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German Pages 200 [218] Year 2010
NAGA RJ U NA
Die Lehre von der Mitte (Mula-madhyamaka-karika) Zhong Lun Chinesisch – Deutsch
Aus dem chinesischen Text des Kumarajiva übersetzt und mit einem Kommentar herausgegeben von Lutz Geldsetzer
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PH ILOSOPH ISCHE BIBLIOT HEK BA N D 610
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1957-2
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I N H A LT
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Nagarjuna Die Lehre von der Mit te Widmung an den Buddha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Über die Erscheinungen und die vier (aristotelischen) Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2. Über das Beispiel des Gehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
3. Über die Sinne, die sogenannten Wahrnehmungsvermögen und ihren Zusammenhang mit dem Wahrnehmenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Über die Gestalt als formale Ursache der Körper . . . . 15 5. Über den Raum und seine angeblichen Merkmale . . . 17 6. Über den Leidenden und die Leidenserscheinungen . . 19 7. Über die Merkmale der vier Ursachen der Erscheinungen, insbesondere der Wirkursache . . . . . . 21 8. Über den Täter und sein Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . 27 9. Über den Träger der Sinneserfahrung . . . . . . . . . . . . . 30 10. Das Beispiel des Brennens von Brennstoff . . . . . . . . . . 33 11. Über Anfang und Ende, Geburt, Leben und Sterben . . 36 12. Über das Leiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 13. Über die Wesenlosigkeit der Erscheinungen und das Leere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 14. Über die Identität von Wahrnehmung, Wahrnehmbarem und Wahrnehmendem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
VI
Inhalt
15. Über die angebliche Substantialität hinter den Erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 16. Über Samsara-Verstrickung und -Befreiung und den Sinn von Nirvana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 17. Über karmatische Tätigkeit und ihre Vergeltung . . . . . 49 18. Über das sogenannte Ich bzw. den Atman und das wahre Merkmal der Erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . 55 19. Über die Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 20. Über die vier Ursachen und Wirkungen, insbesondere über die formale Ursache als Begründung für Folgerungen bzw. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 21. Über Werden und Zerfall und den Zusammenhang von Sein und Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 22. Über den wiederkehrenden und dahingegangenen (ru lai / tathagata) Buddha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 23. Über die sogenannten Täuschungen . . . . . . . . . . . . . . . 72 24. Über die vier Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 25. Über Nirvana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 26. Über die formalen Ursachen der Wiedergeburt . . . . . . 88 27. Über die falschen Ansichten vom Ich (wo / atman) . . . 90
Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
VORWORT
Nagarjuna ist einer der großen Philosophen Indiens. Er lebte von der zweiten Hälfte des 2. bis in die erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. Somit war er Zeitgenosse der griechischen Neuplatoniker Plotin (205 – 270) und Porphyrios (ca. 232 – ca. 304), des christlichen Neuplatonikers Clemens von Alexandrien (2. – 3. Jh.) sowie des Aristotelikers Alexander von Aphrodisias (Ende 2. Jh.). Eventuell reicht seine Lebenszeit auch in die letzten Jahre des Sextus Empiricus (ca. 200 – 250) zurück, des Hauptvertreters der Skepsis, die aus der mittleren platonischen Akademie hervorgegangen war. Karl Jaspers hat Nagarjuna zu den Weltphilosophen gezählt und ihn als solchen in seinem Werk über die »Großen Philosophen« vorgestellt. Gleichwohl ist er im Westen relativ unbekannt geblieben. Das dürfte daran liegen, daß er zugleich der Begründer des Mahayana-Buddhismus und der für ihn zentralen »Philosophie des Mittleren Weges« ist. Er wurde damit aus westlicher Sicht vor allem als philosophischer Vordenker einer religiösen Bewegung Indiens, die sich vorwiegend nach Tibet, Hinterindien, China und Japan verbreitete, eingeschätzt. Nagarjuna nimmt im Buddhismus eine Stellung ein, die man am ehesten mit derjenigen des Aurelius Augustinus als einem der Gründerväter der christlichen Theologie vergleichen kann. Augustin war bekanntlich zugleich ein Philosoph, der der christlichen Religion eine philosophische Begründung gab, die man »Gotteswissenschaft« (Theologie) nennt. Der Buddhismus aber kennt bekanntlich keinen Gott. Darum kann man die Philosophie des Nagarjuna allenfalls näherungsweise eine »buddhistische Theologie« nennen. Sie ist es nur so weit, als seine Philosophie zugleich eine große Auslegungslehre der Lehre Buddhas ist, der freilich bei den Buddhisten eine gottähnliche Verehrung genießt.
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Vorwort
Das »Lehrgedicht über den mittleren Weg« ist das Hauptwerk des Nagarjuna. Es ist im ursprünglichen Sanskrit, dann auch in tibetischer und chinesischer Übersetzung überliefert worden. Die Sanskrit- und die tibetische Version sind in einen umfangreichen Kommentar des Candrakirti (ca. 600 – 650 n. Chr.) eingebettet, die chinesische Übersetzung des Kumarajiva (344 – 413 n. Chr) in einen ebenso umfangreichen Kommentar des Pingala (spätes 3. bis frühes 4. Jh.), die beide für die nachfolgenden Interpretationen in Indien und im weiteren asiatischen Gebiet maßgeblich wurden. An sie schließt daher auch das vorwiegende Verständnis dieser buddhistischen Klassikerschrift des Mahayana-Buddhismus in den Übersetzungen in die neueren Sprachen an. Diese sind sämtlich in Prosa verfaßt, d. h. es hat sich außer dem chinesischen Übersetzer Kumarajiva noch kein kongenialer Übersetzer gefunden, der das Lehrgedicht auch in entsprechender Versform dargeboten hätte. Die Grundlage der Schrift besteht im dogmatischen Anschluß an die Lehre des Buddha vom Leiden aller Wesen in der Welt und an den von Buddha gewiesenen »Heilsweg«, der zur Erlösung vom Leiden führen soll. Das Philosophische der Schrift aber besteht in den originellen Analysen des Nagarjuna, was Leiden überhaupt bedeutet, und worin das Ziel des Heilsweges überhaupt bestehen kann. Dazu weist Nagarjuna eine weit ausgedehnte Gelehrsamkeit auf. Er kennt alle Argumente der brahminischen (hinduistischen) Schulen, ebenso diejenigen seiner buddhistischen Vorgänger und setzt sich mit ihnen auseinander. Die Argumente entstammen den schulmäßig favorisierten Schwerpunkten indischer Auseinandersetzungen, aber es werden bei ihm gemäß indischem Brauch weder Schulbezeichnungen noch Eigennamen einzelner Vertreter genannt. In westlicher Sicht würde man diese gleichsam anonymen Argumente den philosophischen Disziplinen der Metaphysik, Ontologie, Erkenntnistheorie, insbesondere der Logik, Anthropologie und nicht zuletzt der praktischen Philosophie zuweisen.
Vorwort
IX
Metaphysisch ist die prinzipielle Frage, die in Indien ebenso wie im Abendland alle Schulen beantworten wollen: Gibt es eine »objektive« Wirklichkeit, der ein erkennendes »Subjekt« gegenübersteht? Oder gibt es nur die objektive Realität, zu der auch ein Erkenntnissubjekt gehört, wie alle Realismen behaupten. Oder gibt es nur ein Subjekt, das in sich alle Wirklichkeit erzeugt und erkennt, wie es die Idealismen behaupten? Ontologische Schulmeinungen sind von solchen metaphysischen Prämissen abhängig. Ist die »realistisch« gedeutete Wirklichkeit materiell, und ist somit auch ein erkennendes Subjekt materiell? Oder ist die idealistisch gedeutete Wirklichkeit etwas Geistiges, das alles Wirkliche wirkend und erkennend vergeistigt? Ebenso abhängig sind die erkenntnistheoretischen Fragen. Nämlich, ob realistische Erkenntnis eine subjektive korrespondierende Abbildung einer objektiven Wirklichkeit darstellt, oder ob Erkenntnis und Wissen idealistisch gedeutet selbst ein kohärenter Teil der geistigen Wirklichkeit sind. Anthropologisch sind auch in Indien alle menschlichen Vermögen durchdekliniert worden. Die theoretischen Vermögen der Sinnlichkeit, des Denkens oder einer empathischen Intuition, und die praktischen Vermögen des Handelns und der produktiven Gestaltung. Hierbei stellt sich unmittelbar die Anschlußfrage nach dem Träger solcher Vermögen, nach dem Menschen also in seiner körperlichen und geistigen Verfassung, insbesondere aber nach seiner Individualität als »Selbst« (atman) oder als Teil eines überpersönlichen Geistes. Nicht zuletzt aber ist es das große Thema der praktischen Philosophie, wie und wozu im Leben gehandelt wird, welche »karmatischen« (kausalen) Folgen das hat und wohin der ganze Weltlauf führt. In diesem disziplinären Bereich stellen sich die wichtigsten ethischen und soteriologischen Fragen, die man gewöhnlich als die eigentlich »religiösen« Probleme ansieht. Nagarjuna ist ganz und gar auf der Höhe dieser Auseinandersetzungen. Er kennt, wie gesagt, die Argumente und nimmt in manchen Fragen dezidiert Stellung. Aber seine Prämissen sind nicht leicht zu erkennen. Er deutet sie an oder führt durch Fra-
X
Vorwort
gen zu ihnen hin, so daß der Leser sie durch eigene Anstrengung finden soll und muß. Das macht einen besonderen Reiz seiner Argumentationsweise aus. Aber es lädt auch zu vielerlei divergierenden Interpretationen und Mißverständnissen ein, die seine Schrift zu einem sehr auslegungsfähigen »dogmatischen« Klassikerwerk gemacht haben. So kann auch in dieser Übersetzung nur ein Vorschlag zu einer »philosophischen« Deutung seiner grunddisziplinären Prinzipien und Thesen gemacht werden. Nagarjunas metaphysische Einstellung geht grundsätzlich vom Idealismus aus. Das erklärt die Stoßrichtung seiner Argumentation gegen die realistische Voraussetzung einer objektiven Realität, die ontologisch eigenständig (»substantiell«) und erkenntnistheoretisch Objekt einer wie auch immer gearteten sinnlichen oder rationalen Erfahrung sein könnte. Seine Kritik richtet sich aber nicht nur gegen die objektive Realität, sondern gleichermaßen gegen so etwas wie eine geistige Wirklichkeit eines individuellen oder umfassenden Subjektes (den atman). Das unterscheidet seinen Idealismus von den brahminischen Annahmen eines individuellen oder universalen »Brahman« (Geist). Ebenso aber auch von den meisten abendländischen idealistischen Positionen, die einen solchen »Träger« als Seele, Geist oder als Göttliches voraussetzen. Nagarjuna führt dies in seiner Lehre vom »Nicht-Selbsthaften« (anatman) aus. So bleibt in seiner Ontologie eine Wirklichkeit übrig, die sich in sinnlichen und praktischen Handlungen entfaltet. Diese ist also ganz wörtlich diejenige »Wirk-lichkeit«, die von allen Schulen als Erscheinungen (Phänomene) zwar anerkannt, aber fälschlich als entweder von einer ding-an-sichhaften Realität oder einem sie produzierenden Subjekt abhängig erklärt werden. Auf den Punkt gebracht handelt es sich um einen phänomenalistischen Idealismus. Daraus ergeben sich seine berühmten disziplinären Thesen. Daß alle Erscheinungen »leer« (shunya) seien, drückt aus, daß sie nicht über sich hinaus auf objektive oder subjektive »Träger« verweisen. Wenn sie nicht durch objektive Ursachen oder subjektive Vermögen hervorgebracht werden, können und müssen
Vorwort
XI
sie sich gegenseitig »in Abhängigkeit hervorbringen« (pratityasamutpada), denn sie »erscheinen« in ständiger Kontinuität. Kontinuität aber bedeutet hier Wechsel vom Erscheinen zum Verschwinden. Da kann es keine Anfänge oder Enden, kein phänomenales Bestehen oder Vergehen, auch keine Einschnitte und Unterscheidungen geben. Und würde man das Nicht-Sein für das Gegenteil oder für etwas außerhalb der Erscheinungen Liegendes halten, so würde man sich darüber täuschen, daß es gerade ein signifikantes, in der brahminischen ebenso wie in der chinesischen Philosophie – jedoch anders als in der abendländischen – viel verhandeltes Phänomen ist. Darum kann Nagarjuna betonen, daß das buddhistische Nirvana, das man in Indien wie auch im Westen gerne mit dem Nichts identifiziert, sich in keiner Weise vom phänomenalen »Sein« unterscheidet. Dies einzusehen ist für den Mahayana-Buddhisten der Einstieg in den Weg der »Erlösung« von der Einbindung in eine ohne diese Einsicht undurchschaubare, unverstandene und als Bedrohung, Leid und Hoffnungslosigkeit erlebte Welt. Erlösung aber besteht im wahren Wissen um die Natur der Phänomenwelt. Es befreit von Irrtümern, Täuschungen und Selbsttäuschungen und läßt doch alles wie es ist. Dies wird den Jüngern und insbesondere den Arhats und Bodhisattvas zuteil, die – solche Einsichten lehrend und vermittelnd – »erscheinen«. Nun ist es eine Sache, solche Einsichten für sich in Anspruch zu nehmen bzw. einen solchen philosophischen Standpunkt zu gewinnen, eine andere Sache aber, sie überzeugend zu lehren und gegen diejenigen Meinungen und Überzeugungen der Schulen zur Geltung zu bringen, die jeweils schon die Herzen und Köpfe der Leute besetzt haben. Nagarjunas Lehre war zu ihrer Zeit gegenüber dem Stand der brahminischen Schulauseinandersetzungen und auch im Verhältnis zu früheren buddhistischen Interpretationen der Lehre des Buddhas kühn und neu. Ersichtlich wurde er deshalb von seinen Gegnern kaum verstanden, wie die gegen ihn gerichteten Argumente, auf die er eingeht, zeigen. Daran dürfte sich auch bis heute nicht viel geändert haben.
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Vorwort
Wie seine Lehre selbst neuartig war und deswegen so vielfach unverstanden blieb, so auch seine Methode bei der Auseinandersetzung mit Gegnern. Man kennt sie als den »Mittleren Weg«, von dem freilich auch schon Buddhisten vor ihm sprachen, den er aber neu gebahnt hat. Dafür fand er Argumente, die man gewöhnlich seiner überragenden Originalität zuschreibt. Tut man das, so bleiben sie im Kontext der indischen und asiatischen Philosophie wie Diamanten, deren Glanz eine unauslotbare Tiefe überblendet. Und so arbeiten sich auch heute noch indische, tibetische und asiatische Philosophen und Buddhisten daran ab, diese Tiefe auszuloten. In transkultureller Perspektive fällt jedoch auf, daß diese Argumente in der griechischen Philosophie eine Parallele haben. Man kann sie freilich nur unter der Voraussetzung für jeweils autochthone indische oder griechische Ideen halten, daß einzig die Philosophen und Wissenschaftler Indiens und Griechenlands keinerlei Gedankenkommerz gepflegt hätten. Und diese Meinung gründet sich darauf, daß über solchen Meinungsaustausch kaum historische Dokumente bekannt geworden sind, abgesehen von dem Gespräch des griechischstämmigen Königs Menandros (Milinda, Regierungszeit 155 – ca. 130 v. Chr.) mit dem buddhistischen Weisen Nagasena. In diesem alsbald auch ins Chinesische übersetzten Bericht stellt der ohnehin dem Buddhismus zugeneigte König in der Tat Fragen aus allen philosophischen Disziplinen, die auch jeder griechische Schulphilosoph so hätte stellen können, und die ihm Nagasena sehr scharfsichtig und mit zahlreichen Beispielfällen beantwortete. Einige davon waren schon damals Standardfragen, die auch von Nagarjuna thematisiert werden. Allgemein bekannt ist gleichwohl, daß es zwischen Indien und Griechenland einen intensiven Handels- und Kulturaustausch gab, daß Alexander der Große Indien z. T. gräzisierte, daß viele indische Philosophen als »Gymnosophisten« in der griechischen Welt präsent waren und – wie schon Platon berichtet – ihre indische Weisheit (vielleicht auch den Buddhismus) missionarisch
Vorwort
XIII
beizubringen suchten. Das dürfte wohl dafür sprechen, daß es mehr als zufälliger Parallelismus war, daß Nagarjuna mit neuen Argumenten über den zeitgenössischen Horizont der indischen Bildung und ihres Diskussionsuniversums hinausgehen konnte. Es erklärt übrigens auch, daß in Griechenland selber mancherlei Gedankengut diskutiert wurde, von dem man bisher nur vermutet, daß es indischen Quellen entsprang. Die vorliegende Übersetzung und Kommentierung des Nagarjunawerkes läßt sich von der Hypothese leiten, daß Nagarjuna Kenntnisse und Informationen über die griechische Philosophie hatte, die ihn zu seinen ungewöhnlichen Argumenten inspirierten, und die ersichtlich nicht aus dem Kontext des indischen Denkens stammen können. Dazu gehört zunächst seine Ausgestaltung der buddhistischen »Methode des Mittleren Weges«. Sie insinuiert, daß er mit ihr genau in der Mitte zwischen den Pro-und Contra-Argumenten der brahminischen Schulen hindurch zu seinen Forschungsergebnissen gelangen könnte. Dabei wird allgemein zugestanden, daß er dabei weder irgendeinem der von seinen Gegnern vorgebrachten Argumente zustimmt, noch, daß er irgendein derartiges Argument widerlegt. Wie diese Methode aber ausgestaltet wird, das haben die griechischen Skeptiker und insbesondere kurz vor ihm Sextus Empiricus vorgemacht. Es ist die skeptische Methode der »Epoché«, der Urteilsenthaltung, die weder zustimmt noch negiert. Darin stimmt der »Mittlere Weg« des Nagarjuna vollkommen mit der skeptischen Methode überein. Anders als die Skeptiker, die davon ausgehen, daß sich (kontradiktorisch) gegenüberstehende Argumente gegenseitig widerlegen und deshalb falsch seien, behauptet Nagarjuna jedoch, daß sie insgesamt »sinnlos« bzw. »sinnleer« seien. Und dies deshalb, weil ihr unterstellter ideeller Gehalt ganz unvorstellbar, d. h. weder sinnlich verdeutlicht noch gedanklich verständlich gemacht werden könne. Man könnte sagen, er entlarvt die Schulstreitigkeiten seiner Gegner als einen müßigen Streit um des Kaisers glänzende Gewänder, indem er zeigt, daß es sie gar nicht gibt.
XIV
Vorwort
Eine andere griechische Inspirationsquelle dürfte die aristotelische Lehre von den vier Ursachen der Substanzerklärung gewesen sein, die auch in der Spätantike noch überall im Umlauf und Gebrauch war. Dafür spricht, daß er schon am Anfang seiner Schrift auf »vier Ursachen« zu sprechen kommt und betont, daß es keine »fünfte Ursache« gebe. Es ist aber weder in Indien noch in der abendländischen Welt irgendein Denker bekannt geworden, der genau diese Zahl von Ursachen als wissenschaftliches Erklärungsmittel erfunden und vorgeschlagen hätte außer Aristoteles. Setzt man dies voraus, wird deutlich, daß er seine eigene Theorie vom »Entstehen im Zusammenhang« (pratitya-samutpada) in der Kritik an der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre entwickelt und dieser gegenübergestellt hat. Ebenso wird die Bedeutung der Benennung dieser vier Ursachen sowohl im Sanskrit wie im Chinesischen als Übersetzung der griechischen Bezeichnungen der »Form- und Materieursache sowie der Wirk- und Zweckursachen« überhaupt erst verständlich. Der Gang seiner Analysen der einzelnen Ursachen aber zeigt, wie er drei dieser Ursachen, nämlich die materiellen und die Wirk- und Zweckursachen als wiederum »unvorstellbar« destruiert und nur die Formursache in einer neuen und originellen Deutung für seine »Kausaltheorie« der Entstehung in Abhängigkeit übrig läßt. Für künftige Forschungen dürfte dabei die Frage offen sein, ob und wieweit sich Nagarjuna für seine Übernahme der Formerklärung auf neuplatonische Quellen stützt. Denn es waren die zeitgenössischen Neuplatoniker, die die platonischen Ideen als Begriffsformen (und göttlichen Schöpfungspläne) zur Erklärung der »Emanation« aller geschaffenen Dinge in Anspruch genommen haben. Und daß Nagarjuna davon Kenntnisse gehabt haben könnte, ergibt sich daraus, daß er das neuplatonisch-christliche Kernproblem diskutiert, ob und wie ein Gott überhaupt Mensch werden könnte. Auch Sextus Empiricus hat es thematisiert, aber es war sicher kein Problem der indischen Philosophie.
Vorwort
XV
Bei all diesen Analysen kommt viel Logisches ins Spiel. Die meisten Interpreten verweisen dabei auf die aristotelische Syllogistik, sei es als Parallelentwicklung, sei es gar als Übernahme. Weniger hat man Bezüge zur stoischen Logik untersucht, obwohl diese dem Argumentationsmodus des Nagarjuna viel näher steht als die aristotelische Syllogistik. Aber die stoische Logik ist auch im Westen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleichsam wiederentdeckt worden und somit den meisten früheren Interpreten unbekannt geblieben. Im Mittelpunkt der Debatten steht dabei die von Nagarjuna mehrfach verwendete Argumentfigur der Catuskoti, des »Urteils-Vierkant« bzw. »Tetralemmas«. Sie ist als Standardform aber auch schon vor Nagarjuna in Indien in Gebrauch gewesen, ebenso im Westen, und häufig auch bei Sextus Empiricus. Obwohl die Catuskoti schon lange und intensiv verhandelt wurde, sind die Logiker noch weit von einer allgemein akzeptierten Deutung, worum es sich dabei handelt, entfernt. Einig dürfte man sich allenfalls darüber sein, daß Nagarjuna in der Catuskoti die Argumente der Schulen über bestimmte Themen jeweils in vier Sätzen zusammenfaßt, in denen die einfache und doppelte Negation die wesentliche Rolle spielen. Dabei stellt sich das Problem, ob Nagarjuna damit selbst negierende oder – durch doppelte Verneinung – positive Behauptungen aufstellt, ob dies auch bei den widersprüchlichen Sätzen als »dialektischen Thesen« der Fall ist, und ob er damit überhaupt etwas behauptet oder eben nicht. Der »Mittlere Weg« und seine skeptische Ausgestaltung sprechen für letzteres. Die Übersetzung läßt sich davon leiten, und sie wird im Kommentar ausführlich begründet. Der Leser wird sich fragen, warum für die vorliegende Übersetzung die chinesische Version des Kumarajiva als Vorlage genommen wurde, nicht aber der originale Sanskrittext oder die tibetische Version. Dazu ist zu sagen, daß sich die meisten Übersetzungen am Sanskrittext und der tibetischen Version orientieren. Das gilt selbst für die beiden Übersetzungen von Max Walleser (1912)
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Vorwort
und Brian Bocking (1995). Ersichtlich geht man davon aus, daß indische und tibetische Gelehrte aus ihren Textvorlagen am besten erkennen könnten, was der »originale« Sinn dieser Schrift sei, der dann auch als Maßstab für die chinesische Interpretation zu gelten habe. Man unterschätzt dabei, daß der Text des Kumarajiva selbst zu einer »originären« Quelle für die Verbreitung der buddhistischen Lehre in ganz Asien geworden ist. Wie bei allen Übersetzungen überwiegen zwar die Übereinstimmungen, aber es gibt genügend schwierige und gar »dunkle« Passagen, deren Interpretation vor dem Hintergrund der indischen Geisteswelt anders ausfällt als auf dem der chinesischen. Und dies rechtfertigt gewiß eine Neuübersetzung aus dem Chinesischen. Düsseldorf, im Dezember 2009
Lutz Geldsetzer
NAGA RJ U NA
中論 Die Lehre von der Mitte
W idmu ng a n de n Buddh a 不生亦不滅
不常亦不斷
不一亦不異
不來亦不出
能說是因緣
善滅諸戲論
我稽首禮佛
諸說中第一
»Derjenige, welcher im Stande war zu erklären, daß weder Entstehen noch Vergehen, weder Beständigkeit (Kontinuität) noch Endlichkeit (Diskontinuität), weder Einheit (Identität) noch Unterschiedlichkeit (Nicht-Identität), weder Herkommen (Vergangenheit) noch Fortgehen (Zukunft) formale Ursachen (yin yuan / hetu) sind und dadurch elegant alle Folgerungen daraus (xi lun / prapanca) widerlegte, vor ihm, dem Buddha neige ich mein Haupt in Verehrung, dem Begründer der Lehre von der Mitte.«
1. K a pi t el Über die Erscheinungen und die vier (aristotelischen) Ursachen
1.
諸法不自生
亦不從他生
不共不無因
是故知無生
Die Erscheinungen erzeugen sich nicht selbst, und sie werden auch nicht von etwas anderem erzeugt. Da durch beides nicht, und da sie doch nicht ohne formale Ursachen (d. h. »begriffliche Form«) sind, weiß man, daß sie nicht erzeugt werden. 2.
如諸法自性
不在於緣中
以無自性故
他性亦復無
Bei allen Erscheinungen gilt: Substantialität liegt nicht in ihnen und nicht in Ursachen. Weil sie keine eigene Substantialität haben, haben sie auch keine Substantialität von anderswo her. 3. 因緣次第緣
緣緣増上縁
四緣生諸法
更無第五緣
(Es wird behauptet, freilich nur von dem Griechen Aristoteles:) Formursache (yin yuan / hetu), materiale Ursache (ci di yuan / alambana, eigentlich: Ursache als Glied einer Reihe, nämlich der Stufen der Materie), Wirkursache (yuan yuan / samanantara, eigentlich: vorausgehende Ursache) und Ursache des Abzielens auf einen Wert (Zweckursache, zeng shang yuan / adhipati) als vier Ursachen sollen alle Erscheinungen erzeugen. Darüber hinaus gäbe es keine fünfte Ursache. 4.
果為從緣生
為從非緣生
是緣為有果
是緣為無果
Wirkungen läßt er (Aristoteles!) infolge von Ursachen erzeugt werden, und er läßt sie infolge von etwas entstehen, was keine Ursache ist, d. h. (einigen) Ursachen schreibt er eine Wirkung zu, und (einigen) Ursachen schreibt er keine Wirkung zu.
6
5.
1. Kapitel
因是法生果
是法名為緣
若是果未生
何不名非緣
Wenn es eine Erscheinung ist, die eine Wirkung erzeugt, dann nennt er diese Erscheinung Ursache. Würde die Wirkung noch nicht erzeugt, warum sollte man dann nicht sagen, daß sie gar keine Ursache sei? 6. 果先於緣中
有無倶不可
先無為誰緣
先有何用緣
Daß die Wirkung vorher in der Ursache (enthalten) ist und nicht (enthalten) ist, kann nicht nebeneinander der Fall sein. Ist sie vorher nicht darin, für was wäre sie Ursache? Ist sie vorher darin, warum braucht es da eine Ursache? 7. 若果非有生
亦復非無生
亦非有無生
何得言有緣
Gäbe es aber für die Wirkung weder eine Erzeugung noch auch Nichterzeugung und auch nicht Erzeugung und Nichterzeugung zugleich, wie könnte man dann davon reden, daß sie Ursachen hat? 8. 果若未生時
則不應有滅
滅法何能緣
故無次第緣
Solange sie (scil. die Ursache) die Wirkung noch nicht erzeugt hätte, dürfte sie nicht vergehen. Ist sie aber als Erscheinung vergangen, wie könnte sie (etwas) verursachen? Daher gibt es keine materiellen Ursachen. 9.
如諸佛所說
真实微妙法
於此無緣法
云何有緣緣
Nach der Erklärung aller Buddhisten besteht die Wirklichkeit aus wunderbar-geheimnisvollen Erscheinungen, und zwar ursachelosen Erscheinungen. Wie gäbe es da Wirkursachen? 10. 諸法無自性
故無有有相
說有是事故
是事有不然
Die Erscheinungen sind keine Substanzen, weil sie keine Seinsmerkmale besitzen. Die Behauptung, daß eine Sache deswegen existiere, weil es eine andere Sache gibt, ist nicht richtig.
Über die Erscheinungen und die vier Ursachen
11.
略廣因緣中
求果不可得
因緣中若無
7
云何從緣出
In den einzelnes umfassenden Formursachen Wirkungen zu suchen, kann nicht gelingen. Gäbe es in den Formursachen keine, wie sollten sie infolge von Ursachen hervortreten? 12.
若謂緣無果
而從緣中出
是果何不從
非緣中而出
Würde man etwas Ursache nennen, das keine Wirkung hat, die mitten aus der Ursache hervorgeht, warum sollte die Wirkung nicht aus etwas hervorgehen, was keine Ursache ist? 13. 若果從緣生
是緣無自性
從無自性生
何得從緣生
Entstünde die Wirkung aus Ursachen, wären diese Ursachen doch substanzlos. Entstünden sie aber aus solchem Substanzlosem, wie stellt man sich dann vor, daß sie aus Ursachen entstünden? 14. 果不從緣生
不從非緣生
以果無有故
緣非緣亦無
Wirkungen entstehen nicht aus Ursachen und sie entstehen nicht aus dem, was keine Ursache ist. Weil es also keine Wirkungen gibt, gibt es auch keine Verursachung oder Nicht-Verursachung.
2. K a pi t el Über das Beispiel des Gehens
1. 已去無有去
未去亦無去
離已去未去
去時亦無去
Schon gegangen sein ist kein Gehen. Noch nicht zu gehen ist auch kein Gehen. Außer schon Gegangensein und Noch-nicht-Gehen ist auch die Dauer des Gehens kein Gehen. 2. 动處則有去
此中有去時
非已去未去
是故去時去
Gehen ist eine Ortsveränderung, bei der man aktuell (in der Zeit) geht. Man geht aktuell, aber keineswegs, wenn man schon gegangen ist oder noch nicht geht. 3. 云何於去時
而當有去法
若離於去法
去時不可得
Was hat es nun mit diesem aktuellen Gehen auf sich, da doch nur so das Gehen erscheint. Denn außer dieser Erscheinung des Gehens könnte man sich kein aktuelles Gehen vorstellen. 4. 若言去時去
是人則有咎
離去有去時
去時獨去故
Falls gesagt würde, man ginge in der Zeit des Gehens, so würde man einen Fehler machen: Nämlich, daß es unabhängig vom Gehen eine Zeit des Gehens gäbe, derweil man darin gehe. 5.
若去時有去
則有二種去
一謂未去時
二謂去時去
Falls man während der Zeit des Gehens ginge, so gäbe es zwei Arten von Gehen. Das eine würde man potentielles Gehen (»in der Zeit, da man noch nicht geht«) nennen, das andere das »aktuelle Gehen« (»in der Zeit, da man tatsächlich geht«).
Über das Beispiel des Gehens
6. 若有二去法
則有二去者
以離於去者
9
去法不可得
Gäbe es aber zwei Geherscheinungen, dann gäbe es auch zwei Gänger. Denn getrennt vom Gänger kann man sich keine Geherscheinung vorstellen. 7. 若離於去者
去法不可得
以無去法故
何得有去者
Wäre sie unabhängig vom Gänger, könnte man sich eine Geherscheinung nicht vorstellen. Gäbe es keine Geherscheinung, wie sollte man sich vorstellen, daß es einen Gänger gäbe? 8. 去者則不去
不去者不去
離去不去者
無第三去者
Dann würde der Gänger nicht gehen, und der Nicht-Gänger würde nicht gehen. Und außer demjenigen, der geht, und dem, der nicht geht, gibt es keinen dritten Gänger. 9.
若言去者去
云何有此義
若離於去法
去者不可得
Sagte man, »der Gänger geht«, was würde das bedeuten? Da man sich doch unabhängig von der Geherscheinung einen Gänger nicht vorstellen kann? 10.
若去者有去
則有二種去
一謂去者去
二謂去法去
Hätte der Gänger das Gehen, dann hätte er ein zweifaches Gehen. Das eine würde man »Gehen des Gängers« nennen, das andere hieße »Gehen der Geherscheinung«. 11.
若謂去者去
是人則有咎
離去有去者
說去者有去
Sagte man also, »der Gänger geht«, dann würde man fehlerhaft (widersprüchlich) behaupten, es gäbe den Gänger unabhängig vom Gehen, und der Gänger sei das Gehen.
10
12.
2. Kapitel
已去中無發
未去中無發
去時中無發
何處當有發
Im schon vergangenen Gehen gibt es keinen Anfang, im potentiellen (»noch-nicht«-)Gehen gibt es keinen Anfang, und im aktuellen Gehen gibt es keinen Anfang. Wo also soll es den Anfang geben? 13. 未發無去時
亦無有已去
是二應有發
未去何有發
Ehe man angefangen hat, geht man nicht aktuell, und man ist auch nicht schon gegangen. Das heißt: beides müßte erst einmal anfangen. Aber wie fängt man an, wenn man noch nicht geht? 14. 無去無未去
亦復無去時
一切無有發
何故而分别
Ohne Gehen geht man weder potentiell (»noch nicht«) noch aktuell. Und da darin insgesamt kein Anfang liegt, auf welcher Grundlage unterscheidet man sie dann? 15. 去者則不住
不去者不住
離去不去者
何有第三住
Wer geht bleibt nicht stehen, und wer nicht geht bleibt nicht stehen. Und außer beim Gehenden und Nichtgehenden, wie gäbe es da noch ein drittes Stehenbleiben? 16. 去者若當住
云何有此義
若當離於去
去者不可得
Würde der Gehende stehenbleiben, was würde das bedeuten? Wäre dies (Stehenbleiben) vom Gehen abgetrennt, könnte man sich keinen Gehenden vorstellen. 17.
去未去無住
去時亦無住
無有行止法
皆同於去義
Gehen als potentielles und aktuelles Gehen haben nichts mit Stehenbleiben zu tun. Es gibt keine Erscheinung des Anhaltens der Bewegung, die mit dem begrifflichen Sinn des Gehens veträglich wäre.
Über das Beispiel des Gehens
18. 去法即去者
是事則不然
去法異去者
11
是事則不然
Daß Geherscheinung und Gehender dasselbe wären, ist also nicht richtig. Daß Geherscheinung und Gehender verschieden wären, ist aber auch nicht richtig. 19.
若謂於去法
即為是去者
作者及作業
是事則為一
Würde man von der Geherscheinung sagen, sie sei dasselbe wie der Gehende, dann würden auch der Täter und seine Tat dasselbe. 20. 若謂於去法
有異於去者
離去者有去
離去有去者
Sagte man aber von der Geherscheinung, sie sei vom Gehenden verschieden, so gäbe es das Gehen getrennt vom Gehenden, und den Gehenden getrennt vom Gehen. 21.
去去者是二
若一異法成
二門俱不成
云何當有成
Gehen und Gehender wären zweierlei, falls die eine die andere Erscheinung zustandebrächte. Beide Aspekte zusammen bringen die Erscheinung jedoch nicht zustande. Wie kommt sie dann zustande? 22. 因去知去者
不能用是去
先無有去法
故無去者去
Aus dem Gehen auf den Gehenden zu schließen, dazu kann das Gehen nicht dienen. Denn es gibt nicht zuerst die Erscheinung des Gehens, weil es keinen Gehenden gäbe, der geht. 23. 因去知去者
不能用異去
於一去者中
不得二去故
Aus dem Gehen auf den Gehenden zu schließen, dazu kann (auch) ein (von dem ersten Gehen) verschiedenes Gehen nicht dienen, weil man sich in dem einen Gehenden nicht ein zweites Gehen vorstellen kann.
12
24. 決定有去者
2. Kapitel
不能用三去
不決定去者
亦不用三去
Zur Erklärung dessen, was der Gehende ist, kann (auch) ein drittes Gehen nicht dienen. Erklärt man aber den Gehenden (als Erscheinung) nicht, braucht man auch kein dreifaches Gehen. 25. 去法定不定
去者不用三
是故去去者
所去處皆無
Und um die Erscheinung des Gehens zu erklären oder nicht zu erklären, dazu braucht man (auch) keinen dreifachen Gänger. Und zwar, weil (dafür) alles dies: Gehen, Gehender und so etwas wie Gänge (Gehstrecken) sämtlich untauglich sind.
3. K a pi t el Über die Sinne, die sogenannten Wahrnehmungsvermögen und ihren Zusammenhang mit dem Wahrnehmenden
1.
眼耳及鼻舌
身意等六情
此眼等六情
行色等六塵
Sehsinn, Hörsinn sowie Riechsinn, Geschmackssinn, Leibsinn (Tastsinn) und vorstellender Sinn sind zusammen die sechs Sinne. Der Sehsinn als einer von den sechs Sinnen richtet sich auf die Farben bzw. Gestalten als einen von den sechs Gegenstandsbereichen. 2. 是眼則不能
自見其已体
若不能自見
云何見餘物
Der Sehsinn ist (zwar) so beschaffen, daß er nicht von sich selbst her sein eigenes Organ sehen kann. Könnte er aber nicht von sich selbst her sehen, wie sähe er die übrigen Dinge? 3. 火喻則不能
成於眼見法
去未去去時
已總答是事
Durch den Feuerschein kann es nicht zustande kommen, daß man mit dem Sehsinn Erscheinungen sieht. Gegangensein, zukünftiges (potentielles) Gehen und aktuelles Gehen beantworten schon, um was es geht. 4.
見若未見時
則不名為見
而言見能見
是事則不然
Gesetzt, das Sehen wäre noch nicht aktuelles Sehen, dann würde man dieses nicht Sehen nennen. Aber dann zu sagen: das Sehen hat das Vermögen zu sehen, das ist nicht richtig. 5. 見不能有見
非見亦不見
若已破於見
則為破見者
Das Sehen ist nicht ein Vermögen zu sehen, ebenso wie Nichtsehen auch nicht sieht. Würde man es (das Sehvermögen) vom Sehen abspalten, dann würde (auch) der Sehende abgespalten.
14
6. 離見不離見
3. Kapitel
見者不可得
以無見者故
何有見可見
Man kann sich aber einen Sehenden nicht vorstellen ohne Sehen und nicht getrennt vom Sehen. Gibt es keinen Sehenden, wie gäbe es dann ein Sehen, das sehen kann? 7. 見可見無故
識等四法無
四取等諸緣
云何當得有
Gibt es aber kein Sehen, das sehen kann, dann gibt es auch kein Wissen um die weiteren vier (Sinnes-)Erscheinungen. Wie soll man sich dann vorstellen, daß es die vier Sinneswahrnehmungen usw. und (ihre sogenannten) Ursachen gibt? 8. 耳鼻舌身意
聲及闻者等
當知如是義
皆同於上說
Das ist nun ebenso als Sinn von Ohr, Nase, Zunge, Leib, vorstellendem Sinn, Sprecher und Hörer usw. zu verstehen. Für alle gilt das oben Erklärte gleichermaßen.
4. K a pi t el Über die Gestalt als formale Ursache der Körper
1.
若離於色因
色則不可得
若當離於色
色因不可得
Wäre er unabhängig von einer formalen (gestaltlichen) Ursache von Körpern, könnte man sich einen Körper nicht vorstellen. Und wäre diese getrennt vom Körper, könnte man sich die Körpergestalt nicht vorstellen. 2. 離色因有色
是色則無因
無因而有法
是事則不然
Gibt es Körper unabhängig von einer Körpergestalt, dann heißt das, daß es für den Körper keine Formursache gibt. Daß es aber keine Formursache und doch eine (Körper-)Erscheinung gibt, ist nicht richtig. 3. 若離色有因
則是無果因
若言無果因
則無有是處
Gäbe es unabhängig vom Körper eine Formursache, dann wäre das eine wirkungslose Formursache. Würde man aber von einer wirkungslosen Formursache reden, dann hätte sie nichts, wo sie Platz greift. 4.
若已有色者
則不用色因
若無有色者
亦不用色因
Gäbe es Körperliches schon an sich, dann bräuchte man keine formale Ursache für den Körper. Gäbe es nichts Körperliches, bräuchte man ebenfalls keine formale Ursache für den Körper. 5. 無因而有色
是事終不然
是故有智者
不應分别色
Aber daß es ohne Formursache Körper gäbe, das ist ganz und gar nicht richtig. Deshalb darf ein Sachkundiger den Körper nicht davon unterscheiden.
16
4. Kapitel
6. 若果似於因
是事則不然
果若不似因
是事亦不然
Wäre die Wirkung der formalen Ursache ähnlich, so wäre das nicht richtig. Wäre die Wirkung der formalen Ursache nicht ähnlich, wäre das aber auch nicht richtig. 7. 受陰及想陰
行陰識陰等
其餘一切法
皆同於色陰
Die Problematiken des Empfindens, des Denkens, des Handelns, des Kennens usw. und jeder solcher Erscheinung haben dies alle mit der Körperproblematik gemein. 8. 若人有問者
離空而欲答
是則不成答
倶同於彼疑
Hätte einer eine Frage dazu und wünschte eine Antwort, die Leerheit beiseite lassend, so kämen keine Antworten zustande, da ja alle in gleicher Weise jenen Verwirrungen unterliegen. 9.
若人有難問
離空說其過
是不成難問
倶同於彼疑
Hätte einer schwierige Fragen und möchte ohne Bezug auf die Leerheit erklären, was ihr springender Punkt ist, dann kommen schon die (Formulierungen der) schwierigen Fragen nicht zustande, da sie in gleicher Weise jenen Verwirrungen unterliegen.
5. K a pi t el Über den Raum und seine angeblichen Merkmale
1.
空相未有時
則無虚空法
若先有虚空
即為是無相
(Es wird behauptet:) Solange man noch kein Merkmal des Leeren habe, erschiene kein leerer Raum. Gäbe es den leeren Raum schon vorher, dann würde er merkmalslos. 2. 是無相之法
一切處無有
於無相法中
相則無所相
Nun gibt es aber merkmalslose Erscheinungen nirgendwo. Und in einer merkmalslosen Erscheinung ist ein Merkmal kein Merkmal. 3. 有相無相中
相則無所住
離有相無相
餘處亦不住
In dem, was Merkmale aufweist oder keine Merkmale aufweist, haben Merkmale keinen Bestand. Und außerhalb von dem, was Merkmale aufweist oder keine Merkmale aufweist, haben sie auch keinen Bestand 4.
相法無有故
可相法亦無
可相法無故
相法亦復無
Weil er (der Raum) kein Erscheinungsmerkmal hat, ist er auch keine durch Merkmale bestimmbare Erscheinung. Und weil er keine durch Merkmale bestimmbare Erscheinung ist, hat er auch wiederum kein Escheinungsmerkmal. 5. 是故今無相
亦無有可相
離相可相已
更亦無有物
Also: Weil es jetzt kein Merkmal gibt, gibt es auch keine Bestimmbarkeit durch Merkmale. Außerhalb der schon durch Merkmale bestimmten oder bestimmbaren gibt es auch keine weiteren Dinge.
18
6. 若使無有有
5. Kapitel
云何當有無
有無既已無
知有無者誰
Würde man das, was kein Merkmal hat, zu etwas machen, was eines hat, wie sollte man dann das kennzeichnen, was keines hat? Was keines hat, ist schon Nichts. Wer würde etwas, was keines hat, erkennen? 7. 是故知虚空
非有亦非無
非相非可相
餘五同虚空
Darum erkennt man den leeren Raum weder als Sein noch als Nichts, weder durch ein Merkmal noch durch Bestimmbarkeit. Für die übrigen fünf Elemente trifft das genau so zu wie für den leeren Raum. 8. 淺智見諸法
若有若無相
是則不能見
滅見安隱法
Oberflächliche Weisheit sieht alle Erscheinungen so, als ob sie Merkmale hätten oder keine Merkmale hätten. Das heißt: sie vermag die ruhig-stillen Erscheinungen nicht so zu sehen, daß die (falschen) Ansichten verschwinden.
6. K a pi t el Über den Leidenden und die Leidenserscheinung
1.
若離於染法
先自有染者
因是染欲者
應生於染法
Gäbe es zuerst einen aus sich selbst heraus Leidenden getrennt von der Leidenserscheinung, dann müßte das Leiden und der (vom Leiden) Betroffene die Leidenserscheinung hervorbringen. 2. 若無有染者
云何當有染
若有若無染
染者亦如是
Gäbe es aber keinen Leidenden, wie gäbe es Leiden? Und ob es Leiden gäbe oder nicht gäbe, beim Leidenden wäre es ebenso. 3. 染者及染法
俱成則不然
染者染法俱
則無有相待
Daß der Leidende mit der Leidenserscheinung zusammenfällt, das entspricht nicht den Tatsachen. Wenn nämlich der Leidende und die Leidenserscheinung zusammenfallen, dann haben sie kein gegenseitiges Verhältnis. 4.
染者染法一
一法云何合
染者染法異
異法云何合
Sind der Leidende und die Leidenserscheinung dasselbe, wie verbinden sie sich zu einer einheitlichen Erscheinung? Sind die Erscheinungen des Leidenden und des Leidens verschieden, wie verbinden sie sich als verschiedene Erscheinungen? 5. 若一有合者
離伴應有合
若異有合者
離伴亦應合
Wäre das Verbundene eines, dann müßte die Verbindung außerhalb der Teile sein. Wäre das Verbundene verschieden, müßte die Verbindung auch außerhalb der Teile sein.
20
6. Kapitel
6. 若異而有合
染染者何事
是二相先異
然後說合相
Falls aber Verschiedenes vereinigt würde, was für eine Sache wären dann Leiden und Leidender? Da beider Merkmale von vornherein verschieden wären, müßte man dann ein Vereinigungsmerkmal behaupten. 7. 若染及染者
先各成異相
既已成異相
云何而言合
Würden auf das Leiden und den Leidenden von vornherein jeweils verschiedene Merkmale zutreffen, dann wären sie schon mit verschiedenen Merkmalen zustande gekommen. Wie sollte man dann noch von Vereinigung reden? 8. 異相無有成
是故汝欲合
合相竟無成
而復說異相
Sie weisen aber keine verschiedenen Merkmale auf, und deshalb möchtest du ihre Vereinigung. Und weil sie ersichtlich kein Vereinigungsmerkmal aufweisen, sprichst du ihnen wiederum verschiedene Merkmale zu. 9.
異相不成故
合相則不成
於何異相中
而欲說合相
Aber gerade weil keine unterschiedlichen Merkmale vorkommen, ergibt sich auch kein Vereinigungsmerkmal. In was für verschiedenen Merkmalen willst du trotzdem ein Vereinigungsmerkmal behaupten? 10. 如是染染者
非合不合成
諸法亦如是
非合不合成
Darum trifft auf Leiden und den Leidenden weder »Vereinigung« noch »Nicht-Vereinigung« zu. Auf alle Erscheinungen, die auch so beschaffen sind, trifft weder »Vereinigung« noch »Nicht-Vereinigung« zu.
7. K a pi t el Über die Merkmale der vier Ursachen der Erscheinungen, insbesondere der Wirkursache
1.
若生是有為
則應有三相
若生是無為
何名有為相
Wäre das Entstehen etwas Bewirktes, dann müßte es (weitere) drei Merkmale (als Merkmale der übrigen drei Ursachen) besitzen. Wäre das Entstehen nicht bewirkt, was hieße dann »Merkmal des Bewirkten« besitzen? 2. 三相若聚散
不能有所相
云何於一處
一時有三相
Ließen sich die drei (weiteren Ursachen-)Merkmale zusammenführen oder trennen, dann könnte es gar keine Merkmale geben. Denn wie sollten sich diese drei Merkmale auf einen (einzigen) Sachverhalt gleichzeitig beziehen? 3. 若謂生住滅
更有有為相
是即為無窮
無即非有為
Würde man aber sagen, zusätzlich zum Entstehen, Bestehen und Vergehen gäbe es noch das Bewirktseins-Merkmal, dann ginge das Bewirktsein ins Unendliche. Und wäre das nicht so, gäbe es überhaupt kein Bewirktsein. 4.
生生之所生
生於彼本生
本生之所生
還生於生生
Dann wäre nämlich ein Entstehen des Entstehens ein Entstehen aus einem ursprünglichen Entstehen. Das ursprüngliche Entstehen entstünde dann aus einem weiteren Entstehen des Entstehens. 5. 若謂是生生
能生於本生
生生從本生
何能生本生
Würde man aber sagen, ein Entstehen des Entstehens könnte aus einem Ursprung entstehen, wie könnte dann ein Entstehen des Entstehens aus einem Ursprung entstehen?
22
7. Kapitel
6. 若謂是本生
能生於生生
本生從彼生
何能生生生
Und sagte man, daß der Ursprung aus einem Entstehen des Entstehens entstehen könnte, wie könnte der Ursprung aus jenem Entstehen das Entstehen von Entstehen entstehen lassen? 7. 若生生生時
能生於本生
生生尚未有
何能生本生
Könnte das gerade entstehende Entstehen von Entstehen aus einem Ursprung entstehen, dann entstünde das Entstehen gerade noch nicht. Denn wie könnte der Ursprung entstehen? 8. 若本生生時
能生於生生
本生尚未有
何能生生生
Und könnte (umgekehrt) ein gerade entstehender Ursprung aus einem Entstehen von Entstehen entstehen, dann gäbe es (auch) noch keinen Ursprung. Denn wie könnte er das Entstehen von Entstehen entstehen lassen? 9.
如燈能自照
亦能照於彼
生法亦如是
自生亦生彼
So, wie eine Leuchte, die sich selbst beleuchten kann, auch anderes beleuchten kann, so verhält es sich auch mit dem Entstehen von Erscheinungen: Indem sie selbst entstehen, lassen sie auch anderes entstehen. 10. 燈中自闇
住處亦無闇
破闇乃名照
無闇則無照
In einer Leuchte selbst gibt es keine Dunkelheit, und an dem Ort, wo sie sich befindet, gibt es auch keine Dunkelheit. Beseitigung von Dunkelheit heißt leuchten. Ohne Dunkelheit gibt es kein Leuchten. 11.
云何燈生時
而能破於闇
此燈初生時
不能及於闇
Wie kann aber das Lampenlicht, das gerade entsteht, die Dunkelheit beseitigen, da doch das Lampenlicht zu Beginn des Entstehens gar nicht in die Dunkelheit reichen kann.
Über die Merkmale der Ursachen der Erscheinungen
12.
燈若未及闇
而能破闇者
燈在於此間
23
則破一切闇
Erreichte das Lampenlicht die Dunkelheit noch nicht und könnte doch das Dunkel beseitigen, so würde es dazwischen leuchten und (erst) dann die Dunkelheit gänzlich beseitigen. 13. 若燈能自照
亦能照於彼
闇亦應自闇
亦能闇於彼
Könnte das Lampenlicht sich selbst beleuchten und könnte es auch anderes beleuchten, dann müßte auch das Dunkel sich selbst verdunkeln, und es könnte auch anderes verdunkeln. 14. 此生若未生
云何能自生
若生已自生
生已何用生
Wäre nun dieses Entstehen noch nicht entstanden, wie könnte es von selbst entstehen? Und wäre das Entstehen schon von selbst entstanden, wozu brauchte das schon Entstandene ein Entstehen? 15. 生非生已生
亦非未生生
生時亦不生
去來中已答
Das Entstehen entsteht nicht aus vergangenem Entstehen, auch nicht aus zukünftigem Entstehen, und auch nicht aus aktuellem Entstehen. Im Herkommen und Zukünftigen liegt schon die Antwort. 16.
若謂生時生
是事已不成
云何衆緣合
爾時而得生
Würde man sagen, aktuelles Entstehen entstehe, so käme diese Sache gar nicht erst zustande. Wie aber stellt man sich das Entstehen aus der Vereinigung aller Ursachen zu einer gewissen Zeit vor? 17.
若法衆緣生
即是寂滅性
是故生生時
是二俱寂滅
Entstünden die Erscheinungen aus allen (vier) Ursachen, dann wären sie (zugleich) still vergehende Wesen. Und zwar, weil das Entstehen während des Entstehens zweierlei, nämlich (auch) stilles Vergehen wäre.
24
7. Kapitel
18. 若有未生法
說言有生者
此法先已有
更復何用生
Gäbe es noch nicht entstandene Erscheinungen, vorausgesetzt es gäbe (überhaupt) Entstehen, dann gäbe es diese Erscheinungen schon vorher. Wozu braucht man dann obendrein Entstehen? 19.
若言生時生
是能有所生
何得更有生
而能生是生
Würde man sagen, das Entstehen des aktuellen Entstehens könne etwas entstehen lassen, wie stellt man sich dann ein weiteres Entstehen vor, das solches Entstehen entstehen lassen könnte? 20. 若謂更有生
生生則無窮
離生生有生
法皆自能生
Sagte man, es gäbe weiteres Entstehen, so entstünde das Entstehen endlos (in infinitum). Entstünden die Erscheinungen aber unabhängig vom Entstehen des Entstehens, dann könnten sie alle von selbst entstehen. 21.
有法不應生
無亦不應生
有無亦不生
此義先已說
Existierende Erscheinungen müssen nicht entstehen, und auch nicht-existierende müssen nicht entstehen. Ob sie existieren oder nicht existieren, sie entstehen gleicher Weise nicht. Dieses Argument ist schon vorher ausgeführt worden. 22. 若諸法滅時
是時不應生
法若不滅者
終無有是事
Vergingen die mannigfaltigen Erscheinungen gerade, dürften sie nicht gleichzeitig entstehen. Erscheinungen, an denen nichts Vergängliches wäre, derartiges gibt es schließlich nicht. 23. 不住法不住
住法亦不住
住時亦不住
無生云何住
Nicht-beständige Erscheinungen bleiben nicht bestehen, die Erscheinung von Beständigkeit bleibt auch nicht bestehen, die Dauer ihres Bestehens bleibt auch nicht bestehen. Und wie bliebe das bestehen, was gar nicht entsteht?
Über die Merkmale der Ursachen der Erscheinungen
24. 若諸法滅時
是則不應住
法若不滅者
25
終無有是事
Würden die mannigfaltigen Erscheinungen gerade vergehen, so heißt das, daß sie nicht bestehen bleiben dürften. Denn Erscheinungen, an denen nichts Vergängliches wäre, derartiges gibt es schließlich nicht. 25. 所有一切法
皆是老死相
終不見有法
離老死有住
Jeder einzelnen Erscheinung kommen die Merkmale von Altern und Sterben gemeinsam zu. Schließlich hat man niemals Erscheinungen gesehen, die bestehen bleiben ohne zu altern und zu sterben. 26. 住不自相住
亦不異相住
如生不自生
亦不異相生
Das Bestehen bestimmt sich nicht aus dem eigenen Bestehen, und es wird auch nicht von etwas anderem bestimmt. Genau so, wie das Entstehen nicht von selbst entsteht und auch nicht von einem anderen Merkmal bestimmt wird. 27. 法已滅不滅
未滅亦不滅
滅時亦不滅
無生何有滅
Die Erscheinung, die schon vergangen ist, vergeht nicht. Ist sie noch nicht vergangen, vergeht sie auch nicht. Während sie vergeht, ist sie ebenfalls nicht vergangen. Und was gar nicht entsteht, wie sollte das vergehen? 28. 若法有住者
是則不應滅
法若不住者
是亦不應滅
Wäre eine Erscheinung etwas Beständiges, dann hieße das, daß sie nicht vergehen dürfte. Wäre eine Erscheinung etwas Nichtbeständiges, dann dürfte sie als solche (während sie erscheint!) auch nicht vergehen. 29. 是法於是時
不於是時滅
是法於異時
不於異時滅
Und doch vergehen die Erscheinungen mit der Zeit oder plötzlich. Das heißt: Die Erscheinungen vergehen zu verschiedenen Zeiten oder nicht zu verschiedenen Zeiten.
26
30.
7. Kapitel
如一切諸法
生相不可得
以無生相故
即亦無滅相
Das ist wie bei allen Erscheinungen insgesamt, deren Entstehungsmerkmal man sich nicht vorstellen kann. Gibt es aber kein Entstehungsmerkmal, dann auch kein Vergehensmerkmal. 31. 若法是有者
是即無有滅
不應於一法
而有有無相
Wären Erscheinungen etwas Seiendes, dann hieße das, daß sie niemals vergingen. Denn bei keiner einzelnen Erscheinung darf es Seins- und Nichtseinsmerkmale zugleich geben. 32.
若法是無者
是則無有滅
譬如第二頭
無故不可斷
Wären Erscheinungen etwas Nichtiges, dann hieße das (ebenso), daß sie niemals vergingen. Das ist wie bei einem zweiten Kopf. Wo keiner ist, kann man keinen abhauen. 33. 法不自相滅
他相亦不滅
如自相不生
他相亦不生
Erscheinungen vergehen nicht selbstbestimmt, und sie vergehen auch nicht fremdbestimmt. Genau so wie sie nicht selbst bestimmt entstehen noch fremdbestimmt entstehen. 34. 生住滅不成
故無有有爲
有爲法無故
何得有無爲
Da also Entstehen, Bestehen und Vergehen (als Ursachen bzw. Gründe) nicht in Frage kommen, deshalb gibt es auch kein Bewirken (als Ursache). Und weil es kein Bewirken von Erscheinungen gibt, wie sollte man sich vorstellen, daß es ein Nicht-Bewirken gäbe? 35.
如幻亦如夢
如乾闥婆城
所說生住滅
其相亦如是
Wie Trug und auch wie Traumgebilde, wie eine Fata morgana ist das so erklärte Entstehen, Bestehen und Vergehen, und mit ihren Merkmalen verhält es sich ebenso.
8. K a pi t el Über den Täter und sein Handeln
1.
決定有作者
不作決定業
決定無作者
不作無定業
Gibt es einen bestimmten Täter, so bewirkt er doch nicht eine bestimmte Handlung. Und gibt es bestimmt keinen Täter, so bewirkt das nicht, daß es keine bestimmten Handlungen gibt. 2. 決定業無作
是業無作者
定作者無作
不作無定業
Bestimmte Handlungen, die nicht bewirkt werden, sind Handlungen ohne Täter. Ein bestimmter Täter, der nichts tut, bewirkt nicht, daß es keine bestimmten Handlungen gibt. 3. 若定有作者
亦定有作業
作者及作業
即墮於無因
Falls es einen bestimmten Täter und auch eine bestimmte (von ihm) ausgeführte Handlung gibt, dann fielen der Täter und die ausgeführte Handlung ursachelos ineins. 4.
若墮於無因
則無因無果
無作無作者
無所用作法
Fielen sie in Ursachelosigkeit ineins, dann wären sie weder Ursache noch Wirkung (voneinander). Gibt es aber kein Bewirken und keinen Täter, dann braucht es keine Erscheinung des Bewirkens. 5. 若無作等法
則無有罪福
罪福等無故
罪福報亦無
Ohne Erscheinung des Bewirkens usw. gäbe es auch keine Missetaten und gute Taten. Und weil es keine Missetaten und gute Taten gäbe, gäbe es auch keine Vergeltungen für Missetaten und gute Taten.
28
8. Kapitel
6. 若無罪福報
亦無大涅盤
諸可有所作
皆空無有果
Ohne Vergeltungen für Missetaten und gute Taten gäbe es auch kein großes Nirvana. Wie viel Tätigkeiten es auch immer gäbe, sie wären doch alle leer und wirkungslos. 7. 作者定不定
不能作二業
有無相違故
一處則無二
Ob ein Täter bestimmt oder nicht bestimmt ist, er kann nicht zwei Handlungen vollziehen. Da sich (deren) Sein und Nicht-Sein gegenseitig ausschließen, fallen die beiden nicht zusammen. 8. 有不能作無
無不能作有
若有作作者
其過如先說
Das Sein kann nicht das Nichtsein bewirken. Und das Nichtsein kann nicht das Sein bewirken. Gäbe es Bewirken durch einen Täter, so hätte das denselben Fehler, wie er vorne erklärt wurde. 9.
作者不作定
亦不作不定
及定不定業
其過先已說
Der Täter bewirkt nicht bestimmte und auch nicht unbestimmte und schon gar nicht bestimmte und zugleich unbestimmte Handlungen. Dieser Fehler wurde schon im vorigen geklärt. 10. 作者定不定
亦定亦不定
不能作於業
其過也已說
Ob ein Täter bestimmt wird oder nicht, oder auch zugleich bestimmt und nicht bestimmt wird, er kann nicht Handlungen bewirken. Dieser Fehler wurde ebenfalls schon erklärt. 11.
因業有作者
因作者有業
成業義如是
更無有餘事
Formal begründet durch Handlungen gibt es Täter, und formal begründet durch Täter gibt es Handlungen. Kommt der Sinn der Handlungen so zustande, gibt es keine sonstigen Argumente.
Über den Täter und sein Handeln
12.
如破作作者
受受者亦爾
及一切諸法
29
亦應如是破
So analysiert, erklärt sich das »Wirken« des Täters und auch das »Bewirktwerden« des Bewirkten, und so müssen auch alle Erscheinungen insgesamt analytisch erklärt werden.
9. K a pi t el Über den Träger der Sinneserfahrung
1. 眼耳等諸根
苦樂等諸法
誰有如是事
是則名本住
Sehsinn, Hörsinn und alle Sinne, sowie Leidens- und Lust- und weitere Erscheinungen: Wer hat diese Sachen, so daß man ihn als Träger (das »ursprünglich Beständige«) derselben bezeichnet? 2. 若無有本住
誰有眼等法
以是故當知
先已有本住
Gäbe es keinen Träger, wer hätte dann Augen und die entsprechenden Erscheinungen? Daher meint man, daß es von vornherein schon einen Träger gäbe. 3. 若離眼等根
及苦樂等法
先有本住者
以何而可知
Ob es getrennt vom Augensinn und weiteren Sinnen mit ihren Leidens- und Lusterscheinungen von vornherein etwas als Träger gäbe, wodurch könnte man das wissen? 4. 若離眼耳等
而有本住者
亦應離本住
而有眼耳等
Gäbe es getrennt von den Augen, Ohren usw. etwas als Träger, dann müßte es auch getrennt von einem Träger Augen und Ohren usw. geben. 5.
以法知有人
以人知有法
離法何有人
離人何有法
Durch seine Erscheinung weiß man, daß es den Menschen gibt, und durch den Menschen weiß man, daß es Erscheinungen gibt Wie gäbe es abgesondert von seiner Erscheinungen einen Menschen, und wie abgesondert von einem Menschen seine Erscheinung?
Über den Träger der Sinneserfahrung
6. 一切眼等根
實無有本住
眼耳等諸根
31
異相而分別
Aber Augensinn und alle weiteren Sinne insgesamt haben (den Menschen) tatsächlich nicht als Träger. Denn Augensinn, Hörsinn und alle weiteren Sinne unterscheiden sich (von ihm) durch andere Merkmale. 7. 若眼等諸根
無有本住者
眼等一一根
云何能知塵
Hätten Augensinn und alle anderen Sinne aber keinen Träger, wie könnten dann die Augen und jeder einzelne Sinn ihren Objektsbereich erkennen? 8. 見者即聞者
聞者即受者
如是等諸根
則應有本住
Wenn der Sehende zugleich der Hörende ist, und der Hörende zugleich der Wahrnehmende, wie es doch bei allen Sinnen der Fall ist, dann müßte es einen Träger geben. 9.
若見聞各異
受者亦各異
見時亦應聞
如是則神多
Wären aber Sehen und Hören jeweils verschieden, und wären auch die Wahrnehmenden jeweils verschieden, dann müßte man beim Sehen auch (so) hören, als ob es mehrere Bewußtseine wären. 10.
眼耳等諸根
苦樂等諸法
所從生諸大
彼大亦無神
Augensinn, Hörsinn und alle anderen Sinne sowie die Leidens-, Lust- und anderen Erscheinungen fungieren (aber) erst, wenn die sämtlichen »Großen« (d. h. die fünf Elemente als Wahrnehmungsgegenstände) schon entstanden sind. Aber jene »Großen« sind auch keine Bewußtseine. 11.
若眼耳等根
苦樂等諸法
無有本住者
眼等亦應無
Hätten Augensinn, Hörsinn und die weiteren Sinne sowie die Leidens- und Lust- und weiteren Erscheinungen keinen Träger, dürften es auch die Augen usw. nicht sein.
32
12.
9. Kapitel
眼等無本住
今後亦復無
以三世無故
無有無分別
Augen- und andere Sinne haben keinen Träger, weder gegenwärtig noch später, und weil sie ihn in allen drei Welten nicht haben, macht ihr Nichtsein oder Dasein keinen Unterschied.
10. K a pi t el Das Beispiel des Brennens von Brennstoff
1.
若然是可然
作作者則一
若然異可然
離可然有然
Wären Brand und Brennbarkeit dasselbe, dann wären Tat und Täter eines und dasselbe. Würde etwas anderes als Brennbares brennen, dann gäbe es Brände ohne Brennstoff. 2. 如是常應然
不因可然生
則無然火功
亦名無作火
Auf diese Weise müßte ein ständiger Brand unabhängig von Brennbarem entstehen. Dann flammte das Feuer ohne (etwas zu) verbrennen, was man auch »untätiges Feuer« nennen würde. 3. 然不待可然
則不從緣生
火若常然者
人功則應空
Der Brand, der nicht auf Brennstoff angewiesen ist, entsteht dann nicht aus einer Ursache. Wäre Feuer ein beständiges Brennen, dann müßte menschliches Bemühen (um das Feuer) leer (vergeblich) sein. 4.
若汝謂然時
名爲可然者
爾時但有薪
何物然可然
Sprächest du jedoch von einem aktuellen Brand und sagtest, er werde vom Brennbaren entfacht, obwohl dieses nur als Brennholz vorhanden ist, was für ein Zeug würde dann als Brennstoff brennen? 5. 若異則不至
不至則不燒
不燒則不滅
不滅則常住
Wäre dies (brennbare Zeug) etwas anderes, dann erreichte (das Feuer) es nicht. Erreichte (das Feuer) es nicht, dann würde es nicht entzündet. Entzündete es sich nicht, dann würde es nicht verlöschen. Würde es nicht verlöschen, dann würde es beständig verbleiben.
34
10. Kapitel
6. 然與可然異
而能至可然
如此至彼人
彼人至此人
Brennen ist etwas anderes als Brennbares, aber es vermag Brennbares zu erreichen. Das ist so, wie der eine Mensch auf den anderen trifft, und jener Mensch auf diesen. 7. 若謂然可然
二俱相離者
如是然則能
至於彼可然
Sagte man: Brennbares brennt, während beides (noch) voneinander getrennt ist, so heißt das, daß der Brand jenen Brennstoff (bloß) zu erreichen vermag. 8. 若因可然然
因然有可然
先定有何法
而有然可然
Wäre Brennbares formale Ursache für das Brennen, dann wäre das Brennen formale Ursache des Brennbaren. Welche Erscheinung wäre dann vorauszusetzen, damit es Brennen des Brennbaren gibt? 9.
若因可然然
則然成復成
是爲可然中
則爲無有然
Wäre Brennbares formale Ursache für das Brennen, dann würde das Brennen immer wieder zustande kommen, und zwar im Brennbaren, und das geschähe, ohne daß es (vorher) brennt. 10. 若法因待成
是法還成待
今則無因待
亦無所成法
Käme die Erscheinung (des Brandes) dadurch zustande, daß (Brennstoff) als formale Ursache bereitliegt, dann hieße das, daß die Erscheinung auch noch diese Bereitschaft zustande brächte. Und gäbe es jetzt diese Formursache der Bereitschaft nicht, käme die Erscheinung auch nicht zustande. 11.
若法有待成
未成云何待
若成已有待
成已何用待
Käme die Erscheinung mit dieser Bereitschaft zustande, was hieße dann Bereitschaft, wenn sie (die Erscheinung!) noch nicht zustande gekommen ist?
Das Beispiel des Brennens von Brennstoff
35
Käme sie (die Erscheinung) aber schon mit dieser Bereitschaft zustande, wozu diente die Bereitschaft, wenn sie (die Erscheinung) schon zustande gekommen ist? 12.
因可然無然
不因亦無然
因然無可然
不因無可然
Kein Brand also durch Brennbares, aber auch kein Brand ohne Grund. Und kein Brennstoff durch Brennen, aber auch kein Brennstoff, der unbegründet (brennt). 13. 然不餘處來
然處亦無然
可然亦如是
餘如去來說
Ein Brand kommt nicht zu anderen Örtern, ohne daß es auch an diesen Brandstellen brennt. Entsprechend verhält es sich auch mit dem Brennbaren, wie ansonsten beim Gehen und Kommen erklärt wurde. 14. 若可然無然
離可然無然
然亦無可然
然中無可然
Würde Brennbares nicht brennen – und getrennt vom Brennstoff gibt es keinen Brand – dann gäbe es auch Brände ohne Brennstoff, und es würde nichts Brennbares darin verbrannt. 15. 以然可然法
說受受者法
至以說瓶衣
一切等諸法
Durch die Erscheinung des Verbrennens von Brennstoff wird die Erscheinung des Wahrnehmens und des Wahrnehmenden erklärt. Dadurch kommt man auch zur Erklärung von Gefäßen und Kleidern und aller entsprechenden Erscheinungen (bezüglich des darin Enthaltenen). 16.
若人說有我
諸法各異相
當知如是人
不得佛法味
Sagte einer, es gäbe ein Ich (wo / atman), und alle Erscheinungen seien (seine) verschiedenen Merkmale, dann weiß man, daß er einer ist, der den Reiz der buddhistischen Erscheinungslehre nicht spürt.
11. K a pi t el Über Anfang und Ende, Geburt, Leben und Sterben
1. 大聖之所說
本際不可得
生死無有始
亦復無有終
Der große Heilige erklärt: Eine ursprüngliche Begrenzung kann nicht vorgestellt werden. Geburt und Sterben sind kein Anfang und auch kein Ende. 2. 若無有始終
中當云何有
是故於此中
先後共亦無
Gäbe es aber weder Anfang noch Ende, was wäre dann eine Mitte? In bezug auf solche Mitte gäbe es deshalb auch kein gemeinsames Vorher und Nachher. 3. 若使先有生
後有老死者
不老死有生
不生有老死
Nähme man an, vorher gäbe es die Geburt und nachher gäbe es das Altern und Sterben. Dann gäbe es (in der Mitte) ein Leben, das nicht altert und stirbt, und es würde altern und sterben, was nicht geboren wird. 4. 若先有老死
而後有生者
是則爲無因
不生有老死
Wäre aber vorher Altern und Sterben, und nachher wäre die Geburt, dann wären diese (ersteren) ursachelos, und es würde altern und sterben, was nicht geboren wird. 5.
生及於老死
不得一時共
生時則有死
是二俱無因
Geboren werden und Altern und Sterben erreichen, das wird einem nicht in einer und derselben Zeit zusammen zuteil. Seine Lebenszeit zu verbringen und alsdann zu sterben, beides ist ursachelos.
Über Anfang und Ende, Geburt, Leben und Sterben
6. 若使初後共
是皆不然者
何故而戲論
37
謂有生老死
Anfang und Späteres zusammenfallen zu lassen, wäre ganz unrichtig. Warum sollte man darüber spekulieren, was es heißen soll, daß es Geburt, Altern und Sterben gibt. 7. 諸所有因果
及相可相法
受及受者等
所有一切法
Alle sogenannten formalen Ursachen und Wirkungen und was mit bestimmten und bestimmbaren Merkmalen erscheint, die Wahrnehmung und der Wahrnehmende usw., das ist nur eine einzige Gesamterscheinung. 8. 非但於生死
本際不可得
如是一切法
本際皆亦無
Nicht nur Geburt und Sterben sind als ursprüngliche Grenzen nicht vorstellbar, sondern auch die sämtlichen Erscheinungen haben keine ursprüngliche Begrenzung.
12. K a pi t el Über das Leiden
1. 自作及他作
共作無因作
如是說諸苦
於果則不然
»Selbstgemacht« oder auch »von anderem gemacht«, »von beidem gemacht« oder »grundlos gemacht«, so erklärt man, sei alles Leiden. Aber das sind falsche Schlußfolgerungen. 2. 苦若自作者
則不從緣生
因有此陰故
而有彼陰生
Wäre Leiden etwas Selbstgemachtes, dann würde es nicht aus Ursachen entstehen. Weil es aber als formale Ursache die (fünf) Elemente gibt, deshalb entstehen daraus jene (Leidens-)Elemente. 3. 若謂此五陰
異彼五陰者
如是則應言
從他而作苦
Sagte man, diese fünf (Ursachen-)Elemente seien von jenen fünf (Leidens-)Elemente verschieden, so müßte man behaupten, dass das Leiden durch etwas anderes geschaffen wird. 4. 若人自作苦
離苦何有人
而謂於彼人
而能自作苦
Schaffte sich der Mensch selbst das Leiden, was wäre ein leidensfreier Mensch, den man für jenen hielte, der sich selbst Leiden schaffen könnte? 5.
若苦他人作
而與此人者
若當離於苦
何有此人受
Wäre das Leiden von einem anderen Menschen geschaffen, und es ginge auf diesen Menschen über, welcher frei von Leiden wäre, wie sollte dieser es aufnehmen? 6. 苦若彼人作
持與此人者
離苦何有人
而能授於此
Und übernähme dieser Mensch das von dem anderen geschaffene Leiden,
Über das Leiden
39
wie wäre der beschaffen, der sich vom Leiden trennt und es diesem zu übergeben vermöchte? 7. 自作若不成
云何彼作苦
若彼人作苦
即亦名自作
Käme es nicht selbstgemacht zustande, wie schaffte jener das Leiden? Und schaffte jener das Leiden, dann hieße es auch bei ihm selbstgeschaffen. 8. 苦不名自作
法不自作法
彼無有自體
何有彼作苦
Leiden nennt man aber nicht selbstgemacht. Seine Erscheinung ist nicht eine selbstgemachte Erscheinung. Jener hat nicht (einmal) seinen Körper von sich selbst, wie sollte jener also Leiden schaffen? 9.
若彼此苦成
應有共作苦
此彼尚無作
何況無因作
Käme das Leiden durch jenen und diesen zustande, dann müßten sie gemeinsam das Leiden schaffen. Aber dieser und jener schaffen es offensichtlich nicht. Sollte es etwa ursachelos geschaffen sein? 10.
非但說於苦
四種義不成
一切外萬物
四義亦不成
Nicht nur bezüglich des Leidens bringen die vier Konzeptionen (von Ursachen) eine Erklärung nicht zustande, sondern bezüglich aller äußeren Dinge bringen die vier Konzeptionen sie auch nicht zustande.
13. K a pi t el Über die Wesenlosigkeit der Erscheinungen und das Leere
1. 如佛經所說
虛誑妄取相
諸行妄取故
是名爲虛誑
Wie das Buddha-Sutra erklärt, sind Zeugnisse des Leeren falsch aufgefaßte Merkmale. Sie heißen Zeugnisse des Leeren, weil sie alle (relevanten) Vorgänge als Täuschungen nehmen. 2. 虛誑妄取者
是中何所取
佛說如是事
欲以示空義
Was wird in den falsch aufgefaßten Leerheitszeugnissen eigentlich erfaßt? Buddha erklärt diese Sache und möchte dadurch den Sinn von Leerheit aufzeigen. 3. 諸法有異故
知皆是無性
無性法亦無
一切法空故
Weil alle Erscheinungen (immer wieder) anders sind, weiß man, daß sie alle substanzlos sind. Es gibt aber auch keine (spezielle) Erscheinung der Substanzlosigkeit, weil jede einzelne Erscheinung leer ist. 4. 諸法若無性
云何說嬰兒
乃至於老年
而有種種異
Wären nämlich alle Erscheinungen solche der Substanzlosigkeit, wie erklärte man, daß sie vom Säugling bis zum Erreichen des Greisenalters immer wieder andere sind? 5.
若諸法有性
云何而得異
若諸法無性
云何而有異
Hätten alle Erscheinungen eine (besondere) Substantialität, wie sollten sie dann eine andere (Substantialität) bekommen? Und wären alle Erscheinungen solche der Substanzlosigkeit, was wäre dann ihr Anderssein?
Über die Wesenlosigkeit der Erscheinungen
6. 是法則無異
異法亦無異
如壯不作老
41
老亦不作壯
Eine gegebene Erscheinung ändert sich nicht, und eine andere Erscheinung ändert sich auch nicht. So macht sich ein Junger nicht zu einem Alten und ein Alter macht sich auch nicht zu einem Jungen. 7. 若是法即異
乳應即是酪
離乳有何法
而能作於酪
Würde sich eine gegebene Erscheinung ändern, müßte Süßmilch dasselbe wie Sauermilch sein. Was für eine Erscheinung gibt es aber außer der Süßmilch, die zu Sauermilch gemacht werden könnte? 8. 若有不空法
則應有空法
實無不空法
何得有空法
Gäbe es nicht-leere Erscheinungen, dann müßte es (auch) eine Erscheinung des Leeren geben. Tatsächlich gibt es aber keine nicht-leere Erscheinung. Wie stellt man sich vor, was die Erscheinung des Leeren wäre? 9.
大聖說空法
爲離諸見故
若復見有空
諸佛所不化
Weil die großen Heiligen die Erscheinung des Leeren als außerhalb jeglicher Erfahrung liegend (als unmöglich) erklären, so wird sich kein Buddhist beirren lassen, falls wieder einmal das Sein des Leeren »gesehen« wird.
14. K a pi t el Über die Identität von Wahrnehmung, Wahrnehmbarem und Wahrnehmendem
1. 見可見見者
是三各異方
如是三法異
終無有合時
Wahrnehmung, Wahrnehmbares und Wahrnehmender, diese drei setzt man als jeweils verschiedenes an. So als drei Erscheinungen unterschieden, sind sie schließlich nicht einmal zeitlich verknüpft. 2. 染與於可染
染者亦復然
餘入餘煩惱
皆亦復如是
Mit dem Leid im Verhältnis zu dem, was erlitten werden kann, und zum Leidenden verhält es sich ebenso. Und auch mit dem übrigen, was in die übrigen Qualen eingeht, verhält es sich so. 3. 異法當有合
見等無有異
異相不成故
見等云何合
Unterschiedliche Erscheinungen verknüpfen sich gewiß, aber Wahrnehmung usw. (scil. Wahrnehmbares und Wahrnehmender) sind keineswegs Unterschiedliches. Und weil sie nicht als andersartige im Verhältnis zu einander auftreten, wie sollten sich Wahrnehmung usw. (scil. mit Wahrnehmbarem und Wahrnehmendem) verknüpfen lassen? 4. 非但可見等
異相不可得
所有一切法
皆亦無異相
Nicht nur das Wahrnehmbare usw. (scil. wie auch Wahrnehmung und Wahrnehmender) können nicht als Gegensätzliches vorgestellt werden. Sie sind vielmehr nur eine einzige Erscheinung, und es gibt bei ihnen allen auch keine verschiedenen Merkmale.
Über die Identität von Wahrnehmung
5. 異因異有異
異離異無異
若法所因出
43
是法不異因
Unterschiedliches ist nur auf Grund der Verschiedenheit verschieden, und Unterschiedlichkeit getrennt von Verschiedenheit ist keine Unterschiedlichkeit. Würde diese Erscheinung (von Wahrnehmung, Wahrnehmbarem und Wahrnehmendem) so begründet hervortreten, dann hätte diese Erscheinung keinen Unterscheidungsgrund. 6. 若離從異異
應餘異有異
離從異無異
是故無有異
Unterschieden sie sich infolge einer Abtrennung voneinander, so müßte es noch weitere Unterschiede geben. Es gibt aber keine Unterschiedlichkeit infolge einer Abtrennung. Daher gibt es (bei ihnen) keine Unterschiedlichkeit. 7. 異中無異相
不異中亦無
無有異相故
則無此彼異
In ihrer Unterscheidung gibt es keine Unterscheidungsmerkmale, und in ihrer Nicht-Unterscheidung auch nicht. Und weil es keine Unterscheidungsmerkmale gibt, gibt es keinen Unterschied zwischen diesem (Wahrnehmung) und jenem (Wahrnehmbaren und Wahrnehmendem). 8. 是法不自合
異法亦不合
合者及合時
合法亦皆無
Es handelt sich um eine Erscheinung, die nicht aus sich selbst heraus verknüpft ist, und die auch nicht unterschiedliche Erscheinungen verknüpft. Deshalb hat es auch mit Verknüpftem bis hin zur Verknüpfungszeit und Verknüpfungserscheinung insgesamt nichts auf sich.
15. K a pi t el Über die angebliche Substantialität hinter den Erscheinungen
1. 衆緣中有性
是事則不然
性從衆緣出
即名爲作法
Daß es in den (vier) Ursachen Substantialität gibt, das ist nicht richtig. Eine Substanz, die infolge der (vier) Ursachen hervortritt, nennt man eine bewirkte Erscheinung. 2. 性若是作者
云何有此義
性名爲無作
不待異法成
Wäre jedoch eine Substanz etwas Bewirktes, was würde das bedeuten? Würde man die Substanz unbewirkt nennen, wäre nicht zu erwarten, daß andere Erscheinungen sie zustande brächten. 3. 法若無自性
云何有他性
自性於他性
亦名爲他性
Hätte eine Erscheinung keine eigene Substantialität, wie gäbe es dann Substantialität bei anderen? Man nennt doch auch die eigene Substantialität bei anderen »andere Substantialität«. 4. 離自性他性
何得更有法
若有自他性
諸法則得成
Außer eigener und fremder Substantialität-, wie stellt man sich vor, daß es darüber hinaus noch Erscheinungen gibt? Gäbe es eigene und fremde Substantialität, so würden ihnen alle Erscheinungen ihr Zustandekommen verdanken 5.
有若不成者
無云何可成
因有有法故
有壞名爲無
Käme ihr Sein nicht zustande, wie könnte ihr Nicht-Sein zustande kommen? Weil es nur auf Grund ihres Seins Erscheinungen gäbe, würde man sie bei Vernichtung des Seins »Nicht-Seiende« nennen.
Über die Substantialität hinter den Erscheinungen
6. 若人見有無
見自性他性
如是則不見
45
佛法真實義
Sähe jemand ihr Sein oder Nicht-Sein, oder sähe er eigene Substanz oder fremde Substanz, so würde er doch nicht sehen, was Erscheinungen im echten buddhistischen Sinn sind. 7. 佛能滅有無
於化迦旃延
經中之所說
離有亦離無
Buddha kann Sein oder Nichtsein weglassen, denn im Klassikerwerk »Hua Jia Zhan Yan« (Katyayanavada = Sutra des Kaccayana Gotta »Über die rechte Einsicht«) werden sie (die Erscheinungen) unabhängig von Sein als auch unabhängig von Nichtsein erklärt. 8. 若法實有性
後則不應無
性若有異相
是事終不然
Hätte eine Erscheinung tatsächlich Substantialität, dann dürfte sie später nicht nichtsein. Hätte die Substantialität (dann nur) ein anderes Merkmal, so wäre das schließlich nicht richtig. 9.
若法實有性
云何而可異
若法實無性
云何而可異
Hätten die Erscheinungen tatsächlich Substantialität, wie könnten sie sich dann ändern? Und wären die Erscheinungen wirklich substanzlos, wie könnten sie sich dann ändern? 10.
定有則著常
定無則著斷
是故有智者
不應著有無
Ist ihr Sein bestimmt, dann manifestieren sie sich beständig. Ist ihr Nicht-Sein bestimmt, dann manifestieren sie sich als flüchtige Diskontinuitäten. Und deshalb muß der Weise sich nicht mit ihrem Sein oder NichtSein befassen.
46
11.
15. Kapitel
若法有定性
非無則是常
先有而今無
是則爲斷滅
Hätten die Erscheinungen eine bestimmte Substantialität, dann wären sie, wenn sie nicht zunichte geworden wären, beständig. Hätten sie sie vordem gehabt und jetzt nicht mehr, dann wären sie diskontinuierlich verschwunden.
16. K a pi t el Über Samsara-Verstrickung und -Befreiung und den Sinn von Nirvana
1.
諸行往來者
常不應往來
無常亦不應
衆生亦復然
(Es wird behauptet:) Alle Vorgänge unterliegen dem Kreislauf (Samsara). Sind sie aber dauerhaft, so dürfen sie ihm nicht unterliegen. Sind sie nicht dauerhaft, dürfen sie es auch nicht. Und so auch bei allen Lebewesen. 2. 若衆生往來
陰界諸入中
五種求盡無
誰有往來者
Befänden sich alle Lebewesen in diesem Kreislauf und wären sie alle in die Maya-Welt eingetreten, aber man fände sie auf den fünf Forschungswegen ganz und gar nicht, wer wäre dann im Kreislauf befangen? 3. 若從身至身
往來即無身
若其無有身
則無有往來
Gingen sie von Körper zu Körper über, dann wären sie im Kreislauf körperlos. Und wären sie darin körperlos, dann gäbe es keinen Kreislauf. 4. 諸行若滅者
是事終不然
衆生若滅者
是事亦不然
Wären alle Vorgänge Vergangenes, so wäre das offensichtlich nicht richtig. Und wären alle Lebewesen Vergangene, so wäre das auch nicht richtig. 5. 諸行生滅相
不縛亦不解
衆生如先說
不縛亦不解
Alle Vorgänge mit dem Merkmal des Entstehens und Vergehens sind nicht (ins Samsara) eingebunden und auch nicht davon befreit. Alle Lebewesen sind, wie vorn erklärt, nicht eingebunden und auch nicht davon befreit.
48
16. Kapitel
6. 若身名爲縛
有身則不縛
無身亦不縛
於何而有縛
Würde man (nur) den Körper (ins Samsara) verstrickt nennen, dann wäre der Inhaber eines Körpers nicht verstrickt. Ein Körperloser wäre auch nicht verstrickt. In bezug auf was gäbe es also die Verstrickung? 7. 若可縛先縛
則應縛可縛
而先實無縛
餘如去來答
Wäre das Verstrickbare von vornherein verstrickt, dann dürfte nur Verstrickbares verstrickt werden. Aber es gibt tatsächlich keine vorgängige Verstrickung. Das beantwortet sich übrigens wie beim Kommen und Gehen. 8. 縛者無有解
不縛亦無解
縛時有解者
縛解則一時
Für Verstricktes gibt es keine Befreiung. Nicht-Verstrickung ist aber auch keine Befreiung. Während der Verstrickung gibt es Befreites, somit findet Verstrikkung und Befreiung in derselben Zeit statt. 9.
若不受諸法
我當得涅盤
若人如是者
還爲受所縛
Würde ich nicht alle Erscheinungen wahrnehmen, so würde mir Nirvana zuteil. Aber selbst einer, der so beschaffen wäre, würde durch Wahrnehmung weiterhin verstrickt. 10. 不離於生死
而別有涅盤
實相義如是
云何有分別
Nicht getrennt vom Leben und Sterben oder gar unterschieden davon ist Nirvana. Das ist es, was tatsächlich seinen Sinn kennzeichnet. Warum sie (Leben, Sterben und Nirvana) voneinander unterscheiden?
17. K a pi t el Über karmatische Tätigkeit und ihre Vergeltung
1.
人能降伏心
利益於衆生
是名爲慈善
二世果報種
Der Mensch kann seinen Eigensinn zum reichlichen Nutzen für alles Lebendige bezähmen. Das heißt barmherzige Fürsorglichkeit, die in den zwei Welten (der Gegenwart und Zukunft) durch ihre Früchte bzw. Wirkungen vergolten wird. 2. 大聖說二業
思與從思生
是業別相中
種種分別說
Der große Heilige erklärt (dazu) zwei Tätigkeiten, nämlich Denken und das, was aus dem Denken entsteht. Innerhalb dieser Merkmalsunterscheidung von Tätigkeiten erklärt er viele weitere Unterscheidungsarten. 3. 佛所說思者
所謂意業是
所從思生者
即是身口業
Das von Buddha erklärte Denken ist das, was man Bewußtseinstätigkeit nennt. Was aus dem Denken entsteht ist eine Tätigkeit des Körpers und des Mundes. 4.
身業及口業
作與無作業
如是四事中
亦善亦不善
Von der körperlichen bis zur mündlichen Tätigkeit, seien es erfolgreiche oder erfolglose Tätigkeiten, in diesen vier Verhältnissen gibt es sowohl Gutes wie auch Ungutes. 5. 從用生福德
罪生亦如是
及思爲七法
能了諸業相
Aus deren Gebrauch entstehen Glück und Tugend, aber so entsteht auch Schuld. Mit dem Denken zusammen machen sie sieben Erscheinungen aus, und daraus kann man die Merkmale aller Tätigkeiten verstehen.
50
17. Kapitel
6. 業住至受報
是業即爲常
若滅即無常
云何生果報
Eine Tätigkeit, die bis zu ihrer Vergeltung andauert, ist eine durchgehend-beständige Tätigkeit. Hörte sie (vorher) auf, dann wäre sie unbeständig. Wie entsteht (in diesem Falle) die Vergeltung? 7. 如芽等相續
皆從種子生
從是而生果
離種無相續
So wie die Sprößlinge und entsprechende Abkömmlinge sämtlich aus Samen hervorgehen, so entsteht die Frucht aus ihnen. Ohne Samen gibt es keine entsprechenden Abkömmlinge. 8. 從種有相續
從相續有果
先種後有果
不斷亦不常
Aus dem Samen gibt es entsprechende Abkömmlinge, aus den passenden Abkömmlingen gibt es Früchte. Daß es vorher Samen und danach Früchte gibt, ist weder diskontinuierlich noch beständig. 9.
如是從初心
心法相續生
從是而有果
離心無相續
So entstehen aus dem anfänglich Inneren (des Denkens) die entsprechenden Abkömmlinge der inneren Erscheinungen. Was daraus folgt ist die Frucht. Getrennt von diesem Inneren gibt es keine entsprechenden Abkömmlinge. 10. 從心有相續
從相續有果
先業後有果
不斷亦不常
Aus dem Inneren gibt es die entsprechenden Abkömmlinge, aus den entsprechenden Abkömmlingen gibt es Früchte. Daß es vorher Tätigkeit und danach Früchte gibt, ist weder diskontinuierlich noch auch beständig. 11.
能成福業者
是十白業道
二世五欲樂
即是白業報
Was durch Tätigkeit Glück zustande bringen kann, das ist der Weg der zehn reinen Tätigkeiten. Die fünf erwünschten Freuden in den zwei Welten sind dann die Vergeltung solcher reinen Tätigkeiten.
Über karmatische Tätigkeit und ihre Vergeltung
12.
若如汝分別
其過則甚多
是故汝所說
51
於義則不然
Würde man so wie Ihr (die Sautrantika-Schule) unterscheiden, häuften sich nur die Irrtümer. Denn was Ihr darüber erklärt, trifft diesen Sinn nicht. 13. 今當復更說
順業果報義
諸佛辟支佛
賢聖所稱歎
Das was ich jetzt noch weiter über den Sinn der karmatischen Vergeltung gemäß der Tätigkeit erkläre, rühmen und schätzen alle Buddhisten, die Schule der Pi Zhi (Pratyekas), die Weisen und Heiligen. 14. 不失法如券
業如負財物
此性則無記
分別有四種
Geht ein rechtliches Dokument wie z. B. ein Schuldschein nicht verloren, so sind die geschäftlichen Tätigkeiten wie Belastungen des Vermögens. Sind diese aber nicht im wesentlichen aufgezeichnet, so ergeben sich vier Unterscheidungen. 15. 見諦所不斷
但思惟所斷
以是不失法
諸業有果報
Wird ihre pünktliche Beachtung nicht unterbrochen, sondern nur die Erinnerung daran ist abgebrochen, so entspricht das dem Falle des nicht verlorenen Rechtsdokuments. Alle Tätigkeiten sind (erfüllende) Entgelte. 16.
若見諦所斷
而業至相似
則得破業等
如是之過咎
Würde die pünktliche Beachtung unterbrochen, aber die Tätigkeit wäre doch auf das entsprechende Ziel ausgerichtet, dann stellt man sich die (schuldabtragende) Tätigkeit als gestört vor, nämlich als Verfehlung. 17.
一切諸行業
相似不相似
一界初受身
爾時報獨生
Jeder einzelne Tätigkeitsvorgang, ob er nun seinem Ziel entspricht oder nicht entspricht, verkörpert sich zunächst irgendwo (hinterläßt eine Spur), und daraus allein entsteht zeitliche Vergeltung.
52
17. Kapitel
18. 如是二種業
現世受果報
或言受報已
而業猶故在
Auf solche Weise erhalten die zwei Arten von Tätigkeit in der gegenwärtigen Welt ihre Vergeltung. Man sagt: Die Vergeltung entspricht genau der in ihr enthaltenen Tätigkeit. 19.
若度果已滅
若死已而滅
於是中分別
有漏及無漏
Nähme man an, die Frucht sei schon vernichtet (die Tätigkeit also vergolten), es wäre einer schon verstorben und verschwunden, so wäre darin zu unterscheiden, ob sie (die auslösende Tätigkeit) sich durchhält oder nicht durchhält.
20
雖空亦不斷
雖有而不常
業果報不失
是名佛所說
Obwohl sie leer ist, wird sie auch nicht unterbrochen, und obwohl ihr Sein nicht andauert, verliert sich die Vergeltung der Tätigkeit durch ihre Früchte nicht. Das wird von den berühmten Buddhisten gelehrt. 21.
諸業本不生
以無定性故
諸業亦不滅
以其不生故
Alle Tätigkeiten entstehen nicht ursprünglich, und zwar, weil sie kein bestimmtes substantielles Wesen haben. Alle Tätigkeiten vergehen auch nicht, eben weil sie nicht entstehen. 22. 若業有性者
是即名爲常
不作亦名業
常則不可作
Wären die Tätigkeiten etwas Substantielles, müßte man sie beständig dauernd nennen. Auch erfolglose würde man Tätigkeiten nennen. Sie könnten dann aber nicht beständig (nachhaltig) wirken. 23. 若有不作業
不作而有罪
不斷於梵行
而有不淨過
Gesetzt, die Tätigkeit sei erfolglos, gäbe es (auch) bei erfolglosem Tun Schuld. Selbst wenn sie fast makellos wäre, wäre sie nicht rein von Verfehlungen.
Über karmatische Tätigkeit und ihre Vergeltung
24. 是則破一切
世間語言法
作罪及作福
53
亦無有差別
Das steht aber im Gegensatz zu allem, was in der Welt darüber an Reden erscheint: Vom schuldhaften bis auch zum glückbringenden Tun gäbe es auch keinen Unterschied. 25. 若言業決定
而自有性者
受於果報已
而應更復受
Würde man sagen, eine Tätigkeit sei (als schuldhaft oder glückbringend) bestimmt und hätte von sich aus Substantialität, so müßte sie, auch wenn sie schon eine Vergeltung erhalten hat, immer weitere Vergeltungen erhalten. 26. 若諸世間業
從於煩惱出
是煩惱非實
業當何有實
Gingen alle Tätigkeiten in der Welt aus Leiden hervor, das Leiden aber wäre nicht wirklich, wie gäbe es dann wirkliche Tätigkeiten? 27. 諸煩惱及業
是說身因緣
煩惱諸業空
何況於諸身
Nun erklärt man aber, daß alles vom Leiden bis zu den Tätigkeiten durch den Körper (formal) verursacht ist. Sind aber die Leiden und alle Tätigkeiten leer, um wie viel mehr alle Körper. 28. 無明之所蔽
愛结之所缚
而於本作者
不異亦不一
Ist einer im Wahnsinn befangen oder in Liebesbanden verstrickt, so ist er als ursprünglicher Täter nicht ein anderer und auch nicht derselbe. 29. 業不從緣生
不從非緣生
是故則無有
能起於業者
Tätigkeit entsteht nicht aus Ursachen, und sie entsteht nicht aus Nicht-Ursachen. Das ist so, weil es dergleichen (Ursachen dafür) gar nicht gibt. Sie kann (nur) in Verbindung mit einem Handelnden vorkommen.
54
30.
17. Kapitel
無業無作者
何有業生果
若其無有果
何有受果者
Gibt es aber keine Tätigkeit und keinen Täter, wie gäbe es dann eine Tätigkeit, die eine Wirkung hervorbringt? Und gäbe es dabei keine Wirkung, wie gäbe es einen durch die Wirkung Betroffenen? 31. 如世尊神通
所作變化人
如是變化人
復變作化人
So wie der überirdische Geist (Bhagavat) Gespenster erschafft, so erzaubern Gespenster wiederum Gespenster. 32.
如初變化人
是名爲作者
變化人所作
是則名爲業
Und nennt man das Gespenst erst einmal Täter, nennt man gespenstiges Tun folglich Tätigkeit. 33. 諸煩惱及業
作者及果報
皆如幻如夢
如燄亦如響
Alles, vom Leiden bis zur Tätigkeit, vom Täter bis zur Vergeltung, ist gänzlich wie Spuk und Traum, wie Flammenschein und Echolaut.
18. K a pi t el Über das sogenannte Ich bzw. den Atman und das wahre Merkmal der Erscheinungen
1.
若我是五陰
我即爲生滅
若我異五陰
則非五陰相
Wäre das Ich (wo / atman) mit den fünf Bereichen (der MayaWelt) identisch, dann würde das Ich entstehen und vergehen. Wäre das Ich aber etwas anderes als die fünf Erscheinungsbereiche, dann hätte es keine Merkmale der fünf Erscheinungsbereiche. 2. 若無有我者
何得有我所
滅我我所故
名得無我智
Gesetzt den Fall, es gäbe kein Ichhaftes, wie stellte man sich dann etwas vor, was zum Ich gehören würde (atmiya)? Da das Ich und das, was zum Ich gehört, zum Verschwinden gebracht (destruiert) wurde, heißt das Gewinn des Wissens um die Ichlosigkeit (anatman). 3. 得無我智者
是則名實觀
得無我智者
是人爲希有
Hat einer das Wissen um die Ichlosigkeit erreicht, so heißt das folglich »wahre Erkenntnis«. Es gibt aber nur wenige Menschen, die das Wissen um die Ichlosigkeit erreicht haben. 4.
內外我我所
盡滅無有故
諸受即爲滅
受滅則身滅
Da die ich-zugehörige Innen- und Außenwelt des Ich völlig verschwindet und es derartiges gar nicht gibt, wird auch alles Empfinden ausgelöscht. Erlischt das Empfinden, so verschwindet auch der Körper. 5. 業煩惱滅故
名之爲解脫
業煩惱非實
入空戲論滅
Sind aber Tätigkeit und Leiden erloschen, nennt man es Befreiung. Sind Tätigkeit und Leiden nicht mehr wirklich, so tritt man in die Leere ein, und die Spekulation hört auf.
56
18. Kapitel
6. 諸佛或說我
或說於無我
諸法實相中
無我無非我
Von den Buddhisten reden die einen über das Ich (atman), die anderen reden über die Ichlosigkeit (anatman). In den Wirklichkeitsmerkmalen aller (relevanten) Erscheinungen gibt es aber kein Ich und kein Nicht-Ich. 7. 諸法實相者
心行言語斷
無生亦無滅
寂滅如涅盤
Das in allen (relevanten) Erscheinungen für wirklich Gehaltene gliedert sich in innere Vorgänge, Wörter, Sprache. Es entsteht nicht und vergeht auch nicht, sondern verlöscht ruhig wie Nirvana. 8. 一切實非實
亦實亦非實
非實非非實
是名諸佛法
Wahres und Falsches, auch Wahr-Falsches und was weder wahr noch falsch ist, heißt bei allen Buddhisten »Erscheinung«. 9.
自知不隨他
寂滅無戲論
無異無分別
是則名實相
(Aber) »aus sich selbst erkannt und nicht aus anderem gefolgert, ruhig und ohne spekulative Entfaltung verschwindend, ohne Verschiedenheit und ohne Unterscheidungen«, das nennen sie dann ihr wahres Merkmal. 10. 若法從緣生
不即不異因
是故名實相
不斷亦不常
Entstünden die Erscheinungen aus Ursachen, so wären sie weder dasselbe noch etwas anderes als ihre formalen Ursachen. Deshalb unterbrechen die wahren Merkmale sie nicht (durch gliedernde Einschnitte), und sie machen sie auch nicht beständig. 11.
不一亦不異
不常亦不斷
是名諸世尊
教化甘露味
Daß (Erscheinungen) nicht Eines und auch nicht Verschiedenes, nicht beständig und auch nicht unterbrochen sind, das nennt man die Quintessenz (Geschmack des süßen Taues) der Lehre des in der Welt Erhabenen.
Über das sogenannte Ich bzw. den Atman
12.
若佛不出世
佛法已滅盡
諸辟支佛智
57
從於遠離生
Wäre Buddha nicht in die Welt herausgetreten und wäre Buddhas Erscheinung schon vollständig vergangen, dann würde die Weisheit der Pi Zhi-Buddhisten (Pratyekas, »tiefschürfender Zweig«, Selbstdenker) doch noch ferner und unabhängig davon entstehen.
19. K a pi t el Über die Zeit
1. 若因過去時
有未來現在
未來及現在
應在過去時
Wäre es durch die vergangene Zeit (formal) verursacht, daß es Zukunft und Gegenwart gibt, dann müßten Zukunft und Gegenwart (schon) in der vergangenen Zeit sein. 2. 若過去時中
無未來現在
未來現在時
云何因過去
Denn gäbe es in der vergangenen Zeit keine Zukunft und Gegenwart, wie wären dann zukünftige und gegenwärtige Zeit von der Vergangenheit (formal) verursacht? 3. 不因過去時
則無未來時
亦無現在時
是故無二時
Sind sie aber nicht durch die vergangene Zeit (formal) verursache, gibt es weder zukünftige Zeit noch auch gegenwärtige Zeit, und zwar weil es nicht zwei Zeiten gibt. 4. 以如是義故
則知餘二時
上中下一異
是等法皆無
Weil dies aber der Sinn (des Zeitbegriffs) ist, weiß man, daß zwei Zeiten überflüssig sind. Es gibt nämlich keinerlei Erscheinungen der Selbigkeit oder Verschiedenartigkeit des Vorher, des Inmitten (Gegenwärtigen) und des Nachher. 5.
時住不可得
時去亦叵得
時若不可得
云何說時相
Daß die Zeit beharrt, kann man sich nicht vorstellen. Daß die Zeit verläuft, ist auch unmöglich vorstellbar. Könnte man sich aber die Zeit (so) nicht vorstellen, wie erklärt man dann die Merkmale der Zeit?
Über die Zeit
6. 因物故有時
離物何有時
物尚無所有
59
何況當有時
Weil es die Zeit (nur) durch die Dinge formal verursacht gibt, wie gäbe es Zeit unabhängig von den Dingen? Gibt es aber gar keine Dinge, wie gäbe es dann überhaupt Zeit?
20. K a pi t el Über die vier Ursachen und Wirkungen, insbesondere über die formale Ursache als Begründung für Folgerungen bzw. Ergebnisse
1. 若衆緣和合
而有果生者
和合中已有
何須和合生
Wären alle (vier aristotelischen) Ursachen vereinigt und es würde eine Wirkung erzeugt, so läge diese (Wirkung) schon in der Vereinigung. Warum müßte die Vereinigung sie erst erzeugen? 2. 若衆緣和合
是中無果者
云何從衆緣
和合而生果
Wären alle Ursachen vereinigt, und es läge darin (noch) keine Wirkung, wie entstünde dann aus allen Ursachen erst durch ihre Vereinigung eine Wirkung? 3. 若衆緣和合
是中有果者
和合中應有
而實不可得
Wären alle Ursachen vereinigt, und es läge darin schon die Wirkung, dann müßte die Vereinigung sie enthalten. Aber das kann man sich wirklich nicht vorstellen. 4. 若衆緣和合
是中無果者
是則衆因緣
與非因緣同
Wären alle Ursachen vereinigt, und es läge darin keine Wirkung dann wären alle formalen Ursachen (= begriffliche Begründungen) dasselbe wie die nicht-formalen Ursachen. 5.
若因與果因
作因已而滅
是因有二體
一與一則滅
Wäre im Verhältnis der formalen Ursache (als Grund) zur Wirkung (als Ergebnis), die erzeugende Ursache schon verschwunden, dann würde sich die formale Ursache zweifach manifestieren: Einerseits ginge sie (ins Ergebnis) über, andererseits wäre sie verschwunden.
Über die vier Ursachen und Wirkungen
6. 若因不與果
作因已而滅
因滅而果生
61
是果則無因
Ginge die formale Ursache nicht ins Ergebnis über, und wäre sie als erzeugende Ursache schon verschwunden, das Ergebnis würde aber erst nach dem Verschwinden der formalen Ursache entstehen, dann hätte das Ergebnis keine formale Ursache. 7. 若衆緣合時
而有果生者
生者及可生
則爲一時俱
Würde etwas als Wirkung erzeugt während alle Ursachen vereinigt sind, dann bestünde das Erzeugte und das Erzeugen-Könnende gleichzeitig neben einander. 8. 若先有果生
而後衆緣合
此即離因緣
名爲無因果
Würde die Wirkung vorher entstehen und erst hinterher vereinigten sich alle Ursachen, dann wäre sie unabhängig von der formalen Ursache, und man würde sie eine Wirkung ohne formale Ursache (unbegründetes Ergebnis) nennen. 9.
若因變爲果
因即至於果
是則前生因
生已而復生
Würde sich die formale Ursache in eine Wirkung verwandeln, und die formale Ursache reichte auf diese Weise in die Wirkung (als Folge) hinein, dann hätte diese vorher wirksame formale Ursache schon gewirkt und sie würde weiterwirken. 10.
云何因滅失
而能生於果
又若因在果
云何因生果
Wie kann eine formale Ursache, die verschwunden und verloren ist, eine Wirkung erzeugen? Wäre die formale Ursache jedoch noch im Ergebnis enthalten, warum sollte die formale Ursache die Wirkung erzeugen?
62
11.
20. Kapitel
若因遍有果
更生何等果
因見不見果
是二俱不生
Hätte die formale Ursache schon sämtliche Wirkungen in sich, wie erzeugte sie dann zusätzlich noch Wirkungen? Daß formal verursache Wirkungen sichtbar und nicht sichtbar sind, das entsteht nicht neben einander. 12.
若言過去因
而於過去果
未來現在果
是則終不合
Würde man sagen, eine in der Vergangenheit liegende formale Ursache hätte vergangene, zukünftige und gegenwärtige Wirkungen, so wären sie letztlich nicht vereinigt. 13. 若言未來因
而於未來果
現在過去果
是則終不合
Würde man sagen, eine in der Zukunft liegende formale Ursache hätte zukünftige, gegenwärtige und in der Vergangenheit liegende Wirkungen, so wären sie letztlich (auch) nicht vereinigt. 14. 若言現在因
而於現在果
未來過去果
是則終不合
Würde man sagen, eine gegenwartige formale Ursache hätte gegenwärtige, zukünftige und vergangene Wirkungen, so wären sie schließlich (wiederum) nicht vereinigt. 15. 若不和合者
因何能生果
若有和合者
因何能生果
Wären sie aber nicht vereinigt, wie könnte die formale Ursache die Wirkung erzeugen? Und wären sie etwas Vereinigtes, wie könnte (dann) die formale Ursache die Wirkung erzeugen? 16.
若因空無果
因何能生果
若因不空果
因何能生果
Wäre die formale Ursache leer und wirkungslos, wie könnte sie als formale Ursache eine Wirkung erzeugen? Hätte die formale Ursache aber eine nichtleere Wirkung, wie könnte die formale Ursache dann die Wirkung erzeugen?
Über die vier Ursachen und Wirkungen
17.
果不空不生
果不空不滅
以果不空故
63
不生亦不滅
Nichtleere Wirkungen entstehen nicht, und nichtleere Wirkungen vergehen nicht, eben weil nichtleere Wirkungen nicht entstehen und auch nicht vergehen. 18. 果空故不生
果空故不滅
以果是空故
不生亦不滅
Wirkungen entstehen aber wegen ihrer Leerheit nicht, und Wirkungen vergehen auch wegen ihrer Leerheit nicht. Gerade weil Wirkungen leer sind, entstehen sie nicht und sie vergehen auch nicht. 19.
因果是一者
是事終不然
因果若異者
是事亦不然
Daß formale Ursachen und Wirkungen dasselbe sind, das ist letztlich nicht richtig. Daß formale Ursachen und Wirkungen aber verschieden wären, das ist auch nicht richtig. 20. 若因果是一
生及所生一
若因果是異
因則同非因
Wären die formalen Ursachen und ihre Wirkungen Eines, dann wären Erzeugen und Erzeugtes eines und dasselbe. Wären die formale Ursache und ihre Wirkung verschieden, dann wäre die formale Ursache keine formale Ursache. 21.
若果定有性
因爲何所生
若果定無性
因爲何所生
Wäre eine Wirkung eine bestimmte Substanz, wie sollte eine formale Ursache sie erzeugen? Und wäre eine Wirkung als substanzlos bestimmt, wie sollte sie durch eine formale Ursache erzeugt werden? 22. 因不生果者
則無有因相
若無有因相
誰能有是果
Eine formale Ursache, die keine Wirkung als Ergebnis erzeugt, hat keine Merkmale einer formalen Ursache. Hätte sie aber keine Merkmale einer formalen Ursache, wer bzw. was könnte dann solch eine Wirkung haben?
64
23. 若從衆因緣
20. Kapitel
而有和合法
和合自不生
云何能生果
Gäbe es infolge einer Menge formaler Ursachen verbundene Erscheinungen, deren Verbindung entstünde aber nicht von selbst, wie könnte eine Wirkung entstehen? 24. 是故果不從
緣合不合生
若無有果者
何處有合法
Deshalb entstehen Wirkungen nicht infolge der Verbindung oder Nicht-Verbindung von Ursachen. Gäbe es aber gar kein Bewirktes, wo gäbe es dann verbundene Erscheinungen?
21. K a pi t el Über Werden und Zerfall und den Zusammenhang von Sein und Zeit
1.
離成及共成
是中無有壞
離壞及共壞
是中亦無成
Zerfall ist nicht ein Mittleres zwischen Unabhängigkeit vom Werden und Gemeinsamkeit mit dem Werden. Und Werden ist auch nicht ein Mittleres zwischen Unabhängigkeit vom Zerfall und Gemeinsamkeit mit Zerfall. 2. 若離於成者
云何而有壞
如離生有死
是事則不然
Wäre er unabhängig vom Werdenden, was wäre dann Zerfall? Daß zum Beispiel das Sterben vom Leben unabhängig wäre, ist jedenfalls nicht richtig. 3. 成壞共有者
云何有成壞
如世間生死
一時則不然
Bei demjenigen, was Werden und Zerfall gemeinsam haben, was ist da Werden und Zerfall? Daß man zum Beispiel in der Welt gleichzeitig lebt und stirbt, das ist nicht richtig. 4.
若離於壞者
云何當有成
無常未曾有
不在諸法時
Wie gäbe es ein Werden unabhängig von dem, was zerfällt? Es liegt es nicht in den zeitlichen Erscheinungen, unbeständig und (zugleich) niemals vergänglich zu sein. 5. 成壞共無成
離亦無有成
是二俱不可
云何當有成
Werden und Zerfall kommen zwar gemeinsam nicht vor, aber unabhängig voneinander kommen sie auch nicht vor. Beides kann nicht neben einander bestehen. Was ist also Werden?
66
21. Kapitel
6. 盡則無有成
不盡亦無成
盡則無有壞
不盡亦無壞
Was vollständig ist hat kein Werden (mehr); aber es gibt auch kein Werden, das nicht zu Ende geht. Was ganz zu Ende gegangen ist, hat keinen Zerfall (mehr); aber es gibt auch keinen Zerfall, der nicht zum Ende gelangt. 7. 若離於成壞
是亦無有法
若當離於法
亦無有成壞
Was jenseits von Werden und Zerfall läge, das käme auch gar nicht zur Erscheinung. Und läge etwas jenseits der Erscheinungen, wäre es auch ohne Werden und Zerfall. 8. 若法性空者
誰當有成壞
若性不空者
亦無有成壞
Wäre das Wesen der Erscheinungen das Leere, wer bzw. was hätte dann Werden und Zerfall? Wäre dieses Wesen aber etwas Nicht-Leeres, hätte es ebenfalls weder Werden noch Zerfall. 9.
成壞若一者
是事則不然
成壞若異者
是事亦不然
Daß Werden und Zerfall Eines wären, das ist gewiß nicht richtig. Daß Werden und Zerfall etwas Verschiedenes wären, ist aber auch nicht richtig. 10. 若謂以現見
而有生滅者
則爲是癡妄
而見有生滅
Würde einer behaupten, er sehe mit eigenen Augen, daß etwas (zugleich) entsteht und vergeht, dann täuschte er sich sehr darin, daß er Entstehen und Vergehen sieht. 11.
從法不生法
亦不生非法
從非法不生
法及於非法
Aus Erscheinungen entstehen keine Erscheinungen, und es entsteht auch nichts Nicht-Erscheinendes. Und aus Nicht-Erscheinendem entstehen keine Erscheinungen und Nicht-Erscheinendes.
Über Werden und Zerfall
12.
法不從自生
亦不從他生
不從自他生
67
云何而有生
Erscheinungen entstehen nicht aus sich selbst, und sie entstehen auch nicht aus anderem. Entstehen sie aber nicht aus sich selbst oder aus anderem, wie gibt es dann Entstehung? 13. 若有所受法
即墮於斷常
當知所受法
若常若無常
Falls man die Wahrnehmung einer Erscheinung hat, dann hätte das mit ihrer Diskontinuität (»Unterbrechung«) oder ihrer Beständigkeit zu tun. Denn das Wissen um solche »wahrgenommenen Erscheinungen« bezöge sich darauf, ob sie beständig oder unbeständig sind. 14. 所有受法者
不墮於斷常
因果相續故
不斷亦不常
Die wahrgenommenen Erscheinungen fallen aber nicht unter (die Begriffe) Diskontinuität und Beständigkeit. Weil sie nämlich als formale Ursachen und Wirkungen miteinander verknüpft sind, sind sie weder diskontinuierlich noch auch beständig. 15. 若因果生滅
相續而不斷
滅更不生故
因即爲斷滅
Würden (formale) Ursachen und Wirkungen entstehen oder vergehen, dann würde ihr Zusammenhang nicht unterbrochen. Da sie aber als vergangene nicht mehr entsteht, wird die formale Ursache zu einem abgetrennten Vergangenen. 16.
法住於自性
不應有有無
涅盤滅相續
則墮於斷滅
Würden Erscheinungen aus ihrem eigenen (substantiellen) Wesen heraus bestehen bleiben, dürfte ihnen kein Nicht-Sein zukommen. Wenn jedoch im Nirvana der (Ursache-Wirkungs-)Zusammenhang verschwunden ist, fallen sie unter (die Begriffe) »abgetrennt« und »verloschen«.
68
17.
21. Kapitel
若初有滅者
則無有後有
初有若不滅
亦無有後有
Stünde das Verloschene am Anfang, dann gäbe es nichts was »danach« wäre. Und wäre das zu Anfang Seiende nicht verloschen, gäbe es auch kein »Sein danach«. 18. 若初有滅時
而後有生者
滅時是一有
生時是一有
Gäbe es anfangs eine vergangene Zeit und danach würde etwas entstehen, dann wäre die vergangene Zeit ein Seiendes, und die Zeit des Entstehens ein (anderes) Seiendes. 19.
若言於生滅
而謂一時者
則於此陰死
即於此陰生
Würde man aber beim Reden über Entstehen und Vergehen etwas zu einer Zeit (gleichzeitig Stattfindendes) meinen, dann würde man darin mayahaft sterben und sogleich darin mayahaft geboren. 20. 三世中求有
相續不可得
若三世中無
何有有相續
Forscht man in den drei Welten nach ihrem Sein, so kann man den Zusammenhang nicht finden. Gäbe es ihn aber in den drei (zeitlichen) Welten nicht, wie gäbe es überhaupt einen Seinszusammenhang?
22. K a pi t el Über den wiederkehrenden und dahingegangenen (ru lai / tathagata) Buddha
1.
非陰非離陰
此彼不相在
如來不有陰
何處有如來
Nicht im Maya-Bereich und nicht jenseits des Maya-Bereichs und auch nicht in diesem und in jenem! Hat der Wiederkehrende (ru lai / tathagata) keine Maya-Elemente, wo hält sich der Wiederkehrende auf? 2. 陰合有如來
則無有自性
若無有自性
云何因他有
Wenn der Wiederkehrende mit Maya-Elementen verbunden ist, dann hat er keine eigene Substantialität. Hätte er aber keine eigene Substantialität, wie hätte er solche auf Grund von etwas anderem? 3. 法若因他生
是即非有我
若法非我者
云何是如來
Entstünde seine Erscheinung auf Grund von etwas anderem, dann hätte sie kein Ich. Besäße aber seine Erscheinung nichts Ichhaftes, wieso wäre er der Wiederkehrende? 4.
若無有自性
云何有他性
離自性他性
何名爲如來
Hätte er keine eigene Substantialität, wie sollte er fremde Substantialität besitzen? Außer eigener und fremder Substantialität, was würde der Name »der Wiederkehrende« sonst benennen? 5. 若不因五陰
先有如來者
以今受陰故
則說爲如來
Gäbe es nicht auf Grund der fünf Maya-Elemente schon vorher den Wiederkehrenden, dann würde man ihn den Wiederkehrenden nennen, weil er gegenwärtig die Maya-Elemente annimmt.
70
22. Kapitel
6. 今實不受陰
更無如來法
若以不受無
今當云何受
Da er aber gegenwärtig wirklich keine Maya-Elemente annimmt, gibt es keine Erscheinung des Wiederkehrenden. Gäbe es ihn aber wegen seines Nicht-Annehmens nicht, wie sollte er sie jetzt annehmen? 7. 若其未有受
所受不名受
無有無受法
而名爲如來
Hätte er sie noch nicht angenommen, dann würde man dies Annehmen nicht Annehmen nennen. Es gibt aber keine Erscheinung ohne Annahme (von Maya-Elementen), die man den Wiederkehrenden nennen würde. 8. 若於一異中
如來不可得
五種求亦無
云何受中有
Könnte der Wiederkehrende weder in einem noch in einem anderen (Maya-Bereich) vorgestellt werden, und man fände ihn auch auf den fünf Forschungswegen nicht, wie sollte er durch deren Annehmen sein? 9.
又所受五陰
不從自性有
若無自性者
云何有他性
Denn solches Annehmen der fünf Maya-Elemente gäbe es nicht infolge eigener Substantialität. Und beruhte es nicht auf eigener Substantialität, wie hätte er andere Substantialität? 10. 以如是義故
受空受者空
云何當以空
而說空如來
Da es sich mit dem Sinn so verhält, ist das Annehmen leer und das Angenommene leer. Kann man aber wegen dieser Leerheit behaupten, daß der Wiederkehrende leer sei? 11.
空則不可說
非空不可得
共不共叵說
但以假名說
Ist er leer, kann man ihn nicht erklären; ist er nicht-leer, kann man ihn sich nicht vorstellen. Erst recht kann man unmöglich erklären, ob er beides oder nicht beides ist, denn dadurch würde nur ein fiktiver (gegenstandsloser) Begriff erläutert.
Über den wiederkehrenden und verloschenen Buddha
12.
寂滅相中無
常無常等四
寂滅相中無
71
邊無邊等四
In den Merkmalen des stillen Vergehens gibt es kein Beständiges und Unbeständiges bzw. deren Vervierfachung (d. h. beides zugleich und beides nicht). In den Merkmalen des stillen Vergehens gibt es auch kein Begrenztes und Unbegrenztes bzw. deren Vervierfachung. 13. 邪見深厚者
則說無如來
如來寂滅相
分別有亦非
Verwirrte Grübler behaupten: also gibt es keinen Wiederkehrenden, und die Unterscheidung zwischen den Merkmalen des Wiederkehrenden und des stillen Verlöschens ist auch unzulässig. 14. 如是性空中
思惟亦不可
如來滅度後
分別於有無
Aber Substantialität im Leeren ist auch unmöglich denkbar. Die Unterscheidung zwischen dem Wiederkehrenden und seinem Zustand nach dem Verlöschen führt zu nichts. 15. 如來過戲論
而人生戲論
戲論破慧眼
是皆不見佛
Der Wiederkehrende entzieht sich theoretischer Spekulation, aber die Menschen produzieren theoretische Spekulationen. Spekulationen aber zerstören das (feine) Auge des Geistes, und so sieht keiner den Buddha. 16.
如來所有性
即是世間性
如來無有性
世間亦無性
Hätte der Wiederkehrende Substantialität, wäre die Welt substantiell. Aber der Wiederkehrende hat überhaupt keine Substantialität, und die Welt hat auch keine Substantialität.
23. K a pi t el Über die sogenannten Täuschungen
1. 從憶想分別
生於貪恚癡
淨不淨顛倒
皆從衆緣生
Infolge der Unterscheidungen der Einbildungskraft entstehen Begierde, Haß und Verblendung. Die Täuschungen über das, was (darin) rein (gut) oder nicht-rein (schlecht, schmutzig) ist, entstehen alle infolge dieser Ursachen. 2. 若因淨不淨
顛倒生三毒
三毒即無性
故煩惱無實
Wären das Reine und Unreine sowie die Täuschung formale (begriffliche) Ursachen für die Erzeugung dieser drei giftigen Verführungen (von Begierde, Haß und Verblendung), dann wären die drei Verführungen substanzlos, und daher die (entsprechenden) Leiden unwirklich. 3. 我法有以無
是事終不成
無我諸煩惱
有無亦不成
Daß Ich-Erscheinungen keine von ihnen besitzen, das kommt jedenfalls nicht vor. Und daß es ohne Ich alle diese Leiden nicht gibt, kommt auch nicht vor. 4. 誰有此煩惱
是即爲不成
若離是而有
煩惱則無屬
Wer (bzw. was) ist es, bei dem diese Leiden nicht vorkommen? Denn würden sie unabhängig existieren, dann würden die Leiden zu niemandem gehören. 5.
如身見五種
求之不可得
煩惱於垢心
五求亦不得
Betrachtet man den Körper auf fünffache Weise, so kann man das Gesuchte nicht finden. Bringt man die Leiden mit einem schändlichen Charakter in Zusammenhang, so ist das Gesuchte in den fünf (Forschungs-) Weisen auch nicht zu finden.
Über die sogenannten Täuschungen
6. 淨不淨顛倒
是則無自性
云何因此二
73
而生諸煩惱
Die Täuschung über das Reine und das Nicht-Reine besteht darin, daß sie keine selbständigen Substanzen sind. Wie sollen diese beiden als formale Ursachen alle Leiden erzeugen? 7. 色聲香味觸
及法爲六種
如是之六種
是三毒根本
Farben, Töne, Gerüche, Geschmacksempfindungen und Tastempfindungen und die (entsprechenden) Erscheinungen machen sechs Arten aus. Sobald diese sechs Arten da sind, sind sie die ursprünglichen Wurzeln für die drei Verführungen. 8. 色聲香味觸
及法體六種
皆空如燄夢
如乾闥婆城
Die Farben, Töne, Gerüche, Geschmacksempfindungen und Tastempfindungen und die in den sechs Arten manifestierten Erscheinungen sind (jedoch) alle leer wie Flammenschein, Träume und wie Luftschlösser. 9.
如是六種中
何有淨不淨
猶如幻化人
亦如鏡中像
Wenn sie so in diesen sechs Arten (manifestiert) sind, wie gibt es da Reines und Unreines? Sie sind doch nur wie Phantome oder auch wie Abbilder in einem Spiegel. 10.
不因於淨相
則無有不淨
因淨有不淨
是故無不淨
Wenn das Reine nicht begrifflich-formal seine (negative) Entsprechung verursacht, gibt es nicht das Nicht-Reine. Und wenn es das Nicht-Reine (nur) als durch das Reine formal Verursachtes gibt, dann gibt es kein Nicht-Reines.
74
11.
23. Kapitel
不因於不淨
則亦無有淨
因不淨有淨
是故無有淨
Wird das Nicht-Reine nicht formal verursacht, dann gibt es auch kein Reines. Und weil es Reines (nur) als durch das Nicht-Reine formal Verursachtes gibt, deshalb gibt es kein Reines. 12.
若無有淨者
何由而有貪
若無有不淨
何由而有恚
Gäbe es aber nichts Reines, woher stammte dann die Begierde? Und gäbe es nichts Nicht-Reines, woher stammte dann der Haß? 13. 於無常著常
是則名顛倒
空中無有常
何處有常倒
(Beides) in bezug auf Unbeständiges für beständig zu halten, das nennt man Täuschung. Im Leeren gibt es aber nichts Beständiges. Wo liegt also die Täuschung über (deren) Beständigkeit? 14. 若於無常中
著無常非倒
空中無無常
何有非顛倒
(Beide) im Unbeständigen als Unbeständiges zu erfassen, wäre täuschungsfrei. Daß es aber in der Leerheit nichts Unbeständiges gäbe, wie sollte das keine Täuschung sein? 15. 可著著者著
及所用著法
是皆寂滅相
云何而有著
Erfaßbares, Erfaßtes und Erfassen bis hin zum Umgang mit erfaßten Erscheinungen, das alles trägt das Merkmal des stillen Verlöschens. Wie gäbe es also Erfassen (bzw. Festhalten). 16.
若無有著法
言邪是顛倒
言正不顛倒
誰有如是事
Gäbe es kein Erfassen bzw. Festhalten von Erscheinungen, bei dem die falsche Rede Täuschung und die wahre Rede täuschungsfrei wäre, bei wem gäbe es so etwas (wie Täuschung)?
Über die sogenannten Täuschungen
17.
有倒不生倒
無倒不生倒
倒者不生倒
75
不倒亦不倒
Wer getäuscht wird, erzeugt die Täuschung nicht. Wer nicht getäuscht wird, erzeugt die Täuschung nicht. Das Täuschende erzeugt die Täuschung nicht. Und das nicht Täuschende täuscht auch nicht. 18. 若於顛倒時
亦不生顛倒
汝可自觀察
誰生於顛倒
Entstünde während der Täuschung auch (gelegentlich) keine Täuschung, könntest du daraus ersehen, wer bzw. was die Täuschung erzeugt. 19.
諸顛倒不生
云何有此義
無有顛倒故
何有顛倒者
Die Täuschungen werden nicht erzeugt. Was bedeutet das? Da es gar keine Täuschung gibt, wie gäbe es einen Getäuschten? 20. 若我常樂淨
而是實有者
是常樂我淨
則非是顛倒
Wären Ich, Beständigkeit, Lust und Reines etwas wirklich Seiendes, dann wären Beständigkeit, Lust, Ich und Reines keine Täuschungen 21.
若我常樂淨
而實無有者
無常苦不淨
是則亦應無
Wären aber Ich, Beständigkeit, Lustvolles und Reines in Wirklichkeit nichts Seiendes, dann müßten auch Unbeständiges, Schmerz und Nicht-Reines nichtig sein. 22. 如是顛倒滅
無明則亦滅
以無明滅故
諸行等亦滅
Wenn das so ist, verschwindet die Täuschung. Und es vergeht auch die Unwissenheit. Und weil die Unwissenheit vergeht, verschwinden auch alle derartigen Vorgänge.
76
23. 若煩惱性實
23. Kapitel
而有所屬者
云何當可斷
誰能斷其性
Wären Leiden wirkliche Substanzen und gehörten zu jemandem, wie könnte er sie unterbrechen, und wer könnte ihre Substanz abtrennen? 24. 若煩惱虛妄
無性無屬者
云何當可斷
誰能斷無性
Wären die Leiden aber phantomhaft, substanzlos und gehörten zu keinem, wie sollten sie unterbrochen werden können, und wer könnte überhaupt etwas Substanzloses unterbrechen?
24. K a pi t el Über die vier Prinzipien
1.
若一切皆空
無生亦無滅
如是則無有
四聖諦之法
(Einwände:) Wäre alles gänzlich leer, und es gäbe weder Entstehen noch Vergehen, so hieße das, daß es die Gesetze der vier heiligen Prinzipien nicht gäbe. 2. 以無四諦故
見苦與斷集
證滅及修道
如是事皆無
Weil es dann aber die vier heiligen Prinzipien nicht gäbe, wären die Ansichten vom Leiden und von der Unterbrechung ihrer Ansammlung, die Beweise für ihr Verlöschen und der Lehrpfad des Heils sämtlich nichtig. 3. 以是事無故
則無有四果
無有四果故
得向者亦無
Weil es deswegen diese Dinge nicht gäbe, gäbe es nicht die vier Früchte (als deren Wirkungen). Und weil es die vier Früchte nicht gäbe, gäbe es auch keinen, der sie erstrebte. 4.
若無八賢聖
則無有僧寶
以無四諦故
亦無有法寶
Gäbe es nicht die acht weisen Heiligen, dann gäbe es keine ehrwürdige Mönchsgemeinde. Und weil es deshalb die vier heiligen Prinzipien nicht gäbe, wären auch die Schätze (der Lehre) nicht erschienen. 5. 以無法僧寶
亦無有佛寶
如是說空者
是則破三寶
Dies als etwas Leeres zu erklären, heißt: es gibt keine Gesetze und Mönchsgemeinde und es gibt auch keinen edlen Buddha. Folglich werden diese drei Kostbarkeiten zerstört.
78
24. Kapitel
6. 空法壞因果
亦壞於罪福
亦復悉毀壞
一切世俗法
Die Leerheit der Erscheinungen hebt den Ursache-Wirkungszusammenhang auf, ebenso stellt sie schuldhafte und gute Taten in Frage, und damit zusammen die Sittengesetze der ganzen Welt. 7. 汝今實不能
知空空因緣
及知於空義
是故自生惱
Du (der du dieses meinst) kannst nun wirklich weder das Leere noch die Leerheit der formalen Ursachen kennen und schon gar nicht zum Wissen um den Sinn von Leerheit vordringen. Und deshalb erzeugst du dir selber Kummer. 8. 諸佛依二諦
爲衆生說法
一以世俗諦
二第一義諦
Alle Buddhas erklären mittels zweier Prinzipien allen Lebewesen die Erscheinungen. Das erste ist ein Prinzip für die weltlichen Sitten, das zweite ein Prinzip für den einheitlichen (letzten) Sinn. 9.
若人不能知
分別於二諦
則於深佛法
不知真實義
Wüßte einer nicht zwischen den beiden Prinzipien zu unterscheiden, dann erkennt er (auch) nicht den wahren Sinn der tiefgründigen Buddha-Gesetze. 10. 若不依俗諦
不得第一義
不得第一義
則不得涅盤
Wäre es nicht durch das Prinzip der weltlichen Sitten, erlangte man den letzten Sinn nicht. Und erlangt man den letzten Sinn nicht, dann erlangt man nicht Nirvana. 11.
不能正觀空
鈍根則自害
如不善咒術
不善捉毒蛇
Kann man die Leerheit nicht richtig verstehen, so schädigt man sich durch seine Stumpfsinnigkeit selber, so wie man etwa ohne Geschicklichkeit nicht gut Giftschlangen fängt.
Über die vier Prinzipien
12.
世尊知是法
甚深微妙相
非鈍根所及
79
是故不欲說
Der Erhabene weiß, daß die Merkmale der Erscheinungen sehr tief, fein und geheimnisvoll sind. Da diejenigen, die nicht stumpfsinnig sind, (von selbst) darauf kommen, wollte er sie nicht erklären. 13. 汝謂我著空
而爲我生過
汝今所說過
於空則無有
Du sagst, durch mein Festhalten an der Leerheit beginge ich einen Fehler. Aber was du jetzt als Fehler erklärst, das gibt es nicht bei der Leerheit. 14. 以有空義故
一切法得成
若無空義者
一切則不成
Nur weil sie die Bedeutung von Leerheit haben, kommen die Erscheinungen überhaupt erst zustande. Hätten sie nicht diese Bedeutung der Leerheit, kämen sie sämtlich nicht zustande. 15. 汝今自有過
而以回向我
如人乘馬者
自忘於所乘
Du begehst gerade selbst den Fehler, den du mir unterstellst, ganz wie ein Reiter, der vergißt worauf er reitet. 16.
若汝見諸法
決定有性者
即爲見諸法
無因亦無緣
Sähest du alle Erscheinungen als bestimmte Substanzen, dann sähest du alle Erscheinungen als grundlos (unbedingt) und auch als ursachelos. 17.
即爲破因果
作作者作法
亦復壞一切
萬物之生滅
Damit würden die formale Ursache und ihre Wirkung und die Erscheinungen des Tuns des Täters und der Tat verworfen, und das Entstehen und Vergehen aller Dinge würde aufgehoben.
80
24. Kapitel
18. 衆因緣生法
我說即是空
亦爲是假名
亦是中道義
Alle formalen (begrifflichen) Ursachen (yin yuan / pratitya-samutpada) erzeugen (jedoch) Erscheinungen, von denen ich erkläre, daß sie leer sind, auch daß sie künstliche Bezeichnungen (der begrifflich-formalen Ursachen) sind, und daß dies auch der Sinn des mittleren Weges ist. 19.
未曾有一法
不從因緣生
是故一切法
無不是空者
Noch nie gab es eine einzige Erscheinung, die nicht infolge formaler Ursachen entstand. Deshalb gibt es bei allen Erscheinungen keine, die nicht etwas Leeres ist. 20. 若一切不空
則無有生滅
如是則無有
四聖諦之法
Wären sie insgesamt nicht-leer, dann gäbe es kein Entstehen und Vergehen. So gäbe es dann auch kein Gesetz der vier heiligen Prinzipien. 21.
若不從緣生
云何當有苦
無常是苦義
定性無無常
Entstünden sie nicht infolge dieser (formalen) Ursachen, wie gäbe es dann Leiden? Der Sinn der Leiden liegt ja in ihrer Unbeständigkeit. Als bestimmte Substanzen wären sie niemals unbeständig. 22. 若苦有定性
何故從集生
是故無有集
以破空義故
Wären die Leiden bestimmte Substanzen, wieso entstehen sie infolge der Ansammlung (von formalen Ursachen)? Eben weil ohne solche Ansammlung der Sinn der Leerheit aufgehoben wird. 23. 若苦有定性
則不應有滅
汝著定性故
即破於滅諦
Wären die Leiden bestimmte Substanzen, dann dürften sie nicht vergehen. Dadurch daß du bestimmte Substanzen behauptest, hebst du das Prinzip des Vergehens auf.
Über die vier Prinzipien
24. 若苦有定性
則無有修道
若道可修習
81
即無有定性
Wären die Leiden bestimmte Substanzen, dann gäbe es keinen Heilsweg. Sollte der Heilsweg übbar sein, dann deswegen, weil es keine bestimmten Substanzen gibt. 25. 若無有苦諦
及無集滅諦
所可滅苦道
竟爲何所至
Gäbe es kein Prinzip der Leiden und kein Prinzip ihrer Ansammlung und ihres Vergehens, wohin sollte der Pfad führen, auf dem man die Leiden auslöschen kann? 26. 若苦定有性
先來所不見
於今云何見
其性不異故
Wären die Leiden bestimmte Substanzen, die man bisher nicht bemerkt hätte, wie sollte man sie erst jetzt bemerken, da sich doch ihre Substanz nicht geändert hätte? 27. 如見苦不然
斷集及證滅
修道及四果
是亦皆不然
Solche Ansicht vom Leiden ist nicht richtig, und alles vom Unterbrechen der Ansammlung bis zu den Beweisen ihres Verschwindens, vom Heilsweg bis zu den vier Früchten, ist auch nicht richtig. 28. 是四道果性
先來不可得
諸法性若定
今云何可得
Es ist doch so, daß man sich bisher die Substantialität der vier Früchte des Heilsweges nicht vorstellen konnte. Wären die Substanzen aller Erscheinungen bestimmt, wie könnte man sie sich jetzt vorstellen? 29. 若無有四果
則無得向者
以無八聖故
則無有僧寶
Gäbe es nicht die vier Früchte, dann gäbe es auch keine Vorstellung von einem, der sie erstrebte. Und weil es deshalb die acht Heiligen nicht gäbe, gäbe es keine ehrwürdige Mönchsgemeinde.
82
30.
24. Kapitel
無四聖諦故
亦無有法寶
無法寶僧寶
云何有佛寶
Ohne die vier heiligen Prinzipien gäbe es auch die GesetzesSchätze nicht. Ohne die Gesetzes-Schätze und die ehrwürdige Mönchsgemeinde, wie gäbe es den edlen Buddha? 31. 汝說則不因
菩提而有佛
亦復不因佛
而有於菩提
Du erklärst aber, es gäbe Buddha ohne den Grund der Erleuchtung, und es gäbe auch Erleuchtung, die nicht durch Buddha verursacht ist. 32.
雖複勤精進
修行菩提道
若先非佛性
不應得成佛
(und du behauptest weiter:) Selbst wenn er sich noch so eifrig bemüht hätte, auf dem Heilsweg der Erleuchtung voranzugehen, wäre er nicht von vornherein substantiell Buddha gewesen, hätte es ihm nicht gelingen dürfen, Buddha zu werden. 33. 若諸法不空
無作罪福者
不空何所作
以其性定故
Wären (jedoch) alle Erscheinungen nicht-leer, dann gäbe es keinen schuldigen oder guten Täter. Was wäre (sein) nicht-leeres Tun, wenn es durch seine Substanz bestimmt wäre? 34. 汝於罪福中
不生果報者
是則離罪福
而有諸果報
Erzeugtest du dir in Schuld und guten Taten nicht Vergeltungen, dann wären alle Vergeltungen unabhängig von Schuld und guten Taten. 35.
若謂從罪福
而生果報者
果從罪福生
云何言不空
Sagtest du aber, infolge von Schuld und guten Taten entstünde die Frucht der Vergeltung, warum nennst du (dann) die Frucht, die infolge von Schuld und guten Taten entsteht, nicht-leer?
Über die vier Prinzipien
36. 汝破一切法
諸因緣空義
則破於世俗
83
諸餘所有法
Indem du den Sinn der Leerheit aller Erscheinung und aller formalen Ursachen verwirfst, verwirfst du auch die weltlichen Sitten und alle übrigen Gesetze. 37. 若破於空義
即應無所作
無作而有作
不作名作者
Würde aber der Sinn von Leerheit verworfen, dann dürfte es gar kein Handeln geben. Es gäbe Handlung ohne Handeln, und Nicht-Handeln würde Handeln genannt. 38.
若有決定性
世間種種相
則不生不滅
常住而不壞
Gäbe es bestimmte Substanzen, welche die Bestandteile der Welt ausmachen, dann würden sie nicht entstehen und nicht vergehen, sondern beständig bleiben und nicht zerstört werden. 39. 若無有空者
未得不應得
亦無斷煩惱
亦無苦盡事
Gäbe es nicht die Leerheit, dürfte man das, was man noch nicht bekommen hat, überhaupt nicht bekommen, auch würden die Leiden nie unterbrochen oder sich jemals erschöpfen. 40. 是故經中說
若見因緣法
則爲能見佛
見苦集滅道
Deshalb wird im Sutra erklärt: verstünde man die formalen Ursachen der Erscheinungen, dann würde man in die Lage versetzt, den Buddha zu verstehen, und den Weg zum Verlöschen der Ansammlung der Leiden zu verstehen.
25. K a pi t el Über Nirvana
1. 若一切法空
無生無滅者
何斷何所滅
而稱爲涅盤
Wären die Erscheinungen zwar insgesamt leer, jedoch ohne Entstehendes und Vergehendes, wie ließe sich (davon) abtrennen und wie würde das verlöschen, was man als Nirvana (nie pan / nirvana) rühmt? 2. 若諸法不空
則無生無滅
何斷何所滅
而稱爲涅盤
Wären alle Erscheinungen nicht-leer, so daß nichts entstünde und nichts verginge, wie würde sich (dann) abtrennen lassen und verlöschen, was man als Nirvana rühmt? 3. 無得亦無至
不斷亦不常
不生亦不滅
是說名涅盤
Unvorstellbar und unfaßbar ist die Erklärung des Begriffs Nirvana als »nicht abgetrennt und auch nicht beständig, und nicht entstehend und auch nicht vergehend«. 4. 涅盤不名有
有則老死相
於無有有法
離於老死相
Nirvana wird nicht Sein genannt, denn Sein ist durch Altern und Sterben gekennzeichnet. Es gibt nämlich keine Seinserscheinung ohne Merkmale von Altern und Sterben. 5.
若涅盤是有
涅盤即有爲
終無有一法
而是無爲者
Wäre Nirvana Sein, so wäre Nirvana bewirkt. Denn es gibt schließlich keine einzige Erscheinung, die unbewirkt wäre. 6. 若涅盤是有
云何名無受
無有不從受
而名爲法者
Wäre Nirvana Sein, wieso hieße es »unwahrnehmbar«?
Über Nirvana
85
Es gibt kein Sein, das nicht infolge der Wahrnehmung »Erscheinendes« genannt wird. 7. 有尚非涅盤
何況於無耶
涅盤無有有
何處當有無
Nirvana ist also nicht Sein. Ist es deshalb eher Nichts? Wenn Nirvana kein Sein hat, wo wäre dann sein Nichts? 8. 若無是涅盤
云何名不受
未曾有不受
而名爲無法
Wäre Nirvana das Nichts, wieso hieße es »nicht-wahrnehmbar«? Noch nicht und nicht mehr Sein wird (auch) nicht wahrgenommen und heißt darum »Nichts-Erscheinung«. 9.
受諸因緣故
輪轉生死中
不受諸因緣
是名爲涅盤
Weil jedoch alle formalen Ursachen im Kreislauf (samsara) von Geburt und Sterben wahrgenommen werden, heißt Nirvana, alle formalen Ursachen nicht (mehr) wahrzunehmen 10.
如佛經中說
斷有斷非有
是故知涅盤
非有亦非無
So wird im Buddha-Sutra erklärt, daß wir auf Grund der Abtrennbarkeit (Diskontinuität) von Sein und Nichtsein wissen, daß Nirvana nicht Sein und auch nicht Nichts ist. 11.
若謂於有無
合爲涅盤者
有無即解脱
是事則不然
Würde man sagen, daß Sein und Nichts vereint das Nirvanahafte ausmachten, dann wären Sein und Nichts die Erlösung. Aber das stimmt nicht. 12.
若謂於有無
合爲涅盤者
涅盤非無受
是二從受生
Würde man sagen, daß Sein und Nichts vereint das Nirvanahafte ausmachten, dann wäre Nirvana nicht unwahrnehmbar, denn beides entsteht infolge der Wahrnehmung.
86
25. Kapitel
13. 有無共合成
云何名涅盤
涅盤名無爲
有無是有爲
Was durch die Vereinigung von Sein und Nichts zustande kommt, wieso hieße das Nirvana? Nirvana nennt man Unbewirktes. Sein und Nichts sind aber bewirkt. 14. 有無二事共
云何是涅盤
是二不同處
如明闇不俱
Wie sollten Sein und Nichts als zweierlei zusammen Nirvana sein? Die beiden sind nicht am selben Ort, so wie das Helle und das Dunkle nicht zusammen bestehen. 15. 若非有非無
名之爲涅盤
此非有非無
以何而分別
Würde man aber Nicht-Sein und Nicht-Nichts zu Begriffen für Nirvana machen, wodurch ließen sich dieses Nicht-Sein und Nicht-Nichts unterscheiden? 16.
分別非有無
如是名涅盤
若有無成者
非有非無成
Die Unterscheidung von Sein und Nichts trifft nicht auf den Begriff von Nirvana zu. Wäre er aus Sein und Nichts gebildet, dann würden ihn (auch) Nicht-Sein und Nicht-Nichts bilden. 17.
如來滅度後
不言有與無
亦不言有無
非有及非無
Bezüglich des Wiederkehrenden (Buddha) sprach man nach seinem Verlöschen nicht von (seinem) Sein oder Nichts, und man sprach auch nicht von (seinem) Sein und Nichts, bzw. (seinem) Nicht-Sein und Nicht-Nichts. 18. 如來現在時
不言有與無
亦不言有無
非有及非無
Bezüglich des Wiederkehrenden spricht man (auch) gegenwärtig nicht von (seiner) Existenz (Sein) oder Nichtexistenz (Nicht-Sein), und man spricht auch nicht von (seinem) Existieren und Nichtexistieren, bzw. (seinem) weder Existieren noch Nichtexistieren.
Über Nirvana
19.
涅盤與世間
無有少分別
世間與涅盤
87
亦無少分別
Zwischen Nirvana und Welt gibt es nicht den geringsten Unterschied. Und zwischen der Welt und Nirvana gibt es auch nicht den geringsten Unterschied. 20. 涅盤之實際
及與世間際
如是二際者
無毫釐差別
Von der tatsächlichen Grenze von Nirvana bis zur Grenze der Welt, wären die beiden (überhaupt) so begrenzt, gibt es nicht den haarfeinsten Spalt. 21.
滅後有無等
有邊等常等
諸見依涅盤
未來過去世
Daß es nach dem Verlöschen ein Nichts usw. gäbe, daß es abgegrenzt und beständig usw. sei, alle diese Ansichten modellieren Nirvana gemäß einer zukünftigen oder vergangenen Welt. 22. 一切法空故
何有邊無邊
亦邊亦無邊
非有非無邊
Da jedoch die Erscheinungen insgesamt leer sind, wie gäbe es da Abgrenzung und Unbegrenztheit, oder auch Begrenzung und Unbegrenztheit zugleich, weder Begrenztheit noch Unbegrenztheit? 23. 何者爲一異
何有常無常
亦常亦無常
非常非無常
Was wäre es denn, was zugleich Eines und ein Anderes wäre, was wäre beständig und unbeständig, und auch beständig und zugleich unbeständig, weder beständig noch unbeständig? 24. 諸法不可得
滅一切戲論
無人亦無處
佛亦無所說
Alle (solche) Erscheinungen kann man sich nicht vorstellen, und jegliche Spekulation darüber erübrigt sich. Von keinem Menschen und auch nirgends und auch nicht von Buddha gibt es darüber irgendwelche Erklärungen.
26. K a pi t el Über die formalen Ursachen der Wiedergeburt
1. 衆生癡所覆
爲後起三行
以起是行故
隨行入六趣
Die Masse der einfältigen Lebewesen bereitet sich für später drei Handlungsmöglichkeiten. Weil diese Handlungsmöglichkeiten vorbereitet sind, treten sie gemäß diesen Handlungsmöglichkeiten in die sechs Wirklichkeitsbereiche ein. 2. 以諸行因緣
識受六道身
以有識著故
增長於名色
Mittels der formalen Ursachen der jeweiligen Handlungen erkennen sie, daß sie einen Leib mit sechsfacher Veranlagung bekommen haben. Mit dem Festhalten an diesem Erkennen weitet und wächst die Person und Gestalt. 3. 名色增長故
因而生六入
情塵識和合
以生於六觸
Weil Person und Gestalt sich weiten und wachsen, verursacht und erzeugt dies die sechs Zugangsweisen, nämlich die Vereinigungen von Empfindungen, Sinneseindrükken und Erkennen, und dadurch entstehen die sechs Sinneskontakte. 4. 因於六觸故
即生於三受
以因三受故
而生於渴愛
Auf Grund der sechs Kontakte entstehen dann die drei Wahrnehmungsweisen. Auf Grund der drei Wahrnehmungsweisen entsteht das Liebesverlangen. 5.
因愛有四取
因取故有有
若取者不取
則解脫無有
Durch die Liebe ergibt sich vierfaches Verhaftetsein, und durch das Verhaftetsein ergibt sich Sein. Wäre der Verhaftete nicht (ins Sein) verhaftet, gäbe es es keine befreiende Erlösung
Über die formalen Ursachen der Wiedergeburt
6. 從有而有生
從生有老死
從老死故有
89
憂悲諸苦惱
Infolge des Seins ergibt sich Geburt und infolge der Geburt Altern und Sterben, und infolge von Altern und Sterben ergeben sich Sorgen, Kummer und jegliches Leid. 7. 如是等諸事
皆從生而有
但以是因緣
而集大苦陰
Da es alle diese Sachverhalte infolge der Geburt gibt, liegen nur darin die formalen Ursachen für die Ansammlung der MayaElemente des großen Leides. 8. 是謂爲生死
諸行之根本
無明者所造
智者所不爲
Das was man Geburt und Sterben nennt, die Ursprungswurzeln aller Handlungen, das konstruiert sich der Unwissende (selbst), der Weise aber tut es nicht. 9.
以是事滅故
是事則不生
但是苦陰聚
如是而正滅
Weil dadurch solche Sachverhalte (für den Weisen) verschwinden, entstehen (für ihn) dann solche Sachverhalte nicht mehr. Nur so aber vergeht die ganze Ansammlung der Maya-Elemente der Leiden endgültig.
27. K a pi t el Über die falschen Ansichten vom Ich (wo / atman)
1. 我於過去世
爲有爲是無
世間常等見
皆依過去世
Daß man ein Ich (wo / atman) für etwas hält, was in einer Vergangenheits-Welt existierte und (dann) zunichte geworden ist, und die Ansicht, daß die (vergangene) Welt beständig sei, usw., das alles stützt sich auf die (Voraussetzung einer) Vergangenheit. 2. 我於未來世
爲作爲無作
有邊等諸見
皆依未來世
Daß man ein Ich für etwas hält, das in einer zukünftigen Welt (erst) bewirkt und (dann) nicht mehr bewirkt wird, und die Ansicht, daß es eine Grenze (gegenüber der Zukunft) gäbe, usw., das alles stützt sich auf (die Voraussetzung einer) zukünftigen Welt. 3. 過去世有我
是事不可得
過去世中我
不作今日我
Daß es aber ein Ich in der Vergangenheit gibt, das kann man sich nicht vorstellen. Denn ein Ich in der Vergangenheit bewirkt kein heutiges Ich. 4. 若謂我即是
而身有異相
若當離於身
何處別有我
Würde man sagen, das Ich sei so beschaffen, aber der Körper habe andere Merkmale, an welchem Ort gäbe es dann das abgesonderte Ich, falls es vom Körper getrennt wäre? 5.
離身無有我
是事爲已成
若謂身即我
若都無有我
Getrennt vom Körper gibt es kein Ich, das wurde schon festgestellt. Entweder würde man sagen, der Körper sei das Ich, oder es gäbe überhaupt kein Ich.
Über die falschen Ansichten vom Ich
6. 但身不爲我
身相生滅故
云何當以受
91
而作於受者
Aber der Körper (allein) wird nicht zum Ich, weil ja die körperlichen Merkmale entstehen und vergehen. Wie sollte er erst durch das Aufnehmen (des Ich) zu einem Empfänger gemacht werden? 7. 若離身有我
是事則不然
無受而有我
而實不可得
Gäbe es das Ich getrennt vom Körper, so entspräche das nicht den Tatsachen. Daß es, ohne (vom Körper) aufgenommen zu werden, ein Ich gäbe, kann man sich in der Tat nicht vorstellen. 8. 今我不離受
亦不當是受
非無受非無
此即決定義
Das gegenwärtige Ich ist nicht unabhängig vom Aufnehmen, aber auch nicht einfach aufgenommen. Die (widersprüchliche) Definition seines Sinnes lautet also: weder nicht (durch den Körper) aufgenommen, noch nicht so (d. h. auch das Gegenteil). 9.
過去我不作
是事則不然
過去世中我
異今亦不然
Daß das vergangene Ich nicht wirkt, das ist nicht richtig. Daß das Ich in der Vergangenheit ein anderes als das gegenwärtige ist, ist auch nicht richtig. 10.
若謂有異者
離彼應有今
我住過去世
而今我自生
Würde man nämlich sagen, sie seien verschieden, dann müßte das gegenwärtige (Ich) von jenem unabhängig sein. Dann verbliebe ein Ich in der Vergangenheit, und das gegenwärtige Ich entstünde (neu) aus sich heraus. 11.
如是則斷滅
失於業果報
彼作而此受
有如是等過
So abgetrennt und vergangen, verliert jenes die Vergeltung seiner Taten. Jenes war tätig, aber dieses empfängt sie. Daß es so wäre, ist ein weiterer Irrtum.
92
12.
27. Kapitel
先無而今有
此中亦有過
我則是作法
亦爲是無因
Daß ein Ich ohne vorheriges ein gegenwärtiges Sein hat, auch darin liegt ein Irrtum. Das Ich ist dann eine bewirkte Erscheinung und wird zugleich etwas Ursacheloses. 13. 如過去世中
有我無我見
若共若不共
是事皆不然
Die Ansichten, daß es in der Vergangenheit ein Ich gibt und kein Ich gibt, ob nun zusammengenommen oder nicht zusammengenommen, die sind alle nicht richtig. 14. 我於未來世
爲作爲不作
如是之見者
皆同過去世
Daß das Ich für die zukünftige Welt wirkend oder nicht wirkend gehalten wird, solche Ansichten sind alle (ebenso falsch) wie die über die Vergangenheit. 15. 若天即是人
則墮於常邊
天則爲無生
常法不生故
Wäre (das Ich als) ein himmliches Wesen (tian / deva, Gottheit) Mensch, dann würde es zum beständig Dauernden gehören. Als Himmelswesen würde es aber nicht geboren, weil beständig dauernde Erscheinungen nicht erzeugt werden. 16.
若天異於人
是即爲無常
若天異人者
是則無相續
Würde (das Ich) als Himmelswesen sich in einen Menschen verwandeln, wäre es (das Himmlische) nichts beständig Dauerndes. Wäre das Himmlische anders als das Menschliche, so stünden sie in keiner gegenseitigen Verbindung. 17.
若半天半人
則墮於二邊
常及於無常
是事則不然
Als halb Himmlisches und halb Menschliches würde (das Ich) zu zwei Bereichen gehören, nämlich zu einem beständig-dauerhaften und zu einem unbeständigen. Aber das ist nicht richtig.
Über die falschen Ansichten vom Ich
18. 若常及無常
是二俱成者
如是則應成
93
非常非無常
Käme beides, (des Ich) Beständigkeit und Unbeständigkeit, neben einander zustande, so müßte ebenso Nicht-Beständigkeit und Nicht-Unbeständigkeit zustande kommen. 19.
法若定有來
及定有去者
生死則無始
而實無此事
Wäre die Erscheinung (des Ich) etwas, das von der Vergangenheit bis in die Zukunft (im Samsara-Kreislauf) bestimmt wäre, dann wären Geburt und Sterben anfangslos. Aber so etwas gibt es wirklich nicht. 20. 今若無有常
云何有無常
亦常亦無常
非常非無常
Gäbe es nun aber (für das Ich) keine Beständigkeit, wie sollte es dann Unbeständigkeit geben, oder auch zugleich Beständigkeit und Unbeständigkeit, oder weder Beständigkeit noch Unbeständigkeit? 21.
若世間有邊
云何有後世
若世間無邊
云何有後世
Wäre seine Welt begrenzt, wie hätte es dann eine Nach-Welt? Und wäre seine Welt unbegrenzt, wie hätte es dann eine NachWelt? 22. 五陰常相續
猶若如燈燄
以是故世間
不應邊無邊
Wären die fünf Maya-Elemente (seines Körpers) beständig so auf es bezogen wie Flamme und Brennstoff, dann läge darin der Grund, daß seine Welt nicht begrenzt oder unbegrenzt sein dürfte. 23. 若先五陰壞
不因是五陰
更生後五陰
世間則有邊
Würden seine vorigen fünf Maya-Elemente vernichtet, so würden sie keine (neuen) fünf Maya-Elemente verursachen. Es würden fünf Maya-Elemente nachher neu entstehen, und diese Welten hätten eine Begrenzung.
94
27. Kapitel
24. 若先陰不壞
亦不因是陰
而生後五陰
世間則無邊
Würden seine vorigen fünf Maya-Elemente aber nicht vernichtet, und es würden keine (neuen) Maya(-Elemente) verursacht, sondern es entstünden später fünf Maya-Elemente, dann hätte seine Welt keine Grenze. 25. 若世半有邊
世間半無邊
是則亦有邊
亦無邊不然
Wäre die Welt (des Ich) teilweise begrenzt und teilweise unbegrenzt, dann wäre sie sowohl begrenzt wie auch unbegrenzt, was nicht richtig ist. 26. 彼受五陰者
云何一分破
一分而不破
是事則不然
Jenes (Ich), das an den fünf Maya-Elementen teilhat, wie sollte es für einen Teil zerstört, und für einen Teil nicht zerstört werden? Das entspricht nicht den Tatsachen. 27.
受亦複如是
云何一分破
一分而不破
是事則不然
Hat es Anteil, und auch immer erneuten, wie sollte es teils zerstört und teils nicht zerstört werden? Das entspricht nicht den Tatsachen. 28.
若亦有無邊
是二得成者
非有非無邊
是則亦應成
Wäre sie (die Welt des Ich) zugleich begrenzt und unbegrenzt und beides vorstellbar, dann müßte sie auch als weder begrenzt noch unbegrenzt zustande kommen. 29. 一切法空故
世間常等見
何處於何時
誰起是諸見
Da alle Erscheinungen leer sind, wer möchte noch irgendwo und irgendwann solche Meinungen vertreten wie die, daß die Welt beständig sei, usw.
Über die falschen Ansichten vom Ich
30. 瞿曇大聖主
憐憫說是
法悉斷一切見
95
我今稽首禮
Vor dem großen heiligen Meister Gautama, der mitleidig und erbarmungsvoll erklärt was Erscheinungen sind, und der damit allen diesen Meinungen die Grundlage entzogen hat, vor dem beuge ich jetzt verehrungsvoll mein Haupt.
KOM M E N TA R
1. Der vorliegende Text ist einer der heiligen Texte des Mahayana-Buddhismus. Er wurde von Nagarjuna1, einem als Bodhisattva bzw. »Heiliger« verehrten Klassiker des Buddhismus verfaßt. Dieser entstammte einer südindischen Brahmanenfamilie. Seit frühester Jugend soll er über ein geübtes außerordentliches Gedächtnis verfügt haben. Als buddhistischer Mönch führte er viele Streitgespräche mit brahmanischen und buddhistischen Gelehrten. Und da er sich zeitweise auch im nordwestlichen, seit Alexanders Feldzug gräzisierten Teil Indiens aufhielt, mag er auch Gelegenheiten gehabt haben, sich mit der griechischen Philosophie, insbesondere den Skeptikern und vor allem mit derjenigen des Aristoteles bekannt gemacht zu haben, wovon der Beginn seines Textes und einige der von ihm verwendeten Begriffe zeugen. Der Text liegt in dem von Nagarjuna benutzen Sanskrit vor und wurde bald auch in tibetischer Sprache verbreitet, was als wesentliche Verständnishilfe geschätzt wird. Etwa hundert Jahre Nagarjuna lebte ungefähr im 2. Jahrhundert n. Chr., vielleicht auch bis ins 3. Jahrhundert. Sein chinesischer Name ist Long Shu 龙树 (»Drachen-Wald«). Der Name spielt auf eine Sage an, nach welcher er durch einen Bodhisattva in Gestalt eines Drachen entführt und mit vielen bis dahin unbekannten Mahayana-Sutren bekannt gemacht worden sei. Sein lautnachahmender Name ist Na Jia A Shun Na 那伽 阿 顺 那 für sanskrit Naga Arjuna. Naga bedeutet im Sanskrit ebenfalls Drache, arjuna wird der Baum genannt, unter dem ihn seine Mutter geboren haben soll. Vgl. Jan Marc Nottelmanns Referat über die verschiedenen meist legendenhaften Berichte über sein Leben: »Zur Biographie Nagarjunas« (unveröffentlichtes Referat des EKO-Hauses Düsseldorf. Dazu auch: C. Oetke, Art. Nagarjuna, in: Großes Werklexikon der Philosophie, hrsg. von Franco Volpi, Band 2, S. 1063 – 1064, Stuttgart 1999). 1
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Kommentar
nach seinem Entstehen wurde er von Kumarajiva2 und dessen Mitarbeitern unter kaiserlich-chinesischer Förderung zusammen mit dem Kommentar des Pingala3 , dessen Sanskritfassung nicht mehr zu existieren scheint, ins Chinesische übersetzt. Diese chinesische Version4 wurde für die vorliegende Übersetzung zugrunde gelegt. Die Passagen des Nagarjuna-Textes sind in den Sanskrit-Ausgaben als Zitate in den großen Kommentar »Prasannapada« (»Klares Wort«) des Candrakirti5 eingebettet. Das entspricht auch dem Brauch der chinesischen Klassikerausgaben, bei denen der zu überliefernde Text Satz für Satz im laufenden Text interpretiert wird, wobei er gewöhnlich durch größere Schriftzeichen hervorgehoben wird. Im Falle des Nagarjuna-Textes ergibt sich die Hervorhebung gegenüber den kommentierenden Textteilen des Pingala-Kommentars schon durch die strenge Gestalt des Lehrgedichtes. In der chinesischen Version handelt es sich um vier Zeilen in jeder Strophe mit jeweils genau fünf chinesischen Zeichen (die hier in einer Zeile abgedruckt sind). Der Kommentar des Pingala wurde in China und Japan ebenso kanonisch wie derjenige des Candrakirti im Sprachbereich des Sanskrit und des Tibetischen. Kumarajiva lebte 344 – 413 n. Chr. Chinesischer Name Tong Shou 童寿 (»langlebender Junge«), chinesischer lautnachahmender Name: JiuMo-Luo-Shi 鸠摩罗什. Vgl. L. Geldsetzer und H.-d. Hong: Chinesischdeutsches Lexikon der Klassiker und Schulen der chinesischen Philosophie, aus dem chinesischen Ci Hai ausgewählt, nachgedruckt und übersetzt, Aalen 1991, S. 70 – 71: Artikel 31 Jiu Mo Luo Schi. 3 Pingala lebte vom späten 3. Jahrhundert bis zum frühen 4. Jahrhundert n. Chr. Chinesischer Name: Qing Mu 青目(»Blau-Auge«), lautnachahmender Name Bin Jia Luo 宾伽罗. 4 In der Ausgabe von Han Ting-jie 韩廷傑: Zhong Lun: 中論, hrsg. von der buddhistischen Kommission vom Fo Guang-Berg, (Taiwan-Ausgabe) 1997, ISBN 957-543-497-8. 5 Candrakirti lebte ca. 600 – 650 n. Chr. und gilt als Hauptvertreter der Prasangika-Schule der buddhistischen Logik. Vgl. C. Rizzi: Candrakirti, Neu Delhi 1988. 2
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Man kann wohl feststellen, daß die meisten westlichen Interpretationen der Lehre des Nagarjuna sich im Rahmen derer des Candrakirti bewegen, ebenso wie sich die chinesischen auf diejenige des Pingala stützen. Das aber ist eine durchaus nicht selbstverständliche Vorgabe. Man hat vielmehr damit zu rechnen, daß diese späteren Kommentare aus dem Geiste eines fortentwickelten Mahayana-Buddhismus gerade wichtige Aussagen des Nagarjuna verdunkeln. Dies betrifft u. E. grundsätzlich alles, was mit griechischen Denkweisen zu tun hat, von denen Nagarjuna Kenntnis gehabt haben muß, wie zu zeigen ist. 2. Das Interesse der Chinesen an diesem buddhistischen Text geht primär auf die kaiserliche Unterstützung der buddhistischen China-Mission in der späteren Han-Dynastie zurück, die sich ihrerseits gegen den damals vorherrschenden Konfuzianismus und die rechtsphilosophische Schule effektive Regierungsberatung durch die Dao-Schule 道家 (Dao Jia) des Lao Zi 老子 erhoffte. Dao 道 bedeutet im Chinesischen in erster Linie einen »Weg« (dann aber auch »Prinzip«), den zu gehen empfohlen und dessen Ziel zu erreichen versprochen wird. Und das kommt ebenso in der Bezeichnung des »Mittleren Weges« des Mahayana-Buddhismus zum Ausdruck. Der Buddhismus, so kann man feststellen, wurde in China wegen seiner Affinität zur Dao-Lehre als dem rechten Weg zur Einsicht und vor allem wegen seiner Betonung des Themas vom »Nichts« und seiner politischen Instrumentalisierung als eine Ausarbeitung der daoistischen Politikphilosophie geschätzt.6 Aber darüber hinaus versprach er weitere Affinitäten zu den in China heimischen Ideen. Schon die übliche Bezeichnung des Werkes als »Madhyamakakarika« bzw. als »Zhong Lun« (中论) »Klassikerwerk über den Vgl. dazu auch R. Elberfeld, M. Leiboldt und M. Obert: Denkansätze zur buddhistischen Philosophie in China, Köln 2000, S. 14 – 25: »Einleitende Bemerkungen zur Rezeption des Buddhismus in China und zu Seng Zhao«. 6
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mittleren Weg« insinuierte, daß es sich um eine wichtige Untersuchung über das zentrale Thema der »Mitte« (zhong 中) handele, das von Kaisern und Philosophen als Regierungsmaxime vom »Halte treu die Mitte ein« (Yun Zhi Jue Zhong 允執厥中) schon im ältesten Geschichtsbuch der Chinesen, dem Buch der Dokumente (Shang Shu 尚书 bzw. Shu Jing 书 经), den ersten Kaisern zugesprochen und im Selbstverständnis der Chinesen als »Land der Mitte« 中国 (Zhong Guo) verewigt wurde.7 Was diese einzuhaltende Mitte selber ist, läßt sich am ehesten mit der für den Westen maßgeblichen »Mitte zwischen Extremen« eines »zuviel« und eines »zu wenig« verstehen, die Aristoteles als ethische Maxime aufgestellt hat. Die Extreme sind aber für den Mahayana-Buddhismus nicht die ethisch relevanten Leidenschaften oder gar die beiden »Ideale« der austeilenden (distributiven) und der ausgleichenden (kommutativen) Gerechtigkeit, sondern die erkenntnistheoretischen und ontologischen Positionen, die auch in den indischen Lehrsystemen der Schulen einschließlich der buddhistischen vertreten wurden. Sie reichen von den materialistischen Carvakas und der realistischen Vaishesika- und Samkhya-Schule bis zur idealistischen Vedanta-Schule.8 Und die »Mitte« zwischen ihnen ergab sich für Nagarjuna in der Bestreitung der Behauptung einer ewigen substantiellen Realität der Atome der ersteren und der Bestreitung der Behauptung eines geistigen allumfassenden (oder persönlichen) Atmans der letzteren. Ein weiteres zentrales Motiv der Interessenahme war das »Nichts« wu 无. Es stand schon in der klassischen indischen Philosophie als ontologisches und erkenntnistheoretisches Thema an. Und ebenso in der Dao-Lehre des Lao Zi und seiner AnhänVgl. L. Geldsetzer und Han-ding Hong: Grundlagen der chinesischen Philosophie, Stuttgart 1998, S. 157 – 170. 8 Über diese Schulen vgl. L. Geldsetzer: Einführung in die klassische indische Philosophie. In: Klassiker der indischen Philosophie. CD-Rom, Sonderband Digitale Bibliothek (Directmedia Publishing), Berlin 2006. – Seit 2000 auch im Internet der HHU Düsseldorf. 7
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gerschaft, unter welcher sich schon früh eine religiöse Kultvereinigung ähnlich wie bei den Buddhisten herausbildete. Das Thema hat seit Parmenides’ epochaler Propagierung seiner »wahren« Seinsphilosophie und seiner Diskriminierung des Nichts (griech.: me on) als Sinnesillusion und Inbegriff der Falschheit schlechthin kein Äquivalent in der abendländischen Philosophie. Denn Parmenides hat durch diese »Seinsphilosophie« vermutlich die entscheidende Abwehrposition gegen eine westliche Buddhismus-Mission errichtet. Seither ist die Betonung von Sein und die Irritation gegenüber dem Nichts eine der entscheidenden Verständnisbarrieren im west-östlichen Dialog geblieben. Die extreme Interpretation des Nichts lieferte im China des 3. Jahrhunderts n. Chr. Wang Bi 王弼 (226 – 249). Er interpretierte das Buch Dao De Jing 道德经 des Lao Zi 老子 (Klassikerwerk vom Dao und seiner Kraft)9 in dem Sinne, daß »wu« 无 (»das Nichts«) der Ursprung aller Dinge sei und sich deswegen auch in der Entfaltung der Wirklichkeit überall als das Wesen aller Dinge zur Geltung bringe. Man kann seine Lehre als Nihilismus bezeichnen. Er hat damit in China Aufsehen erregt und Schule gemacht. Und dieser Nihilismus des Wang Bi wurde zum Anknüpfungsthema extremer buddhistischer Schulrichtungen, die das buddhistische »Nirvana« (chin.: nie pan 涅 盘) als reines Nichts deuteten. Aber die gemäßigten Schulen des Mahayana gingen nicht so weit. Zwar war und blieb für sie das »Nichts« wichtig, aber allenfalls gleichrangig mit und abhängig von dem »Sein«. Und damit stimmten die Mahayana-Buddhisten wiederum weitgehend mit dem überein, was in China als Lehre des Lao Zi 老子 und später des Zhuang Zi 庄子 im Umlauf blieb. Hier wurde das Nichts vor allem als etwas »Leeres« 空 (kong) im Umkreis des vollen Seins thematisiert. Vgl. meine Übersetzung auf der Internetseite des Philosophischen Instituts der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf; auch in der CD-RomAusgabe der Digitalen Bibliothek: »Asiatische Philosophie, Indien und China«, Directmedia Publishing, Berlin 2003. 9
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Und eine dritte Affinität mußte den Chinesen reizvoll erscheinen. Die seit jeher für heilig und bedeutend gehaltene Zahl »acht« hatte sich seit Kong Zi 孔子 bzw. seit der »Großen Lehre« 大学 (Da Xue) aus dem Buch der Sitten (Li Ji 礼 记), die Kong Zi in den Mittelpunkt seiner praktischen und politischen Philosophie stellte, in einer ebenso kurzen wie prägnanten pädagogischen Programmatik und ethischen Handlungs- und Verhaltenslehre niedergeschlagen: Vom praktischen Umgang mit den Dingen (格 物 ge wu) über Wissenserwerb (致 知 zhi zhi), Gewissenserforschung (诚 意 cheng yi), Charakterbildung (正心 zheng xin), körperliche und geistige Persönlichkeitsbildung (修 身 xiu shen), Versittlichung und Ordnung der Familie (齐家 qi jia), politisches und staatliches Engagement (治国 zhi guo) bis zur Sicherung des Weltfriedens (平天下 ping tian xia) – und keineswegs in umgekehrter Reihenfolge! – führt hier der achtstufige Bildungsweg zum jun zi 君子, dem konfuzianischen »Gebildeten«, den die Angelsachsen gerne als »chinesischen gentleman« bezeichnen. Dieses Bildungsprogramm ist bekanntlich noch heute Lehrstoff in allen konfuzianisch inspirierten Schulprogrammen asiatischer Länder geblieben. Und da mußte es Aufmerksamkeit erregen, daß der Buddha als Kern seiner Lehre einen »achtfachen Pfad« zu befolgen empfahl, um sich von der Kette der Wiedergeburten zu befreien. Er weist in der Tat einige Gemeinsamkeiten mit dem konfuzianischen Bildungsweg auf.10 3. Daß alles Leben, ja alles Dasein schlechthin »Leiden« sei, wie es Buddha und der Buddhismus behaupteten, das dürfte den Chinesen kaum als attraktive Botschaft erschienen sein. Ersichtlich gilt dies auch für die alte Welt der Griechen und Römer. Und bis heute haben die Buddhisten alle Mühe, modernen WohlstandsWeitere parallele Entwicklungen der indischen und chinesischen antiken Philosophie und Kultur habe ich in meinem Vorwort zur Ausgabe klassischer indischer und chinesischer Texte in den deutschen Übersetzungen in der Digitalen Bibliothek, Band 94, Directmedia Berlin 2003, herauszustellen versucht. 10
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gesellschaften, die sich ansonsten für den Buddhismus ziemlich aufgeschlossen zeigen, diese Lehre zu vermitteln. Daß es Leidvolles gibt, ist naturgemäß in allen Lebenslagen zu erfahren. Aber daß es beständig und grundsätzlich die Wurzeln des Daseins ausmache und keineswegs von Lebenslust- und Lebensfreude kompensiert oder gar überwogen werde, das war und ist für die meisten eher eine kuriose Vorstellung. In der westlichen Welt macht bekanntlich Arthur Schopenhauers Eintreten für diese Lehre dessen einzigartige Ethikbegründung aus. Aber auch in seinem Falle bleibt es typisch abendländisch, daß Schopenhauer das Leiden grundsätzlich als Not aus Armut und Langeweile aus Überfluß deutete.11 Da konnte allenfalls die buddhistische Lehre von der Überwindung des Leidens – eben jedes Leidens, und sei es ein »Weltschmerz« – durch Erkenntnis dessen, was es eigentlich sei und durch die Aussicht auf einen schlechthin leidlosen Zustand, einige therapeutische Attraktivität entfalten. Und das mußte dann auch für eine Reihe von Anhangsfragen gelten, die in diesem Zusammenhang von den Buddhisten diskutiert wurden. Unter diesen ist eine der wichtigsten diejenige nach dem Träger des Leidens. Es ist das Thema Lebewesen, Mensch, Persönlichkeit, Leibverfassung und/oder Seele, Selbst. Es ist dasjenige, was A. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung I, 4. Buch § 57: »Die Basis alles Wollens aber ist die Bedürftigkeit, Mangel, also Schmerz, dem er (scil. der Mensch) folglich schon ursprünglich und durch sein Wesen anheimfällt. Fehlt es ihm hingegen an Objekten des Wollens, indem die zu leichte Befriedigung sie ihm sogleich wieder wegnimmt, so befällt ihn furchtbare Leere und Langeweile: d. h. sein Wesen und sein Dasein selbst wird ihm zur unerträglichen Last. Sein Leben schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her, zwischen dem Schmerz und der Langeweile, welche beide in der Tat dessen letzte Bestandteile sind«. […] »Wie die Not die beständige Geisel des Volkes ist, so die Langeweile die der vornehmen Welt. Im bürgerlichen Leben ist sie durch den Sonntag, wie die Not durch die sechs Wochentage repräsentiert.« Vgl. A. Schopenhauer, Sämtliche Werke, 2. Abdruck hrsg. v. Ed. Grisebach, Band 1, Leipzig 1919, S. 404 und 406. 11
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in der indischen Philosophie unter dem Begriff »atman« (Selbst) verstanden wird, durch welchen und an welchem eben Leid erfahren wird. Darüber gibt es unter den buddhistischen Schulen verschiedene Meinungen. Jedoch ist die des frühen Mahayana und Nagarjunas sehr eindeutig die, daß es einen solchen Träger nicht gibt, daß also alle Rede und jeder Begriff von »Selbst« bzw. atman gegenstandslos sei. Und nicht genug damit. Da das, was man mit atman meint, selbst nur ein Bestandteil der Wirklichkeit wäre, zu der das Leiden gehören soll, so stellt sich die Frage nach der Wirklichkeit, nach den Dingen (dharma) schlechthin. Und die entschiedene Antwort des Mahayana ist wiederum die, daß es da keine Substantialität von Wirklichkeitsteilen und -elementen oder gar Atomen gibt, und daß daher die ganze Wirklichkeit selbst »leer« und inhaltslos, also bloßer Schein sein müsse. Doch ist es ein Schein, der sinnlich erfahren wird und also einen Strukturzusammenhang aufweist. Wer den Schein mit einer inhaltlichen Substantialität, mit Sein verwechselt, hält diesen Zusammenhang für einen Kausalzusammenhang. Und Kausalität, karma, war schon vor Buddha ein Thema indischer Lehren in den vedischen Schriften.12 Die Kausalität begründet die Kette Vgl. z. B. das Brhadaranyaka-Upanishad (4, 4, 2–6, nach P. Deussen, Geheimlehre des Veda S. 62/63). Es ist die Rede davon, was mit dem Atman oder dem »Denken« nach dem Tode geschieht: »Dann nehmen ihn das Wissen und die Werke bei der Hand und seine vormalige Erfahrung. – Wie eine Raupe, nachdem sie zur Spitze des Blattes gelangt ist, einen andern Anfang ergreift und sich selbst dazu hinüberzieht, so auch die Seele, nachdem sie den Leib abgeschüttelt und das Nichtwissen (zeitweilig) losgelassen hat, ergreift sie einen anderen Anfang und zieht sich selbst dazu hinüber. – Wie ein Goldschmied von einem Bildwerke den Stoff nimmt und daraus eine andere, neuere, schönere Gestalt hämmert, so auch diese Seele, nachdem sie den Leib abgeschüttelt und das Nichtwissen (zeitweilig) losgelassen hat, so schafft sie sich eine andere, neuere, schönere Gestalt, sei es der Väter oder der Gandharven oder der Götter oder des Prajapati oder des Brahman oder anderer Wesen.« 12
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der Wiedergeburten und das Nachwirken vorangegangener Inkarnationen in jeder erneuten Inkarnation der Generationen. Wird auch atman als Sein angesehen, so ist auch das Schicksal jeder Einzelseele durch alle Vor-Leben determiniert, und sie determiniert ihr künftiges Geschick durch ihr je gegenwärtiges Handeln.13 Dagegen richtet sich nun die Lehre des Mahayana und insbesondere die des Nagarjuna. Kausalität, karma, bezieht sich nicht auf Sein und Seiendes, sondern auf »leere dharmas«. Nagarjuna nennt seine Konzeption, wohl gerade um sie von der sonst üblichen und auch bei anderen buddhistischen Schulen verbreiteten Kausalauffassung zu unterscheiden, »Entstehung in Abhängigkeit« (pratitya-samutpada). Aber das fügt der Kausalauffassung nichts Neues hinzu, die ja überall und von allen als ein Zusammenhang in Abhängigkeit, nämlich der Wirkung von der Ursache, verstanden wird. Die Besonderheit liegt hier nicht in der verwendeten Begrifflichkeit, sondern in den scharfsinnigen Analysen des Zusammenhangs zwischen dem, was von den Philosophen »Ursache« und »Wirkung« genannt wird. Sie haben zum Ergebnis, daß drei Konzeptionen des Ursache-Wirkungsverhältnisses untauglich zu seiner Erklärung sind, und daß nur eine Konzeption, die durch Nagarjuna sehr aufwendig ausgearbeitet und als »Entstehung in Abhängigkeit« dargestellt wird, tauglich sein kann. Wie wir zeigen werden, handelt es sich bei diesen vier behandelten Ursache-Wirkungskonzeptionen um die aristotelischen vier Ursachen (aitiai), von denen jede einzelne von den einzelnen Schulen der brahmanischen und buddhistischen vorzugsweise gehandhabt wurden. Vgl. Chandogya-Upanishad (nach P. Deussen, Geheimlehre des Veda, S. 95): »Welche hier nun einen erfreulichen Wandel haben, für die ist die Aussicht, daß sie in einen erfreulichen Mutterschoß eingehen, einen Brahmanenschoß oder Kshatriyaschoß oder Vaicyaschoß; – die hier aber einen stinkenden Wandel haben, für die ist die Aussicht, daß sie in einen stinkenden Mutterschoß eingehen, einen Hundeschoß oder Schweineschoß oder in einen Candalaschoß«. 13
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Es liegt auf der Hand, daß der Buddhismus schon wegen seiner Voraussetzung vom selbstverursachten Wiedergeburtsschicksal und den Belohnungen und Bestrafungen in den so erzeugten Lebensläufen größtes Interesse an der Aufrechterhaltung der Kausalität, ihrer »Wahrheit« und Anwendbarkeit haben mußte. Immerhin wird dadurch die Alleinverantwortlichkeit eines jeden Individuums für seine Herkunft, seine jeweiligen Lebensumstände und alle es betreffenden Schicksalsschläge begründet und in gleichem Maße jede Verantwortlichkeit aller anderen und zumal der Institutionen für den Einzelnen a limine abgewehrt. Das hat wohl auch Platon den Griechen durch seinen Mythos von der Wahl der Lebensschicksale durch die unsterblichen Seelen14 erklären wollen. Und dies mag auch der Grund dafür sein, daß auch Nagarjuna eine wenn auch etwas modifizierte Kausallehre beibehalten hat. Die üblichen Übersetzungen des Ausdrucks »pratitya-samutpada« als »Entstehung in Abhängigkeit« und noch mehr die Interpretationen, was dies bedeute, tun sich allerdings schwer damit, den Unterschied von Nagarjunas Kausallehre von sonst bekannten Kausalauffassungen deutlich zu machen. Große Übereinstimmung darüber, worauf sich pratitya-samutpada, bezieht, besteht darin, daß es keineswegs ein »substantielles Sein« im Sinne der aristotelischen Substanz oder eines kantischen »Dinges an sich« sein kann. Derartige Substanzen wurden schon in den hinduistischen Schulen Indiens als »dharma« bezeichnet. Daneben hatte dharma aber zugleich die Bedeutung »Norm« bzw. »Gesetz«. Die substantiellen dharmas werden als »svabhava« definiert, was meistens mit »Selbst-Sein« oder »Eigen-Sein« übersetzt wird. Im chinesischen Text heißt es »ci xing« (自性), was dann gerne ebenso übersetzt wird. Solche Ausdrücke sind zwar für westlich Vgl. Platon: Staat, 10. Buch. 617d – 621d, Ausgabe der Sämtlichen Werke nach der Übersetzung F. Schleiermachers Band 3, in Rowohlts Klassiker Band 27, Hamburg 1958, S. 307 – 310. Insbes. die These »Die Schuld ist der Wählenden«. 14
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übersetzte buddhistische Texte typisch geworden, aber ersichtlich läßt sich damit kein philosophischer Fachbegriff verbinden. Wir möchten demgegenüber behaupten, daß es sich dabei um gar nichts anderes als den aristotelischen Substanzbegriff handelt. Dieser wurde ja von Aristoteles neu geprägt und als »to ti en einai« definiert. Die Definition bedeutet »ein Etwas, das war und seiend ist«. Und damit wird sehr prägnant die (zeitliche) »Durchständigkeit« bzw. »Beständigkeit eines Seienden« betont. Genau dies aber betont auch Nagarjuna immer wieder von dem, was seine Gegner in Bezug auf die dharmas »svabhava« nennen und was er selbst mit allem Nachdruck bestreitet. Ein großer Teil der Argumente des Nagarjuna richtet sich also gegen diese Substanzauffassung der Realität. Und damit auch gegen das Verständnis der realistischen hinduistischen und einiger buddhistischer Schulen, die die »dharmas« als Substanzen und damit die ganze Wirklichkeit als substanziell deuteten. Ihnen setzt er die Auffassung entgegen, daß die dharmas eben keine Substanzen sein können. Das drückt sich in seinen vielfältigen kritischen Negationen des Substanzcharakters als »voll«, »beständig (oder »ewig«, wie manche übersetzen), des »aus sich selbst heraus Bestehens« usw. aus. Positiv vertritt er die These, daß die dharmas »leer«, »unbeständig«, »entstehend und vergehend« usw. seien. Und er knüpft damit offensichtlich an die andere Bedeutung des Begriff dharma als »Gesetz«, »Norm« oder »Regel« an. Diese wird aber im Chinesischen durchweg ebenso wie der Begriff dharma mit dem einheimischen Begriff »fa« 法 Gesetz, Norm bzw. Recht wiedergegeben. 4. Man wird ohne weiteres bemerken, daß für das von Nagarjuna mit dharma Gemeinte nur der von Platon entwickelte und von Kant nochmals spezieller definierte Begriff der »Erscheinung« (Phainomenon, Phänomen) stehen kann. Auch die chinesische Übersetzung des Kumarajiva setzt dafür den chinesischen Fachbegriff »fa« 法 ein, der seither im chinesischen Buddhismus grundlegend geblieben ist. Er bedeutet also gleichermaßen »Recht« bzw.
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»Gesetz« (die oben genannte Schule der chinesischen Rechtsphilosophen ist die »Fa Jia« 法家, »Gesetzesschule« bzw. »Rechtsschule«). Und ersichtlich ist damit in der chinesischen Terminologie festgehalten worden, daß die »Erscheinungen« sehr wohl in einem gesetzlichen Zusammenhang stehen oder in irgendeiner Weise »normativ« für die Auffassung von Wirklichkeit sind. Dies trifft ja ersichtlich auch für Platons Phänomenbegriff zu, bei dem die Phänomene sämtlich von einem vorausgesetzten »wahren Sein der Ideen und insbesondere der Idee des Guten« gesetzlich abhängen (methexis bzw. participatio). Und auch bei Kant bestimmen apriorische »transzendentale« Voraussetzungen die gesetzliche Ordnung und den Zusammenhang der Erscheinungen. Es kann damit gesagt werden, daß die Denkform von »pratitya-samutpada« bei Nagarjuna genau einen solchen »gesetzlichen« Zusammenhang zwischen den Erscheinungen auf Begriffe bringen soll. Pratitya-samutpada bezieht sich also nicht auf substantielle Dinge, sondern auf die Erscheinungen, wie es auch bei Platon und später bei Hume und Kant der Fall war. Die vorliegende Übersetzung aus der chinesischen Version des Kumarajiva läßt sich davon leiten. Wo im Sanskrittext »dharma« und im chinesischen Text »fa 法« steht, wird in der Regel mit »Erscheinung« übersetzt. Nur in Ausnahmefällen hat man Grund zu der Annahme, daß das »Gesetz« (Buddhas) gemeint sein kann. Die Übersetzung mit »Erscheinung« allein ist freilich schon eine besondere Interpretation, die viele dunkle oder undeutliche Stellen des Sanskrittextes in klares Licht setzen kann. 5. Zusammen mit der Substanzenlehre muß die aristotelische Vier-Ursachen-Lehre hauptsächliches Ziel der Kritik Nagarjunas gewesen sein.15 Die ausdrückliche Betonung zu Beginn des Vgl. Aristoteles, Metaphysik, übersetzt und hrsg. von Franz F. Schwarz, Reclam Universalbibliothek Bd. 7913, Stuttgart 1976, S. 23 f. Stephanus-Seitenzählung 983a). Die vier Ursachen (aitiai) werden beschrieben »einmal nämlich als Wesen und als Was-es-ist-dies zu-sein (to ti en einai = Begriff bzw. Form) … , zweitens als Stoff und Substrat, drittens als 15
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Madhyamaka- Karikas Nagarjunas, daß es – wenn überhaupt – nur vier Ursachen und auf keinen Fall eine fünfte Ursache geben könne, kann nur auf Aristoteles verweisen. Dies ist besonders zu betonen, denn die üblichen Interpretationen gehen durchweg davon aus, daß damit vier brahmanische bzw. auch buddhistische Schulmeinungen über die Kausalität gemeint seien. Das kann aber schon deswegen nicht der Fall sein, weil es deren viel mehr gab und dabei schon gar nicht die Rede davon sein konnte, daß es keine fünfte geben sollte. Es liegt auch keineswegs nahe, Ursachen auf eine Vierzahl zu beschränken. Die griechischen Vorsokratiker nahmen meist nur eine Ur-Sache (arché) an, Demokrit bekanntlich zwei (Volles und Leeres), Empedokles sechs (vier Elemente und zwei antagonistische Kräfte) und Platon und die Akademie unendlich viele (ideelle) »Bedingungen«. Bei den aristotelischen Ursachen lassen sich die beiden von außen wirkenden Wirk- und Zielursachen von den Form- und Materieursachen unterscheiden, die gleichsam in der jeweiligen Sache selbst vorhanden sind. Erstere wurden später »extrinsische« bzw. äußere, und letztere »intrinsische« bzw. innere Ursachen genannt. Die intrinsischen Ursachen können daher auch als solche angesehen werden, die eigentlich keine Ursachen, sondern eher Komponenten der Sachen (bei Aristoteles der Substanzen) selbst sind. Und darauf scheint auch Nagarjuna anzusprechen, wenn er schon im 4. Vers des 1. Kapitels sagt, daß sein Gewährsmann (gemeint kann da nur Aristoteles sein) »(einigen) Ursachen Wirkungen zuschreibt, und (einigen) Ursachen keine Wirkung zuschreibt«. das, woher der Anfang der Bewegung kommt, viertens … als das Weswegen und das Gute, denn dies ist das Ziel aller Entstehung und aller Bewegung«. Es handelt sich um die (wie ein Fadenkreuz um eine zu erklärende »Substanz« anzuordneten) vier Ursachen: 1. Formale (causa formalis), 2. materiale (causa materialis). 3. Wirkursache (causa efficiens) und 4. Ziel- oder Zweckursache (causa finalis).
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Die Stoiker, die von allen griechischen Schulen am entschiedensten einen Universalkausalismus behaupteten, übernahmen ersichtlich von Aristoteles nur die Wirk- und die Zweckursachen, die sie gewöhnlich für zeitliche perspektivische Ansichten (»von vorn« bzw. »von hinten«, a priori bzw. a posteriori) einer einzigen Heimarmene bzw. des »fatums« (der »kausalen Notwendigkeit«) hielten. Es ist nicht auszuschließen, daß auch die stoische Kausallehre in Indien bekannt und als solche eines der Ziele der Kritik des Nagarjuna gewesen ist. Denn die stoische Kausalerklärung konzentrierte sich auf die Erklärung von Entstehung, Veränderung bzw. Bewegung und Vergehen der Dinge und Lebewesen mittels der bewirkenden und der teleologischen Ursachen, also die äußeren (extrinsischen) Ursachen, gegen die sich die pratitya-samutpada-Lehre des Nagarjuna ebenfalls mit Nachdruck wendete. Nagarjuna, der ja von »vier Ursachen« spricht, scheint das also genau so gesehen zu haben. Daß er das, was die Stoiker »Substanz« (hypokeimenon, d. h. »Zugrundeliegendes«) und Aristoteles »materiale Ursache« genannt hatten, nicht als Ursache gelten läßt, liegt auf der Hand, da gerade diese die Dauerhaftigkeit und Unveränderlichkeit der Wirklichkeitselemente erklären sollten. Anders verhält es sich mit den formalen Ursachen. Sie können zwar ebenfalls keine »bewirkenden« Ursachen sein, aber sie erklären doch die Erscheinungen. Und so bleiben sie für Nagarjuna als einzige der aristotelischen »Ursachen« übrig, um das »Einander-Hervorrufen« der Erscheinungen, das dann kein Erzeugen oder Bewirken sein kann, zu erläutern. Dies wird im letzten Vers des 1. Kapitels ganz im Sinne des »Abschneidens weiterer Diskussionen« ausgesprochen. Wenn schon von »bewirkenden bzw. erzeugenden Ursachen« keine Rede sein kann, dann auch nicht von »Bewirken oder Erzeugen« ohne Ursache bzw. aus »Nicht-Ursachen«. Denn wenn es keine Wirkungen gibt, dann ist es sinnlos, nach »bewirkenden« Ursachen oder Nicht-Ursachen zu suchen:
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»Wirkungen entstehen nicht aus Ursachen und sie entstehen nicht aus etwas, was Nicht-Ursache ist. Weil es darum gar keine Wirkungen gibt, gibt es auch keine Verursachung oder Nicht-Verursachung.«
Es ist nicht bekannt geworden, daß irgendeine der nichtbuddhistischen Darshanas (Schuldoktrinen) in Indien oder andere buddhistische Richtungen eine Vier-Ursachen-Lehre vertreten hätten, auf die sich die Feststellung Nagarjunas hätte beziehen können. Und so spricht alles dafür, daß Nagarjuna eine gewisse Kenntnis dieser aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre zur Verfügung hatte, wenngleich bei dem notorischen Mangel an schriftlichen Dokumenten über das geistige Verhältnis der beiden Kulturen nicht auszumachen ist, wie tief die Kenntnis ging, und ob und wer von seinen Zeitgenossen und Nachfolgern ebenfalls solche Kenntnisse hatte. Jedenfalls zeigen die bisherigen Übersetzungen des Madhyamaka-Karikas aus dem Sanskrit, Pali, dem Tibetischen und Chinesischen zur Genüge, daß niemals versucht worden ist, wenigstens theoretische Leitfäden aus aristotelischem Vorverständnis für die Interpretation der Auffassung Nagarjunas von den vier Ursachen zu gewinnen. Die bisher vorliegenden Übersetzungsvorschläge sind im besten Fall mühsame Versuche, Wortunterschiede festzuhalten und das Gemeinte mit Aussagen anderer Schulen in Verbindung zu bringen.16 Die vier von Nagarjuna unterschiedenen Ursachen heißen im Sanskrit hetu-pratyaya, alambana-pratyaya, samanantara-pratyaya und adhipati-pratyaya. Im Chinesischen des Kumarajiva Vgl. etwa Jaideva Singh, Introduction to Th. Stcherbatsky, The Conception of Buddhist Nirvana, ND Delhi 1996, S. 94 – 96. Auch D. J. Kalupahana, Nagarjuna. The Philosophy of the Middle Way, Albany N. Y. 1986, S. 27, der diese vier Ursachen auf »vier verschiedene Theorien des Bewirkens (causation) oder des Zustandekommens (arising)« bezieht, nämlich »1. Selbstbewirkung, 2. externe Bewirkung, 3. beides, Selbst- und externe Bewirkung, und 4. Zustandekommen aus einer Nicht-Ursache«. 16
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steht dafür: yin yuan 因 缘, ci di yuan 次 第 缘, yuan yuan 缘 缘 und zeng shang yuan 增上缘. In deutschen Übersetzungen finden wir die Reihe: Grundbedingung, Reihenfolgebedingung, Abhängigkeitsbedingung und beherrschende Bedingung17 ; Grund, Stütze, Vorangehendes, ferner Bestimmendes bzw. Übergeordnetes.18 Im Englischen werden angeboten: cause-condition, object, immediately preceding condition sowie predominant or special condition19 ; oder: efficient condition, percept-object condition, immediate condition, dominant condition20 ; oder auch: primary condition, objectively supporting condition, immediately contiguous condition, and dominant condition.21 Im Japanischen finden wir: gen-in (Ursprung), sho-in (Erkenntnisobjekt), to-mu-ken (mental zu ergänzende Ursache) sowie zo-jio (Hilfsursache).22 Man sieht leicht, daß hierbei nirgends versucht worden ist, einen Bezug zur aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre herzustellen oder sich wenigstens für die Unterscheidungen theoretisch von dieser leiten zu lassen. Entsprechend dürfte es auch kaum einsichtig sein, wie die in den Übersetzungen vorgelegten UnterM. Walleser, Die mittlere Lehre des Nagarjuna. Nach der chinesischen Version übertragen. Heidelberg 1912, S. 6. Auch in: »Asiatische Philosophie, Indien und China« (Digitale Bibliothek Band 94) DirectmediaVerlag Berlin 2003. 18 B. Weber-Brosamer und D. M. Back: Die Philosophie der Leere: Nagarjunas Mulamadhyamaka-Karikas. Übersetzung des buddhistischen Basistextes mit kommentierenden Einführungen (Beiträge zur Indologie 28), Wiesbaden 1997, S. 2. 19 Th. Stcherbatsky, The Conception of Buddhist Nirvana, ND Delhi 1996, S. 94f. 20 J. L. Garfield, The Fundamental Widom of the Middle Way. Nagarjuna’s Mulamadhyamakakarika, New York-Oxford 1995, S. 3. Dazu auch »Examination of Conditions«, S. 107 ff. 21 D. J. Kalupahana, Nagarjuna. The Philosophy of the Middle Way, Albany, N. Y. 1986, S. 106. 22 Saigusa, Mirujoshi: Choron (= Mittlerer Weg) 1. Band, 2. Aufl. Tokio 1992, S. 99. 17
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scheidungen zu begründen wären. Und doch dürfte dieser Bezug auf der Hand liegen. Am leichtesten ergibt er sich bei den beiden letztgenannten »äußeren« Ursachen, die – wie gesagt – von den Stoikern als die einzigen angesehen worden waren, und die im wesentlichen die Entstehung, Bewegung und eventuelles Vergehen der Dinge und Lebewesen erklären sollten. Die Wirkursache (samanantara, chinesisch: yuan yuan 缘 缘) muß (wie Sextus Empiricus in seiner Kritik an den Kausallehren ebenso wie Nagarjuna herausstellt) immer schon vergangen sein, wenn eine Wirkung manifest wird. Also ist sie zum Zeitpunkt der eintretenden Wirkung reines Nichts geworden. Die Ziel- bzw. Zweckursache (adhipati, zeng shang yuan 增上缘) ist als Ziel und Zweck oder auch als Muster ein Wert, auf den hin sich etwas entwickelt, wie es auch die chinesische Übersetzung (增上缘 zeng shang yuan) richtig ausdrückt.23 Die beiden erstgenannten »inneren« Ursachen, die den aristotelischen Form- und Materieursachen entsprechen müssen, sind allerdings schwerer wiederzuerkennen. Und das ist schon deshalb verzeihlich, weil sie auch im Abendland wie schon von den Stoikern kaum als echte Ursachen aufgefaßt werden. Wer erkennt etwa in der geisteswissenschaftlichen Rede von »Form und Gehalt« oder in einer mathematischen Bewegungsformel für bewegte physikalische Massen noch die gleichsam fossilen Reste der ehemals aristotelischen »intrinsischen« Ursachenerklärung Aristoteles hatte bekanntlich die Zweckursache als »Entelechia« in die dadurch bewirkte Wirkung selber aufgenommen, was auch der Erörterung des Nagarjuna zum Thema, daß die Wirkung schon in der Ursache enthalten sein müßte oder könnte, entspricht. Der Astronom Hipparchos (ca. 190 – 125 v. Chr.). versuchte als erster, entgegen der ausdrücklichen aristotelischen Lehre auch die Wirkursache in die Wirkung aufzunehmen. Das wurde in der mittelalterlichen Naturphilosophie als »Impulsus« (»Einschlag« bzw. »wirkende Kraft«) bezeichnet und neben die Entelechie, die man seit Philoponos (spätes 5. – 6. Jh. n. Chr.) »Impetus« (»inneres Streben«) nannte, gestellt. 23
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durch »Form« und »Materie« auch im Gewande der modernen Wissenschaften? Die erstgenannte Ursache (sanskr.: hetu; chin.: yin yuan 因 缘) muß also die aristotelische Formursache sein. Sie ist immer als »Idee«, als »Begriff der Sache« oder als Komplex der Merkmale (und in der mathematischen Naturwissenschaft als metrische Formel), mithin als etwas Logisches aufgefaßt worden, wie es auch dem Hauptsinn des Sanskritbegriffes hetu, des chinesischen Begriffs yin 因 und dem westlichen »logischen bzw. formalen Grund« entspricht. In der Übersetzung haben wir sie mit »formale« oder »begriffliche Ursache« und gelegentlich als »Grund« wiedergegeben. Ihr Gegenstück ist dann die an zweiter Stelle genannte Materieursache (alambana). Daß dies ebenso wie der chinesische Ausdruck »ci di yuan 次第缘« auf Glieder einer Reihe hinweist, ist aus der Stufung der Materien bei Aristoteles verständlich, die jeweils durch begriffliche Wesenheiten und Merkmale »überformt« werden, und die zuletzt auf das »Nicht-Sein« (me on, was keine Form mehr hat) zurückführen. Gerade in dieser »Ursachengestalt« einer Stufenreihe von überformten Materien dürfte eine wesentliche Anregung für Nagarjuna bestanden haben, ihren Ursachencharakter zu bestreiten, insofern auch die aristotelische materielle Erstursache sich »letzten Endes« als Nichts (me on) erweist. Epikur (ca. 342 – ca. 271 v. Chr.) und seine Schule sind für das westliche Kausalitätsverständnis des Nagarjuna schon deswegen interessant, weil sich anhand ihrer Philosophie zeigen läßt, was übrig bleibt, wenn man die Kausalität grundsätzlich verwirft. Die Epikureer taten dies freilich als Kritiker und Antagonisten der Stoiker, bestritten also nur die beiden von den Stoikern festgehaltenen Wirk- und Zweckursachen, während sie das, was Aristoteles als materiale und formale Ursachen bezeichnet hatte, ebenso wie die Stoiker nicht als Ursachen anerkannten, sondern sie als atomare bzw. korpuskulare Elemente und als deren selbst materielle bildhafte »Ausflüsse« ansahen. An die Stelle von Ur-
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sache-Wirkungszusammenhängen setzten sie bekanntlich den Zufall, und an die Stelle des stoischen Universaldeterminismus einen ebenso universalen Indeterminismus, der über das kosmologische Dichtwerk des Lukrez24 (»De natura rerum«) bis in die moderne Mikrophysik wirksam geblieben ist. Damit schossen sie aber weit über das Ziel hinaus, welches vermutlich Nagarjuna sich gesteckt hatte, der in solcher Ursachenbekämpfung keineswegs wie die Epikureer die Grundlage einer moralischen Freiheit gegeben sah, sondern mit seiner Lehre vom »relativen Zusammenhang« (pratitya-samutpada) geradezu den karmatischen Vergeltungszusammenhang von guten und bösen Taten retten wollte. Gleichwohl kann uns die epikureische Lehre einen weiteren Verständniszugang zur buddhistischen Pratitya-samutpada-Lehre eröffnen. Die Epikureer leugneten zwar die Kausalität allgemein (so wie sie sie verstanden), aber sie leugneten keineswegs strukturelle Ordnungen und Regelmäßigkeiten in der Wirklichkeit. An die Stelle kausalerklärender Erkenntnis trat also die anerkennende Kenntnis faktischer Gegebenheiten in ihren strukturellen Zusammenhängen. Und gerade dies war es ja, worauf Nagarjunas Kausalbegriff als pratitya-samutpada eingeschränkt ist. Es steht demgegenüber auf einem ganz anderen Blatt, daß der spätere neuzeitliche und moderne Indeterminismus diese Erkenntnislücke durch die Theorien der »Wahrscheinlichkeit« der Veränderungen von statistischen Massenphänomenen zu füllen versuchte. Denn davon ist weder bei den Epikureern noch im Buddhismus die Rede. Ganz abgesehen davon, daß wohl auch noch nicht ausgemacht ist, ob Wahrscheinlichkeitstheorien in diesem Felde durch ihre Widersprüchlichkeit die tatsächlichen Probleme eher verdunkeln statt sie zu klären. Lucretius, De rerum natura. With an English translation by W. H. D. Rouse, hrsg. von M. F. Smith, neue Ausgabe Cambridge, Mass. – London 1975. Dt.-lat. Ausgabe »De rerum natura – Welt aus Atomen, hrsg. von K. Büchner, Zürich 1956 und Stuttgart 1977. 24
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In Nagarjunas Analyse der »Kausalität« werden jedenfalls einige Argumente vorgebracht, die man in der abendländischen Philosophie von dem Skeptiker Sextus Empiricus kennt, und die auch sehr viel Plausibilität für sich haben. Freilich sind sie bei dem ungeheuren Gewicht, mit dem die universaldeterministische Kausallehre der Stoiker und die etwas abgeschwächte des Aristoteles wirkten, bis heute nicht allzu ernst genommen worden. Sextus Empiricus (ca. 200 – 250 n. Chr.) beruft sich auf den Gründer der skeptischen Schule Pyrrho von Elis, und er hat eines seiner Werke, die »Pyrrhoneischen Grundzüge«25 nach dem Schulgründer benannt. Man kann nur vermuten, daß die skeptische Einstellung selbst ein indischer Gedankenimport war, denn Pyrrhon hat wahrscheinlich in Begleitung seines Freundes Anaxarch an Alexanders indischem Feldzug teilgenommen.26 Da konnte er entweder selbst oder nach Berichten seines Freundes Anaxarch ebenso indische Gedanken aufgenommen und nach Griechenland zurückgebracht haben, wie er umgekehrt auch die indischen Philosophen mit griechischer Philosophie (und vielleicht sogar mit des Aristoteles Vier-Ursachen-Lehre) bekannt gemacht haben kann. Das zentrale Argument des Sextus Empiricus betont, daß eine Erscheinung, die vergangen und verschwunden ist und deshalb nur noch als Erinnerung im Gedächtnis vorliegt, schlechterdings keine Ursache für eine andere gegenwärtige (sinnliche) Erscheinung als deren Wirkung sein kann. Und ebenso kann eine gegenwärtige Erscheinung nicht Ursache einer zukünftigen Wirkung sein, die noch gar nicht manifest sein kann, und die wiederum allenfalls als Wunschgedanke gegenwärtig ist. Sextus Empiricus sagt deshalb konsequent, Ursachen werden zu Wirkungen und Deutsche Übers. 1801, 1877. Neuausg. von M. Hossenfelder: Grundriß der pyrrhoneischen Skepsis, Frankfurt a. M. 1968, 2. Aufl. 1993. 26 Vgl. Diogenes Laertius, Leben und Meinungen der Philosophen, Kapitel über Pyrrhon. Engl. Ausgabe »Lives of Eminent Philosophers, hrsg. von R. D. Hicks, Band 2, Cambridge, Mass. 1965, S. 470 – 471. 25
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Wirkungen zu Ursachen »hinzugedacht«. Denn in der sinnlich wahrgenommenen Realität sei eine gegenwärtige Ursache immer Ursache von Nichts. Und ebenso sei eine gegenwärtige Wirkung von Nichts hervorgebracht27 (vgl. dazu auch Nagarjuna 1. Kap. 8. Vers, 2. Satz). Bei der heute vorherrschenden »realistischen« Wirklichkeitsauffassung muß eine solche Erscheinungslehre als kurios und defizitär erscheinen. Man setzt dann voraus, daß die eigentliche Wirklichkeit ja doch substantiell und ding-an-sichhaft sei, und daß die Kritik des Nagarjuna an dieser Ontologie deshalb von vornherein nur noch als philosophiegeschichtliche Merkwürdigkeit einzuschätzen sei. Davon kann allerdings nicht die Rede sein. Es wurde schon dargelegt, daß Nagarjuna die Wirklichkeit in den Phänomenen aufgehen läßt. Darum bezieht sich ja seine Kausaltheorie nur auf das Verhältnis von Phänomenen untereinander, insofern diese sich gegenseitig hervorrufen. Auch in dieser Phänomen-Ontologie zeigt sich eine nahe Verwandtschaft der Positionen Nagarjunas und derjenigen des Sextus Empiricus. 6. Sextus Empiricus kann durchaus Begründer des abendländischen philosophischen Phänomenalismus genannt werden. Er wird jedoch meist als Hauptvertreter des Skeptizismus verkannt. Seine Lehre, die im institutionellen Rahmen der sogenannten Mittleren Akademie Platons entwickelt wurde, bezweifelt jedoch durchaus nicht alles, sondern setzt geradezu die unhinterfragbare Gegebenheit der »Phänomene« voraus. Bezweifelt wird von ihm Sextus Empiricus, Pyrrhoneische Grundzüge, übers. und hrsg. von Eugen Pappenheim, Leipzig 1877, III, 3, S. 170: »Das Ursächliche muß entweder mit der Wirkung zusammen bestehen, oder vor dieser bestehen, oder nach ihr werden. Zu sagen nun, daß das Ursächliche ins Bestehen geführt werde nach dem Werden seiner Wirkung, – daß das nur nicht sogar lächerlich ist! Aber auch vor dieser kann es nicht bestehen; denn in Bezug auf sie wird es gedacht, wie man sagt. Aber (es kann) auch nicht (mit der Wirkung) zusammen bestehen« 27
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aber grundsätzlich die Möglichkeit wahrer Urteile und Behauptungen über ihr Wesen bzw. über etwas, was »hinter« den Erscheinungen stehen soll. »Wer aber sagt, daß die Skeptiker das Erscheinende aufheben, scheint mir unachtsam auf das zu sein, was bei uns gesagt wird. Denn das in Folge eines Erscheinungsbildes Erleidbare, was uns willenlos zur Beistimmung führt, leugnen wir nicht …, dies aber ist das Erscheinende. Wenn wir aber bezweifeln, ob das Unterliegende so ist, wie es uns erscheint, so geben wir einerseits zu, daß es erscheint, bezweifeln aber nicht das Erscheinende, vielmehr das, was über das Erscheinende ausgesagt wird; dies ist aber etwas anderes als das Erscheinende selbst bezweifeln«28
Sextus Empiricus führt auch am Beispiel des Sophisten Gorgias vor, was dabei alles skeptisch in Frage gestellt werden kann. Und er referiert die Lehre des Gorgias aus dessen Werk über das »Nichtsein« (me on) in einer Form, die ersichtlich dem Schema der klassischen indischen »Catuskoti«, dem »Urteilsvierkant« nahekommt. »Zu dem Schluß, daß es nichts gibt, kommt er (scil. Gorgias) auf folgende Weise. Wenn es etwas gibt, ist es entweder das Seiende oder das Nichtseiende oder es ist sowohl das Seiende wie auch das Nichtseiende. Es ist aber weder das Seiende, wie er beweisen wird, noch das Nichtseiende, wie er uns überzeugen wird, noch das Seiende und zugleich das Nichtseiende, wie er ebenfalls zeigen wird. Es gibt also nichts«.29
Er fährt in derselben Weise fort: Die pyrrhoneischen Grundzüge, dt. Ausgabe von Eugen Pappenheim, Leipzig 1871, 1. Kap. 10. 29 Sextus Empiricus VII 65 ff. = Fragment 3 des Gorgias. Deutsche Übers. von W. Capelle, Die Vorsokratiker, Stuttgart 1968, S. 345. 28
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»Wenn es das Nichtseiende gäbe, würde es zugleich sein und nicht sein; sofern es nämlich als nichtseiend gedacht wird, wird es nicht sein; sofern es nichtseiend ist, wird es dagegen sein. Es ist aber vollkommen widersinnig, daß etwas zugleich ist und nicht ist. Es gibt also das Nichtseiende gar nicht.«30
Für die abendländische Neuzeit und ihre neue Begründung des Phänomenalismus sei vor allem an George Berkeley (1685 – 1753) mit seinem Grundsatz »esse = percipi« (»Sein, d. h. Wahrgenommenwerden«)31 und den sich daraus ergebenden Folgerungen erinnert. Berkeley hat Kausalverhältnisse strikt bestritten, indem er (§ 25, S. 38 – 39) zeigt, »daß es unmöglich ist, daß eine Idee etwas tut oder, um den genauen Ausdruck zu gebrauchen, die Ursache von irgend etwas ist«, wobei er sich auf »einige Scholastiker« und »moderne Philosophen« (offensichtlich die französischen Okkasionalisten) beruft (§ 53, S. 54). Aber dabei handelt es sich tatsächlich um eine Umdeutung und Neuinterpretation dessen, was man eigentlich unter Kausalverhältnis verstehen sollte, nämlich »daß die Verbindung der Ideen nicht das Verhältnis von Ursache und Wirkung in sich schließt, sondern nur das Verhältnis eines Merkmals oder Zeichens zu dem bezeichneten Objekt« (§ 65, S. 61 – 62). Das kommt offensichtlich den Intentionen des Nagarjuna sehr nahe, der die »formale bzw. begriffliche Ursache« ebenfalls als Begriff oder begriffliches Merkmal in ihrem zeichenhaften Verhältnis zu einer Erscheinung diskutiert. Berkeleys idealistische Kritik an den (aristotelisch-lockeschen) Substanzen zielt ebenfalls in dieselbe Richtung wie die Kritik des Nagarjuna und ist darin sehr klar. Er zeigt nämlich, daß zwischen den sinnlichen Wahrnehmungen, also demjenigen, was man »Sinneserscheinungen« nennt, und dem, was man für »reale Wirklichkeit von materiellen Dingen und Substanzen« hält, Ebd., S. 354 – 346. 31 Vgl. G. Berkeley, Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, hrsg. von A. Klemmt, Hamburg 1957, § 3, S. 26. 30
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überhaupt kein Unterschied gemacht werden kann, sondern geradezu Identität besteht (ebd., S. 39). Nicht nur, daß man über die unbezweifelbaren Phänomene nicht an vorausgesetzte, von den Phänomenen unterscheidbare Dinge an sich herankommen, geschweige denn Erscheinungen mit Dingen an sich vergleichen und aneinander überprüfen kann – wie ja die meisten kritischen Realisten zugestehen – sondern daß es so etwas wie »Dinge an sich« gar nicht geben kann, war und blieb die entscheidende idealistische These des Berkeley, die nicht immer richtig verstanden worden ist. Sie ist zunächst im sogenannten deutschen Idealismus und später in mehreren phänomenalistischen Systemen in die neueren Zeiten herübergerettet, aber nicht ausgebaut und verbessert worden.32 Wird aber sowohl im Buddhismus wie in den abendländischen Phänomenalismen diese vom Realismus vorausgesetzte »objektive Realität« grundsätzlich destruiert, so müßte sich konsequenter Weise jede Rede und jeder Wortgebrauch von »Wirklichkeit«, »Sein«, »Realität« u. ä. verbieten. Das ist allerdings leichter gefordert als getan. Und selbst der an die Stelle jener Begriffe tretende Begriff der »Erscheinung« hat es an sich und verführt immer wieder dazu, daß man bei seinem Gebrauch etwas denkt und vorstellt, »was da erscheint« (oder sich »hinter der Erscheinung verbirgt« und deshalb nicht erscheint). Das gilt sogar noch im Falle der »bloßen Erscheinung«, hinter welcher sich nun Nichts verbergen soll, wenn ein vorausgesetztes Etwas nicht gefunden werden kann. Das führt nur dazu, daß dieses Nichts selber der ontologische Grundbegriff eines realistischen Nihilismus wird. Nicht nur hinter den »bloßen Erscheinungen« (etwa im Sinne des Spuks und der Gespenster), sondern hinter allen ErscheiVgl. etwa den »Empiriokritizismus« von R. Avenarius in seinem Werk »Philosophie als Denken der Welt gemäß dem Princip des kleinsten Kraftmaßes. Prolegomena zu einer Kritik der reinen Erfahrung«, Leipzig 1876, 2. Aufl. Berlin 1903; sowie E. Mach: Beiträge zur Analyse der Empfindungen, Jena 1886, 2. Aufl.: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, Jena 1900, 6. Aufl. 1911. 32
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nungen wird dadurch das Nichts vorausgesetzt. Wir sind diesem Standpunkt schon bei Wang Bi 王弼, dem Ausleger Lao Zis 老子, begegnet, und auch die Kritik des Sextus Empiricus an Gorgias sowie gewisse buddhistische Richtungen beruhen auf dieser Voraussetzung. 7. Aber selbst in diesen idealistischen Gestalten blieb der Phänomenalismus einer abendländischen Grundüberzeugung verpflichtet, die Nagarjuna nicht geteilt und auch in Auseinandersetzung mit den anderen buddhistischen Richtungen geradezu verworfen hat. Es ist die These vom Bewußtsein (kantisch: vom »Bewußtsein überhaupt« bzw. vom »transzendentalen Subjekt«) als einem der »objektiven Realität« entgegengesetzten »subjektiven« Erkenntnispol, an dem nun alle Erscheinungen als Bewußtseinserscheinungen hängen sollten oder von dem sie ausgingen oder erzeugt würden. Die Phänomenalismen – und dann auch die sogenannte Phänomenologie eines Edmund Husserl33 – gehen von der Existenz dieses Bewußtseins aus und beschreiben es als Erkenntnispol. Sie verhalten sich nur skeptisch gegenüber dem immer wieder explizit oder implizit vorausgesetzten ding-an-sichhaften objektiven Sein als dem gegenüberstehenden Pol. Auch dies muß für ein angemessenes Verständnis des Nagarjuna destruiert werden. Für ihn gibt es auch diesen Erkenntnispol, also ein Bewußtsein oder Selbst (atman) nicht. Vielmehr sind die Phänomene in ihrem »gesetzlichen Zusammenhang« (pratitya-samutpada) alles, von dem sinnvoll gesprochen werden kann, und die in ihrer Gegebenheit erforscht werden können. Was dies Bewußtsein eigentlich sei, ist zwar seit jeher ebenso dunkel geblieben wie das angeblich objektive Sein der realen Dinge und Substanzen des Realismus. Aber man geht doch durchweg davon aus, daß es vorauszusetzen sei, wenn man überE. Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie I – III, Halle 1913 ff., hrsg. von W. Biemel, Den Haag 1950 – 1952. 33
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haupt noch sinnvoll von irgendeinem Wirklichkeitsanker reden möchte. Und so wie der kritischste Realismus sich damit tröstet, das Rätselhafte an den »Dingen an sich« könne durch künftige Forschung noch irgend wann und irgend wie gelüftet werden, so tröstet sich auch der übliche Idealismus mit der Hoffnung auf künftige weitere Forschungen über das Bewußtsein und den Geist. Aus dieser Voraussetzung eines Bewußtseins oder Geistes werden die verschiedenen Leistungsfähigkeiten bzw. Vermögen abgeleitet und begründet, aus deren Wirksamkeiten die Erscheinungen weiter erklärt werden. Darüber spricht auch Nagarjuna. Aber er tut dies hier ebenso wie bei der Behandlung der Objekte. In beiden Fällen verwendet er die gewohnte Sprache mit ihren Begriffen von »Wirklichkeit« und von »Bewußtsein« bzw. »Wahrnehmendem« bzw. »Erkennendem«, die jeder versteht und verstand. Aber das heißt eben nicht, daß er auf der einen Seite eine objektiv-substanzielle Wirklichkeit und auf der anderen ein ebenso substanzielles Bewußtsein (als atman, Selbst) als Träger von Vermögen anerkennt. So gilt auch für Nagarjuna als trägerloses Hauptvermögen die Sinnlichkeit bzw. die Wahrnehmungsfähigkeit aller unterscheidbaren Sinne, und unter ihnen wiederum als der hervorragende der Sehsinn. Wird in den indischen und besonders in den buddhistischen Texten von sechs Sinnen gesprochen, so kann damit nur dasjenige mit eingeschlossen sein, was Aristoteles den »Gemeinsinn« (sensus communis) genannt hat, also ein die Sinnesphänomene aller anderen fünf Sinne sammelndes und in der erinnernden Vorstellung zusammenfassendes Vermögen. Die Sinne gelten, gemäß der phänomenalistischen Voraussetzung, insgesamt als Erscheinungen, die andere Erscheinungen erscheinen lassen. Von der Sinnlichkeit werden mehr oder weniger detailliert weitere Vermögen unterschieden. Es ist vor allem die Denkkraft (in der brahmanischen und buddhistischen Tradition manas genannt, lateinisch »mens«), im Abendland Verstand und / oder Vernunft. Dieses Denkvermögen wird von der Sinnlichkeit strikt unterschieden, und deshalb muß man ihm eine eigene und besondere Fä-
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higkeit zusprechen, die ebenso von der sinnlichen Wahrnehmung unterschieden werden kann. Aber die Begründung dieser Unterscheidung erscheint selbst als problematisch. Wie oft und wie vielfach auch »reines Denken« beschworen und prätendiert worden ist und immer wieder als fast übermenschliche Leistungsfähigkeit von Genies bewundert wird, verweisen doch ausnahmslos alle Begriffe, die diese Denkfähigkeit erläutern sollen, auf die Sinnlichkeit zurück. Platons »Ideenschau« oder Husserls »Wesensschau« mit einem »geistigen Auge« (das freilich weder Auge ist noch sehen kann), mittelalterliche »Spekulation« (speculatio) und kantische »transzendentale Reflexion« (die nur als »Spiegelung« sinnlicher Erscheinungen verstanden werden können), reine Theorie und Intuition (die auf griechische und lateinische Bezeichnungen für »Anschauung« zurückgehen), Intellekt und Intelligenz (die auf das »Lesen« von Texten verweisen) sind ersichtlich metaphorische oder gar widersprüchliche Versuche der »Veranschaulichung« dessen, was gemeint ist. Deutlicher und näher an der Sinnlichkeit liegen die Begriffe, die man als Zwischenvermögen zwischen Sinnlichkeit und Denkkraft vorgeschlagen hat: Erinnerung (gewissermaßen das »Hereinziehen« der von außen induzierten Erscheinungen in den Fundus des Gedächtnisses), Vorstellungs- bzw. Imaginationsvermögen (ein Spiel auf der »inneren« Bühne), Wollen und Triebkräfte bzw. Begierden, die das Abwesende im erinnernden Abbild des schon Wahrgenommenen als Wunschbild oder Triebziel vor Augen stellen, sowie vielerlei Gefühle, die auf den Tastsinn zurückgehen, der ja auch die innersomatischen Organzustände als Schmerzen und Leiden oder als lustvoll registriert. Vergessen wir hier auch nicht die Einführung des »Unbewußten« als Tiefenfundus des Bewußtseins, aus dem seine Propagandisten bei anderen alles das herauszuanalysieren pflegen, was ihnen selbst als »bewußte Erfahrungen« vor Augen steht. 8. Bei der langen Geschichte und Gewohnheit, das Subjekt bzw. das Bewußtsein und seine Vermögen als Gegebenheit hinzuneh-
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men und Erscheinungen im Lichte dieser Voraussetzung zu deuten, ist eine Lehre wie die des Mahayana und speziell Nagarjunas, die den atman verwirft, kaum verständlich. Man findet bei uns allenfalls Versuche, in dieser Richtung zu denken. Erwähnen wir dafür wiederum Berkeleys Vorschlag des Prinzips »esse = percipi«, das gewiß niemals in dieser Perspektive ernst genommen wurde. Er identifiziert (mittels einer logischen Äquivalenz, keineswegs als Behauptungssatz mittels der Kopula) alle Erscheinungen mit den einzelnen sinnlichen Wahrnehmungsakten. Und er weist zugleich alle weiteren Fragen nach einem Objektpol von Dingen dahinter oder einem Subjektpol davor ab. Ersteres ist von wohlwollenden Kritikern als extrem idealistisch verstanden worden. Ganz allgemein wird Berkeley jedoch als »Spiritualist« bezeichnet und interpretiert, der gerade den Geist als das eigentlich Wirkliche behauptet habe. Dies nicht zuletzt deshalb, weil er als protestantischer Bischof geradezu darauf verpflichtet gewesen sei, die Wirklichkeit des göttlichen Geistes als letzterklärendes Prinzip anzunehmen. Aber hat man auch darauf geachtet, daß Berkeley über den Geist oder die Geister, mithin über Bewußtsein und Gott, nur mittels »notions«, d. h. widersprüchlichen Begriffen redet. Von denen aber weist er in seiner Kritik der Lockeschen Abstraktionstheorie nach, daß sie keine genuine Bedeutung haben können?34 Berkeley betont zunächst, daß, da alle Ideen passiv perzipiert werden, überhaupt »keine Idee einer Seele oder eines Geistes gebildet werden« kann (§ 27). Und wenn man es doch versucht, so fügt er in einer späteren Allgemeine Begriffe (notions) im Sinne Lockes – und sicherlich der in der »abstrakten« Logik üblichen Vorstellung – bedeuten bei Berkeley beispielsweise beim Dreieck die Zumutung: »Es soll die Idee eines Dreiecks gebildet werden, welches weder schiefwinklig noch rechtwinklig noch gleichseitig noch gleichschenklig noch ungleichschenklig ist, sondern alles dieses und zugleich auch nichts von diesem. In der Tat ist dies etwas Unvollständiges, das nicht existieren kann, eine Idee, worin einige Teile von verschiedenen und miteinander unvereinbaren Ideen zusammengestellt sind« (§ 13). 34
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Auflage des Werkes hinzu, dann haben wir nur »einen gewissen Begriff (engl.: notion) von der Seele, dem Geist und den psychischen Tätigkeiten wie wollen, lieben, hassen … sofern wir den Sinn dieser Worte kennen oder verstehen« (ebd.). Oder: »man darf sagen, daß wir einige Kenntnis oder einen Begriff (notion!) von unserem eigenen Gemüte, von Geistern und aktiven Dingen haben, wovon wir im strengen Sinn keine Ideen besitzen«.35 Daraus kann man wohl entnehmen, daß man im Sinne Berkeleys von dem, wovon man keinen Begriff hat, nicht gut behaupten kann, daß es existiert oder nicht existiert. Ein anderer und sicher nicht ohne den Einfluß des Berkeley vorgebrachter Versuch war die These des David Hume (1711 – 1776), den Geist bzw. das Subjekt oder das Ich nur als »bundle of perceptions« (Bündel von Wahrnehmungen) aufzufassen. Und das hieß, daß Hume das Subjekt in dem aufgehen ließ, was seinerseits nur in sinnlichen Wahrnehmungen erfaßt werden konnte.36 Freilich liegt in Humes Kennzeichnung des Bewußtseins mittels des »bundles« (Bündels) eine Reminiszenz an etwas stabil Verknüpftes. Aber auf diese Verknüpfung muß ebenfalls noch verzichtet werden, um sich Nagarjunas Begriff von »anatman« (Selbst- bzw. Ichlosigkeit) zu verdeutlichen. Immerhin dürften das wichtige Stationen auf dem Wege sein, sich einem adäquaten Verständnis der Position des Nagarjuna zu nähern. 9. Ein weiterer Schritt besteht darin, das Merkmal des Handelns und der Aktivität, das im percipere als »wahrnehmen« liegt, in den Begriff der Erscheinung aufzunehmen. Es ist lange her, seit Ebd., § 89, vgl. auch § 135 und §§ 139, 140. 36 D. Hume: Traktat über die menschliche Natur, hrsg. von R. Brand, Hamburg 1973, S. 326 f. (zit. nach G. Streminger, Hume, Hamburg 1986, S. 32): »Wenn ich aber von einigen Metaphysikern, die sich eines solchen Ich zu erfreuen meinen, absehe, so kann ich wagen, von allen übrigen Menschen zu behaupten, daß sie nichts sind »als ein Bündel … verschiedener Perzeptionen, die einander mit unbegreiflicher Schnelligkeit folgen und beständig in Fluß und Bewegung sind«. 35
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Aristoteles das Sein als »energeia« bzw. »actus«, mithin als etwas Handlungsmäßiges beschrieb. Das blieb späteren scholastischen Zeiten, die sich das Sein als »res«, Dinge, vorstellte, unverständlich, obwohl sich das Merkmal des Handlungsmäßigen bzw. Wirkens auch im Wortschatz der neueren Sprachen gehalten hat. Man spricht noch immer im Deutschen von »Wirklichkeit«, im Englischen von »actual« bzw. »actuality«, was beides auf Handlung verweist. Nicht zuletzt gelten die Wirkungen solcher Wirksamkeit noch immer als »Fakten« und »Daten«, also als etwas, was »gemacht« oder »gegeben« wird. Es ist genau diese Bedeutung, die offensichtlich auch Nagarjuna in seinen Erscheinungsbegriff aufgenommen hat. Und daraus wird erst verständlich, daß für den Buddhismus alles Erscheinende ein einziger großer Handlungszusammenhang (karma) ist. 10. Damit verbindet sich die berühmte These des Buddhismus, daß die Erscheinungen sämtlich »leer« (sanskr.: shunya ; chin.: kong 空) seien. Sie ist für den Buddhismus allgemein darin begründet, daß hinter den Erscheinungen kein substanzieller Träger, keine Dinge an sich, keine objektive Realität steht. Erkenntnistheoretisch kann man sagen: Die Erscheinungen verweisen bzw. referieren nicht auf Objekte oder Gegenstände außerhalb ihrer selbst und anderer Erscheinungen. Für Nagarjuna und den frühen Mahayana-Buddhismus entfällt zusätzlich auch jeder subjektive Träger, von dem man sagen könnte, daß er sie hervorbringe oder an dem sie Anteil hätten. Nagarjuna verdeutlicht diese These von der Leerheit (shunyata) durch Beispiele, die allerdings wohl verstanden werden müssen. Er vergleicht das Gemeinte mit Traum, Fata Morgana, Widerschein des Feuers, Echo, Spiegelbildern. Gelegentlich findet sich auch der Hinweis auf etwas Erinnertes, das längst vergangen oder verschwunden ist, sowie auf Antizipationen von etwas, was noch nicht eingetreten ist. Wir sind, nicht anders als die Zeitgenossen des Nagarjuna, gewöhnt, solche »Phänomene« als Illusionen, Sinnestäuschungen, allenfalls als »Epiphänomene von
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Phänomenen« von demjenigen zu unterscheiden, was »nicht täuschend« wirklich erlebt, wirklich wahrgenommen, direkt gesehen oder gehört wird. Und wir setzen in realistisch-ontologischer Einstellung voraus, daß sich hinter ihnen etwas anderes verberge als sie zeigen. Und wenn etwas Derartiges nicht auszumachen ist, so sprechen wir davon, daß »Nichts dahinter« sei, sondern daß sie sich allenfalls rein subjektiver Bewußtseinstätigkeit verdankten, die den unmittelbaren Wirklichkeitskontakt verloren habe. Es ist nun aber gerade der Grundgedanke der Lehre von der Leerheit, daß sie alle diese vermeintlich täuschenden bzw. rein subjektiven Phänomene völlig gleichberechtigt in die Reihe aller übrigen Erscheinungen einordnet und sie damit gewissermaßen ontologisch ernst nimmt. Die Ausführungen über die »Täuschungen« im 23. Kapitel des Madhyamaka-Karika unterstreichen das durch die These, daß es so etwas wie Täuschung gar nicht geben kann. Die These von der Leerheit der Phänomene ist daher in erster Linie polemisch gegen die Vertreter einer realistischen Ontologie gerichtet. Und das zeigt sich an den vielfachen kontrafaktischen und durchweg im Konjunktiv formulierten Argumenten des Nagarjuna gegen diese. In ihnen wird hypothetisch ausgemalt, wie die Welt beschaffen sein müßte, wenn man »Vollheit«, mithin Substanzialität, »eigenes Wesen« hinter den Erscheinungen annähme. Sie führen regelmäßig zu dem Ergebnis, daß eine solche realistische Annahme von »Vollheit« in widersprüchlichen Behauptungen enden müsse. Daneben stehen besonders im 27. Kapitel die ebenso kontrafaktischen Argumente, die sich gegen die Annahme eines subjektiven Trägers bzw. Produzenten der Erscheinungen, also des atman, richten. Behält man diese polemisch-kritische Stoßrichtung der Lehre und Rede von der Leerheit der Erscheinungen im Auge und setzt mit Nagajuna voraus, daß es weder eine eigene Sphäre objektiver bzw. substanzieller Realitäten noch subjektiver Geister bzw. atmans geben kann, so wird erst verständlich, daß er zahlreiche
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Termini und Ausdrucksweisen, die durch realistische und idealistische Schulsysteme entwickelt und benutzt worden sind, einfach weiterbenutzt und für die Analyse und Beschreibung der Merkmale und Eigenschaften der Phänomene anwendet. Hätte er darauf verzichtet, so wäre er vermutlich ebenso unverständlich geblieben wie es etwa die Erfindung ganz neuer Begriffe gewesen wäre. Das gilt in erster Linie für die ganze Terminologie von Ursache und Wirkung, die nun unter dem Titel der Lehre von der »Entstehung in Abhängigkeit« (pratitya-samutpada) auf die Phänomenzusammenhänge selbst bezogen wird. Insbesondere kann Nagarjuna in dieser üblichen Sprache davon reden, daß den Erscheinungen selbst »Sein« oder »Nichtsein« zukommen kann, daß sie »wirklich« sind, daß sie eine Zeitlang bestehen bleiben und/oder wieder »abgebrochen« werden, daß sie entstehen und vergehen, daß sie »werden« oder »zustande kommen« und »zerstört« werden. 11. Diese Begriffe, die man Kategorien nennen kann, verdienen eine Erläuterung. Bis auf »Einheit und Unterschiedenheit«, die einen logischen Sachverhalt kennzeichnen, handelt es sich ersichtlich um ontologische bzw. kosmologische Grundbegriffe, die geradezu auf ein realistisches Weltbild zugeschnitten sind. Sie sind auch Stützen des heute im Westen vorherrschenden realistischen Weltbildes. »Herkommen« (lai 来) und »Fortgehen« (qu 去) beziehen sich direkt auf Bewegung, die ihrerseits unmittelbar das Zeitproblem involviert. Dieser Zusammenhang wird schon in dem 2. Kapitel über das Gehen und den Geher ausführlich thematisiert. Bemerken wir sogleich, daß der Zeitbegriff im Sinne der auch im Westen vertrauten Differenzierung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft keineswegs in Frage gestellt, sondern eo ipso auch und gerade auf die Erscheinungen angewandt wird (vgl. das 19. Kapitel). Der Begriff »Herkommen« bezieht sich auf etwas in der Vergangenheit Liegendes, ebenso wie das »Fortgehen« sich
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auf etwas Zukünftiges bezieht. Auch nach realistischer Auffassung kann weder das Vergangene noch das Zukünftige zu einer sinnlich gegenwärtigen Erscheinung werden. Auch der Realist sagt: Was nicht mehr ist und was noch nicht ist, ist überhaupt nicht, da nur das jetzt Gegenwärtige Sein und Existenz hat, auf welche die aktuelle sinnliche Wahrnehmung hinweist. Vergangenes (»Herkommen«) und Zukünftiges (»Fortgehen«), von denen ja auch in realistischer Rede gesprochen wird, müßten demnach auch für den Realisten »leere Worte« sein. Umso mehr müßte sich auch die übliche realistische Rede von »historischer Realität« eigentlich verbieten, was freilich auch in den heute herrschenden Theorien der Geschichtswissenschaft nicht der Fall ist. Für den Idealismus (etwa des Aurelius Augustinus, 354 – 430) ist nun umgekehrt das Vergangene, an das man sich erinnert, ebenso wie das in der Zukunft liegende Erstrebte, Gewünschte oder Gewollte eine »reine Idee« und als solche ein rein geistiger und damit der eigentlich wirkliche Sachverhalt. Für Nagarjuna wird es als Erinnerungsbestand sowie als gedachte Antizipation (etwa eines künftigen Erfolges, Effektes, einer »Frucht«) zur Erscheinung gleichrangig neben den anderen Erscheinungen, die sich in sinnlichen Akten zeigen. Erinnerungs- und Antizipationserscheinungen unterliegen für Nagarjuna denselben Bedingungen des »Hervortretens« (scheng 生), des »Zustandekommens« oder »Werdens« (cheng 成) und des »Zerstörtwerdens« (po 破) oder »Vergehens« (mie 灭) wie alle sonstigen sinnlichen Erscheinungen. Wird aber etwas gegenwärtig sinnlich Erscheinendes auf solche Weise mit einem »Herkommen« (lai 来) oder »Fortgehen« (qu 去) verknüpft, so lassen sich das (sinnlich) Gegenwärtige, das (erinnerte) Herkommen und das antizipierte Fortgehen auch nicht mehr unter logisch unterschiedliche Begriffe fassen. Es ist weder »Eines« noch jeweils »Unterschiedliches«, wie es nach Nagarjuna ja von allen Begriffen, die auf vorgebliche »Realitäten« bezogen werden, gelten soll. Möglicherweise hat auch dieser Gedanke eine seiner Wurzeln in der aristotelischen Konzeption
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von »to ti en einai« (»das was war und ist«) als Definition seines Substanzbegriffes. Denn auch hier wird ja zumindest die Ununterschiedenheit von Vergangenheit und Gegenwart im Erfassen der Dinge behauptet. Parallel laufen die zeitlichen Analysen des »Entstehens« (sheng 生 was im Chinesischen zugleich Geburt, aber auch Leben bedeutet) und des »Vergehens« (mie 灭, zugleich auch »Verlöschen« oder »Verschwinden«). Ebenso auch die Analysen des in der Zeit »Beständigen« (chang 常) und des »Endlichen« (duan 断»Abbrechen«, »Abschneiden«, »Abtrennen«), was man in neuerer Terminologie jeweils auch als Kontinuität und Diskretheit übersetzen könnte. Alle diese Kategorien sind auch jetzt noch in den ontologischen Theorien in Gebrauch, und ihre Bedeutung ist leicht verständlich. Nagarjuna verwendet sie und stellt keineswegs in Frage, daß sie überhaupt eine Bedeutung haben. Dies festzuhalten ist wichtig, weil wohl die meisten Interpreten davon ausgehen, Nagarjuna habe ihnen jede Bedeutungen abgesprochen. Man erkennt solche Fehleinschätzung schon in den Vorschlägen zur Übersetzung des Widmungsspruches des Werkes, in dem auch die Grundthese des »mittleren Weges« als Prinzip von pratitya-samutpada ausgesprochen wird. Es geht darum zu beweisen, daß einige dieser Kategorien keine »formalen (begrifflichen) Ursachen« zur Erklärung der Erscheinungen sein können. Und im ganzen Werk wird konsequent gezeigt, daß jeder Versuch, diese und weitere Kategorien als erzeugende und die Konstanz und Dauer »materiell« begründenden Ursachen zu nutzen, in Widersprüche und Aporien führen. Und wenn das so ist, bleibt als einzige von den vier – von Aristoteles vorgeschlagenen – Ursachen nur die Formursache übrig, die Nagarjuna als yin yuan 因 缘 bzw. pratitya-samutpada auszeichnet und zur Erklärung der Wirklichkeit verwendet. Um dies zu beleuchten, geben wir hier eine repäsentative Aufstellung solcher Übersetzungen der einführenden Zeilen des Werkes:
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M. Walleser (1912, S. 1, aus dem Chinesischen): »Ohne Entstehen, auch ohne Vergehen, nicht ewig, auch nicht abgeschnitten, / Nicht eines, auch nicht verschieden, ohne Kommen, auch ohne Gehen – / Wer so das abhängige Entstehen (pratitya-samupada) lehren kann, das stille Erlöschen der Entfaltung (prapanca), / Vor ihm, dem Erleuchteten, beuge ich das Haupt, dem Besten der Lehrenden«. M. Walleser (1911, S. 1, aus dem Tibetischen): »Der den pratityasamutpada, ohne Vergehen, ohne Entstehen, nicht abgeschnitten, nicht ewig, ohne Kommen, ohne Gehen, ohne Einheit, ohne Vielheit, die glückselige Beruhigung der Entfaltung (prapanca), gelehrt hat, ihn, den vollendeten Buddha, den besten der Redner, verehre ich«. B. Weber-Brosamer und D. M. Back (1997, S. 1): »Ihn, den völlig Erwachten, den besten aller Lehrer, verehre ich, der die beglükkende, alle Entfaltung (prapanca) auflösende Lehre vom abhängigen Entstehen (pratityasamutpada) verkündete / (die bedeutet) / Nichtvergehen, Nichtentstehen / Nichtabbrechen, Nichtandauern / Nichteinheit, Nichtvielheit / Nicht-zur Erscheinung-Kommen, Nicht-aus-ihr-Verschwinden«. D. J. Kalupahana (1986, S. 101, aus dem Sanskrit): »Ich grüße ihn, den ganz Erleuchteten, den Besten der Redner, welcher lehrte das Nichtaufhören und das Nichtentstehen, die Nichtvernichtung und das Nichtbestehenbleiben, die Nichtidentität und den NichtUnterschied, das Nichterscheinen und das Nichtverschwinden, das abhängige Entstehen, die Beruhigung der Obsessionen und das Vorbedeutende«.37 »I salute him, the fully enlightened, the best of speakers, who preached the non-ceasing and the non-arising, the non-annihilation and the non-permanence, the non-identity and the non-difference, the non-appearance and the non-disappearence, the dependentarising, the appeasement of obsessions and the auspicious.« 37
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J. L. Garfield (1995, S. 2, aus dem Tibetischen): »Ich werfe mich nieder vor dem Vollkommenen Buddha, dem Besten der Lehrer, welcher lehrte, daß alles, was in Abhängigkeit entstanden ist, Unaufhörlich, Ungeboren, Unvernichtet, nicht beständig, nicht kommend, nicht gehend, ohne Unterschied, ohne Identität, und frei von begrifflicher Konstruktion ist«.38
Der Leser dieser Übersetzungen darf sich nicht wundern, wenn ihm auch nachfolgend in den Übersetzungen durch diese Autoren solche Dialektik dargeboten wird, die gewiß dazu angetan ist, buddhistisches Denken als etwas schwer Verständliches und geheimnisvoll Tiefes auszuzeichnen. Mit nicht-dialektischer Logik, um die wir uns bei der vorliegenden Übersetzung bemüht haben, ergibt sich etwas ziemlich anderes, was hier des Kontrastes wegen nochmals angefügt sei: »Derjenige, welcher im Stande war zu erklären, daß weder Entstehen noch Vergehen, weder Beständigkeit (Kontinuität) noch Endlichkeit (Diskontinuität), weder Einheit (Identität) noch Unterschiedlichkeit (Nicht-Identität), weder Herkommen (Vergangenheit) noch Fortgehen (Zukunft) formale Ursachen (yin yuan 因 緣) sind, und der dadurch elegant alle Folgerungen daraus (xi lun 戲論 / prapanca) widerlegte, vor ihm, dem Buddha neige ich mein Haupt in Verehrung, dem Begründer der Lehre von der Mitte.«
12. Der Leser wird sich leicht davon überzeugen, daß Nagarjuna seine Argumente mit imponierendem Scharfsinn und unerbittlicher logischer Konsequenz entwickelt. Aus ihnen lassen sich heute auch für die westliche Philosophie viele Anregungen ent»I prostrate to the Perfect Buddha, / The best of teachers, who taught that / Whatever is dependently arisen is / Unceasing, unborn, / Unannihilated, not permanent, / Not coming, not going, / Without distinction, without identity, / And free from conceptual construction.« 38
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nehmen, und mancherlei läßt sich lernen, was westlichen Denkgepflogenheiten, insbesondere dem herrschenden realistischen Weltbild zuwiderläuft. Wir versuchen das speziell am Begriff bzw. an der Konzeption vom »Nichts« zu zeigen. Das dürfte schon deswegen nützlich sein, weil einige Interpreten die ganze Lehre des Nagarjuna als »Nihilismus« deuten. »Nichts« wird sowohl im Sanskrit wie im Griechischen als Negation des Seinsbegriffs gebildet und verstanden (sanskr. sat, Sein; asat, Nichtsein; bhava Sein als Verbalsubstantiv, etwa als Dasein, Existenz; abhava, Nichtsein, evtl. Abwesenheit; griech. on, seiend, me on, nichtseiend). Erst die Römer haben das Nichts mit einem eigenständigen Begriff, nämlich als »nihil« ausgedrückt. Man kann sagen, daß sowohl in der indischen wie in der westlichen Philosophie das Nichts weitgehend als Substantivierung der Verneinungspartikel »nicht« verstanden und verwendet wird. Und dies nicht zuletzt auch des großen Gewichtes wegen, das diese in der Logik hat. Im Chinesischen wird »Wu 无« (Nichts) zwar oft wie das lateinische »nihil« als eigenständiges Substantiv verstanden und so neben »You 有« (Sein) gestellt, aber viel häufiger wird es neben einer Reihe anderer Verneinungspartikel als Negationsausdruck verwendet. Bemerken wir dazu nebenbei, daß diese Verwendungsweisen bei den Übersetzungen und dem Verständnis etwa des berühmten Dao De Jing 道德经 von Lao Zi 老子 eine entscheidende Rolle spielt.39 Bei diesen etymologischen Voraussetzungen ist es überall problematisch geblieben, was mit »Nichts« überhaupt gemeint sein kann. Die philosophiegeschichtliche Behandlung des Nichts im Abendland verdeutlicht, daß das Nichts regelmäßig vom Sein abhängig gemacht und von daher verstanden worden ist. Grundlegend wurde, wie vorn schon erwähnt, Parmenides mit seiner Vgl. meine »Neue philosophische Übersetzung des Lao Zi Dao De Jing« im Internet des Philosophischen Instituts der HHU Düsseldorf; auch in: Asiatische Philosophie. Indien und China. CD-Rom Digitale Bibliothek, Berlin 2003. 39
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These, daß das »me on« (genau: Nicht-Seiendes) das illusionäre und insofern sinnentäuschende Gegenstück zum wahren nur zu denkenden und einheitlichen Sein (verbalsubstantivisch: einai) sei. Offensichtlich hat sich diese Vorstellung über die »Falschheit« der (illusionären bzw. täuschenden) Sinnesphänomene bis in die modernste Logik gehalten. Denn auch hier gilt noch immer die (fragwürdige) These, daß der Gegenstand bzw. »Referent« falscher Behauptungen »Nichts« (etwa die »leere Menge« der mathematischen Logik) sei. Demokrit ersetzte schon das me on durch »das Leere« (kenon) und meinte damit den Raum, in welchem sich das »Volle der Atome« bewegt und ausbreitet. Für Platon und Aristoteles wird me on zum »mangelhaften und formlosen Sein«. Mit anderen Worten, es gibt bei diesen Autoren weder eine eigene Idee noch einen eigentlichen Begriff vom Nichts, sondern nur ein »weniger an Sein« in demjenigen, was man Nichts und nichtig nennt. Mit einiger Mühe kann man diese Vorstellung vom Nichts noch bis in den mathematischen Begriff von »Null« und in die physikalischen Begriffe von »Null-Zuständen« physikalischer Größen verfolgen. Einerseits soll die Null als Zahl gedacht werden und hat am (idealen) Seinscharakter der Zahlen Anteil, andererseits ist sie auch »Nicht-Zahl«, mit der man daher auch nicht wie mit anderen Zahlen rechnen kann. Und in der Physik sind die Nullwerte von Messungen physikalischer Größen immer noch eine quantitativ-infinitesimale Schwundstufe positiver Größen, die durchweg von deren »positiven«, d. h. Seinswerten her verstanden werden sollen. Daher gibt es in der physikalischen Terminologie etwa »Null-Geschwindigkeiten«, die einerseits positiv als Geschwindigkeiten verstanden werden müssen, andererseits zugleich das genaue Gegenteil, Negationen jeder Geschwindigkeit, nämlich »Ruhe« bzw. »Stillstand« bezeichnen müssen. Die Entwicklung der Vorstellungen vom Nichts in der indischen Philosophie verlief etwas anders als die abendländische. Auch Nagarjuna erläutert das Nichts (abhava, wörtlich: NichtSein) zwar als bloßen negierten Gegenbegriff zum Sein und
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macht es dadurch von diesem abhängig. In der chinesischen Übersetzung seiner Aussagen findet man die Ausdrücke you 有 für Sein und wu 无 für Nichtsein, die man auch mit »es gibt« und »es gibt nicht« übersetzen kann. Nagarjuna erklärt nun aber auch den Begriff des Seins (bhava) als abhängig vom Begriff des Nichts. Und er scheint dabei davon auszugehen, daß es sich bei beiden keineswegs um ontologische Grundbegriffe, sondern um Merkmale von Erscheinungen neben anderen handelt. In der chinesischen Version wird das noch besonders betont dadurch, daß you 有 außer »Sein« auch den gewöhnlichen Sinn von »Haben« hat, so daß wu 无 in der Gegenüberstellung zu you 有, also zum »Haben«, auch als »Nichthaben« übersetzt werden kann. Das läßt sich sehr bequem und verständlich auf das Haben oder Nichthaben von Merkmalen und Eigenschaften der Erscheinungen beziehen. Der entscheidende Unterschied zwischen der abendländischen Philosophie und der indischen zeigt sich jedoch in der Konzeption der jeweiligen Lehren von der Sinneserfahrung bezüglich dessen, was als Seiendes oder Nichtseiendes bzw. als Nichts erfahren werden kann. In der abendländischen Philosophie wird, wie oben schon gezeigt wurde, alles sinnliche Material (die Erscheinungen) grundsätzlich mit dem Seinsbegriff in Verbindung gebracht. Das ist in der indischen Auffassung von der Leistungsfähigkeit der Sinne ebenso wie in der chinesischen Dao-Lehre des Lao Zi 老子 nicht der Fall gewesen. Denn sowohl in der indischen Erkenntnistheorie wie in der chinesischen Dao-Lehre (wie wir in unserer Übersetzung des Dao De Jing gezeigt zu haben glauben) wird durchaus von der sinnlichen Erfahrung des Nichts gesprochen. In der Dao-Lehre darüber hinaus von mancherlei Arten des Nichts – was alles für den Abendländer ganz unvorstellbar erscheint. Um sich einem Verständnis für diese Auffassung anzunähern, braucht man nur dem gemeinen Sprachgebrauch der meisten Umgangssprachen zu folgen, in denen sich auch alte Volksweisheit niedergeschlagen hat, die vom wissenschaftlichen und philosophischen Meinungen oft mehr oder weniger weit entfernt ist, die
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aber deswegen keineswegs sogleich als falsch oder irrtumsträchtig anzusehen ist. So ist es doch üblich und leicht verständlich, wenn gesagt werden kann: »Man sieht Nichts, man hört Nichts, man fühlt (ertastet) Nichts, man riecht Nichts, man schmeckt Nichts«. Und dies in den Fällen und Umständen, wo man mit größter Anstrengung der Aufmerksamkeit und der Sinne Ausschau hält, lauscht, herumgreift, schnüffelt oder auf Geschmack achtet. Was man hierbei sinnlich wahrnimmt, wird sprachlich ohne weiteres Nichts genannt. Und man kann sich – wenn die Sinne nicht trügen – darauf verlassen, daß genau dies und nichts anderes tatsächlich wahrgenommen wird. Und dabei muß man die typisch abendländische Versuchung abwehren, daß nun diese von allen Sinnen wahrnehmbaren Arten von Nichts umgedeutet werden in etwas Seiendes, für das man um positive Bezeichnungen nicht verlegen ist. Sieht man Nichts, so nennt man es im Abendland absolute Dunkelheit (als Abwesenheit von Licht), oder auch absolute »blendende« Helligkeit (als Abwesenheit von Helligkeitsnuancen). Hört man Nichts, so wird es absolute Stille oder Ruhe genannt (als Abwesenheit von Geräuschen). Fühlt man Nichts, so greift man nur ins Leere (als Abwesenheit von Gegenständen im Raum). Riecht man Nichts, unterstellt man Schnupfen oder Stumpfheit des Geruchsinnes, da man ja voraussetzt und weiß, daß der Raum voller Seinspartikel ist). Und schmeckt man Nichts, so gilt eben dasselbe, weil man doch etwas Bestimmtes an das Geschmacksorgan herangeführt und die Sache sorgfältig gekaut und belutscht und sich sogar evtl. einverleibt hat. Bei diesen abendländischen Deutungen wird durchweg die Nichts-Wahrnehmung mit der Nichtwahrnehmung (von etwas Seiendem), die es natürlich auch gibt, verwechselt, und letztere tritt an die Stelle der ersteren. Das ist jedoch ein systematischer erkenntnistheoretischer Fehler und Mangel an Konsequenz der entsprechenden Terminologiebildung. Hält man sich als Sensualist oder auch nur als Empirist an die erkenntnistheoretische Maxime, daß Begriffe überhaupt durch die sinnliche Erfahrung
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begründet sind und sich in ihr ausweisen müssen, so ist der Nichtsbegriff ersichtlich nicht minder empirisch wohlbegründet als der Seinsbegriff und alle seine Unterbegriffe auch. Und spitzt man die philosophische Systembildung auf einen effektiven Phänomenalismus zu, so muß das Nichts sich konsequenter Weise als Erscheinung ausweisen lassen und neben und zwischen die anderen Erscheinungen eingereiht werden. Nagarjuna behauptet ausdrücklich, daß sowohl das Sein wie auch das Nichts sich der sinnlichen Wahrnehmung verdanke (vgl. Kap. 25, 12). Eine solche Definition und Aufwertung des Nichtsbegriffs würde naturgemäß auch für die westliche Philosophie nichts weniger als eine »Revolution der Denkungsart« bedeuten, die in vielen Wissensbereichen Folgen haben muß. Die uns hier interessierende Folge ist die, daß das Nichts als sinnlich ausgewiesener Erfahrungsbefund naturgemäß auch erinnert, antizipiert und in phantastische Verknüpfungen mit anderen Erfahrungsbeständen eingebracht werden kann. Wer sich etwa »an Nichts erinnert« mag damit vollkommen Recht haben, obwohl man ihm dann gewöhnlich vorhält, daß er sich nur »nicht erinnert« und sich bei gehöriger Anstrengung eigentlich an »Etwas« erinnern müßte. Was bei solchen Inquisitionen herauskommt, ist dann aber häufig etwas anderes als das, was der Befragte erlebt und gemeint hat. Auch dürfte es verständlich erscheinen, daß man nach einem traumlos genannten Schlaf sehr wohl »Nichts geträumt« hat (wofür ja auch die Aktivität des Organismus beim Schlafen spricht). Erst recht muß man dann auch diejenigen ernster nehmen, die sich »Nichts wünschen« oder »Nichts wollen« und ihnen nicht unterstellen, daß sie keine Wünsche und Absichten hätten. Schließlich wird man sich auch nicht verhehlen, daß ein solcher vor allem durch das Sehen und Hören ausgewiesener Nichtsbegriff überall dazu dient, in die Vorstellungen von Zuständen vor einem (absoluten) Anfang (etwa vor dem »Big Bang« der Kosmologen) oder nach einem (absoluten) Ende (etwa nach dem Tode) einzugehen. Es herrscht da nicht nur bei den Dichtern tiefste Finsternis oder blendender Glanz und unvergleichliche
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Stille und Ruhe. Die Erfahrung des Nichts wird im Abendland überall zu einer Chiffre des Unvorstellbaren umgedeutet. Reiht man nun das Nichts in die Erscheinungen ein, so wird es zu einem sinnlichen Erfahrungsbestand wie jeder andere. Es wird zu einem Glied in den Zusammenhängen von pratitya samutpada. Und das macht verständlich, warum es in der Sicht des Nagarjuna kein Entstehen aus dem Nichts oder Vergehen ins Nichts geben kann. Es bleibt allenfalls das Problem, ob auch Sein und Nichts je für sich oder zusammen als Erscheinungen verschwinden können. Und das wäre der Fall, wenn gar keine sinnliche Tätigkeit stattfindet. Aber Nagarjuna betont immer wieder, daß ein solcher Fall nicht einmal vorstellbar wäre, denn er müßte ja selber als Erscheinung zur Geltung kommen. Die Erscheinungswelt ist nur von innen begrenzt, und es gibt kein Anderes gegenüber den Erscheinungen, das als Nichterscheinung erscheinen könnte. 13. Nagarjuna hat als scharfsinniger Denker und Logiker stets auch unter den indischen Logikern einen Ehrenplatz erhalten. Die Frage ist freilich, um was für eine Logik es sich dabei handelt. Das Spektrum der Antworten und Einschätzungen ist dieses: 1. daß es dieselbe – allgemein menschliche – Logik sei, die im Abendland seit Aristoteles als klassische und seit dem 19. Jahrhundert als mathematische Logik entwickelt worden ist. 2. Es handele sich um eine – im Abendland gerade durch Aristoteles widerlegte, aber von Hegel wiederbelebte – »dialektische Logik«, die das Denken in Widersprüchen zum Vehikel wahrer Erkenntnis mache.40 3. Es gehe um einen historisch beachtlichen Vorgriff auf eine transzendentale Logik im Sinne Kants und Fichtes, Als neueste Anwälte dieser Meinung sind J. L. Garfield und Gr. Priest aufgetreten. In ihrem Aufsatz »Nagarjuna and the Limits of Thought«, in: Philosophy East and West 53, 2003, S. 1 – 21 empfehlen sie (wie Priest auch in zahlreichen anderen Veröffentlichungen) ihre »dialetheische« These von der Wahrheit widersprüchlicher Behauptungen als neue »rationalistische« Denkweise. 40
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in der gerade die axiomatischen Voraussetzungen aller Logik, ehe sie sich in begrifflichen Fixierungen und »thetischer« Urteils- und Schlußbildung entfalte, selbst zum Thema würden.41 4. Es handele sich um so etwas wie eine »protreptische« Logik, die mit ihren Argumentationen allenfalls bis zur Schwelle einer nicht mehr sag- und ausdrückbaren »soteriologischen« (heilsversprechenden) Botschaft geleite, die überhaupt mit logischen Mitteln nicht erfaßt werden könne.42 Das sei eine besondere »orientalische Logik«, die von der westlichen ganz wesentlich zu unterscheiden sei. Solche Erwägungen gehen mit üblicher realistisch-hermeneutischer Einstellung davon aus, daß diese Logikkonzepte im Text des Nagarjuna selber enthalten und aus ihm »herauszuschöpfen« seien. Nach idealistischem Verständnis sind Texte aber eine Art Spiegel. Wie die optischen Spiegel können sie nur dasjenige »sehen« lassen, was vor sie hingestellt, also an den Text herangetragen wird. Und das heißt, daß man im Text das wiederfindet, was man schon als Voraussetzung der interpretierenden Sinnkonstruktion mitgebracht hat: von den Sprachkenntnissen bis zur Verfügung über Kenntnisse des kulturellen und historischen Ambiente und die Verfügung oder Erwartungen über die oder über eine besondere Logik. Meine eigenen Erfahrungen bei der Übersetzung des chinesischen Textes gehen dahin, daß ich mit der Voraussetzung der klassischen (aristotelischen) Logik und dem, was ich in mehreren Veröffentlichungen zu ihrer Weiterentwicklung beizutragen versucht habe, in der Regel zurecht gekommen bin und insoweit So vor allem H. P. Sturm, Weder Sein noch Nichtsein. Der Urteilsvier kant catuskoti und seine Korollarien im östlichen und westlichen Denken, Würzburg 1996. Ein solches Logikverständnis wird auch von Murti und Kalupahana vertreten. Vgl. T. R. V. Murti: The Central Philosophy of Buddhism, London 1955, und D. Kalupahana: Nagarjuna. The Philosophy of the Middle Way, Albany, N. Y. 1986. 42 Dies dürfte die im Westen verbreitetste Ansicht sein. Vgl. auch P. Della Santina: Madhyamaka Schools in India, Neu Delhi 1986. 41
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keinen Anlaß hatte, Widersprüche in der urteilsmäßigen Argumentation des Nagarjuna anzunehmen. Die Anwendung der klassischen Logik postuliert, daß Nagarjuna überhaupt etwas behauptet. Gerade dies wird aber von vielen Buddhisten und auch Interpreten bestritten. Hier muß man aber zwischen den Stellen unterscheiden, wo Nagarjuna manifest Thesen aufstellt, und denen, wo er die Meinungen der Schulphilosophen referiert. Diesen Schulmeinungen, und nur diesen, stimmt er weder zu noch negiert er sie. Das heißt, er übt – wie die griechischen Skeptiker – eine Urteilsenthaltung (epoché). Die dabei verwendete Catuskoti – gewöhnlich als »Tetralemma« übersetzt – dient ihm nur dazu, alle Varianten der Schulbehauptungen vollständig und kompakt zusammenzustellen, und zwar sowohl die einfachen Behauptungen wie auch widersprüchliche. Er hat das Catuskoti-Schema auch nicht erfunden, sondern es findet sich sowohl in der indischen wie auch westlichen Logik häufig. Diejenigen Schulbehauptungen, die er so zusammenstellt, betreffen sämtlich sogenannte Kategorienverwechslungen. Hauptsächliche Beispiele sind die von den realistischen Schulen bei der Prädikation von Substanzmerkmalen in Bezug auf Erscheinungen begangenen. Andere Beispiele beziehen sich auf die von diesen Schulen benutzten drei (aristotelischen) Ursachen, nämlich die Wirk- und Zweckursachen zur Erklärung von Entstehen und Vergehen der Erscheinungen, die ebenso wie die materiale Ursache zur Erklärung des (vorgeblich substantiell begründeten) Bestehens von Erscheinungen untauglich sind. Und dies auf der Voraussetzung, daß allein die (aristotelischen) Form- bzw. begrifflichen Ursachen als yin yuan / pratitya-samutpada den Zusammenhang der Erscheinungen erklären können. Er hat dieses Anliegen mit Sextus Empiricus aus der mittleren platonischen Akademie gemein, was in der Literatur seit langem herausgestellt worden ist. Denn auch Sextus behauptet ja und bestreitet nicht, daß es Erscheinungen gibt, wie vorne gezeigt wurde. Und nur diese Erscheinungen, nicht irgendwelche »Substanzen«
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hinter ihnen sind zugleich das Wirkliche. Sextus Empiricus meint allerdings im Gegensatz zu Nagarjuna, die Behauptungen der verschiedenen philosophischen Schulen über Erscheinungen seien durchweg »unentscheidbar«, d. h. es könne in keiner Weise festgestellt werden, ob sie wahr oder falsch seien. Sextus spricht davon, daß sie sich gegenseitig »aufheben« und daß man deswegen die skeptische Urteilsenthaltung (epoché) üben müsse. Er und seine Schule nennen solche unentscheidbaren Urteile »wahrscheinlich«. Dieser Ausdruck (griech.: pithanós) spielt darauf an, daß sie für die Lebenspraxis ein gewisses »Vertrauen« genießen sollten und somit doch eher als wahr denn als falsch gelten sollten. Sie haben seither in der abendländischen Logik eine große Bedeutung als »Wahrscheinlichkeitsurteile« gewonnen. Und auch bei diesen geht man regelmäßig noch davon aus, daß sie »eher wahr als falsch« seien, was sich ja in der dafür eingeführten Bezeichnung zeigt. Ersichtlich sind sie der Prototyp für das geworden, was Aristoteles als »Drittes« aus der sogenannten zweiwertigen Logik ausschließen wollte. Bekanntlich wurde dieses Dritte dann auch als dritter Wahrheitswert (neben »wahr« und »falsch«) in der sogenannten dreiwertigen (und dann in »mehrwertigen« Logiken«) zugelassen und machte in den Wahrscheinlichkeitstheorien der Logik und Mathematik eine große Karriere. Von »wahrscheinlich« und »Wahrscheinlichkeitsurteilen« ist allerdings in der indischen Logik und auch bei Nagarjuna nirgends die Rede. Alles logische Argumentieren mußte sich daher darauf konzentrieren, die Sinnlosigkeit bzw. die »Unvorstellbarkeit des Sinnes« solcher prädikativen Urteile aufzuzeigen. Wie geht nun Nagarjuna bei seinen Argumentationen vor? Wir sagten, daß er die Form-Ursachen (des Aristoteles) als einzige Erklärung für Erscheinungen anerkannte. Das ist für westliche Denkgewohnheiten schwer verständlich, da sich westliche wissenschaftliche Erklärungsweisen, insbesondere kausale, ziemlich weit von der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre der Erklärung entfernt haben. Insbesondere die sogenannten formalen und ma-
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terialen Ursachen des Aristoteles sind schon in der Antike nicht allgemein als genuine Ursachen anerkannt worden, wie vorne schon gezeigt wurde. Und auch die Ziel- bzw. Zweckursachen galten spätestens seit der Renaissance als überflüssig und irreführend. Obwohl in der Biologie noch lange beibehalten, sind sie in den exakten Naturwissenschaften grundsätzlich eliminiert und für unzulässig erklärt worden. Daher versteht sich »Kausalerklärung« in der westlichen Moderne fast nur noch als Erklärung aus den aristotelischen bewirkenden Ursachen (causae efficientes). Daß Aristoteles noch die drei anderen Ursachen angenommen hat, verdankt sich hauptsächlich der Übernahme platonischer Motive. Ersichtlich sind seine Form-Ursachen nichts anderes als die platonischen »Ideen«, an denen ja nach Platon die Erscheinungen »teilhaben«, und die daher auch erklären, was Erscheinungen (phainomena) sein sollen. Aristoteles nennt die Ideen »zweite Substanzen« und beschreibt sie als »Begriffe« von den Formen der »ersten Substanzen«. Die »Dinge auf Begriffe zu bringen« ist seither auch in der abendländischen Philosophie und Wissenschaft eine erstrangige Erklärungsweise geblieben, allerdings gilt sie, wie gesagt, nicht mehr als Kausalerklärung. Aber gerade dies ist nun bei Nagarjuna anzunehmen. Für ihn sind die formalen Ursachen nach seiner Destruktion der übrigen drei die einzigen übrig bleibenden Ursachen. In welchem Verhältnis können aber Begriffe als Ursachen zu demjenigen stehen, das sie erklären sollen? Eine Antwort auf diese Frage haben wir schon bei George Berkeley gefunden: Es handelt sich um ein Verhältnis zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Das verweist sogleich auf das logische Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem, die selbst in einem solchen Verweisungszusammenhang stehen. Form- oder formale Ursachen sind logisch allgemeine Begriffe, unter die eine oder mehrere individuelle Erscheinungen und ihre Eigenschaften subsumiert werden. Für dies Verhältnis gilt aber grundsätzlich die (von Aristoteles aufgestellte) Regel, daß die Merkmale von Allgemeinbegriffen (Gattungen) vollständig und identisch in den Merkmalsbestand aller
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ihrer Unterbegriffe eingehen. Unterbegriffe, seien es Arten oder Individuen bzw. deren Eigennamen, enthalten über den »generischen« Merkmalsbestand hinaus zusätzliche »spezifische Merkmale«. Diese Beobachtung des Aristoteles wurde zur Grundlage der aristotelischen und nachmals klassischen Definitionslehre, wonach zur Definition eines Begriffes seine nächsthöhere Gattung und seine spezifischen Differenzen anzugeben sind, weil sie die generischen und die spezifischen Merkmale offenlegen. Das Identische der generischen Merkmale und die Unterschiedlichkeit der spezifischen Merkmale muß also bei der Definition eines Begriffes deutlich werden. Nun hat aber die indische Logik keine eigene formale Definitionslehre entwickelt, und deshalb stand ihr und Nagarjuna dieses logische Mittel zur Klärung der Begriffszusammenhänge in Begriffshierarchien (sog. Begriffspyramiden bzw. »porphyrianischen Begriffsbäumen«) nicht zur Verfügung. Falls er sich aber, wie zu vermuten ist, bei Sextus Empiricus über die logische Natur der Begriffe kundig gemacht hat, so konnte er bei diesem nur zur Kenntnis nehmen, daß es Gattungen und Arten gar nicht gibt.43 Dieses Defizit schlägt sich bei Nagarjuna in einer Fehleinschätzung des Verhältnisses von formaler bzw. begrifflicher Ursache und »bewirkter« Erscheinung bezüglich deren »Einheit« und »Unterschiedlichkeit« nieder. Er geht offensichtlich davon aus, daß das Verhältnis von allgemeinen zu den ihnen untergeordneten Begriffen bei denen, die die Erscheinungen aus formalen Ursachen erklären wollten, derselben Kategorienverwechslung unterliege wie bei den anderen drei Ursachen und ihren vorgeblichen Wirkungen. Und deshalb hält er die (logischen) Kategorien von »Einheit« und »Verschiedenheit« diesbezüglich für nicht anwendbar. Das wird schon in der Dedikation ausgesprochen, nachher aber vielfach wiederholt. Zum Beispiel in Kapitel 18, Sextus Empiricus, Pyrrhoneische Grundzüge, übers. und hrsg. von Eugen Pappenheim, Leipzig 1877, II. Buch, Kapitel 20: »Von Gattungen und Arten«, S. 147 – 150. 43
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Vers 10, wo es allgemein heißt: »Entstünden die Erscheinungen aus Ursachen, so wären sie weder dasselbe noch etwas anderes als ihre formalen Ursachen.« Man bemerke, daß dies Argument keineswegs als Behauptung formuliert ist, sondern als kontrafaktische Vermutung. Logisch richtig wäre allerdings die schlichte Behauptung gewesen: »Wenn die Erscheinungen aus (formalen) Ursachen (d. h. aus Begriffen) entstehen bzw. erklärt werden, dann sind diese Erscheinungen weder ganz dasselbe noch etwas ganz anderes als ihre formalen Ursachen.« Und dies deshalb, weil formale bzw. begriffliche Ursachen mit ihren spezifizierten erscheinenden Wirkungen, die Unterbegriffe darstellen, teilidentisch und somit auch von ihnen teilweise verschieden sind. Ein zweiter logisch-begrifflicher Sachverhalt wird für Nagarjuna wichtig. Es ist das Verhältnis zwischen dihäretischen Nebenarten unter einer Gattung. Von ihm hat schon Platon (im Dialog »Sophistes«44) gezeigt, daß die Unterscheidung von zwei dihäretischen Nebenarten grundsätzlich durch Negation ausgedrückt werden kann. Teilt man z. B. die »Lebewesen« (Gattung) in »Tiere« und »Pflanzen« (dihäretische Nebenarten unter der Gattung) ein, so kann man ebenso wohl die »Tiere« als »NichtPflanzen« als auch die »Pflanzen« als »Nicht-Tiere« definieren und bezeichnen. Nagarjuna weiß ebenso, daß jeder Begriff mittels seiner Negation zu einem weiteren Begriff führen muß. Nicht klar scheint ihm gewesen zu sein, daß der negierte Begriff evtl. auch positiv benannt werden kann. Und darum hält er sich auch in den meisten Fällen strikt an die Unterscheidung positiver und negativer Begriffe. Alle wichtigen Prädikate stellen sich für ihn daher in dieser Weise dar: Entstehen und Nicht-Entstehen, Vergehen und Nicht-Vergehen, Beständigkeit und Unbeständigkeit, bis hin zu Sein und Nicht-Sein. Platon, Sophistes 219 a – 221 a. In: Sämtliche Werke in der Übersetzung von F. Schleiermacher, hrsg. v. F. Otto u. a., Band 4, Hamburg 1958, S. 188 – 191: Definition des Angelfischers. 44
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Dies wird der Ausgangspunkt für seine vielfältigen Überlegungen über die Eigenschaften von Erscheinungen, die in dieser positiven und negativen Weise benannt werden können. Es versteht sich auch von daher erst, daß er – wie schon in der Dedikation formuliert – solche Weiterungen der Art- und Unterartbildung abweisen kann, wenn eine untaugliche Eigenschaft fälschlich von einer Erscheinung prädiziert wird. Die Ausgangslage für alle Argumente des Nagarjuna entspricht dabei derjenigen des Sextus Empiricus. Über alle Argumente, die in Frage kommen, ist in den Schulen der Brahmanen und der Buddhisten selber schon längst ebenso Pro und Contra verhandelt worden wie in Griechenland von den Vorsokratikern und den klassischen Schulen der Platoniker, des aristotelischen Peripatos, der Stoiker und der Epikureer. Die einen behaupten etwas, die anderen das Gegenteil, welches zugleich die Negation der ersteren Behauptung darstellt. Und darüber hinaus gibt es die »dialektischen«, d. h widersprüchlichen Behauptungen, die ihrerseits wiederum in Widerspruch zueinander geraten können. Für Sextus und die Skeptiker heben sich diese Kontrapositionen gegenseitig auf. Und damit sind sämtliche Argumente hinfällig. Bei Nagarjuna besteht die Lösung der Dilemmata im »mittleren Weg« zwischen den Pro- und Contra-Argumenten. Wie man weiß, ist der »mittlere Weg« der Argumentation ein buddhistisches Spezifikum. Dies tritt deutlich hervor, wenn man ihn mit der abendländisch-scholastischen Quaestionenmethode45 der Argumentation vergleicht. Diese besteht darin, durch AbwäVgl. M. Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode, 2 Bände, Freiburg i. Br. 1909 – 1911, ND Darmstadt 1957. Diese Methode hat selbst ihre antiken Wurzeln in der stoischen Schlußlehre, speziell in der 3. – 5. chrysippschen Schlußform, welche lauten: (3) »Nicht: das Erste und das Zweite. Nun das Erste, also nicht das Zweite«. (4) »Entweder das Erste oder das Zweite. Nun das Erste, also nicht das Zweite«. (5) »Entweder das Erste oder das Zweite. Nun nicht das Zweite, also das Erste«. Vgl. L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987, S. 279 f. 45
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gung der Pro- und Contra-Argumente herauszufinden, welche der beiden Seite gemäß ihren Begründungen die Wahrheit für sich hat, so daß die andere Seite als falsch und widerlegt gelten kann. Der mittlere Weg besteht jedoch darin zu zeigen, daß die angebotenen Behauptungen Antworten auf eine Frage sein müssen, die sich überhaupt nicht stellen kann. Und wenn das gezeigt werden kann, so helfen auch alle Spitzfindigkeiten der Ausarbeitung der jeweiligen Antworten nicht, selbst wenn sie sich als Widersprüche zwischen Widersprüchen darbieten.46 Die charakteristische Argumentationsfigur der sogenannten Catuskoti bringt die Argumentationen der Schulen also in ein Schema. Und dieses stellt naturgemäß den eigentlichen Probierstein dafür dar, welche Logik zur Anwendung gelangt. Es ist festzuhalten, daß auf dem »mittleren Weg« nur solche Begriffe das Schema der Catuskoti erfüllen können, die auf Grund einer Kategorienverwechslung prädiziert werden. Ein Beispiel wäre etwa die scholastische Quaestio nach der Zahl der Engel, die auf einer Nadelspitze Platz nehmen könnten. Ersichtlich versteht man aber unter Engeln die Kategorie körperloser Geister, und unter einer Nadelspitze die Kategorie körperlicher Örter. Und daher muß es unvorstellbar sein, daß sich Engel überhaupt auf einer Nadelspitze niederlassen könnten. Ein prominentes Beispiel des Nagarjuna für diese Kategorienverwechslung beim Thema Nirvana lautet etwa:
L. Wittgenstein definierte vielleicht nicht ohne Anregung des Catuskoti-Schemas in seiner Wahrheitswerttabelle den Widerspruch als eine Konjunktion zweier widersprüchlicher Urteile: »(FFFF ) (p,q) in Worten: Kontradiktion (p und nicht p; und q und nicht q) (p. ~ p . q ~ q)«. Vgl. L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus 5.101, Frankfurt 1963, S. 60. 46
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25, 22 : Da jedoch die Erscheinungen insgesamt leer sind, wie gäbe
es da Abgrenzung oder Grenzenlosigkeit oder auch Begrenzung und Grenzenlosigkeit zugleich, weder Begrenztheit noch Grenzenlosigkeit? 25, 23 : Was wäre es denn, was zugleich Eines und ein Anderes
wäre, was wäre beständig und unbeständig, und auch beständig und zugleich unbeständig, weder beständig noch unbeständig? 25, 24 : Alle (solche) Erscheinungen kann man sich nicht vorstellen,
und jegliche Spekulation darüber erübrigt sich. Von keinem Menschen und auch nirgends und auch nicht von Buddha gibt es darüber irgendwelche Erklärungen (d. h. Behauptungen).
Wollte man nun die logische Form der Catuskoti als inhaltliche Stellungnahme Nagarjunas zu den Thesen der Schulen auffassen, wie dies immer wieder vertreten wird, so müßte man formulieren: 1. Einige behaupten: S ist P. – Nagarjuna behauptet dagegen
(1. Kante): S ist nicht P. 2. Einige behaupten: S ist nicht P. – Nagarjuna behauptet
dagegen (2. Kante): S ist nicht Nicht-P. 3. Einige behaupten: S ist P und Nicht-P – Nagarjuna behaup-
tet dagegen (3. Kante): S ist nicht P und Nicht-P. 4. Einige behaupten: S ist weder P noch Nicht-P. – Nagarjuna
behauptet dagegen (4. Kante): S ist nicht weder P noch Nicht-P. Man erkennt leicht, daß bei dieser Interpretation Nagarjuna allen Thesen der Schulen zugestimmt hätte. Und dies nicht nur bei den einfachen Behauptungen in 1 und 2, sondern auch bei denjenigen, die als Widersprüche formuliert sind wie in 3 und 4. Das aber ist nach den zahlreichen Erklärungen des Nagarjuna
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im vorliegenden und auch anderen Texten47, sich auf diese Schulstreitigkeiten gar nicht einzulassen, nicht glaubhaft. Nagarjuna beim Wort nehmend, sollte man daher die Negationen aus den vier Kanten herausnehmen und sie auf den Behauptungscharakter seiner eigenen Sätze beziehen. Dann bleiben die Schulthesen als positive Behauptungen übrig. Und zu jeder dieser Thesen äußert Nagarjuna nur, daß er sie »nicht behaupte« und ihnen somit auch nicht zustimme. Das Catuskoti-Schema nimmt dann folgende logische Gestalt an: 1. Kante: Nagarjuna behauptet nicht (die Schulthese 1) »S ist P« 2. Kante: Nagarjuna behauptet nicht (die Schulthese 2) »S ist Nicht-P« 3. Kante: Nagarjuna behauptet nicht (die Schulthese 3) »S ist P und Nicht-P« 4. Kante: Nagarjuna behauptet nicht (die Schulthese 4) »S ist weder P noch Nicht-P«. Und dies aus dem logischen Grunde, weil »P« kein sinnvolles Prädikat von »S« sein kann, da es, wie vorn gezeigt, »unvorstellbar und sinn- und bedeutungslos« ist. Vgl. dazu auch seinen Traktat »Streitabwehrerin« (Vigrahavyavartani). Hier lehnt er eine behauptende Stellungnahme zu einer Reihe von Behauptungen seiner Gegner ab. Im Abschnitt 29 heißt es dazu: »Wenn ich irgend eine Behauptung (darüber) machen würde, dann würde ich einen logischen Fehler begehen. Aber ich mache keine Behauptung. Deshalb mache ich keinen logischen Fehler«. («If I would make any proposition whatever, then by that I would have a logical error. But I do not make a proposition; therefore I am not in error.« Nagarjuna: Vigrahavyavartani: Averting the Arguments, in: http//www.dharmaweb.org). Siehe auch The Dialectical Method of Nagarjuna: Vigrahavyavartani, hrsg. v. E. H. Johnston und A. Kunst, Delhi 2005, S. 113. 47
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Nun scheint einer der häufigsten Fehler der Logiker bei der Interpretation der Catuskoti und ihres Schematismus die Meinung zu sein, daß sie zur Widerlegung beliebiger Argumente tauge. Und noch schwerer wiegt die irrige Meinung nicht nur vieler Logiker, sondern der meisten Buddhisten und dem Buddhismus nahestehender Übersetzer, die Catuskoti sei ein Ausdruck der positiven Überzeugungen des Nagarjuna selber, die demgemäß ihre Wahrheit gerade in Widersprüchen fänden. Darauf beruht ja gerade die verbreitete These, Nagarjuna sei selbst ein »dialektischer Denker«, dessen mittlerer Weg gerade das Unvorstellbare noch als tiefste Einsicht verkünde. Unvorstellbarkeit wird auch in der abendländischen Logik als »reductio ad absurdum« (Rückführung auf Sinnlosigkeit) gerne in Anspruch genommen. Diejenigen Logiker, die den Urteilswiderspruch als Ausdruck der Sinnlosigkeit bzw. der »Unvorstellbarkeit« interpretieren, werden also dafür viel Verständnis aufbringen. Dies erklärt zumindest, warum so viele Interpreten des Nagarjuna die widersprüchlichen Thesen 3 und 4 zum Ausgang ihrer logischen Erklärungen nehmen. Bemerken wir dazu auch noch, daß eine ähnliche »dialektische« Argumentationsweise auch durch Zhuang Zi 庄子 (369 – 286 v. Chr.) in die Tradition des daoistischen Denkens in China eingeführt wurde. Vom Daoismus sagten wir schon, daß er wegen seiner Affinität zum buddhistischen Denken das Eindringen des Buddhismus in China vorbereitet hat. Zhuang Zi empfiehlt für antagonistische Diskussionen ebenfalls, einen »Standpunkt in der Ringmitte« einzunehmen. Das klingt bei ihm so: »Was heißt, das Getriebe der Welt in Harmonie zu bringen? Meine Antwort ist: Was ist, ist nicht. Rechthaben ist Nichtrechthaben. Wenn das, was ist, wirklich wäre, dann gäbe es auch einen Unterschied zwischen dem was ist und dem was nicht ist. Aber das ist unentscheidbar. Wenn Rechthaben wirklich Rechthaben wäre, so gäbe es auch einen Unterschied zwischen Rechthaben und Nichtrechthaben. Aber das ist unentscheidbar. Vergeßt die Zeit und ver-
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geßt die Meinungsunterschiede! Haltet euch ans Unendliche, denn ihr wohnt im Unendlichen«.48
Das ist gewiß radikaler als der »mittlere Weg« des Nagarjuna. Aber es dürfte verständlich machen, warum der Buddhismus in China auf eine so verwandte »dialektische« Denkweise traf. 14. Logisch gesehen lassen sich freilich gegen diese Einschätzung des Widerspruchs als Ausdruck des Sinnlosen erhebliche Einwände erheben. Diese richten sich nicht gegen den »mittleren Weg«, denn da ist nicht der Widerspruch Grund der Unvorstellbarkeit, sondern die Kategorienverwechslung. Wohl aber ist auf einige Fehler in den Grundlagen der westlichen Logik bezüglich der Einschätzung des Widerspruchs hinzuweisen. Wird nämlich davon ausgegangen daß der Widerspruch »das Absurde« bzw. das »Unvorstellbare« schlechthin sei, so steht das selbst in merklichem Widerspruch zu der Forderung, zunächst einmal den Sinn einer widersprüchlichen Behauptung zu verstehen, um über ihren sogenannten Wahrheitswert zu entscheiden. Er kann also nicht »sinnlos« (absurd) oder unvorstellbar sein. Ebenso muß er dazu schon als Behauptung verstanden werden, denn nichtbehauptende Aussagen, wie Fragen oder Vermutungen, haben bekanntlich keinen Wahrheitswert. Und eben dasselbe gilt erst recht von widersprüchlichen Begriffen, den sog. contradictiones in terminis, die ebenfalls keinen Wahrheitswert besitzen. Wer von einem »hölzernen Eisen« spricht, der muß schon begriffen haben, was Eisen und Holz ist. Und er muß auch wissen, daß »Eisen nicht Holz« und »Holz nicht Eisen« ist. Und dann kann er urteilen: »Es gibt kein hölzernes Eisen« und »es gibt auch kein eisernes Holz«. Er weiß dann auch, daß es wahr ist, daß »Eisen kein Holz ist«, und daß es falsch ist, daß »Eisen Holz ist«. Und erst recht weiß er dann, daß das widersprüchliche Urteil: »Eisen Vgl. L. Geldsetzer und Hong Han-ding: Grundlagen der chinesischen Philosophie, Stuttgart (Reclam) 1998, S.169 f. 48
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ist hölzern und nicht-hölzern« wahr und falsch zugleich sein muß. Daß sich also bei Widersprüchen nichts Sinnvolles vorstellen oder denken lasse, kann selbst nur eine falsche logische Meinung sein! Anders als auf dem »mittleren Weg« hat sich die abendländische Logik darauf kapriziert, widersprüchliche Urteile für grundsätzlich bzw. formal »falsch« zu halten (ebenso wie sie die Urteilsalternative grundsätzlich und formal für »wahr« hält). Das setzt, wie gesagt, voraus, daß man den Sinn der widersprüchlichen Behauptung schon verstanden hat, um ihn hinsichtlich der Wahrheit oder Falschheit der Behauptung zu bewerten. Wichtiger aber ist es, daß diese Meinung über die Falschheit des widersprüchlichen Urteils dazu zwingt, ganze Argumentationsketten und Theorien, in denen ein Widerspruch dingfest gemacht werden kann, für falsch zu erklären. Die Grundlage für diese Meinungen ist, daß man der »und«Verknüpfung eines wahren und eines diesen wahren Bestandteil negierenden falschen Urteils einen »höheren« und von den beiden durch »und« verknüpften Teilsätzen unabhängigen Sinn zuweist, der eben »nur falsch« sei. Man kann nun aber eine solche Unterscheidung zwischen dem jeweiligen Sinn der jungierten Urteile und einem sogenannten Metasinn des widersprüchlichen Gesamtsatzes allenfalls eine traditionelle und dogmatisch gewordene Konvention nennen, die überdies selbst dem Verdacht der Widersprüchlichkeit unterliegt. Denn damit entsteht die Zumutung, den »falschen« Metasinn mit dem »wahren Sinn« eines der Teilurteile zu vereinen und beides zugleich zu unterscheiden. Wir halten diese Unterscheidung zwischen dem vorgeblich falschen Metasinn und dem Sinn der im widersprüchlichen Urteil jungierten Teile für überflüssig und auch letztlich unbegründbar. Das heißt aber, daß in einer dadurch vereinfachten Logik das widersprüchliche Urteil als wahr und falsch zugleich zu gelten hat, wie es übrigens jedes Beispiel unmittelbar zeigt.49 Darüber Vgl. L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987, S. 94 f., sowie Elementa logicomathematica 1.14.8, seit 2006 im Internet der HHU Düsseldorf. 49
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hinaus ist dann auch zu zeigen, daß das logische Prinzip des (zu vermeidenden) Widerspruchs mit dem Prinzip des (auszuschließenden) Dritten zusammenfällt. Denn das »Dritte« kann dann nur das »wahr-falsche« Urteil selber sein.50 Diese Einsicht in die logische Natur des widersprüchlichen Urteils (daß es also »wahr und falsch zugleich« und damit selbst das »ausgeschlossene Dritte ist) ist weder dem Nagarjuna noch den späteren Logikern, die ihn als Dialektiker interpretiert haben, zuzutrauen. Unter dieser Voraussetzung kann die Catuskoti nicht als »reductio ad absurdum« verstanden werden, mit der die Schulthesen als »falsch« widerlegt werden könnten. Wenn es nämlich falsch ist, daß »(alle) Erscheinungen substantiell sind«, dann muß es wahr sein, daß »(alle) Erscheinungen nicht substantiell sind«. Und das hätte Nagarjuna nicht bestritten. Beides wird aber als widersprüchlicher Gesamtsatz »(alle) Erscheinungen sind substantiell und (zugleich) nicht substantiell« für falsch gehalten. Die Kosten einer solchen Interpretation sind hoch gewesen und sind es noch immer. Denn die unzulässigen und durch das Catuskoti-Schema abgeschnittenen logischen Weiterungen (xi lun / prapanca) melden sich an anderer Stelle der Argumentation unabweisbar zurück. Buddhisten diskutieren bis heute darüber, ob den Erscheinungen (fa / dharma) »Sein« oder »Nicht-Sein« oder beides zugleich oder beides nicht zukommt. Und wenn das eine oder das andere, ob dies dann »absolut« und/oder »relativ« bzw. »potentiell« gelten solle. Wobei dann evtl. das »relative bzw. potentielle Sein« mit dem »nicht Nicht-Sein« identifiziert wird. Auch diskutiert man noch immer, ob die Erscheinungen »entstehen« oder »nicht entstehen«, »vergehen« oder »nicht vergehen«. Und wenn das eine oder andere, ob sie dabei von Ursachen »abhänVgl. L. Geldsetzer, Grundriß der pyramidalen Logik mit einer logischen Kritik der mathematischen Logik und Bibliographie der Logik, Kap. II/10 »Die sogenannten logischen Axiome«. In: Internet der HHU Düsseldorf. 50
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gen« oder »nicht abhängen«. Das kulminiert dann gewöhnlich in den Glaubensformeln über das »Entstehen in Abhängigkeit« (yin yuan / pratitya-samutpada), das nichts mit kausaler Verursachung zu tun haben soll, aber gar nichts anderes sein kann, und vom »stillen Verlöschen«, das nichts mit dem Vergehen zu tun haben soll, aber ebenfalls nicht anderes als ein Vergehen sein kann. Das alles kann daher, wie die Buddhisten meinen, von Nicht-Buddhisten grundsätzlich nicht verstanden werden. Aber es sind nicht nur Buddhisten, die die Catuskoti als Widerlegungsschema falscher Ansichten interpretieren. Auch viele westliche Interpreten tun es. Und auch sie stützen sich auf das tradiditionelle Verständnis des Urteilswiderspruchs als Falschheitskriterium. Nicht nur die Theologen haben die Dialektik seit Tertullian (»Credo quia absurdum«), Augustinus, Abälard und Nikolaus von Kues dazu benutzt, die christlichen Dogmen von allen Einsichten in weltliche Dinge abzugrenzen. Auch die Philosophen haben sich seit Heraklit ihrer immer wieder bedient. Kant begründete seine Transzendentalphilosophie bekanntlich in der »Dialektik der reinen Vernunft«, wonach die höchste Vernunfteinsicht darin bestehen sollte, die Letztbegriffe (»Ideen«) von Gott, Welt und Seele als »unauflösliche Widersprüche« zu denken. Und das heißt, daß sich aus den widersprüchlichen »transzendentalen Ideen« auch widersprüchliche (antinomische) Behauptungssätze ergeben. Ein spezifischer Fehler Kants war es dabei, daß er einige (von ihm »dynamisch« genannte) Antinomien für »zugleich wahr«, und einige andere (von ihm »mathematisch« genannte) für »zugleich falsch« hielt.51 Und Hegel, den man gewöhnlich für den eigentlichen Erfinder der neueren dialektischen Philosophie hält, hat wenigstens in Teilbereichen und in Bezug auf gewisse Handlungsbegriffe von der dialektiVgl. I. Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, III. Teil § 50 – 53, hrsg. v. K. Vorländer, Hamburg 1951, S. 101 – 112. 51
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schen Methode Gebrauch gemacht.52 Hat man aber jemals zugestanden und anerkannt, daß auch die Mathematik seit Euklid die von der klassischen Logik verschmähte Dialektik geradezu zu ihrem wichtigsten Denkmittel gemacht hat? Und daß daher die Anwendung von Geometrie und Arithmetik in der »mathematischen Physik« auch das Denken der Physiker durchweg dialektisch geprägt hat. Wer anders als ein Dialektiker wäre im Stande zu verstehen, daß z. B. eine geometrische Linie eine »eindimensionale Ausdehnung ausdehnungsloser Punkte« ist, und die Zahl »eine Menge, Nichts (Null), Eines (»1 Element«), Mehreres, Alles, unendlich Vieles, sich selbst, und andere Zahlen enthält, und daß sie ihrerseits in sich selbst und in alledem enthalten sein kann«. Und wer würde ohne solches mathematisches Verstehen begreifen, daß er als Autofahrer, wenn er mit »konstanter Geschwindigkeit« durch eine Kurve fährt, zugleich eine »beschleunigte Bewegung« ausführt? Oder wie sollte er verstehen, was es mit der newtonschen »Äquivalenz von actio und reactio« (die z. B. als gegensätzliche Gravitations- und Zentripetalkräfte zugleich gegensätzlich und gleich sein sollen: »a = -a«) auf sich hat. Oder was es etwa mit dem »begrenzt-unendlichen Raum« der Relativitätstheorie oder mit den dualen »korpuskular-wellenförmigen« Eigenschaften der mikrophysikalischen Objekte auf sich hat; von den zahlreichen Paradoxien der Mathematik und Physik ganz abgesehen. Man muß sich also nicht wundern, daß die dialektische »quadriviale Mathematik und Physik« weit über den Verständnishorizont des noch immer »trivial-logisch« geschulten sogenannten gesunden Menschenverstandes hinausreicht und für ihn mehr oder weniger unzugänglich bleibt. Wer aber mit dialektischer Logik an die Catuskoti herangeht53 , Vgl. L. Geldsetzer, Über das logische Prozedere in Hegels ›Phänomenologie des Geistes‹, in: Jahrbuch für Hegelforschung, hrsg. v. H. Schneider, Band I, 1995, S. 43 – 80. 53 Wie etwa H. P. Sturm, Weder Sein noch Nichtsein. Der Urteilsvier kant catuskoti und seine Korollarien im östlichen und westlichen Denken, Würzburg 1996. 52
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muß dann auch weitere dialektische Voraussetzungen machen. 1. Daß ein Behauptungssatz gar nicht behaupte. 2. Daß an die Stelle des Prinzips vom zu vermeidenden Widerspruch das Prinzip des zugelassenen Widerspruchs zu treten habe. 3. Daß das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten (Drittes neben dem Wahren und dem Falschen) zugleich das Dritte zuläßt 4. Daß das widersprüchliche »Wahr-Falsche« zugleich reine Wahrheit ausdrücke. 5. Daß der Widerspruch zusammen mit seiner Negation behauptet werden kann, ohne Behauptung zu sein. 6. Daß auch in tautologischen Umformungen von doppelt-negativen zu positiven Behauptungen nichts behauptet werde, usw. Nun ist die Figur der Catuskoti gleichsam nur ein Konzentrat von Behauptungssätzen, sowohl einfachen wie auch dialektischen, die Nagarjuna in jeder Hinsicht für unzulässig weil sinnlos hält. Die Catuskoti steht daher am Anfang oder am Ende längerer Argumentationen, die sie zusammenfaßt und gleichsam auf den Punkt bringt. Die Argumentationen, die sie erläutern oder zu ihm hinführen, verdienen aber selbst eine logische Analyse. 15. Diese Argumentationen werden über lange Strecken im sprachlichen Konjunktiv formuliert. Im chinesischen Text wird der Konjunktiv (als Irrealis) sehr prägnant durch die Partikel ruo 若 markiert und signalisiert, und wir sind dem bei der Übersetzung durchweg gefolgt. Solche Textpassagen lauten dann etwa: »Falls dieses der Fall wäre, so wäre (auch) jenes der Fall«. Ersichtlich kann man aber im Konjunktiv nichts behaupten, sondern allenfalls Vermutungen aussprechen, die in keiner Weise logisch wahrheitswertfähig (d. h. wahr oder falsch) sind. Insofern trifft es zu, daß Nagarjuna in diesen Textpartien tatsächlich nichts behauptet. Eine abendländische Parallele dazu findet sich in den Prämissen der stoischen (Chrysippschen) Schlußformen. Auch hier stehen die Prämissen im Konjunktiv und artikulieren Vermutungen. Es sind bekanntlich Vermutungen auf dem Hintergrund der stoischen Voraussetzung eines universalen kausalen Deter-
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minismus. Wird vermutet, daß Etwas (A) eine Ursache ist, dann müßte es auch eine Wirkung (B) geben. Findet man aber keine Wirkung (B), so kann es auch keine Ursache (A) geben. Diese stoische Denk- und Schlußweise ist in den ersten zwei Chrysippschen (»indemonstrablen«) Schlußschemata logisch formalisiert worden. Die erste Schlußfigur ist der (vermutende) »Modus ponens«: »Falls A, so B«, wobei erst der Schluß im engeren Sinne behauptet: »nun (gibt es) A, also (gibt es auch) B«. Die zweite Figur ist der (ebenfalls vermutende) »modus tollens«: »Falls A, so B. Nun aber nicht B, also auch nicht A«.54 Der Modus ponens und der Modus tollens sind bekanntlich im Abendland die logischen und allgemein wissenschaftlichen Hauptmittel geworden, Vermutungen entweder zu »bestätigen« oder zu »widerlegen«, was offensichtlich voraussetzt, daß man die konjunktivischen Vermutungen erst einmal in Behauptungssätze verwandelt. Nun haben wir schon gezeigt, daß Nagarjuna auf dem »mittleren Weg« darauf ausgeht, die formalen Ursachen als yin yuan / pratitya-samutpada zu bestätigen, die drei übrigen aristotelischen Ursachen aber zu widerlegen. Dies wird aber argumentativ dadurch vorbereitet, daß schon die Vermutung, daß es sich um Ursachen handele, als unsinnig und unverständlich dargetan wird. Und dies wiederum soll deutlich machen, daß es gar nicht erforderlich sei, sich auf die einzelnen Pro- und Contraargumente für oder gegen diese Kausalität einzulassen. Die meisten Übersetzungen und Interpretationen verkennen die Rolle des vermutenden Konjunktivs in Nagarjunas Argumentationen. Sie gehen mit moderner Logik der kontrafaktischen Schlüsse davon aus, daß ruo 若 mit dem logischen Implikationsjunktor »wenn« zu übersetzen sei, an welche sich dann noch eine Behauptung als »dann-« Satz anschließen lasse, so daß das Argument die Form eines zünftigen und wahrheitswertfähigen Schlusses erhält. Dies ist jedoch ein häufiger Fehler auch in logischen 54
Vgl. auch dazu L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987, S. 278 f.
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Texten, insbesondere in der modernen Theorie der »kontrafaktischen Schlüsse«. Denn es wird in solchen Fällen eine Behauptung als »Schluß« aus einer (wahrheitswertlosen) Vermutung gefolgert, die niemals zur Begründung ausreichen kann. In diesen Fehler verfällt man umso leichter, als in der Logik in der Nachfolge des Aristoteles nicht strikt zwischen einem behauptenden »Wenn … dann …«-Satz und einem nichtbehauptenden (konjunktivischen) »Falls … so wäre …«-Satz, wie ihn die Stoiker als Prämissen ihrer Schlüsse benutzten, unterschieden wird. Und dies deshalb, weil man für die logische Form gewöhnlich Priorität gegenüber sprachlichen Ausdrucksweisen in Anspruch nimmt und sprachliche Konjunktive ohne weiteres als behauptende Schlußformen logisch formalisiert. Wer also die entsprechenden Vermutungen Nagarjunas als Wenn … dann …-Sätze (sogenannte implikative Schlüsse) interpretiert und entsprechend übersetzt, ist gezwungen, ihnen einen Wahrheitswert, nämlich entweder Wahrheit oder Falschheit, zu unterstellen. Und das war und ist eine der Gelegenheiten für endlose weitere Diskussionen darüber, was Nagarjuna eigentlich gemeint haben könnte. 16. Eine weitere verbreitete Argumentationsfigur im Text stellen die Fragen dar. Auch sie sind ihrer Natur nach nicht wahrheitswertfähig, sondern provozieren allenfalls eine wahrheitswertfähige (behauptende) Antwort. Deshalb kommt es auch nicht wesentlich darauf an, ob sie im Indikativ oder Konjunktiv formuliert werden. Nagarjuna bedient sich ihrer fast durchweg im Zusammenhang bzw. im Anschluß an kontrafaktische Vermutungen, so daß die Fragen in der Regel eine negierende Anwort insinuieren. Aber eine solche wird ebenso regelmäßig nicht gegeben. Und offensichtlich deshalb, weil sie geradezu auf der Hand liegt und deshalb nicht erst ausgesprochen werden muß. Der Typus ist: »Falls es dieses oder jenes gäbe, wie gäbe es jenes?« oder »falls dieses nicht so wäre, wie könnte jenes überhaupt (so oder so) sein?« In allen Fällen muß der Leser sich die richtige gemeinte
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Antwort selbst erschließen: »Es gibt jenes nicht« oder »so oder so kann es nicht sein!« Auch bei dieser Argumentationsfigur der Frage liegt es nahe, sie als Verweigerung von Behauptungen zu deuten. Daß dies nicht der Fall ist, dürfte aber ebenso offensichtlich sein. Vor allem aber ist zu betonen, daß weder die Fragen noch die nicht ausgesprochenen Antworten unsinnig sind, was ja, wie vorn gezeigt, gerne als synonym mit falsch ausgegeben wird. Sie sind stets im Kontext sehr verständlich und haben ihre eigene logische Konsequenz, aus der sich sehr genau entnehmen läßt, was der Behauptungscharakter und der Wahrheitwert der unausgesprochenen Antworten sein muß. Überdies ist auch nicht zu übersehen, daß zwischen den kontrafaktischen Vermutungen und den insinuierten Antworten auf Fragen als Resultate der Argumentation auch manifeste und oftmals drastische Behauptungen formuliert werden. Die meisten von ihnen sind negative Urteile, die man gefällig als negative Existenzbehauptungen der Form »es gibt nicht …« übersetzen kann. Auch diese sind keineswegs so zu verstehen, daß durch sie »nichts behauptet« würde. Denn sie sind ja durchweg als Bestreitung und Widerlegung falscher Behauptungen, die von anderen vorgetragen wurden, gemeint und machen insofern Anspruch auf Wahrheit. Es macht dem Scharfsinn des Nagarjuna Ehre, daß er die wichtigsten dieser negativen Thesen schon in der Widmungszeile zusammengestellt und somit als Leitfaden des ganzen Textverständnisses angegeben hat. 17. Weniger zahlreich sind freilich die explizit positiven Behauptungen. Sie machen den eigentlichen Gehalt der ganzen Lehre aus. Und man muß bedauern, daß es auch Nagarjuna entweder nicht gelungen oder daß er davor zurückgeschreckt ist, diese ebenso deutlich für den Überblick zusammenzustellen. Für sie ist die logische Form des Schlusses kennzeichnend. Im Chinesischen Text dürften sie durchweg daran zu erkennen sei, daß sie eben nicht die Konjunktivpartikel ruo 若, dafür aber meistens eine
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Folgerungspartikel enthalten. Wir haben sie meistens als Implikationssätze übersetzt: »Wenn dies so ist, dann ist jenes so« bzw. »wenn es dies gibt (oder: nicht gibt), dann gibt es jenes (oder: es gibt jenes nicht)«. Diese implikativen Schlüsse sind dem modus ponens und modus tollens der stoischen »Indemonstrablen« sehr ähnlich. Und sie werden diesen noch ähnlicher, wenn ihnen auch noch (mittels des chinesischen Wortes gu 故 (»also« bzw. »deshalb« oder »weil das so ist, deshalb …«) explizit ein Schlußergebnis angefügt wird. 18. Bei allem Geschick, das Nagarjuna im Umgang mit logischen Urteilen und Schlüssen an den Tag legt, fehlt es ihm merklich an Einsicht in das logische Wesen der Begriffe und der Begriffsbildung, und ebenso der logischen Junktorenlehre. Auch darin ist er aber ersichtlich der Erbe der brahmanischen Nyaya-Logik, die bekanntlich fast gänzlich auf die Schlußlehre konzentriert ist.55 Aus diesen Defiziten der Begriffs- und Junktorenlehre fällt jedoch Licht auf bestimmte Eigentümlichkeiten der Argumentation, die nicht nur dem westlichen Interpreten besondere Schwierigkeiten bereiten. Es gehört zum dogmatischen Bestand der aristotelischen und stoischen Logik, die Junktoren, d. h. die Verbindungswörter in Ausdrücken, in Urteilen und in den Schlußverknüpfungen zwischen Urteilen für »bedeutungslos« zu halten. Diese höchst merkwürdige Meinung, merkwürdig angesichts der Tatsache, daß es sich um vielgebrauchtes und sinnvolles Wortmaterial aller Sprachen handelt, wurde allerdings dadurch gemildert, daß Aristoteles den Junktoren wenigstens im Verbund mit anderen Wörtern bzw. Begriffen einen Teilhabesinn an diesen zuschrieb. Zur indischen Logik vgl. B. Kr. Matilal: Epistemology, Logic, and Grammar in Indian Philosophical Analysis, Den Haag 1971. – L. Geldsetzer: Einführung in die klassische indische Philosophie. In: Klassiker der indischen Philosophie. CD-Rom, Sonderband Digitale Bibliothek (Directmedia Publishing), Berlin 2006. – Seit 2000 auch im Internet der HHU Düsseldorf, Kapitel II, §§ 15 und 16. 55
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Der technische Ausdruck dafür ist bekanntlich griechisch synkategorema und lateinisch connotatio. Griechische und lateinische Grammatiker haben später auch weitere sprachliche Partikel als synkategorematisch ausgezeichnet, darunter z. B. auch bestimmte Verben (wohl nach dem Muster der Verbalsubstantive »Sein« und »Nichtsein«, die sie als positive und verneinte Kopula, und damit als Junktoren auffaßten), wie etwa »incipit« (anfangen) und »desinit« (aufhören). Bemerken wir zusätzlich, daß es eine ähnliche Auffassung von der Bedeutungslosigkeit bzw. Sinnlosigkeit bestimmter Wörter bzw. Schriftzeichen chinesischer Herkunft (der sogenannten kanji) im Japanischen gibt. Auch hier hält man gewisse chinesische Zeichen, denen man jedenfalls im Japanischen keinen Sinn mehr zusprechen kann, für »tote Zeichen«. Aber abgesehen davon, daß Zeichen (auch Schriftzeichen) überhaupt keine Zeichen sein können, wenn sie nicht verweisen und damit Sinn haben, kann dies für echte chinesische Schriftzeichen grundsätzlich nicht gelten. In der chinesischen Zeichenschrift gibt es grundsätzlich nur bedeutende Zeichen. Diese sind sämtlich durch staatliche Instanzen gleichsam lizensiert, so daß es nicht zulässig ist, neue (und vielleicht sehr ausdrucksstarke) Zeichen zu bilden. Dies im Gegensatz zur fortwährenden Bildung »neuer Begriffe« in der westlichen Wissenschaft. Aber man muß diese lizensierten Zeichen schon gut kennen und beherrschen, um sie von Radikalkombinationen zu unterscheiden, die man vielleicht beliebig herstellen kann, die es aber in den chinesischen Wörterbüchern und der dafür zugrunde gelegten Literatur tatsächlich nicht gibt, obwohl sie für den ungewitzten Leser so aussehen können, als seien sie alte oder nur ungewohnte selten gebrauchte Schriftzeichen. Die Meinung jedenfalls, daß es in den Sprachen und grundsätzlich in der Logik nicht-bedeutende Zeichen, nämlich eben als Junktoren, gäbe, hat sich bis in die neueste Logik gehalten. Wobei es wiederum zu den Merkwürdigkeiten dieser Disziplin gehört, daß etwa von Post und Wittgenstein dennoch Definitionsvorschläge für diese Junktoren gemacht wurden, die ihnen einen
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bestimmten Sinn beilegen. Man sollte denken, daß dies die Meinung von ihrer Sinn- und Bedeutungslosigkeit genügend widerlege. Es dürfte jedoch ein wichtiger Verständnishinweis sein, daß Nagarjunas zentrale Lehre von der »Leerheit« (shunyata) der Erscheinungen und somit auch der erscheinenden Begriffe eben diese Meinung zugrunde legt und auf alle sprachlichen Ausdrucksmittel hin verallgemeinert. Das heißt freilich nicht, daß für Nagarjuna und den »mittleren Weg« alle Begriffe bzw. auch alle Wörter keine Zeichen wären und somit keine Verweisungsfunktion hätten. Mit Gottlob Frege zu sprechen, haben sie für Nagarjuna sehr wohl (syntaktischen) »Sinn«, indem sie etwas zu denken und vorzustellen geben. Aber sie haben keine »Bedeutung« als (semantische) Referenz auf etwas Substanzielles oder Reales außerhalb ihrer selbst. Diese Leerheit zeigt sich auffällig schon beim Gebrauch der Junktoren. So ist es schon schwierig genug, deutlich herauszustellen, welche Junktoren mit welchem »Sinn« im Einzelfall in Frage kommen. Und das eröffnet schon bei der Übersetzung der Catuskoti-Figuren Deutungsspielräume. Zum Beispiel ob eine Verknüpfung zwischen zwei Begriffen eine »und-«, »oder-« oder gar eine »entweder … oder-« Verknüpfung sein soll, dies besonders dann, wenn die verknüpften Begriffe sogar ohne Verbindungspartikel neben einander gestellt werden. Im chinesischen Text verhält es sich ebenso. Denn auch das, was man chinesische Logik (der Ming Jia 名家, »Namens-Schule« und der Mo Jia 墨家, der Schule des Mo Ti) nennen kann, verfügte nicht über eine besondere Junktorenlehre.56 Zu den Junktoren gehören vor allem auch die Quantifikatoren, nämlich »alle«, »einige«, »ein« und »kein«. Von ihnen wird mit einer bemerkenswerten Ausnahme vielfach Gebrauch gemacht. Vgl. Hu Shi: The Development of Logical Method in Ancient China, Shanghai 1922, 3. Aufl. 1928, ND. Ann Arbor 1974, sowie A. C. Graham: Later Mohist Logic, Ethics and Science, Hongkong-London 1978. 56
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Die Ausnahme ist der Partikularisator »einige«. Daß er fehlt, ist sicher kein Zufall, sondern dies deutet auf ein Defizit von Nagarjunas Begriffslehre hin, auf die sogleich noch eingegangen werden muß. In der aristotelischen Logik spielt der Partikularisator eine große Rolle, aber in der stoischen Logik kommt er ebenfalls nicht vor. Nun ist es von Überlegungen über eine evtl. Bedeutungslosigkeit bzw. Sinnleere von Junktoren bis zur These, daß alle Wörter und Begriffe einer Sprache ebenso wie sämtliche Erscheinungen leer seien, ein weiter Schritt. Und doch scheint er eine Bedingung für das Verständnis der Shunyata-Lehre Nagarjunas zu sein. Hierzu dürfte ein Blick auf dasjenige nützlich sein, was man bei Nagarjuna ebenso deutlich vermißt wie eine explizite Junktorenlehre, nämlich eine Begriffslehre. Auch dieses Defizit teilt er mit der brahmanischen NyayaLogik. Man sollte freilich nicht verhehlen, daß es auch in der westlichen modernen Logik mit der Begriffslehre nicht zum besten steht, ist diese doch merklich auf »Aussagenlogik« und Beweis- bzw. Argumentationslehre konzentriert. Der antiken aristotelischen Begriffslehre zollt man hier noch Respekt und behandelt sie in den Seminaren. Aber schon was ein durch Rechenjunktoren verknüpfter mathematischer oder physikalischer Begriff etwa des Typs »s : t« (= v, d. h. Geschwindigkeit) oder »m · v« (= »Massengeschwindigkeit, »cartesischer« Kraftbegriff) ist und wie er sich ggf. von einem logischen Begriff unterscheidet, wird kaum zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht.57 Nagarjuna unterscheidet in dem, was man als seine Vorstellungen vom Begriff unterstellen kann, wie Aristoteles und wohl im Anschluß an die auch im Sanskrit übliche grammatische Grundunterscheidung zwischen »substantivischen« und »adjektivischen« Begriffen. Bei Aristoteles führte dies sogleich zur Annahme von »Substanzen« und »Attributen« (Eigenschaften) 57
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Vgl. auch dazu L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987, Kap. III, S. 86 –
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als Gegenständen (Referenten) dieser Begriffsarten. Nagarjuna betont dagegen, daß es hier nur um »Erscheinungen« (fa 法) und ihre »Eigenschaften« (xiang 相) geht. Nun wurde schon von Platon und Aristoteles gleicherweise herausgearbeitet, daß die platonischen »Ideen« bzw. die aristotelischen Substanzbegriffe einen inneren Zusammenhang aufweisen, der sich in den »porphyrianischen Bäumen« bzw. in pyramidaler Darstellung als Gattungs-Arten-Unterarten bzw. Individuen explizieren läßt. Aristoteles betont, wie schon gezeigt, daß die Merkmale der Gattung voll und ganz (identisch) in den Merkmalen aller ihrer Unterbegriffe (und Individuen) enthalten sind, daß die Artbegriffe zusätzlich zu den »generischen Merkmalen« weitere Merkmale als »spezifische Differenzen« enthalten, durch die sie sich demnach von ihren Oberbegriffen wie auch von ihren (gleichrangigen) Nebenbegriffen unterscheiden. Darauf beruht wiederum die aristotelische Standarddefinition der Begriffe mittels Angabe ihrer nächsthöheren Gattung (die ausschließlich die generischen Merkmale der Arten enthält) und der spezifischen Differenz. Von alledem ist bei Nagarjuna nicht die Rede. Woraus man entnehmen kann, daß er keinen Begriff von diesem Teilhabezusammenhang der Begriffsintensionen (Merkmale) für die Erscheinungen hatte. Er geht vielmehr davon aus, daß jeder Begriff als Bezeichnung einer Erscheinung gleichsam einzigartig sei. Begriffe können bei ihm demnach auch nur äußerlich nebeneinander gestellt werden. Und so konzentriert sich seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Nebeneinanderstellung der Begriffe und die Prädizierbarkeit von Eigenschaften bezüglich dieser Erscheinungsbegriffe. Nebeneinander gestellt werden bei ihm – und das stimmt wiederum mit platonisch-aristotelischer Begriffslehre überein – positive und durch Negationen erzeugte Nebenarten. Zu jedem positiven Erscheinungsbegriff läßt sich demnach ein negativer Gegenbegriff bilden, der gegebenenfalls auch positiv benannt werden kann.
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Daß Nagarjuna diesen Zusammenhang zwischen positiven und negativen Begriffen voraussetzt, erkennt man an seinem Gebrauch der doppelten Verneinung. Sie führt bekanntlich bei dihäretischen Nebenbegriffen wieder zum Ausgangsbegriff zurück und bezeichnet diesen. Wird etwas als »nicht-endlich« bezeichnet, so kann das »nicht nicht-Endliche« nur das Endliche selbst sein. Und genau das scheint Nagarjuna anzunehmen. Die Einbettung in die Form der Catuskoti, die mit solchen doppelten Verneinungen spielt, zeigt dies deutlich. Anders als im »Querverhältnis« positiver und negativer Nebenarten durchschaute Nagarjuna offensichtlich nicht den »vertikalen« Identitäts- und Unterschiedszusammenhang der Begriffe in ihrem Allgemeinheitsgefälle. Daher hat er seine thematischen Begriffe weder nach unten spezifiziert noch nach oben auf evtl. gemeinsame Gattungen zurückgeführt, was gewöhnlich durch die Quantifikation der Begriffe formalisiert wird. Letzteres hätte ihm noch viel kürzere und prägnantere Argumentationen über dann gemeinsame Eigenschaften und Merkmale der analysierten Begriffe zu formulieren erlaubt. So hätte Nagarjuna die Leerheit (shunyata) als gemeinsames generisches Merkmal aller Begriffe und somit als einziges Merkmal des Begriffs »Begriff« ausweisen können. Sein Verfahren aber erlaubte ihm nur, dieses Gattungsmerkmal der Leerheit für jeden einzelnen Begriff besonders nachzuweisen, was ersichtlich recht unökonomisch ist. Auch die mangelnde Spezifikation seiner Begriffe macht sich gelegentlich bemerkbar. So hätte der Begriff des Vergehens durchaus als Gattung zu den Arten des Sterbens, des Verlöschens (etwa des Feuers), des Verschwindens und des Zerstörens bzw. Vernichtens einer Sache behandelt werden können. Da er diesen begrifflichen Zusammenhang nicht durchschaut, kommt es zu so merkwürdigen Aussagen wie der, daß »alles Seiende altert und stirbt«, während doch ersichtlich »Vergehen« gemeint ist. Was die Buddhisten bis heute als bahnbrechende Erkenntnisleistung des Nagarjuna schätzen, beruht ersichtlich auf diesem
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Defizit. Gerade weil es ein »dunkler Punkt« seiner Argumentationen geblieben ist, bietet sich dieser für so viele divergierende Interpretationen und Weiterentwicklungen an. Es ist seine These über yin yuan 因緣 / pratitya-samutpada, das sogenannte Entstehen in Abhängigkeit. Daß es sich dabei um die einzige der von Nagarjuna diskutierten vier Ursachen handelt, die er als Erklärung für Erscheinungen anerkennt, haben wir schon genügend dargetan. Der dabei vorliegende Sachverhalt, daß der Begriff bzw. die formale Ursache eine Erscheinung hervorbringt, entspricht genau den logischen Prozessen der Induktion und Deduktion, d. h. dem Auf- und Absteigen auf der Leiter begrifflicher Hierarchien. Wer etwa den allgemeinen Begriff »Leben« denkt und sich dabei etwas Erscheinendes vorstellt, der wird dabei auch die Begriffe von »Tier« und »Pflanze« und evtl. weiterer Tier- und Pflanzenarten bis hin zu individuellen einzelnen Tieren und Pflanzen als Erscheinungen evozieren. Und umgekehrt: wer über Begriffe verfügend Einzelnes sinnlich wahrnimmt oder sich erinnernd vorstellt, der wird die zugehörigen allgemeineren Begriffe als Erscheinungen evozieren. Evozieren ist dabei nicht als psychisches Geschehen (wie etwa bei den aristotelischen und von Hume wieder aufgenommenen Assoziationsgesetzen) zu verstehen, denn Nagarjuna bestreitet ja einen »Atman«, also ein Selbst bzw. eine Seele alsTräger und Hervorbringer der Erscheinungen. Man kann dieses »Hervorrufen« sehr wohl mit Nagarjuna auch ohne die Annahme einer Seele als ein ontologisches Sich-gegenseitig-Hervorrufen von Erscheinungen ansehen. Dieses geschieht mit logischer Regelhaftigkeit und kann nichts anderes sein als eben ein »Entstehen in Abhängigkeit« dieser Erscheinungen von einander. Wenn dies so ist, dann ist die Lehre von der »Entstehung in Abhängigkeit« ein jederzeit und überall nützlicher Appell, bei Erklärungen der Erscheinungen logisch zu verfahren. Es ist nicht zuletzt auch ein Wink, das, was man Bewußtsein nennt, selbst als Erscheinungszusammenhang zu erklären.
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18. Es bleibt noch etwas über die Anlage des Gesamttextes des Zhong Lun bzw. der Madhyamaka-Karika zu sagen. Die Einteilung des Textes in 27 Kapitel und die entsprechenden Überschriften stammen von seinem Kommentator Candrakirti. Ob der Gedichttext des Nagarjuna selbst fortlaufend und ununterbrochen war, muß offen bleiben. Man kann sich jedoch vorstellen, daß einzelne Partien des Textes vor Candrakirtis Erstellung seines Kommentars ausgetauscht und nach anderen thematischen Gesichtspunkten zusammengefügt worden sind. Insbesondere dürften sich manche Wiederholung im vorliegenden Text sowie die (geringfügigen) Abweichungen in den verschiedenen Versionen der Sanskrit- und tibetischer Ausgaben erklären. Jedenfalls fällt auch bezüglich der Thematiken des Lehrgedichts des Nagarjuna eine gewisse Parallele zu den »Pyrrhonischen Grundzügen« des Sextus Empiricus auf, die wir ja schon mehrmals als Verständnismittel herangezogen haben. Unter den Kapiteln des dritten Buches finden sich einige, die in ihrer Thematik genau denen der Candrakirti-Einteilung entsprechen. Es handelt sich um die folgenden: Vom Ursächlichen (Kap. 2), Ob es ein Ursächliches von Etwas gibt (Kap. 3), Von stofflichen Anfängen (Kap. 4), Ob die Körper auffaßbar sind (Kap. 5), Von der Mischung (Kap. 6), Von der Bewegung (Kap. 7), Von der übergehenden Bewegung (Kap. 8), Von der Vergrößerung und Verminderung (Kap. 9), Von der Wegnahme und Zulegung (Kap. 10), Von der Umstellung (Kap. 11), Von dem Ganzen und dem Teile (Kap. 12), Von der natürlichen Veränderung (Kap. 13), Vom Entstehen und Vergehen (Kap. 14), Von der Verharrung (Kap. 15), Von dem Orte (Kap. 16), Von der Zeit (Kap. 17), Von der Zahl (Kap. 18).58 Wenn bei Nagarjuna das 1. Kapitel der Pyrrhonischen Grundzüge« »Von Gott« keine Entsprechung zu finden scheint, so ist darauf hinzuweisen, daß es im Kontext des Kapitels 27 (Verse 15 Sextus Empiricus, Pyrrhoneische Grundzüge, übers. und hrsg. von Eugen Pappenheim, Leipzig 1877, III. Buch. 58
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bis 18) bei der Behandlung der falschen Ansichten über das Ich bzw. den Atman sehr wohl diskutiert wird. Und offensichtlich wegen der »Personalisierung« der Gottesvorstellung, die auch zur vedisch-brahminischen Tradition Indiens gehört. Gott heißt hier »deva«. In der chinesischen Philosophie gibt es freilich keine entsprechende anthropomorphe Gottesvorstellung. Und so übersetzt Kumarajiva mit dem traditionellen chinesischen Äquivalent »Himmel« (tien 天). Auch daß Nagarjuna und Sextus gleicherweise einen solchen Gottesbegriff destruieren, dürfte dabei bemerkenswert sein. Bei Nagarjuna erledigt sich das Gottesthema sehr schnell durch die Widerlegung der Existenz des Selbst bzw. des Atmans, da ja der Gott und die (indischen) Götter als anthropomorphe Wesen vorgestellt werden. Sextus führt nach skeptischer Methode verschiedene Meinungen über Gott vor, die sich gegenseitig aufheben. Darunter befinden sich bemerkenswerter Weise auch diejenigen, die Nagarjuna als zu widerlegende Meinungen behandelt.59 Sextus nennt folgende Meinungen: »Da nun unter den Lehrphilosophen die einen sagen, der Gott sei ein Körper, die anderen, (er sei) unkörperlich, und die einen, er sei menschlich gestaltet, die anderen, (er sei es) nicht, und die einen, er sei an einem Orte, die anderen, (er sei es) nicht; und von denen, (welche sagen, er sei) an einem Orte, die einen, (er sei) innerhalb der Welt, die anderen, außerhalb: wie werden wir eine Vorstellung von Gott bekommen können, ohne weder eine Wesenheit von ihm zu haben, welche zugestanden wäre, noch eine Gestalt, noch einen Ort, an dem er wäre?« Sextus Empiricus, Pyrrhoneische Grundzüge, übers. und hrsg. von Eugen Pappenheim, Leipzig 1877, III. Buch, Kap. 1, S. 164. – Bei Nagaruna lauten die Argumente (Kap. 27, 15): »Wäre (das Ich als) ein himmliches Wesen (tian / deva, Gottheit) Mensch, dann würde es zum beständig Dauernden gehören. Als Himmelswesen würde es aber nicht geboren, weil beständig dauernde Erscheinungen nicht erzeugt werden.« (Kap. 27, 16): »Würde (das Ich als) Himmelswesen sich in einen Menschen verwandeln, dann wäre es (das Himmlische) nichts beständig Dauerndes. Wäre das Himmlische anders als das Menschliche, so stünden sie in keiner gegenseitigen Verbindung.« (Kap. 27, 17): Als halb Himmlisches und halb Menschliches würde (das Ich) zu zwei Bereichen gehören, nämlich zu einem beständigdauerhaften und zu einem unbeständigen. Aber das ist nicht richtig.« 59
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Man mag hier an zufällige Übereinstimmung glauben. Näher liegt jedenfalls die Vermutung, daß Nagarjuna, der ein Zeitgenosse des Sextus war, in Kenntnis des Werkes des Sextus Empiricus, seine Themen ausgewählt und behandelt hat. Dafür spricht nicht zuletzt, daß Sextus nach griechischer Gewohnheit seine Gewährsleute nennt und zitiert, aber keinen Hinweis auf Nagarjuna gibt, während es in Indien ganz üblich war, seine Bezugsautoren oder Gegner nicht namentlich zu erwähnen, schon gar nicht »barbarische« Ausländer. Die späteren Übersetzer und Kommentatoren haben sich mehr oder weniger an die Kapitel und Kapitelüberschriften des Candrakirti gehalten. Ersichtlich stellen sie im Kontext seines Kommentars jeweils das heraus, was der Beurteiler für das eigentliche Thema der Kapitel hielt und was er dabei verstand. Das gleiche Recht in Anspruch nehmend, sind hier neue und von den vorliegenden z. T. abweichende Kapitelüberschriften formuliert worden. Dabei haben wir uns bemüht, die philosophisch interessante Thematik herauszustellen, die nicht in jedem Falle mit der soteriologischen Thematik des Mahayama-Buddhismus oder mit den im jeweiligen Kapitel häufig verwendeten Begriffen zusammenfällt. Als Beispiel diene etwa schon Kapitel 1, das etwa von Weber-Brosamer und Back sowie von Walleser mit »Die Bedingungen« betitelt wird. In der Tat geht es hier schon wesentlich um die Erscheinungen und ihre sogenannten (angeblichen) Ursachen und Wirkungen. Das 7. Kapitel wird von diesen Übersetzern als »Das Zusammengesetzte« bzw. »Die drei Eigenschaften« überschrieben, während es eigentlich sehr konkret nur um drei vorgebliche Merkmale der vier Ursachen der Erscheinungen, nämlich Entstehen, Bestehen und Vergehen geht. Als weitere Beispiele seien angeführt Kapitel 13 »Die Zusammensetzung (samskara)« bzw. »Die Gestaltungen«, wo der Sache nach nur das Leere (»shunyata«) diskutiert wird; Kapitel 14 »Die Verbindung (samsarga)« bzw. »Vereinigung«, wo es um die (strikt idealistische These) von der Identität von Wahrnehmung, Wahrnehmbarem und Wahrnehmendem geht; Kapitel 15 »Das Eigensein
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(svabhava)« bzw. »Sein und Nichtsein«, in dem wiederum die angebliche Substantialität hinter den Erscheinungen thematisiert wird; Kapitel 20 »Die Gesamtheit (samagri)« bzw. »Grund und Folge«, wo spezifisch über die vier Ursachen und Wirkungen, insbesondere über die formale Ursache gehandelt wird. Zuletzt sei auch Kapitel 24 »Die vier edlen Wahrheiten (aryasatya)« bzw. »Die vier Wahrheiten« genannt, wobei es nur um die vier Prinzipien der buddhistischen Philosophie überhaupt geht. Da aber solche Überschriften gewöhnlich auch Erwartungen erwecken und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Thematiken ausrichten, scheint es nicht überflüssig, dem Leser auch durch die neuen Betitelungen in dieser Hinsicht Winke zu geben. Zum Schluß möchte ich an dieser Stelle meinem Freund und Kollegen Prof. Dr. Hong Han-ding (Beijing) herzlich für die Mühe und Geduld danken, mit der er im Rahmen eines dreimonatigen Studienaufenthalts vom Juli bis September 2004 in Düsseldorf die Schriftzeichen des chinesischen Textes geschrieben hat und die chinesische Textausgabe mit mir zusammen durchgegangen ist, um Übersetzungsmöglichkeiten zu erwägen und zu überprüfen. Ebenso bin ich dem jüngst verstorbenen Prof. Dr. Konrad Wegmann (Bochum), der ebenfalls an einer Übersetzung aus dem Chinesischen arbeitete, für manchen Hinweis zu Dank verpflichtet. Ganz besonders möchte ich auch den Teilnehmern des Gesprächskreises am Düsseldorfer EKO-Haus für Anregungen und Diskussionen bei der gemeinsamen Lektüre des Nagarjuna-Textes und beim Abgleichen von Sanskrit- und chinesischem Text sowie japanischer und westlicher Übersetzungen in den Jahren 2004 bis 2007 danken. Für das, was in der vorliegenden Übersetzung nach weiterer Arbeit am Text tatsächlich herausgekommen ist, übernimmt freilich allein der Übersetzer die volle Verantwortung.
BI BL IOGR A PH I E
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NA M E N R EG I ST E R
Chinesische Namen sind wie im Kommentar in Kurzzeichen wiedergegeben. Abälard, P. 153 Alexander d. Gr. XII, 97 Alexander von Aphrodisias VII Anaxarchos 116 Aristoteles XIV, 5, 97, 100, 107 ff., 113 f., 122, 134, 138, 140 ff., 159, 162 f. Augustinus, Aurelius 129, 153 Avenarius, R. 120 Back, D. M. 112, 131, 168 Berkeley, G. 119 f., 124 f., 142 Biemel, W. 121 Bin Jia Luo 宾 伽 罗 (s. Pingala) Bocking, B. XVI Buddha XI, 3, 45, 49, 57, 68, 77 ff., 82f., 87, 102, 104, 108, 132 Büchner, K. 115 Candrakirti VIII, 98 f., 166 Capelle, W. 118 Chrysipp 145 Clemens von Alexandrien VII Della Santina, P. 139 Demokrit 109 Deussen, P. 104 f.
Diogenes Laertios 116 Elberfeld, R. 99 Empedokles 109 Epikur 116 Euklid 154 Fichte, J. G. 138 Frege G. 161 Garfield, J. L. 112, 132, 138 Gautama (Buddha) 95 Geldsetzer, L. 98, 100, 151 f., 154, 159 Gorgias 118, 121 Grabmann, M. 145 Graham, A. C. 161 Griesebach, E. 104 Han, T. J. 98 Hegel, G. W. F. 138, 153 Heraklit 153 Hicks, R. D. 116 Hipparchos 113 Hong, H.-d. 98, 100, 169 Hossenfelder M. 116 Hu, Shi 161 Hume, D. 108, 125, 165 Husserl, E. 121, 123
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Namenregister
Jaspers, K. VII Jiu Mo Luo Shi 鸠 摩 罗 什 (s. Kumarajiva) Johnston, E. H. 146 Kalupahana, D. J. 111 f., 131, 139 Kant, I. 107 f., 123, 138, 153 Klemmt, A. 119 Kong Zi 孔 子 (= Konfuzius) Kumarajiva (Jiu Mo Luo Shi, Tong Shu) VIII, XV f., 98, 107, 111, 167 Kunst, A. 148 Lao Zi 老 子 99 f., 121, 133, 135 Leiboldt, M. 99 Long Shu 龙 树 (Drachen-Wald, s. Nagarjuna) Lukrez 115 Mach, E. 120 Matilal, B. K. 159 Menandros (= Milinda) XII Milinda (= Menandros) XII Mo Zi 墨 子 161 Murti, T. R. V. 139 Na Jia A Shun Na (那 伽 阿 顺 那 = Naga Arjuna, s. Nagarjuna) Nagarjuna (Na Jia A Shun Na, Naga Arjuna, Long Shu) VII, IX ff., XIV f., 97 ff., 103, 106 f., 108, 126, 132, 134 f., 138, 143 ff., 148, 168 Nagasena XII
Newton, I. 154 Nikolaus von Kues 153 Nottelmann, M. 97 Obert, M. 99 Oetke, C. 97 Otto, F. 144 Pappenheim, E. 118, 167 Parmenides 101, 133 Philoponos 113 Pingala (Bin Jia Luo, Qing Mu) VIII, 98 f. Platon XII, 106 ff., 109, 123, 134, 144 Plotin VII Porphyrios VII Priest, G. 138 Pyrrhon 116 Qing Mu 青 目 (Blau-Auge, s. Pingala) Rizzi, C. 98 Saigusa, M. 112 Schleiermacher, F. 144 Schneider, H. 154 Schopenhauer, A. 103 f. Schwarz, F. F. 108 Sextus Empiricus VII, XIII ff., 113, 116 ff., 121, 140 f., 143, 145, 166 ff. Sing, J. 111 Smith, M. F. 115 Stcherbatsky, Th. 111 f. Streminger, G. 125 Sturm, H. P. 139, 154
Namenregister
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Volpi, F. 97
Wang Bi 王 弼 101, 121 Weber-Brosamer, B. 112, 131, 168 Wegmann, K. 169 Wittgenstein, L. 146
Walleser, M. XV, 112, 131, 168
Zhuang Zi 庄 子 101, 149 f.
Tertullian 153 Tong Shou 童 寿 (Langlebender Junge, s. Kumarajiva)
SAC H R EG I ST E R
Chinesische Wörter sind wie im Kommentar in Kurzzeichen wiedergegeben. Abhava (Nicht-Sein) 133 ff. Absurdes 150 Achtfacher Pfad 102 Achtstufiger Bildungsweg 102 Actio 154 Actus (lat.: Handlung, Wirklichkeit) 126 Adhipati pratyaya (zeng shang yuan, causa finalis, Zweckursache) XIV, 5, 111 ff., 142 Aitiai (gr.: Ursachen) 105, 108 f. Alambana pratyaya (ci di yuan, causa materialis, Materieursache) 111 ff. Allgemeinheitsgefälle 164 Altern 36 f., 89 Anatman (Ichlosigkeit) 55, 125 Anderssein 40 Anfang 36 f., 68 Antinomie 153 Arché (gr: erste Ursache, Urgrund) 109 Arhat (buddhist. Heiliger) XI Art 143 Aryasatya (die vier Wahrheiten) 169 Asat (Nichtsein) 133 Asien XVI Atman (Ich, Selbst) X, 100, 103 f., 121, 127, 165, 167
Atmiya (zum Ich gehörig) 55 Außenwelt 55 Bäume, porphyrianische 143, 163 Befreiung 47 f., 55 Begierde 72 Begrenzung 37, 87 Begriff 119, 136 f., 142, 144, 159 f., 162 ff. – mathematischer 162 – Nebenbegriff 163 – negativer 144 Begriffspyramide 143, 165 Begründung 60 Belohnung 105 Beständiges 30, 74, 87 Beständigkeit 3, 24, 67, 75, 87, 93 Bestehen 21, 25 f. Bestrafung 105 Bewirktsein 21, 64 Bewirktseinsmerkmal 21 Bewußtsein 121 ff., 165 Bhagavat (überirdischer Geist) 54 Bhava (Sein) 133, 135 Bodhisattva (buddhist. Heiliger) XI Brahman X
Sachregister
Brand 33 ff. Brennbares 34 Brennbarkeit 33 Brennen 33 f. Brennstoff 33 Brhadaranyaka-Upanishad 104 Buddhismus VII, XII, 99, 102 f., 105 f., 149 f. Buddhist 41, 51, 52, 56, 101 ff., 164 Bundle of perceptions 125 Carvaka 100 Catuskoti (Urteilsvierkant) XV, 118, 146 ff., 153 ff., 161 Chandogya-Upanishad 105 Chang 常 (Beständigkeit) 130 Cheng 成 (Werden, Zustandekommen) 129 Cheng Yi 诚 意 (Gewissenserforschung) 102 China VII, 99 ff. Ci Di Yuan 次 第 缘 (alambana pratyaya, materiale Ursache) 112, 114 Connotatio 160 Da Xue 大 学 (Große Lehre) 101 f. Dao 道 (Weg, Prinzip) 99 Dao De Jing 道 德 经 (Lao Zis Klassikerwerk vom Dao und seinen Kräften) 101, 133, 135 Dao Jia 道 家 (Dao-Schule) 99 Dao-Lehre 99 f., 135 Daoismus 148 f. Darshana (Lehrsystem) 111 Daten 126
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Deduktion 165 Definition 163 f. Denken 49 f. Dharma (Ding, Erscheinung, Gesetz) 104, 105 f., 107 f., 152 Dialektik 153 Differenz, spezifische 163 Ding 59, 126 – an sich 112, 120 Dreieck 124 Drittes, ausgeschlossenes 152, 155 Duan 断 (Abbrechen, Abtrennen, Diskontinuität) 30 Dunkelheit 22 f. Eigenschaft 163 Einai (gr.: Sein, Seiendheit) 134 Einbildungskraft 72 Einheit 3, 128 f., 143 Elemente 31, 38, 69 Emanation XIV Empfindung 88 Ende 36 Endlichkeit 3 Entelech(e)ia (gr.: »Ziel bzw. Zweck in sich tragend«) 113 Entgelt 51 Entstehen 3, 21 ff., 47, 68, 77, 79, 105, 130 Entstehung in Abhängigkeit (pratitya-samutpada) 105 ff., 128, 165 Epikureer 114 f. Epoché (gr.: Urteilsenthaltung) XIII, 140 Erinnerung 123 Erkenntnis IX, 88
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Sachregister
– wahre 55 Erleuchtung 82 Erlösung XI, 85, 88 Erscheinung 5 f., 20, 22, 24 ff., 29, 37, 40 f., 55 f., 64, 67, 79 f., 83f., 94 f., 108, 125 f., 138 – bewirkte 44 – bloße 120 – nichtleere 41 – merkmalslose 17 – selbstgemachte 38 f. Erzeugung 6 Esse = Percipi (Berkeleysches Prinzip) 119, 124 Fa 法 (Erscheinung, auch: Gesetz, Norm, Recht) 107 f., 152, 163 Fa Jia 法 家 (Rechts- bzw. Gesetzesschule) 107 f. Fakten 126 Falschheit, logische 151 Farbe 73 Fata morgana 26, 127 Fatum 110 Feuer 33 Folge, karmatische IX Formursache (yin yuan, hetu) XIV, 6 f., 15, 34 Fortgehen 3, 128 f., 132 Frage 157 f. Frucht 50, 52, 77, 81 f., 129 Gänger 9, 11 Gattung 143 f., 164 Ge Wu 格 物 (praktischer Umgang mit den Dingen, Dingerfassung) 102
Geburt 36 f., 89, 93 Gehen 8 ff. – aktuelles 8, 10 – potentielles 8, 10 Geherscheinung 9 ff. Geist IX, X, 54, 124 f., 127 Gen-in (jap.: Ursprung) 112 Gerechtigkeit 100 Geruch 73 Geschmacksempfindung 73 Geschmackssinn 13 Gesetz (dharma) 106 f., 108 Gesetze Buddhas 77 f., 82 Gespenst 54 Glück 49 f. Gott (Tian, deva) VII, XIV, 92, 124, 166 f. Gotteswissenschaft VII Grenze 37, 90, 94 Griechenland XII, XIII Gu 故 (also, weil, deshalb) 159 Gutes 49, 72 Gymnosophisten XII Han-Dynastie 99 Handeln 27, 83, 125 f. Handlung 27, 89 Handlungsmöglichkeit 88 Haß 72, 74 Heilige 77, 81 Heilsweg VIII, 81f. Heimarmene (griechische Schicksalsgöttin) 110 Herkommen 3, 128 f., 132 Hervortreten 129 Hetu pratyaya (formale bzw. begriffliche Ursache, logischer Grund) 111 ff.
Sachregister
Himmelswesen (Tian, Gottheit) 92, 167 Hinterindien VII Hörender 31 Hörsinn 13, 31 Hypokeimenon (gr.: Zugrundeliegendes) 110 Ich (wo, atman) 35, 55 f., 69, 75, 90 ff. – gegenwärtiges 91 Ichlosigkeit (wu wo, anatman) 55, 125 Idealismus IX, 122, 129 – phänomenalistischer X, 121 f. Idee 114 f., 119, 124 f., 153 Ideenschau 123 Identität 42 Impetus 113 Impulsus 113 Indeterminismus 115 Indien XII, XV Induktion 165 Inkarnation 104 f. Innenwelt 54 Intellekt 123 Intuition 23 Japan VII Jun Zi 君 子 (Gebildeter) 102 Junktorenlehre 159 f., 161 Karma (kausaler Handlungszusammenhang) 104 f. Kategorie, logische 143, 146 Kategorienverwechslung 140, 143, 146, 150 Kausalität 104 f., 109
195
Kausaltheorie XIV Kausalzusammenhang 104, 119 Kenon (gr.: Leeres) 134 Konfuzianismus 99 Kong 空 (Leeres) 101, 126 Körper 15, 47 ff., 53, 55, 90 f. Körpergestalt 15 Kreislauf (samsara) 47, 93 Lai 来 (Herkommen, Vergangenheit) 128 f. Land der Mitte (Zhong Guo, China) 100 Leben 36 Leeres (shunya) X, 16 f., 40 f., 63, 66, 77 ff., 101 Leerheit (shunyata) 63, 70, 78 f., 83, 127, 161, 164, 168 Lehrpfad des Heils (s. Heilsweg) 77, 81 Leiden VIII, 19 f., 38 f., 42, 53 ff., 72, 76 f., 80 f., 83, 89, 102 f. Leidender 19 f., 42 Leidenserscheinung 19 f. Leuchte 22 Li Ji 礼 记 (Buch der Sitten) 102 Licht 22 f. Liebe 88 Logik 138 ff. – chinesische 161 – dialektische 138, 154 – mehrwertige 141 – Nyaya- 159 – orientalische 139 – protreptische 139 – transzendentale 138 – zweiwertige 141
196
Sachregister
Luftschloß 73 Lust 75 Madhyamaka-Karika (Zhong Lun) 99, 108, 111, 166 Mahayana-Buddhismus VII, VIII, 99 ff., 105, 126 Manas (Denkkraft, Vernunft) 122 Materie 114 Materieursache (ci di yuan, alambana) XIV, 5 Maya-Bereich 69 f. Maya-Elemente 69 f., 89, 93f. Maya-Welt 47 Me on (gr.: Nicht-Sein) 114 Mens (lat.: Verstand, Vernunft) 122 Mensch 30 f., 92, 103 Merkmal 17 f., 20 f., 35, 37, 42, 56, 63, 71, 163 – der Zeit 58 – des Raumes 17 f. – des stillen Vergehens 71 – generisches 163 Metasinn 151 Methexis (gr.: Teilhabe) 108 Methode, skeptische XIII, 167 Mie 灭 (Vergehen, Verlöschen) 129 f. Ming Jia 名 家 (Namensschule, Logiker) 161 Missetat 27 Mitte 3, 100 Mittlerer Weg VIII, XII f., XV, 99, 145 f. Mo Jia 墨 家 (Schule des Mo Ti) 161
Modus ponens 156 f. Modus tollens 156 f. Mönchsgemeinde 77, 81 Nach-Welt 93 Namensschule (Ming Jia) 161 Nebenarten 144 Nebenbegriff 163 Negation 144 Neuplatoniker VII, XIV Nicht-Erscheinendes 66 Nichterzeugung 6 Nicht-Gänger 9 Nicht-Handeln 83 Nicht-Leeres 66, 80 Nicht-Nichts 86 Nicht-Reines 73ff. Nichts (wu) 18, 85, 99 ff., 113, 117, 120 f., 127, 133 ff., 136 ff. Nichtsehen 13 Nichtsein 28, 44f., 67, 86, 128, 135, 152 Nichtseinsmerkmal 26 Nichtursache 53, 110 f. Nichtverursachung 7, 111 Nie pan 涅 盤 (s. Nirvana) Nihil 133 Nihilismus 120, 133 Nirvana (nie pan, nirvana) 28, 47 f., 67, 78, 82, 84 f., 101, 146 – und Welt 87 Norm 106 f. Notion (widersprüchlicher Begriff bei Berkeley) 124 f. Null 134, 154 Nyaya-Logik 159 Oberbegriff 163
Sachregister
On (gr.: Seiendes, Sein) 133 Participatio (Teilhabe) 108 Person 88, 103 Persönlichkeit 103 Phänomen 107, 117 ff., 121, 126 f. Phänomenalismus 120 f. Phänomenologie 121 Phantom 73 Philosophie 135 f. – abendländische 135 – indische 100, 135 – westliche 135 Pi Zhi (Pratyekas, weise Denker) 51, 57 Ping Tian Xia 平 天 下 (Ordnung des Weltfriedens) 102 Pithanós (gr.: wahrscheinlich, glaubwürdig) 141 Po 破 (zerstören, auch: analysieren) 129 Prapanca (Spekulation, Folgerung) 3, 131 f., 152 Pratitya samutpada (Entstehung in Abhängigkeit) XI, XIV, 105 f., 108, 110, 115, 121, 128, 130 ff., 165 Pratyeka (Selbstdenker) 51, 57 Prinzipien 77 f., 82 Qi Jia 齐 家 (Familienordnung) 102 Qu 去 (Fortgehen, Zukunft) 128 f. Quästionenmethode 145 Quantifikatoren 161 f. Quantifikation der Begriffe 164
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Raum 17 f., 154 Reactio 154 Realismus IX, 120 f., 129 Realität X, 107, 120, 126, 129 – historische 129 Rechenjunktoren 162 Recht (fa) 107 Rechtsdokument 51 Reductio ad absurdum 149 Reines 72 ff. Res 126 Riechsinn 13 Ruo 若 (falls, wenn) 155 f., 158 Samagri (Gesamtheit) 169 Samanantara pratyaya (yuan yuan, causa efficiens, Wirkursache) 111 ff., 113 Samen 50 Samkhya-Schule 100 Samsara (Kreislauf der Wiedergeburten) 47 f., 85, 93 Samsarga (Verbindung) 168 Samskara (Zusammengesetzes) 168 Sat (Sein) 133 Sauermilch 41 Sautrantika-Schule 51 Schein 104 – bloßer 104 Schluß 156, 158 f. – implikativer 157 Schlußformen, chrysippsche 155 Sho-in (jap.: Erkenntnisobjekt) 112 Schuld 49, 52 f., 82
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Sachregister
Seele 103 Sehen 13 f. Sehender 14, 31 Sehsinn 13, 30 Sehvermögen 13 Sein 28, 44 f., 65, 68, 85 f., 104, 128, 134, 152 Seinsmerkmal 26 Seinszusammenhang 68 Selbst (atman) 103, 165, 167 Sensus communis 122 Shang Shu 上 书 (Geschichtsbuch, Buch der Dokumente der Shang-Dynastie) 100 Sheng 生 (Hervortreten, Entstehung, Geburt, Leben) 128, 130 Shu Jing 书 经 (Buch-Klassiker, s. Shang Shu) 100 Shunya (Leeres) X, 126, 161, 168 Sinn 30 ff. – sechs Sinne 122 Sinneserfahrung 30 Sinneswahrnehmung 14, 88, 122 f. Sinnlichkeit 122f Skepsis VII, 116 f. Skeptiker 97, 145 Skeptizismus 117 Speculatio 123 Spekulation (xi lun, prapanca) 3, 71, 87 Spuk 54 Stehenbleiben 10 Sterben 36 f., 89, 93 Stoiker 110, 113 f. Subjekt X, 121, 123, 125
– transzendentales 121 Substantialität 5, 40, 44 ff., 52 ff., 69, 71, 104, 127 Substanz 44, 63, 73, 79, 83, 107, 119 Substanzbegriff, aristotelischer 107 Substanzloses 7, 63, 76 Substanzlosigkeit 40 Süßmilch 41 Svabhava (Substanz, Selbstsein) 106 f., 169 Syllogistik XV Synkatagorema 160 Tastempfindung 73 Tastsinn 13 Tat 27 – gute 27, 78, 82 – schuldhafte 76 Täter 27 ff., 53 f., 79, 82 Tätigkeit 49 f., 52 ff. – karmatische 49 – mündliche 49 Täuschung 72 ff., 127 Teilhabe 108, 159 Tetralemma (catuskoti) XV Text 139 Theologie VII Theorie 123 Tibet VII Tian 天 (Himmel, auch: Gottheit) 167 To-mu-ken (jap.: mental zu ergänzende Ursache) 112 To ti en einai (das was war und ist, Ge-Wesen = aristotelische Substanzdefinition) 107, 130
Sachregister
Träger (von Erscheinungen) 30 Traumgebilde 26, 54, 73 Tugend 49 Unbegrenztheit 87 Unbeständiges 87, 93 Unbewirktes 86 Unbewußtes 123 Universaldeterminismus 115 Unterschiedlichkeit 3, 43, 128 f., 143 Unvorstellbarkeit 141, 148, 150 Unwissenheit 75 Ursache XVI, 5, 27, 53, 56, 61 f., 105, 111, 119, 128, 142, 144 – extrinsische 109 – formale (yin yuan, hetu) 3, 5, 16, 34, 37 f., 56, 60 ff., 79 f., 83, 88, 109, 130, 143 f. – fünfte XIV – intrinsische 109, 113 – materiale (ci di yuan, alambana) 5, 109 – teleologische (zeng shang yuan, adhipati) 5, 109 f. – wirkende (yuan yuan, samanantara) 5, 109 f., 142 – wirkungslose 109 Ursache-Wirkungszusammenhang 67, 78, 105, 119 Ursachelosigkeit 27, 92 Ursachenverbindung 64 Ursachenvereinigung 23 Ursprung 21 f. Urteilsenthaltung 140 Vaisesika-Schule 100
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Veda 104 Vedanta-Schule 100 Verblendung 72 Vereinigungsmerkmal 20 Vergangenheit 58, 90 Vergangenheitswelt 90 Vergehen 20, 23, 26, 47, 66, 68, 77, 79 f., 129 Vergeltung 27 f., 50 ff., 54, 82, 91 Verhaftetsein 88 Verlöschen 74, 83 – stilles 153 Vermutung 155 ff. Verschiedenheit 143 Verstrickung (in das samsara) 47 f., 88 Verursachung 7, 73, 109 vier Ursachen XIV, 5, 39, 44, 105 Vier-Ursachen-Lehre (aristotelische L.) 108 f., 116, 141 Vollheit 127 Wahrheitswert 141, 150, 157 Wahrnehmbares 42 f. Wahrnehmen 35, 42 f. Wahrnehmender 35, 42 f. Wahrnehmung 48, 67, 85, 88, 137 – des Nichts 136 ff. Wahrscheinlichkeit 115, 141 Welt 71, 90, 93 f. – zukünftige 90, 92 Weltfrieden 102 Werden 65, 129 Wesenlosigkeit 40 Wesensschau 123
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Sachregister
Widerspruch 146, 150 ff., 155 Wiedergeburt 88, 105 Wiedergeburtsschicksal 102, 105 f. Wiederkehrender (ru lai, tathagata) 69 ff., 86 – dahingegangener (tathagata) 69 ff. Wirk-lichkeit X Wirklichkeit 120, 126 Wirkung 5 ff., 27, 60 ff., 105 – nichtleere 62 f. Wirkursache (yuan yuan, samanantara pratyaya) XIV, 5, 142 Wu 无 ( (Nichts) 135 Wu Wo 无 我 (Ichlosigkeit) 55, 125 Xi Lun 戏 论 (prapanca, Spekulation, Folgerung) 3, 132, 152 Xiang 相 (Eigenschaft) 163 Xiu Shen 修 身 (Persönlichkeitsbildung) 102 Yin 因 (hetu, Ursache, Grund, Begründung) 114 Yin Yuan 因 缘 (hetu pratyaya, formale bzw. begriffliche Ursache, Begründung) 3, 5, 16, 34, 37 f., 56, 60 ff., 79 ff., 83, 88, 109, 112 f., 114, 130, 132, 143 f. You 有 (Sein, Haben, »es gibt«) 133, 135 Yuan Yuan 缘 缘 (samanantara
pratyaya, Wirkursache, causa efficiens) XIV, 5, 112 f., 142 Yun Zhi Jue Zhong 允 执 厥 中 (»Halte treu die Mitte!«) 100 Zahlbegriff 134, 154 Zeichen 119 – chinesische Schriftzeichen 160 – totes 160 Zeit 8, 58 f., 65, 68 Zeng Shang Yuan 增 上 缘 (adhipati pratyaya, teleologische bzw.Zweckursache) XIV, 5, 111 ff., 142 Zerfall 65 f. Zerstörtwerden 129 Zheng Xin 政 心 (Charakterbildung) 102 Zhi Guo 治 国 (politisches Engagement, Staatsregierung) 102 Zhi Zhi 致 知 (Wissenserwerb) 102 Zhong 中 (Mitte) 100 Zhong Guo 中 国 (Land der Mitte, China) 100 Zhong Lun 中 论 (Traktat vom mittleren Weg) 98 f., 166 Zi xing 自 性 (Selbst-Sein, Eigensein) 106 Zo-jio (jap.: Hilfsursache) 112 Zufall 115 Zukunft 58, 62 Zweckursache (zeng shang yuan, adhipati pratyaya) XIV, 5, 111 ff., 142