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German Pages 266 [272] Year 1951
E. WIBERG DIE CHEMISCHE AFFINITÄT
DIE CHEMISCHE AFFINITÄT Eine
Einführung
in die L e h r e v o n d e r T r i e b k r a f t chemischer
Reaktionen
Von
Prof. Dr.-Ing. Egon Wiberg Professor der anorganischen Chemie an der Universität München
Mit
36
Abbildungen
19 5 1
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. vormals G. .T. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp.
B e r l i n W 35
Berichtigung : Die Abbildungen 1 (Seite 3) und 6 (Seite 28) sind miteinander zu vertauschen.
Alle R e c h t e , i n s b e s o n d e r e das d e r Ü b e r s e t z u n g , v o r b e h a l t e n C o p y r i g h t 1951 b y W a l t e r de G r u y t e r & Co. v o r m a l s G . J. G ö s c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g · J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g · G e o r g R e i m e r • K a r l J . T r ü b n e r · Veit & C o m p . B e r l i n VV 3 3 A r c h i v - N r . 52 98 51. P r i n t e d in G e r m a n y Druck: „Buchkunst", Berlin W 3 5
Vorwort GILBERT NEWTON L E W I S und M E R L E R A N D A L L berichten in ihrem Standardwerk ,, Thermodynamics and the Free Energy of Chemical Substances" (New York 1925) über eine Begegnung mit einem angesehenen Chemiker, der experimentell die Frage zu entscheiden suchte, ob Stickstoff bei entsprechend hohen Drucken mit Wasser in U m k e h r u n g der bekannten Stickstoffdarstellung in merklichem Ausmaß Ammoniumnitrit bilde:
N2 + 2 H 2 0 T Í NH4' + N 0 2 ' . Er wurde von L E W I S u n d R A N D A L L darauf aufmerksam gemacht, daß die Größe des zu erwartenden Effekts viel einfacher den Tabellen der freien Energie chemischer Substanzen zu e n t n e h m e n sei. Bei dieser Nachprüfung ergab sich, daß selbst zur Bildung einer n u r 0.000001 molaren, also analytisch gerade noch nachweisbaren NH 4 N0 2 -Lösung ein Stickstoffdruck von 1000 000 000 000 000000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 at erforderlich ist, daß es also m i t anderen Worten gar keinen Sinn hat, Zeit, Mittel und Arbeit auf das genannte Problem zu verschwenden. Auch heute, dreißig Jahre später, gibt es erstaunlicherweise noch viele Chemiker, die —- i m übertragenen Sinne — dem P h a n t o m einer Stickstoffhydrolyse nachjagen, die also in langwierigen, mühevollen und kostspieligen Untersuchungen Fragen experimentell zu klären suchen, welche sich an Hand des vorhandenen thermodynamischen Zahlenmaterials rechnerisch in wenigen Minuten lösen lassen. Der Grund f ü r diese abwehrende Haltung zahlreicher — auch angesehener —• Chemiker gegenüber der thermodynamischen Rechenmethodik liegt unter anderem in der vielfach zu komplizierten u n d abstrakten Darstellung des Wissensstoffes, die zwar den Forderungen anspruchsvoller Thermodynamiker gerecht wird, aber die Bedürfnisse des nach Anschaulichkeit h u n g e r n d e n Normalchemikers weitgehend außer acht läßt.
VI
Vorwort
I m Sommersemester 1950 u n t e r n a h m daher der Verfasser den Versuch, in einer einsemestrigen, mehrstündigen Vorlesung an der Universität München einem zahlreichen Hörerkreis die Probleme der chemischen Affinität und der damit zusammenhängenden Fragen in einer Form nahezubringen, die sich auf das Wesentliche beschränkt u n d die Anschaulichkeit an die Stelle des Abstrakten setzt. D e r Erfolg dieses Kollegs bewog ihn dann, diese Vorlesungen in erweiterter Form als Buch herauszugeben, in der Hoffnung, auf diese Weise mit dazu beizutragen, jene Barrieren zu beseitigen, welche auch heute noch viele Chemiker von d e m Betreten des so reizvollen Gebiets der chemischen Thermodynamik abhalten. Einige f ü r die Gestaltung des Stoffes maßgebliche Gesichtspunkte seien im folgenden kurz zusammengestellt: 1. Viele Lehrbücher der chemischen Thermodynamik erschweren dem Leser das Verständnis der Probleme durch Verwendung einer verwirrenden Vielzahl von Symbolen, selbst f ü r oft recht verwandte Größen. Es wurde daher in d e m vorliegenden W e r k W e r t darauf gelegt, mit möglichst w e n i g e n Symbolen auszukommen und diese wenigen Symbole durch entsprechende I n d i c e s abzuwandeln. So wird z . B . die bei irgendeinem Vorgang i n s g e s a m t umgesetzte W ä r m e m e n g e stets mit W bezeichnet, wobei dieses Symbol W je nach der speziellen Art des betrachteten Vorgangs einen diesbezüglichen Index trägt, z. B. : Reaktionswärme = W R e a k t i o n , Verdampfungswärme = W V e r d a m p f u n g , Schmelzwärme = W S c h m e l z , U m wandlungswärme = W U m w a n d h m g , Dissoziationswärme = W D i s s o z i a t i o n usw. Analoges gilt f ü r die entsprechenden Größen der r e v e r s i b l e n A r b e i t A, der g e b u n d e n e n E n e r g i e Q oder der E n t r o p i e S. Alle Größen, die f ü r den ,, G rundzustand" (Partialdruck oder -konzentration 1 aller Reaktionsteilnehmer) gelten, erhalten den Index 0 (W 0 , A 0 , Q 0 , S 0 ) bzw., wenn sie sich gleichzeitig auf die Normaltemperatur von 25°C beziehen (,,Normalzustand"), darüber hinaus einen entsprechenden Temperaturhinweis, z. B. : W ^ 5 û 2 w a n d l u n g , A b s p a l t u n g . S < ^ a m p f u n g . Auf diese Weise lassen schon die F o r m e l n u n d G l e i c h u n g e n allein die Bedeutung der enthaltenen Größen erkennen, ohne daß es erforderlich wäre, jeweils noch die Bedeutung der einzelnen Symbole i m Text oder in einer entsprechenden Zusammenstellung nachzuschlagen.
Vorwort
VII
2. Die Verwirrung, die f r ü h e r bezüglich der Vorzeichengebung bei Energiegrößen bestand, wurde im Jahre 1932 durch eine Übereinkunft beseitigt, nach der alle von einem System a b g e g e b e n e n Energiemengen (Energie v e r Iii st des S y s t e m s ) ein negatives alle von i h m a u f g e n o m m e n e n Energiemengen (Energie g e w i n η des S y s t e m s ) ein p o s i t i v e s Vorzeichen erhalten. Leider stimmt diese Festsetzung in mancher Hinsicht nicht mit der Gepflogenheit der Chemiker überein, die ζ. B. bei e x o t h e r m e n Reaktionen von „ p o s i t i v e r W ä r m e t ö n u n g " W sprechen, wo die neue Festsetzung ein n e g a t i v e s Vorzeichen vorschreibt, und umgekehrt. Daher sind viele Lehrbücher der physikalischen Chemie dazu übergegangen, neben den der internationalen Übereinkunft entsprechenden Symbolen (W, A usw.) noch gestrichene Symbole (ττ, Λ. usw.) zu gebrauchen, deren Vorzeichen dem der ersteren entgegengesetzt ist und die somit nicht wie jene den Standpunkt des S y s t e m s , sondern den des S y s t e m b e n u t z e r s z u m Ausdruck bringen ( E n e r g i e g e w i n n des S y s t e m b e n u t z e r s : positives Vorzeichen, E n e r g i e v e r l u s t des S y s t e m b e n u t z e r s : negatives Vorzeichen). Dadurch wird natürlich die Verwirrung n u r noch vergrößert, und es wurde daher im vorliegenden Werk darauf geachtet, i m m e r die g l e i c h e , und zwar die i n t e r n a t i o n a l v e r e i n b a r t e Vorzeichenregelung zu verwenden. U m den rein formalen Charakter dieser Abmachung zu betonen, die genau so gut auch umgekehrt hätte getroffen werden können, werden dabei die Vorzeichen den zugehörigen Energiegrößen stets e i n g e k l a m m e r t beigefügt, ζ. B. : (—) 14.8 kcal, ( + ) 8.9 Joule usw. Die Übereinstimmung der so gewählten Vorzeichengebung mit der der Chemiker in thermochemischen Reaktionsgleichungen ist einfacher als durch gestrichene Symbole dadurch zu erreichen, daß m a n die energetischen Größen auf die l i n k e , statt — wie meist üblich •— auf die r e c h t e Seite der Reaktionsgleichung schreibt. 5. Formeln u n d Gleichungen nutzen wenig, w e n n man nicht damit zu r e c h n e n versteht, u n d erfahrungsgemäß wird dem Studierenden erst beim genauen Durchrechnen praktischer Z a h l e n b e i s p i e l e klar, was er nicht oder falsch verstanden hat. Aus diesem Grunde wurde W e r t darauf gelegt, sämtliche Zahlenbeispiele i n aller A u s f ü h r l i c h k e i t durchzurechnen, u m so den Benutzer auch
VIH
Vorwort
vor primitiven — darum aber nicht weniger häufig begangenen —Fehlern, wie dem Einsetzen der Gaskonstante R in falscher Maßeinheit, zu bewahren. Weiterhin wurde in Anbetracht der großen Bedeutung anschaulicher A b b i l d u n g e n für das Verständnis und die gedächtnismäßige Einprägung des Wissensstoffes Wert darauf gelegt, solche Rechenbeispiele — wie überhaupt abgeleitete Gedankengänge und Gleichungen — durch übersichtliche D i a g r a m m e und schematische Z e i c h n u n g e n zu veranschaulichen. Dem gleichen Zweck der Belebung des Textes dient die weitgehende Verwendung von Sperr-, Schräg-, Fett- und Kleindruck zur Hervorhebung des Grundsätzlichen gegenüber dem mehr Detaillierenden. In'diesem Zusammenhang seien auch die A n m e r k u n g e n dem Interesse des Lesers anempfohlen, die nicht etwa nebensächliche, sondern im Gegenteil oft durchaus wichtige Ergänzungen enthalten, welche nur deshalb nicht in den Text aufgenommen wurden, um den Hauptgedankengang nicht zu unterbrechen. 4. Während die e l e k t r o c h e m i s c h e n P o t e n t i a l e ε und die darauf gegründeten e l e k t r o c h e m i s c h e n Spannungsreihen allgemein Eingang in das Gedankengut der Chemiker gefunden haben und im Unterricht weitgehend zur Berechnung und zum Verständnis der Triebkraft, elektrochemischer Vorgänge herangezogen werden, erfreuen sich bis jetzt die von G I B B S vor achtzig Jahren eingeführten, über den Spezialfall elektrochemischer Reaktionen hinaus ganz allgemein auf chemische Vorgänge anwendbaren c h e m i s c h e n P o t e n t i a l e μ bis jetzt noch keineswegs der gleichen Beliebtheit. Dies liegt hauptsächlich an der etwas komplizierten Berechnung und Ableitung dieser energetischen Größen. Es wird daher in dem vorliegenden Lehrbuch erstmals der Versuch gemacht, in völliger Analogie zum Begriff des elektrochemischen Potentials ε ein von der GiBBSschen Konzeption etwas abweichendes, anschaulicheres und wesentlich leichter zugängliches chemisches Potential μ zu definieren und abzuleiten, das im Gesamtbereich chemischer Umsetzungen dasselbe leistet wie das elektrochemische Potential ε auf dem Spezialgebiet elektrochemischer Vorgänge und das wie letzteres die Einordnung chemischer „Halbsysteme" in c h e m i s c h e S p a n n u n g s r e i h e n ermöglicht, welche analog den elektrochemischen Spannungsreihen die R e a k t i o n s r i c h t u n g und
Vorwort
IX
T r i e b k r a f t aller aus zwei Halbsystemen I und II zusammengesetzten chemischen Gesamtvorgänge q u a l i t a t i v wie q u a n t i t a t i v zu entnehmen gestatten. In Fortführung dieses Gedankens wird als Maß der Triebkraft nicht die von VAN'T H O F F vorgeschlagene Reaktionsarbeit, sondern das der elektromotorischen Kraft E = — εΙΓ bei elektrochemischen Prozessen entsprechende Reaktionspotential Μ = μχ — μΙ£ ( , , c h e m o m o t o r i s c h e Kraft") eingeführt, das gegenüber der Reaktionsar be it den großen Vorzug besitzt, unabhängig von der Größe des molaren U m s a t z e s zu sein —• wie man dies von einem wahren Affinitätsmaß erwarten muß —• und das eine Zerlegung der chemischen (freien) Energie A in die beiden Energiefaktoren der S t o f f m e n g e η (Kapazitätsfaktor) — gemessen in Val — und A f f i n i t ä t M (Intensitätsfaktor) — gemessen in ,,Gibbsu = kcal/Val Umsatz — ermöglicht. Für die Konzentrations- und Druckabhängigkeit der so eingeführten neuen chemischen Potentiale μ wird eine der , , N E R N S T s c h e n Formel" ganz analoge Beziehung abgeleitet, welche die elektrochemischen Potentiale ε als Spezialfall der umfassenderen chemischen Potentiale μ erkennen läßt. Eine ausführliche Zusammenstellung von B i l d l i n g s a r b e i t e n chemischer Substanzen und von daraus abgeleiteten P o t e n t i a l e n im Anhang des Buches gestattet eine vielseitige Anwendung dieser Größen, wofür im Text zahlreiche Beispiele gegeben werden. Entsprechend der speziellen Fachrichtung des Verfassers sind die Beispiele und Zahlentabellen der anorganischen Chemie entnommen. δ. Ein Begriff, der dem Chemiestudierenden erfahrungsgemäß besondere Denkschwierigkeiten bereitet, ist der Begriff der E n t r o p i e . So befriedigend für den erfahrenen Physikochemiker die Definition der Entropie als eines logarithmischen Maßes der Wahrscheinlichkeit eines thermodynamischen Zustandes sein mag, so unbefriedigend ist sie für den nach größerer Anschaulichkeit dürstenden Normalchemiker. Es wird daher im vorliegenden Werk der Versuch gemacht, den abstrakten Begriff der Entropie und Reaktionsentropie zu substantiieren und ihn als Kapazitätsfaktor der thermischen Energie analog dem Begriff der E l e k t r i z i t ä t s m e n g e in der E l e k t r o s t a t i k und E l e k t r o d y n a m i k oder dem Begriff der W a s s e r m e n g e in der H y d r o s t a t i k und H y d r o d y n a m i k zu behandeln. Wie die Erfahrungen des Münchener Kollegs gezeigt haben, verliert der W i b e r g, Chemische Affinität
II
χ
Vorwort
Entropiebegriff hierdurch bei den Studierenden bald seinen traditionellen Schrecken und wird zu einer Kapazitätsgröße, mit der sich ebenso leicht und anschaulich rechnen und operieren läßt wie mit einer Wasser- oder Elektrizitätsmenge und welche die entropiehaltigen chemischen Substanzen als „thermische Kondensatoren" auffassen und verstehen läßt. So ist ein Buch entstanden, das in mancherlei Hinsicht von den herkömmlichen Büchern gleicher Themenstellung abweicht und damit seine Berechtigung neben diesen Werken besitzen dürfte. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß das vorliegende Lehrbuch entsprechend seinem Untertitel nur eine E i n f ü h r u n g in das Gebiet der chemischen Affinität sein soll. Es beschränkt sich daher auf das W e s e n t l i c h e , da es dem Verfasser wichtiger erschien. Weniges gründlich, als Vieles ob21 flächlich zu bringen. Keineswegs wurde beabsichtigt, ein „leichtes" Buch zu schreiben. Vielmehr wird der Leser bald feststellen, daß das Studium des Werkes eine gründliche und aufgeschlossene Mitarbeit des Benutzers voraussetzt. Penn ein wissenschaftliches Lehrbuch hat nach Meinung des Verfassers nur d a n n einen pädagogischen Wert, wenn es dem Leser das Denken nicht abnimmt, sondern ihn im Gegenteil dazu zwingt. Von einer Schilderung der historischen Entwicklung des Affinitätsbegriffs, so reizvoll diese an sich gewesen wäre, wurde im Interesse einer Beschränkung des äußeren Umfangs abgesehen, so daß der Text gleich mitten in die Probleme hineinführt. Meiner lieben Frau danke ich für die mühevolle Arbeit der Anfertigung des ausführlichen Registers, dem Verlag für sein Eingehen auf alle drucktechnischen Wünsche. München, im Mai 1951
Egon Wiberg
Inhalt Seite
Α. D e r G e s a m t u m s a t z an E n e r g i e b e i c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n I. D e r e r s t e H a u p t s a t z d e r T h e r m o d y n a m i k
3
II. D i e R e a k t i o n s w ä r m e
6
1. Reaktionsenthalpie und -energie
6
a. Gasreaktionen
7
b. Kondensierte Reaktionen
13
c. Heterogene Reaktionen
14
2. Die Reaktionswärme als angenähertes Affinitätsmaß III.
Der
HESS s e h e
. . . .
17
Satz
19
1. Indirekte Ermittlung von Reaktionswärmen 2. Tabellierung von Reaktionswärmen
20 25
B. D e r U m s a t z a n f r e i e r E n e r g i e b e i c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n I. D e r z w e i t e H a u p t s a t z d e r T h e r m o d y n a m i k II. D i e R e a k t i o n s a r b e i t
3
26 27
•
55
1. Ermittlung der chemischen Arbeitsleistung
35
a. Leistung mechanischer Reaktionsarbeit
54
oc. Die Reaktionsisotherme
54
ß. Die isochore und isobare maximale Arbeit
43
b. Leistung elektrischer Reaktionsarbeit
45
2. Die maximale Arbeitsleistung als Affinitätsmaß
52
a. Reaktionsisotherme und Affinität
52
b. Das Reaktionspotential
54
5. Das Reaktionspotential als M a ß der chemischen Triebkraft
.
a. Das elektrochemische Reaktionspotential
58 58
a . Zerlegung in Einzelpotentiale (Redox-Potentiale) . . .
58
ß. Die elektrochemische Spannungsreihe
64
aa. Das Oxydations- und Reduktionsvermögen (Die elektromotorische Kraft)
64
bb. Die Konzentrationsabhängigkeit des Oxydations- und Reduktionsvermögens
70
cc. Nutzanwendung
74
b. Das chemische Reaktionspotenlial
85
cc. Zerlegung in Einzelwerte
85
aa. Der Begriff des chemischen Reaktions- und Einzelpotentials
85
bb. Der Begriff des chemischen Reaktions- und Einzelexponenten
92 II*
XII
Inhalt Seite
β. Die chemische Spanniingsreihe 94 aa. Die chemische Triebkraft (chemomotorische Kraft) 94 bb. Die Konzentrationsabhängigkeit der chemischen Triebkraft 97 cc. Nutzanwendung 101 c. Das protochemische Reaktionspotential α. Zerlegung in Einzelpotentiale (Säure-Base-Potentiale) . ß. Die protochemische Spannungsreilie aa. Die Acidität und Basizität (protoinotorische Kraft) bb. Die Konzentrationsabhängigkeit der Acidität und Basizität cc. Nutzanwendung III. D e r
BORN-HABER
sehe Satz
118 122 126
1. Indirekte Ermittlung von Reaktionsarbeiten 2. Tabellierung von Reaktionsarbeiten C. D e r U m s a t z a n g e b u n d e n e r E n e r g i e b e i
111 111 117 117
127 131
chemischen
Reaktionen I. D e r d r i t t e H a u p t s a t z d e r T h e r m o d y n a m i k
155 154
1. Der Energiebegriff a. Die Energiefaktoren b. Das Intensitätsgesetz
134 134 157
2. Der Entropiebegriff : a. Der Entropieinhalt chemischer Stoffe b. Der Entropieinhalt als Zustandsfunktion
140 140 148
II. D i e R e a k t i o n s e n t r o p i e
155
1. Die Absolutberechnung von Reaktionsarbeiten aus Reaktionswärme und Reaktionsentropie 155 2. Die Reaktionsentropie als Temperaturfunktion a. Die Temperaturabhängigkeit der gesamten, freien und gebundenen Reaktionsenergie a . Rechnerische Auswertung ß. Graphische Auswertung b. Die CARNOT-CLAusiussche und KiRCHHOFFsche Gleichung . c. Die Reaktionsisochore und -isobare
161 161 161 168 176 181
ΠΙ. D a s Ü L i C H s c h e N ä h e r u n g s v e r f a h r e n 185 1. Anwendung auf die Reaktionsentropie, Reaktionswärme und Reaktionsarbeit 185 2. Anwendung auf das chemische Potential 196 Anhang Tabellarische Zusammenstellung von Normal-Bildungsarbeiten . . . 204 Auswahl von elektrochemischen, chemischen und protochemischen Normalpotentialen 218 Register
238
Jede chemische Reaktion ist nicht nur mit einem Stoffumsatz, sondern auch mit einem E n e r g i e u m s a t z verknüpft. Dieser Energieumsatz äußert sich, wenn die Reaktion in einem abgeschlossenem Reaktionsgefäß ohne besondere Versuchsvorrichtungen durchgeführt wird, in der E n t w i c k l u n g oder dem Verbrauch einer für die betreffende Umsetzung charakteristischen W ä r m e m e n g e W R e a i t i o n („Reaktionswärme")• Vorgänge, bei denen Wärme abgegeben wird, bezeichnet man als „exotherm", solche, bei denen Wärme a u f g e n o m men wird, als „endotherm". Man glaubte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, daß nur exotherme Reaktionen f r e i w i l l i g verlaufen könnten und daß der Zahlenwert der Reaktionswärme ein Maß für die T r i e b k r a f t {„Affinität") einer chemischen Umsetzung sei. Dies trifft aber, wie wir heute wissen, nur in roher A n n ä h e r u n g zu. In Wirklichkeit ist die bei einer chemischen Reaktion umgesetzte Wärmemenge eine komplexe Größe, die sich aus zwei verschiedenen Energieanteilen zusammensetzt. Der eine dieser beiden Anteile ist seiner Energieform nach nicht festgelegt und bei geeigneter Versuchsanordnung (ζ. B. in galvanischen Elementen) zur Leistung von Arbeit freiverfügbar („jfreie Energie"), während der andere nur als W ä r m e auftreten kann, in seiner Energieform also gebunden ist (,,gebundene Energie")·. ^Reaktion
=
W frei + W gebunden .
(l)
Lediglich der f r e i e , d. h. auch in a n d e r e r als Wärmeform umsetzbare Energieanteil bestimmt nach Vorzeichen und Größe die R i c h t u n g und die T r i e b k r a f t chemischer Umsetzungen, indem nur solche Reaktionen freiwillig ablaufen, die freie Energie abzugeben imstande sind, und indem die Ablauftendenz umso gxößei ist, je m e h r Arbeit geleistet weiden kann. Der Umsatz an g e b u n d e n e r Energie ist mit der unter dieser treibenden Kraft der freien Energie ablaufenden Reaktion z w a n g s l ä u f i g verknüpft. Vorzeichen und Größe W i b e r g , Chemische Affinität
1
2 d i e s e s Umsatzes können zwar gemäß (1) das Vorzeichen der R e a k t i o n s w ä r m e W R e a k t k m und damit den e x o t h e r m e n oder e n d o t h e r m e n Charakter des Vorgangs, nicht aber die — allein durch W f r e i festgelegte —- R i c h t u n g und A f f i n i t ä t der Reaktion bei der gegebenen Temperatur beeinflussen. Nur in Fällen, in denen Wgebunden praktisch zu vernachlässigen ist (vgl. S. 158ff.), wird nach (1) W R e a k t i o n = W f r e i und damit die Reaktionswärme direkt zum Maß der Reaktionsaffinität. Bezüglich der V o r z e i c h e n g e b u n g , die früher recht uneinheitlich war, ist man jetzt international übereingekommen, alle von einem chemischen System a b g e g e b e n e n Energiemengen mit einem n e g a t i v e n , alle von ihm a u f g e n o m m e n e n Energiebeträge mit einem p o s i t i v e n Vorzeichen zu versehen, da das betrachtete System im ersteren Fall eine E n e r g i e v e r m i n d e r u n g , i m letzteren eine E n e r g i e v e r m e h r u n g erfährt 1 ). Beträgt also z . B . der Wärmeumsatz einer Reaktion (—) 96.23 kcal, so besagt dies, daß beim Reaktionsablauf 96.23 kcal f r e i w e r d e n . Ein Wärmeumsatz von (-|-) 48.37 kcal bedeutet umgekehrt eine A u f n a h m e von 48.37 kcal während der Umsetzung.
Entsprechend der durch Gleichung (1) gegebenen natürlichen Einteilung wollen wir uns im folgenden zunächst mit dem G e s a m t b e t r a g der Reaktionswärme (TeilA), anschließend dann mit den beiden T e i l g l i e d e r n , der f r e i e n (Teil R) und der g e b u n d e n e n Energie (Teil C) befassen. Der G e s a m t u m s a t z wird durch den e r s t e n -(S. 5ff.), der Umsatz an f r e i e r Energie durch den z w e i t e n (S. 27ff.) und der Umsatz an g e b u n d e n e r Energie durch den d r i t t e n Hauptsatz der Wärmelehre (S. 154ff.) geregelt. Maßgeblich zugeordnet sind dabei den drei genannten Energiebeträgen die Regriffe der Reaktionsw ä r m e (S. 6ff.), Reaktionsarbeit (S. 53ff.) und Reaktionsentropie (S. 155ff.). Anfangs werden wir nur „isotherme", d. h. bei k o n s t a n t e r T e m p e r a t u r ablaufende Reaktionen betrachten. Auf die T e m p e r a t u r a b h ä n g i g k e i t der verschiedenen Energiegrößen (1) wird erst im dritten Teil C eingegangen, da diese in ursächlichem Zusammenhang mit der g e b u n d e n e n E n e r g i e steht. *) Um den rein f o r m a l e n Charakter dieser internationalen Festlegung zu betonen (die genau so gut — oder sogar besser — auch umgekehrt hätte getroffen werden können), werden die Vorzeichen im vorliegenden Buch den zugehörigen Energiegrößen e i n g e k l a m m e r t beigefügt.
Α. Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen I. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik Der „ e r s t e Hauptsatz d e r T h e r m o d y n a m i k " besagt: Die von irgendeinem chemischen oder physikalischen System während irgendeines Reaktionsablaufs insgesamt abgegebene oder aufgenommene Energiemenge ist nur vom Anfangs- und Endzustand des Systems, nicht aber vom Weg des Vorgangs abhängig. Führt man also (Abb. 1) ein physikalisches oder chemisches System das eine Mal auf einem Weg 1, das andere Mal auf einem Weg 2 von einem definierten Anfangszustand I in einen ebenfalls genau festgelegten Endzustand II über, so sind die Λ (fíeaktionswegl) Anfangszustandl
Endzustand
IC
/ReaktionswegZ) Abb. 1. D e r e r s t e H a u p t s a t z Nach dem ersten Hauptsatz ist die beim Ubergang· eines Systems von einem Anfangszustand I in einen Endzustand I I insgesamt umgesetzte Energiemenge U unabhängig vom Reaktionsweg: 1 ^ = U 2 .
auf beiden Wegen gewonnenen oder verbrauchten Energiemengen U einander gleich : U
1 =
U,
(2)
Der erste Hauptsatz ist ein E r f a h r u n g s s a t z und zwar ein durch n e g a t i v e Experimentalergebnisse gewonnener Erfahrungssatz. Er 1*
4
Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
gründet sich unter anderem auf zahllose vergebliche Versuche unglücklicher Erfinder, eine Maschine zur E r z e u g u n g von E n e r g i e a u s d e m N i c h t s {„perpetuimi mobile erster Art") zu konstruieren. Eine solche Maschine ergäbe auf einem Weg 1 (Abb. 1) ein bestimmtes Quantum U 1 an Energie und wäre auf einem anderen Weg 2 unter Aufwand der k l e i n e r e n Energiemenge U2 wieder in den Ausgangszustand zurückzuversetzen, so daß sie stets zu erneuter Energielieferung bereitstünde und bei e n t s p r e c h e n d h ä u f i g w i e d e r h o l t e r P r o z e d u r mit einer Energieausbeute von AU = U 1 — U 2 je „Kreisprozeß" b e l i e b i g g r o ß e E n e r g i e m e n g e n aus dem Nichts erschüfe. Die E r f a h r u n g lehrt, daß ein solches perpetuum mobile nicht konstruierbar ist und zwingt damit zur Aufstellung des eingangs formulierten Hauptsatzes und der Beziehung (2), wonach Energie w e d e r g e z e u g t n o c h v e r n i c h t e t werden kann („nihilßt de nihilo, nihil fit ad nihilum" ·. „Nichts wird aus Nichts, Nichts wird zu Nichts"). Wohl aber ist, wie ebenfalls die E r f a h r u n g zeigt, die U m w a n d l u n g e i n e r E n e r g i e f o r m i n e i n e a n d e r e , also etwa von mechanischer in thermische (z. B. bei der Reibung) oder von elektrischer in mechanische Energie (z. B. vermittels eines Motors) möglich. Entsprechend Beziehung (2) ist dabei einer bestimmten Anzahl von Maßeinheiten der e i n e n Energieform eine bestimmte Anzahl von Maßeinheiten der a n d e r e n Energieform „-äquivalent". Denn die von irgendeinem System beispielsweise auf einem reibungsfreien Weg 1 in Form m e c h a n i s c h e r Energie gewonnene Energie Uj muß ja gemäß dem ersten Hauptsatz ihrem energetischen Betrag nach gleich der von demselben System auf einem zweiten Weg 2 vermittels Reibung in Form von W ä r m e erhaltenen Energiemenge U 2 sein. Das erste derartige „Energieäquivalent", das „mechanische JVärmeäqidvalent", wurde im Jahre 1842 von dem deutschen Arzt JULIUS ROBERT MAYER (1814—1878) ermittelt, dem wir auch die Erkenntnis des ersten Hauptsatzes der Wärmelehre verdanken. Der englische Physiker JAMES PRESCOTT JOULE (1818—1889) verbesserte dann im darauffolgenden Jahre den Zahlenwert dieses Umrechnungsfaktors durch eigene, sehr genaue Messungen. Nachfolgende Tabelle enthält eine für die späteren Rechnungen nützliche Auswahl solcher Umrechnungsfaktoren für verschiedene Energieformen:
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
5
Energieäquivalente Absolutes Maß Erg
1 Erg 1 Meter-Kilogramm = 1 Liter-Atmosphäre 1 Faraday-Volt 1 Coulomb-Volt — 1 Kilokalorie = Gaskonstante R x l °
-
1 9.8067 XlO 7 1.0133x10» 9.6519 XlO 1 1 1.0003 XlO 7 4.1853 XlO 1 0 8.3149 XlO 7
Mechanisches Maß Meter-KilogTamm
Liter-Atmosphären
1.0197 X l O " 8 1 1.0332 χΙΟ 1 9.8422 XlO 3 1.0200 X l O - 1 4.2678 XlO 2 8.4788 X l O " 1
9.8692 χ Ι Ο - 1 0 9.6784X10-2 1 9.5256 χΙΟ 2 9.8722 X l O - 3 4.1306 XlO 1 8.2062X10-2
Elektrisches Maß lErg = 1 Meter-Kilogramm — 1 Liter-Atmosphäre = 1 Faraday-Volt 1 Coulomb-Volt = 1 Kilokalorie = = Gaskonstante R X1°
Wärmemaß
Faraday-Volt
Coulomb-Volt
Kilokalorien
1.0361 X l O - 1 2 1.0161 X l O - 4 1.0498 X l O - 3 1 1.0364 X l O - 5 4.3363 X l O " 2 8.6148 χ Ι Ο - 5
9.9970 X l O " 8 9.8037x10° 1.0129 XlO 2 9.6490 XlO 4 1 4.1840 XlO 3 8.3124x10°
2.3893 XlO - 1 1 2.3431 χ Ι Ο - 3 2.4210X10-2 2.3061 XlO 1 2.3900 X l O - 4 1 1.9867 χ Ι Ο " 3
So entspricht etwa nach, dieser Tabelle der Wiirmebetrag von 1 Kilokalorie einer mechanischen Energie von 426.78 Meter-Kilogramm, d. h. derjenigen Arbeit, die erforderlich ist, um rund S1/2 Zentner 1 Meter hoch zu heben.
Auf den Spezialfall c h e m i s c h e r Reaktionen angewandt, besagt der erste Hauptsatz, daß die bei c h e m i s c h e n Vorgängen i n s g e s a m t umgesetzte Energiemenge nur vom A n f a n g s - u n d E n d z u s t a n d des Systems, nicht dagegen vom c h e m i s c h e n R e a k t i o n s w e g bestimmt wird. Die abgegebene (aufgenommene) Gesamtenergie ist also unabhängig davon, ob der Vorgang beispielsweise das eine Mal unter Umsatz von W ä r m e und A r b e i t , das andere Mal unter alleinigem Umsatz .von W ä r m e oder das eine Mal d i r e k t , das andere Mal in S t u f e n durchgeführt wird. Die nähere Besprechung dieser Verhältnisse wird uns im folgenden Gelegenheit geben, auf den zahlenmäßigen Unterschied der Reaktionswärme bei k o n s t a n t e m D r u c k und bei k o n s t a n t e m V o l u m e n einzugehen.
6
Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
II. Die Reaktionswärme 1. Reaktionsenthalpie und -energie Man kann eine chemische Reaktion bei k o n s t a n t e m ä u ß e r e n D r u c k ρ („isobare" Reaktion) oder bei k o n s t a n t e m ä u ß e r e n Vol u m e n ν („.isochore" Reaktion) ablaufen lassen. Die im ersteren Fall je „Formelumsatz"2) entwickelte oder verbrauchte Wärmemenge („Reaktionswärme") heißt „Reaktionswärme bei konstantem Druck" oder ..Reaktionsenthalpie" (Wp> Reaktion)! die im zweiten Fall umgesetzte Wärme wird „Reaktionswärme bei konstantem Volumen" oder ,,Reaktionsenergie" (W v Reaktion) genannt. Man pflegt die Reaktionswärme •— und zwar meist die praktisch wichtigere Reaktionsenthalpie — mit in die chemische Reaktionsgleichung aufzunehmen. Dadurch wird diese zur „thermochemischen Reaktionsgleichung". Das V o r z e i c h e n der Reaktionswärme stimmt dabei mit der internationalen Vereinbarung (S. 2) überein, wenn die Kalorienzahl auf die l i n k e Seite der Reaktionsgleichung gesetzt, d. h. dem A u s g a n g s s y s t e m beigefügt wird. Eine Gleichung wie N 2 + 0 2 + 43.2 kcal
2 NO
(3)
be sagt demnach, daß bei der Bildung von 2 Mol Stickoxyd aus den Elementen 43.2 kcal v e r b r a u c h t werden (positive Reaktionswärme, elso Energiea u f n a h m e seitens des Systems). Umgekehrt geht beispielsweise aus der Gleichung 3 H 2 + N 2 — 22.1 kcal ^ 2 NH3 (4) hervor, daß bei der Synthese von 2 Mol Ammoniak aus den Elementen 22.1 kcal e n t w i c k e l t werden ( n e g a t i v e Reaktionswärme, also Energie a b g a b e seitens des Systems). Gewöhnlich pflegt man allerdings die Reaktionswärme auf die r e c h t e Seite der Reaktionsgleichung zu setzen, wodurch sie das u m g e k e h r t e V o r z e i c h e n erhält: N,tO¡
>• 2 NO — 43.2 kcal
3 H2 + N2
2 NH3 + 22.1 kcal.
(5)
Man nennt sie dann ,, Wärmetönung" und spricht je nach dem Vorzeichen von „positiver" und ,,negativer" Wärmetönung. Das so gegebene Vorzeichen der W ä r m e t ö n u n g ist dem durch internationale Übereinkunft festgelegten Vorzeichen der R e a k t i o n s w ä r m e gerade entgegengesetzt, was leicht zu Verwirrungen führen kann. 2)
Unter „1 Formelumsatz" versteht man einen der R e a k t i o n s g l e i c h u n g entsprechenden Molumsatz, im Falle der Gleichung 3 H2 -f- N2 >- 2 NH3 ;ilso beispielsweise einen Umsatz von 3 Mol Wasserstoff und 1 Mol Stickstoff •/il 2 Mol Ammoniak.
lJie Reaktionswärme
7
D e r Z u s a m m e n h a n g zwischen der Reaktions e η t h a 1 ρ i eW p| Reaktion und der Reaktionsenergie W V) R e a k t i o n ergibt sich aus dem ersten H a u p t s a t z . Führt man nämlich im Gedankenexperiment eine chemische Reaktion das eine Mal auf einem Weg 1 bei k o n s t a n t e m ä u ß e r e n D r u c k , das andere Mal auf einem Weg 2 in zwei Stufen — unter K o n s t a n t h a l t u n g des ä u ß e r e n V o l u m e n s in der ersten Stufe — durch (Abb. 1), so müssen bei gleichem Anfangs- und Endzustand die auf beiden Wegen jeweils insgesamt umgesetzten Energiemengen und U 2 gemäß (2) einander gleich sein, was zu der gesuchten Beziehung zwischen W p j R e a k t i o n und WV) R e a k t i o r i führt. Im folgenden sei das Ergebnis zunächst einmal für G a s r e á k t i o n e n , anschließend dann für k o n d e n s i e r t e R e a k t i o n e n (Umsetzungen zwischen flüssigen und festen Stoffen) und für h e t e r o g e n e R e a k t i o nen (Umsetzungen unter Beteiligung sowohl gasförmiger wie kondensierter Stoffe) abgeleitet. a. G a s r e a k t i o n e n Lassen wir eine mit einer Zunahme der Ausgangs-Molzahl η um Δ η Mole verknüpfte Gasreaktion (beispielsweise den Zerfall von Ammoniak in die Elemente: 2 NH 3 — > 3 H 2 + N 2 ; η — 2; Δ η = 2) bei k o n s t a n t e m ä u ß e r e n D r u c k ρ ablaufen (Weg 1 in Abb. 2), so wird während der Umsetzung wegen der durch die Vermehrung der Molzahl bedingten Volumenvergrößerung um Δν gegen den Außendruck ρ eine „äußere Volumenarbeit" Α Δ ν im Betrage von Α Δ ν = ( - ) Ρ · Δν
geleistet 3 ).
(6)
W i e jede mechanische Arbeit ist auch die V o l u m e n a r b e i t als das Produkt „Kraft X Weg" definiert. F ü h r t m a n die genannte Gasreaktion in einem Reaktionsgefäß R unter einem beweglichen Stempel S aus, auf welchem der äußere Atmosphärendruck ρ als Gewicht lastet (Abb. 3), so wird die K r a f t durch das Produkt p * q (p = D r u c k = K r a f t je Flächeneinheit; q = Fläche des Stempels), der W e g durch die Höhenverschiebung h des Stempels während der reaktionsbedingten Volumenvergrößerung wiedergegeben. D a m i t ergibt sich f ü r die Volumenarbeit die Beziehung Kraft Weg Α
Δν =
(—)
ρ · q · h Druck Volumen
(7;
3 ) Das M i n u s z e i c h e n besagt, daß in Übereinstimmung m i t d e r internationalen Vorzeichengebung (S. 2) einer V o l u m e n z u n a h m e (Δν positiv) eine Arbeits a b g a b e (A negativ) seitens des Systems entspricht und u m g e k e h r t .
8
Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
welche mit (6) identisch ist, da das Produkt q · h die Volumenzunahme Δν bei der Umsetzung· darstellt 4 ). Die bei der betrachteten isobaren Gasreaktion auf dem W e g 1 (Abb. 2) i n s g e s a m t umgesetzie Energiemenge U_ Reaktion setzt sich nun aus der eigentlichen R e a k t i o n s w ä r m e W p u
p, Reaktion • ty. Reaktion
"
S
Ρ
~
'
{Weg 7: « >arer
I
ReakUon
und der
'P^äas
Reaktionsablauf)
iasreaktion
A ηfangs system
isobares
(WegZa.-isochorer
Reaktionsablauf)
Vv, Reaktion ·
Reaktion
ptÁp
Endsustem
!
(Weg¿b:Entspannur>gaufAusgaiysdmcty
¡¡ochares ¿ndsustem
Abb. 2. Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n i s o b a r e r und i s o c l i o r e r tionswärme bei Gasreaktionen
Reak-
Nach dem ersten Hauptsatz (UP) Reaktion = U v, Reaktion + u a v ) unterscheidet sich bei Gasreaktionen die isobare Reaktionswärme (W P i Reaktion) von der isochoren ( W v Reaktion) u m den Betrag der beim isobaren Reaktionsablauf zusätzlich umgesetzten äußeren (ρ · Δν) und inneren (ττ · Δν) Volumen arbeit des Gassystems: Wp> Reaktion = W v , Reaktion + (p • Δν + ir · Av) G a s . hier b e s p r o c h e n e n V o l u m e n a r b e i t Α Δ ν (6) zusammen: Up< R e a k t i 0 j l = Wp, Reaktion +
Α
Δν.
odeI
Einfühlung von (6):
bei
U p , Reaktion
=
^ p , Reaktion
Ρ ' Δν.
(8)
Führen wir die gleiche Reaktion bei k o n s t a n t e m ä u ß e r e n V o l u m e n ν durch (Weg 2 a in Abb. 2), so wird k e i n e ä u ß e r e V o l u m e n a r b e i t geleistet. Hier stellt also die bei dem Vorgang aufgenommene oder abgegebene Reaktionswärme W T Reaktion direkt den G e s a m t 4)
Die gleiche Volumenarbeit (6) wird natürlich auch geleistet, wenn sich die Reaktion nicht, wie hier der leichteren Ableitung halber angenommen, unter einem beweglichen Stempel, sondern an der o f f e n e n A t m o s p h ä r e abspielt, da auch dann die äußere Atmosphäre um einen Betrag Δν verdrängt: wird.
9
Die Reaktionswärme Endsteilung des Stempels h
ybeweglicher Stempel ( Querschnitt
A nfangssteHung• des Stempels
•Reaktionsgefaß
S q) R
Abb. 5. I s o b a r e
Durchführung einer mit Volumenvergrößerung verbundenen Gasreaktion Die i m Reaktionsgefaß R unter Vermehrung des Gasvolumens um den Wert Δ ν isotherm ablaufende chemische Reaktion treibt unter Überwindung eines konstanten Gegendrucks ρ den beweglichen Stempel S (Querschnitt q) um die Strecke h nach oben und leistet dabei die äußere Volumenarbeit Α Δ ν = ρ · q · h = ρ · Δν. u m s a t z UTi
Reakt¡on
an Energie w a h r e n d der isochoren Reaktion d a r : Reaktion
=
^ v , Reaktion'
(9)
Dieser Gesamtumsatz bei k o n s t a n t e m V o l u m e n (9) ist aber m i t dem Gesamtumsatz bei k o n s t a n t e m D r u c k (8) nicht identisch, da (vgl. Abb. 2) der Endzustand in beiden Fällen nicht der gleiche ist. U m zum gleichen Endzustand w i e bei W e g 1 zu gelangen, m u ß das Reaktionsprodukt
noch auf
das dort eingenommene
Endvolumen
ν -f- Δ ν ausgedehnt w e r d e n ( W e g 2 b in Abb. 2). Z u diesem Zweck entspannen w i r das Gas ohne äußere Arbeitsleistung 5 ) auf den Ausgangsdruck ρ des Systems, entsprechend einer Volumenzunahme u m Δ ν . Dabei m u ß gegen den
„innerenDruck"
π , d. h. gegen die zwischen-
molekularen Anziehungskräfte eine „ i n n e r e V o l u m e n a r b e i t " U A v geleistet werden, die entsprechend (6) durch die Beziehung UAV = (+) π · Δν
(10)
wiedergegeben w i r d 6 ) . 5)
Man könnte genau so gut die Entspannung auch gegen einen ä u ß e r e n D r u c k , also unter äußerer Arbeitsleistung vornehmen, da nach dem ersten Hauptsatz der Gesamtumsatz Ein Energie nur vom Anfangs- und Endzustand des Systems, nicht dagegen vom Reaktionsweg abhängig ist. Der zusätzlich geleisteten ä u ß e r e n A r b e i t entspräche dann eine äquivalente W ä r m e a u f n a h m e aus der Umgebung, wobei sich die beiden Energiebeträge wegen ihres entgegengesetzten Vorzeichens in der Gesamtenergiebilanz gegenseitig aufhöben (vgl. S. 32). ' ) Hier ist nicht wie bei (6) ein M i n u s - , sondern ein Pluszeichen zu setzen, weil einer V o l u m e n z u n a h m e (Δν positiv) in diesem Falle eine Energie-
10
Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
Insgesamt ergibt sich damit der Energieumsatz U p K e a k t i o n auf dem Weg 2 (Abb. 2) als die Summe Up> Reaktion = U v, Reaktion + U¿, v oder bei Einfühlung von (9) und (10) U p , Reaktion
=
^v,
Reaktion +
π ·Δ ν ,
(11)
eine Beziehung, die der Gleichung (8) an die Seite zu stellen ist. Der gesuchte Zusammenhang zwischen der Reaktionsenthalpie W„ Reaktion un R e a k t i o n — ρ · Δ ν =W V> R e a k t i o n + tr · Δ ν oder: W " ρ , Reaktion — W T > Reaktion + (ρ · Δ ν + π · Δ ν ) Reaktionsenthalpie
Reaktionsenergie
äußere u n d i n n e r e Volumenarbeit
(12)
Hiernach unterscheidet sich die R e a k t i o n s w ä r m e b e i k o n s t a n t e m D r u c k (W p i Reaktion) v o n ^er R e a k t i o n s w ä r m e b e i k o n s t a n t e m V o l u m e n (W Vj Reakt i 0 n) u m den Betrag der bei der isobaren Reaktion zusätzlich umgesetzten ä u ß e r e n (ρ · Δ ν ) und i n n e r e n (ττ·Δν) V o l u m e n a r b e i t . Ideale Gasreaktionen. Haben wir es mit Reaktionen zwischen i d e a l e n G a s e n zu tun, so ist in (12) der Binnendruck ir und damit auch die innere Volumenarbeit τγ · Δ ν gleich Null, da bei idealen Gasen definitionsgemäß keine zwischenmolekularen Anziehungskräfte vorhanden sind. Hier vereinfacht sich somit die allgemeine Beziehung (12) zu W p , Reaktion
Reaktion + Ρ "
a u f n ä h m e seitens des Systems entspricht. —· Da sich während der Entspannung das Volumen vergrößert und der innere Druck ir mit wachsendem Volumen abnimmt, muß in (10) ein geeigneter M i t t e l w e r t aus den für das A n f a n g s - und Endvolumen (v bzw. ν -f- Δν) gültigen tr-Werten eingesetzt werden. Nehmen wir speziell die Gültigkeit der „VAN DER WAALSschen Gas¿;leichungu
an :
(P + i r ) · (ν — φ) = n - R T (1) (TT = a · N2/v2 ; φ = n - b ; a und b = Stoffkonstanten), so errechnet sich im hier behandelten Fall der M i t t e l w e r t zu: tt = » ( " + Δη)• (II) ν (v + Δν) (η -j- Δη = Molzahl des entspannten Gases), während der An f a n g s w e r t a (η + Δη)2/ν2, der E n d w e r t a (η + Δη)2/(ν + Δν) 2 beträgt.
Die Reaktionswärme
11
D a n u n die Volumenänderung Δ ν auf die Änderung der Molzahl u m Δ η Mole zurückzuführen ist, kann f ü r ρ · Δ ν — unabhängig von der Größe des Versuchsdrucks ρ und von der A r t des Gases — nach der i d e a l e n G a s g l e i c h u n g ρ · ν = n · R T auch der Ausdruck Δ η · R T gesetzt w e r d e n : ρ · Δν = Δη · RT .
(14)
A u f diese W e i s e resultiert f ü r ideale Gasreaktionen die vereinfachte Beziehung : W,
(15)
Reaktion — ^ v , Reaktion + Δ η · R T
wonach für jedes bei einer solchen Reaktion in der Gesamtbilanz n e u auftretende ( Δ η positiv) bzw. verschwindende ( Δ η negativ) Mol die R e a k t i o n s e n t h a l p i e gegenüber der R e a k t i o n s e n e r g i e u m den W e r t RT ist 7 ).
(=
0 . 6 kcal
bei Z i m m e r t e m p e r a t u r ) positiver bzw.
negativer
E s v e r g r ö ß e r t (verkleinert) sich d e m n a c h beim Ü b e r g a n g von
der iso c h o r e n zur i s o b a r e n Reaktion der A b s o l u t w e r t der R e a k tionswärme i m m e r dann, w e n n W v
und Δ α
gleiches
(entgegen-
gesetztes) Vorzeichen tragen. Einige B e i s p i e l e mögen dies verdeutlichen: Im Falle des e n d o t h e r m e n (Wv
Reaktion
positiv) Ammoniak - Z e r f a l l s 2 NH 3
> 3 H2 - f N 2 (Δη = + 2)
ist die aufgenommene Reaktions e η t h a 1 ρ i e W 2 5 £ e a l a i o n ( = ( + ) 22.1 kcal) um
2 R T = 1.2 kcal
g & rößer
als
die
Reaktionsenergie &
W 2ν,5 " Reaktion ,
( = (-[-) 20.9 kcal). Die zusätzlich verbrauchte Wärmemenge von 1.2 kcal ist dabei der während des isobaren Reaktionsablaufs nach außen hin geleisteten Volumenarbeit äquivalent. Ganz entsprechend werden umgekehrt bei der i s o b a r e n N H a - S y n t h e s e (Δη = — - 2 ) 1.2 kcal Wärme m e h r e n t w i c k e l t 25 ( W 2p,5 °Reaktion , . = ( \— )/ 22.1 kcal)/ als bei der i s o c h o r e n Umsetzung ° v( Wv, °Reaktion - (—) 20.9 kcal), da bei konstantem Druck zusätzlich zur Reaktionsenergie Reaktion
noc^
diejenige Wärmemenge
(1.2 kcal) frei wird, die der vom
Außendruck geleisteten Volumenarbeit entspricht. -—• Die im Falle des e x o t h e r m e n Stickoxydul-Zerfalls
2 N20
-V 2 N 2 + 0 2 (Δη = + 1) bei kon-
stantem D r u c k freiwerdende Reaktionswärme ( W p 5 ^ e a k t i o n = (—) 59.0 kcal) ist um R T = 0.6 kcal k l e i n e r als die bei konstantem V o l u m e n entwickelte ') Bei Zimmertemperatur (25° C) hat R T den Wert 0.0019867 X 298.15 = 0.59, bei 500° C den Wert 0.0019867 X 773.15 = 1.54 kcal. Der Zahlenunterschied zwischen Reaktionsenthalpie und Reaktionsenergie liegt also im angegebenen Temperaturbereich in der Größenordnung von 1 kcal je Mol entstehenden (verschwindenden) Reaktions Volumens.
12
Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
(^v 5 Reaktion
=
^—) 39-6 kcal), weil die zur Leistung der äußeren Volumen-
arbeit erforderliche Energie (0.6 kcal) der beim Zerfall freiwerdenden Reaktionswärme W v j^ ea k t j on entnommen wird. Dementsprechend benötigt auch umgekehrt
die
N20-Synthese
( W ^ 5 i R e a i t i o n = ( - f ) 59.0 kcal) zufuhr als bei
(Δη = — 1 ) eine
um
konstantem V o l u m e n
bei
0.6 kcal
konstantem geringere =
Druck Energie-
( + ) 39.6 kcal), da
die während des isobaren Reaktionsahlaufs vom äußeren Druck geleistete Arbeit (0.6 kcal) einen Teil des Energiebedarfs der Reaktion deckt. — I m Falle der SricAoxyd-Bildung aus den Elementen, N¡¡ + 0 2 2 NO (Δη = 0), haben R e a k t i o n s e n t h a l p i e und R e a k t i o n s e n e r g i e in Übereinstimmung mit (15) den g l e i c h e n Wert ( W ^ = W ^ ^ = ( + ) 45.2 kcal).
Reale Gasreaktionen. Handelt es sich um Reaktionen zwischen r e a l e n G a s e n , so hat die Größe ττ in (12), soweit man bei Atmosphärendruck (p = 1) arbeitet, zwar einen verhältnismäßig kleinen 8 ), aber doch von Null verschiedenen Wert. Hier muß daher die ungekürzte Beziehung (12) angewandt werden. Gemäß der realen Gasgleichung9) gilt nun in diesem Falle: (ρ + ττ) · (Δν — Δη · b) = Δη · R T .
(16)
Hiernach ist, wenn wir das praktisch zu vernachlässigende Covolumen b außeraclit lassen10), das der äußeren und inneren Arbeitsleistung Rechnung tragende Zusatzglied (ρ + ττ) · Δν in (12) « Δ η · RT, so daß man, ohne einen großen Fehler zu begehen, die streng nur für i d e a l e Gasreaktionen gültige Beziehung (15) auch auf r e a l e Gasreaktionen anwenden kann 1 1 ). 8 ) Bei 1 Atm. Druck und 0° G liegen die Binnendrucke ir der realen Gase in der Größenordnung von 0.001 bis 0.1 Atm. Bei hohen Drucken können sie dagegen erhebliche Werte annehmen. So beträgt der Binnendruck des Kohlendioxyds bei 50 Atm. Außendruck 25 Atm., bei 100 Atm. Außendruck weit über 700 Atm. 9 ) Vgl. (I) in Anmerkung 6. 10 ) b ist, ausgenommen bei dipollosen Substanzen, meist um etwa eine Zehnerpotenz kleiner als ττ (p = 1 Atm.). u ) Die Größe ir in (16) entspricht eigentlich dem Ausdruck a ( n + A n ) 2 / ( v + Δ ν ) 2 , während in (12) für ττ der M i t t e l w e r t II (Anmerkung 6) einzusetzen ist. Dementsprechend ist, soweit man das Covolumen b (16) vernachlässigen kann, das Glied (ρ + ττ) · Δ ν in (12) bei den mit einer Volumen V e r g r ö ß e r u n g (Δν positiv) verknüpften Reaktionen etwas g r o ß e r , bei den mit einer Volumenv e r m i n d e r u n g (Δν negativ) verbundenen Umsetzungen etwas k l e i n e r als Δη · RT.
13
Die Reaktionswärme
b. K o n d e n s i e r t e
Reaktionen
Unter „kondensierten Reaktionen" versteht man Umsetzungen zwischen „kondensierten", d. h. f l ü s s i g e n oder f e s t e n Stoffen. Gemäß Abb. 4 möge sich eine derartige Reaktion in einem mit einem indifferentem Gas gefüllten Reaktionsgefäß das eine Mal bei k o n stantem
äußeren
stantem
ä u ß e r e n 1 2 ) V o l u m e n ν ( W e g 2 a ) abspielen. Für den
Zusammenhang
D r u c k ρ (Weg 1), das andere Mal bei k o n -
zwischen
Reaktionsenthalpie
und
Reaktions-
e n e r g i e ergibt dann eine der Ableitung bei Gasreaktionen (S. 7 ff.) analoge Betrachtung die Beziehung: Wp,
Reaktion
= W v>
Reaktion
+ (ρ · Δ ν +
TT
• Δν'),
(17)
die ganz der für Gasreaktionen gültigen Gleichung (12) entspricht 13 ). up,
Reaktion
° Wp, Reaktion
( Weg hisobarer
-P-&
Reaktionsablauf
vkond.
)
Kondensierte Reaktion kondensierte Phase
Anfangssystem
kondensierte P/rase isobares
{Weg Za: isochorer υν,
Reaktion
·
Keaktionsab/auf)_
indifferentes Gas
Reaktion
pt-àp tsochores
Abb. 4.
Ends Lìstem
(Weg2b: Entspannung auf Ausgangsdruckìj
"SSL Endsystem
Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n i s o b a r e r und i s o c l i o r e r tionswärme bei kondensierten Reaktionen
Reak-
Nach dem ersten Hauptsatz (Up> Reaktion = U v , Reaktion + υ Δ ν ) unterscheidet sich bei kondensierten Reaktionen die isobare Reaktionswärme CWp, Reaktion) v o n c ' e r isoclioren (W v < Reaktion) u m c^en Retrag der beim isobaren Reaktionsablauf zusätzlich umgesetzten äußeren (ρ ·Δν) und inneren (π · Δ ν ' ) Volumenarbeit des kondensierten Systems: W p > Reaktion = ^ v , Reaktion _ (ρ . Δν + π · A v ' ) k o n d . . 12 ) Unter „ ä u ß e r e m " Volumen ist die Summe der Volumina von indifferentem Gas und kondensierter Phase zu verstehen. Die „isochore" kondensierte Reaktion kann also durchaus mit einer Volumenänderung des kondensierten Systems verknüpft sein. Die Volumenänderung ist aber durchweg sehr klein 1 4 ). 13 ) Die mit der äußeren und inneren Arbeitsleistung verknüpften VolumenMinderungen (Δν bzw. Δν') sind hier nicht wie im Falle der Gasreaktionen
14
Der Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
Nun kann der Klammerausdruck in (17) durchweg v e r n a c h l ä s s i g t werden, da die Volumenänderungen Δ ν und Δ ν ' und damit auch die zugehörigen thermischen Effekte bei kondensierteil Reaktionen v e r s c h w i n d e n d k l e i n (Giößenoidnung: 1 / 1 0 0 0 kcal) sind 1 4 ) 15 ). Damit geht (17) in die vereinfachte Form W — W ' ' p, Reaktion " ' v, Reaktion
(18)
über, wonach sich R e a k t i o n s e n t h a l p i e und - e n e r g i e hei k o n d e n s i e r t e n Umsetzungen praktisch nicht voneinander unterscheiden. Reträgt also beispielsweise die Reaktionswärme der Umsetzung 2 AgJ fe¡>t + P b f ( , s l — > 2 A g f e s t + P b J 2 f e s t bei k o n s t a n t e m D r u c k (—) 12.25 kcal (25° C), so hat die Reaktionswärme bei k o n s t a n t e m V o l u m e n den gleichen Wert. In analoger Weise sind auch die isochoren und isobaren Wärme tön ungen kondensierter p h y s i k a l i s c h e r Umwandlungen, wie etwa des S c h m e l z e n s und G e f r i e r e n s {„Schmelzwärme", ,,Erstarriingsiuärme") oder der wechselseitigen U m w a n d l u n g fester oder flüssiger Modifikationen ( , , U m w a n d l u n g s w ä r m e " ) bei gegebener Temperatur praktisch unabhängig von den übrigen äußeren Bedingungen. c. H e t e r o g e n e
Reaktionen
Chemische Umsetzungen, an denen sowohl g a s f ö r m i g e wie k o n d e n s i e r t e Stoffe beteiligt sind, werden als „ h e t e r o g e n e Reaktionen" (12) identisch, sondern unterscheiden sich voneinander um den Betrag· der bei der äußerlich isochoren kondensierten Reaktion auftretenden Volum enänderung der k o n d e n s i e r t e n Reaktionsteilnehmer (vgl. Anmerkung 12). 14 ) Während das Molvolumen der G a s e bei 0° und 760 m m Druck 22.4 1 beträgt, liegt das Molvolumen der meisten f l ü s s i g e n und f e s t e n Stoffe unter den gleichen Bedingungen in der Größenordnung von 0.01 bis 0.1 Î. Daher ist Δν und damit auch die äußere Arbeitsleistung ρ · Δν großen ordnungsmäßig hundert- bis tausendmal kleiner als bei Gasen 7 ), so daß ρ · Δ* bei den normalen Versuchstemperaturen in der Größenordnung von 1 / 1 0 0 0 kcal je Mol verschwindenden (entstehenden) kondensierten Reaktionsraums liegt. 16 ) Die Volumenänderung Δ ν ' der kondensierten Stoffe bei der Druckänderung während des Reaktionswegs 2 b (Abb. 4) beträgt je Atmosphäre Druckunterschied größenordnungsmäßig Viooooooo ^is 1 /ioooo c ' e s Ausgangs volumens, verschwindet also praktisch vollkommen gegenüber dem an sich schon zu vernachlässigenden 14 ) kondensierten Molvolumen. Δ ν ' ist somit noch um viele Größenordnungen kleiner als Δ ν 1 4 ) und kann daher praktisch gleich >«u)l gesetzt werden 1 9 ).
Die Reaktionswärme
15
bezeichnet. Die hier zwischen Reaktionsenthalpie und - e n e r g i e bestehende Beziehung ist, wie eine Ableitung an Hand von Abb. 5 (vgl. Abb. 2 und 4) zeigt, die gleiche wie bei G a s - und k o n d e n s i e r t e n Reaktionen, nur daß die dort durch den Klammerausdruck (12), (17) wiedergegebene Volumenarbeit in diesem Falle naturgemäß sowohl für den gasförmigen wie für den kondensierten Anteil des chemischen Systems einzusetzen ist 1 6 ): Wp, R e a k t i o n = W v ,
Rea
ktion+ ( ρ · Δ ν + TT-Av')Gas + ( ρ · Δ ν + π p. Reaktion * h'p, Reaktion ·Ρ v6as -f f Weg /. isobarer Reaktionsablauf
ü
konii
Δ
v
'
Heterogene Reaktion
.gasformige Pnase
Wangssystem
Δ ν ' ) kond. -
kondensierte Phase
isobares Endsgstem
< Weg2a. isochorer Reaktionsablauf ) Uv. Reaktion ' K/, Reaktion
S®
í Wegsb: Entspannung aufAusgangsdruà\ ti¿ ν - fx-Δ υ-els + ΙΧ-Δ v'/Ao.n¿
isochores Endsgstem
Abb. 5. Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n i s o b a r e r u n d i s o c h o r e r t i o n s w ä r m e bei h e t e r o g e n e n R e a k t i o n e n
Reak-
Nach dem ersten Hauptsatz (U p> Reaktion = U v , Reaktion + U A v ) unterscheidet sich bei heterogenen Reaktionen die isobare Reaktionswärme (W p > Reaktion) von der isochoren (W V j Reaktion) u m den Betrag der beim isobaren Reaktionsablauf zusätzlich umgesetzten äußeren (ρ · Δν) und inneren (ττ · Δν') Volumen arbeit der gasförmigen und kondensierten Phase : W p > R e a k t i o n = W v , Reaktion + (p · Δν + -π- · Δ ν ' ) G a s + (ρ . Δν + ττ · A v ' ) k o n d . . ) Die Volumenänderungen Δ ν ' der gasförmigen ( A v ' G a s ) und der kondensierten Stoffe ( Δ ν ' 1 : ο η ά ) während des Reaktionswegs 2 b (Abb. 5) unterscheiden sich von den Volumenänderungen Δν während des Reaktionswegs 1 (Avgaj bzw. A v k o n d . ) um die Volumenänderung A
konstantes Volumen).
(24)
Alle diese Bildungswärmcn beziehen sich auf eine Temperatur von 25° C. Bei 100° C hat die der Gleichung (22) entsprechende Wärmetönung den etwas größeren Wert 58.0 kcal 2 3 ). Die übrigen Reaktionswärmen sind von diesem Wert ausgehend in analoger Weise wie zuvor zu errechnen, nur daß die Ver2 1 ) Zur Kennzeichnung des gasförmigen (flüssigen, festen) Zustandes von Reaktionsteilnehmern in thermochemischen Gleichungen dienen runde (geschweifte, eckige) K l a m m e r n : ( H 2 0 ) , { H 2 0 } , [ H 2 0 ] . 2 2 ) Solange die Drucke in den Grenzen bleiben, innerhalb deren sich die Reaktionsteilnehmer praktisch wie i d e a l e G a s e verhalten, sind die Reaktionswärmen der Gasreaktionen vom A b s o l u t w e r t des gewählten konstanten Drucks (bzw. Volumens) unabhängig, da Druck- und Volumenänderungen den Energieinhalt idealer Gase nicht beeinflussen.
23
U er ÜESSsclie Satz
dampfungsenthalpie des Wassers in diesem Falle 9.7 statt 10.5 und die Größe K T 0.74 statt 0.59 kcal beträgt. Die den Gleichungen (21), (22), (23) und (24) entsprechenden Wärmetönungen n e h m e n damit bei 100° C die W e r t e 67.5, 58.0, 66.4 und 57.6 kcal an.
Natürlich ist der ÜESssche Satz auch auf dieWärmetönungen p h y s i k a l i s c h e r Vorgänge anwendbar. So gilt ζ. B. ganz allgemein die Beziehung, daß sich die S u b l i m a t i o n s w ä r m e eines festen Stoffs additiv aus seiner S c h m e l z - und V e r d a m p f u n g s w ä r m e zusammensetzt : 12.172 kcal
[FIsO]
(HAO)
0° C: 4.58 mm 1.457 kcal
l 2°}
10.755 kcal
H
Voraussetzung ist dabei, daß sich alle Einzelwerte auf die gleichen Reaktionsbedingungen (gleicher Druck, gleiche Temperatur) beziehen. 2. Tabellierung von Reaktionswärmen Wollte man die Reaktionswärmen aller bekannten chemischen Umsetzungen gesondert aufführen, so wäre dafür ein sehr umfangreiches Tabellenwerk erforderlich. Wie aber eine einfache Überlegung zeigt, genügt es, die — direkt oder indirekt bestimmten — molaren B i l d u n g s w ä r m e n der verschiedenen reinen E i n z e l s t o f f e zu tabellieren, da sich aus diesen Größen ohne weiteres die Reaktionswärmen aller Umsetzungen ableiten lassen, an welchen diese katalogisierten Stoffe beteiligt sind. Denn jede chemische Reaktion des Typus AB + CD -> AD -f- BC kann im Gedankenexperiment in die beiden Stufen einer S p a l t u n g d e r A u s g a n g s s t o f f e in d i e E l e m e n t e (AB + C D A + Β + C + D) und einer B i l d u n g d e r R e a k t i o n s p r o d u k t e a u s den E l e m e n t e n (A + B - f C + D - » AD -f BC) zerlegt werden, so daß sich die gesuchte Reaktionswärme gemäß dem H E S S sehen Satz als die Summe der Reaktionswärmen beider Teilschritte (W R e a k t i o n = "^Spaltung + ^ S p a l t u n g + ^ J U k i u n g + ^ f f i i d u n g ) bzw. als die Differenz der Bildungswärmen der End- und Ausgangsstolfe
(W R e a k t i o n =
^BHdung
" ^BUdung + ^BUdung + ^Biídung)
2a) Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionswärmen wird auf vS. 1 6 6 f f . , 188 behandelt.
24
Oer Gesamtumsatz an Energie bei chemischen Reaktionen
ergibt (W S p a l t u n g = — W B i l d u n g ). Man kann somit die Reaktionswärme einer chemischen Umsetzung ganz allgemein in der Weise errechnen, daß man von der Summe der molaren Bildungswärmen der Endstoffe (ZnWgjSS® 8 ) die Summe der molaren Bildungswärmen der Ausgangsstoffe (ZnW^™ g g s s t o f f e ) i n Abzug bringt 24 ): Roolrtìnn
5· „TJH-Endstoffe ¿.Π VV R:iH11nl.
y -yirAusgangsstoffe
(2δ)
So folgt beispielsweise die Reaktionsenthalpie des ÜEACONprozesses 2 HCl 4- 1/2 Oa H 2 0 + G12 automatisch aus den Bildungsenthalpien des Chlorwasserstoffs ( W ^ u d u n g = (—) 22.0 kcal) und Wasserdampfs (W» : ° B i l d u n g = ( - ) 5 7 . 8 kcal) zu W p D ^ t i o n = [ ( _ ) 57.8] _ [2 χ ( _ ) 22.0] = (—) 13.8 kcal. Man pflegt die molaren Bildungswärmen der Einzelstoffe — und zwar gewöhnlich die praktisch wichtigeren Bildungsenthalpien 2 0 ) — im allgemeinen auf eine Temperatur von 25° C, einen Druck von 1 Atmosphäre und auf die unter diesen Bedingungen stabilen Zustandsformen 2S ) der Reaktionsteilnehmer zu beziehen. Weichen die Reaktionsbedingungen von dieser Festlegung ab, so werden sie besonders gekennzeichnet. Ausführliche Tabellen solcher „NormalBildungswärmen" ( W ^ ß ^ u n g ) chemischer Verbindungen finden sich in zahlreichen Hand- und Taschenbüche rn (ζ. Β. I ANDOLT-BÖRNSTEIN, Physikalisch-Chemische Tabellen). Einige B e i s p i e l e mögen die Berechnungsweise und die Auswertung von Reaktionswärmen verdeutlichen : Der Zerfall des Wasserstoffperoxids in Wasser und Sauerstoff (H2Oa -»• H 2 0 - j - 1 / 2 0 2 ) ist gemäß den Bildungswärmen von Wasser und Wasserstoffperoxyd von einem Energieumsatz in Höhe von W 0 , Reaktion = W ^ _ W « · ^ = [ ( - ) 68.3] - [ ( - ) 45.2] = ( - ) 23.1 kcal (25°) begleitet. Während also die Zerlegung in die E l e m e n t e
ΗO
(H 2 0 2 -> H 2 -)- 0 2 ) eine erhebliche Energie z u f u h r erfordert W 0 j Spaltung 24 ) Die Größe η bezeichnet die Molzahl, mit der sich der betreffende Reaktionsteilnehmer an der betrachteten Reaktion beteiligt. 25 ) Zur Charakterisierung der Z u s t a n d s f o r m gehört bei festen Stoffen gegebenenfalls auch die Definition der M o d i f i k a t i o n und des Z e r t e i l u n g s g r a d e s , da der Energieinhalt fester Stoffe hiervon abhängig ist. So gilt ζ. B. der auf S. 21 für die Acetylenbildung angegebene Wert für feinverteilten Graphitkohlenstoff. Bei Verwendung von D i a m a n t s t a u b wäre die Bildungsenthalpie um 0.2 kcal ( = Umwandlungswärme Graphit-»· Diamant) kleiner:
W a l d u n g = ( + ) 53.7 kcal.
Der HESssche Satz
25
= ~W^'Büdung = ( + ) 4 5 · 2 k c a l ) . wird beim Zerfall in W a s s e r und S a u e r s t o f f eine Energiemenge von 23.1 kcal f r e i . Dementsprechend kann durch K a t a l y s a t o r e n bei Zimmertemperatur zwar eine Zersetzung des Wasserstoffperoxyds im l e t z t e r e n Sinne, nicht aber eine Spaltung in die E l e m e n t e bewirkt werden. Die angeführten Werte beziehen sich dabei auf flüssiges Wasserstoffperoxyd, flüssiges Wasser, gasförmigen Wasserstoff und gasförmigen Sauerstoff. — Die Reaktionswärme der BOUDOÜARD-Reaktion (C -f- CO a 2 CO) errechnet sich aus den Bildimgswärmen CO CO der Reaktionsteilnehmer zu W 0 > Reaktion = 2 W o , Büdung — W o , BUdung = [ 2 x (—) 2 6 . 3 9 ] — [ ( — ) 94.03] = ( + ) 41.25 kcal (25°). Es handelt sich hier also um eine bei Zimmertemperatur s t a r k e n d o t h e r m e Reaktion, die dementsprechend f r e i w i l l i g nur in u m g e k e h r t e r Richtung abläuft. W i r ersehen daraus, daß Kohlenmonoxyd bei Raumtemperatur kein s t a b i l e r , sondern nur ein ,,metastabiler" Stoff ist, der sich in Kohlenstoff und Kohlendioxyd zu disproportionieren sucht. Lediglich die g e r i n g e G e s c h w i n d i g k e i t des Zerfalls bedingt seine scheinbare Beständigkeit 26 ). Die angeführten Zahlenwerte beziehen sich auf Graphitkohlenstoff, gasförmiges Kohlendioxyd und gasförmiges Kohlenmonoxyd. — Die Reaktionsenthalpie der Disproportionierung von Kupfer(T)-chlorid (2 [CuCl] —» [Cu] + [CuCl 2 ]) hat gemäß den Bildungswärmen der Reaktionsteilnehmer einen p o s i t i v e n W e r t : Wo, Reaktion = VV^BÜdung — 2 W ^ u n g = [ ( - ) 53.4] - [2 X ( _ ) 34.3] = ( + ) 15.2 kcal (25°). Danach ist Kupfer (I)-chlorid s t a b i l und zeigt keine Neigung, in Kupfer und Kupfer(II)-chlorid zu disproportionieren. Dagegen stellt die Disproportionierung des homologen Gold(I)-chlorids (3 [AuCl] - > 2 [Au] -f- [AUC13]) einen exothermen Vorgang dar: W 0 Reaktion = 3 w £ t t £ i d u n g = [ ( - ) 28.5] — [3 X (—) 8.3] = ( - ) 3.4 kcal
(25°). Dementsprechend beobachtet man hier einen des Chlorids in die c h l o r r e i c h e r e Verbindung.
freiwilligen Übergang
2 e ) Ganz allgemein wird ein Stoff, dessen Zersetzungsgleichgewicht nicht wie bei einem „stabilen" Stoff auf der Seite der u n z e r s e t z t e n S u b s t a n z , sondern auf der Seite der Z e r s e t z u n g s p r o d u k t e liegt, je nach der Größe der Zersetzungsgeschwindigkeit φ als ,,metastabil" (φ klein) oder als „instabil" (9 groß) bezeichnet.
Β. D e r Umsatz an f r e i e r E n e r g i e bei chemischen Reaktionen Wie wir schon erwähnten (S. 17 ff.), lehrt die Erfahrung, daß bei Zimmertemperatur im allgemeinen die e x o t h e r m e n vor den endot h e r m e n Reaktionen begünstigt sind. Daher haben wir bei den vorangehenden Betrachtungen (S. 19ff.) die R e a k t i o n s e n t h a l p i e W P 1 Reaktion (isobare Vorgänge) bzw. R e a k t i o n s e n e r g i e Wv> R e a k t i o n (isochore Vorgänge) als ungefähres Maß der T r i e b k r a f t von R e a k tionen oder der B e s t ä n d i g k e i t von V e r b i n d u n g e n benutzt. Wir betonten aber andererseits schon eingangs (S. 1 f.), daß diese Betrachtungsweise nur eine rohe A n n ä h e r u n g an die tatsächlichen Verhältnisse darstellt, da der Ablauf einer chemischen Umsetzung in Wirklichkeit nicht durch die R e a k t i o n s w ä r m e W R e a k t i o n , sondern durch die f r e i e E n e r g i e W f r e i bestimmt wird, welche mit jener durch die bereits erwähnte (S. l) Beziehung W Reaktion — W ' * frei 41- W gebunden
(1)
verknüpft ist. Das in dieser Gleichung auftretende Glied W g e b u n d e n besitzt beim absoluten Nullpunkt den Zahlenwert Null, während es sich mit steigender Temperatur Τ je nach Art der Reaktion mehr oder minder stark nach wachsenden positiven oder negativen Werten hin verschiebt27), so daß W R e a k t i o n und W f r e i zunehmend auseinanderstreben und W R e a k t i o n dementsprechend mit wachsendem Τ immer mehr als Maß der Reaktionsaffinität versagt. Nachdem wir uns im Teil A (S. 3ff.) mit dem G e s a m t b e t r a g der Reaktionswärme (W R e a k t i o n ) befaßt haben, gehen wir jetzt zur Bespre2 7 ) Bei hohen Temperaturen kann auch eine Wiederabnahme des Absolutwertes von W g e b u l l d e n erfolgen (vgl. S. 172).
Der '¿weite Hauptsatz der Thermodynamik
27
chung der T e i l g l i e d e r W f r e l und W g e b u n d e n über und wenden uns im vorliegenden Teil Β zunächst der f r e i e n E n e r g i e W f r e i zu, deren Umsatz durch den z w e i t e n H a u p t s a t z der W ä r m e l e h r e geregelt wird.
I. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik Nach dem ersten Hauptsatz der Wärmelehre ist die von irgendeinem System beim Ubergang von einem bestimmten Anfangs- in einen bestimmten Endzustand i n s g e s a m t abgegebene oder aufgenommene Energiemenge U unabhängig vom Reaktionsweg des Vorgangs (U-L = U2). Die umgesetzte Energiemenge U kann sich dabei aus Arbeitsbeträgen A und Wärmebeträgen Q zusammensetzen : U = A + Q.
(26)
Leitet man eine chemische Reaktion so, daß A den kleinstmöglichen Wert annimmt, d. h. bei isobaren Reaktionen lediglich in Form der auf das verschiedene Volumen von Ausgangs- und Endsystem zurückzuführenden Volumenarbeit auftritt, bei isochoren Reaktionen gleich Null wird, so geht die Größe Q in die bisher behandelte Reaktionswärme W (W p bzw. W v ) über. Vermeidet man umgekehrt beim Ablauf eines Vorgangs alle durch Reibung und dergl. bedingten Arbeitsverluste, so kann A auf einen höchstmöglichen Wert vergrößert werden. Diese bei einem chemischen (oder irgendeinem anderen) Prozeß m a x i m a l gewinnbare Arbeitsleistung wird als „maximale Arbeit" {„reversible28) Arbeit") des Vorgangs bezeichnet: U=Arev.+Qrev..
(27)
Für diese maximale (reversible) Arbeit A rev gilt ein dem ersten Hauptsatz (S. 5) ganz entsprechendes Gesetz, das als „zweiter Hauptsatz der Thermodynamik" bezeichnet wird und dessen Erkenntnis und physikalisch-chemische Auswertung wir namentlich dem französischen Physiker S A D I CARNOT ( 1 8 2 4 ) , dem deutschen Physiker RUDOLF CLAUSIUS ( 1 8 5 0 ) , dem englischen Physiker W I L L I A M THOMSON (Lord KELVIN) (1850), dem deutschen Physikochemiker AUGUST HORSTMANN (1869), dem amerikanischen Physiker JOSIAH W I L L A R D Vgl. S. 50.
28
Der Umsatz an freier Energie bei chemischen Reaktionen
dem deutschen Naturforscher HERMANN V. HELMHOLTZ und dem holländischen Physikochemiker JACOBUS HENRICUS VAN'T HOFF (1883) verdanken: Die von einem chemischen oder physikalischen System während eines isothermen Reaktionsablaufs maximal leistbare Arbeit ist nur vom Anfangs- und Endzustand des Systems, nicht GIBBS ( 1 8 7 8 ) , (1882)
Un (
Anfangszustand
Reaktionswegl)
I
Endzustand
I
f Reaktionsweg 2)
Abb. 6. D e r z w e i t e H a u p t s a t z Nach dem zweiten Hauptsatz ist die beim Übergang eines Systems von einem Anfangszustand I in einen Endzustand II maximal gewinnbare Arbeit A unabhängig vom Reaktionsweg : A^ = A^.
aber vom Weg des Vorgangs abhängig. Führt man also (Abb. 6 ; vgl. Abb. 1 ) ein System das eine Mal auf einem Weg 1, das andere Mal auf einem Weg 2 isotherm29) von einem definierten Anfangszustand I in einen ebenfalls festgelegten Endzustand II über, so sind die auf beiden Wegen m a x i m a l gewinnbaren Arbeitsbeträge A einander gleich: •A-i —A2
(28)
Gelingt es daher, die maximale Arbeit eines Vorgangs für i r g e n d e i n e n rechnerisch zugänglichen, wenn auch gegebenenfalls nur gedanklich, nicht e x p e r i m e n t e l l realisierbaren Reaktionsweg 1 zu ermitteln, so gilt dieser einmal bestimmte Höchstwert gemäß (28) auch für jede beliebige andere, im Endergebnis auf dem gleichen Reaktionsablauf beruhende gedankliche oder experimentelle Versuchsanordnung 2. 29 )
Zum Unterschied vom 1. Hauptsatz gilt der 2. Hauptsatz in der oben gegebenen Fassung nur für i s o t h e r m e Vorgänge, da bei allen chemischen Reaktionen auch bestimmte En t r o p i e mengen umgesetzt werden (vgl. S. 155 f.), die bei n i c h t i s o t h e r m e n Vorgängen je nach der T e m p e r a t u r , bei der ihre Aufnahme und Abgabe erfolgt, einen v a r i a b l e n Arbeitsumsatz zur Folge haben (vgl. Anmerkung 218).
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
29
Ein B e i s p i e l möge dies verdeutlichen: Gefragt sei nach der maximalen Arbeitsleistung hei der i s o t h e r m e n E x p a n s i o n e i n e s i d e a l e n G a s e s von einem Anfangsdruck p a auf einen Enddruck p e Zur Berechnung des gesuchten Wertes denken wir uns das ideale Gas in einem Expansionszylinder unter einem reibungsfreien, gasdichten und gewichtslosen Stempel (Abb. 7). y
Außendruck reibungsfreier gewichtsloser Stempel Expansionszylinder ideales Gas
Thermostat
Abb. 7. R e v e r s i b l e i s o t h e r m e E x p a n s i o n e i n e s i d e a l e n G a s e s Zur reversiblen isothermen Expansion eines idealen Gases muß der auf dem Stempel des temperaturkonstant gehaltenen Expansionszylinders lastende, dem Anfangsdruck p B des Gases das Gleichgewicht haltende Außendruck p a stetig um einen unendlich kleinen Betrag vermindert werden, damit das Gas in jedem Zeitmoment den maximal möglichen Gegendruck überwindet und damit die maximal mögliche Arbeit leistet. Die reversible Expansion erfolgt demnach unendlich langsam. Auf dem Stempel laste ein Außendruck p a > der zahlenmäßig genau dem Anfangsdruck p a des eingeschlossenen Gases entspreche, so daß sich das ganze System im Gleichgewicht befinde. Erniedrigt man jetzt den Außendruck p a um einen u n e n d l i c h k l e i n e n B e t r a g dp auf ρ = p a — d p , so wird der Stempel unter Leistimg der m a x i m a l m ö g l i c h e n Arbeit um eine unendlich kleine Strecke gehoben, bis der infolge der unendlich kleinen Volumenvergrößerung um dv gemäß dem BoYLE-MARiOTTEschen Gasgesetz ρ · ν = konst. längs einer gleichseitigen Hyperbel (vgl. Abb. 8) abnehmende Druck des Gases den um einen winzigen Betrag kleineren Wert ρ des Außendrucks erreicht hat. Die hierbei geleistete Arbeit dA beträgt (S. 7), da man den Gasdruck während der u n e n d l i c h g e r i n g e n Ausdehnung des Gases praktisch als k o n s t a n t ansehen k a n n :
dA = (—) ρ · dv 3 ).
(29)
Wiederholt man die unendlich kleine Entlastung des Stempels stetig, so daß der Außendruck jeweils gerade eben noch vom Gas überwunden werden kann, so durchläuft die Entspannimg des Gases eine s t e t i g e R e i h e von G l e i c h g e w i c h t s z u s t ä n d e n , die allein die Gewinnung des M a x i m a l b e t r a g s an mechanischer Druck-Volumen-Arbeit verbürgt. Man bezeichnet einen solchen
30
Der Umsatz an freier Energie bei chemischen Reaktionen
aus einer Folge von Gleichgewichtszuständen hervorgehenden und durch unendlich kleine Änderungen der Gegenkraft beliebig hin- und rückläufig lenkbaren Reaktionsablauf ganz allgemein als ,,umkehrbaren" oder „reversiblen1 : Ρ
ν Abb. 8. M a x i m a l e A r b e i t s l e i s t u n g b e i d e r i s o t h e r m e n E x p a n s i o n eines idealen Gases Bei der isothermen Expansion eines idealen Gases von einem Anfangsdruck p a (Anfangsvolumen v a ) auf einen Enddruck p e (Endvolumen v e ) nimmt der Druck Ρ des Gases entsprechend dem B O Y L E - M A R I O T T E sehen Gesetz ρ • ν = konst. längs einer gleichseitigen Hyperbel ab. Die bei der Expansion maximal gewinnbare Arbeit ist gleich dem Integral über alle Arbeitsdifferentiale dA = ρ · dv, d. h. graphisch gleich der Flächensumme aller Rechtecke ρ · dv zwischen dem schraffierten ersten (p a · dv) und letzten (p e · dv) Bechteck. Reaktionsablauf und die dabei gewinnbare maximale Arbeit dementsprechend auch als „reversible Arbeit" A r e v (s. S. 27). Ihr W e r t ergibt sich im vorliegenden Fall als die Summe aller unendlich kleinen Druck-Volumen Elemente dA (29) zwischen dem Anfangsdruck p a und dem Enddruck p e (vgl. Abb. 8), d. h. mathematisch als das Integral A — J d A oder : (30) Durch Umformung (p = nRT /v) und Auswertung folgt hieraus der W e r t (51a), der bei Ersatz des V o l u m e n s ν durch den D r u c k ρ (v e j v a = p a / p ( .)
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik oder des D r u c k s ρ durch die K o n z e n t r a t i o n
c =
31
n/v (p a [ p e = c a /c«)
in die gleichwertigen Ausdrücke (51b) und ( 5 1 c ) übergeht:
Arev. = (—) n R T In - - = ( — ) η R T In ^ = (—) η R T In — v« pc c„
w
('»)
51)
's)
Bemerkenswerterweise ist hiernach die bei der Expansion eines idealen Gases maximal gewinnbare Arbeit nur vom V e r h ä l t n i s , nicht aber von den A b s o l u t w e r t e n der Volumina, Drucke oder Konzentrationen abhängig 3 0 ). Es wird also ζ. B . bei der Entspannung eines Gases von 2 0 0 auf 100 Atmosphären ebensoviel Arbeit geleistet wie bei der Entspannung der gleichen Gasmenge bei gleicher Temperatur von l / 1 0 0 auf I / 2 0 0 Atmosphäre 31 ). In Übereinstimmung mit der internationalen Vorzeichengebung 32 ) erhält A r e v immer dann ein n e g a t i v e s Vorzeichen, wenn das Endvolumen (der A n f a n g s druck, die Anfangskonzentration) g r ö ß e r als das A n f a n g s v o l u m e n (der E n d d r u c k , die Ε η d konzentration) ist, also ,,Expansionsarbeit u g e l e i s t e t wird. I m u m g e k e h r t e n Falle ( A r e v p o s i t i v ) muß ,,Kompressionsarbeit" a u f g e w a n d t werden. G e m ä ß dem zweiten Hauptsatz (28) gilt nun der so ermittelte Wert (51) der maximalen Arbeit, der zugleich den M i η des t a u f w a n d an Arbeit zur rückläufigen Kompression des Gases auf den Ausgangszustand darstellt 33 ), auch für j e d e b e l i e b i g e a n d e r e , a u f d e m g l e i c h e n V c r d ü n n u n g s Vorgang b e r u h e n d e Versuchsanordnung. Arbeitet also z . B . ein g a l v a n i s c h e s E l e m e n t in seiner Gesamtbilanz mit der V e r d ü n n u n g 3 0 ) Zur Orientierung über die Größenordnung der gewinnbaren Arbeit sei angegeben, daß bei der Entspannung eines Mols (n = 1) eines idealen Gases auf den zehnten Teil des Ausgangsdruckes (p a /p e = 10) bei 2 5 e C (T = 298.15) gemäß ( 5 1 b ) eine Arbeit von 0 . 0 0 1 9 8 6 7 X 298.15 X 2 . 3 0 2 6 log 10 = 1.564 kcal ' = 582.1 mkg) geleistet wird. Danach vermögen also ζ. B . 2 g Wasserstoff bei der isothermen Entspannung von 1 auf 1/10 Atm. maximal 11.64 Zentner 1 m hoch zu heben. 31 )
Dies rührt daher, daß die Volumenänderung beim verdünnten Gas wesentlich größer als beim komprimierten ist, so daß die k l e i n e r e K r a f t längs eines entsprechend g r ö ß e r e n W e g e s wirkt (Arbeit = Kraft χ W e g ) . 32 ) A r b e i t s l e i s t u n g (freiwilliger Vorgang): n e g a t i v e s Vorzeichen; Arb e i t s a u f w a n d (erzwungener Vorgang): p o s i t i v e s Vorzeichen (vgl. S. 2). 33 ) I m R e a l f a l l ist naturgemäß die bei der Gasexpansion gewinnbare A r b e i t k l e i n e r und der zur Kompression erforderliche A r b e i t s a u f w a n d g r ö ß e r als (31), da sich bei der experimentellen Realisierung des obigen Gedankenexperiments eine Reibung des Stempels (deren Überwindung ja Arbeit verbraucht) zwar weitgehend verringern, aber nicht völlig ausschließen läßt.
32
D e r U m s a t z a n f r e i e r E n e r g i e bei c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n
i r g e n d e i n e s G a s e s o d e r g e l ö s t e n S t o f f e s 3 4 ) („Konzentrationskette"), so w i r d d e r m a x i m a l g e w i n n b a r e B e t r a g d e r e l e k t r i s c h e n A r b e i t gleichfalls d u r c h (51) w i e d e r g e g e b e n (vgl. S. 4 5 f f . ) . E n t s p r e c h e n d (27) ist d e r reversiblen A r b e i t A r e v _ eines Vorgangs a u c h ein ganz b e s t i m m t e r reversibler W ä r m e u m s a t z Q r e y . („reversible Wärme", ,,gebundene Energie") z u g e o r d n e t . I m Falle d e r h i e r b e h a n d e l t e n Expansion D e r eines i d e a l e n G a s e s ( U E x p a n s i o n = O 38 )) ist Q r e T . = — A r e v . · v o m idealen Gas g e l e i s t e t e n A r b e i t A r e T . e n t s p r i c h t also die A u f n a h m e e i n e r ä q u i v a l e n t e n W ä r m e m e n g e Q r e v . a u s d e r U m g e b u n g . Dies ist a b e r n u r ein Spezialfall. Bei d e r E n t s p a n n u n g eines r e a l e n G a s e s ist die von a u ß e n a u f g e n o m m e n e W ä r m e m e n g e Q r e v . beispielsweise g r ö ß e r als die geleistete ä u ß e r e V o l u m e n a r b e i t A r e v - , da d e r E n e r g i e i n h a l t eines r e a l e n Gases bei d e r Expansion z u n i m m t ^Expansion > 0 3 e ) ) . Bei c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n k a n n Q r e v . g r ö ß e r oder k l e i n e r als A r e v - sein u n d g l e i c h e s oder e n t g e g e n g e s e t z t e s Vorzeichen wie dieses t r a g e n , e n t s p r e c h e n d e i n e m e x o t h e r m e n ( U R e a j c t i o n < 0) ° d e r e n d o t h e r m e n ( U R e a k t i o r l > 0) C h a r a k t e r d e r U m s e t z u n g (S. 155 ff.).
Wie der erste Hauptsatz ist auch der zweite ein n e g a t i v e r Erf a h r u n g s s a t z . Er gründet sich auf zahlreiche vergebliche Versuche, eine Maschine zur u n b e g r e n z t e n i s o t h e r m e n U m w a n d l u n g v o n W ä r m e i n A r b e i t („perpetuum mobile zweiter Art") zu konstruieren. Eine solche Maschine ergäbe auf einem Weg 1 (Abb. 6) eine Arbeitsmenge Aj und wäre auf einem anderen Weg 2 unter Aufwand eines g e r i n g e r e n Arbeitsbetrages A 2 wieder in den Ausgangszustand zurückzuführen, so daß sie jederzeit zu neuer Arbeitsleistung bereitstünde. Die dabei je Kreisprozeß gewonnene Arbeit Δ Α = A x —A 2 befände sich nicht im Widerspruch zum e r s t e n H a u p t s a t z (2), da gemäß (26) dem g r ö ß e r e n (kleineren) Arbeitsbetrag Ax (A^) ein entsprechend k l e i n e r e r (größerer) Wärmebetrag Qj (Q2) gegenüberM
) Die obigen Ableitungen g e l t e n a u c h f ü r i d e a l e L ö s u n g e n , da gelöste Stoffe gleichfalls d e m a l l g e m e i n e n Gasgesetz g e h o r c h e n : Ρ · V = η · R · Τ ( Ρ = o s m o t i s c h e r D r u c k des gelösten Stoffs, V = V o l u m e n d e r Lösung, ti = Anzahl Mole des gelösten Stoffs, R = a l l g e m e i n e Gaskonstante, Τ = a b solute T e m p e r a t u r ) . ω ) Bei d e r Expansion eines i d e a l e n Gases t r i t t w e g e n des Fehlens zwischenm o l e k u l a r e r A n z i e h u n g s k r ä f t e keine Ä n d e r u n g des E n e r g i e i n h a l t e s des Systems a u f : U e = U a oder U e — U a = U E x p m s i o n == 0 (vgl. S. 10). 3β
) Die Expansion eines r e a l e n Gases ist w e g e n d e r n o t w e n d i g e n A u f n a h m e von E n e r g i e zur Ü b e r w i n d u n g d e r zwischenmolekularen A n z i e h u n g s k r ä f t e {„innere Volumenarbeit", S. 9) m i t einer V e r m e h r u n g des E n e r g i e i n h a l t e s des Systems v e r b u n d e n : U e > U a oder U e — U a = U Expansion >
33
Die Reaktionsarbeit
stünde und die geleistete Arbeit ΔΑ daher nicht aus dem Nichts, sondern aus einer ä q u i v a l e n t e n W ä r m e m e n g e A Q = Q 2 — Q j entstanden wäre. Ein solches perpetuum mobile zweiter Art wäre somit bei fortgesetzter Wiederholung des Kreisprozesses in der Lage, ζ. B. das Wärmereservoir der Atmosphäre zum Heben von Lasten oder den unermeßlichenWärnievorrat der Meere zum Antrieb von Schiffsmotoren auszunutzen. Die Erfahrung lehrt aber die Unmöglichkeit einer solchen Vorrichtung und zwingt damit zur Aufstellung des z w e i t e n H a u p t satzes (28), wonach die unbegrenzte 37) isotherme Umwandlung von Wärme in Arbeit ausgeschlossen ist 38). — Im folgenden wollen wir den zweiten Hauptsatz auf den Spezialfall c h e m i s c h e r Vorgänge anwenden und uns dementsprechend der bei c h e m i s c h e n Reaktionen maximal gewinnbaren Arbeit {„Reaktionsarbeit") zuwenden.
II. Die Reaktionsarbeit 1. E r m i t t l u n g d e r c h e m i s c h e n A r b e i t s l e i s t u n g Zur Ermittlung der bei einer chemischen Umsetzung m a x i m a l erhältlichen Arbeit ist es nach dem vorstehend Gesagten erforderlich, die Reaktion r e v e r s i b e l , d. h. so zu leiten, daß sie unter fortwährender Überwindung einer maximalen Gegenkraft abläuft und dementsprechend in jedem Augenblick durch eine winzige Erhöhung dieser Gegenkraft umgekehrt werden kann. Denn nur auf diese Weise vermag sie denHöchstbetrag an äußerer Arbeit herzugeben. Ein r e v e r s i b l e r R e a k t i o n s a b l a u f läßt sich nun im G e d a n k e n e x p e r i m e n t auf 37 ) In b e g r e n z t e m Umfang ist eine quantitative Umwandlung von W ä r m e in Arbeit möglich, wie das oben behandelte Beispiel der Expansion eines idealen Gases zeigt ( — A r e v . = Q re v.)· Bei dieser Expansionsvorrichtung (Abb. 7) handelt es sich aber wegen der begrenzten Umwandlungsmöglichkeit (der Energieumwandlung ist ja durch die zunehmende Volumenvergrößerung des Gases bei der Entspannung eine reale Grenze gesetzt) nicht um ein p e r p e t u u m m o b i l e , da zur Wiederriickfiihrung des Systems in den arbeitsfähigen A u s g a n g s z u s t a n d eine Kompressionsarbeit aufzuwenden ist, die im I d e a l f a l l g l e i c h der geleisteten Expansionsarbeit, im R e a l f a l l 3 3 ) sogar g r ö ß e r als diese ist. 38 ) Die u m g e k e h r t e Umwandlung von Arbeit in W ä r m e kann auf dem Wege über eine Reibungsvorrichtung in u n b e g r e n z t e m M a ß e durchgeführt werden.
W i b e r g , Chemische Affinität
5
34
Der Umsatz an freier Energie bei chemischen Reaktionen
verschiedenen Wegen erzielen, von denen im folgenden die beiden wichtigsten behandelt seien. Gemäß dem zweiten Hauptsatz ist der so ermittelte maximale Arbeitsbetrag c h a r a k t e r i s t i s c h für den betrachteten chemischen Vorgang und auf k e i n e m a n d e r e n — realisierbaren oder nicht realisierbaren — Reaktionsweg zu ü b e r b i e t e n . a. Leistung mechanischer Reaktionsarbeit α. Die Reaktionsisotherme
Als Reispiel für die Rerechnung einer maximalen Reaktionsarbeit sei der DSACOS-Prozeß, d. h. die Rildung von Chlor und Wasserdampf aus Chlorwasserstoff und Sauerstoff gewählt : 2 HCl + V2 0 2 2 Cl 2 + H 2 0 .
(32)
Man kann diesen Vorgang in zwei „Halbreaktionen", nämlich eine Spaltung des Chlorwasserstoffs in Chlor und Wasserstoff (33a) und eine Vereinigung des letzteren mit Sauerstoff zu Wasser (33b) zerlegen : 2 HCl ί Cl a + H 2 2 + Vs ° 2
(a)
"
(b)
2HC1 + V 2 0 2 ? C 1 2 + H 2 0 .
(c)
H
(33)
Wir denken uns nun die beiden Halbsysteme (33a) und (33b) in zwei gesonderten Reaktionsgefäßen A und R (Abb. 9), die mit je einer nur für W a s s e r s t o f f durchlässigen und durch einen Schieber nach Relieben verschließbaren Membran versehen sind. Gemäß den für die beiden Halbreaktionen gültigen Gleichgewichtskonstanten K H C 1 und K H i 0 stellt sich dann in jedem der beiden Reaktionsgefaße ein charakteristischer W a s s e r s t o f f d r u c k p H j ein, dessen Größe durch das Massenwirkungsgesetz festgelegt ist : Ρ (HCl) _ P H
'
K
HC1
X PHCI PCU
(a)
(H.O) P H
*
K
H,0
Χ
Ρη,Ο
P £
(b)
und somit von den gewählten Partialdrucken des Chlorwasserstoffs (p HC1 ) und Chlors (p c i ¡ ) bzw. Wasserdampfs (p H j 0 ) und Sauerstoffs (p 0 j ) abhängt. Auf den beiden wasserstoffdurchlässigen Fenstern ruhe ein beweglicher, in einer Zylinderführung laufender, gasdicht schließender Stempel.
35
Die Reaktionsarbeit Gegendruck
beweglicherStempel
Zylinder
wasserstoffdurchlässige Membran». —f π •• Reaktionsgefaß A Jas?
•wasserstoffdurchlässige Membran ß — —
Pf.
-Reaktionsgefaß Β
PH"ì0)
ZHCÌ ^z-ir H3*CÍ¿
Abb. 9.
Reversible
Durchführung
des
ÜEACON-Prozesscs
2 HCl + γ 2 O , - > Gl, + H j O . Beim ÖEACON-Prozeß 2 HCl +
1/
t
0 2 - > Cl, + H , 0 findet eine Entspannung
von Wasserstoff vom Gleichgewichtsdruck pj^Cl) des Teilsystems 2 HCl ^ + Cl 2 auf den Gleichgewichtsdruck p ^ 1 · 0 ) des Teilsystems H a O ^
H,
H a + V » Os
statt. Zur reversiblen Durchführung des Prozesses wird dem Reaktionsgefäß A (erstes Teilsystem) bei geschlossenem Wasserstoffdurchlaß Β und geöffnetem Wasserstoffdurchlaß A durch Heben des beweglichen Stempels isobar 1 Mol Η 2 entnommen,
das dann im
Expansionszylinder
bei
geschlossenen
Membranen A und Β gegen einen maximalen Gegendruck reversibel von P i ? ^ auf entspannt und schließlich durch Senken des beweglichen ria rit Stempels bei geschlossenem Wasserstoffdurchlaß A und geöffnetem Wasserstoffdurchlaß Β isobar ( p l ? 1 ^ ) in das Reaktionsgefäß Β (zweites Teilsystem) 1
übergeführt wird. Die dabei maximal gewinnbare Gesamtarbeit A beträgt ) R T In p(HCl) /p (H a O). •A rev.
Bei geöffnetem Wasserstoff-Durchlaß A und geschlossenem Fenster Β werde jetzt der auf dem Stempel lastende Druck soweit erniedrigt, daß er den Wasserstoffdruck (54a) im Reaktionsgefäß A um einen unendlich kleinen Betrag unterschreite. Dann hebt sich der Stempel in reversibler Weise unter dem Druck des durch die Membran A in den Zylinderraum eindringenden Wasserstoffs. Insgesamt werde so dem Reaktionsgefäß A bei konstanter Temperatur Τ eine der Gleichung (33 a) entsprechende Wasserstoffmenge von 1 Mol entnommen, wobei gemäß (33a) gleichzeitig 2 Mol Chlorwasserstoff in 1 Mol Chlor übergeführt werden. Die in A enthaltenen Mengen Chlorwasserstoff und Chlor seien so groß, daß der genannte Reaktionsninsatz keine merkliche Änderung ihrer Partialdrucke und damit 3*
36
Der Umsatz an freier Energie bei chemischen Reaktionen
nach (34a) auch des Wasserstoffdrucks zur Folge habe 38 ). Dann wird die vom Wasserstoff geleistete Arbeit gemäß (6) durch die Beziehung A1 — (—) p g f ) · v1 wiedergegeben (vx — Volumen des entnommenen Mols Wasserstoff), wofür nach der allgemeinen Gasgleichung auch A Kp e (KQ. = 10 2 0 X K F e ; vgl. S. 51). Daher stellen unter sonst gleichen Bedingungen die C h r o m (II)ionen das stärkere R e d u k t i o n s - und die E i s e n (Ill)-ionen das stärkere O x y d a t i o n s m i t t e l dar. Dementsprechend spielt sich bei der Zusammengabe der beiden Redoxsysteme (58 a) und (58 b) als Folge der gegenseitigen Gleichgewichtsstörung solange der Vorgang (58 c) ab, bis die aus (60) hervorgehenden Elektronendrucke der beiden Teilsysteme einander gleich geworden sind : p g D = P g 6 \ In diesem Augenblick haben, wie leicht ersichtlich, die Drucke — bzw. Konzentrationen 64 ) — der Reaktionsteihiehmer (58 c) den W e r t der Gleichgewichtskonstanten erreicht : PFe" _ K C r ~— (, b l ) P e r " -X P F e (vgl. (40)). Welche maximale Arbeit bei diesem Elektronenübergang gewinnbar ist, sei i m folgenden berechnet : K
Pçr-
Reaktion
x
Analog der A b l e i t u n g im Falle des ÜEACON-Prozesses (S 5 4 ff.) denken w i r uns die beiden Halbsysteme (58 a) und (58 b) i n zwei Reaktionsg e f ä ß e n A u n d Β (Abb. 10), die m i t je einer Platinelektrode versehen u n d durch eine stromdurchlässige Scheidewand {„Diaphragma")
von-
einander g e t r e n n t sind. D a n n stellt sich in jeder der beiden Lösungen ein charakteristischer Elektronendruck p e — bzw. eine charakteristische Elektronenkonzentration
cQ
—
ein, deren G r ö ß e durch
die
Gleichgewichtskonstanten (60) gegeben ist: p (Cr)
=
K c r
X
P C r ··
und
p(Fe) = ^
X
PC,(a)
^
(62)
PFe(b)
u n d somit von den gewählten Reaktionsdrucken (Reaktionskonzentrationen) der zwei- und dreiwertigen Chrom- bzw. Eisenionen abhängt. D i e Platinelektroden v e r t r e t e n in diesem Falle die Stelle der beim 54 )
Statt mit den D r u c k e n , unter denen hier die osmotischen Drucke zu verstehen sind, kann natürlich auch mit den diesen Drucken proportionalen K o n z e n t r a t i o n e n gerechnet werden. Au die Stelle der Gleichgewichtskonstanten Kp (60) treten dann die Größen K c .
Die Reaktionsarbeit Elektronen Gegen Spannung ström
47
Elektronenström
pQ(Cr) Platinelektrode A
Platinelektrode Β
Diaphragma
te
Reaktionsgefäß/!
Cr '-^Cr '"t
Abb. 10. R e v e r s i b l e
Reaktionsgefäß Β
θ
Durchführung
der
Cr" + Fe"' -> Cr'" +
Redoxreaktion
Fe".
Bei der Umsetzung C r " + F e " " C r ' " -)- F e " findet eine Entspannung von Elektronen vom Gleichgewichtsdruck p(^ r ) des Teilsystems C r " Cr" " + θ auf den Gleichgewichtsdruck des Teilsystems F e " F e " " + θ statt. Zur reversiblen Durchführung des Vorgangs wird dem Reaktionsgefäß A (erstes Teilsystem) über die elektronendurchlässige Platinelektrode A isobar (p ( C r )) 1 Mol Elektronen entnommen, das gegen eine maximale GegenΘ Spannung reversibel von ρ (Cr) auf p(^ e ) entspannt und über die Platinelekθ θ trode Β isobar (p(F e )) dem Reaktionsgefäß Β (zweites Teilsystem) zuΘ
geführt wird. Die dabei maximal gewinnbare Gesamtarbeit A beträgt A rev _ = RT In ρ (Cr) /p(Fe) . ÜEACON-Prozeß (Abb. 9) v e r w e n d e t e n
„halbdurchlässigen"
(nur
für
Wasserstoff durchlässigen) M e m b r a n e n . D e n n Metallelektroden sind n u r f ü r E l e k t r o n e n , nicht f ü r M e t a l l i o n e n „ d u r c h l ä s s i g " . G e m ä ß den verschiedenen Elektron e n d r u c k e n
(62 a) u n d
(62 b) findçt n u n
bei
leitender V e r b i n d u n g der beiden Platinbleche d u r c h einen metallischen S c h l i e ß u n g s d r a h t Druck ρ a u f
eine „ E n t s p a n n u n g "
der E l e k t r o n e n
vom
den D r u c k ρ s t a t t , wobei entsprechend der E n t s p a n -
n u n g des Wasserstoffs b e i m DEACON-Prozeß (S. 56) je F o r m e l u m s a t z (57) bei der R e a k t i o n s t e m p e r a t u r Τ eine m a x i m a l e A r b e i t von
Aktion
=(-)RTln
(63)
P(eFe)
g e w i n n b a r i s t ) . Setzen wir hierin die aus (62) h e r v o r g e h e n d e n W e r t e 55
" ) Voraussetzung ist dabei wie im Falle des Deacon-Prozesses (S. 55f.), daß der Vorgang r e v e r s i b e l — d. Ii. unter Überwindung einer maximalen Gegenspannung — durchgeführt wird und daß sich die Konzentrationen der
48
D e r Umsatz an freier E n e r g i e bei chemischen Reaktionen
der Elektronendrucke ein und berücksichtigen wir zugleich Beziehung (61), so geht (65) in die Gleichung A(T)
A
fc.'.kti.. =
Tjrpι
R T l n
PCr'" X PFe" X ^ F e '
—
Ρ Cr" λ P F e "
Λ
Cr
=
n r r l
R T
^{^aktion
KCÖ
^Koalition
über, die ganz der beim DEACON-Prozeß abgeleiteten Reaktionsisotherme (43) entspricht und in der wie dort (S. 57) ® die R e a k t i o n s diucke (bzw. -1 onzentiationen) und Κ die Gleichgewichtsdrucke (bzw. -konzentrationen) des Vorgangs in der durch das Massenwirkungsgesetz festgelegten Anordnung enthält. Nun läßt sich, und damit kommen wir zur Besonderheit der elektrochemischen gegenüber den rein chemischen Vorgängen, der Unterschied in den Elektronendrucken der beiden Elektroden auch durch die — experimentell leicht meßbare — elektrische , , P o t e n t i a l d i f f e r e n z " („Spannung") zwischen den Elektroden erfassen. Denn dem höheren Elektronendruck ist auch ein höheres elektrisches ,,Potential" zugeordnet, eine Größe, die im Grunde genommen nur ein a n d e r e s (logarithmisches) Maß des Elektronendrucks darstellt (S. 58). Entsprechend dem zwischen den Elektroden bestehenden Potential,,gefalle" (Druckgefälle) fließt bei leitender Verbindung der Platinelektroden in Abb. 10 ein Elektronenstrom vom höheren (Gr) zum tieferen (Fe) P o t e n t i a l , so wie ein Was s er ström bei Vorhandensein einer Höhendifferenz oder ein W ä r m e ström bei Vorhandensein einer Temperaturdifferenz zu fließen beginnt. Die dabei maximal gewinnbare elektrische Arbeit wird nach der Elektrizitätslehre durch das Produkt „ E l e k t r i z i t ä t s m e n g e X P o t e n t i a l d i f f e r e n z " wiedergegeben, so wie sich die maximale Arbeit eines Was s er stroms als das Produkt „ W a s s e r m e n g e χ H ö h e n d i f f e r e n z " und die maximale Arbeit eines War me stroms als das Produkt „ W ä r m e m e n g e 5 6 ) X T e m p e r a t u r d i f f e r e n z " errechnet (vgl. S. 134ff.). Die Elekt r i z i t ä t s m e n g e beträgt im Falle eines chemischen Formelumsatzes Reaktionsteilnehmer während des Formelumsatzes praktisch nicht ändern. Die bei der A b g a b e und A u f n a h m e der Elektronen seitens der Teilsysteme umgesetzten Arbeitsmengen heben sich wie die entsprechenden Arbeitsbetrage (35) und (37) i m Falle des DEACoN-Prozesses gegenseitig auf. s e ) Die in C/ausi'us-Einheiten auszudrückende Wärme,,stoff"-Menge („Entropie"; vgl. S. 1 3 5 f . ) ist nicht zu verwechseln mit der in Kalorien gemessenen W ä r m e e n e r g i e - M e n g e , die den G e s a m t w e r t des obigen Produkts wiedergibt.
Die Reaktionsarbeit
49
η Faraday, wobei 11 die Anzahl der während des Formelumsatzes fließenden Mole Elektronen67) und „1 Faraday" (F) die elektrische Ladung e i n e s Mols Elektronen (F = 96490 Colomb) wiedergibt. Die der Reaktion entsprechende P o t e n t i a l d i f f e r e n z sei mit E R e a k t i o n ( „ R e a k tionspotential"; ,,elektromotorische Kraft") bezeichnet 58 ). Wir erhalten so die allgemeine Beziehung:
A Reaktion —
n
'
Reaktion
(65)
die einen n e u e n Weg zur experimentellen Bestimmung der maximalen R e a k t i o n s a r b e i t 5 9 ) — in Faraday-Volt®°) — eröffnet. Er besteht in der Messung der elektromotorischen Kraft E R e a k t i o n eines auf dem betreffenden Reaktionsablauf beruhenden galvanischen Elements®1). 6
") I m liier behandelten Beispiel (58) ist η = 1. ) U m in Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der internationalen Vorzeichengebimg zu bleiben, erhält die elektromotorische Kraft EReaktion e ' n n e g a t i v e s Vorzeichen, wenn sie b e i m b e t r a c h t e t e n Reaktionsablauf vom galvanischen E l e m e n t g e l i e f e r t , dagegen ein p o s i t i v e s Vorzeichen, wenn sie von i h m g e s p e i c h e r t wird. e9 ) N a c h d e m zweiten Hauptsatz ist ja die d u r c h (65) wiedergegebene Reaktionsarbeit gleich der durch (6+) zum Ausdruck g e b r a c h t e n Reaktionsarbeit, da es sich in beiden Fällen u m den gleichen Vorgang m i t g l e i c h e m Anfangsund Endzustand handelt. eo ) Zur U m r e c h n u n g von Faraday-Volt (Elektronenvolt /Mol) in Coulomb-Volt (Joule) müssen die Faraday-Volt noch m i t der Coulombzahl der FaradayE i n h e i t (96490 Coulomb) multipliziert werden, so daß Gleichung (65) in den 58
Ausdruck Auktion = η · F · EReaktion (V) ü b e r g e h t . In dieser F o r m findet sich die Beziehung zwischen A R e a ktion und Eßeaktion meistens in den L e h r b ü c h e r n angegeben. H i e r und i m folgenden ist der — entbehrliche •— Umrechnungsfaktor F („Faradaysche Zahl") weggelassen, u m die w e s e n t l i c h e n G r ö ß e n der Gleichung besser hervorzuheben und die Analogie zu den späteren c h e m i s c h e n P o t e n t i a l e n (S. 85,ff.) deutlicher hervortreten zu lassen. el ) U m bei der Messung wirklich den M a x i m a l w e r t des Reaktionspotentials und d a m i t der Reaktionsarbeit (65) zu erhalten, wird die B e s t i m m u n g in der Weise vorgenommen, daß m a n der elektromotorischen Kraft des galvanischen E l e m e n t s eine wachsende Gegenspannung bekannter G r ö ß e entgegenschaltet, bis ein in den Stromkreis eingefügtes Galvanometer Stromlosigkeit des E l e m e n t s (Kraft = Gegenkraft) anzeigt. Bei geringfügiger weiterer E r h ö h u n g der G e g e n k r a f t k ä m e es zu einer U m k e h r u n g des stromliefernden Vorgangs,, so W i b e r g, Chemische Affinität 4
50
Der Umsatz an freier Energie bei chemischen Reaktionen
Beispielsweise beträgt die elektromotorische Kraft ( „ E M K " ) des in Abb. 10 wiedergegebenen Elements bei 25° C, 1 Atm. Druck und bei den Einheiten der Konzentrationen aller beteiligten Ionen (—) 1.18 Volt 6 8 ). Hieraus berechnet sich gemäß (65) für die Umsetzung (57) unter den genannten Versuchsbedingungen eine Normal-Reaktionsarbeit Α = η · Ε = 1 Χ ( — ) 1 . 1 8 Χ 2 5 . 0 6 1 e 2 ) = (—) 2 7 . 2 kcal. Bei der Reaktion (57) kann also unter den Normal bedingungen je Formelumsatz eine maximale Arbeit von 2 7 . 2 kcal gewonnen werden. D a n a c h d e m z w e i t e n H a u p t s a t z die beiden A r b e i t s b e t r ä g e
(64)
u n d ( 6 5 ) e i n a n d e r gleich, sind, k ö n n e n die G l e i c h u n g e n ( 6 4 ) u n d ( 6 5 ) zu d e r n e u e n
Beziehung
"Reaktion —
RT η
m
® Reaktion
ττ(Τ)
K îReaktion , '
(66)
k o m b i n i e r t w e r d e n , w e l c h e die A b h ä n g i g k e i t d e r e l e k t r o m o t o r i s c h e n K r a f t E R e a k t i o n v o n d e n d u r c h $ R e a k t i o n e r f a ß t e n K o n z e n t r a t i o n e n oder Drucken®3)
der Reaktionsteilnehmer
w i e d e r g i b t u n d w i e die R e a k -
tionsisotherme ( 4 3 ) n u r f ü r i s o t h e r m e U m s e t z u n g e n
(Umsetzungen
bei d e r k o n s t a n t e n T e m p e r a t u r T ) G ü l t i g k e i t besitzt. Beteiligen sich an einer elektrochemischen Umsetzimg auch f e s t e Stoffe, /.. B . die Elektroden selbst, so braucht bei (66) die Konzentration dieser Stoffe in ^Reaktion 1111 d ^Reaktion ebensowenig mitberücksichtigt zu werden wie i m Falle heterogener Gasreaktionen (S. 59), weil die Konzentration von ,,Bodenkörpern" durch den Sättigungswert der L ö s l i c h k e i t als K o n s t a n t e gegeben ist, die sich im Quotienten ® /K heraushebt. So wird beispielsweise im Falle des ,,DANIELL-Elements", das auf dem Vorgang: Zn +
Cu" - > Zn" +
Cu
(67)
beruht und bei welchem sich eine in Zinksalzlösung eintauchende Zinkanode auflöst (Zn - > Zn" + 2 Θ ) und an einer in Kupfersalzlösung eintauchenden Kupferkathode Kupfer abgeschieden wird (Cu" - f 2 θ Cu), sowohl S (Reaktionskonzentrationen) wie Κ ( G l e i c h g e w i c h t s k o n z e n t r a t i o n e n ) durch daß die Voraussetzung der r e v e r s i b l e n Führung des Prozesses (S. 29 f. )gewahrt ist. — Würde man die Potentialdifferenz einfach bei Stromfluß mit einem Voltmeter messen, so erhielte man infolge des durch den inneren Widerstand der Zelle bedingten Spannungsverlustes statt der elektromotorischen Kraft die zahlenmäßig kleinere ,,Klemmenspannung". • 2 ) Die Zahl 2 3 . 0 6 1 stellt den Umrechnungsfaktor Faraday-Volt >- kcal dar (S. 5). •3) Enthält ^Reaktion die Konzentrationen, so ist für K ^ g ^ y ^ die Gleichgewichtskonstante K c , andernfalls (Partialdrucke) die Konstante K p einzusetzen.
51
Die R e a k t i o n s a r b e i t
den A u s d r u c k A'Cu" w i e d e r g e g e b e n (vgl. S. 71 Í). In g l e i c h e r W e i s e h e b e n sich bei e l e k t r o c h e m i s c h e n U m s e t z u n g e n , a n d e n e n G a s e von b e s t i m m t e m g l e i c h b l e i b e n d e m D r u c k ( z . B . A t m o s p h ä r e n d r u c k ) beteiligt sind, die Sättigungskonzentrationen dieser Gase i m Q u o t i e n t e n St j Κ h e r a u s , so d a ß Sì und Κ o h n e B e r ü c k s i c h t i g u n g dieser R e a k t i o n s t e i l n e h m p r aufgestellt w e r d e n Winnen (vgl. S. 71 f.).
I m Falle einer „Grundreaktion" (S. 10), d. h. einer Umsetzung bei den E i n h e i t e n der Partialkonzentrationen (® R e ; i k t i o n == 1), vereinfacht sich (66) zu der Beziehung (68 a): RT. Reaktion
Reaktion ( 6 8 )
E f Ä i o n
(a)
(b) 1
Sie ermöglicht es, aus der ,,Grund-EMK" E^ ' (,,Grund-Reaktionspotential") eines galvanischen Elements die G l e i c h g e w i c h t s k o n s t a n t e K™ des zugrundeliegenden elektrochemischen Vorgangs oder umgekehrt aus der experimentell bestimmten G l e i c h g e w i c h t s k o n s t a n t e n eines elektrochemischen Vorgangs die maximal daraus gewinnbare e l e k t r o m o t o r i s c h e K r a f t (bei den Einheiten der Partialkonzentrationen) zu berechnen. F ü r den Spezialfall der ,,Normaltemperatur" von 25° C (S. -10) („Normal-Reaktionspoteiitial", „Normal-EMK" E