicht nach dem Zeitpunkt, sondern nach dem Standort des Leihnehmers steuern. Beispielsweise könnten Ausstellungen innerhalb einer bestimmten Region für eine bestimmte Zeitspanne angeboten werden. Auch die koope-
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rative Erstellung von Wanderausstellungen könnte stärker auf geografische Regionen und mit benachbarten Ländern abgestimmt werden, und weniger auf geplante Eröffnungstermine in spezifischen Museen (Lambert und Henderson 2011, 226).
Kulturgütertransport neu denken Ein grundsätzlicher Ansatz zur Verbesserung der klimaschädlichen Auswirkungen des Leihverkehrs ist eine Reflexion der Notwendigkeit des Kulturgütertransportes an sich. Unter der Perspektive des nachhaltigen Museums könnte das Credo, Kulturgut für jedermann zugänglich zu machen, überdacht werden. Im Sinne des Postwachstums ist auch hier eine Verringerung der Stückzahlen im Leihverkehr das Ziel. Während bezüglich der Aufbewahrung in Depots sich häufig konservatorische Bedarfe und Anforderungen durch ein Nachhaltigkeitsmanagement entgegenstehen, gehen sie im Feld des Leihverkehrs Hand in Hand: Weniger Transporte bedeuten ein geringeres Risiko für die Objekte sowie geringere negative Auswirkungen auf die Umwelt. Aus Sicht des Konservators besteht für ein Objekt das geringste Risiko, wenn das Objekt nicht transportiert wird. Statt ein quantitatives Wachstum anzustreben, kann die Wirksamkeit der Leihgaben gesteigert werden. Ein nachhaltiger Leihverkehr setzt jedes Objekt so ein, dass es die größtmögliche Wirkung für das Publikum und die Öffentlichkeit insgesamt erzielt. Die Sharing Economy basiert auf dem Prinzip eines kollaborativen Konsums, der im Sinne einer kollaborativen Sammlung für den Leihverkehr nutzbar gemacht werden kann. In einer kollaborativen Sammlung befinden sich Sammlungsobjekte nur selten in ihrem Depot, sondern werden langfristig z.B. an kleine Museen transferiert (siehe Abbildung 13). Auch können sie von Ausstellung zu Ausstellung transferiert werden, ohne als Leihgaben stets wieder zurück zum Ausgangsort zu kommen. Die Umsetzung einer kollaborativen Sammlung ist auch deshalb herausfordernd, da viele unterschiedliche Akteure involviert sind: Restauratoren, Registrare, Kuratoren, Packer, Spediteure, Kuriere und andere. Eines der größten Hindernisse sind die fehlenden Informationen zu den Alternativen, da so das Risiko für die Objekte nur unzureichend eingeschätzt werden kann.
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Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
Ausstellung und Kuration 1. 2. 3. 4. 5.
Ausstellungen nutzen, um über Nachhaltigkeit, Zielkonflikte und Ansätze zur Bewältigung globaler Herausforderungen zu reflektieren. Leihverkehr und Begleitung durch Kuriere reduzieren sowie Objekte per Eisenbahn und Schiff transportieren. Wiederverwendbare Ausstellungssysteme einsetzen. auf erdölbasierte Kunststoffe und schadstoffbelastete Verbundmaterialien im Ausstellungsbau verzichten. einen sicheren Raum für den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen und Milieus schaffen.
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Über das Museumspublikum findet das Wissen und die Begeisterung für Nachhaltigkeit Verbreitung in der Gesellschaft. Das Museumspublikum stellt damit einen Schlüssel für die gesellschaftliche Wirksamkeit von Museen dar. Besonders wichtig sind deshalb museumspädagogische Aktivitäten, denn hier tritt das Museumspersonal direkt und intensiv mit dem Publikum in Kontakt. Wie kann die Museumspädagogik vom Ansatz der Bildung für nachhaltige Entwicklung profitieren? Welche Rolle spielt Partizipation im nachhaltigen Museum? Unter den Vorzeichen von Nachhaltigkeit und Partizipation kommt der Bildungs- und Vermittlungsarbeit eine neue Bedeutung für die Wirksamkeit des Museums zu. Vision Selbstverständnis
Lernumgebung zum Kompetenzerwerb für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft bieten
Expertise
Bildung für nachhaltige Entwicklung, Agenda 2030, ausgeprägte Partizipationskompetenz
Praktik
Transformative Bildung auf Sammlung und Formate übertragen, lokale Verankerung, community engagement und Aktivismus stärken
10.1 Das Museum als Lernort der Transformation Museen unterscheiden sich von Lernorten der formalen Bildung nicht nur durch eine Offenheit des Lernprozesses und diverse Möglichkeiten der Par-
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tizipation, sondern vor allem auch in deren Ausbildung als sozio-kulturelle Lernumgebung (Wertsch 2010, 117). Hier kann soziales Lernen im Sinne von Nachhaltigkeit als Suchprozess eine besondere Relevanz gewinnen. Gerade in den persönlichen pädagogischen Angeboten stehen die Menschen und der menschliche Austausch im Zentrum der Arbeit. In diesen Situationen sind Achtsamkeit und reflexive Praktik in Bezug auf soziale Gleichberechtigung und Diskriminierung wichtig. Dabei spielen unter anderem ethnische Herkunft, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung eine Rolle. Hier ist es für weiße, männliche Menschen in der Bildungsarbeit häufig schwierig, einen authentischen Weg zu finden, der die Fallstricke berücksichtigt, um nicht unbewusst re-diskriminierende Perspektiven zu fokussieren (Heller 2017, 3). Diesen sozialen Lernprozess können Objekte bereichern, denn Besucher können auf vielfältige Art und Weise mit und um Objekte herum interagieren. Basierend auf Ihrem Wissen und ihren Einstellungen können sie mögliche Bedeutungszusammenhänge aufdecken und so Museen als sinnstiftenden Lernort erfahren (Rowe 2010, 33). Die Objekte mit dem Alltag der Besucher zu verknüpfen und sie so in einen sinnstiftenden Zusammenhang zu bringen, stellt dabei einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt für Lernen im Museum dar (Csikszentmihalyi und Hermanson 1995, 73). Museen stellen damit als physischer Kontext ganz besondere Lernumgebungen dar. Bei Fragen der Nachhaltigkeit gewinnt dieses kontextuelle Verständnis von Lernen (siehe Falk und Dierking 2000, 65) eine besondere Bedeutung, ist in unübersichtlichen Problemlagen die Notwendigkeit Informationen und Erfahrungen einzuordnen und ihnen einen Sinn zuzuschreiben besonders ausgeprägt. Museen können diese Kontextualisierung im Zusammenwirken von Raum, Objekt, Medien, Mensch und Gruppe besser leisten als andere Lernumgebungen.
Transformatives Lernen und Nachhaltigkeit Gerade für die Arbeit an Wicked Problems eignet sich der Ansatz des transformativen Lernens, hilft er doch die individuellen Prägungen, Annahmen und Bezugsrahmen wahrzunehmen und zu hinterfragen (siehe Christie et al. 2015, 21). Transformatives Lernen zielt auf einen Wandel, der durch autonomes Denken und eine Verortung in einem Bezugsrahmen hergestellt wird (Mezirow 1997, 5). Nachhaltigkeit kann hier diesen Bezugsrahmen bieten. Transformatives Lernen hat auch zum Ziel, die Reflexionsfähigkeit in Bezug auf die eigenen Bedeutungsperspektiven zu steigern (Getzin und Singer-Brodow-
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ski 2016, 43). Transformatives Lernen dient als theoretischer Ansatz, der eine Einordnung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) erleichtert. BNE folgt damit einem kritischen und emanzipatorischen Verständnis, das sich insbesondere in diversen Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz widerspiegelt. Nachhaltigkeit als normatives Konzept schlägt sich in der BNE nicht in Inhalten und Lernzielen nieder, sondern bietet einen wertbasierten Rahmen für die Entwicklung von Kritikfähigkeit, demokratische Mündigkeit und Gestaltungskompetenz. BNE folgt daher keinem instrumentellen Verständnis und beabsichtigt keine Erziehung zu nachhaltigem Verhalten. Bildung und Vermittlung in Museen bietet sich für die Umsetzung der oben skizzierten Ansätze in idealer Weise an, denn hier können problembasiertes, projektorientiertes und forschendes Lernen in einem einzigartigen Setting stattfinden. Die Reflexion der eigenen Haltung zu Konzepten wie Wachstum, Entwicklung oder gutem Leben bedürfen Zeit und Diskussion. Sie führt häufig zu kognitiven Dissonanzen oder löst emotionale Reaktionen aus. Um diese Reflexion zu ermöglichen und zu unterstützen, sollten didaktische Konzepte und interaktive Erlebnisse ausdrücklich intensive Reflexionsphasen vorsehen (Getzin und Singer-Brodowski 2016, 43). Museen können im Rahmen ihrer Angebote diesen Reflexionsprozess begleiten und den Ort für den darauf aufbauenden Diskurs bereitstellen. Die Anwendung von transformativem Lernen im Museum erfordert vor allem eine Fokussierung auf die Gestaltung der Lernumgebung. Der Lernumgebung eine größere Aufmerksamkeit zu widmen heißt auch, diese im Sinne einer transformativen Bildung in Ausstellungen und Bildungsangeboten auszuformulieren (siehe Cohen und Heinecke 2018, 280–281).
Das Museum als lernende Organisation Im Sinne eines transformativen Lernens fungieren pädagogische Fachkräfte in Museen als Ermöglicher und Provokateure und bieten so eine Lernumgebung, in der Besucher selbstbestimmt und autonom lernen (Mezirow 1997, 10–11). Dabei stehen Museumspädagogen aber auch vor einer großen Herausforderung: Nachhaltigkeit ist ein umfassendes Konzept, dass auf Unsicherheiten reagiert und mit Komplexität umgeht. Jede pädagogische Arbeit zu Nachhaltigkeit muss daher stärker als in anderen Themenbereichen auf die jeweilige Situation angepasste Ansätze und Instrumente finden, um das sperrige Leitbild der Nachhaltigkeit in Lehr-Lernsituationen fruchtbar zu machen (Daskolia und Kynigos 2012, 818).
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Nachhaltigkeit als langfristiger Veränderungsprozess beinhaltet im Kern eine Perspektive auf Lernen und Wachstum (vgl. Kap.5.3). Diese Entwicklung von Individuen und der Organisation insgesamt bildet die Grundlage für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement (siehe Chai 2009, 102–103). Die Transformation von Museen zu einer nachhaltigen Institution bedarf einer großen Menge an neuem Wissen. Im Sinne einer lernenden Organisation können Museen ihre Mitarbeitenden bei diesem Lernprozess unterstützen. Dazu gehört eine Lernstrategie, die Schaffung von Lernstrukturen und insbesondere die Verbesserung der allgemeinen Lernfähigkeit. Auf individueller Ebene kann die Lernfähigkeit der Mitarbeitenden und die Entwicklung zu Lernpersönlichkeiten unterstützt werden. (Zanzinger 1997, 264)
10.2 Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Museumspädagogik In einem Museum, in dem alle Aktivitäten darauf ausgerichtet sind, einen größeren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten, ist BNE ganz selbstverständlich das Kernkonzept für alle Aktivitäten der Bildungsabteilung. BNE zielt darauf ab, die Kompetenzen und Werte zu fördern, die den Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft ermöglichen. Es ist damit weit mehr als die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsthemen in verschiedene Lernkontexte oder die Vermittlung der wissenschaftlichen Grundlagen der globalen Krisen. Vielmehr versetzen diese Kompetenzen Menschen in die Lage, (i) komplexe Probleme zu lösen, die mit den globalen Herausforderungen einhergehen, (ii) gemeinsam Entscheidungen zu treffen, um ihre Zukunft zu gestalten, und (iii) einen Lebensstil zu entwickeln, der zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt (de Haan 2006, 22). BNE adressiert daneben auch die zentralen Werte des Leitbilds der Nachhaltigkeit – insbesondere Gerechtigkeit und dessen Umsetzung.
BNE und die Ziele für nachhaltige Entwicklung Das globale Rahmenkonzept BNE 2030 (ESD 2030) der UNESCO für den Zeitraum 2020 bis 2030 bezieht Aktivitäten der BNE sehr spezifisch auf die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Im Rahmenkonzept ESD 2030 werden Ansätze entwickelt, wie Bildungsaktivitäten die Erreichung der SDGs unterstützen können. Dies kann durch die
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Entwicklung von mehrdimensionalen Lernzielen je SDG umgesetzt werden (siehe dazu Rieckmann 2017). Bildung betrifft alle SDGs, aber insbesondere SDG4, da BNE zu hochqualitativer Bildung beiträgt. Teilziel 4.7. adressiert spezifisch BNE sowie die Themen und erwünschten Effekte. Durch die explizite Ausrichtung auf die SDGs soll BNE in alle SDGs integriert werden, und zwar von der politischen über die institutionelle Ebene bis hin zu Individuen und Multiplikatoren (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2020, 14). BNE im Rahmen von ESD 2030 setzt hier an den unterschiedlichen Dimensionen des Lernprozesses an: Erstens steigert sie das Bewusstsein für die SDGs, zweitens ermöglicht sie ein besseres Verständnis der SDGs durch Einbettung in Zusammenhänge, und drittens motiviert sie zu Handlungen und Aktionen, die zu einer konkreten Umsetzung der SDGs beitragen (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2020, 16). Das bedeutet für Bildungsangebote im Rahmen von ESD 2030, dass sie verstärkt auf die konkreten Nachhaltigkeitswirkungen ausgerichtet sind und weniger auf die Ergebnisse des Lernprozesses (Learning Outcomes) (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2020, 14). Eine besondere Bedeutung kommt dabei einem Ansatz zu, der kollektive Handlungsansätze fördert und dabei Werte wie Empathie, Respekt, Solidarität und Verantwortung fokussiert. ESD 2030 bringt auch eine stärkere Fokussierung auf eine große gesellschaftliche Transformation mit sich und identifiziert dabei die spezifischen Aspekte, die BNE zu einem Transformationsprozess beitragen kann (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2020, 18). BNE besitzt ihre Stärke darin, auf individueller Ebene Wirkungen zu entfalten und so durch Verhaltensänderungen zu einer gesamtgesellschaftlichen Transformation beizutragen. Um die Wirksamkeit weiter zu steigern, muss in Zukunft noch stärker in den Blick genommen werden, wie BNE direkt in politische und gesellschaftliche Strukturen hineinwirken kann und auf dieser strukturellen und systemischen Ebene den Transformationsprozess unterstützen kann. Neben einer verstärkten Thematisierung des Wandels selbst, könnten dadurch auch neue Zielgruppen und ggf. neue Instrumente für die BNE in Museen wichtig werden.
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Abbildung 18: Bildung für nachhaltige Entwicklung im Museum
Quelle: eigene Abbildung.
Um eine Große Transformation voranzutreiben, ist die Integration von BNE in allen Bildungssektoren und Curricula notwendig (Rieckmann 2017, 48–50). Obwohl im Rahmenkonzept ESD 2030 der informale Bildungssektor erwähnt ist, werden Museen als Orte, die in einer partizipativen Wissenschaftsgesellschaft beispielhaft Bildung zu Wissenschaft und Nachhaltigkeit vorantreiben können, nicht explizit benannt. Die Bedeutung des informalen Sektors und insbesondere der Museen werden hier immer noch unterschätzt oder zumindest nicht angemessen ausformuliert. Das Rahmenkonzept ESD 2030 ist die perfekte Gelegenheit für Museen, die Rolle der Museen im Bereich BNE zu stärken (siehe Abbildung 18).
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Es liegt in der Verantwortung des Museumssektors, sich hier stärker einzubringen. Dabei kann sowohl auf das Potenzial von Museen für BNE als auch auf die gesellschaftliche Wirkung von Museen insgesamt mehr aufmerksam gemacht werden. Der im Rahmenkonzept ESD 2030 geforderte Blick auf die gesamte Institution (Whole Institution Approach) beschreibt aus dem Blickwinkel der Bildung genau das, was im Rahmen dieses Buches für Museen entwickelt wird: Die Ausrichtung der gesamten Institution auf das Leitbild der Nachhaltigkeit.
BNE als widerständiges Konzept in Museen Museen bieten einen einzigartigen Ort für informelles Lernen. Zahlreiche Museen auf der ganzen Welt befassen sich mit globalen Herausforderungen und thematisieren Nachhaltigkeit in Ausstellungen und museumspädagogischen Angeboten. Für viele Museen ist die Anwendung des Konzeptes der BNE immer noch eine Herausforderung. Den Besuchern die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, nicht nur ihr Verhalten und ihren gesamten Lebensstil, sondern auch ihre Werte zu ändern, ist eine ambitionierte Aufgabe. Museen, die diese Herausforderung annehmen, müssen ihre Bildungs- und Vermittlungsarbeit neu ausrichten. Dafür können sie sich auf ihre spezifischen Stärken konzentrieren und genau in Betracht ziehen, was ihre Besucher an einem bestimmten Exponat lernen, aber noch vielmehr, wie sie lernen und interagieren. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, die Themen für das Publikum relevant zu machen. Nachhaltigkeit ist ein breites und umfassendes Thema. Daher ist es wichtig, Themen und Probleme nicht nur auf lokaler Ebene zu behandeln, sondern auch Bezüge zum Alltag der Besucher herzustellen. BNE ist jedoch nicht nur für Programme relevant, sondern die Ansätze der BNE können auch in Ausstellungen umgesetzt werden. Dafür sind sie am besten von Anfang an in die Ausstellungsplanung integriert und werden mit fortlaufender Produktion immer weiter konkretisiert. BNE im Sinne der Entwicklung von Gestaltungskompetenz ist vor allem dann erfolgreich, wenn auch praktische Aufgaben und Erfahrungen in pädagogische Angebote integriert werden. Die zentrale Herausforderung ist das Erlernen von Kompetenzen in dem kurzen Zeitfenster des Museumsbesuchs.
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Kompetenzen für eine nachhaltige Zukunft vermitteln Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development 2005) hat durch die Analyse psychosozialer Voraussetzungen Schlüsselkompetenzen für ein erfolgreiches Leben und eine gut funktionierende Gesellschaft identifiziert. Dies sind insbesondere Kompetenzen, die es erlauben, sich in verschiedensten Situationen zurechtzufinden und diese mitzugestalten. Diese Schlüsselkompetenzen differenziert die OECD in drei unterschiedliche Bereiche. Erstens geht es um die Anwendung von Medien und anderen Hilfsmitteln und Werkzeugen. Dazu gehört neben Informationstechnologien auch die Sprache selbst. Kompetenzen in diesem Bereich umfassen nicht nur die Anwendung, sondern auch die Anpassung dieser Instrumente, um eigene Ziele zu erreichen. Die zweite Kategorie betrifft die Interaktion und die Zusammenarbeit in Gruppen mit unterschiedlichen, heterogenen Teilnehmenden. Dies bezieht sich vor allem auch auf die Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturkreisen erfolgreich zu interagieren. Die dritte Kategorie betrifft die Fähigkeit, autonom zu handeln. Voraussetzung dafür ist, das eigene Leben in einem größeren, globalen Kontext zu reflektieren und darauf aufbauend Verantwortung für den eigenen Lebensentwurf zu übernehmen (Organisation for Economic Co-operation and Development 2005, 7). Die drei skizzierten Kategorien greifen ineinander und bilden zusammen eine Grundlage für die Bestimmung und die Verortung von Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung. BNE zielt nach de Haan (2010) darauf, Menschen mit Kompetenzen auszustatten, mit denen sie aktiv und eigenverantwortlich die Zukunft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gestalten können. Menschen werden dazu befähigt, bei Fragen zur nachhaltigen Entwicklung informierte Entscheidungen zu treffen. Diese sogenannte Gestaltungskompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Probleme der Nachhaltigkeit zu identifizieren, Lösungen zu entwickeln und in produktiver Weise mit zukünftigen Situationen umzugehen. Die Gestaltungskompetenz befähigt Menschen, an der Gesellschaft der Zukunft teilzuhaben und sie im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung mitzugestalten. (de Haan 2010, 320) Gestaltungskompetenz kann als eine nachhaltigkeitsbezogene Spezifizierung des transformativen Lernens aufgefasst werden. Das autonome Denken wird hier dafür genutzt, die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit zu gestalten.
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Um dieses abstrakte und übergreifende Konzept zu operationalisieren, wurden verschiedene Teilkompetenzen entwickelt, aus denen sich die Gestaltungskompetenz zusammensetzt. Die Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz basieren zum einen auf der Nachhaltigkeitswissenschaft und sind zum andern aus den grundlegenden Werten der Nachhaltigkeit abgeleitet. Die Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz, die sich wiederum den Schlüsselkompetenzen der OECD zuordnen lassen, sind (de Haan 2010): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen; vorausschauend Entwicklungen analysieren und beurteilen können; interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln; Risiken, Gefahren und Unsicherheiten erkennen und abwägen können; gemeinsam mit anderen planen und handeln können; Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen können; an kollektiven Entscheidungsprozessen teilhaben können; sich und andere motivieren können, aktiv zu werden; die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können; Vorstellungen von Gerechtigkeit als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage nutzen können; selbstständig planen und handeln können; Empathie für andere zeigen können.
Museen als Ort des Kompetenzerwerbs Museen zeichnen sich durch spezifische Potenziale im Hinblick auf die Vermittlung von Kompetenzen aus. Beispielsweise tragen Museen durch eine Selbstvergewisserung zu einer Identitätsstabilisierung bei. Im Hinblick auf die Kompetenzkategorien der OECD wird dadurch auch das individuelle Verantwortungsbewusstsein gestärkt (Hinz 2006, 25). Während alle Teilkompetenzen sich für eine Umsetzung in personellen museumspädagogischen Angeboten eignen, lassen sich nur bestimmte Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz gut in Ausstellungen vermitteln. Die Teilkompetenz »weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen« eignet sich gut für die Anwendung in Ausstellungen, da Ausstellungen erleichtern und anregen, sich in andere hineinzuversetzen. Die Kompetenz kann auf verschiedenste Themen bezogen werden, so bspw. auf andere Lebenswelten oder Themen wie Ausgrenzung und Diskriminie-
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rung. Ansatzpunkte hierfür sind die Darstellung anderer Lebensstile, die Darstellung ungleicher Lebensbedingungen, die Reflexion der subjektiven Weltsicht im globalen Kontext sowie das Aufzeigen der Folgen von individuellem und kollektivem Verhalten auf globaler Ebene. Eine erfolgreiche Anwendung im Ausstellungskontext setzt allerdings voraus, dass dazu angeregt wird, die neue Perspektive intensiv zu reflektieren. Die Teilkompetenz »interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln« lässt sich hervorragend in die Bildungs- und Vermittlungsarbeit integrieren. Interdisziplinäres und systemisches Denken kann als zentraler Baustein angesehen werden, um globale Probleme und Zukunftsszenarien zu verstehen. Es kann durch den Einsatz von Untersuchungsmethoden erlernt werden, die die Besucher ermutigen, relevante Informationen zu suchen, Beziehungen innerhalb von Systemen zu entdecken und durch eigene Untersuchungen und Schlussfolgerungen einen Beitrag zu leisten. Konkrete, reale Objekte überschreiten immer die Grenzen der Disziplinen und fördern so das interdisziplinäre Denken. Interdisziplinäre Erkenntnisse lassen sich sehr gut durch verschiedene Informationsebenen an Objekten darstellen. Darüber hinaus bieten die unterschiedlichen Instrumente (Technik, Medien, Bilder, Filme, Texte etc.) in Ausstellungen vielfältige Möglichkeiten, interdisziplinäre Perspektiven und Abhängigkeiten zu vermitteln. Auch entdeckendes Lernen im Museum kann zu dieser Teilkompetenz beitragen. Eine Anwendung im Ausstellungskontext setzt beispielsweise voraus, dass Lösungen für ein Problem aus verschiedenen Sichtweisen heraus entwickelt werden können. Außerhalb des Museums kann interdisziplinäres Denken in der Durchführung von angewandten Projekten erlernt werden, die zur Bewältigung von Nachhaltigkeitsproblemen vor Ort vom Museum initiiert wurden. Die Teilkompetenz »Empathie für andere zeigen können« eignet sich gut für die Kommunikation in Ausstellungen, weil Geschichten und Storytelling Menschen in den Mittelpunkt stellen. Der Perspektivwechsel oder das Gefühl, das Leben eines anderen zu leben, können beeindruckende Lernanlässe sein. Dieser menschliche Zugang zu Objekten und den Themen der Ausstellung kann an eine konkrete Alltagsrealität anknüpfen und ist häufig mit Emotionen verbunden. Das Einfühlen kann durch Fragen, Bilder, Videos oder immersive Erlebnisse erleichtert werden. Zusammenfassend erscheinen die folgenden Kompetenzen für die Umsetzung in Museen als besonders geeignet:
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Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen; interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln; Empathie für andere zeigen können.
Die Umsetzung von BNE im Museum, in der pädagogischen Arbeit und im Ausstellungskontext ist von unterschiedlichen Rahmenbedingungen beeinflusst – dabei steht ein partizipativer Ansatz stets im Mittelpunkt aller Angebote.
10.3 Partizipation, Ko-Kreation und Crowdsourcing Partizipation ist ein Schlüsselelement der nachhaltigen Entwicklung, weil sie Menschen befähigt, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen und die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung besser zu meistern. Partizipative Ansätze führen zu aktiver Bürgerschaft und damit zu engagierten Bürgern, einer Voraussetzung für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit (Rieckmann und Stoltenberg 2011, 123). Bildungsprozesse im Rahmen der BNE werden grundsätzlich als Partizipationsprozesse gestaltet. BNE als Kernkonzept von Bildung und Vermittlung in Museen verändert damit auch die Rolle der Lehrenden, die in Zukunft stärker als Ermöglicher oder Moderatoren von Lernprozessen tätig sind. Das nachhaltige Museum integriert daher die partizipative Kultur in all ihren Formen (siehe Simon 2010): von Ko-Kuration bis zur Maker-Bewegung, von Basteln bis zu partizipativen Sammlungen, von Co-Design bis zu spielerischer Forschung. Partizipation im Museum stellt jedoch kein triviales Mitmachen dar, sondern ist durch vielfältige Voraussetzungen und Optionen geprägt (Piontek 2018, 1). Durch Partizipation verändert sich auch das Selbstverständnis des Museums: Museen als Ganze werden zu zentralen Orten für den »gesellschaftlichen Such-, Lern- und Gestaltungsprozess« (Rieckmann und Stoltenberg 2011, 123) im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Partizipation betrifft damit die interne institutionelle Kultur, das Publikum und Ausstellungen sowie auch externe Kooperationen (Lyth et al. 2017, 13). Partizipation kann mit verschiedenen Methoden in unterschiedlicher Tiefe umgesetzt werden. Hier gilt es, drei Stufen anzuerkennen: Mitwirkung, Zusammenarbeit, Ko-Kreation. Bei einer Mitwirkung behält das Museum die Kontrolle über den Prozess, bei dem die Teilnehmenden mit Inhalten des Museums interagieren (siehe Abbildung 15). Diese Form eignet sich vor allem für
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eine große Zahl an Teilnehmenden. Zusammenarbeit und Ko-kreation unterscheiden sich im Kern darin, inwieweit das Museum den Prozess und die Inhalte der Partizipation definiert. Im Rahmen einer Ko-Kreation haben Teilnehmende grundsätzlich einen größeren Einfluss. Beide Formen eignen sich für eine mittlere bis kleine Anzahl an Teilnehmenden. Die Intensität des Austausches und der Zusammenarbeit wird dabei maßgeblich von der Anzahl der Teilnehmenden bedingt. (Simon 2010, 190) Auch wenn Partizipation in der Regel zunächst vom Museum ausgeht und damit eine Asymmetrie in Hierarchie und Kommunikation enthält, stellt der partizipatorische Prozess gerade das Mittel dar, um diese asymmetrischen Verhältnisse auszugleichen (Piontek 2016a, 90). Für die Umsetzung von partizipativen Ansätzen ist häufig didaktische und pädagogische Expertise notwendig, weshalb Museumspädagogen dafür besonders qualifiziert sind. Diese weitreichende Partizipation im Museum zu integrieren, fällt somit in den Verantwortungsbereich der Museumspädagogik. Zwar ist dies eine alle Abteilungen betreffende transversale Aufgabe, aber ein verantwortlicher Treiber innerhalb des Museums ist notwendig. Mit dieser neu hinzugekommenen Verantwortung erhält die Bildungs- und Vermittlungsarbeit eine herausgehobene Position innerhalb des Museums. Ein grundsätzliches Hindernis für mehr Partizipation in Museen ist die Angst von Museumsmitarbeitenden, dass durch die Öffnung für Laien entweder das professionelle Niveau der Museumsarbeit sinkt, oder dass damit ihre berufliche Identität infrage gestellt wird. Ein Weg aus diesem Zwiespalt bietet die Erkenntnis, dass die partizipativen Aspekte einen neuen und bedeutenden Teil der Identität von Museumsmitarbeitenden darstellen können. (Tatsi 2014, 145–146) Die konsequente Umsetzung eines partizipativen Ansatzes führt zur Abkehr vom traditionellen Verständnis eines Museumspublikums, da der Begriff stets eine einseitige Kommunikation impliziert (siehe Rosen 2008).
Ko-Kreation und das Ende der Publikumsorientierung Neben der Frage nach der Tiefe der Partizipation müssen auch die relevanten Schnittstellen zu den Aufgabenfeldern der Museumsarbeit identifiziert werden. Je nach Tätigkeit ergeben sich spezifische Voraussetzungen und Steuerungsmöglichkeiten für die partizipativen Prozesse. Während Beteiligung im Rahmen der Citizen Science bereits detailliert ausformuliert wurde und sich in Ausstellung und Vermittlung zahlreiche Beteiligungsformate anbieten, wird Partizipation im Rahmen von Mitsammeln und Mitbewahren
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durch Rahmenbedingungen begrenzt, weshalb deren Umsetzung in der Regel voraussetzungsvoller ist (Piontek 2016b, 201–203). Die erfolgversprechendsten Möglichkeiten zur Partizipation bieten folgende Ansätze: • • • • •
Publikumsgetriebene Erstellung von Inhalten; Ko-Kuration; Ko-Produktion; partizipative Kommunikationsformate; Beteiligung an Programmplanung und pädagogischen Angeboten.
Während eine tiefe Beteiligung bei der Programmplanung noch selten ist, ermutigen viele Museen ihre Besucher, Inhalte vor Ort zu erstellen, d.h. Inhalte beizutragen, während sie die Ausstellung besuchen. Die Möglichkeit, Inhalte zur Ausstellung beizutragen, löst bei den Besuchern neue Reflexionsprozesse aus, da sie aktiv Inhalte erstellen, die für das Ausstellungsthema relevant sind (siehe Simon 2010). Dieses Vor-Ort-Erstellen von Inhalten kann beispielsweise durch Umfragen erfolgen, deren Ergebnisse direkt in der Ausstellung gezeigt werden, durch den Austausch persönlicher Erfahrungen, durch die Erstellung von Texten für neue Ausstellungsbeschriftungen, oder durch die passive Erstellung von Inhalten mittels Besucher-Tracking, die auf sinnvolle Weise in die Ausstellung integriert werden. Die Erstellung vor Ort kann auch aufwendigere Inhalte umfassen, wie z.B. Audioaufnahmen in einer kleinen Studiokabine oder die Produktion bzw. der Beitrag von Videos. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Besucher aufzufordern, Objekte mitzubringen, um sie in einer Ausstellung zu präsentieren. Dabei kann es sich um historische Objekte handeln, wie sie häufig in partizipativen Heimatmuseen verwendet werden, oder um persönliche Gegenstände. Darüber hinaus können digitale, nutzergenerierte Inhalte in Ausstellungen gezeigt und verwendet werden. Dieser Ansatz umfasst Inhalte, die die Besucher zu Hause produzieren, um sie in der Ausstellung zu zeigen. Er umfasst aber auch nutzergenerierte Inhalte, die in einem anderen Kontext erstellt wurden, zum Beispiel in einem Citizen-Science-Projekt. Die Herausforderung für Museen besteht darin, diese digitalen Inhalte auf eine zugängliche, ansprechende und interaktive Weise zu präsentieren. Da Partizipation häufig digital erfolgt, kann das Modell des Lebenszyklus von digitalen Inhalten (Digital Content Life Cycle) hilfreich sein, um Arbeitsschritte und Partizipationsmöglichkeiten zu umreißen. Der Digital Content Life Cycle besteht aus den Phasen: Ergänzen, Sammeln, Korrektur und Tran-
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skription, Klassifizierung, Kontextualisierung sowie Ko-Kuration. Insbesondere die Klassifizierung anhand von Metadaten für Sammlungsobjekte, bspw. durch Social Tagging, sowie die Kontextualisierung durch Geschichten oder die Einbettung der Ergebnisse in andere digitale Formate sind vielversprechende Ansätze. (Oomen und Aroyo 2011, 140) Das Ko-Kuratieren gibt den Besuchern die Möglichkeit, sich an den Aktivitäten der Kuratoren zu beteiligen. Die Beteiligung an kuratorischen Praktiken kann so niedrigschwellig sein, dass die Besucher aufgefordert werden, Exponate der Sammlung auszuwählen. Ein solches soziales Kuratieren versteht partizipative Ansätze, Zusammenarbeit und soziale Interaktionen als selbstverständliche Methoden der kuratorischen Praktik (Stuedahl 2018, 219). Digitale Daten bieten verschiedene neue Methoden für das Ko-Kuratieren. Die Besucher könnten Objekte auswählen, die ihnen gefallen, und so virtuelle Sammlungen aufbauen, die sie auch auf der Museumswebsite präsentieren können. Ein tieferer Einblick in die Arbeit der Kuratoren ermöglicht die Entwicklung von virtuellen Ausstellungen. Besucher können Objekte in einem digitalen Raum arrangieren, die Objekte mit Inhalten anreichern, sie anschließend pflegen und so selbst zu virtuellen Kuratoren werden. Besucher können auch im Rahmen von Stakeholder-Workshops dazu beitragen, reale Ausstellungen im Museum zu kuratieren. Mit einem partizipativen Ansatz lernen die Kuratoren vor der Ausstellung viel über ihr Publikum und dessen Erwartungen und sind in der Lage, diese Ideen in eine neue Ausstellung einfließen zu lassen. Partizipation im Museum kann sich auch auf physische Tätigkeiten beziehen, wie sie bspw. in Co-Creation Labs oder Repair Cafés umgesetzt wird. Auch können Kommunikationsinstrumente und Medien, die in Bildung und Vermittlung zum Einsatz kommen, in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickelt werden. In besonderem Maße eignet sich die Planung und Durchführung von pädagogischen Angeboten dazu, Partizipation zu ermöglichen. Hier können Kooperationspartner oder Besucher Programme mitentwickeln und einzelne Aktivitäten selbst durchführen. Auf einer grundlegenden Ebene können Besucher und Stakeholder auch in Prozesse der Strategieentwicklung, der Programmplanung und der Konzeption von Ausstellungen einbezogen werden. Die Mitentwicklung von Museumsstrategien und -programmen definiert eine neue Rolle für die Besucher und ermöglicht eine völlig neue Sicht auf den Museumssektor. Durch eine Beteiligung auf dieser grundlegenden Ebene entwickeln Besucher eine Eigenverantwortung für Museen als öffentlich finanzierte Einrichtungen. Die-
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se tiefe Einbindung des Publikums hat jedoch ihren Preis: Museen müssen einen Teil ihrer Autorität mit ihrem Publikum teilen und dabei ihre Selbstwahrnehmung neu justieren. Eine solche Neuausrichtung macht durchaus neue Infrastrukturen in den Museen sowie neue Personalstellen mit spezifischen Qualifikationen erforderlich.
Tinkering und die Maker-Kultur Tinkering bezeichnet das Basteln oder Tüfteln, bei dem der Bau von Gegenständen auf spielerische Weise mit dem Erforschen von Phänomenen kombiniert wird. Tinkering zeichnet sich außerdem durch einen Low-Tech-Ansatz aus, bei dem billige Materialien wie Pappe und Klebstoff verwendet werden, die man jedoch mit High-Tech-Elementen wie Sensoren erweitern kann. (Gutwill et al. 2015, 152) Die Maker-Bewegung zelebriert die Praxis des Selbermachens. Die Maker-Kultur zeichnet sich durch zwei Charakteristika aus, die auch für Museen von Bedeutung sein können: Das grundlegende Credo lautet do it yourself. Daneben spielt aber auch der gemeinschaftliche Aspekt eine Rolle, denn die Akteure entwickeln neue gemeinschaftliche Formen von Innovation, Prototyping und Fertigung. Die Maker-Kultur manifestiert sich vor Ort in gemeinsam genutzten Räumen, den sogenannten Makerspaces. In diesen für alle zugänglichen Orten, wird die Praxis des Selbermachens gemeinschaftlich weiterentwickelt. (Gutwill et al. 2015, 152) Dazu gehören unter anderem Fablabs, Hackerspaces, Offene Werkstätten und Repair Cafés. Dieser spielerische und selbstbestimmte Ansatz hat vor allem in informellen Bildungssituationen, darunter auch Bibliotheken und Museen, großen Erfolg. Dabei ist zu betonen, dass Making sich zumeist auf Phänomene und Inhalte aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, den sogenannten MINT-Fächern bezieht. (Papavlasopoulou et al. 2017, 58) Auch wenn die Bezüge zu anderen disziplinären Zugängen nicht so offensichtlich sind, liegt hier ein enormes, bisher nicht ausgeschöpftes Potenzial, um den Making-Ansatz auf weitere Museumsgattungen zu übertragen. Making ist für Museen nicht nur attraktiv, da es etablierten Institutionen einen modernen Anstrich verleiht. Sondern es ist eine wichtige Ergänzung der pädagogischen Angebote, da es handwerkliche Praxis mit den wissenschaftlichen Grundlagen des jeweiligen Museums zu einem handlungsbasierten Ansatz verknüpft. (Gutwill et al. 2015, 162) Makerspaces in Museen sind Orte, die von Alltagsroutinen und -aktivitäten entkoppelt funktionieren und in denen Besucher Projekte und Lösungen gemeinsam erproben und entwi-
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ckeln können. Im Gegensatz zu formellen Bildungszusammenhängen steht hier in der Regel der Prozess des Lernens im Mittelpunkt und nicht das Ergebnis. (Brahms und Crowley 2016, 14–15) Diese Aktivitäten können insbesondere die im Museum vorgehaltenen Daten und Materialien durch die Praxis des Selbermachens in neue Sinnzusammenhänge einbetten, ein neues Lernen ermöglichen sowie eine neue Zielgruppe als Wiederholungsbesucher in Museen erschließen. Making und Tinkering unterscheiden sich grundlegend von der klassischen Art der Kommunikation in Museen. Im Prozess des Making informiert keine Beschriftung über Hintergrund und Bedeutung eines Objektes. (Lyons et al. 2015, 49) Damit Tinkering als erfolgreiche Lernsituation gestaltet werden kann, ist es notwendig, dass es eine zeitnahe Rückmeldung zu den Aktivitäten gibt. Dieses nicht notwendigerweise persönliche Feedback ist ein Kennzeichen der partizipativen Maker Culture und unterscheidet es von den Lernsituationen in Ausstellungen. (Lyons et al. 2015, 51) Erfolgreiche Maker Spaces in Museen sind gekennzeichnet durch einen klar begrenzten Rahmen und werden häufig auch personell betreut, während komplett offene Werkräume in der Regel zu weniger erfolgreichen Lernsituationen führen (Lyons et al. 2015, 57). Ganz offensichtlich unterstützen solche offenen Werkstätten das Leitbild einer Reparaturkultur sowie die Strategie der Suffizienz. Darüber hinaus können Maker aufgrund ihrer dezentralen Produktion vor Ort zu einer nachhaltigen Ökonomie beitragen. Beispielsweise sind 3D-Drucker eine große Hilfe, um beschädigte Sammlungsgegenstände – zumindest für einen Test – zu ergänzen. Des Weiteren wird in der Praxis des Selbermachens der Nutzende zum Produzierenden. Der Blick wird dadurch frei auf Innovationen, die von den Nutzern ausgehen und damit auch nachhaltiger sein können als Produktinnovationen, die von Designern oder Ingenieuren entworfen wurden. Making eignet sich auch in idealer Weise als Instrument der BNE, da es die Selbstbestimmung des Lernenden in den Mittelpunkt stellt. Die Didaktik des Making ist damit unmittelbar an den Kompetenzansatz der BNE anschlussfähig. (Gutwill et al. 2015, 152)
10.4 Von pädagogischen Programmen zu lokalem Aktivismus Die partizipative Praxis in Museen kann auch zu einem Wandel in lokalen Gemeinschaften beitragen (Lyth et al. 2017, 13). Museen können als Orte der Interaktion und des Austausches zur Bildung von sozialem Kapitel beitragen,
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und damit eine zentrale Rolle in lokalen Transformationsprozessen spielen. (Errichiello und Micera 2018, 5). Die Mitwirkung in lokalen und regionalen Projekten bietet sich auch deshalb besonders an, weil hier die komplexen und globalen Herausforderungen der Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit in konkreten und beispielhaften Zusammenhängen nachvollzogen und bearbeitet werden (Rieckmann und Stoltenberg 2011, 124).
Objektbasiertes Lernen in lokalen Bildungsnetzwerken Museen können noch stärker als bisher mit anderen Akteuren der formalen und non-formalen Bildung zusammenarbeiten. Dazu gehören nicht nur alle Schulformen und Hochschulen, sondern auch andere Forschungseinrichtungen und weitere Träger außerschulischer Bildung. Darüber hinaus bieten sich Kooperationen mit Gemeindezentren, Technologieunternehmen und anderen Akteuren der Medien- und Kreativwirtschaft an. Museen können dadurch selbst die Schaffung regionaler Bildungs-Ökosysteme anstoßen und darin eine ganz spezifische Rolle übernehmen. Sie können die Themen und Bildungsangebote der anderen Akteure durch Objekte greifbar machen und einen stärkeren Realitätsbezug herstellen. Ein solches objektbasiertes Lernen fokussiert die pädagogischen Angebote in Museen auf Sammlungsobjekte als greifbare Beweise für Historie, Kultur und Lebensrealitäten. (Sabiescu und Charatzopoulou 2018, 337) Museumspädagogik kann jedoch auch über den eigentlichen Bildungssektor hinaus zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Zur Bewältigung komplexer Probleme sind häufig gemeinsame Entscheidungen und daher Fähigkeiten zur Zusammenarbeit erforderlich (Rieckmann und Stoltenberg 2011, 128). Eine BNE in Museen trägt zur Fähigkeit bei, sich in gesellschaftliche Partizipations- und Entscheidungsprozesse einzubringen. Solche Partizipationserfahrungen können auch motivierend und begeisternd für den demokratischen Prozess wirken (Rieckmann und Stoltenberg 2011, 126). Durch die Integration deliberativer Methoden in Bildung und Vermittlung werden die Teilnehmenden ermutigt, ihre eigenen Ansichten und Werte zum Ausdruck zu bringen, und es wird ihnen ermöglicht, eine neue Sichtweise einzunehmen. Diese Methoden des sozialen Lernens umfassen Diskussionen, Lerngruppen und Debatten.
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Praxisprojekte anstoßen Museen könnten, insbesondere im Rahmen ihrer thematischen Expertise, Entwicklunsgpfade skizzieren, die aktuellen Herausforderungen adressieren sowie angewandte Aktivitäten umsetzen, die auf lokaler Ebene zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beitragen. Dafür gibt es zahlreiche Ansatzpunkte. Beispielsweise können Museen im Sinne der Care Arbeit tätig werden (siehe Morse 2021) und Schnittstellen zu lokalen gemeinnützigen Initiativen suchen. Museen können auch als Akteure in Entscheidungsprozessen auftreten und eine deliberative demokratische Kultur stärken. Ganz konkret könnte ein Verkehrsmuseum zum Beispiel eine Website zur Bildung von Fahrgemeinschaften entwickeln und mit der Stadtverwaltung zusammenarbeiten, um Fahrgemeinschaftsspuren oder spezielle Parkplätze für Fahrgemeinschaften einzurichten. Ein weiteres Instrument zur Umsetzung von angewandten Projekten sind Freiwilligenprogramme. Diese haben außerdem den Effekt, dass die Kommunikation innerhalb der lokalen Gemeinschaft verbessert wird, neue Netzwerke entstehen und damit insgesamt zu einer sozialen Nachhaltigkeit beigetragen wird (Edwards 2007, 171). Im Rahmen der Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und benachteiligten Gruppen ist zu beachten, in welcher Weise diese einbezogen werden beziehungsweise welche Rolle sie in Kooperationen spielen. Häufig sieht man diese Stakeholder nämlich lediglich als Begünstigte an, die von der Großzügigkeit des Museums profitieren. Stattdessen sollte eine Kooperation auf Augenhöhe durch ein Verständnis von wechselseitigem Lernen geprägt sein. (Janes und Sandell 2019a, 12)
Nachhaltigkeitsinitiativen als Kooperationspartner Museen können auch in lokalen Transformations- und Nachhaltigkeitsinitiativen aktiv werden. Ein Beispiel dafür ist die Lokale Agenda 21, die beabsichtigt, Nachhaltigkeit lokal zu verankern und einen formellen Prozess der öffentlichen Verwaltung in Gang zu setzen. Hier gilt es zu eruieren, welche Rolle Museen in Lokale-Agenda-21-Prozessen spielen können und wie sie ganz konkret zu einer nachhaltigen Entwicklung in ihren Gemeinden beitragen können. Dabei spielen Kinder und Jugendliche als Stakeholder eine besondere Rolle, da sie häufig den Prozess mit sehr spezifischen Sichtweisen bereichern können (Rieckmann und Stoltenberg 2011, 128). Museen können sich auch
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an die vielfältigen, häufig Bottom-up organisierten Initiativen mit Gewinn andocken. Dazu gehören Bürgerbewegungen (bspw. Transition Town Bewegung), SDG-Treffen oder allgemein NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen. In diesen lokalen Veränderungsprozessen können Museen insbesondere zwei Funktionen übernehmen. Sie können einerseits über offene und partizipative Angebote viele Akteure ansprechen und in den Prozess integrieren, sowie andererseits über ein wissenschaftliches Gremium Evaluierung und Beratungsfunktionen moderieren. (Errichiello und Micera 2018, 18) Die Agenda 21 für Kultur ist eine auf Gemeinden und Städte zugeschnittene Vorgehensweise, um Kultur als Grundpfeiler der lokalen nachhaltigen Entwicklung zu denken und zu definieren. Für eine Umsetzung kann etwa eine lokale Kulturstrategie entwickelt werden, mit der die Auswirkungen von kulturellen Aktivitäten vor Ort in den Blick genommen werden. Ebenso ist es möglich, eine Charta der kulturellen Rechte und Pflichten zu verabschieden oder an die öffentliche Verwaltung einen Kulturrat anzugliedern. Für andere Akteure aus Kulturpolitik, Kulturwissenschaft, Kulturwirtschaft und kultureller Bildung bietet dieses Konzept einen niederschwelligen Einstieg in eine Arbeit zum Thema Nachhaltigkeit. (United Cities and Local Governments 2004, 4) Museen können in lokalen Netzwerken auch nachhaltige Innovationen begünstigen, indem sie die Sammlung als Ressource nutzen sowie das Publikum in den Innovationsprozess einbeziehen (Errichiello und Micera 2018, 6). Insbesondere Partizipationsmöglichkeiten und die allgemeine Einbindung der Bürger sowie Multi-Stakeholder-Partnerschaften tragen zum Innovationserfolg bei. Museen kommt eine besondere Rolle in diesen Netzwerken zu, da sie ein hohes Ansehen im Hinblick auf das generierte und kommunizierte Wissen besitzen (Errichiello und Micera 2018, 18).
Schnittstellen zum Nachhaltigen Tourismus ausbauen Museen können auch als Teil einer umfassenden regionalen Strategie für nachhaltige Entwicklung (siehe Sacco et al. 2009) verstanden werden, die regionale Wirtschaftskreisläufe und insbesondere nachhaltigen Tourismus einschließt (Gustafsson und Ijla 2017, 2). Nachhaltigkeit könnte als Eckpfeiler einer regionalen Zusammenarbeit zwischen Kultur und Tourismus dienen. Wenn Museen den Tourismussektor und die touristischen Akteure als Partner für eine nachhaltige Regionalentwicklung begreifen, werden schnell sehr viele übereinstimmende Aktivitäten offenbar. Der Fokus auf eine positive
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Wirkung für die lokale Bevölkerung im Allgemeinen und ökonomische Effekte im Besonderen verbindet beide Ansätze. Gerade in Ländern des globalen Südens kann der ökonomische Effekt durch Kulturtourismus und Museen nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil dadurch auch Schutz und Bewahrung von Kulturerbe finanziert werden kann. Museen tragen somit zu verbesserten Lebensverhältnissen und zu einer nachhaltigen Entwicklungsperspektive auf regionaler Ebene bei. (Perera 2015, 4) Der Effekt von Museen auf die lokale Ökonomie geht sogar so weit, dass Museen einen erheblichen Beitrag für den Lebensstandard und das Wohlergehen der lokalen Bevölkerung und der Besucher spielen können (Ajake et al. 2016, 123). Die partizipative Einbindung von diversen Stakeholdern kennzeichnet das nachhaltige Museum ebenso wie einen nachhaltigen Tourismus. Konkret ergeben sich daraus beispielsweise die Identifizierung identischer Zielgruppen und die zielgruppenadäquate Entwicklung von touristischen Produkten, Aktivitäten und Angeboten des Museums in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und anderen touristischen Akteuren. Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
Bildung und Partizipation 1. 2. 3. 4. 5.
In Bildungs- und Vermittlungsangeboten Teilkompetenzen der BNE gezielt adressieren; partizipative Ansätze in alle Museumsaufgaben integrieren; einen Makerspace oder ein Co-Creation Lab einrichten; angewandte Projekte umsetzen, um Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene außerhalb des Museums zu fördern; Kooperationen mit lokalen Organisationen, Aktivisten und Gruppen zum Thema Nachhaltigkeit entwickeln und verstetigen.
TEIL III NACHHALTIGKEIT IM MUSEUM UMSETZEN
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Um Nachhaltigkeit im Museum zu implementieren, reicht es nicht aus, die in Teil II skizzierten Ideen und Aktivitäten in den Abteilungen des Museums umzusetzen. Vielmehr bedarf es einer Transformation (siehe Abbildung 19). Als Orientierungsrahmen wird dafür im Folgenden das Instrument »Nachhaltigkeitsmanagement in Museen, kurz: NMM« entwickelt. Diese konkrete Vorgehensweise kann zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung von Museen und anderen Kultureinrichtungen, wie Kunstdepots, Besucherzentren und Science Centern, eingesetzt werden.
11.1 Nachhaltigkeitsmanagement im Museum NMM ist ein Instrument, das an das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) und an das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen angelehnt ist, aber auf die spezifischen Kontexte und Bedürfnisse von Museen und Kultureinrichtungen zugeschnitten ist.
Nachhaltigkeitsmanagement in Museen ist ein Instrument zur Planung, Verbesserung und Kontrolle der Aktivitäten des Museums und seiner Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung.
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Das nachhaltige Museum
Abbildung 19: Transformation zum nachhaltigen Museum
Quelle: basierend auf Dits, 1996.
Ziele und Umfang fixieren Um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, konzentriert sich das NMM auf übergreifende und zugleich museumsspezifische Ziele (Davies und Wilkinson 2008). NMM orientiert sich bewusst nicht an den SDGs, da sie globale Herausforderungen adressieren und ein sehr breites Themenspektrum abdecken (vgl. Kap.3.3). Dagegen wird hier ein alternativer Ansatz verfolgt: Anstatt den Beitrag der Museen zur nachhaltigen Entwicklung aus einer Top-
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down-Perspektive mit Bezug auf die UN und die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu definieren, wird ein Bottom-up-Ansatz als praktikabler eingeschätzt. Dieser geht von der Perspektive der Museen aus und definiert ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage ihres spezifischen Kontexts und ihrer Stärken als einzigartige Institutionen. NMM ist ein breiter Ansatz, der an die spezifische Situation jeder Einrichtung angepasst werden kann. Die Handlungsfelder des Nachhaltigkeitsmanagements für Museen können nach dem Konzept des Donut-Modells gegliedert werden (vgl. Kap.2.2). Dieses kann als Orientierungsrahmen dienen, um die Schnittmengen von Nachhaltigkeit und Museumsbetrieb zu identifizieren, und als Ausgangspunkt für die Implementierung von Nachhaltigkeitsmanagement. Diese Handlungsfelder können auch für die Strukturierung der Aufgaben nützlich sein, die zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung erforderlich sind. NMM sollte nicht notwendigerweise als Ansatz gesehen werden, um alle potenziellen Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu lösen. Auch wenn dies möglich ist, sollte es v.a. als Instrument verstanden werden, um einzelne Themen zu fokussieren und erste Schritte zur kleinteiligen Verbesserung zu unterstützen. Nachhaltigkeit ist eine umfassende Herausforderung für alle Institutionen, nicht nur für Museen. Nachhaltigkeit ist nicht als zusätzliche Aufgabe der Zieldefinition und des Selbstverständnisses des Museums zu sehen, sondern als transversale Aufgabe, die idealerweise in den Museumsalltag integriert wird.
Nachhaltigkeit in den Museumsalltag integrieren Um Nachhaltigkeit in Museen zu integrieren, muss das abstrakte Konzept der Nachhaltigkeit mit seinem Donut-Modell auf die tägliche Routine bezogen werden. Wie lässt sich Nachhaltigkeitsmanagement konkret in den Museumsbetrieb integrieren? Hier bieten sich zwei mögliche Ansätze an. Zum einen können die Dimensionen des Donut-Modells als strukturbildende Merkmale für das Nachhaltigkeitsmanagement genutzt werden. Dann gliedert sich das Nachhaltigkeitsmanagement in die Bereiche Programm, Ökonomie, Soziales und Ökologie. Ihre Relevanz für eine nachhaltige Zukunft ist offensichtlich, und konkrete Maßnahmen in diesen Bereichen sind leicht identifizierbar. Allerdings kann es eine Herausforderung sein, so konzipierte Maßnahmen konkret in die tägliche Arbeit zu integrieren. In Museen kann die Umsetzung
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vereinfacht werden, wenn zum anderen Nachhaltigkeitsmanagement nach den verschiedenen Abteilungen innerhalb eines Museums strukturiert wird. Diese Abteilungen spiegeln in der Regel den institutionellen Auftrag wider. Des Weiteren stellen diese Arbeitsbereiche eine vertraute Struktur für a l l e Mitarbeitenden dar. Im vorangegangenen Teil dieses Buches wurden für jeden Bereich des Museumsbetriebs die Bezüge zur Idee der Nachhaltigkeit erörtert. Die Ausführungen zeigen eindrücklich, dass Nachhaltigkeit für fast alle Bereiche des Museumsbetriebs von Bedeutung ist. Aktivitäten für mehr Nachhaltigkeit betreffen aber in der Regel mehrere Abteilungen und sind damit eine transversale Aufgabe für den Museumsbetrieb. Die Zuständigkeiten und Aufgaben des Nachhaltigkeitsmanagements in einer Organisationsstruktur sind abteilungsübergreifend. Die Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements bedeutet, einen integrierten Ansatz zu verfolgen und nicht eine neue Abteilung neben den bereits bestehenden Abteilungen zu schaffen.
Den Wandel erfolgreich gestalten Der Wandel hin zu einem nachhaltigen Museum ist nicht die Erstellung einer CO2 -Bilanz, sondern kommt eher einer grundlegenden Kulturveränderung im Museum gleich. Der Wandel beschreibt dabei den Übergang von der bisherigen Institution Museum zu dem zukünftigen Bild des nachhaltigen Museums. Der folgende Abschnitt beruht maßgeblich auf den treffenden Analysen und praktischen Erfahrungen von Darren Peacock (2008; 2013). Diese Transformation bewirkt eine Veränderung auf verschiedenen Ebenen. Auf institutioneller Ebene ändert sich die Vision bzw. die Mission des Museums. Darauf aufbauend werden strategische Ausrichtungen überprüft sowie interne Strukturen und Prozesse angepasst. Auf sozialer Ebene werden neue gruppendynamische Prozesse angestoßen. Der Wandlungsprozess insgesamt ist auch geprägt durch Konfliktsituationen und Widerstand einzelner Akteure. Auf individueller Ebene geht die Transformation mit einer Veränderung der persönlichen Auffassung einher. Werte und der professionelle Orientierungsrahmen werden im Laufe des Prozesses neu ausgerichtet. Der menschliche Widerstand gegen Veränderungen kann institutionelle Veränderungsprozesse behindern. Dies gilt insbesondere für das Nachhaltigkeitsmanagement, das von manchen als aussichtslose Aufgabe angesehen wird. Darüber hinaus berührt das weit gefasste Konzept der Nachhaltigkeit nahezu jeden Aspekt des Museumsbereichs, was als überwältigend empfun-
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den werden kann. Gerade deswegen ist Nachhaltigkeitsmanagement ein gut geeignetes Instrument, um dieses Gefühl der Überforderung zu überwinden. Seine klare Struktur hilft, auf praktische Weise einen Schritt nach dem anderen in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft zu gehen. Unter Zuhilfenahme von Ansätzen und Instrumenten des Change Management kann die Effektivität von Nachhaltigkeitsmanagement erhöht und dessen Effizienz gesteigert werden. Eine solche Veränderung muss berücksichtigen, dass Museen komplexe, dynamische soziale Gebilde sind, in denen eine genaue Steuerung unmöglich ist. Vor diesem Hintergrund sollten die hier vorgeschlagenen Ansätze eingeordnet und verstanden werden (Peacock 2013, 237). Wie bereits ausgeführt, rückt die Komplexität von globalen Problemen der Nachhaltigkeit die Bedeutung von Unsicherheit in den Fokus. Sicherheit und Kontrolle sind vor diesem Hintergrund eine Illusion. Zeitgemäße Organisationen und deren Strukturen sollten diese Erkenntnisse widerspiegeln. Jeder organisationale Veränderungsprozess ist mehr oder weniger chaotisch, gefüllt mit Paradoxien und erfolgt entlang einer nicht-linearen Entwicklung. (Peacock 2008, 340–342) Daher entspricht das NMM auch dem Verständnis von emergentem Wandel. Emergente Veränderung entsteht dezentral auf der Graswurzelebene und entwickelt sich durch die Interaktion zwischen Individuen weiter. Der Beginn einer organisationalen Veränderung ist, wenn sich die Muster der Interaktion und Narrative innerhalb des Museums zu ändern beginnen. (Peacock 2008, 337–339) Management für emergente Veränderung konzentriert sich auf die Ermöglichung von Veränderung durch die Förderung einer offenen Gesprächskultur, das Schaffen unterschiedlicher Kommunikationsanlässe zu kontroversen Fragen, eine hohe Diversität an Menschen und Ideen sowie die Nutzbarmachung von Netzwerken zur Öffnung des Museums nach außen und zur Integration neuer Ideen und Ansätze (Peacock 2008, 347–348). Damit ein Veränderungsprozess langfristig zum Erfolg wird, ist vor allem auch eine Änderung der Gesprächskultur in der gesamten Organisation notwendig. Eine reflektierte, nach außen hin offene und nach innen hierarchiearme Kommunikationskultur ist der Kristallisationspunkt für Verhaltensänderungen auf individueller Ebene und damit für ein langfristig erfolgreiches Veränderungsmanagement. (Peacock 2013, 238) Im Zentrum einer Gesprächskultur, die als Grundlage einer Veränderung wirkt, steht Komplexität und die Akzeptanz, dass Museen, ihre Aufgaben, Beziehungen und organisationalen Dynamiken komplex und unsicher sind. Dies zu akzeptieren ist eine gute Vor-
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aussetzung, um eine Kommunikation zu pflegen, die den wirklichen Wandel vorantreibt (Peacock 2013, 243). Auch die Integration des Care-Ansatzes in die Museumsarbeit kann die neue organisationale Kultur bereichern. Institutionen, die die Bedeutung von Care-Arbeit stärken, zeichnen sich durch flache Hierarchien aus (Morse 2021, 194). In diesem Sinn kann Care auch als ein Ausgangspunkt von organisationalem Wandel in Museen verstanden werden, stellt sie doch die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihrer Komplexität in den Mittelpunkt.
Prozess und Instrumente NMM folgt einem Prozess mit sieben Schritten oder Phasen. Dieser Ablauf ähnelt anderen typischen Management- bzw. Planungsprozessen. Der Ablauf zur Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagement umfasst (siehe Abbildung 20): • • • • • • •
Emergenten Wandel unterstützen und Bottom-up Beteiligung anstoßen; Auftakt und Empowerment; Ziele, Strategien und Indikatoren; Status quo-Analyse; Maßnahmen; Umsetzung und Monitoring; Kommunikation und Berichterstattung.
Häufig beginnt der Veränderungsprozess in Museen durch Graswurzelaktivitäten von Mitarbeitenden. Diesen emergenten Wandel gilt es zu unterstützen und mit einem breit angelegten partizipativen Prozess zu stärken. Um einen Veränderungsprozess in Gang zu setzen, ist es unerlässlich, dass sich die Leitung verpflichtet, ihre Einrichtung im Einklang mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung zu führen. Darin werden auch die mit dem nachhaltigen Museum verbundenen Werte vermittelt und die Leitung bekennt sich zu einer wertbasierten Führung. Dieses Bekenntnis sollte schriftlich und verbindlich erfolgen. Ziel dieses Auftaktes ist es, ein grobes Leitbild mit kurzen Leitlinien für die Einrichtung zu entwickeln. Auf der Grundlage dieser Ausgangssituation werden die für die Nachhaltigkeit im Museum relevanten Handlungsfelder sowohl durch einen Topdown- als auch einen Bottom-up-Ansatz identifiziert. Danach werden strategische Ziele für alle Handlungsfelder entwickelt. Anschließend werden Indi-
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katoren für diese Handlungsfelder definiert (z.B. Energiekosten, Papierverbrauch oder Arbeitszufriedenheit). Grundlage jeder Anstrengung zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung ist eine Status quo-Analyse. Am Ende der Analyse wird der Ist-Zustand (Basiswert) der ausgewählten Indikatoren ermittelt. Die Analyse ist eine umfassende Bestandsaufnahme der aktuellen Arbeitsweise des Museums. Eine solche Bestandsaufnahme ist die Grundlage für den nachfolgenden Veränderungsprozess. Anhand der Ergebnisse werden die Effekte der Maßnahmen des Nachhaltigkeitsmanagements bewertet. Aufbauend auf den Zielen, den Indikatoren und der Status quo-Analyse werden Maßnahmen in einem breit angelegten partizipativen Prozess definiert. Ein Kerndokument des gesamten Managementprozesses ist die Zusammenstellung eines Nachhaltigkeitsprogramms. Dieses enthält alle notwendigen Aktivitäten, um die vorher definierten Ziele zu erreichen. Beispielsweise kann dem Ziel, den Papierverbrauch zu reduzieren, als mögliche Maßnahmen die Installation von Händetrocknern in der Toilette oder die Einführung digitaler Formulare für die interne Kommunikation zugeordnet werden. Abbildung 20: Phasen des Nachhaltigkeitsmanagements im Museum
Quelle: eigene Abbildung.
In der Umsetzungsphase werden die Aktivitäten des Nachhaltigkeitsprogramms in die Tat umgesetzt. Die Mitarbeitenden werden über verschiedene Beteiligungsinstrumente kontinuierlich in diesen Prozess einbezogen. Um die Zielerreichung und die Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung zu bewerten, ist ein Monitoring in Bezug auf die Basiswerte notwendig. Um den Arbeitsaufwand des Prozesses so gering wie möglich zu halten, ist es sinnvoll,
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die entsprechende Datenerhebung in bestehende Arbeitsabläufe zu integrieren. Die regelmäßige Kommunikation über den gesamten Prozess des Nachhaltigkeitsmanagements spielt eine zentrale Rolle für das Engagement der Mitarbeitenden und den langfristigen Erfolg. Das Museum kommuniziert regelmäßig wichtige Informationen über seine ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen, Ziele und Maßnahmen. Es nutzt ein ggf. standardisiertes Berichtswesen, um seine Strategie und die Fortschritte bei der Zielerreichung intern und extern transparent zu machen. Die Ergebnisse und Fortschritte des Prozesses werden veröffentlicht. Die interne Kommunikation dient vor allem der Steuerung von Verbesserungsprozessen innerhalb der Institution. Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts für externe Stakeholder kann für die Reputation der Institution von zentraler Bedeutung sein. Die Phasen 3 sowie 5 bis 7 dieses Prozesses können im Laufe der Zeit wiederholt werden, da Nachhaltigkeitsmanagement ein dynamischer und langfristiger Prozess ist. Sobald das Nachhaltigkeitsmanagement erstmals eingeführt ist, beginnt also ein zirkulärer Prozess (siehe Abbildung 21). Dieser Prozess fängt an mit einem Monitoring, möglicherweise gefolgt von einer Anpassung der Ziele des Nachhaltigkeitsprogramms. Gemäß dem Nachhaltigkeitsprogramm werden die definierten Maßnahmen umgesetzt und schließlich wird wieder über den Prozess kommuniziert, etwa in Form eines n e u e n Nachhaltigkeitsberichts. Für ein langfristig erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement ist eine Dokumentation des auf das jeweilige Museum zugeschnitten Ablaufs notwendig. Am Ende der ersten Umsetzungsphase werden darin Prozessbeschreibungen, Anleitungen und Vorlagen gesammelt, um so eine Grundlage für die weitere Arbeit und zukünftige Verbesserungen zu besitzen. Eine solche Dokumentation muss nicht unbedingt ein Handbuch sein. Eventuell bietet sich eine grafisch attraktive Website an, die zunächst nur den allgemeinen Prozess abbildet und in tieferen Ebenen detaillierte Anleitungen und Vorlagen abrufbar macht. Ein solche Dokumentation kann auch motivierend für die weitere Arbeit wirken und neuen Teammitgliedern den Einstieg in den Prozess erleichtern. Wie aufwendig und umfangreich eine solche Dokumentation sein muss, hängt im Wesentlichen von den Abläufen im Museum und deren Komplexität ab.
11 Nachhaltigkeit als Veränderungsprozess
Abbildung 21: Nachhaltigkeitsmanagement im Museum als zirkulärer Prozess
Quelle: eigene Abbildung.
Erfolgsfaktoren von Veränderung berücksichtigen Die Ausgestaltung des Transformationsprozesses in Museen kann aus den langjährigen Erfahrungen des Change Managements in anderen Branchen profitieren. Insbesondere können sehr konkrete Faktoren identifiziert werden, die einen erfolgreichen Wandel wahrscheinlicher machen. Ein erfolgreicher Veränderungsprozess erzeugt ein Gefühl der Dringlichkeit. Häufig wird dies ignoriert, da die Beharrungstendenz und Bequemlichkeit von Menschen unterschätzt und die Möglichkeiten von Veränderungen überschätzt werden. Für einen erfolgreichen Wandel reicht nicht etwa die Unterstützung der Direktion aus. Eine starke Führungskoalition umfasst auch die Abteilungsleitenden sowie weitere Mitarbeitende. Diese Koalition muss im Hinblick auf formelle Titel, Expertise und Beziehungen ausreichend sein,
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um die massive Trägheit von Museumsstrukturen zu überwinden. Obwohl ein solcher Veränderungsprozess zunächst auch ohne eine starke Führungskoalition erfolgreich sein kann, kommt es mit der Zeit meist nicht zu den notwendigen Verhaltensänderungen und der Einfluss der Beharrungstendenzen überwiegt. Auch einer guten Vision kommt eine zentrale Bedeutung für eine Transformation des Museums zu. Diese Vision inspiriert Mitarbeitende und trägt dazu bei, sich konstruktiv mit ihr auseinanderzusetzen und das individuelle Verhalten zu ändern. Eine gute Vision vermeidet es, zu kompliziert oder zu unscharf zu sein, sondern sie ist prägnant, konkret und bietet Anknüpfungspunkte für unterschiedlichste Stakeholder. Wenn Menschen an Schlüsselstellen in der Organisation den Wandel blockieren, kann eine einzelne Person den gesamten Prozess gefährden. Hier gilt es, potenzielle Blockierer frühzeitig zu identifizieren und einzubinden sowie den Wandel mitgestalten zu lassen. Damit eine Veränderung auch langfristig umgesetzt wird, ist es nicht ausreichend, dass Mitarbeitende ihr Verhalten ändern, denn neue Verhaltensweisen werden auch in Zukunft stets hinterfragt werden, wenn die Dringlichkeit und der Druck des Veränderungsprozesses abnehmen. Ein langfristiger Wandel wird erst erreicht, wenn die neuen Verhaltensweisen in soziale Normen und Werte der Institution übergegangen sind. Bis der Wandel auch in der Kultur der Institution verankert ist, bleiben bereits erreichte Ziele stets fragil und können sich schnell auf den Status vor der Transformation zurückentwickeln. Gerade in der Anfangsphase des Nachhaltigkeitsmanagements müssen die wesentlichen Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden. Erfolgreiche Veränderungen in Institutionen zeichnen sich durch eine breite Akzeptanz über alle Abteilungen und Hierarchieebenen hinweg aus. Entscheidend für die Erhöhung dieser Akzeptanz ist es, Mitarbeitende dazu zu motivieren, die Einführung des Nachhaltigkeitsmanagements zu unterstützen. Dies gelingt zumeist über eine breite Bottom-up Partizipation.
11.2 Emergenter Wandel und Partizipation Wenn Nachhaltigkeitsmanagement nicht nur auf die Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung fokussiert, sondern das Konzept der Nachhaltigkeit tatsächlich ernst nimmt, wird es auch den Kernprinzipien der Nachhaltigkeit in Bezug auf Prozesse, Kooperation und Kommunikation folgen. Nachhaltigkeit und der dahin führende Wandlungsprozess ist im Kern vereinbarungsbasiert.
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Das bedeutet, das ein Nachhaltigkeitsmanagement im Museum radikal partizipativ angelegt werden muss. Damit wird auch deutlich, dass es zunächst weder als Top-down noch als Bottom-up Prozess gedacht werden sollte, sondern als breiter partizipativer Prozess auf allen Hierarchieebenen. Nichtsdestotrotz kann in der Implementierung auf beide Zugänge zurückgegriffen werden. Dabei ist zu bedenken, dass ein Vorgehen, dass ausschließlich auf Bottom-up Initiativen und Prozessen basiert, nur in sehr kleinen Museen erfolgreich sein wird (Aguinis und Glavas 2019, 1079). Nachhaltigkeitsmanagement als ausschließlicher Bottom-up Prozess wird in den meisten Fällen nicht die Führungsebene erreichen und insbesondere nicht zu einer strukturellen Transformation führen. Daher verbindet NMM einen Top-down-Ansatz mit einem Bottom-up-Ansatz. Bei einem Top-down setzt sich die Leitung für das Veränderungsvorhaben ein. Bei einem-Bottom-up Prozess können sich selbst organisierende Cluster innerhalb der Institution gestützt werden, und die Umsetzung von Kleinstmaßnahmen steht zunächst im Vordergrund. Die Verbindung beider Ansätze führt dazu, dass die Führungsebene ebenso involviert ist wie alle Mitarbeitende und verschiedene Interessengruppen innerhalb des Museums, und der Prozess im Gegenstromprinzip weiter ausgestaltet werden kann. Somit geht der Beginn eines Nachhaltigkeitsmanagements immer mit dem Beginn eines breiten partizipativen Prozesses einher. Die Tiefe dieses partizipativen Prozesses und die darin eingesetzten Instrumente unterscheiden sich in jeder der sieben Phasen (siehe unten) des Managementzyklus’. Dazu werden Ansätze des Change Management auf den Museumssektor übertragen und der folgende Abschnitt basiert im Wesentlichen auf Empfehlung zur Beteiligung von Lauer (2014).
Kontinuierliche Partizipation ermöglichen Von Beginn an sollte eindeutig kommuniziert werden, wie der Beteiligungsprozess ausgestaltet ist, wer daran teilnehmen und welchen Einfluss die Beteiligung auf den Gesamtprozess haben kann. So sollte die Museumsleitung nicht bereits die groben Ziele vorgeben und nur die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung im partizipativen Dialog ablaufen. Vielmehr ist ein Prozess anzustreben, bei dem von Beginn an auch auf der Ebene von Zielen und Handlungsfeldern des Wandels alle Mitarbeitenden einbezogen werden. Grundsätzlich sollte es allen im Museum ermöglicht werden,
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am partizipativen Prozess teilzunehmen; die Grenzen der konkreten Umsetzung werden dies allerdings nur bei kleinen Museen ermöglichen. Der Kreis der Beteiligten sowie dessen Einfluss kann auch von Handlungsfeld zu Handlungsfeld und von Phase zu Phase unterschiedlich festgelegt werden. Dieses Beteiligungskonzept, aus dem ersichtlich wird, wer, wann und in welchem Umfang beteiligt wird, sollte ganz zu Beginn des Prozesses für alle offengelegt werden. (Lauer 2014, 148–149) Partizipation ist nicht nur erforderlich, um die institutionelle Veränderung aufzubauen und zu fördern, sondern auch um sie aufrechtzuerhalten. Partizipation im NMM stellt daher keine kurzfristige Herangehensweise dar, sondern einen inhärenten Bestandteil des langfristigen Wandels. Um diese andauernde Veränderung zu erreichen, erscheint ein partizipativer Ansatz hilfreich, der nicht nur Erkenntnisse aus der bisherigen Praxis für die Planung der zukünftigen Aktivitäten nutzbar macht, sondern der stärker zukunftsorientiert arbeitet und daraus das Vorgehen für das NMM entwickelt. (siehe Scharmer 2009, 51) Zur erfolgreichen Umsetzung von Instrumenten und Methoden der Beteiligung sind Erfahrung und eine praxisorientierte Ausbildung in diesem Themenfeld notwendig – dies wird innerhalb des Museums zumeist unterschätzt. Deshalb sollte zur Unterstützung dieses Prozesses externe Unterstützung eingeplant werden. Gegebenenfalls kann hierzu auch die begleitende Ausbildung von Mitarbeitenden sinnvoll sein, die dann den permanenten Beteiligungsprozess in Zukunft begleiten. (Lauer 2014, 150)
Die Veränderung intern kommunizieren Die interne Kommunikation während des Veränderungsprozesses informiert und steuert den gestaltenden Beteiligungsprozess und orientiert sich an Ansätzen der Veränderungskommunikation. Diese Veränderung zielt darauf, ein Problembewusstsein zu schaffen, Mitarbeitende von der Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit des Nachhaltigkeitsmanagement zu überzeugen und ein Gefühl der Ownership für die Veränderung auszulösen. Die interne Kommunikation erfolgt in den drei Schritten Analyse, Planung und Umsetzung. Die Analysephase umfasst die Klärung der Ausgangssituation sowie der aktuellen Anlässe für die Veränderung und etwaigen Herausforderungen. In diesem Schritt werden auch Zielgruppen der internen Kommunikation identifiziert und deren Rolle im Veränderungsprozess analysiert. Daraufhin werden die Ziele der internen Kommunikation entwickelt.
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Die Planungsphase umfasst im Wesentlichen die Erstellung einer internen Kommunikationsstrategie sowie einer Sustainability Change Story. Die Kommunikationsstrategie bezieht sich dabei auf die Phasen des Nachhaltigkeitsmanagements und benennt spezifische Instrumente für Anlässe und Zielgruppen. Dafür werden auch eingesetzte Medien und Kanäle festgelegt. Die Umsetzung der geplanten Kommunikationsstrategie beinhaltet ebenfalls die Integration von Rückmeldungen und Anpassung an den Prozessfortschritt. Selbst in kleinen bis mittleren Museen sollte dieser umfangreich wirkende Ablauf zumindest rudimentär durchgeführt werden. In der Analyse- und Planungsphase können häufig bereits im Vorfeld Hindernisse für die Partizipation und mögliche Konfliktfelder identifiziert und angegangen werden.
Kommunikationsebenen und Nutzen fokussieren Im Rahmen der Einführung des Nachhaltigkeitsmanagements sind auch die unterschiedlichen Kommunikationssituationen in Museen in den Blick zu nehmen. Die interne Kommunikation wie auch die Kommunikation mit Stakeholdern erfolgen engagiert und wertschätzend. Sie ist durch Dialog, Einbindung und Partizipation geprägt. Darüber hinaus zeichnet sich die Kommunikation durch eine Aushandlung von Werten aus, die als ko-kreativer Prozess einer gemeinsamen Sinngebung für das Museum verstanden wird. (Jarolimek und Weder 2017, 120) Die Kommunikation kann auf verschiedenen institutionellen Ebenen des Museums stattfinden. Auf Leitungsebene spielen dabei strategische Überlegungen eine Rolle, während auf Abteilungsebene konkrete Inhalte und Probleme überwiegen. Diese unterschiedliche Schwerpunktsetzung in der Kommunikation auf den Ebenen wird durch eine integrierte Kommunikationsstrategie erreicht. Dadurch können Ziele, Botschaften und Instrumente aufeinander ausgerichtet und gleichzeitig an die unterschiedlichen Hierarchieebenen angepasst werden. Diese Strukturierung ist nicht als Vorschrift von Inhalten oder Botschaften zu verstehen, sie dient vielmehr als Leitfaden, der Widersprüche von Kommunikationsinhalten auf den einzelnen Hierarchieebenen vermeidet. (Bruhn und Zimmermann 2017, 11) Zur Kommunikation bieten sich neben eher formellen Instrumenten wie Rundschreiben, Rundmail und die Nutzung des Intranets insbesondere kleinteilige, stärker in den sozialen Austausch am Arbeitsplatz integrierte Kommunikationsinstrumente an. Dazu gehören beispielsweise Messenger-Gruppen, Schwarze Bretter und Aushänge oder Mikroblogging.
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Eine Graswurzelbewegung basiert jedoch insbesondere auf einer Kommunikation von unten nach oben, also von den Mitarbeitenden zur Leitungsebene. Dies ist insbesondere relevant, wenn der Gesamtprozess von Mitarbeitenden angestoßen wird bzw. das emergente Element der Veränderung im Gesamtprozess überwiegt. Hier kann es einerseits hilfreich sein, das Verständnis von Nachhaltigkeit auf die individuellen Ziele der Direktion anzupassen bzw. dafür anschlussfähig zu machen. Zur konkreten Umsetzung einer ersten Maßnahme bzw. einem Nachweis der Machbarkeit (Proof of Concept) kann es andererseits hilfreich sein, möglichst konkrete, durch eine Datenbasis untermauerte Vorschläge zur Prozessoptimierung zu machen. Für die Kommunikation zur Leitungsebene sind spezifische Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements besonders geeignet. Dazu gehören unter anderem das Aufzeigen von Kosteneinsparungen und Möglichkeiten die Auswirkungen einzelner Aktivitäten oder die Auswirkungen des Museums als Ganzes zu messen und zu verbessern. Außerdem können die Chancen in den Vordergrund gestellt werden, die für die Außenkommunikation durch Zertifizierungen oder Auszeichnungen entstehen. Unter Kollegen auf der gleichen Hierarchieebene kommen häufig Aspekte zur Sprache, die in einer vertikalen Kommunikation (oben-unten, untenoben) vermieden werden. Es ist daher nicht nur hilfreich, diese Ebene der Kommunikation für den Veränderungsprozess zu nutzen, vielmehr stellt diese Ebene den Kern der Veränderung der Arbeitskultur dar. Die einfachste Methode, um einen Wandel der Kultur am Arbeitsplatz herbeizuführen, ist ein allgemeines und ungezwungenes Gespräch – über Nachhaltigkeit, die Herausforderungen und Lösungen. Storytelling und die Visualisierung anhand exemplarischer Beispiele helfen vielen Menschen, die bisher keinen Bezug zu diesem Thema hatten, die überwältigend wirkende Aufgabe auf ihren Alltag zu beziehen. Grundsätzlich sollten Unterhaltungen über Nachhaltigkeit und die Veränderung nicht durch negative Entwicklungen und Szenarien gekennzeichnet sein. Im Arbeitsalltag mit gutem Beispiel voranzugehen wird mehr Einfluss haben, als andere zu kritisieren und ihnen in übergriffiger Weise Anweisungen für ihr Verhalten zu geben. Kritik oder Shaming wegen ihres persönlichen Verhaltens demotiviert Menschen und treibt sie in die Ablehnung. Deswegen sollte eine positive, vorteilsbasierte Atmosphäre den Umgang mit dem Thema kennzeichnen. Ein häufiger Fallstrick in der Nachhaltigkeitskommunikation ist der Bezug auf Probleme, die zu weit entfernt bzw. zu weit in der Zukunft liegen. Das Paradebeispiel dafür ist der Klimawandel (vgl. Kap.4.3). Erfolgreiche Kommunikation bezieht sich daher auf die kon-
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kreten Probleme und Herausforderungen im Museumsalltag, ist ortsspezifisch und lokal. Eine weitere häufige Herausforderung ist, dass die Thematik als so überwältigend wahrgenommen wird, dass Resignation und Passivität einsetzen. Der Wahrnehmung, dass der Beitrag eines Individuums zur Lösung viel zu gering wäre, kann vor allem durch den Appell an einen Gemeinschaftssinn begegnet werden. Zusammenfassend sollte weniger problembezogen und stattdessen lösungsorientiert kommuniziert werden. Eine solche positive und auf Chancen fokussierte interne Kommunikation gibt eine Antwort auf die Fragen nach dem Warum, denn jeder Mitarbeitende fragt sich zwangsläufig, weshalb er den beschwerlichen Veränderungsprozess unterstützen sollte.
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Offene Beteiligung Als grundlegendes Beteiligungsformat für jeden Schritt des Nachhaltigkeitsmanagements kann ein Open Space zum Einsatz kommen. Ein Open Space ist ein offenes Beteiligungsformat, dass sehr viele Freiräume erlaubt und dadurch das Engagement der Beteiligten aktiviert. Es wird nur durch sehr wenige Rahmenbedingungen strukturiert: Nach einem vorgegebenen Zeitraum, müssen Ergebnisse produziert und dokumentiert worden sein. Die erforderliche Zeit für einen Open Space richtet sich nach dem definierten Ziel. (Owen 2008, 44) Open Space folgt damit einem Bottom-up Führungsverständnis und bietet sich nicht nur, aber insbesondere für Beteiligung an, bei der ein hoher Gestaltungsspielraum für die Mitarbeitenden gegeben ist. Ein typischer Open Space gliedert sich in die folgenden Schritte (Lauer 2014, 158): • • • •
Sammlung von Themen in der gesamten Runde; selbständige Zuordnung der Teilnehmenden zu den Themen mit dem Ziel der Bildung von Arbeitsgruppen; Arbeitsphase zu den jeweiligen Themen in den Gruppen mit anschließender Dokumentation; Ergebnisse aller Gruppen werden zur Verfügung gestellt und dienen als Grundlage für weitere Arbeit oder Entscheidungen.
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Gerade in größeren Museen kann zur Herbeiführung einer Selbst-Organisation des Prozesses die Open Space Technologie in mehreren Wiederholungen angewandt werden.
11.3 Akteure, Rollen und Positionen Nachhaltigkeit und die Transformation von Museen in Richtung Nachhaltigkeit ist ein personalintensiver Prozess, vor allem, weil er vereinbarungsbasiert auf einer breiten Partizipation aufbaut. Die folgende Darstellung der dafür relevanten Rollen und Aufgaben basiert maßgeblich auf Braun (2010) und wurde auf die Anwendung im Museumsfeld übertragen.
Position
Rolle
Direktion
Vorbildfunktion durch Authentizität Entscheidung über Umfang und Ziel des NMM Vertretung der Themen im Kontrollgremium Integration von Nachhaltigkeit in die Museumsstrategie
Kontrollgremium, bspw. Aufsichtsrat
Befassung mit den als wesentlich identifizierten Aspekten von Nachhaltigkeit Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Entscheidungen
Nachhaltigkeitsteam
Steuerung von interner Kommunikation und Partizipation Ausarbeitung von Empfehlungen an Direktion und Kontrollgremium Entscheidungen über Maßnahmen und Einzelprojekte des Nachhaltigkeitsmanagements
Nachhaltigkeitsverantwortlicher
Koordination und Monitoring des Gesamtprozesses Lösung von Hindernissen und Zielkonflikten Durchführung oder Unterstützung von Projekten des Nachhaltigkeitsmanagements Enge Zusammenarbeit mit Direktion
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Ansprechpartner in einzelnen Abteilungen
Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen Ermittlung und Bereitstellung von Informationen und Daten Beratung und Mitarbeit im Gesamtprozess
(Externe) Veränderungsberater
Unterstützung und Qualifizierung Nachhaltigkeitsverantwortliche Prozesskompetenz und interne Kommunikation und Konflikte begleiten Wissen und Methoden auf Meta-Ebene vermitteln
Quelle: nach Loew und Braun 2006, 33, bearbeitet und ergänzt vom Autor.
Idealerweise besteht das Nachhaltigkeitsmanagement in einem großen Museum aus einem Nachhaltigkeitsverantwortlichen als Stabsstelle und einem Nachhaltigkeitsteam, das bereichsübergreifende Aufgaben koordiniert. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass das Nachhaltigkeitsmanagement sowohl in den Gremien der Leitungsebene sowie in den einzelnen Abteilungen fixiert wird. Die beteiligten Akteure und deren Aufgaben sind in folgender Tabelle dargestellt und werden im Folgenden näher beschrieben.
Direktion mit Vorbildfunktion Die Direktion vermittelt einen nachvollziehbaren Begründungszusammenhang und eine attraktive Vision für den Wandel und legt frei, wie dies der Mission des Museums zuträglich ist. Außerdem übernimmt sie eine Vorbildfunktion und lebt den Wandel in eigenem Verhalten vor. Um die Umsetzung zu begünstigen, gewinnt sie weitere entscheidende Führungspersönlichkeiten im Museum für den Prozess und stellt sicher, dass Ressourcen für das NMM vorhanden sind. Dies betrifft insbesondere zeitliche Ressourcen der Mitarbeitenden, Schulungen und ggf. zusätzliche Förderung zur weiteren Umsetzung des NMM. (Smith 2015, 52) Die Rolle des Aufsichtsrates oder eines vergleichbaren Kontrollgremiums im Rahmen eines Nachhaltigkeitsmanagements ergibt sich insbesondere durch die Ergebnisse einer Wesentlichkeitsanalyse (vgl. Kap.12.2). Spezifische Themen, die als wesentlich für das Museum und dessen Betrieb identifiziert werden, fallen dadurch in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrates. Mindestens mit diesen Fragen muss sich der Aufsichtsrat beschäftigen und die darauf bezogenen Veränderungen überprüfen. (Braun et al. 2010, 16)
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Für größere Museen oder Museumsverbünde ist zusätzlich noch die Rolle des Vorstandes oder einer ähnlichen Einheit in der Organisationsstruktur von Relevanz. Die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements wird nur dann erfolgreich sein, wenn es auch auf dieser Ebene unterstützt wird (Loew et al. 2019, 11). Neben der internen Wahrnehmung, dass das Thema an höchster Stelle Priorität genießt, ist auch die durch den Vorstand vorgelebte Arbeitskultur und das damit verbundene Verständnis, welche Rolle Nachhaltigkeit für das Erreichen der Aufgaben des Museums spielt, ein wesentliches Erfolgskriterium. Je nach Schwerpunkt der angestrebten Veränderungen, kann es auch zielführend sein, statt auf Vorstandsebene die Verantwortung im Facility Management oder in den Bereichen Kuration und Bildung zu verankern. Entscheidend für die Initiierung eines erfolgreichen Nachhaltigkeitsmanagements ist, dass die Umsetzung in erster Linie von einer zentralen Stelle koordiniert und durch eine externe Beratung unterstützt wird.
Nachhaltigkeitsteam als zentrales Gremium Ein Anzeichen für emergente Veränderungsprozesse ist häufig, dass sich interessierte Mitarbeitende in einer Arbeitsgruppe zusammenschließen – entweder vor oder nach einer Auftaktveranstaltung. Diese Arbeitsgruppe kann im Folgenden von der Leitungsebene beauftragt werden, den Prozess weiter zu planen und zu gestalten. Diese Arbeitsgruppe kann daraufhin zu einem Nachhaltigkeitsteam aufgebaut werden, das entsprechend der transversalen Aufgabe Beauftragte aus allen Abteilungen umfasst. Diese Steuerungsgruppe koordiniert den Prozess und dient als Schnittstelle zwischen Leitungsebene und den restlichen Mitarbeitenden (Loew et al. 2019, 11). Die Mitglieder des Nachhaltigkeitsteams sind die am besten informierten Mitarbeitenden einer kleinen Organisationseinheit oder einer Abteilung und daher Ansprechpartner für Fragen, Anregungen und Rückmeldungen rund um den Prozess des Nachhaltigkeitsmanagements. Die Teilnehmenden des Nachhaltigkeitsteams informieren die Kollegen in ihrem Umfeld über den Status und Fortschritt des Nachhaltigkeitsmanagements und spiegeln die Stimmung, Umsetzung und Anregungen aus der eigenen Abteilung ins Team und an den Nachhaltigkeitsverantwortlichen zurück. Sie agieren daher als Vermittelnde zwischen diesen beiden Akteursebenen. Die maßgeblichen Aufgaben des Nachhaltigkeitsmanagements wie die Zielentwicklung, die Erstellung des Nachhaltigkeitsprogramms sowie das
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Monitoring können durch das Nachhaltigkeitsteam, eingebettet in den Partizipationsprozess, übernommen werden. Zur Definition der Rolle ist es wichtig, mit welchen Entscheidungsbefugnissen das Team ausgestattet wird. Es kann entweder nur vorbereitend und beratend wirken und so Entscheidungen unterstützen, oder es kann mit Entscheidungskompetenzen und Budgetverantwortung ausgestattet werden, um den Prozess stärker eigenständig vorantreiben zu können. Zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten ist darauf zu achten, dass die bestehenden Abteilungen und die operativen Einheiten, die sich jeweils bereits mit einzelnen Nachhaltigkeitsthemen befassen, nicht in ihren Entscheidungsbefugnissen beschnitten werden. (Braun et al. 2010, 17) Die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsteams als Steuerungsgruppe ist nur dann sinnvoll, wenn das Museum eine bestimmte Größe übersteigt und eine direkte Kommunikation nur umständlich möglich wäre. Bei kleinen und mittleren Museen ist die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsteams häufig nicht sinnvoll. Dort sollte die Steuerung des Nachhaltigkeitsmanagements direkt bei der Direktion angesiedelt sein. Möglicherweise kann dort ein Nachhaltigkeitsverantwortlicher die Umsetzung des Prozesses unterstützen.
Steuerung durch den Nachhaltigkeitsverantwortlichen Das Nachhaltigkeitsteam wird von einem Nachhaltigkeitsverantwortlichen geleitet. Es ist ratsam, dafür eine Stabsstelle einzurichten. Die Einrichtung einer Stabsstelle wird häufig von anderen Abteilungen nicht befürwortet oder blockiert. Es gibt in der Regel aber keine Alternative, denn mit einer Aufteilung der Aufgaben auf verschiedene Abteilungen fehlt eine zentrale Person, an der die Informationen zusammenlaufen, die intern wie extern der Ansprechpartner für die Thematik ist und die den Prozess unabhängig von anderen im Museum vorantreibt. Nachhaltigkeitsverantwortliche fungieren als Botschafter der Idee der Nachhaltigkeit – nach innen und nach außen. Sie verkörpern in besonderer Weise die moralische Richtungssicherheit des Museums und spiegeln die Verantwortlichkeit des Museums gegenüber Gesellschaft und globalen Herausforderungen wider. Darüber hinaus stellen sie auch den Wandel in Museen dar und treten als prototypischer Change Agent auf, der die Veränderung in der Institution proaktiv und konstruktiv gestaltet. (Dörr 2020, 51) Der Nachhaltigkeitsverantwortliche kann insbesondere für eine Integration der unterschiedlichen Perspektiven der Abteilungen sorgen, den notwendigen umfassenden Überblick bewahren und
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daraus neue Lösungen entwickeln, die für einzelne Abteilungen aus fachlichen sowie politischen Gründen schwieriger zu realisieren wären. Gerade bei großen Museen ist dies von Bedeutung, um die unterschiedlichen Perspektiven der Museumsabteilungen zusammenzuführen. Der Nachhaltigkeitsverantwortliche arbeitet dem Nachhaltigkeitsteam sowie der Museumsdirektion zu. Er sichert die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen und ist für Datenerfassung und Aufbereitung – in Zusammenarbeit mit den Abteilungen – zuständig. Des Weiteren liegt die interne Berichterstattung in seiner Hand. Zertifizierungen und das Erreichen bestimmter Normen oder Managementstandards gehören auch zu den Aufgaben. Eine Kernaufgabe ist die Leitung des internen Kommunikations- und Partizipationsprozesses – bzw. die Unterstützung des Nachhaltigkeitsteams bei diesen Aufgaben. (Braun et al. 2010, 17–18) Die Rolle des Nachhaltigkeitsverantwortlichen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: • • • • • • • •
Berichtet direkt an die Museumsdirektion; überwacht alle internen Maßnahmen zur Nachhaltigkeit; ist Ansprechpartner für alle Mitarbeitende in Sachen Nachhaltigkeit; informiert die Mitarbeitenden über die Fortschritte; organisiert das Informationsmanagement zum Thema; ist verantwortlich für die Nachhaltigkeitsberichterstattung; ist ein Botschafter für das Leitbild und die Werte der Nachhaltigkeit; führt die divergenten Perspektiven zu Nachhaltigkeit und Wandel zusammen.
Der Nachhaltigkeitsverantwortliche nimmt innerhalb des sozialen Systems Museum eine Sonderrolle ein, bringt neuartige Fragen, Perspektiven und Anforderungen in die Institution ein. Denken und Handeln von Nachhaltigkeitsverantwortlichen sind daher von Innovation geprägt. Dies betrifft konkrete und technische Maßnahmen genauso wie Abläufe und zwischenmenschliche Prozesse. (Wühle 2019, 72–73) Für die Leitungsebene steigt mit zunehmender Erfahrung und wachsendem Detailwissen zu den betrieblichen Kennzahlen auch die Bedeutung des Nachhaltigkeitsverantwortlichen für die strategische Weiterentwicklung und Führung des Museums. Hier kann er mit Gewinn für das gesamte Museum einbezogen werden und wertvolle Perspektiven einbringen, die neue Entwicklungspfade eröffnen können. (Braun et al. 2010, 17–18)
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Diese Stelle kann mit einer neu eingestellten Person oder durch Ernennung eines bereits Beschäftigten besetzt werden. Wenn kein erhebliches zusätzliches Budget verfügbar ist, ist es unwahrscheinlich, dass eine neue Stelle für einen Nachhaltigkeitsverantwortlichen geschaffen werden kann. Daher muss häufig die Rolle aus dem vorhandenen Personalbestand besetzt werden. Wenn der Erfolg eines Veränderungsprozesses vor allem davon abhängt, wie Mitarbeitende sich einbringen können und in welcher Weise sie in den Gesamtprozess integriert werden, dann ist die Kommunikationskompetenz des Nachhaltigkeitsverantwortlichen von besonderer Bedeutung. Empathie, gutes Zuhören, Ängste ernst nehmen und verständnisvolle Kommunikationsweise sind wichtige Charakteristika eines erfolgreichen Nachhaltigkeitsverantwortlichen (Wühle 2019, 73–74). Ein Nachhaltigkeitsverantwortlicher sollte folgende Qualitäten und Kompetenzen mitbringen: • • • • •
Gut vernetzt in verschiedenen Museumsabteilungen; guter Kommunikator; inspirierende und motivierende Persönlichkeit; kontakt zu Unterstützern und Mitstreitern; frühere Erfahrung im Bereich Nachhaltigkeit bzw. Nachhaltigkeitsmanagement von Vorteil.
Umsetzung in Abteilungen und Arbeitsgruppen Eine eventuelle mittlere Führungsebene, bspw. Abteilungsleitende, kann als Kern der Institution und damit als essenzielle Akteursebene im Veränderungsprozess gesehen werden. Eine personelle Verankerung in den Abteilungen ist insbesondere wichtig, um praktikable Handlungsansätze und Maßnahmen zu identifizieren, prototypische Veränderungen zu erproben und systematisch aufbereitete Rückmeldungen zu Chancen und Hindernissen der Veränderung in den Prozess einfließen zu lassen. (Smith 2015, 57) Während ein Top-down-Ansatz für die Initiierung unabdingbar ist, muss dieser von Bottom-up konzipierten Maßnahmen gespiegelt werden, denn die Nachhaltigkeitsprobleme sind in der Regel bereits in den jeweiligen Abteilungen gut bekannt. Dieses Detailwissen der Abteilungen gilt es, für den Gesamtprozess im Museum nutzbar zu machen. Darüber hinaus stellen die Abteilungen die Datenerhebung und das Monitoring des NMM sicher (Eisele 2021, 105). Die Abteilungen übernehmen folgende Aufgaben im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements:
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• • • •
Detaillierung und Konkretisierung des Nachhaltigkeitsprogramms und der Maßnahmen; Umsetzung und Überwachen der Maßnahmen; Datenerfassung und Eingabe in das Nachhaltigkeitsdatensystem; Zielüberwachung und Berichterstattung an das Nachhaltigkeitsteam.
Doch gerade auf Abteilungsebene ergeben sich häufig Hürden bei der Zusammenarbeit und Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Der Aufbau von Strukturen für das Nachhaltigkeitsmanagement wird häufig durch die Konkurrenz verschiedener Fachkräfte auf Abteilungsebene erschwert, die um die Hoheit über Nachhaltigkeitsthemen konkurrieren oder die Informations- und Berichtspflichten als illegitimen Eingriff in den eigenen Zuständigkeitsbereich betrachten. Ein Nachhaltigkeitsverantwortlicher benötigt hier besonders viel diplomatisches Fingerspitzengefühl. (Braun et al. 2010, 18) Für bestimmte Abteilungen, zeitlich begrenzte Fragen oder Arbeitsaufträge sowie zu spezifischen Themen können weitere Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Zum Beispiel könnte innerhalb jeder Abteilung je eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Die Bildung solcher Arbeitsgruppen kann durch das Nachhaltigkeitsteam angestoßen werden oder sich ebenfalls Bottom-up ergeben. Mitglieder können sich selbst zuordnen oder vom Nachhaltigkeitsteam vorgeschlagen werden. Neben dem Nachhaltigkeitsverantwortlichen können auch weitere Verantwortliche für spezifische Sonderthemen das NMM unterstützen (Eisele 2021, 99).
Externe Unterstützung in Anspruch nehmen Auch eine Unterstützung des Prozesses von außerhalb des Museums kann sich als produktiv erweisen. Grundsätzlich kann eine externe Beratung im Themenfeld Nachhaltigkeit dabei helfen, den Veränderungsprozess konkret auszugestalten. Dabei spielt die Vermittlung von Wissen und Methoden auf einer Meta-Ebene eine zentrale Rolle. Moderation und andere methodische Werkzeuge sind hier besonders wichtig. Auch bei Prozessen der Reflexion, der Adjustierung und Neuausrichtung des Prozesses kann eine solche Beratung hilfreich sein. Externe Beratung kann außerdem gerade in kritischen Phasen des Veränderungsprozesses eine Hilfe sein. Sie kann sicherstellen, dass der Prozess nicht durch allgemeine Hindernisse und interne Konflikte entgleist. Durch fachliche fundierte Informationen kann ein Rahmen entwickelt werden, in dem im Museum kontroverse Themen produktiv und ziel-
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gerichtet verhandelt werden können. Dies ist insbesondere wegen der möglicherweise auftretenden Zielkonflikte hilfreich, bei denen auch emotionale Belange tangiert werden. Aufgrund von Erfahrung aus anderen Projekten kann eine externe Beratung die Ergebnisse einordnen und ein qualitatives Monitoring eine weitere Einschätzung sein, die bei der Weiterentwicklung hilfreich sein kann. Externe Nachhaltigkeitsberatung kann vor allem auch dazu dienen, die Wirksamkeit der Museumsarbeit zu steigern. Entscheidungsprozesse können im Hinblick auf eine erhöhte Wirksamkeit überprüft und optimiert werden. (Braun et al. 2010, 27) Ein externer Nachhaltigkeitsmentor könnte als Coach für den Nachhaltigkeitsverantwortlichen fungieren. Bei einem Nachhaltigkeitsmentor handelt es sich um eine externe Person mit fundierten Kenntnissen in Nachhaltigkeitsfragen und in der Umsetzung von Veränderungsprozessen. Darüber hinaus könnte ein externer Prüfungsausschuss die Qualität der strategischen Ziele oder des Nachhaltigkeitsprogramms als Ganzes sicherstellen. Ein solcher externer Ausschuss erhöht auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Prozesses und könnte die notwendigen Verbindungen für die Bewerbung um neue Finanzierungsmöglichkeiten herstellen.
Werkzeugkoffer | Methode
Kollegen begeistern: Fünf Gründe für die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements 1.
Verantwortung übernehmen und einen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen leisten • • •
Mit einem Nachhaltigkeitsmanagement sicherstellen, dass das Museum zu Lösungen von gesellschaftlichen Herausforderungen beiträgt; das Potenzial des Museums ausschöpfen, als Multiplikator zur Förderung von Nachhaltigkeit zu wirken; die Fähigkeit des Museums erhöhen, nachhaltige Praktiken umzusetzen.
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2. Strategisches Management von Verbesserungen und Veränderungen
• • •
Nachhaltigkeitsmanagement als Vehikel für ein Veränderungsänderungsmanagement im gesamten Museum nutzen; Verbesserungs- und Innovationsprozesse durch das Nachhaltigkeitsmanagement systematisch aktivieren; Resilienz und Robustheit des Museums steigern.
3. Aktives Reputationsmanagement
• • •
Die Reputation innerhalb und außerhalb der Institution positiv beeinflussen und die Glaubwürdigkeit steigern; Ergebnisse des Nachhaltigkeitsmanagements für vielfältige Öffentlichkeitsarbeit nutzen; das Nachhaltigkeitsmanagement nutzen, um Auszeichnungen und Zertifizierungen zu erhalten.
4. Wirtschaftliche Vorteile
• • •
Ökologische Nachhaltigkeit führt zur Reduzierung von Ressourcen- und Energiekosten; soziale Nachhaltigkeit führt zu erhöhter Produktivität und Gesundheit der Mitarbeitenden sowie zu qualifizierteren Bewerbern; wirtschaftliche Nachhaltigkeit führt zu hoher Resilienz und einer langfristig sicheren Finanzierung.
5. Institution als Leuchtturm
• •
Mit einem Nachhaltigkeitsmanagement das Museum zu einem Vorbild im Museumssektor entwickeln; die Berichterstattung nutzen, um andere Akteure im Kultursektor zu inspirieren und zu motivieren.
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11.4 Empowerment und sinnhafte Arbeit Die Transformation zu einem nachhaltigen Museum erfordert auch eine neue Reflexion darüber, was Mitarbeitende dazu bewegt, sich als engagierte Mitarbeitende einzubringen und diesen Veränderungsprozess schließlich voranzutreiben. Dabei wird ausgehend von Überlegungen zur Motivation auf den Sinn bzw. die Sinnhaftigkeit der Arbeit fokussiert und welche Rolle das beim Engagement der Mitarbeitenden spielt. Die Klassische Motivationstheorie stellt Faktoren wie eigenen Nutzen, Geld, Status, Macht, Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt. Die Fokussierung auf solche und ähnliche Kategorien und Modelle von Motiven ist allerdings in der Praxis wenig hilfreich, denn diese sind häufig veraltet, nicht empirisch validiert und so allgemein, dass sie nicht zur Umsetzung geeignet sind. Dazu kommt, dass eine auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse ausgerichtete Arbeitskultur und ein solcher Führungsstil häufig die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden fördern, jedoch keine positive Auswirkung auf die Arbeitsmotivation haben. (Becker 2019, 39–40) Während die klassische Motivationstheorie auch für die Leitung im Museum hilfreich sein kann, scheint im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements insbesondere ein Wechsel vom Paradigma der Motivation zu einem Paradigma der Sinnhaftigkeit angebracht zu sein.
Von Motivation zu sinnhafter Arbeit Das Motivationsparadigma fokussiert für die Ausübung der Arbeit einerseits auf die intrinsische Motivation und persönliche Zufriedenheit sowie andererseits auf extrinsische Motivation und Belohnungen in unterschiedlicher Form. Im Gegensatz dazu geht das Paradigma des Sinns noch weiter: Es stellt die zentrale Bedeutung von Sinn in den Mittelpunkt, um zu erklären, wie Menschen nicht nur sinnvolle Arbeitserfahrungen, sondern auch ein sinnvolles Leben gestalten können (Di Fabio 2017, 3). In einer Postwachstumsgesellschaft verschieben sich auch die individuellen Motive für Arbeit. Schon jetzt stehen intrinsische Motivationen im Gegensatz zu monetären Anreizen im Mittelpunkt eines transformationellen Führungsstils. Wertbasierte Arbeitsumgebungen können Mitarbeitende in solchen intrinsischen Motivationen bestärken und ein kollektives Klima des Engagements erzeugen. (Fritz-Schubert 2021, 39) Hier verbindet sich Sinnhaftigkeit der Arbeit mit Nachhaltigkeit und einem sinnvollen Lebensentwurf. Das Sinnparadigma kann als ein
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Schlüssel angesehen werden, mit dem Institutionen wie Museen Nachhaltigkeit, Wachstum und Erfolg vereinbaren können (siehe Di Fabio 2017, 3). Da der Museumssektor als Ganzes sowie auch die Gesellschaft insgesamt zunehmend die Idee der Nachhaltigkeit in den Fokus rückt, führt Nachhaltigkeitsmanagement dazu, dass diese äußeren Ansprüche mit den internen Schwerpunkten des Museums übereinstimmen. Auf individueller Ebene bedeutet dies außerdem, dass die Werte, Absichten und Ziele des einzelnen Angestellten mit denen seiner Umgebung in Einklang gebracht werden. Dies ist die beste Voraussetzung für die Erfahrung von Sinn am Arbeitsplatz. (Lysova et al. 2019, 385) Auch für Mitarbeitende, die sich nicht intrinsisch mit den Werten der nachhaltigen Entwicklung identifizieren, bietet die neue Ausrichtung des Museums nun die Möglichkeit und einen Anknüpfungspunkt, um eine Übereinstimmung mit der gesellschaftlichen Umwelt herzustellen und damit in stärkerer Weise eine als sinnvoll wahrgenommene Arbeit auszuüben. Gerade im komplexen Feld der Nachhaltigkeit ist Sinngebung durch Arbeit ein wandelbarer und chaotischer Prozess, da Erfolge oft erst langfristig sichtbar werden, gesellschaftliche Rückschläge das eigene Handeln infrage stellen und die Mitarbeitenden ihre Rolle im Hinblick auf die Ansprüche der unterschiedlichen Stakeholder immer wieder neu finden müssen. (Mitra und Buzzanell 2017, 612) Dem sollte durch fehlerverzeihende und flexible Anforderungen an die Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements Rechnung getragen werden. Um diese Unsicherheit aufzufangen, sind insbesondere die informellen Formate und Beteiligungsinstrumente im Sinne einer Selbstvergewisserung hilfreich. (Aguinis und Glavas 2019, 1078) Ein bedeutendes Element, um die motivationalen Aspekte mit dem Sinn der Arbeit zu verknüpfen, ist die Erzeugung eines gemeinsamen Gruppengefühls. Ein Gefühl von Zugehörigkeit und sozialer Sinngebung führt zu einer hohen Identifikation mit dem Prozess und damit zu Motivation, sich für den Wandel einzusetzen. (Rosso et al. 2010, 111–112) Im Rahmen des Transformationsprozesses spielt für die Wahrnehmung der Sinnhaftigkeit die konkrete Ausgestaltung des Prozesses eine große Rolle. Wenn die Mitarbeitenden sich authentisch in den Wandlungsprozess einbringen können, wirkt sich dies positiv aus. Wenn die eigene Identität und die Rolle im Prozess oder die Aufgaben in Einklang gebracht werden können, entsteht ein Gefühl der Authentizität und damit ein Beitrag zu einer sinnvollen Arbeit. (Rosso et al. 2010, 108). Das bedeutet, dass der Prozess so viel Gestaltungsspielraum ermöglicht, dass die Mitarbeitenden ihre Aufgaben darin
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frei wählen können. Daher sind auch die vorher vorgestellten aufwendigen Instrumente der Partizipation besonders wichtig.
Mitarbeitende für nachhaltiges Verhalten befähigen Ein weiteres Kernelement in der Unterstützung des Wandlungsprozesses sind Methoden zum Empowerment. Empowerment stärkt Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiheit der Mitarbeitenden. Das heißt, dass Mitarbeitende mehr Kontrolle über und Verantwortung für ihr Arbeitsumfeld besitzen. Darüber hinaus wird der Beitrag des Einzelnen sowie des Teams zum Gesamterfolg fokussiert. Außerdem werden Mitarbeitende ermutigt, Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und Entfaltung zu nutzen. (Niermeyer 2007, 140) Um Mitarbeitende in dieser Verantwortung zu unterstützen, sind unterschiedliche Maßnahmen auf individueller Ebene sowie auf organisationaler Ebene hilfreich. Zu Maßnahmen auf organisationaler Ebene gehören Arbeitsplatz(um)gestaltung und Veränderungen der Stellenbeschreibung, transformatorische Führung, umfangreiche Fortbildungsmöglichkeiten sowie Aufstiegschancen. Auf individueller Ebene tragen Arbeitsplatzzufriedenheit, periodische Audits bzgl. der Work-Life-Balance sowie Workshops zum Thema zu einem Empowerment bei. (Schaufeli und Salanova 2010, 401–411) Empowerment im Rahmen eines Nachhaltigkeitsmanagements kann auch bedeuten, dass Mitarbeitende auf allen Ebenen Verantwortlichkeiten und Ressourcen erhalten, um Teilbausteine des Nachhaltigkeitsprogramms umzusetzen. Empowerment für Nachhaltigkeit steigert nicht nur die Möglichkeiten zur Entfaltung, sondern auch die notwendigen nachhaltigkeitsbezogenen Fähigkeiten. Dazu können Mitarbeitende Fortbildungen zu den in ihrem Arbeitsfeld relevanten Aspekten der Nachhaltigkeit besuchen sowie durch externe Fachkundige wie einem Sustainability Mentor gecoacht werden. (siehe Gutiérrez et al. 1995, 540)1 Dabei fokussiert Empowerment auf die Stärken der Mitarbeitenden und hat zum Ziel, diese für das NMM optimal einzusetzen. Eine Transformation des Museums sowie der Gesellschaft bedarf sowohl der Änderung von individuellem als auch von kollektivem Verhalten. Auf der Ebene des individuellen Verhaltens können Mitarbeitende bezüglich der Umsetzung von Verhaltensänderungen unterstützt werden. Dafür sind unterschiedliche Arten und Methoden der Intervention denkbar. Interventions1
Analog zu Erfahrungen zum Empowerment aus den Sozialwissenschaften.
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praktiken, die auf Befähigung und gemeinsame Normen zielen, sind in der Regel wirksamer als Methoden, die auf Überzeugung und kollegialer Weiterbildung beruhen. Befähigung umfasst die Förderung von psychologischen Fähigkeiten, Motivationen und Möglichkeiten, um Hindernisse im Arbeitszusammenhang zu überwinden. Es ist insgesamt die Interventionsmethode, die das größte Potenzial bietet, um das Verhalten von Mitarbeitenden in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern. (Paillé 2020, 153) Neben einem Fokus und einer Ermöglichung von nachhaltigen Verhaltensweisen am Arbeitsplatz werden im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements auch kontraproduktive Verhaltensweisen in den Blick genommen. Hier gilt es zu analysieren, welche Gründe einzelne Mitarbeitende zu kontraproduktivem, nicht-nachhaltigem Verhalten bewegen. Eine Ausrichtung auf dieses Thema ist wichtig, da kontraproduktives Verhalten potenziell höhere negative Auswirkungen haben kann, als die positiv umgesetzten Aktivitäten des Nachhaltigkeitsmanagements. (Francoeur et al. 2021, 17) Es muss auch berücksichtigt werden, dass sich individuelles Verhalten unterscheidet, je nachdem, in welchem Kontext es ausagiert wird. So können Mitarbeitende im privaten Umfeld nachhaltige Verhaltensweisen an den Tag legen, während sie sich am Arbeitsplatz nicht nachhaltig verhalten. Die institutionellen Hindernisse, Zwänge und Barrieren reduzieren häufig die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeitende am Arbeitsplatz ein nachhaltiges Verhalten an den Tag legen. Typischerweise umfassen die Barrieren in der institutionellen Situation Aspekte der Organisation, der Führung sowie psychologische Dispositionen des Individuums. (Paillé 2020, 91–92) Dieser Blick auf die organisationalen Hindernisse ist für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements durchaus relevant: Museen, die nachhaltige Praktiken innerhalb der Institution befördern möchten, können die individuellen Gewohnheiten und Fähigkeiten der Mitarbeitenden, die diese außerhalb der Grenzen des Museums, also im privaten Umfeld entwickeln und anwenden, für das NMM gewinnbringend integrieren. (Paillé 2020, 77) Die Schnittstellen zum privaten Engagement der Mitarbeitenden können dabei noch weiter fokussiert werden. Denn um die Wirksamkeit der Nachhaltigkeitsbestrebungen zu steigern, können Mitarbeitende als Multiplikatoren wirken. Ein Instrument dafür stellt das institutionelle Volunteering dar, bei dem Mitarbeitende sich bspw. an einem Tag in gemeinnützigen Projekten und Einrichtungen zum Thema Nachhaltigkeit engagieren. Das Instrument des Secondment geht dabei einen Schritt weiter. Hier engagieren sich Mitarbeitende über einen längeren Zeitraum in gemeinnützigen Projekten bspw. im Rahmen von Mento-
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ring-Programmen. Auch privates Engagement in ehrenamtlichen Tätigkeiten kann durch Freistellungen oder Ko-Spenden durch das Museum unterstützt werden. (Taubken und Dietrich 2011, 430) Ein einfaches und effektives Instrument, um Mitarbeitende für den Prozess zu begeistern und gleichzeitig Nachhaltigkeitsmanagement als systematischen Verbesserungsprozess auszugestalten, ist ein zentrales Vorschlagswesen. Ein Vorschlagswesen bietet eine Struktur zur Sammlung und Weiterverfolgung von Ideen aller Mitarbeitenden. Gesammelt werden Ideen von Mitarbeitenden, die zu einer Verbesserung der Nachhaltigkeit des Museums beitragen. Ideen können sich dabei auf alle Aspekte der Arbeit beziehen: Infrastrukturelle Rahmenbedingungen, interne Prozesse oder Arbeitskultur und Zusammenarbeit. Diese zentrale Struktur sollte vom Nachhaltigkeitsteam aufgesetzt und betreut werden. Es bietet ein sehr niederschwelliges Angebot, das gerade beim komplexen Themenkreis der Nachhaltigkeit und in großen Museen, in denen eine Kommunikation zwischen allen Mitarbeitenden erschwert ist, eine enorme Wirkung entfalten kann.
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Gemeinsame Freude am Wandel Ein Gemeinschaftsgefühl kann insbesondere durch informelle Formen der Partizipation, Ko-Kreation und Kommunikation in größeren Gruppen innerhalb des Museums sowie mit wichtigen Stakeholdern gefördert werden. Dazu gehören bspw. Teambuilding-Maßnahmen, Events und Feiern, die an den Ablauf des Nachhaltigkeitsmanagements angedockt werden sowie inhaltlich getriebene Veranstaltungen wie Film-Screenings, Lesezirkel oder Fish Bowls. Diese Prozesse können darüber hinaus durch interne Kommunikationsmaßnahmen mit Produkten wie Postkarten oder Postern unterstützt werden.
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12 Ziele, Nachhaltigkeitsstrategie und Indikatoren
Emergenter Wandel im Museum zeichnet sich durch zahlreiche Ideen, vielfältige Aktivitäten und konkrete Maßnahmen aus. Um die Ansprüche des Leitbilds der Nachhaltigkeit und die generellen Überlegungen zur Wirkungsorientierung mit diesen kleinteiligen Maßnahmen zu verknüpfen, wird hier erläutert, wie strategische Ansätze, konkrete Ziele und überprüfbare Indikatoren entwickelt werden können. Eingebettet werden diese Methoden in den partizipativen Veränderungsprozess im Museum.
12.1 Leitbild und Auftakt Der Beginn des partizipativen Prozesses kann auch vorstrukturiert werden, um allen Beteiligten in der Startphase der Transformation etwas Orientierung zu geben. Hier sind Instrumente wichtig, die interne Aufmerksamkeit erzeugen und motivierend wirken, dazu gehören eine Veränderungsgeschichte, ein Leitbild und die Möglichkeit der Partizipation.
Die Sustainable Change Story erzählen Eine Sustainable Change Story erzählt die fachliche Begründung für die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements. In ihr wird auf nachvollziehbare und ansprechende Weise skizziert, weshalb dieses Vorgehen sinnvoll ist. Auf motivierende Art und Weise entwirft die Sustainable Change Story eine Vision für die Zukunft des jeweiligen Museums und stellt dar, wie sich die Institution ändern muss, um diese Vision zu erreichen. Als beteiligungsorientierte Geschichte stellt sie die Rolle der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt und regt an, darüber nachzudenken und zu diskutieren, wie dieses Ziel, diese Zukunftsvision erreicht werden kann. Die Geschichte lebt vom Bezug zu
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alltäglichen Aspekten der Museumsarbeit und greift sie auf: Damit fragt sie nach dem notwendigen Wandel der Arbeitskultur und den zu erwartenden Veränderungen im Arbeitsalltag. Eine Sustainable Change Story ist häufig aus den folgenden Bausteinen zusammengesetzt: • • • • • • •
Status quo, Problemaufriss und Gründe für die Veränderung beschreiben; angestrebtes Ziel der Veränderungen im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements benennen; durch Negativvision motivieren: Für Konsequenzen sensibilisieren, wenn keine Veränderung stattfindet; Nachhaltigkeitsmanagement in Museen als Instrument vorstellen und Vorteile aufzeigen; kritisch reflektieren, was im Museum bleibt, wie es war und was sich ändern wird; nächste Schritte, insbesondere zum Beteiligungsprozess vorschlagen, und erste Meilensteine darlegen; wo möglich bereits konkret werden: Wie werden sich die Veränderungen auf den Arbeitsalltag auswirken? Hier ist auch eine erste Darstellung der konkreten Auswirkungen nach Abteilungen möglich.
Die Sustainable Change Story wird von der Leitungsebene unterstützt, von der Direktion befürwortet und idealerweise sogar von ihr entwickelt. Die Erzählung skizziert ein kohärentes Bild von der bevorstehenden Aufgabe und bietet damit für Mitarbeitende den Ausgangspunkt, um Gründe und Ziele der Veränderung zu reflektieren und zu diskutieren. Die Sustainable Change Story ist spezifisch auf das jeweilige Museum zugeschnitten und vermeidet allgemeine Aussagen und vage Ziele, da sie sonst unglaubwürdig wirkt und an Überzeugungskraft verliert.
Den Prozess initiieren Die Sustainable Change Story wird zunächst von der Direktion vorgestellt und kommuniziert. Dies ist die Grundlage für ihre Akzeptanz und ihren verbindlichen Charakter. Dabei stellt sie lediglich den Auftakt und den Rahmen für den breiten Partizipationsprozess dar, mit dem NMM entwickelt und umgesetzt wird. Das Ziel dieses Auftaktes ist, ein erstes inneres Bild des Veränderungsprozesses zu evozieren. Denn der erste Eindruck ist häufig ent-
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scheidend für das Engagement der Mitarbeitenden für ein Nachhaltigkeitsmanagement. Damit Mitarbeitende aktiv werden, sollte an den bekannten wertbasierten Bezugsrahmen für die Arbeit im Museum angeknüpft und diese weiterentwickelt werden. Visualisierungen wie visuelle Protokolle, Sketchnoting oder eine Veränderungslandkarte können auch dabei helfen. Zu einem solchen Auftakt gehören selbstverständlich partizipative Elemente und Methoden, mit denen in Gruppen sowie im Plenum gearbeitet wird. Wenn bei großen Institutionen nicht alle Mitarbeitenden und relevanten Stakeholder an einer Auftaktveranstaltung teilnehmen können, wird die Sustainability Change Story vor mindestens zwei weiteren Hierarchieebenen des Museums vorgetragen. Daraufhin kann die Veränderungsgeschichte in den Abteilungen wieder vor jeweils zwei tieferen Ebenen erzählt werden. Dieses überlappende Ausrollen hat bei großen Museen und Museumsverbünden den Vorteil, dass die Veränderungsgeschichte nicht verändert wird. Grundsätzlich bietet diese hierarchieübergreifende Erzählung den Anlass über die Vision, deren Voraussetzungen und Auswirkungen in unterschiedlichen Akteurskonstellationen in Austausch zu kommen.
Eine Vision skizzieren Ergänzend und vertiefend zu der narrativen Sustainable Change Story kann ein kurzes Leitbild entwickelt werden. Ein Leitbild ist weniger auf den Prozess der Veränderung und des Nachhaltigkeitsmanagements zugeschnitten, sondern fokussiert auf eine Vision und strategische Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit. Ein Nachhaltigkeitsleitbild stellt das Selbstverständnis des Museums im Hinblick auf Nachhaltigkeit dar und dient der Orientierung für alle Beteiligten im weiteren Prozess. Ein solches kurzes Leitbild hat des Weiteren den Vorteil, dass es durch seine Ausrichtung auf Ziele motivierend wirkt. Mit einem Leitbild, bekennt sich die Direktion dazu, ihr Museum nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit zu führen. Dieses Bekenntnis sollte schriftlich und verbindlich erfolgen, möglicherweise sogar unter Bezugnahme auf vorhandene Initiativen oder Verhaltenskodexe. Die Bedeutung dieses formellen Engagements, darf für einen erfolgreichen Start nicht unterschätzt werden. Zusätzlich zu einem Leitbild kann auch eine Selbstverpflichtung entwickelt werden, die dem Beginn des Prozesses noch mehr Verbindlichkeit verleiht. Darin kann es vor allem auch um Input-Faktoren gehen, wie die Be-
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reitstellung von Ressourcen für den Prozess. Idealerweise bezieht sich eine solche Verpflichtung auf bestehende Standards oder Zertifizierungen. Die Vorstellung des Leitbilds kann bspw. im Rahmen eines formellen Abend-Events stattfinden, zu dem auch diverse Stakeholder und ggf. die Presse eingeladen werden. Ein Leitbild kann im Gegensatz zu einer Sustainable Change Story auch für die Außenkommunikation verwendet werden. Durch seine kurze Form kann es auch an prominenten Orten in der Institution aufgehängt und so ins kollektive Bewusstsein der Organisation integriert werden.
12.2 Handlungsfelder und Ziele Nachhaltigkeit ist ein umfassendes Konzept, dass je nach Verständnis und Anwendung sehr viel, in der Anwendung in Museen häufig zu viel, beinhalten kann. Um Nachhaltigkeit im Museum anwendbar zu machen, ist eine Engführung, eine Fokussierung auf Teilbereiche unumgänglich. Die wichtigen Handlungsfelder im Museum hängen stark von den spezifischen Rahmenbedingungen ab, bspw. dem Gebäude oder der Größe und Historie der Sammlung. Die Perspektiven und Erwartungen der relevanten Stakeholder definieren ebenso welche Bereiche als wesentlich angesehen werden und welche nicht.
Wesentliche Handlungsfelder definieren Dieses Prinzip der Wesentlichkeit (Materiality) ist ein zentraler Aspekt von Nachhaltigkeitsmanagement und der angegliederten Berichtserstattung. Wesentlichkeit entstammt der finanziellen Wirtschaftsprüfung und besagt, dass die Messung und Berichterstattung sich auf bedeutende und relevante Informationen fokussiert und im Umkehrschluss unbedeutende Informationen ausgespart werden. Ein Fokus auf das Wesentliche bei der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements verhindert eine willkürliche Auswahl der Bereiche, Themen und Maßnahmen. Diese Fokussierung setzt allerdings voraus, dass zunächst, das heißt in der Auftaktphase und in den ersten Stufen des Partizipationsprozesses, eine breite Perspektive auf Nachhaltigkeit im Museum gewählt und diskutiert wird. Nur vor diesem Hintergrund ist eine anschließende und sinnvolle Engführung möglich.
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Im unternehmerischen Umfeld wird Wesentlichkeit auch verwendet, um das umfassende Konzept der Nachhaltigkeit auf die Themen und Daten zu beschränken, die für die Geschäftstätigkeit und den produzierten Mehrwert wirklich relevant sind (Bini und Bellucci 2020, 31). Das Prinzip der Wesentlichkeit kann in diesem Sinne auf das nachhaltige Museum übertragen werden. Es bedeutet dann, dass ein Handlungsfeld, eine Information oder ein Indikator dann wesentlich ist, wenn die Nachhaltigkeitsleistung des Museums dadurch erheblich beeinflusst wird. Daraus folgt, dass Nachhaltigkeitsmanagement dort ansetzen sollte, wo die Veränderungspotenziale und die Wirksamkeit für eine nachhaltige Transformation am höchsten sind. Dafür ist in der Regel eine erste quantitative Einschätzung zu den nachhaltigkeitsrelevanten Auswirkungen des Museumsbetriebs notwendig. Für eine initiale Einführung des Nachhaltigkeitsmanagements kann die Einschätzung der Wesentlichkeit daher nicht auf Basis von quantitativen Daten, bspw. Verbrauchsdaten, vorgenommen werden, da die Status quo-Analyse noch nicht durchgeführt wurde und diese Daten in den meisten Museen auch gar nicht vorliegen. Neben dieser datengetriebenen Wesentlichkeitsanalyse hat sich in der Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung ein weiteres Verständnis des Wesentlichkeits-Prinzips herausgebildet. Mit einer Stakeholderfokussierung wird das als wesentlich eingeschätzt, was die Entscheidung von relevanten Stakeholdern erheblich beeinflusst (Gietl et al. 2014, 67). Das bedeutet, dass die Wesentlichkeit der zu messenden Themen und Indikatoren auch durch die Stakeholder definiert wird. Die Einschätzung zu den wesentlichen Handlungsfeldern und Indikatoren ist damit in einem partizipativen Prozess zu entwickeln. Dazu werden alle Stakeholder des Museums identifiziert und diese im Hinblick auf ihren Einfluss auf das Museum analysiert. Die Stakeholder mit dem meisten Einfluss auf die Tätigkeit und die Nachhaltigkeit des Museums werden als SchlüsselStakeholder definiert. Mindestens für diese wird ein Kommunikations- und Partizipationsprozess im Sinne eines Stakeholder-Dialogs geplant und umgesetzt. Dabei wird für jeden Schlüssel-Stakeholder die für ihn passende Art der Beteiligung definiert. Zusammen mit Schlüssel-Stakeholdern wird im Rahmen eines Stakeholder-Dialogs in einer qualitativen Einschätzung eine erste Analyse entwickelt. Diese wird intern, bspw. auf Basis von Erfahrungswissen von langjährigen Mitarbeitenden, der Direktion oder Mitgliedern des Beirats, reflektiert und geschärft. Eine interne Einschätzung der wesentlichen Aspekte sowie die ex-
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terne Perspektive von Stakeholdern kann in einer Wesentlichkeitsmatrix zusammengeführt werden. Darin werden alle Aspekte in ein Koordinatensystem eingetragen, das auf einer Achse die interne Bedeutung und auf der anderen Achse die externe Bedeutung abträgt. Auch in den ersten Jahren nach der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements wird nicht unbedingt eine so robuste Datenbasis vorliegen, dass die Wesentlichkeit vollständig quantitativ ermittelt werden kann. In diesem Anfangsstadium ist Wesentlichkeit durch einen iterativen Prozess zu erreichen, in dem die Handlungsfelder und Indikatoren immer wieder auf die Wesentlichkeit hin überprüft und nachjustiert werden. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist demnach dynamisch und muss regelmäßig aktualisiert werden. Dafür kann das Monitoring des NMM genutzt werden. So kann nicht nur das Messinstrumentarium angepasst werden, sondern es wird auch sichergestellt, dass in Zukunft die identifizierten Themen und Indikatoren des Nachhaltigkeitsmanagements für das Museum weiterhin wesentlich sind. (siehe Taylor 2021, 156)1
Nachhaltigkeitsstrategie und Ziele ableiten Zwischen dem Leitbild und den konkreten, überprüfbaren Indikatoren und Zielen des NMM stehen die strategischen Ziele des Museums. Ausgehend vom Leitbild werden diese Nachhaltigkeitsziele für das Museum abgeleitet. Strategische Ziele definieren die Richtlinien zur Bewertung der Museumsleistungen. Sie stellen damit die Grundlage für strategische Entscheidungen dar und dienen der Führungsebene als Maßstab für ihr Handeln. Diese Nachhaltigkeitsstrategie konkretisiert damit die Vision des Leitbildes. Strategische Ziele bedürfen der Erläuterung. Sie sind demnach nicht so knapp oder mit einem Wort beschreibbar wie Indikatoren. Vielmehr beschreiben strategische Zielsetzungen, wie das übergeordnete Leitbild innerhalb des Museums konkret adressiert werden soll. Dabei kann auch die Entwicklung von zwei bis drei Zielhierarchien helfen. Jedem der definierten Hauptziele werden dabei mehrere Unterziele zugeordnet. Diese Vorgehensweise entspricht einer stufenweisen Konkretisierung des Leitbildes hin zu Indikatoren und kann daher auch als Vorbereitung eingesetzt werden, um relevante Indikatoren zu identifizieren oder zu entwickeln. Drüber hinaus kann noch eine Priorisierung der unterschiedlichen Ziele bzw. Unterziele erfolgen. Diese 1
Bezugnehmend auf Strategieentwicklung im CSR-Management.
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Priorisierung kann sich nicht nur nach der Wesentlichkeit der Nachhaltigkeitsleistungen richten, sondern nach – auch veränderlichen – internen Rahmenbedingungen wie inhaltlichen Schwerpunktsetzungen oder verfügbaren Ressourcen. Idealerweise ist ein solches System von Zielprioritäten flexibel und leicht anpassbar, damit man auf Veränderungen im Betrieb schnell reagieren kann. Darüber hinaus können strategische Ziele auch zeitlich gestaffelt werden. Dabei kann man mittel- und langfristige Ziele unterscheiden und auf diese Weise die Ableitung von Maßnahmen beeinflussen. Obwohl auch strategische Ziele messbar formuliert sein sollten, können für sie häufig keine absoluten Werte verwendet werden. Falls quantitative Ziele angemessen erscheinen, können relative Ziele, bspw. eine Reduktion um zehn Prozent, einfacher anwendbar sein. Häufig sind auch qualitative Zielbeschreibungen hinreichend, um diese Zielebene zwischen Leitbild und Indikatoren auszuformulieren. Die Konzipierung von strategischen Zielen ist vermutlich die wichtigste Zielformulierung überhaupt – das gilt für die interne und die externe Kommunikation sowie für die Identifikation mit dem Gesamtprozess und die Motivation für ihn. Strategische Ziele sind konkreter und greifbarer als das kurze, übergeordnete und auch nach außen gerichtete Leitbild. Gleichzeitig sind sie nicht so konkret und technisch wie Indikatoren, die langweilig und abschreckend wirken können bzw. nur für Mitarbeitende mit Fachkenntnis verständlich und relevant sind. Die Ausformulierung strategischer Ziele kann Verhalten dadurch abteilungsübergreifend motivieren und das Narrativ entscheidend prägen.
12.3 Indikator-Baukasten für nachhaltige Museen Indikatoren konkretisieren die strategischen Ziele des Nachhaltigkeitsmanagements und sind unerlässlich, um den Stand der Nachhaltigkeit in Museen auf vergleichbare und objektive Weise abzubilden. Der Einsatz von messbaren Indikatoren ist daher zentral, um zu erfassen, zu überprüfen und zu kommunizieren wie nachhaltig ein Museum operiert.
Indikatoren definieren Aufbauend auf den Handlungsfeldern und den strategischen Zielen werden Indikatoren entwickelt. Für diesen Prozess wird auf das Prinzip der Wir-
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kungslogik (vgl. Kap. 5.1) zurückgegriffen. Idealerweise wird für jedes Handlungsfeld ein Schlüsselindikator definiert, damit die Nachhaltigkeitsleistung in den verschiedenen Bereichen einfach darstellbar und kommunizierbar ist. Der Einfachheit halber können zu Beginn auch bereits erhobene Daten in Schlüsselindikatoren abgebildet werden. Indikatoren sind qualitative oder quantitative Variablen, die zur Messung von Veränderungen verwendet werden. Im Gegensatz zu buchhalterischen Kennzahlen bilden Indikatoren im Nachhaltigkeitsmanagement die Leistung des Museums in unterschiedlichen Dimensionen ab. Da Indikatoren in einem wiederkehrenden Monitoring wiederholt erhoben werden, kann so der zeitliche Verlauf und Fortschritt des Museums auf dem Weg zu bestimmten Zielen nachvollzogen werden. Indikatoren können helfen, den Fortschritt der Institution zu dokumentieren und die Steuerung der Nachhaltigkeitsleistung erleichtern. Durch eine Arbeit mit quantitativen Indikatoren werden sehr schnell Defizite und verbesserungswürdige Bereiche sichtbar, die in einer qualitativen Erfassung sonst geschönt werden könnten. Dies eröffnet die Möglichkeit, Optimierungspotenziale präzise zu identifizieren. Diese Vorgehensweise ist vergleichbar mit der des Controllings, jedoch müssen im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements mehr Stakeholder in den Prozess einbezogen und mehr Unsicherheiten abgebildet werden. Die Einführung von Indikatoren führt dazu, dass häufig erstmals bestimmte Leistungen oder Daten erhoben werden und tragen so zu einem umfassenderen Bild des Museums bei. Dieser indikatoren- und zahlengetriebene Ansatz ist insbesondere beim Thema Nachhaltigkeit notwendig, weil der umfassende Begriff sonst nicht in die konkrete Museumsarbeit übersetzt werden kann und die Gefahr besteht, dass unterschiedliche Auffassungen des Begriffs den Ansatz des Nachhaltigkeitsmanagements verwässern und den gesamten Prozess gefährden. Indikatoren haben sowohl eine interne als auch eine externe Funktion: Innerhalb der Institution haben sie das Ziel, die Wirkungen des Nachhaltigkeitsprogramms messbar zu machen. Nach außen dienen sie in der Kommunikation dazu, die Nachhaltigkeitsleistung sowie die Veränderung der Institution zu belegen. Gute Indikatoren für ein Nachhaltigkeitsmanagement sollten • •
passgenau sein, das heißt der Indikator misst das, was er messen soll; eindeutig zielorientiert sein, d.h. an dem Indikator lässt sich ablesen, ob ein Ziel erreicht wird oder nicht;
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• • •
die verfügbaren Daten und die umsetzbare Art der Datenerhebung berücksichtigen; idealerweise partizipativ entwickelt und in jedem Fall von den Stakeholdern akzeptiert sein und sich idealerweise für die Außenkommunikation eignen, also auch für Außenstehende verständlich sein.
Eine Herausforderung bei der Auswahl von Indikatoren ist der Einfluss von individuellen Werthaltungen und Einstellungen. Dies spielt insbesondere bei Indikatoren für die Nachhaltigkeitsleistung, beispielsweise im Gegensatz zu rein finanziellen Indikatoren, eine große Rolle, denn Nachhaltigkeit ist ein normatives Konzept. Dabei tendieren Verantwortliche häufig dazu, die Indikatoren auszuwählen, die ihre Anschauungen bestätigen und die das abbilden, was die Überzeugungen anderer Stakeholder unterstützt – oftmals unabhängig davon, ob die Indikatoren geeignet sind, das Wesentliche zu messen. Im Prozess der Indikatorenentwicklung sollten daher diese verschiedenen Perspektiven und Werthaltungen offengelegt und darauf geachtet werden, dass die normativen Anteile nicht berücksichtigt und von den faktischen Anteilen getrennt werden. (Dahl 2007, 171) Ist der Aspekt, der gemessen werden soll, eindimensional, klar abgegrenzt und einfach messbar, kann in der Regel problemlos ein guter Indikator entwickelt bzw. definiert werden (bspw. Papierverbrauch, Einsatz erneuerbarer Energien, Besuchszahl). Vor dem Hintergrund einer Wirkungslogik sollten in der Regel auch Wirkungen auf Ebene des Publikums oder der Gesamtgesellschaft gemessen werden. Dies ist mit den zur Verfügung stehen Mitteln und Methoden häufig nicht möglich, oder es sind nur spezifische Teilaspekte der Wirkung messbar. Hier ist es wichtig, die Grenzen der Messung bzw. die Grenzen der angewandten Methodik der Datenerhebung zu spezifizieren. Wenn Aspekte bzw. Wirkungen nicht direkt messbar sind, spricht man von sogenannten latenten Konstrukten. Die Messung von latenten Konstrukten erfolgt anhand von aggregierten Indikatoren, die Teilaspekte abbilden, oder anhand von sogenannten Stellvertreter-Indikatoren. In der Regel sollte für jedes Ziel ein Indikator definiert werden. In bestimmten Fällen ist es durchaus sinnvoll, mehrere Indikatoren zu kombinieren. Solche zusammengesetzten oder aggregierten Indikatoren werden auch als Index bezeichnet. Das bedeutet, dass ein Index eine Sammlung von verschiedenen Indikatoren ist. Der Vorteil von Indexen ist, dass mit ihnen knapp und verständlich das Wesentliche eines multidimensionalen Bereiches abge-
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bildet werden kann. Damit sind sie insbesondere für die den Informationsaustausch mit anderen Stakeholdern und der Öffentlichkeit geeignet und tragen zu einer Entscheidungsunterstützung bei. Die Bildung von aggregierten Indikatoren (Indexen) umfasst mindestens die Normalisierung, d.h. Angleichung der Einheiten der verschiedenen Indikatoren, die Gewichtung der Indikatoren und die eigentliche Aggregierung. Da die Bildung von Indexen für Museumsmitarbeitende handhabbar bleiben muss, wird als Gewichtungsmethode die Gleichgewichtung empfohlen, eventuell ergänzt durch eine Umfrage bei Mitarbeitenden oder relevanten Stakeholdern. Als Aggregationsmethode kann bspw. der gewichtete arithmetische Mittelwert zum Einsatz kommen. Wenn der Index die Perspektive einer starken Nachhaltigkeit abbilden soll, bei der Defizite in Teilindikatoren nicht ausgeglichen werden können, müssen zusätzliche Methoden eingesetzt werden. (siehe Gan et al. 2017, 499)2 Eine korrekte, systematische und transparente Arbeitsweise ist an dieser Stelle besonders wichtig, da sonst die Aussagekraft der Indexe leidet und die gesamte Messung der Nachhaltigkeitsleistung infrage gestellt werden kann (Böhringer und Jochem 2007, 7). Dies kann vor allem in der Außenkommunikation sowie in der Nachhaltigkeitsberichterstattung problematisch sein, wenn aufgrund einer willkürlichen Methodik die aufgeführten Nachhaltigkeitsleistungen angezweifelt und kritisiert werden können.
Nachhaltigkeitsindikatoren anpassen Aufgrund der Multidimensionalität des Nachhaltigkeitsbegriffs und der unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Museen erscheint es nicht sinnvoll, einen allgemeingültigen und übertragbaren Maßstab für Nachhaltigkeit anhand eines einzigen Indikators oder einer fixen Sammlung von Indikatoren (Indikatorenset) zu entwickeln. Vielmehr kann eine Betrachtung der zahlreichen Indikatorensets aus unterschiedlichen Anwendungsfeldern die Auswahl von Nachhaltigkeitsindikatoren für den Museumssektor bereichern. Indikatorensets zur Messung von Nachhaltigkeit reichen von stärker wissenschaftlich geprägten Ansätzen bis hin zu simplifizierten Herangehensweisen, die auf eine einfache Anwendung ausgerichtet sind. Einen Überblick über zahlreiche Indikatorensets geben bspw. Singh et al. (2009) und Böhringer (2007). Eine große Anzahl an beispielhaften Kennzahlen findet sich auch bei Epstein und Rejc 2
Angelehnt an Empfehlungen zu aggregierten Nachhaltigkeitsindexen.
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(2014, 169–176). Es existiert auch ein Indikatorenset zur Messung der SDGs (United Nations 2020). Aufgrund der sehr umfassenden und globalen Ausrichtung enthält es viele Perspektiven, die für die Museumsarbeit weniger relevant sind; es kann aber als Orientierungsrahmen dienen und kann die Entwicklung von Indikatoren für einzelne Museen inspirieren. Neben allgemeinen Ansätzen zur Messung von Nachhaltigkeit existieren zahlreiche Instrumente und Indikatorensets zur Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen. Diese bieten gute Orientierungspunkte für die Entwicklung eines Indikatorensets im jeweiligen Museum. Dabei kann zwischen Modellen (Frameworks) und Normen (Standards) unterschieden werden. Modelle umfassen Prinzipien und Richtlinien, die Unternehmen bei der Messung und Berichterstattung ihrer Nachhaltigkeitsleistung unterstützen. Diese Modelle umfassen u.a. Global Compact, Global Reporting Initiative (GRI), Social Reporting Standard (SRS), Carbon Disclosure Project, Eco Management and Audit Scheme (EMAS) und das Greenhouse Gas Protocol. Sie sind im Kern Indikator-Sammlungen, die sich je nach Interesse und Perspektive der Entwickelnden unterscheiden. Sie fokussieren dabei auf bestimmte Schwerpunkte von Nachhaltigkeit oder lassen andere Aspekte aus. Normen haben eine ähnliche Funktion, beinhalten aber in der Regel konkrete Anforderungen und Spezifikationen und sind systematisch und formell dokumentiert. Zu diesen Normen gehören AA1000, SA8000, ISO 26000, ISO 14001, ISO 9001, AS/NZS 4801, EMAS und OHSAS 18001. Diese Normen lassen einen geringeren Gestaltungsspielraum zu, tragen aber zur Vergleichbarkeit bei und können hilfreich sein, um ein Nachhaltigkeitsmanagement konsequent umzusetzen. (Siew 2015, 182) In den meisten dieser Modelle und Normen werden Wirkungen im Hinblick auf die Entwicklung von lokalem Sozialkapital häufig vernachlässigt, nicht zuletzt auch deshalb, weil diese qualitativen Wirkungen schwer zu erheben und zu messen sind. Die Einführung eines Modelles oder die Umsetzung einer Norm in einem Museum ist mit erheblichem Aufwand verbunden, den in der Regel nur größere Institutionen leisten können. Für eine Sichtbarkeit des Beitrags des Museumssektors für eine nachhaltige Zukunft ist es wichtig, dass sich die Institutionen von internationalem und ggf. auch nationalem Rang auf den Weg machen, einen dieser Ansätze umzusetzen. Welches der geeignetste Ansatz ist, hängt ab etwa von der Ausrichtung des Museums, der Kompetenzen der Mitarbeitenden und der Verbreitung in der Region.
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Museumspezifische Indikatoren Die Indikatorentwicklung kann auch aus der museumsspezifischen Perspektive begonnen werden. So hat die Evaluation von Museen zu umfangreichen Diskussionen über Leistungs- oder Qualitätsindikatoren für Museen und ihrer Entwicklung geführt (vgl. Jacobsen 2016). Einen anderen Ansatz verfolgt die Ableitung von museumsspezifischen Indikatoren auf Basis von unternehmerischen Leistungskennzahlen für kulturelle Organisationen (siehe Gilhespy 1999). Außerdem können museumsspezifische Richtlinien und Standards als Ausgangspunkte für die Definition von Indikatoren hilfreich sein, bspw. Sammlungsstandards, Menschenrechte oder finanzielle Aspekte. Diese häufig national unterschiedlichen Dokumente enthalten in der Regel Kennzahlen, die zu Indikatoren der Nachhaltigkeitsmessung abgewandelt werden können, oder auf deren Basis ähnlich aggregierte Indikatoren zur Messung von Nachhaltigkeit entwickelt werden können. Eine Analyse der jeweils lokal geltenden Richtlinien und Standards kann auch hilfreich sein, um potenzielle Handlungsfelder für das eigene Nachhaltigkeitsmanagement zu identifizieren. (Adams 2009, 25) Tatsächlich existieren Ansätze zur Leistungsmessung von Museen, die Schnittmengen zur Nachhaltigkeitsmessung besitzen und als Ausgangspunkt für Nachhaltigkeitsindikatoren dienen können. (z.B. Poll 2018, 98–100; Anderson 2004) . Auch das Analyseinstrument der Balanced Scorecard wurde für Museen angepasst. Dabei hat man für abgeleitete Erfolgsfaktoren wie Konservierung, Forschungsaktivität, Wissensverbreitung, Vernetzung und Zusammenarbeit, Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, Marktanalyse, Governance und finanzielle Unterstützung beispielhaft Indikatoren entwickelt (Zorloni 2012, 39–43). Im Hinblick auf Kunstmuseen wurden für die Balanced Scorecard Indikatoren wie Besuchszahlen, Ausstellung und öffentliche Programmentwicklung, Entwicklung von neuem Wissen und Publikationen sowie Sammlungsmanagement und Effizienz des Ressourceneinsatzes entwickelt (Fox 2006, 29). Eine Schlussfolgerung aus der Analyse der Indikatorensysteme ist, dass sie durch die jeweiligen Anwender und die relevanten Stakeholder entwickelt werden sollten (Singh et al. 2009, 210)3 . Die Entwicklung der Indikatoren für die SDGs hat auch gezeigt, dass es wichtig ist, ein passendes Indikatorenset konzeptionell zu entwickeln und methodisch auf die Situation anzupassen, anstatt Daten auszuwerten, die ohnehin erhoben werden (Hák et al. 2016, 3
Bezugnehmend auf allgemeine Nachhaltigkeitsbewertungssysteme.
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572). Insofern ist eine zentrale Aufgabe des Nachhaltigkeitsmanagements, die passenden Indikatoren für das jeweilige Museum selbst zu entwickeln. Dafür gibt der folgende Baukasten eine Hilfestellung und dient als Anregung.
Modularer Baukasten Bei der Auswahl von Indikatoren für ein individuelles Indikatorenset ist es wichtig, die Wirkungslogik abzubilden. Das heißt die Indikatorentwicklung muss berücksichtigen, auf welcher Ebene die Wirkung gemessen wird. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung individueller Indikatoren kann es hilfreich sein, für jede Abteilung mögliche Indikatoren zu Input, Output, Outcome und Impact aufzulisten. Je nach Größe und Ausrichtung des Museums sowie lokaler Einbettung sind jedoch unterschiedliche Indikatoren geeignet. Darüber hinaus ist die Formulierung von praktikablen Indikatoren auch von verfügbaren Ressourcen und eingesetzten Methoden abhängig. Es erscheint daher nicht sinnvoll, ein generisches Indikatorenset für Museen zu empfehlen. Vielmehr dient die folgende, nicht abschließende Auflistung als Ideensammlung, um infrage kommende Indikatoren auszuwählen. Diese Ideensammlung kann in einem zweistufigen Prozess auf das jeweilige Museum angepasst werden. Zunächst kann eine auch auf Erfahrungswissen basierende Wesentlichkeitsanalyse dabei helfen, Indikatoren aus der Sammlung auszuwählen. In einem zweiten Schritt werden die Indikatoren durch Dimensionen bzw. Einheiten spezifiziert. Für die Indikatoren ist eine qualitative genauso wie eine quantitative Messung möglich. Eine quantitative Messung kann durch die Anzahl, aber auch durch eine Nachhaltigkeitsquote abgebildet werden. Eine Nachhaltigkeitsquote bezeichnet bspw. den Anteil von Ausstellungs-, Forschungs- oder Bildungsprojekten mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt an der Gesamtzahl der jeweiligen Projekte. Die Indikatoren der Ideensammlung beziehen sich weitgehend auf die Output-Ebene, da Indikatoren auf Outcome und Impact-Ebene auch von Erhebungsmethoden abhängig sind. Als niedrigschwelliger Einstieg kann auch eine Fokussierung auf die Wirkungsebene des Inputs zielführend sein. So kann bewertet werden, ob für die Indikatoren eine nachvollziehbare und detaillierte Absichtserklärung vorliegt oder ob Ressourcen für deren Erreichung zur Verfügung gestellt wurden.
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Ideensammlung: Modularer Baukasten für ein Indikatorenset zur Messung der Nachhaltigkeit Die folgende Tabelle ist als Ideensammlung von Indikatoren angelegt und damit weder vollständig noch hinreichend für eine Messung der Nachhaltigkeitsleistung von Museen. Die jeweiligen Indikatoren sind in die sechs Aufgabenfelder des nachhaltigen Museumsbetriebs gegliedert und versuchen somit die Kapitel 5 bis 10 einer Messung zugänglich zu machen. Zusätzlich enthält die Ideensammlung auch Indikatoren, die sich auf die Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements im Museum, also den internen Veränderungsprozess beziehen. Leitung und Governance Einbezogene Stakeholder und Häufigkeit von Dialogveranstaltungen Ebenen der Wirkungsmessung für spezifische Aktivitäten Struktur von Mitarbeitenden und Leitung, aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Diversitätsindikatoren Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter Sitzungen der obersten Leitungsebene zu Nachhaltigkeitsfragen Weiterbildungen zu Nachhaltigkeit, gegliedert nach Hierarchieebene und Diversitätsindikatoren Kontakte und Treffen mit politischen Entscheidungsträgern Gemeinsame Kampagnen und Veranstaltungen mit Aktivisten Verwaltung und Betrieb Ausschreibungen mit nachhaltigen Anforderungen Beauftragte Dienstleister, die nachhaltige Kriterien berücksichtigen Umfang der internalisierten Kosten CO2-Emissionen Gesamtenergieverbrauch, differenziert nach erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Energieträgern Gesamter Wasserverbrauch Gesamte Abfallmenge sowie recycelter Anteil Nachhaltig hergestellte und fair gehandelte Waren (Shop) Regional und biologisch erzeugte Produkte (Gastronomie)
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Sammlung und Konservierung Formelle Vereinbarungen und Veranstaltungen mit Herkunftsgemeinschaften Akzessions- bzw. Deakzessionsgeschwindigkeit Verbreiterung der Klimakorridore Einsatz umweltverträglicher Stoffe für Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten Forschung und Wissenschaft Transdisziplinäre Forschungsprojekte Gemeinfreie Informationen und Daten Forschungsvorhaben und Publikationen mit Nachhaltigkeitsbezug Citizen Science Projekte Ausstellung und Kuration Ausstellungen in Zusammenarbeit mit Herkunftsgemeinschaften Ausstellungen, die auf nachhaltiges Verhalten abzielen Ausstellungselemente, die geliehen oder wiederverwendet werden Ausstellungsbau mit schadstofffreien und leicht recycelbaren Materialien Verliehene und ausgeliehene Objekte Verkehrsmittelwahl im Leihverkehr Bildung und Partizipation Auf Teilkompetenzen ausgerichtete Angebote Abteilungen des Museums mit partizipativen Angeboten Partizipationstiefe in Projekten Angewandte Projekte, um Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene außerhalb des Museums zu fördern Nachhaltigkeit als Veränderungsprozess Verfügbare Ressourcen für Nachhaltigkeitsbeauftragte und Nachhaltigkeitsteam Mitarbeiter mit Nachhaltigkeitsbezug in der Stellenbeschreibung Erhobene Indikatoren Mitarbeiter, die in das Monitoring einbezogen werden Umfang und Standard der Berichterstattung
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12.4 Status quo-Analyse und Monitoring Nach der Definition der Indikatoren kann die erste Datenerhebung, die Status quo-Analyse starten. Im Rahmen einer Status quo-Analyse wird die Ausgangslage für alle Indikatoren erhoben. Diese Ausgangswerte stellen die Situation vor Beginn der Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit dar. Die Erhebung dieser Daten ist wichtig, da sonst keine Vergleichswerte vorliegen und nicht bewertet werden kann, welche Auswirkungen ein Nachhaltigkeitsmanagement hatte. Die vorhergehende Wesentlichkeitsanalyse dient dazu, den Aufwand der Status quo-Analyse zu verringern und die Aktivitäten der Datenerhebung von Anfang an auf die wesentlichen Bereiche zu fokussieren. So wird das Risiko minimiert, dass der Prozess bereits in der Phase der ersten Datenerhebung ins Stocken gerät und nicht die erforderliche Dynamik entwickelt. Das erstmalige Erfassen der Indikatoren stellt eine umfassende Überprüfung dar, wie das Museum im aktuellen Betrieb arbeitet. Der Prozess der erstmaligen Datenerfassung dient auch als Vehikel und Plattform für Partizipation und Engagement. Die Erfassung der Daten eignet sich grundsätzlich dazu, dezentrales Wissen zu sammeln und zu systematisieren. Wichtig für eine langfristig umsetzbare Datenerfassung ist, dass sie dezentralisiert durchgeführt und in bestehende Prozesse integriert wird. Wenn die Messverfahren nicht in die Arbeitsprozesse integriert werden, kann dies bei Mitarbeitenden durchaus zu Unbehagen und Widerstand und insgesamt zu Konflikten innerhalb des Museums führen (siehe Arvidson und Lyon 2014, 879)4 . Insgesamt ist die Unterstützung durch interne Strukturen, bspw. durch die Verwaltungsabteilung, essenziell.
Indikatoren messen: Methoden zur Datenerhebung Zunächst müssen die Bilanzgrenzen für die einzelnen Indikatoren definiert werden. So können die Bilanzgrenzen auch außerhalb des Museums bzw. des direkten Einflussbereiches des Museums liegen. Dabei bleibt abzuwägen, wie aufwendig die Erhebung damit wird. Die Auswahl eines geeigneten Instrumentariums für die Datenerhebung richtet sich im Wesentlichen nach den zuvor definierten Indikatoren und den Bilanzgrenzen. Dabei spielt es auch eine Rolle, in welchem Umfang und in 4
Übertragen aus der Wirkungsforschung im Non-Profit-Sektor.
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welchem Detailgrad Daten erhoben werden sollen. Mögliche Erhebungsmethoden unterscheiden sich hinsichtlich des Aufwandes in Bezug auf Zeit, Kosten sowie hinsichtlich der notwendigen Fachkenntnisse zur Durchführung. Neben der Messung bzw. Sammlung von Daten kommen gerade für die Wirkungsebenen Outcome und Impact auch sozialwissenschaftliche Methoden zur Anwendung. Umfangreiche und stärker an wissenschaftliche Monitoringansätze angelehnte Methoden umfassen sozialwissenschaftliche Studien mit Kontrollgruppen, teilnehmender Beobachtung oder standardisierten Testverfahren. Mit geringerem Aufwand umzusetzen und für die Arbeit in Museen empfohlene Methoden sind Befragungen, bspw. Fragebogenerhebung, Fokusgruppen, leifadengestützte Interviews sowie Erhebung von Zahlen, bspw. Teilnehmende, Verbräuche etc. Einen stärker journalistischen Charakter haben Fallstudien, anekdotische Erzählungen sowie Dokumentationen mit Foto und Videomaterial, die in Museen ergänzend zum Einsatz kommen können. Im Allgemeinen gilt: Je komplexer die Methoden sind, desto zuverlässiger sind die generierten Aussagen. Hier muss zwischen den zur Verfügung stehenden Ressourcen und der angestrebten Zuverlässigkeit der Datenerhebung abgewogen werden. Häufig wird die Auswahl der Methode auch von der Methodenkenntnis einzelner Angestellter abhängen, die für die Erhebung verantwortlich sind. Falls keine Ressourcen für einen quantitativen Prozess der Messung vorhanden sind, können diese qualitativen Erhebungen die quantitativen Methoden vollständig ersetzen. Gerade für die Außenkommunikation ist die Erhebung von Fallbeispielen oder narrativen Elementen eine wichtige Basis, um in der Berichterstattung den Nachhaltigkeitsprozess authentisch und persönlich zu vermitteln. Die Erfassung und Sammlung der quantitativen Ergebnisse erfolgen in der Regel in Tabellenkalkulationsprogrammen. Dieses Vorgehen ist für kleine Museen sinnvoll und mindestens in einer frühen Phase, bspw. in den ersten Jahren, eines Nachhaltigkeitsmanagements zielführend. Die Kennzeichen eines guten Systems zum Speichern der Daten sind mit denen eines Finanzcontrollings vergleichbar. Bei großen Institutionen, bspw. Nationalmuseen oder Museumsverbünden, stößt eine solche Vorgehensweise jedoch schnell an ihre Grenzen: Rechenoperationen und eine Datenaggregierung werden erschwert. Außerdem führt die Weitergabe von Daten an andere Bereiche oder für die Außenkommunikation häufig zu aufwendigen Arbeitsschritten und kann fehlerhaft sein. Deshalb kann bereits bei Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements in großen Institutionen abgewägt werden, ob nicht die Verwendung eines datenbankbasierten Erfassungssystems sinnvoller ist.
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Die Berichterstattung und das Monitoring der Indikatoren hängen maßgeblich von der Verfügbarkeit und der Qualität der erhobenen Daten ab. In der Regel ist mit der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements auch eine Erhöhung der Qualität von bereits zuvor erhobenen Daten und eine Professionalisierung der Datenverarbeitung verbunden. Dies betrifft einerseits die Quellen der Daten sowie andererseits die Zusammenfassung der Daten. Hier gilt es durch eine einheitliche Systematik auf allen Ebenen die Datenqualität durch eine Definition der Zeitabstände der Datenerhebung, dem Datenformat, den Grenzen der Datenerhebung und der Art der Datenübermittlung und -speicherung zu sichern (Braun et al. 2010, 26). Eine Herausforderung für Museumsmitarbeitende ist, diese Anforderungen an die Daten im Arbeitsalltag sicherzustellen und so die Datenqualität fortlaufend zu gewährleisten. Beispielsweise können Daten durch eine unzureichende Methodenkenntnis Fehler aufweisen, oder sie liegen nur lückenhaft oder als Schätzungen vor. Die Art solcher Abweichungen muss dokumentiert und bei der Datenaggregierung berücksichtigt werden, damit es nicht zu fehlerhaften Indikatorausprägungen kommt. In großen Institutionen oder bei einem umfangreichen Nachhaltigkeitsmanagement mit zahlreichen Indikatoren kann es sinnvoll sein, die Vorgaben und die Systematik der Datenerfassung in einem Handbuch zu dokumentieren. (Braun et al. 2010, 26) Für jeden Indikator wird abgeleitet vom Ausgangswert ein Zielwert festgelegt, der durch die Maßnahmen des Nachhaltigkeitsmanagements erreicht werden soll. Dieser Zielwert ist die quantitative Abbildung eines weichen oder qualitativ formulierten Zieles. Eine problematische Herausforderung ist, wie realistisch die zu erreichenden Zielwerte definiert werden können. Grundsätzlich bezieht sich der Zielwert auf die Ausgangsdaten sowie die Ressourcen, die in diesem Bereich für eine Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung eingesetzt werden können. Zusätzlich können auch Vergleichs- oder Erfahrungswerte aus anderen Museen oder verwandten Branchen als Anhaltspunkt zum Einsatz kommen. In jedem Fall sollte nicht vor einer quantitativen Konkretisierung zurückgeschreckt werden, auch wenn dieses Vorgehen einen Controllingansatz in den bis dahin visionären und partizipativen Prozess einbringt. Eine Matrix zur Entwicklung und Dokumentation von Zielwerten dieses Prozesses könnte für jedes Ziel Indikator, Ausgangswert, Zielwert und die Grundlage bzw. Begründung für diesen Zielwert beschreiben. (Rickert 2016, 68)
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Fortschritt kontrollieren Ein Monitoring umfasst eine einheitliche Zusammenfassung der Ergebnisse des Nachhaltigkeitsmanagements sowie deren Vergleich mit den strategischen Zielen. Anhand der erhobenen Daten werden Aussagen zu den Indikatoren und zur Erreichung von Zielwerten getroffen. Um frühzeitig Hindernisse erkennen zu können, wird ebenso der Fortschritt der Maßnahmen kontrolliert und dokumentiert. Die Indikatoren sollten mindestens einmal pro Jahr, idealerweise öfter, beispielsweise quartalsweise, erhoben werden. Ein Monitoring wird nur dann einen Beitrag zum Nachhaltigkeitsmanagement leisten, wenn die Ergebnisse des Monitorings direkt in die Überarbeitung von Prozessen und Maßnahmen eingehen und auf diese Weise ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess umgesetzt wird. Ein konsequentes Monitoring hat darüber hinaus vielfältige Potenziale für ein Nachhaltigkeitsmanagement. Dazu gehört die datenbasierte Unterstützung von Entscheidungen und die Verringerung von Unsicherheiten. Monitoring dient auch der Identifizierung von effektiven und weniger effektiven Maßnahmen. Es können durch das Monitoring frühzeitig Defizite und unerwünschte Entwicklungen identifiziert und optimiert werden. Grundsätzlich ermöglicht es die Identifizierung und die Kommunikation von Erfolgen und erhöht damit die Glaubwürdigkeit des Nachhaltigkeitsmanagements und die Transparenz. Die Mess- und Kontrollmechanismen des Monitorings rufen häufig Widerstände hervor und die Umsetzung wird von zahlreichen Hindernissen erschwert. Eine zentrale Voraussetzung für ein Monitoring ist, dass die erforderlichen Daten erhoben und den relevanten Akteuren regelmäßig zur Verfügung gestellt werden. Dies verursacht zusätzlichen Zeitaufwand und zusätzliche Kosten. Auch wird häufig angezweifelt, dass überhaupt ein Monitoring notwendig ist und unterstrichen, dass die Umsetzung eines Nachhaltigkeitsprogramms auch ohne Monitoring zu guten Ergebnissen führt. Tatsächlich untergräbt die Gefahr, dass das Monitoring negative Ergebnisse zutage fördert, häufig die Bestrebung, ein Monitoring umzusetzen. Insbesondere die Interpretation der Daten, vor allem bei qualitativen Indikatoren, kann Meinungsverschiedenheiten hervorrufen. Wegen dem in der Regel nicht-wissenschaftlichen Charakter der Vorgehensweise und einer fehlenden Transparenz für alle Stakeholder werden die Ergebnisse des Monitorings oft sogar angezweifelt. Der Kern der Kritik bezieht sich in der Regel auf die Genauigkeit und die Aussagekraft der Ergebnisse. Auch wenn die Kritik zum Teil berech-
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tigt erscheint, zielt sie im Kern auf typische Rahmenbedingungen des Museumssektors wie Budgetknappheit. Diese Kritikpunkte sollten daher nicht die Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements in Museen grundsätzlich verhindern. Ergänzend kann der Fortschritt des organisationalen Transformationsprozesses ebenfalls untersucht werden. Dazu kann bspw. die Veränderung der Arbeitskultur und der Wertvorstellungen von Mitarbeitenden in den Blick genommen werden. So kann bspw. die Akzeptanz des Nachhaltigkeitsmanagements erhoben und erfragt werden, wie Mitarbeitende die Veränderungen im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements bewerten. Eine solche Erhebung erfolgt mit partizipativen Methoden – so wie die Messung und Interpretation der Daten partizipativ und transparent erfolgt. Dazu eignen sich qualitative Vorgehensweisen wie bspw. Sounding Boards, eine Moderationsmethode, mit der Feedback hierarchiefrei gesammelt und in den Prozess eingespeist werden kann.
12.5 Ressourcen und Zeitrahmen Mit der Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung sind in der Regel auch Kosten verbunden – eine nachhaltige Zukunft und ein besseres Leben für alle haben ihren Preis. Das typische Gegenargument, dass Nachhaltigkeit teuer ist, entspringt allerdings einer kurzfristigen Sichtweise, die eben genau nicht der intergenerationellen Betrachtungs- und Wirkungsweise der Nachhaltigkeit entspricht. Während kurzfristig Investitionen als ein Hindernis gesehen werden können, sind damit doch vielfältige Chancen verbunden. Zu den Chancen gehören häufig Einsparungen durch gesteigerte Ressourceneffizienz. So amortisieren sich die Investitionen langfristig über geringere Betriebskosten. Darüber hinaus zahlen sich diese Investitionen auf längere Sicht durch eine gesteigerte Reputation des Museums aus. Diese langfristigen ökonomischen Vorteile dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass öffentliche Förderprogramme für Museen notwendig sind, mit denen die notwendigen Investitionen abgedeckt werden können. Janes (2019a) betont auch, dass der Verweis auf die Kosten von Nachhaltigkeitsbestrebungen als eine grundsätzlich defizitorientierte Perspektive gesehen werden kann, die dem Wachstumsparadigma des gegenwärtigen Wirtschaftssystems entspringt. Die knappe Ausstattung mit Mitteln wird dabei häufig als Vorwand oder Entschuldigung benutzt, um sich nicht zu verän-
12 Ziele, Nachhaltigkeitsstrategie und Indikatoren
dern. Im Gegensatz dazu können Museen und deren Mitarbeitende als Organisationen mit zahlreichen Fähigkeiten, Wissen und Ressourcen begriffen werden, die Nachhaltigkeit voranbringen können – auch ohne zusätzliche Mittel. (Janes und Sandell 2019a, 2) Der Zeitaufwand für die Einführung eines NMM hängt hauptsächlich von der Größe der Einrichtung und den beteiligten Akteuren und Rollen ab. Hier muss man zwischen einer anfänglichen Investition (hauptsächlich zur Durchführung der Status quo-Analyse und des Partizipationsprozesses) und dem kontinuierlichen Zeitaufwand unterscheiden. Bei einer Status quo-Analyse ist vor allem Zeit für die Datenerhebung notwendig. Je nach Indikator und Messmethode kann die Analyse beliebig komplex werden. Eine grundsätzliche Einschätzung für den Zeitaufwand ist daher nicht sinnvoll möglich. Hier gilt es, einen für die jeweilige Institution praktikablen Weg zu entwickeln. Die Unterstützung durch Forschungsvorhaben, wissenschaftliche Qualifizierungsarbeiten oder studentische Abschlussarbeiten kann auch ein kluger Einstieg in den Prozess sein. Spätestens ab der Phase der Umsetzung ist ein Nachhaltigkeitsverantwortlicher notwendig, der die erforderlichen zeitlichen Ressourcen hat, um die Aktivitäten des Nachhaltigkeitsprogramms umzusetzen bzw. deren Umsetzung voranzutreiben. Der laufende Zeitaufwand kann, sobald das Nachhaltigkeitsmanagement etabliert ist, gemeinsam mit den Beteiligten auf Basis der Erfahrungen der Etablierungsphase definiert werden. Dabei müssen die unterschiedlichen Positionen, Rollen und deren jeweilige Zeitbudgets berücksichtigt werden.
Zeitrahmen realistisch setzen Auch wenn Nachhaltigkeitsmanagement ein langfristiger, sich widerholender Prozess ist, so ist es doch wichtig, dass in einem überschaubaren Zeitraum ein erster Zyklus bis zur Berichterstattung durchlaufen und umgesetzt wird, da sonst das Engagement der Mitarbeitenden womöglich sinkt. Je nach Komplexität und Tiefe des Beteiligungsprozesses können die Initiierung und Planung des Prozesses einige Monate in Anspruch nehmen, insbesondere weil in dieser Phase auch strategische Entscheidungen getroffen werden und Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Die Status quo-Analyse ist ein zentraler Baustein für den Beginn des Nachhaltigkeitsmanagements, der je nach Indikatoren und gewählten Methoden der Datenerhebung beliebig lang werden kann. Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsprogramms kann mit einem kontinuierlichen partizipativen Prozess, der gleich zu Beginn
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Das nachhaltige Museum
gestartet wird, sowie mit einem Vorschlagswesen erheblich beschleunigt werden. Daraufhin folgt die Umsetzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung und die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts. Als grobe Orientierungsgröße sollte die Veröffentlichung eines ersten Nachhaltigkeitsberichts innerhalb eines Jahres möglich sein. Der Zeitraum des gesamten Veränderungsprozesses geht jedoch in der Regel weit über den Zeitpunkt dieser konkreten, ersten Zielerreichung hinaus und dauert häufig viele Jahre (Kotter 1996, 3–16).
13 Umsetzung und Berichterstattung
Die eigentliche Umsetzung des NMM beginnt mit der Entwicklung von Maßnahmen und der Zusammenstellung des Nachhaltigkeitsprogramms. Dabei gilt es, einen kreativen Umgang mit auftretenden Widerständen und Zielkonflikten zu entwickeln. Mit der internen und externen Berichterstattung über den Prozess und dessen Ergebnisse wird ein erster Zyklus des NMM zum Abschluss gebracht.
13.1 Nachhaltigkeitsprogramm: Maßnahmen und Zielkonflikte Das Nachhaltigkeitsprogramm ist das Herzstück des Nachhaltigkeitsmanagements, denn darin werden ganz konkret die Maßnahmen beschrieben, wie Nachhaltigkeit in der Praxis erreicht werden soll und in welcher Art und Weise Prozesse und Verhaltensweisen geändert werden sollen. Ausgehend von den Zielen und den Indikatoren werden Maßnahmen entwickelt, die zur Erreichung der Ziele und zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung führen. Jedem Ziel und jedem Indikator werden dabei ein oder mehrere Maßnahmen zugeordnet. Die Vielgestaltigkeit innerhalb des Museumssektors sowie die Komplexität einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit lassen es nicht sinnvoll erscheinen, hier exemplarische Maßnahmen aufzuführen, da sie einerseits den Rahmen sprengen würden und andererseits doch nie auf die konkrete Situation vor Ort angemessen zugeschnitten wären. Die Maßnahmen werden idealerweise innerhalb der Abteilungen definiert, weil dort das größte Prozesswissen vorhanden ist darüber, wie die Ziele erreicht werden können. Die in Teil II dieses Buches vorgeschlagenen Maßnahmen können hierzu als Anregung dienen. Dem Nachhaltigkeitsteam kommt daraufhin die Aufgabe zu, die Maßnahmen zu harmonisieren und ggf. auszuwählen. Dieses Maßnahmenbündel wird im Nachhaltigkeitspro-
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gramm zusammengefasst. Es gibt einen Überblick über die Aktivitäten des Museums, die es zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung umsetzt. Ein Nachhaltigkeitsprogramm umfasst auch die vorgesehenen Ressourcen, den verantwortlichen Bearbeitenden sowie eine Frist für jede Maßnahme. Im Rahmen der Implementierung werden diese definierten Maßnahmen umgesetzt und im täglichen Museumsbetrieb angewandt. Um die konsequente Umsetzung von Maßnahmen zu unterstützen, können Anreizsysteme für Mitarbeitende entwickelt werden. Dazu bieten sich beispielsweise symbolische Anreize wie Ideen-Olympiaden oder Auszeichnungen zur Optimierung von Prozessen im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsleistung an. Bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprogramms kann auch die Technik des Prototypings im Sinne der Theory U angewandt werden. Dabei wird ein prototypischer Mikrokosmos entwickelt, der eine kleine Version der Zukunft darstellt. Idealerweise ist dieser Mikrokosmos oder dieses Subsystem innerhalb des Museums von strategischer Bedeutung und enthält bereits alle maßgeblichen Elemente der Vision. Dieses Vorgehen ist gewöhnungsbedürftig, da bereits Aktivitäten gestartet werden, bevor das gesamte Nachhaltigkeitsprogramm mit allen Zielvorgaben und Maßnahmen ausgearbeitet ist. (Scharmer 2009, 417)
Konflikte antizipieren Ein breites Nachhaltigkeitsverständnis bedingt eine potenzielle Vielzahl von Zielen, die ggf. in Konflikt zueinander treten können. Im engeren Sinn können sich unterschiedliche Ziele widersprechen bzw. die Erreichung eines Zieles ein anderes Ziel negativ beeinträchtigen. Dies trifft auch auf die Ansprüche unterschiedlicher Stakeholder zu, die unter Umständen sich widersprechende Erwartungen an Museen haben können. Insbesondere treten vermutlich verschiedene Ziele in Konkurrenz um die in Museen verfügbaren Ressourcen wie bspw. Zeit und Geld. Mit den knappen zur Verfügung stehenden Mitteln können häufig nicht alle Ziele zugleich erreicht werden. Deshalb werden im Rahmen des NMM voraussichtlich Konflikte zwischen Zielen und den sie vertretenden Anspruchsgruppen innerhalb und außerhalb des Museums entstehen, die es zu entschärfen gilt (siehe Wedl und Reimoser 2016, 22). Ein Beispiel ist die seit langem wissenschaftlich fundierte Diskussion um den Zielkonflikt zwischen Energieeinsparung und konservatorischen Anforderungen. Aber auch im Ausstellungsbereich kann eine attraktive, medienintensive Ausstellung im Widerspruch zu dem Ziel des geringen Energiever-
13 Umsetzung und Berichterstattung
brauchs stehen. Gleichzeitig kann eine solche Ausstellung ggf. auch höhere Besuchszahlen generieren und über den Multiplikatoreffekt des Publikums eine höhere gesellschaftliche Wirksamkeit entfalten. Im Rahmen des NMM ist es aus solchen Gründen immer sinnvoll, das Auftreten von potenziellen Zielkonflikten zu antizipieren. Dafür müssen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Zielen analysiert werden. Hier bieten sich unter anderem Managementinstrumente wie die Sustainability Balanced Scorecard an, mit denen sich widersprechende Zieldimensionen auf einfache Weise identifiziert werden können (sieheChai 2009). Darauf aufbauend gilt es, diese Konflikte in den Blick zu nehmen und vorausschauend mit den beteiligten Akteuren zu diskutieren. Diese offene Thematisierung von Zielkonflikten ist Voraussetzung für einen konstruktiven Umgang mit ihnen.
Zielkonflikte abwägen Zur Lösung von derartigen Zielkonflikten bzw. zur Entscheidungsfindung im Rahmen des Nachhaltigkeitmanagements müssen zunächst die zu erwartenden Auswirkungen der Handlungsoptionen abgeschätzt und bewertet werden. So können Vor- und Nachteile von alternativen Zielen identifiziert werden. Dazu eignen sich beispielsweise Nutzwert- oder Risikoanalysen. Allerdings setzen solche Bewertungsmethoden umfassende Informationen zu den einzelnen Alternativen voraus, die in der Regel nicht verfügbar sind. Aufgrund der häufig unzureichenden Informationslage, scheint auch eine verbal-argumentative Vorgehensweise angebracht. Diese ist außerdem geeignet, weil sie mit geringem Zeit- und Kostenaufwand leicht handhabbar ist. Im Gegensatz zu rein intuitiven Vorgehensweisen stellen verbal-argumentative Bewertungen einen methodisch strukturierten Bewertungsprozess dar, der auch für Stakeholder leicht nachvollziehbar ist und daher Transparenz herstellt. Als Teil des Abwägungsprozesses können auf strategischer Ebene Ziele priorisiert und gewichtet werden. Bei zahlreichen zu berücksichtigenden Zielen kann mittels einer Matrix eine zweifache Bewertung nach relativer und absoluter Gewichtung erfolgen. So können prioritäre Ziele bzw. Kernziele identifiziert werden. Dies kann auch im Rahmen von partizipativen Prozessen unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder umgesetzt werden. Ein solches transparentes Vorgehen bietet sich insbesondere an, wenn sich widerstreitende Interessen unterschiedlicher Akteure gegenüberstehen. Die Abwägung der Optionen basiert schließlich auf einer detaillierten Darstellung der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Ziele.
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Neben einer Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen können auch folgende Ansätze zur Bearbeitung von Zielkonflikten beitragen (Wedl und Reimoser 2016, 22): • •
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Verschiedene Ziele können ggf. in ein übergeordnetes Ziel integriert werden, wodurch der Konflikt entschärft wird. Die Erreichung der Ziele kann durch größere Korridore für die Zielwerte flexibilisiert werden. So können im Einzelfall sich nur leicht wiedersprechende Zieldimensionen entschärft werden. Im Hinblick auf eine Entscheidungssituation kann nochmals identifiziert werden, welche Aspekte des Zielkonflikts wirklich entscheidungsrelevant sind.
Bei schwierigen Zielkonflikten, bei denen die beschriebenen Ansätze nicht zum Erfolg führen, kann der Einsatz von Nachhaltigkeitsszenarien ein Weg sein, um eine Entscheidung in einem Zielkonflikt herbeizuführen. Diese gegensätzlichen Szenarien basieren maßgeblich auf den Auswirkungen der Maßnahmen, die zur jeweiligen Zielerreichung notwendig sind.
Werkzeugkoffer | Methode
Zielkonflikte lösen Die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Museum beinhaltet Zielkonflikte und wird unweigerlich zu Spannungen und Konflikten zwischen Mitarbeitenden führen. Um Ansätze zur Lösung solcher Konflikte zu entwickeln, bietet sich das Instrument »Thriving for Awareness for Non-Conflicting Strategies«, kurz Thancs an. Mit der Methode Thancs können Spannungen benannt werden und sie ermöglicht eine gemeinsame Reflexion über Werte, Bedürfnisse sowie individuelle Prioritäten. Darüber hinaus schafft sie einen Kommunikationsraum zur Analyse der Spannungen und erleichtert daraufhin einen Kreativitätsprozess mit dem Ziel, Maßnahmen und Verhaltensänderungen zu entwickeln. (Rauschmayer et al. 2011, 151–158)
13 Umsetzung und Berichterstattung
13.2 Widerstände überwinden und erste kleine Schritte Um ein NMM erfolgreich einzuführen, müssen diverse Herausforderungen antizipiert und bewältigt werden. Dabei kann auf langjährige Erfahrungen zurückgegriffen werden, die es zu Hindernissen bei der Einführung von Veränderungsprozessen sowie bei der Einführung von Nachhaltigkeitsmanagement in anderen Branchen bereits gibt. Allgemeine Hindernisse für Veränderungsprozesse sind einerseits der menschliche Impuls, in Bekanntem zu verharren und Veränderungen abzulehnen sowie andererseits die Komplexität und Trägheit von Organisationsstrukturen (siehe Abbildung 22). Die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements und die Integration von Nachhaltigkeit als zentraler Wert der Museumsarbeit kann als revolutionärer bzw. transformativer Wandel gesehen werden. Dieser stellt eine weitreichende Veränderung der Arbeitsweise des Museums dar. Der Wandel umfasst die gesamte Institution mit allen ihren Abteilungen und Aufgaben. Viele der damit einhergehenden Veränderungen erscheinen nicht unmittelbar begreifbar. Durch diesen möglicherweise abrupt wahrgenommenen Bruch mit der bisherigen Arbeitsweise kann der zu erwartende Widerstand erheblich sein. Es ist daher bei der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements immer mit Widerstand zu rechnen.
Individuelle Widerstände adressieren Aufkeimender Widerstand von Mitarbeitenden kann unterschiedliche Gründe haben. Dabei können einerseits inhaltliche Zweifel oder andererseits persönliche Ängste und Interessen zu einer Ablehnung führen. Insgesamt stellt eine frühzeitige und tiefgehende Beteilung aller relevanten Stakeholder und Einzelakteure die wirksamste Strategie zur Überwindung von Hindernissen dar. Als vielversprechender Ansatz bietet sich zunächst an, besonders jene Mitarbeitende stärker einzubinden, die inhaltliche Zweifel hegen. Dafür sind ein fachlich ausgearbeitetes, gut begründetes Nachhaltigkeitsmanagement und eine detaillierte Planung für das Vorgehen notwendig. Wenn in einer sachlichen Diskussion immer wieder neue Einwände vorgebracht werden, kann dies darauf hindeuten, dass der Widerstand nicht in Sachargumenten begründet ist, sondern persönliche Bedenken oder Ängste ausschlaggebend sind. Wird diesen persönlichen Gründen keine Beachtung geschenkt, kann das zu blockierendem Verhalten führen. Angst oder Sorge von Mitarbeitenden vor einer Veränderung muss vor allem auf emotionaler Ebene begegnet
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werden. Es geht daher weniger um sachliche Argumente, als um ein Verständnis für die Sorgen. Das Thema Eigeninteressen und persönliche Sorgen sollte daher auch in Partizipationsformaten aufgegriffen werden. Ggf. sind auch Einzelgespräche mit Mitarbeitenden notwendig, um diese Widerstände zu adressieren.
Abbildung 22: Nachhaltigkeitsmanagement im Museum als Veränderungsprozess
Quelle: basierend auf Kotter 1996; Kübler-Ross und Byock 2019; Scharmer 2009.
13 Umsetzung und Berichterstattung
Organisationale Hindernisse überwinden Neben dem Verhalten von Individuen ist für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit auch die Änderung der Organisationsstrukturen des Museums notwendig. Organisationale Hindernisse umfassen eine mangelnde praktische und vor allem ideelle Unterstützung durch die Direktion. Die Unterstützung der Direktion ist essenziell für die interne Legitimation des Prozesses. Die Direktion muss dies gegen andere Aufgaben abwägen und damit auch gegen andere interne Widerstände verteidigen. Außerdem kann eine fehlende operative Unterstützung durch die Verwaltungsabteilung problematisch sein, da diese wichtig ist, um viele der notwendigen Daten zu sammeln oder zu erheben. Auch sind unzureichende Ressourcen für den Nachhaltigkeitsverantwortlichen ein Risiko. Dies ist vor allem relevant, wenn es sich um einen Mitarbeitenden handelt, der nur einen Teil seines Zeitbudgets dafür zur Verfügung hat. Ein weiteres häufiges Hindernis sind Ziele, Indikatoren und Aktivitäten, die zu ambitioniert sind. Es ist in der Regel nicht möglich, alle im Rahmen des Partizipationsprozesses entwickelten Aufgabenfelder und Indikatoren zu bearbeiten. Am Anfang zu viel zu wollen, kann sehr schnell zu Demotivation und Frustration führen. Hier gilt es, realistisch erreichbare Ziele zu formulieren. Später im Prozess tauchen häufig Zweifel bezüglich der Ergebnisse des Nachhaltigkeitsmanagements auf, bspw. kommt Angst auf, dass die Ergebnisse rufschädigend sein könnten. Im Sinne der Transparenz können auch negative Ergebnisse so kommuniziert werden, dass sie Ausgangspunkt und Voraussetzung für eine Verbesserung des Status quo darstellen.
Anpassung an die institutionelle Größe Für mittlere, kleine oder sogenannte Mikromuseen ist ein umfassendes Nachhaltigkeitsmanagement oft nicht realisierbar. Nicht nur wegen der nur begrenzt verfügbaren Ressourcen kann eine geringe Größe des Museums die Umsetzung erschweren. Beispielsweise sind formalisierte Prozesse sowie Messung und Monitoring in kleineren Museen weniger üblich und aufgrund fehlender Strukturen häufig schwerer umzusetzen. Insgesamt besteht auch die Gefahr, dass einzelne Handlungsfelder oder komplexe Maßnahmen so viel Aufwand erzeugen, dass das Gesamtziel mit den beschränkten Ressourcen gar nicht mehr realisierbar ist. (siehe Ford 2009, 315)1 1
Basierend auf Forschungsergebnissen zu Change Management.
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Eine geringe Größe der Institution kann aber auch vorteilhaft für die Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements sein. Weniger ausgeprägte organisationale Strukturen bedeuten eben auch größere Agilität und geringere Trägheit. Kleine Museen sind häufig dynamische Umgebungen, in denen aufgrund der Größe Veränderungsprozesse einfacher zu realisieren sind. Ganz konkret können kleinere Museen davon profitieren, dass häufig flachere Hierarchien und weniger strikt getrennte Abteilungen existieren. Ebenso übernehmen Mitarbeitende oft mehrere Funktionen in unterschiedlichen Rollen. Dadurch wird der ganzheitliche Blick auf den Betrieb und die notwendige übergreifende Zusammenarbeit erleichtert (siehe Mazzarol und Reboud 2020, 20)2 . Somit kann die Umsetzung der transversalen Aufgabe Nachhaltigkeitsmanagement im Kleinen trotz der geringeren Ressourcen einfacher und weniger voraussetzungsvoll sein als in größeren Institutionen. Für Museen mit geringeren Ressourcen bieten sich ganz spezifische Ansätze an, um Nachhaltigkeit voranzutreiben. Die vier zentralen Ansatzpunkte, um Nachhaltigkeitsmanagement in kleineren Institutionen umzusetzen sind (siehe Andreas 2011, 215–216): • • • •
Gemeinsame Vision; Führungsstil und Wertewandel; Veränderung von und Integration in Strukturen und Prozesse; Nachhaltigkeit als Chance und Inspiration für andere.
Die Voraussetzung für einen langfristig erfolgreichen Veränderungsprozess ist damit im Wesentlichen die gemeinsame Arbeit an Mission und Vision des Museums. Wenn die Neuausrichtung auf dieser strategischen Ebene in partizipativer Weise gelingt, ist die erste Hürde für die Umsetzung bereits genommen. Da in kleineren Museen der Wandel weniger durch formale Vorgaben und vertikale Strukturen umgesetzt werden kann, sind Wertewandel und Empowerment die wesentlichen Erfolgsfaktoren für ein Nachhaltigkeitsmanagement. In kleineren Museen mit flacheren Hierarchien und weniger geregelten Entscheidungsbefugnissen kommt dem Führungsstil und der Veränderung der Arbeitskultur eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere in kleinen Institutionen ist ein nachhaltiger Führungsstil (vgl. Kap. 5.2) im Sinne einer offenen Kooperation unerlässlich, um durch Teamgeist und gute interne 2
Abgeleitet von Empfehlungen zur Steuerung von kleinen und mittleren Unternehmen.
13 Umsetzung und Berichterstattung
Kommunikation den Veränderungsprozess erfolgreich zu gestalten. (GarcíaMuiña et al. 2019, 4372) Die entscheidende Möglichkeit für kleinere Institutionen, den Prozess des Nachhaltigkeitsmanagements zu verschlanken, ist eine starke Vereinfachung von Indikatoren und deren Messung und der dafür eingesetzten Methoden. Ebenso kann auf eine Berichterstattung verzichtet werden bzw. können die Ergebnisse in qualitativer oder anekdotischer Art und Weise für die Außenkommunikation aufbereitet werden. Der partizipative Prozess und die interne Kommunikation sind bei kleineren Museen wesentlich weniger komplex und es müssen weniger Mitarbeitende teilnehmen. Nichtsdestotrotz kann tiefe Partizipation ein sehr zeitintensiver Prozess sein, der ggf. mit einem geringen Stellenumfang aller Mitarbeitenden nicht abbildbar ist. Hier gilt es, mithilfe einfach umzusetzender und entscheidungsunterstützender Partizipationsmethoden einen pragmatischen Weg zu finden. Ein ausreichendes Engagement der Mitarbeitenden für den Veränderungsprozess sowie eine gute Abbildung aller Interessen der Mitarbeitenden müssen dabei mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen in Einklang gebracht werden. Im Gegensatz zu großen Institutionen wird insbesondere in kleinen Museen Nachhaltigkeit nicht als separat budgetierte Aufgabe funktionieren. Daher muss sie in die Organisationsstrukturen und -prozesse integriert und zu einem selbstverständlichen Aspekt des Arbeitsalltags werden. Die Umsetzung kann mit kleinen, kostengünstigen Aktivitäten beginnen. Sobald erste Erfolge vorliegen und dadurch ein motivierendes Gemeinschaftsgefühl und eine positive Außenwahrnehmung entstehen, werden die mit einem Nachhaltigkeitsmanagement verbunden Vorteile von den Beteiligten wahrgenommen. Daraufhin können auch größere Handlungsfelder und Maßnahmen angegangen werden. (siehe Andreas 2011, 227)3 Gerade auf lokaler oder regionaler Ebene ergeben sich für kleinere Museen Möglichkeiten zur Kooperation mit anderen Akteuren aus dem Themenbereich Nachhaltigkeit, von denen das Museum profitieren kann. Strategische Allianzen im Hinblick auf Nachhaltigkeit können durch die Einbindung von Knowhow anderer außenstehender Partner die Änderung interner Prozesse vorantreiben und ggf. auch neue Finanzierungsmöglichkeiten erschließen (García-Muiña et al. 2019, 4372).
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Übertragen aus dem Nachhaltigkeitsmanagement von kleinen und mittleren Unternehmen.
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Für Mikromuseen besteht eine weitere Chance in der Multiplikatorfunktion aufgrund ihrer sehr persönlichen Interaktion. In sehr kleinen Museen, die ausschließlich von Ehrenamtlichen gegründet und betrieben werden, existiert häufig keine klare Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Information. Die Grenze zwischen Personal und Besuchern verschwimmt dort ebenso wie sich ein themenbezogener, professioneller Austausch mit einem privaten vermischt. Dadurch entstehen hier Interaktionen und Lernsituationen, die außergewöhnlich und sehr persönlich sind. (Candlin 2016, 182–183) Diese Eigenschaft kann genutzt werden, um Nachhaltigkeit als zentrales Thema zu setzen und zu kommunizieren. Aufgrund des sehr persönlichen Besuchserlebnisses kann die Wirksamkeit bei den Besuchern als sehr hoch und langfristig angenommen werden.
Kleine Schritte, einfache Erfolge und tiefhängende Früchte Damit das umfassende Thema nicht überwältigend wirkt und schnell mit der Umsetzung begonnen werden kann, ist es hilfreich, sogenannte tiefhängende Früchte zu identifizieren, mit denen einfache Erfolge erzielt werden können. Werkzeugkoffer | Nachhaltige Praxis
Micro Steps 1. 2. 3.
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Nachhaltigkeit in professioneller und persönlicher Kommunikation thematisieren: Mit Kollegen über Nachhaltigkeit reden; neugierig sein und Fragen stellen, den Status quo hinterfragen; die Graswurzel-Aktivitäten bzw. den Bottom-up Prozess verstetigen, bspw. Sustainability Lunch einmal pro Monat oder die Gründung einer informellen Arbeitsgruppe zum Thema Nachhaltigkeit; Handlungsfelder, in denen bereits viel Vorarbeit erfolgt ist und auf der aufgebaut werden kann, eignen sich besonders, um einfach Erfolge zu erzielen; Maßnahmen, die kein Geld kosten: Wie kann eine Maßnahme so verändert werden, dass sie im Wesentlichen ihre Wirksamkeit behält, aber für die Umsetzung keine (oder kaum) Investition notwendig ist? Maßnahmen, die Geld kosten, zunächst zurückstellen. Maßnahmen, die von Einzelnen und unabhängig von der Unterstützung anderer Personen umgesetzt werden können: Die Umsetzung kann durch eine Einzelperson oder eine motivierte Gruppe erfolgen. Die Leitfrage hierbei
13 Umsetzung und Berichterstattung
ist, wie kann eine Maßnahme so verändert werden, damit deren Umsetzung nicht von anderen abhängig ist oder die Änderungen nur im unmittelbaren Arbeitsumfeld oder einem kleinen Team umgesetzt werden müssen. 7. Maßnahmen die ausschließlich digital umgesetzt werden können: Diese sind häufig niederschwellig, einfach umzusetzen und kostengünstig. Bspw. digitale Formulare entwickeln oder Email-Signatur »think before print«. 8. Professionelle Unterstützung von außerhalb des Museums in Anspruch nehmen.
13.3 Nachhaltigkeitsbericht: Konzeption, Erstellung und Veröffentlichung Für die interne Unterstützung des Veränderungsprozesses sowie für die Sichtbarkeit nach außen ist eine regelmäßige Kommunikation über den Fortgang des Nachhaltigkeitsmanagements von Bedeutung. Eine solche Nachhaltigkeitsberichterstattung richtet sich an interne und externe Lesende, umfasst die relevanten Informationen zum Fortgang des Nachhaltigkeitsmanagement im Museum und stellt Ziele, Aktivitäten und Erreichtes dar. Dafür nutzt das Museum eine selbst gewählte, möglicherweise auch standardisierte Form der Berichterstattung. Die interne Kommunikation dient insbesondere dazu, Verbesserungsprozesse im Museum zu steuern. Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts für Externe dient nicht nur der Information der Stakeholder, sondern ist auch ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Nachhaltigkeitsberichterstattung kann somit als eine offizielle Kommunikationsform gefasst werden, in der Informationen zu Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsleistung thematisiert werden (Schaltegger 2014, 22). Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes als eigenständiges Kommunikationsformat weißt zahlreiche Besonderheiten auf. Die Anregungen im folgenden Kapitel basieren weitgehend auf den allgemeinen Empfehlungen zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Clausen (2001), die hier in einen neuen Anwendungskontext eingebettet werden und mit spezifischen Empfehlungen für den Museumssektor ergänzt werden.
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Das nachhaltige Museum
Prinzipien und Inhalte Nachhaltigkeitsberichterstattung kann nach Schaltegger (2014) unterschiedlichen Ansätzen folgen. Da Museen grundsätzlich ein hohes Vertrauen genießen, könnten sie ihre Berichterstattung lediglich auf offensichtliche Aspekte der Nachhaltigkeit beschränken. Ein solcher Ansatz ist häufig durch die Öffentlichkeitsarbeit getrieben und in der Berichterstattung wird auf jene Aspekte von Nachhaltigkeit fokussiert, die gerade en vogue oder in den Medien präsent sind. Diese Engführung der Berichterstattung wird häufig auch dann gewählt, wenn die Leitungsebene die Mission des Museums im Widerspruch zu Zielen der Nachhaltigkeit sieht bzw. es als zu aufwendig oder unmöglich eingeschätzt wird, die Nachhaltigkeitsleistung deutlich zu verbessern. Diese Art der Berichterstattung dient in der Regel dazu, ein »Weiter so« zu legitimieren. (Schaltegger 2014, 24–25)4 Ein anderer Ansatz ist von externen Standards getrieben und orientiert sich an Anforderungen für die Berichterstattung. Durch Berücksichtigung von Vorgaben, Standards oder Normen werden Themen und Indikatoren in den Museumsbetrieb integriert und können so eine Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung verursachen. Der gesamte Prozess des Nachhaltigkeitsmanagements wird dabei vom Endergebnis, der Berichterstattung, ausgedacht, konzipiert und angestoßen: In Museen kann die Berichterstattung dann nicht selten Auslöser für die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements sein. Ein solcher, von außen nach innen konzipierter Ansatz hat den Vorteil, an bekannte Berichtstandards anknüpfen zu können. (siehe Schaltegger 2014, 24–25) Zu diesen Standards gehören unter anderem die Global Reporting Initiative, die Leitlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung herausgibt, in denen Berichtsgrundsätze und Standardangaben definiert werden. Als weitere Orientierung kann der Social Reporting Standard gelten, der häufig von gemeinnützigen Organisationen verwendet wird. Eine Berichterstattung nach den Vorgaben von internationalen Standards ist ein erstrebenswertes Ziel, das jedoch voraussichtlich nur von den größten Einrichtungen mit hohem Aufwand erreicht werden kann. Insgesamt erscheinen die GRI-Richtlinien und weitere ähnlich umfangreiche Standards zu viele Ressourcen zu binden und daher wenig geeignet für den Museumssektor zu sein. (siehe Brandl 2011, 396)5 Auch die Agenda 2030 und die SDGs der 4 5
Bezug nehmend auf allgemeine Ansätze der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Analog zum CSR-Reporting von kommunalen Unternehmen.
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UN wirken in den Themenkomplex der Berichterstattung hinein. Eine Orientierung an den SDGs führt allerdings häufig zu überkomplexen Abläufen und Standards. Museen sollten aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften und Prozessen nicht direkt die Berichtsstandards aus anderen Branchen übernehmen, da sonst möglicherweise zentrale Aspekte der Nachhaltigkeit im Museumsbetrieb übersehen werden (Wickham und Lehman 2014, 1024). Eine integrierte Berichterstattung, in der ökologische, ökonomischen und soziale Aspekte miteinander verwoben sind, wird dieser Anforderung am ehesten gerecht und kann auch als eine Weiterentwicklung der klassischen Nachhaltigkeitsberichterstattung verstanden werden (Busco und Sofra 2021, 203). Diese bekannten Berichtsstandards oder Normen sind zumeist, wenn auch nicht ausschließlich, auf Unternehmen zugeschnitten und werden daher den spezifischen Herausforderungen und Potenzialen von Museen nicht gerecht. Auch deswegen wird im Gegensatz zu diesen Ansätzen hier eine von innen nach außen gedachte Herangehensweise vorgeschlagen. Die Berichterstattung ist das Ergebnis eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagements. Nachhaltigkeitsberichte dokumentieren demnach die Ergebnisse eines systematischen Verbesserungsprozesses im Museum im Hinblick auf seine Nachhaltigkeitsleistung. Ein solcher Bericht kommuniziert Kennzahlen und beweist die Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung. Damit ist eine solche Berichterstattung insbesondere auch für Fördermittelgeber von Interesse. Die Grundannahme dabei ist, durch eine nachgewiesene Nachhaltigkeit sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. Idealerweise geht Nachhaltigkeitsberichterstattung noch einen Schritt weiter. So kann Berichterstattung auch Teil einer Nachhaltigkeitskommunikation sein, die in Zusammenarbeit mit Stakeholdern entwickelt und umgesetzt wird. Was Nachhaltigkeit im Museumssektor bedeutet, wird dabei in Kooperation mit Stakeholdern permanent weiterentwickelt. Dieser Prozess spiegelt sich auch in der Berichterstattung wider. (Schaltegger 2014, 24–25) Für Museen ist hier insbesondere die Zusammenarbeit mit Publikum und Förderern anzustreben. Genauso wie Nachhaltigkeit als Suchprozess definiert werden kann, ist auch Nachhaltigkeitsmanagement ein adaptiver Prozess, der sich nicht nur an neue Umfeldbedingungen anpassen muss, sondern der auch als sozialer Prozess innerhalb des Museums nie abgeschlossen ist. Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist, anders als Grenzwerte im Bereich des Umweltmanagements, noch stärker auf den lokalen Kontext und die sozio-ökonomischen Rahmen-
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bedingungen bezogen. Eine externe Zertifizierung bezieht sich daher sinnvollerweise auf den Prozess des Nachhaltigkeitsmanagements selbst. Wenn ein solcher von außen nach innen gerichteter Ansatz zur Anwendung kommen soll und eine Orientierung an Standards angestrebt wird, kann auch eine Zertifizierung des Nachhaltigkeitsmanagements selbst in Frage kommen.
Transparenz und Glaubwürdigkeit Ein zentraler Gedanke von Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Herstellung von Transparenz. Sie beabsichtigt eine Offenlegung von Tätigkeiten und Leistungen und fungiert als eine Selbstverpflichtung und -kontrolle auf freiwilliger Basis. Die Berichterstattung sollte demnach eindeutig sein und ebenfalls den Grundsatz der Wesentlichkeit (vgl. Kap.12.2) berücksichtigen. Eine Frage im Rahmen der Berichterstattung ist auch, als wie glaubwürdig Nachhaltigkeitsberichte wahrgenommen werden. Im privatwirtschaftlichen Bereich wird zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit häufig eine externe Prüfung hinzugezogen. Dabei kontrollieren in der Regel Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Richtigkeit, Vollständigkeit und Angemessenheit der Inhalte. Im Museumssektor könnte diese Funktion höchstens durch spezialisierte Fachberater für Nachhaltigkeit abgebildet werden. Um auch ohne externe Prüfung die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung zu erhöhen, bietet sich vor allem ein offener Umgang mit nicht erreichten Zielen, anderen Misserfolgen sowie Problemen im Prozess an. Insbesondere die Aufnahme von kritischen Meinungen relevanter Stakeholder können die Glaubwürdigkeit des Berichts erhöhen. Unabhängig davon, ob sich die Berichterstattung an externen Standrads orientiert, ist es obligatorisch, dass eine Berichterstattung mit internen Maßnahmen verknüpft sein muss. Eine einmalige Erhebung von Kennzahlen zum Zweck der Außendarstellung kann nicht als glaubwürdige Nachhaltigkeitsberichterstattung bezeichnet werden. (Brandl 2011, 396)
Format und Inhalte abgrenzen Zunächst ist grundsätzlich zu entscheiden, ob Informationen zu den Nachhaltigkeitsleistungen in andere Formate und Berichte, wie bspw. einen Jahresbericht, integriert werden, oder ob ein eigenständiges Format für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt wird. Da Museen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten und unterschiedlichen Sta-
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keholder-Konstellationen wirken, müssen Nachhaltigkeitsberichte nicht unbedingt als klassische Berichte konzipiert werden. Die Art der Berichterstattung kann sich demnach stark unterscheiden. Sie kann sich eher an einen Jahresbericht anlehnen, sich an unterschiedlichen Standards der Berichterstattung orientieren oder sie kann eher an Formate der Öffentlichkeitsarbeit erinnern. Ein solch offener und freier Einstieg erleichtert es auch, im Austausch mit anderen Museen ein für den Museumssektor passendes Berichtsformat zu entwickeln und die Berichterstattung zu professionalisieren. Auch in anderen Branchen waren die Nachhaltigkeitsberichte der Pioniere häufig wenig systematisch und nicht orientiert an den komplexen Standards. Gerade für mittlere und kleinere Museen ist es zielführend, in nicht standardisierter und stattdessen selbst gewählter Form über ihre Nachhaltigkeitsleistung zu berichten. (siehe Moutchnik 2014, 88)6 Neben dem Berichtsformat muss auch der Inhalt der Berichterstattung definiert werden. Zu Beginn der Nachhaltigkeitsberichterstattung lag der Fokus auf Umweltauswirkungen, dazu traten in den 1990er Jahren soziale Aspekte, während heute eine Berichterstattung idealerweise alle Dimensionen der Nachhaltigkeit adressiert und miteinander verschränkt (Bini und Bellucci 2020, 16). Nachhaltigkeitsberichte in anderen Branchen entwickeln sich zunehmend von einer Berichterstattung über die Tätigkeiten zu einem »wirkungsorientierten Erfolgsbericht« (Gebauer 2014, 135). Wenn eine Wirkungslogik (vgl. Kap. 5.1) für das Museum erstellt wurde, ist deren Darstellung auch im Bericht sinnvoll. Eine Berichterstattung, die den holistischen Ansatz der Nachhaltigkeit abbilden möchte, versucht auch immer, die Berichtsthemen zu integrieren. Dazu können die unterschiedlichen Aspekte qualitativ aufeinander bezogen werden. Idealerweise findet diese Integration jedoch auf der quantitativen Ebene statt: So können Indikatoren die Kennzahlen aus unterschiedlichen Themenfeldern zusammenfassen. (Moutchnik 2014, 86) Allerdings kann eine Nachhaltigkeitsberichterstattung vermutlich niemals alle Aspekte der Nachhaltigkeit eines Museums abbilden, da diese zu vielfältig und komplex sind. Das führt unweigerlich dazu, dass spezifische Themen in der Berichterstattung ausgelassen und andere Aspekte hervorgehoben werden. Folgt diese Schwerpunktsetzung dem Prinzip der Wesentlichkeit, trägt dies zur Aussagekraft und Klarheit der Berichterstattung bei. Eine bewusste Fokussierung auf ausgewählte Themenbereiche kann 6
Übertragen aus Erfahrungen zur CSR-Kommunikation in anderen Bereichen.
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allerdings auch als Greenwashing missbraucht werden. (Schaltegger 2014, 22–23)
Ziele und Zielgruppen definieren Die Berichterstattung über Nachhaltigkeit kann unterschiedliche Ziele verfolgen. Insbesondere ist dabei von Interesse, wem berichtet wird. Die Art der Berichterstattung, der Umfang und die darin enthaltenen Informationen können sich je nach Empfänger der Berichterstattung erheblich unterscheiden. Je nach Ziel und Bedeutung des Empfängers können auch sehr stark auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnittene Berichtsformate sinnvoll sein. Als erster Schritt wird daher festgelegt, wer die Lesenden bzw. die relevanten Zielgruppen des Berichtes sind. Die wichtigsten Zielgruppen für Nachhaltigkeitsberichte von Museen sind Mitarbeitende, Kooperationspartner, Geldgebende und öffentliche Stellen sowie in geringerem Maße auch das Publikum. Weitere Adressaten sind verbundene Organe wie Förderkreise oder Freundesvereine, externe Stakeholder auf lokaler oder regionaler Ebene, die allgemeine Öffentlichkeit, Sponsoren oder Behörden. Es ist notwendig sich zu fragen, welche Informationen für diese Zielgruppen relevant sind bzw. welche Informationen diese verlangen. Um einen zielgruppenspezifischen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, kann sich die Arbeit mit Personas anbieten. Dabei wird ein typischer Leser skizziert, für den der Bericht geschrieben wird. Die relevanten Eigenschaften dieses Lesers umfassen seinen Bezug zum Museum und seine Werthaltungen, seine Einstellungen zum Themenkomplex Nachhaltigkeit, seine Anforderungen und Erwartungen an das Museum und den Bericht sowie die konkreten Medien, die er nutzt. Des Weiteren kann auch ein direkter Dialog mit den Zielgruppen hilfreich sein. Daraufhin sollte versucht werden, den Bericht so zu entwickeln, dass er die oft disparaten Informationsinteressen unterschiedlicher Zielgruppen so gut wie möglich abdeckt. Jedoch ist zu beachten, dass der Bericht, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, dennoch nicht überladen oder schwer verständlich wird. Das ist die Gratwanderung beim Erstellen von Nachhaltigkeitsberichten. (Clausen et al. 2001, 13)
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Den Bericht erstellen Ein Nachhaltigkeitsbericht vermittelt Mission und Vision einer Institution im Bereich der Nachhaltigkeit und stellt die daraus abgeleiteten Maßnahmen und Ergebnisse nachvollziehbar und wahrheitsgetreu dar. Der Bericht beinhaltet damit mindestens die strategische Ausrichtung, konkrete Ziele, Maßnahmen und Aussagen zu den Indikatoren. Ein Nachhaltigkeitsbericht kann mindestens die folgenden Bausteine umfassen: o
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Kurzfassung und Kernkennzahlen Für Stakeholder mit wenig Zeit werden vor dem eigentlichen Bericht die bedeutendsten Ergebnisse und Kennzahlen zur Nachhaltigkeit des Museums dargestellt. Vorwort der Direktion Um einem Nachhaltigkeitsbericht eine hohe Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit zu verleihen, sollte dieser in der Regel ein Vorwort der höchsten Position enthalten. Die Leitung des Museums sollte die Bedeutung der Nachhaltigkeit für das Museum und dessen Strategie skizzieren. Profil und Leitbild des Museums Eine kurze Beschreibung des Museums ermöglicht die Einordnung der berichtenden Institution innerhalb des Museumssektors. Hier sollte auch auf das Nachhaltigkeits-Leitbild des Museum Bezug genommen werden. Dabei gilt es zu skizzieren, welche strategischen Entwicklungen angestrebt werden. Nachhaltigkeitsleistungen, Kennzahlen und Instrumente Dieser Abschnitt stellt den Hauptteil des Berichtes dar. Die Nachhaltigkeitsleistungen des Museums sollten anhand von Zielen und Kennzahlen dargestellt werden. Dabei sollten die Kennzahlen nachvollziehbar erläutert und unmissverständlich interpretiert werden. Darauf aufbauend sollten die zentralen Bausteine des Nachhaltigkeitsprogramms skizziert werden, um die Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern. Falls ein Nachhaltigkeitsmanagement oder andere vergleichbare Instrumente zur Anwendung kommen, sollten diese erläutert und die konkrete Umsetzung im Museum kritisch reflektiert werden.
Grundsätzlich bietet sich für die Gliederung des Hauptteiles an, die Aufgabenfelder im Museum als strukturierendes Merkmal zu verwenden. Dies birgt
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den Vorteil, dass die Struktur des Berichts direkt aus der inneren Logik des Nachhaltigkeitsmanagements abgeleitet und erarbeitet werden kann.
Offen reflektieren und attraktiv gestalten Eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung zeichnet sich durch eine herausgehobene Fehlerkultur aus. Das bedeutet, dass Widersprüche und auch Misserfolge offen kommuniziert werden. Für die Darstellung von integrierten Nachhaltigkeitsleistungen ist die Diskussion der unweigerlich auftretenden Zielkonflikte einerseits sowie der Synergieeffekte andererseits zentral. Dabei ist es wichtig, wie widerstrebende Ziele abgewogen oder miteinander vereinbart werden. Transparent wird der Prozess, wenn beschrieben wird, wie die jeweiligen Abwägungen erfolgen und welche Prioritäten dabei gesetzt werden. Gerade die Darstellung von Synergien ist für Stakeholder und andere Museen von Bedeutung, da solche Win-win-Lösungen andere motivieren können, selbst aktiv zu werden. Insgesamt sind Beispiele ideal, die ganzheitliche Lösungen gut nachvollziehbar vermitteln. (siehe Clausen et al. 2001, 37–38) Ein Nachhaltigkeitsbericht sollte selbstverständlich professionell und attraktiv gestaltet sein, sodass er in der Wahrnehmung nicht hinter anderen Materialien der Außenkommunikation des Museums zurücktritt. Neben Grafiken und Tabellen zur Darstellung von Daten eignen sich zur Auflockerung insbesondere Zitate mit Kernaussagen sowie Fotos, um einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren und so einen konkreten Eindruck vom Museum und den Mitarbeitenden zu vermitteln. Aufgrund der verschiedenen Adressaten eines Nachhaltigkeitsberichtes sind auch die unterschiedlichen Lesegewohnheiten dieser Stakeholder zu berücksichtigen. Das bedeutet für die Gestaltung des Berichts vor allem, dass die Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung beginnen und mit Kennzahlen visualisiert werden sollten.
Umfang und Medium bestimmen Auch im Hinblick auf den Umfang ist der Grundsatz der Wesentlichkeit handlungsleitend. Trotz der zahlreichen und oft unterschiedlichen Ansprüche sollte der Bericht auf das Wesentliche fokussiert sein. Insofern ist es von Vorteil, eher einen wesentlichen Aspekt im Detail zu beleuchten und dafür andere wegzulassen, als viele Aspekte nur oberflächlich zu thematisieren (Clausen et al. 2001, 14).
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Eine auf unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtete Berichterstattung bedeutet auch, Berichte kurz zu halten, damit sie von vielen Stakeholdern gelesen werden. Eine digitale Veröffentlichung kann durch vertiefende Ausführungen und detailliertere Daten ergänzt werden und durch eine gedruckte Zusammenfassung flankiert werden. Die Berichterstattung kann auch als Ausgangspunkt für eine größere Kommunikationskampagne zum Themenfeld der Nachhaltigkeit genutzt werden. Anders als in der klassischen Öffentlichkeitsarbeit steht das Agenda Setting im Mittelpunkt von Kommunikationskampagnen zum Thema Nachhaltigkeit. Das bedeutet, dass der Fokus der Kommunikation auf gesellschaftlichen Bedarfen, Problemen und den Lösungsansätzen des Museums liegt. Gerade für das Agenda Setting ist Social Media besonders geeignet und dient im Rahmen einer solchen Kommunikationskampagne der Ansprache und Einbindung von Stakeholdern. Zur Vergrößerung der Reichweite bietet sich die Zusammenarbeit mit Medienpartnern an. Der thematische Fokus auf Nachhaltigkeit erschließt ggf. neue Möglichkeiten zur Anbahnung von Partnerschaften. (Taubken und Dietrich 2011, 434–435)7
Erscheinungsweise festlegen und Aufwand abschätzen Aufgrund der umfangreichen Vorarbeit und der ressourcenintensiven Erstellung erscheint selbst für größere Museen eine jährliche Erscheinungsweise sehr ambitioniert. Auch weil ökologische und soziale Problemlagen in der Regel nur langfristig zu verändern sind, wäre ein jährlicher Turnus wenig sinnvoll. Ein guter Mittelweg zwischen einer kontinuierlichen Kommunikation zum Engagement und der Praktikabilität kann eine Erscheinungsweise alle zwei bis drei Jahre sein. Für die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes müssen vor allem zeitliche Ressourcen für die verantwortlichen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus müssen Kosten für eine professionelle Gestaltung und den Druck sowie ggf. für eine externe Beratung vorgesehen werden. Ebenso kann die Einbindung von Stakeholdern Kosten verursachen. Insbesondere der Aufwand für die Erstellung des ersten Nachhaltigkeitsberichtes ist sehr schwierig abzuschätzen, da dieser neben der allgemeinen Vorbereitung des Museums auf das Thema und den Prozess der Berichterstattung
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auch davon abhängt, ob bereits Daten vorliegen oder sogar ein Datenerfassungssystem genutzt wird.
Externe Beratung und Prüfung abwägen Im Unternehmensumfeld werden Nachhaltigkeitsberichte immer häufiger von externen Beratern auf Glaubwürdigkeit und Qualität geprüft. Dies hat auch dazu geführt, dass vor allem große Unternehmen sich an systematischen Standards und Vorgaben orientieren möchten, um von vornherein die Qualität des Berichts sicherzustellen. Eine externe Beratung bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten kann auch für Museen sinnvoll sein. Einerseits gewährleistet eine solche Prüfung nicht nur für die Direktion, sondern auch für sämtliche Stakeholder, dass der Bericht glaubwürdig, richtig und vollständig ist. Ganz allgemein kann der Prüfende das interne Team, das die Berichterstattung durchführt, bereits in der Erstellungsphase unterstützen und zu einem allgemeinen Know-how-Aufbau im Museum beitragen. Dabei kann es auch um die vorgelagerten Prozesse wie Datenerhebung, Datenqualität und Datenbearbeitung gehen. Bei Herausforderungen in diesem Prozess kann der Prüfende Ansätze zur Lösung einbringen und sie als Externer mit den unterschiedlichen Verantwortlichen im Museum gegebenenfalls einfacher diskutieren, als eine interne Arbeitsgruppe. Damit wird auch langfristig eine qualitative Weiterentwicklung der Berichterstattung erleichtert. Insgesamt sind die Rahmenbedingungen für Museen jedoch anders gelagert als für privatwirtschaftliche Unternehmen: Vor allem finanzielle Interessen spielen für Museen eine nicht so große Rolle wie für Konzerne mit globalen Lieferketten; insofern kann zunächst grundlegend von einer hohen Glaubwürdigkeit der Berichte von Museen ausgegangen werden. Daraus folgt auch, dass nicht unbedingt eine externe Prüfung oder die Orientierung an einer Systematik für die Berichterstattung notwendig ist, gerade weil das kleinere Institutionen von der Erstellung eines Berichtes abhalten könnte.
13.4 Berichterstattung als Chance für den Museumssektor Museen sind, ähnlich wie andere zivilgesellschaftliche und nicht profitorientierte Organisationen auch, häufig der Auffassung, dass ihr Auftrag, der bereits qua Definition eine gewissermaßen gemeinnützige Funktion beinhaltet,
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genügend gesellschaftliche Verantwortung umfasst. Mit ihrem Auftrag des Bewahrens und Sammelns ist ihre gesellschaftliche Verantwortung auch für folgende Generationen offensichtlich, so häufig der Standpunkt. Allerdings wird die konkrete gesellschaftliche Wirkung ihrer Aufgaben und Tätigkeiten in der Regel selten erfasst und nachgewiesen. Daher ändern sich die Ansprüche an Museen: Es mehren sich Forderungen aus der Zivilgesellschaft und aus der Politik, die eine größere Verantwortlichkeit von Museen einklagen. Diesen Ansprüchen kann mit einer Nachhaltigkeitsberichterstattung gut begegnet werden. In anderen Branchen haben die Ansprüche der Zivilgesellschaft bereits eine Berichterstattung angestoßen. In vielen Ländern sind große Unternehmen und Konzerne mittlerweile verpflichtet, in ihre Lage- bzw. Geschäftsberichterstattung Aussagen zu Aspekten der Nachhaltigkeit mit aufzunehmen. Auch wenn damit keine Pflicht für die Erstellung eines eigenständigen Nachhaltigkeitsberichtes verbunden ist, sind zumindest Aussagen im Blick auf Nachhaltigkeit und die Benennung von Verbesserungspotenzialen gefordert. Vor diesem Hintergrund wird Nachhaltigkeitsberichterstattung auch für Einrichtungen im öffentlichen Sektor zunehmend wichtiger. Dabei sind jedoch im Gegensatz zur Berichterstattung im privatwirtschaftlichen Bereich besondere Anforderungen zu berücksichtigen. (Brandl 2011, 393)
Berichterstattung als gemeinsame Aufgabe des Museumssektors Nachhaltigkeitsberichte dienen an erster Stelle dazu, die Auswirkungen der Museumsaktivitäten transparent zu kommunizieren. Sie sind damit ein Instrument, mit dem auf freiwilliger Basis Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen übernommen werden kann. Museen können – neben ihrem der Museumsdefinition folgenden gesellschaftlichen Auftrag – durch eine Nachhaltigkeitsberichterstattung weitere positive gesellschaftliche Leistungen nachweisen und beispielsweise auch eine optimale Mittelverwendung darstellen. (siehe Gebauer 2011, 408)8 Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet vielfältige Chancen für Museen. Einerseits bietet sie interne Chancen, indem sie die Strategieentwicklung und Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements im Museum unterstützt. Andererseits kann sie die gesellschaftliche Akzeptanz der Institution erhöhen und den Erwartungen von Stakeholdern entsprechen. Im Hinblick auf externe 8
Bezug nehmend auf die Berichterstattung von kommunalen Unternehmen.
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Adressaten dienen Nachhaltigkeitsberichte auch der stärkeren Verankerung von Museen in Stadt und Region. Durch die Berücksichtigung der Stakeholder und die Darstellung der Auswirkungen des Museums wird die Einbettung des Museums in regionale Zusammenhänge aufgezeigt und dient auf diese Weise als Ausgangspunkt für weitere Kooperationen. Eine Berichterstattung kann intern auf die Ausübung von Tätigkeiten und Prozessen wirken. Museen können so eine »Richtungssicherheit« gewinnen und Berichte als Kerninstrument verwenden, um eine Fokussierung ihrer Mission, Arbeit und Mitarbeitenden auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen (siehe Gebauer 2014, 146). Die Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung ist in Museen allerdings ungleich schwieriger als in profitorientierten Unternehmen, die schon lange Berichte veröffentlichen. Um eine professionelle Berichterstattung zu institutionalisieren, ist der Aufbau von organisationalen Kompetenzen und Strukturen notwendig. Dazu sind Museen aufgrund der Voraussetzungen und insbesondere der verfügbaren Mittel häufig nicht in der Lage. Diese Herausforderung hindert viele Museen daran, überhaupt mit einer Berichterstattung bzw. einer Kommunikation über den Prozess und dessen Ergebnisse zu beginnen. Gerade deshalb sollten auch andere Formen der Kommunikation als Alternativen zum Nachhaltigkeitsbericht entwickelt werden, die leichter umzusetzen sind (Pollhammer und Meixner 2016, 39). Selbst wenn eine quantitative Berichterstattung wünschenswert ist, kann mit einer rein qualitativen Berichterstattung begonnen werden, anstatt gar keinen Bericht zu veröffentlichen (siehe Gebauer 2011, 421). Wenn auch ein qualitativer Bericht nicht realisierbar ist, können Informationen über die Nachhaltigkeitsleistung immerhin in andere Instrumente der Außenkommunikation einfließen.
Berichterstattung in Museen einführen Für den Erfolg einer Nachhaltigkeitsberichterstattung von Museen sollte einerseits die gesellschaftliche Verantwortung im Kern des Selbstverständnisses von Museen stehen. Gerade weil sie qua Definition bereits gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, bewegen sie sich mit ihrer Berichterstattung vor einem anderen Erwartungshorizont als gewinnorientierte Unternehmen. Aufgrund dieser Rolle werden sie auch stärker als gewinnorientierte Unternehmen dazu aufgefordert, ökologisch verträglich, ökonomisch verantwortungsvoll und sozial gerecht zu agieren. Andererseits agieren sie
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häufig maßgeblich mit Steuergeldern. Eine ökonomische Nachhaltigkeit im Sinne eines sensiblen und effizienten Umgangs mit den Budgets ist daher ein zentraler Aspekt von Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie NMM. (siehe Brandl 2011, 401)9 Auch wenn Berichterstattung nur ein Baustein eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagements ist, darf ihre Bedeutung nicht unterschätzt werden. Häufig wird die Meinung vertreten, dass die Umsetzung von Maßnahmen wichtiger ist und die Kommunikation nach außen lediglich ein Zusatz, falls noch Zeit und Ressourcen übrig sind. Dabei wird übersehen, dass Berichterstattung durch den Datenbedarf, die übergreifenden Anforderungen und die festen Termine ein wichtiger Treiber für den Gesamtprozess sein kann. (Brandl 2011, 403) Für Museen ist es besonders wichtig, eine Führungsrolle im Bereich der Berichterstattung zum Thema Nachhaltigkeit einzunehmen. Denn wenn Museen und andere Institutionen des öffentlichen Sektors dieses Thema ausklammern, kann bei Besuchern und anderen Stakeholdern der Eindruck entstehen, dass Nachhaltigkeit kein gesellschaftlich relevantes Thema sei. So jedoch bieten Museen mit ihrer Berichterstattung dem Publikum und den Stakeholdern Anknüpfungspunkte und Ideen für nachhaltige Lebensstile im privaten Kontext. (siehe Dumay et al. 2010, 533)10 Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung wird in Zukunft auch dem Vergleich und der Bewertung von Museen untereinander dienen. Mit der Berichterstattung wird in Zukunft nicht nur die allgemeine Nachhaltigkeitsleistung transparent vermittelt, sondern auch die Erfüllung von freiwilligen brancheninternen Standards oder Initiativen. Damit können Museen gute Praxis veranschaulichen und dadurch andere Institutionen motivieren, ihren Betrieb ebenfalls nachhaltiger zu gestalten. Durch Austausch und gegenseitige Inspiration kann auf diese Weise eine hohe Dynamik entstehen, die zur Transformation des gesamten Sektors beitragen kann. Ziel für den Museumssektor ist es, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung kein unverbindliches Kommunikationsinstrument der Öffentlichkeitsarbeit ist. Vielmehr wird es zu einem verbindlichen Instrument, das Transparenz über die Nachhaltigkeitsleistungen der gesamten Branche herstellt.
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Beruhend auf Erfolgskriterien für kommunale Unternehmen. Basierend auf Empfehlungen zur Berichterstattung von öffentlichen Organisationen.
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Meilensteine der Nachhaltigkeitsidee, S. 22. Abb. 2: Prinzipien des nachhaltigen Museums, S. 32. Abb. 3: Dimensionen der Nachhaltigkeit im Museum. S. 36. Abb. 4: Effizienz und Suffizienz im Museumsbetrieb, S. 38. Abb. 5: Interne und externe Nachhaltigkeit, S. 44. Abb. 6: Museen und die Große Transformation, S. 58. Abb. 7: Politisierung und Aktivismus im nachhaltigen Museum, S. 62. Abb. 8: Ebenen der Transformation im Museum, S. 72. Abb. 9: Kommunikation im Museum und nachhaltiges Verhalten, S. 73. Abb. 10: Führung und New Work im nachhaltigen Museum, S. 93. Abb. 11: Bausteine der finanziellen Resilienz, S. 109. Abb. 12: Nachhaltige Beschaffung im Museum, S. 117. Abb. 13: Sammlung und Nachhaltigkeit, S. 135. Abb. 14: Transdisziplinarität im Museum, S. 152. Abb. 15: Partizipation und Bürgerwissenschaft im nachhaltigen Museum, S. 161. Abb. 16: Programmatik und nachhaltiges Ausstellen, S. 169. Abb. 17: Ökologisch-kollaborative Ausstellungsproduktion, S. 179. Abb. 18: Bildung für nachhaltige Entwicklung im Museum, S. 196. Abb. 19: Transformation zum nachhaltigen Museum, S. 214. Abb. 20: Phasen des Nachhaltigkeitsmanagements im Museum, S. 219. Abb. 21: Nachhaltigkeitsmanagement im Museum als zirkulärer Prozess, S. 221. Abb. 22: Nachhaltigkeitsmanagement im Museum als Veränderungsprozess, S. 270.
Museum Henning Mohr, Diana Modarressi-Tehrani (Hg.)
Museen der Zukunft Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements 2021, 462 S., kart., 21 SW-Abbildungen 39,00 € (DE), 978-3-8376-4896-6 E-Book: PDF: 38,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4896-0
schnittpunkt, Joachim Baur (Hg.)
Das Museum der Zukunft 43 neue Beiträge zur Diskussion über die Zukunft des Museums 2020, 320 S., kart., 2 SW-Abbildungen, 55 Farbabbildungen 29,00 € (DE), 978-3-8376-5270-3 E-Book: PDF: 25,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5270-7
Sabine Maurischat
Konservierung und Pflege von Kulturgut Ein Leitfaden für die Praxis 2020, 208 S., kart., 57 Farbabbildungen, 15 SW-Abbildungen 29,00 € (DE), 978-3-8376-4914-7 E-Book: PDF: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4914-1
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Museum Anna Greve
Koloniales Erbe in Museen Kritische Weißseinsforschung in der praktischen Museumsarbeit 2019, 266 S., kart., 23 SW-Abbildungen, 4 Farbabbildungen 24,99 € (DE), 978-3-8376-4931-4 E-Book: PDF: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4931-8
Udo Andraschke, Sarah Wagner (Hg.)
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Viviane Mörmann
The Corporate Art Index Twenty-One Ways to Work With Art 2020, 224 p., pb. 35,00 € (DE), 978-3-8376-5650-3 E-Book: PDF: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5650-7
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