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German Pages 209 Year 1986
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 59
Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz
Von
Hannes Schürmann
Duncker & Humblot · Berlin
HANNES
SCHÜRMANN
Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz
Strafrechtliche Abhandlungen • Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 59
Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz
Von D r . Hannes Schürmann
DUNCKER
&
HUMBLOT/BERLIN
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Winrich Langer, Marburg
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schürmann, Hannes: Unterlassungsstrafbarkeit und Gesetzlichkeitsgrundsatz / von Hannes Schürmann. - Berlin: Duncker und Humblot, 1986. (Strafrechtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 59) ISBN 3-428-06064-4 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1986 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06064-4
Vorwort Die Arbeit hat dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im Juni 1984 fertiggestellt. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Winrich Langer, gilt mein besonderer Dank für seine ständige Gesprächsbereitschaft, für die geduldige Betreuung und für die großzügige und wohlwollende Unterstützung, die er mir während meiner Assistentenzeit an seinem Lehrstuhl und darüber hinaus gewährt hat. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Prof. Dr. Peter Häberle, der in seinen verfassungsrechtlichen Vorlesungen und Seminaren mein Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten geweckt hat. Dem Zweitberichterstatter, Herrn Prof. Dr. Dieter Meurer, danke ich für die Anregungen, die er mir im Hinblick auf die Drucklegung der Arbeit gegeben hat. Schließlich danke ich Herrn Prof. Dr. Eberhard Schmidhäuser für die Aufnähme meiner Arbeit in die Reihe der Strafrechtlichen Abhandlungen und für seine freundliche und rasche Mithilfe bei der Veröffentlichung. Hannes Schürmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung
13 Erster
Teil
Der Regelungsgehalt des § 13 1. Abschnitt Der „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörende Erfolg" A. Der Erfolgsbegriff i m Sinne der Abgrenzung „Erfolgsdelikte" - „(schlichte) Tätigkeitsdelikte" I. Erfolg als vom Handeln abstrahierbares Ereignis II. Erfolg als zeitlich und/oder räumlich von der Handlung abgrenzbares Ereignis 1. Erkenntniswert der Abgrenzung für die Begehungsdelikte 2. Bedeutung für die Unterlassensstrafbarkeit nach §13 III. Ergebnis
19 20 23 26 28 29 32
B. Der alle Begehungsdelikte erfassende Erfolgsbegriff i n eigener Sicht I. Struktur der tatbestandlichen Unrechtsbegründung bei den Begehungsdelikten II. „Erfolg" auch als die für die Vollendung ausreichende Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt? 1. Die möglichen tatbestandlichen Geschehensausschnitte 2. Bestimmung des Erfolgsbegriffs vom Rechtsgut her a) Erfassen des objektiven Unwertgehalts b) Einbeziehung der subjektiven Unrechtsmerkmale? aa) Bedeutung der subjektiven Unrechtsmerkmale bei den Begehungsdelikten bb) Übertragung auf das Unterlassungsdelikt? (1) Der Handlungswille (2) Die rechtsgutsverletzenden Absichten (a) Absichtliches Unterlassen? (b) Der beabsichtigten Rechtsgutsverletzung entsprechendes Unterlassen? cc) Zwischenergebnis c) Ergebnis
32 33 36 36 38 40 42 42 42 43 46 46 48 49 49
2. Abschnitt Das Unterlassen der Erfolgsabwendung
50
A. Die objektive Zurechnung des Erfolges
50
B. Unterlassen der Erfolgsabwendung bei schon eingetretener Rechtsgutsobjekts Verletzung?
57
8
nsverzeichnis 3. Abschnitt Die Wendung „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt"
A. Verweis auf Rechtsnormen, die auf Erfolgsabwendung gerichtete Handlungspflichten statuieren I. Erfolgsabwendungspflichten in §§ 138, 323 c? II. Erfordernis von „Garantenpflichten"?
61 64 66
1. Die amtliche Begründung zu § 13 des Entwurfs 1962 2. Begründung im sonstigen Schrifttum B. Erfordernis einer Rechtspflicht als überflüssiger oder tautologischer Hinweis?
67 69
C. Ergebnis
74
71
4. Abschnitt Die „ Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" - Bedeutung für die Frage der Anwendbarkeit des §13 auf die bereits positivierten Unterlassungsdelikte
76
A. Vorschriften mit ausschließlicher Schilderung von Unterlassungsdelikten . . .
76
B. Vorschriften, i n denen sowohl eine Handlung als auch ein Unterlassen erfaßt sind
77
5. Abschnitt Das Entsprechenserfordernis A. Der Unwertgehalt als Vergleichsgröße für die Feststellung des Entsprechens? I. Keine „tatsächliche Gleichheit" der Unterlassung nach der amtlichen Begründung zu § 13 ; II. Unterscheidung von „reinen Erfolgsdelikten" und „verhaltensgebundenen Delikten" als Grundlage der Auslegung des Entsprechenserfordernisses?
88 89 89
92
1. Der „soziale Sinngehalt" und die „vergleichbare Prägung" des Unterlassens 95 2. Die „doppelte Gleichwertigkeitsprüfung" 102 3. Das Entsprechen i n den „für die Zurechnung maßgeblichen sachlogischen Strukturen" 105 4. Ergebnis 109 III. „Gleichwertigkeit" als Gleichheit des Unwerts
109
IV. Unwertgehalt und Strafmilderungsmöglichkeit
111
1. Beschränkung auf den Unrechtsunwert - Konsequenzen für die Tatbestandsbildung 112 2. Entsprechen als „annähernde Gleichheit" im Unwertgehalt 115 V. Ergebnis
117
B. Die Ermittlung des „entsprechenden" Unwertgehalts der unterlassenen Erfolgsabwendung 117 I. Erfordernis einer Sonderpflichtverletzung II. Die Bestimmung der sonderunwertbegründenden Merkmale III. Die fehlende Angabe der Sonderpflichtvoraussetzungen in § 13
118 119 124
nsverzeichnis Zweiter
9
Teil
Die Vereinbarkeit der Regelung in § 13 mit dem Verfassungsgrundsatz der gesetzlichen Strafbarkeitsbestimmung (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) 1. Abschnitt § 13 im Lichte des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz im gegenwärtigen Schrifttum
126
A. Die Stellungnahmen für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung i n §13
127
B. Verfassungswidrigkeit der Regelung in §13?
147
C. Ergebnis
149 2. Abschnitt Der für §13 bedeutsame Gehalt des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz
A. Die einzelnen Forderungen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz
151 151
B. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgebot 156 I. Die auf Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit abstellenden Grundsätze 156 II. Die Aufweichung der eigenen Grundsätze bei der praktischen Anwendung 158 C. Das Gebot bestimmter Straftatbestände in eigener Sicht
164
I. Die historische Entwicklung des Gebotes als Verständnisgrundlage seiner heutigen Bedeutung 164 II. Ermittlung der Bedeutimg des Bestimmtheitsgebotes aus dem „Verfassungsganzen" - Das Gebot als Konsequenz des Verständnisses von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz als Kompetenzzuweisungsnorm im Rahmen der grundgesetzlichen Funktionenverteilung 170 1. Demokratieprinzip als Grundlage der Funktionenzuweisung
174
a) Funktionell-rechtliches Verständnis der Gesetzgebung b) Funktionell-rechtliches Verständnis der Rechtsprechung c) Konsequenzen
175 178 181
2. Rechtssicherheit durch Zuweisimg der Strafbarkeitsbestimmung an den (demokratischen) Gesetzgeber - Wechselbezogenheit von Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit 182 a) Grundrechtsbegrenzung und -ausgestaltung 182 b) Grundrechtsgewährleistung durch Kontrolle im Sinne von Nachvollziehbarkeit 185 3. Verhältnis Rechtssicherheit - Gerechtigkeit
186
D. Konsequenz für § 13
187
Ergebnis und Ausblick
189
Literaturverzeichnis
196
Abkürzungsverzeichnis a.a.O. Abs. AE a.F. Alt. Anm. AöR ArbGG Art. AT Aufl. BayGVBl. BayObLG BayObLGSt Bd. BGB BGBl. I BGH BGHSt BT BTagsDrucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG ders. Diss. DÖV DVB1. Entwurf 1959 (E 1959) Entwurf 1962 (E 1962) etc. FamRZ FAZ FGO Fußn., Fn. GA gem. GrS
am angegebenen Ort Absatz Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1969 alte Fassung Alternative Anmerkung Archiv für öffentliches Recht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Allgemeiner Teil Auflage Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil 1 Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz derselbe Dissertation Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, Vorschlag der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums, Niederschriften Bd. 12, Anhang B Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuches (mit Begründung), Bonn 1962 (auch BTagsDrucks. IV/650) et cetera Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzgerichtsordnung Fußnote Goltdammer's Archiv für Strafrecht (seit 1953); Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, begründet von Th. Goltdammer (1880 - 1930) gemäß Großer Senat
Abkürzungsverzeichnis GS GVG Hrsg. i.S.d. i.V.m. JA JR JuS JZ LG Ls Materialien MDR MSchrKrim Niederschriften NJW NStZ ÖJZ OLG OWiG Prot. RGBl. RGSt Rn. s. S. SchwZStr SGG SJZ sog. Sp. StA StGB StPO StVG u.a. v. Verf. vgl. Vorbem. VRS WDStRL VwGO ZPO ZRP ZStW
11
Der Gerichtssaal Gerichtsverfassungsgesetz Herausgeber im Sinne des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Landgericht Leitsatz Materialien zur Strafrechtsreform, 15 Bände, Bonn 1954 - 1962 Monatsschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 14 Bände, Bonn 1956 - 1960 Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Strafrecht Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Protokolle der Sitzungen des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsref orm in der 5. Wahlperiode Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer siehe Seite Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung sogenannt Spalte Staatsanwaltschaft Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Straßenverkehrsgesetz und andere, unter anderem vom Verfasser vergleiche Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB
Einleitung Laut § 13 StGB ist die unterlassene Abwendung eines Erfolges, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn der Unterlassende rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht (Abs. 1). Die Strafe kann gemildert werden (Abs. 2). Inhalt und Bedeutung der im Jahre 1975 mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz in Kraft getretenen Vorschrift 1 sind bislang weitgehend ungeklärt. Bereits im Gesetzgebungsverfahren blieben viele Einzelheiten der Regelung umstritten und bestanden Zweifel hinsichtlich Tragweite und Aussagekraft der Strafbarkeitsvoraussetzungen 2. Vor 1975 hatte die Rechtsprechung aus Strafvorschriften des StGB, in denen Begehungsdelikte3 beschrieben sind, sogenannte Garantenunterlassungsdelikte abgeleitet und wie Begehungsdelikte bestraft. Dem lag das Bedürfnis nach einer weitergehenden Bestrafung von Unterlassungen zugrunde, als sie durch die bestehende gesetzliche Regelung der Unterlassungsstrafbarkeit in nur einigen wenigen Vorschriften (wie etwa § 330 c a.F. - „Unterlassene Hilfeleistung") ermöglicht wurde. Diese Rechtsprechung stieß jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken: Nach Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz darf eine Tat nur bestraft werden, wenn ihre Strafbarkeit „gesetzlich bestimmt" war, bevor die Tat begangen wurde. Die Strafbarkeitsvoraussetzungen der Garantenunterlassungsdelikte, insbesondere die Voraussetzung der Garantenstellung des Unterlassenden, waren demgegenüber nicht im Gesetz niedergelegt. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken wurde daher die Vorschrift des § 13 geschaffen. In den Gesetzgebungsmaterialien finden sich der Grund der Regelung und die mit ihr verfolgten Ziele in der Begründung zu § 13 des Entwurfs 19624 wie folgt formuliert: „Da die einzelnen Tatbestände des Besonderen Teils (des StGB, Anm. vom Verfasser) in ihrer Ausformung auf die Begehung 1
In der Bekanntmachung vom 2. 1. 1975 (BGBl. I, S. 1,11); im folgenden ist jeweils diese Fassung gemeint, wenn von § 13 ohne Benennung eines Gesetzes oder Gesetzentwurfes die Rede ist. 2 Vgl. die Ausführungen des Bundes justizminist eriums im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, Prot. S. 1644ff.; vgl. weiterhin Prot. S. 1860ff. 3 Die Ausdrücke „Begehungsdelikt", „Tätigkeitsdelikt" und „Handlungsdelikt" werden im folgenden im gleichen Sinne verwandt. 4 Begründung zum Entwurf 1962, S. 124.
14
Einleitung
durch ein Tun zugeschnitten sind, ist für die sogenannten unechten Unterlassungsstraftaten eine allgemeine gesetzliche Regelung notwendig, aus der sich die Grundsätze und Richtlinien dafür ergeben, wem die Nichtabwendung eines tatbestandsmäßigen Erfolges zugerechnet w i r d (Garantenproblem) und in welchen Fällen ein solches Unterlassen ebenso zu behandeln ist wie die Tatbestandsverwirklichung durch ein Tun (Gleichwertigkeitsproblem). Hiervon handelt § 13". Im übrigen empfehle sich aus rechtsstaatlichen Gründen die nähere gesetzliche Bestimmung dieser rechtlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen, „um die Praxis auf feste Grundlagen zu stellen und Zweifel, die immer wieder auch im Hinblick auf den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit der Straftatbestände (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) geäußert werden, zu beseitigen". Vergleicht man diese der Entwicklung und Entstehung der Vorschrift zugrunde liegenden ursprünglichen Postulate mit der amtlichen Begründung zu der endgültigen Fassung des § 13 und wirft zugleich einen ersten Blick auf den Wortlaut der Vorschrift, so ist eine auffällige Diskrepanz festzustellen. In der amtlichen Begründung heißt es nämlich, daß die Zeit für eine sachgemäße gesetzliche Regelung der Problematik, wann (also auch: für wen) eine Handlungspflicht entstehe, noch nicht reif sei 5 . Damit wird offen zugegeben, daß die erste Forderung an eine strafbegründende allgemeine Unterlassungsvorschrift, nämlich die notwendigen „Grundsätze und Richtlinien" dafür aufzustellen, wer überhaupt als „Unterlassimgstäter" für die Zurechnung eines tatbestandsmäßigen Erfolges in Betracht kommen soll, mit der Strafvorschrift des § 13 nicht erfüllt wird. Ersetzt man in der Formulierung der zweiten Forderung an die von § 13 zu erbringende Leistung den Ausdruck der „Gleichwertigkeit" von Tun und Unterlassen durch den nach Ansicht des Gesetzgebers6 im Grunde dasselbe meinenden 7 , aber nach der amtlichen Begründung zu § 13 „etwas neutraleren Begriff" des „Entsprechens" von Tun und Unterlassen, dann müßten sich die „Grundsätze und Richtlinien" dafür, in welchen Fällen ein solches Unterlassen ebenso zu behandeln (d.h. zu bestrafen) sei wie die Tatbestandsverwirklichung durch ein Tun, also wann das Unterlassen dem Tun entspricht , aus § 13 ergeben. Das gesetzgeberische Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen des Bundesgesetzgebers klingt wie ein Echo: „Wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht." 5
BTagsDrucks. V/4095, S. 8. Womit hier nicht nur der formelle Gesetzgeber im Sinne der durch das Grundgesetz als Legislative eingesetzten Organe der Gesetzgebung, sondern auch der informelle Gesetzgeber gemeint ist, also die Personen, von denen die Gesetze tatsächlich „gemacht" werden; näher dazu Maihof er, in: Winkler / Schilcher, Gesetzgebung, S. 4ff., 20ff.; vgl. auch Noll, Gesetzgebungslehre, S. 44ff; ähnlich Scheuner, DÖV 1960, S. 604 f. 7 Vgl. Bundesjustizministerium, Prot. S. 1868. 6
Einleitung
Die Stellungnahme der Verfasser des § 13 in der Begründung im Sonderausschuß des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform hierzu lautet: § 13 wolle klarstellen, daß der Unterlassende eine Garantenpflicht haben und daß das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen müsse. Wann nun allerdings im einzelnen eine solche Garantenpflicht bestehe und wann das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspreche, müsse der Wertung durch die Rechtsprechung überlassen bleiben. Für diese Wertung gebe § 13 allerdings sehr wichtige Hinweise, nämlich einmal durch die Forderung der Garantenstellung und zum anderen durch die „Gleichwertigkeitsklausel" 8 . Mit anderen Worten: Für die Lösung der von § 13 aufgeworfenen Frage, wann ein Unterlassen einem (gedachten) Tun entspricht, gibt § 13 den wichtigen Hinweis , daß das Unterlassen einem Tun entsprechen muß! Diese Scheinbegründung zeigt, daß hier die Vorstellungen der an der Gesetzesvorbereitung Beteiligten über das, was die Vorschrift des § 13 zu leisten habe, in keiner Weise verwirklicht worden sind. Gerade die zuletzt wiedergegebene „Begründung" macht offenkundig, daß - immer unter Zugrundelegung der Meinung der Gesetzesväter - mit § 13 die selbst vorgegebenen Optionen, nämlich „die Praxis auf feste Grundlagen zu stellen" und „Zweifel... im Hinblick auf den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit der Straftatbestände (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) ... zu beseitigen", nicht erfüllt wurden. Noch deutlicher wird dies, wenn man die Begründung zu § 1 des Entwurfs von 19629, der den Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz wiederholt, zum Maßstab nimmt. Dort heißt es, § 1 enthalte die Forderung, „daß das Gesetz das strafbare Handeln so bestimmt umschreiben muß, daß die Rechtsprechung in seinen Vorschriften eine zuverlässige und feste Grundlage für die Anwendung auf die in Betracht kommende einzelne Tat findet". Wie aber kann § 13 eine zuverlässige und feste Grundlage für die Rechtsprechung abgeben, wenn die entscheidenden Fragen „der Wertung durch die Rechtsprechung überlassen bleiben" müssen, ohne daß Kriterien für diese Wertung vorgegeben sind, wie aus den Aussagen der Gesetzesväter selbst hervorgeht? Wie soll § 13 eine zuverlässige und feste Grundlage für die Anwendung auf die einzelne Tat bilden, wenn schon die Urheber der Vorschrift, in der abschließenden Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform auf die Lösung eines Gastwirts-Falles angesprochen 10, zugeben müssen, „derartige Einzelfälle könnten allein von der Fassung des 8
Prot. S. 1864. S. 106. 10 Die Frage lautete, ob sich ein Gastwirt, der einen angetrunkenen Gast nicht daran hindere, sich ans Steuer zu setzen, wegen eines Unterlassungsdelikts schuldig mache, wenn dieser Gast einen Unfall verursache. 9
16
Einleitung
Gesetzestextes her nicht entschieden werden" 11 ? Der anschließende Verweis auf die schwankende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und die ausgedrückte Hoffnung, die „Gleichwertigkeitsklausel" (gemeint ist das Entsprechenserfordernis) werde „aber vielleicht" eine restriktive Wirkung auf die ausufernde Tendenz in der Rechtsprechung haben 12 (in der - ebenso wie in der Lehre - „viele Einzelheiten" der grundlegenden Fragen der Strafbarkeit von unterlassenen Erfolgsabwendungen „heftig umstritten" seien 13 ), bestätigen, daß schon nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Voraussetzungen der Strafbarkeit in § 13 nicht festgelegt sind, sondern ihre Aufstellung der Rechtsprechung überlassen bleibt. Die Schlußfolgerung aus den Begründungen der Gesetzesväter würde sich zusammengefaßt folgendermaßen darstellen: Für die Bestrafung von Unterlassungen, die ebenso strafwürdig erscheinen wie die in den einzelnen Straftatbeständen des Besonderen Teils normierten Handlungsdelikte, ist aus rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere wegen Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz, eine gesetzliche Regelung notwendig, die zum einen die nähere Bestimmung des „Normsubjekts" 1 4 vornimmt (laut Begründung des Entwurfs 1962 die „Grundsätze und Richtlinien" dafür aufstellt, wem die Nichtabwendung eines tatbestandsmäßigen Erfolges zugerechnet werden soll) und zum anderen die Voraussetzungen bestimmt, unter denen das Unterlassen „ebenso zu behandeln ist" wie das Tun 1 5 , also dem Tun entspricht. Anstatt die danach notwendige Bestimmung der Voraussetzungen vorzunehmen, unter denen das Unterlassen dem Tun entsprechen soll, wiederholt § 13 die Forderung, daß das Unterlassen dem Tun entsprechen müsse. Bezüglich der gesetzlichen Bestimmung des Normsubjekts schließlich ist die „Zeit für eine sachgemäße Regelung ... noch nicht reif" 1 6 . Gleichwohl w i r d eine strafbarkeitsbegründende Regelung geschaffen, aus der - nimmt man die Begründung beim Wort - notwendigerweise nicht hervorgehen kann, wer als Normsubjekt in Frage kommen soll, und aus der sich die Voraussetzungen, unter denen eine „Gleichbehandlung" mit dem Tun ermöglicht wird, also die Strafbarkeitsvoraussetzungen, nicht ergeben. Es handelte sich somit - in konsequenter Weiterführung der Begründungen der Gesetzesväter - um eine schon praktisch - weil die Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht angebende - unanwendbare Strafnorm, die nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine Strafvorschrift entspräche und daher verfassungswidrig wäre 17 . 11
So Dreher für das Bundesjustizministerium, Prot. S. 1867. Ders., a.a.O. 13 Bundesjustizministerium, Prot. S. 1645. 14 Wobei es sich nicht um eine Einschränkung des Normadressatenkreises handelt, vgl. dazu Armin Kaufmann , Normentheorie, S. 132 ff. 15 Begründung zum Entwurf 1962, S. 124. 16 Bundestags-Drucksache V/4095, S. 8. 12
Einleitung
Dieses Ergebnis stellt sich allerdings nur als Schlußfolgerung aus einem Vergleich der im Verlaufe des Entstehens der Vorschrift publizierten Äußerungen des Gesetzgebers dar. Maßgeblich aber sind letztlich nicht die möglicherweise unzulänglichen - Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, sondern ist der Gesetzestext selbst. Im Gegensatz zu dem aus den Verlautbarungen des Gesetzgebers gewonnenen Ergebnis herrscht denn auch im wissenschaftlichen Schrifttum die Meinung, § 13 sei verfassungsgemäß, entspreche also den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine Strafbarkeitsregelung. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage fehlt allerdings. Auch den Strafgerichten dient die Vorschrift seit nunmehr gut zehn Jahren als Grundlage für die Verurteilung zu Strafe. Bei der veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung fällt jedoch auf, daß regelmäßig nicht einmal angegeben wird, wie sich der gem. § 13 in Verbindung mit einem Strafgesetz des Besonderen Teils erst vom Gericht zu bildende Unterlassungstatbestand überhaupt darstellt, geschweige denn, daß eine Subsumtion des zu beurteilenden Sachverhalts unter die einzelnen Merkmale dieses Tatbestandes versucht wird 1 8 . In Anbetracht der hier aufgezeigten Diskrepanzen ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, unbefangen und unvoreingenommen auch angesichts der vor 1975 erfolgten Bestrafungen von sogenannten „unechten" Unterlassungsdelikten - also „Delikten", die, wie die Bezeichnung schon offenbart, im Gesetz gar nicht als solche vorgesehen waren - die Vorschrift des § 13 auf ihren genauen Inhalt und ihre Tauglichkeit als Grundlage der Bestrafung von „Begehen durch Unterlassen" 19 zu untersuchen. Die Arbeit betrifft den Bereich der Unterlassungsdogmatik und damit eine Grundfrage der allgemeinen Straf rechtslehre. Wegen ihres sachlichen Zusammenhangs mit der vorausgesetzten Straftatsystematik kann diese Grundfrage nicht losgelöst von ihr behandelt werden. Da über den Aufbau der Verbrechenslehre ein vielfältiger Streit innerhalb der Strafrechtswis17 Zum zwiespältigen Verhältnis des Strafgesetzgebers zu seinen eigenen Prämissen hinsichtlich des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz und deren Verwirklichung in der konkreten gesetzgeberischen Arbeit vgl. weiter die Begründung zu § 221 des Entwurfs 1962 (S. 385), wonach von vornherein erkannte Abgrenzungsprobleme der Rechtsprechung überlassen bleiben sollen, oder (noch krasser) zu §172 (S. 314: hinsichtlich der Frage, ob die Beleidigung einer Personenmehrheit strafbar sein solle oder nicht), wo das Eingeständnis nicht gescheut wird, daß man sich bewußt von dem Bestreben habe leiten lassen, „weder den Anhängern noch den Gegnern des Gedankens irgendwelche Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Ansicht an die Hand zu geben", s. dazu bereits die K r i t i k bei Lange-Fuchs, NJW1967, S. 1844. " Vgl. nur BayObLG, JR 1979, S. 289, 291; OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 2369; der Bundesgerichtshof nimmt zumindest teilweise die Vorschrift des § 13 gar nicht zur Kenntnis und bestraft Untätigbleibende ohne Anwendung eines die Strafbarkeit von Unterlassungen anordnenden Gesetzes, siehe BGHSt 27, 10; BGH NStZ 1981, S. 218 - v g l . dazu Schürmann , MDR 1982, S. 374. 19 So die amtliche Überschrift des § 13.
2 Schürmann
18
Einleitung
senschaft besteht, erschien es im Hinblick auf die Beschränkung des Themas als legitim, die Versuchung zu meiden, einen wesentlichen Teil der Arbeit darauf zu verwenden, den Grundsatzstreit zwischen den verschiedenen Verbrechenslehren klären zu wollen. Der Verfasser hat sich aus diesem Grund einer bestimmten Systematik angeschlossen20. Dieses Vorgehen erschien nicht zuletzt auch deshalb statthaft, weil das Thema der Arbeit zwar die Grundlagen der Verbrechenslehre betrifft, vom Streit der Meinungen über den richtigen Aufbau der Straftat jedoch nur am Rande berührt wird. Die vom Verfasser vorgetragenen Gründe wie auch die Ergebnisse, zu denen er gelangt, behalten deshalb auch bei abweichendem Verbrechensaufbau ihre Gültigkeit. Dort, wo ausnahmsweise einmal etwas anderes gilt, wird es im Text ausdrücklich vermerkt.
20 Es handelt sich um die von Schmidhäuser, AT 6/1 ff. begründete und von Langer , Sonderverbrechen, S. 274ff. weiterentwickelte teleologische Straftatsystematik.
Erster
Teil
D e r Regelungsgehalt des § 13 1. Abschnitt
Der „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörende Erfolg" Nach § 13 ist - unter weiteren Voraussetzungen - strafbar, „wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört". Angelpunkt der Regelung ist also ein „Erfolg", der nicht abgewendet wird. Mit der Bezugnahme auf den „Tatbestand eines Strafgesetzes", zu dem dieser Erfolg gehören muß, wird der Erfolg als bloßer Teil dieses strafgesetzlichen Tatbestandes ausgegeben. Versteht man unter dem Tatbestand eines Strafgesetzes die gesetzliche Vertypung bzw. die individualisierende Schilderung der Merkmale einer Straftat 1 , so erscheint es naheliegend, daß mit dem Erfolg als Teil eines Straftatbestandes auch jeweils nur ein Teil der gesetzlichen Deliktsschilderung gemeint sein kann. Da die der unrechten Handlung zugrundeliegende verwerfliche Gesinnung (als geistige Wertverfehlung) 2 sich schwerlich als „Erfolg", also als Folge des mit Strafe bedrohten Verhaltens begreifen läßt, ist davon auszugehen, daß die das Verbrechenselement der Schuld beschreibenden Teile der gesetzlichen Deliktsschilderung mit dem „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolg" nicht in Bezug genommen werden sollen. Vielmehr muß sich der „Erfolg" auf Momente des Unrechts bzw. der Strafwürdigkeit beziehen. Dies deutet auf einen Erfolgsbegriff hin, wie er in der Strafrechtssystematik zur Unterscheidung sog. Erfolgsdelikte von sog. (schlichten) Tätigkeitsdelikten geläufig ist, bzw. wie er bei der gebräuchlichen Entgegensetzung von Handlungs- und Erfolgsunwert von der wohl herrschenden Meinung in der Unrechtslehre 3 und von einer neueren Auffassung außerhalb des 1 Vgl. Schmidhäuser, AT 8/37, 8; Jescheck, AT, § 25 1.2., 3.; Langer, Sonderverbrechen, S. 275 und (grundlegend zur Bedeutung des Tatbestandes) S. 338ff. Vgl. auch Gallas, ZStW 67 (1955), 16. Die Merkmale einer Straftat sind die den Gesamtunwert des Verbrechens ausmachenden Sachelemente Unrecht, Schuld und Strafwürdigkeit; die Strafwürdigkeit ist als eigenständiges Sachelement des Verbrechens noch nicht allgemein anerkannt, vgl. aber Langer, Sonderverbrechen, S. 327ff., 360ff.; Schmidhäuser, AT 2/10ff. und 12. und 13. Kapitel. 2 Eingehend zur Definition der Schuld Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale, S. 168ff.; Langer, Sonderverbrechen, S. 320ff.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Unrechts im Rahmen von Strafwürdigkeitserwägungen benutzt wird 4 . So knüpft auch im Schrifttum zu § 13 ein Teil der Autoren an die Unterscheidung von „Erfolgsdelikten" und „(schlichten) Tätigkeitsdelikten" an und erklärt die Vorschrift des § 13 nur im Bereich der „Erfolgsdelikte" für anwendbar 5 , während der andere von einem weiteren, grundsätzlich alle Begehungstatbestände in Bezug nehmenden Erfolgsbegriff in § 13 ausgeht6. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob der im Sinne der Abgrenzung zwischen „Erfolgs-" und „Tätigkeitsdelikten" verwendete Erfolgsbegriff der in § 13 gemeinte sein kann. Dazu ist zunächst der Inhalt dieses Begriffes - so wie er in der Literatur verwendet wird - zu klären und seine Bedeutung im Rahmen der im Schrifttum getroffenen Unterscheidung zu untersuchen. Anhand der hierbei gewonnenen Erkenntnisse wird dann zu ermitteln sein, ob der untersuchte Erfolgsbegriff mit dem in § 13 verwendeten identisch ist, oder ob die teleologische Auslegung dieser Bestimmung eine andere, möglicherweise weitere Begriffsbildung gebietet. A. Der Erfolgsbegriff i m Sinne der Abgrenzung „Erfolgsdelikte" - „(schlichte) Tätigkeitsdelikte" Nach im Schrifttum vertretenen Auffassungen schildert der Unrechtstatbestand der sog. Erfolgsdelikte außer der (rechtsgutsverletzenden) Handlung (im Sinne der gewollten Körperbewegung) ein zeitlich nachfolgendes, der Handlung zuzurechnendes Ereignis 7 , eine raum-zeitlich abgrenzbare Wirkung am Handlungsobjekt 8 , eine - wenn auch nicht notwendig zeitlich, so doch jedenfalls logisch - von der Handlung getrennte Wirkung 9 bzw. 3 Vgl. Gallas, Festschrift für Bockelmann, S. 155ff., 166; Jescheck, AT, § 24 I I I 1 und 2; Lackner, Strafgesetzbuch, Vor § 13 Anm. III.3.b; weitere Nachweise s.u. Fußn. 66. 4 Schmidhäuser, AT 8/47ff.; Lüderssen, Festschrift für Bockelmann, S. 181, und ZStW 85 (1973), S. 292; weitere Nachweise s.u. Fußn. 66. 5 Jescheck, Leipz. Komm., § 13 Rn. 2; Bockelmann, AT, § 17AII; Schmidhäuser, AT 16/68; Rudolphi, System. Komm., § 13 Rn. 9 - 14; Gallas, Niederschriften Bd. 12, S. 81. 6 Lackner, Strafgesetzbuch, § 13 Anm. 3; Schönke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 3; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 326; Dreher / Tröndle, §13 Rn. 1; Maurach / Gössel, AT 2, § 46 I B 2 a (S. 134); Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, S. 85, 90; Horn, JR 1979, S. 292; Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 103; vgl. auch die Entwurfsbegründung des Bundesjustizministers zu § 13 im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, Prot. S. 1864; für § 13 des E 1962 bereits Grünwald, ZStW 70 (1958); S. 413. Vgl. auch schon Eberhard Schmidt, Niederschriften Bd. 2 (1958), S. 268 und Anhang S. 148f. 7 Schmidhäuser, AT 8/39. 8 Jescheck, AT, § 26 I I 1 a) (S. 208). 9 Roxin, Täterschaft, S. 406 (aber auch bei den - nach seiner Meinung gleichwohl von den Erfolgsdelikten unterscheidbaren - Tätigkeitsdelikten spricht Roxin von dem „Erfolg", der hier in der Tatbestandshandlung selbst liege, etwa dem zu schnellen Fahren); vgl. auch Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 9f., nach dem Handlung
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einen von der Tathandlung gedanklich abgrenzbaren Erfolg in der Außenwelt 1 0 . Hingegen erschöpfe sich bei den „schlichten Tätigkeitsdelikten" der Unrechtstatbestand in der Schilderung eines Handelns, ohne daß ein dem Handeln zuzurechnender Erfolg im obigen Sinne vorausgesetzt wird 1 1 . Als besonders augenfällige Beispiele für „Erfolgsdelikte" ließen sich danach die fahrlässige Tötung (§ 222), die fahrlässige Körperverletzung (§ 230) oder das Herbeiführen von (Kern-)Explosionen (§§ 310b Abs. 2, 311) oder Überschwemmungen (§§ 312 bis 314) anführen, bei denen jeweils neben der Handlung (Verursachen, Herbeiführen) der Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Tod bzw. Körperverletzung eines Menschen, Explosion, Überschwemmung) gesondert geschildert ist. Doch kann es für die Frage, ob ein Straftatbestand neben der Handlung auch einen solchen Erfolg voraussetzt, nicht auf die sprachlich getrennte Beschreibung eines von der Handlung unterscheidbaren Ereignisses ankommen, wie bereits ein Vergleich des Wortlauts des vorsätzlichen Totschlags (§ 212) mit dem der fahrlässigen Tötung (§ 222) zeigt: Was in § 222 mit je einem Ausdruck für den Erfolg (Tod - eines Menschen - ) und für die Handlung (verursacht) geschildert wird, beschreibt in § 212 allein die Wendung „einen Menschen... tötet". Ähnlich deutlich zeigt sich dies bei §§ 223, 230, nur mit dem Unterschied, daß das in § 223 in jeweils einer Formulierung beschriebene Geschehen („körperlich mißhandelt" oder „an der Gesundheit beschädigt") in § 230 mit dem Hauptwort „Körperverletzung" ausschließlich als der Erfolg bezeichnet und seine Herbeiführung getrennt mit dem Verb „verursacht" benannt wird. Diese Beispiele deuten die vielfältigen sprachlichen Möglichkeiten der Ausgestaltung der Tatbestände an und zeigen, daß allein aus dem Fehlen einer von der Handlung getrennten Erfolgsbeschreibung noch nicht auf das Fehlen eines solchen Erfolges geschlossen werden kann. Vielmehr soll das als Erfolg bezeichnete Ereignis zwar jeweils von der Handlung losgelöst gedacht werden können 12 , ist aus Gründen der Anschaulichkeit und allgeund Erfolg zumindest „logisch-begrifflich" voneinander verschiedene Sachverhalte sein müssen bzw. eine gedankliche Trennung jederzeit möglich sein muß, aber auch genügt. 10 Wessels, AT, § 1 II.2.a); ähnlich Schänke / Schröder / Lenckner, Vorb. §§ 13ff. Rn. 130. 11 Schmidhäuser, AT 8/38. Jescheck, AT, § 26 I I 1 b), und andere meinen das gleiche mit „Tätigkeitsdelikt". Trotz eines weiteren Erfolgsbegriffes (= Erfüllung des Tatbestandes; vgl. aber Zipfs Probleme mit dem Versuchsdelikt - untauglicher Versuch - , Maurach / Zipf, AT 1, § 17 I Rn. 7) kommt auch Zipf, Maurach / Zipf, AT 1, § 20 I I I 2, zur Unterscheidung von Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten, bei der dann mit der Betonung der räumlich-zeitlichen Komponente im Grunde wieder ein im Vergleich mit den übrigen Auffassungen im Schrifttum engerer Erfolgsbegriff zur Bezeichnung der Erfolgsdelikte verwendet wird; insoweit ähnlich Baumann, AT, § 16 I I I 1. 12 Dabei stehe es aber in einem die Strafwürdigkeit begründenden besonderen Zusammenhang mit der Handlung, Schmidhäuser, AT 8/39.
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meinen Verständlichkeit der gesetzlichen Tatschilderung aber häufig in einem gleichzeitig auch die (rechtsgutsverletzende) Handlung bezeichnenden Ausdruck enthalten. Insofern kommen unter diesem formalen Aspekt als „Erfolgsdelikte" neben den Bestimmungen mit getrennt beschriebenen Erfolgen zunächst sämtliche Handlungsdelikte in Betracht, da die Handlungsbeschreibungen möglicherweise auch den Eintritt eines Ereignisses als Erfolg mit erfassen. Zu einer Unterscheidung von „Erfolgsdelikten" und „schlichten Tätigkeitsdelikten", deren Unrechtstatbestand sich in der Schilderung eines (rechtsgutsverletzenden) Handelns (in einer bestimmten Tatsituation) erschöpfe, ohne daß ein der Handlung zuzurechnender Erfolg vorausgesetzt wird, müßte man also bei den Tatbeständen ohne eigenständige Erfolgsbeschreibung jeweils erst durch Ermittlung des sachlichen Gehalts der einzelnen Vorschriften kommen. In der Literatur werden als „schlichte Tätigkeitsdelikte" in erster Linie die Aussagedelikte der §§ 153 ff. genannt 13 , ferner eine Reihe von Sexualdelikten, so der Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173), die Vornahme sexueller Handlungen an Schutzbefohlenen, Gefangenen, Widerstandsunfähigen (§§ 174, 174a, 179) und die Vornahme homosexueller Handlungen gem. § 175 14 . Vereinzelt werden auch der Hausfriedensbruch (§ 123) 15 , der Diebstahl (§ 242) 16 , die Unterschlagung (§ 246) 17 , die Begünstigung (§ 257) 18 , die Jagdwilderei in der Alternative des Dem-Wilde-Nachstellens (§ 292 Abs. 1, 1. Alt.), die Trunkenheit im Verkehr (§ 316) 19 und die Amtsanmaßung (unbefugte Befassung mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes, § 132, 1. Alt.) 2 0 aufgeführt. Diese Vorschriften kämen nach verbreiteter Ansicht nicht für ein „Begehen durch Unterlassen" gem. § 13 in Betracht, da sich nach Meinung der jeweils genannten Autoren bei ihnen kein als Erfolg zu bezeichnendes Ereignis ausmachen läßt.
13 Vgl. Schänke / Schröder / Lenckner, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 130; Lackner, Vorbem. § 13 IV.3.; Stratenwerth, AT, Rn. 206; Baumann, AT, § 12 II.2.; Blei, Strafrecht I, § 15 11 b; Bockelmann, AT, § 19 I; Wessels, AT, § 1 I I 2 b). 14 Alle bei Schmidhäuser, AT 8/38; vgl. auch Jescheck, AT, § 26 I I 1 b); Bockelmann, AT, § 191; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 370; Stratenwerth, AT Rn. 206; Schänke / Schröder / Lenckner, Vorbem. §§ 13ff. Rn. 130. 15 Jescheck, AT, § 26 I I 1 b; Schmidhäuser, AT, 1. Aufl., 8/39f.; Roxin, Täterschaft, S. 407. 16 Roxin, Täterschaft, S. 72. 17 Jescheck, AT, § 26 I I 1 b. iß Blei, Strafrecht I, § 23 IV 1 a. 19 Beides bei Bockelmann, AT, § 19 I, der generell die sog. abstrakten Gefährdungsdelikte als schlichte Tätigkeitsdelikte ansieht. 20 Roxin, Täterschaft, S. 408.
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I. Erfolg als vom Handeln abstrahierbares Ereignis Diese Einordnung soll im folgenden anhand der dargelegten Begriffsbildungen überprüft werden. Dabei sei zunächst von dem weiteren Erfolgsbegriff ausgegangen, der sich von dem engeren im Prinzip durch das Absehen von der Betonung der räumlichen und (oder) zeitlichen Dimension unterscheidet. In diesem Sinne wird man den Erfolg als ein von der (Unrechts-) tatbestandsmäßigen Handlung (im Sinne der gewollten Körperbewegung) unterscheidbares, dieser zuzurechnendes äußeres 21 Ereignis oder einfach als Wirkung der Handlung am Handlungsobjekt zu verstehen haben, dessen bzw. deren Eintritt für die Verwirklichung des Unrechtstatbestandes Voraussetzung ist. Betrachtet man daraufhin die als gängigste Beispiele für „schlichte Tätigkeitsdelikte" angeführten Aussagedelikte der §§ 153 ff., so ergeben sich schon hier Zweifel an ihrer Einordnung. Nach § 153 wird unter anderem bestraft, wer vor Gericht ... als Zeuge ... uneidlich falsch aussagt. Während die beiden ersten Merkmale die genaue Tatsituation bezeichnen (der Täter befindet sich vor Gericht und wird von der zuständigen Person als Zeuge mündlich vernommen), dürfte nach verbreiteter Meinung mit dem Uneidlich-Falsch-Aussagen kein von der reinen Handlung als gewollter Körperbewegung unterscheidbares Ereignis mehr erfaßt sein. Die teleologische Auslegung dieser Handlungsbeschreibung wird aber auch hier zur Erforderlichkeit eines von der bloßen Äußerung einzelner Wörter unterscheidbaren äußeren Ereignisses kommen müssen, da das Äußern von Worten (in der bezeichneten Tatsituation) ohne deren Wahrnehmung durch den Vernehmenden nicht als (uneidlich falsche) Aussage qualifiziert werden kann 2 2 . Diese Wahrnehmung durch das Gericht läßt sich aber im Sinne der obengegebenen Definition als der zur Verwirklichung des Unrechtstatbestandes des § 153 vorausgesetzte Erfolg begreifen 23 . Für den Meineid (§ 154) und die falsche Versicherung an Eides Statt (§ 156) gilt dies ebenso. 21 Als „äußeres" Ereignis bzw. Ereignis „ i n der Außenwelt" wird ausdrücklich auch ein innerer (auch: seelischer) Vorgang verstanden, was jedoch keinen Widerspruch bedeutet, da auch ein innerer bzw. seelischer Vorgang allein wegen der Tatsache, daß er sich bei einem Dritten abspielen muß, als „Ereignis in der Außenwelt" bezeichnet werden kann. 22 Als Begründung dafür läßt sich anführen, daß die eidliche/uneidliche Vernehmung des Zeugen ausschließlich der Wahrheitsfindung durch das Gericht dient (vgl. § 244 StPO) und erfordert, daß das Gericht sich persönlich ein Bild über die Glaubwürdigkeit (der Aussage) des Zeugen macht, was nur dann möglich ist, wenn es seine Worte auch vernimmt (vgl. § 58 I StPO: Die Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen). Erst in diesem Fall wird eine mit der hohen Strafandrohung zu vereinbarende konkrete Gefahr für die Wahrheitsfindung in dem betreffenden Verfahren begründet. Insofern ist davon auszugehen, daß §§ 153 ff. auch nur solche Aussagen erfassen, die auch vom Gericht vernommen werden. 23 So auch Schmidhäuser, AT 8/38 Fn. 11; ähnlich Jakobs, AT 29/2, der „Aussagen
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Auch bei den Sexualdelikten lassen sich für die Erfüllung der Unrechtstatbestände erforderliche Ereignisse ausmachen, die durchaus gedanklich von der Handlung als bloßer Körperbewegung abstrahiert werden können und die als Handlungserfolg positiv feststellbar sind. Als Parallele zu dem oben bei den Aussagedelikten Festgestellten fällt bei dem häufig als schlichtes Tätigkeitsdelikt genannten § 174 die Vornahme sexueller Handlungen vor Schutzbefohlenen etc. ins Auge, die als tatbestandlich festzustellenden Erfolg nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 184 c Nr. 2 auch die Wahrnehmung der Handlung durch den Schutzbefohlenen voraussetzt. Leuchtet dies ein, so wird man kaum die Vornahme sexueller Handlungen an Schutzbefohlenen etc. als schlichtes, erfolgloses Tun bezeichnen können. Vielmehr wird auch hier die Handlung als bloße Körperbewegung (zum Beispiel Schwingen der Peitsche - frei nach de Sade - ) erst durch einen bestimmten „Außenwelterfolg" (Berühren bzw. Treffen des Körpers des Schutzbefohlenen etc.) zur sexuellen Handlung im Sinne der §§ 174 bis 176, 179 qualifiziert. Entsprechendes gilt für die Vorschriften, die als Tathandlung ausdrücklich den (Vollzug des) Beischlaf(s) nennen (wie §§ 173, 179 Abs. 2), die auch ein von der bloßen Körperbewegung abstrahierbares äußeres Ereignis, nämlich die mit dem Eindringen des männlichen Gliedes in das weibliche Geschlechtsorgan 24 notwendigerweise verbundene Einwirkung auf das Tatobjekt 2 5 (hier: die am Beischlaf beteiligte Person) und damit das konkrete „Betroffensein" eines Tatobjekts als Erfolg beinhalten 26 . Beim Eindringen als Hausfriedensbruch (§ 123) liegt ebenfalls eine Einwirkung auf ein Tatobjekt (der geschützte Wohnraum) vor, die sich als äußeres Ereignis und damit als Erfolg begreifen läßt 27 .
gegenüber einem Gericht" (Hervorhebung bei Jakobs) als Einwirkung auf ein Objekt ansieht und die Einwirkung als von der Handlung trennbaren Erfolg begreift. 24 Vgl. BGHSt 16, 175 (176). 25 Der Begriff des Tatobjekts ist nicht gleichzusetzen mit dem des Rechtsgutsobjekts. Vielmehr ist hier mit dem Begriff Tatobjekt nur der einzelne Mensch oder Gegenstand, auf den sich eine Tat bezieht, gemeint, während das Rechtsgutsobjekt von dem jeweils geschützten, umfassend zu begreifenden Rechtsgut her gesehen wird; vgl. dazu näher die Ausführungen unten B.I. So ist die „betroffene" Person in § 173 zwar Tatobjekt in diesem Sinne, nicht aber Rechtsgutsobjekt; dies ist vielmehr abhängig von der Bestimmimg des Rechtsguts des § 173, die im einzelnen umstritten ist, vgl. Schänke / Schröder / Lenckner, §173 Rn. 1; Schmidhäuser, BT 13/8. Vgl. ausführlich zu der notwendigen Unterscheidung von Rechtsgut und Rechtsgutsobjekt unten B.I. 26 Vgl. Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 134f., der von dem in §§ 173, 174 umschriebenen „Erfolg" (= Beischlaf) spricht. Erst recht wird man § 182 nicht als schlichtes Tätigkeitsdelikt bezeichnen können, da hier der Vollzug des Beischlafs im ganzen eine von der Handlung (verführen zu . . . ) getrennte Erfolgsbeschreibung darstellt. 27 Bezeichnend für die bestehende Unsicherheit bei der Abgrenzung ist auch die Tatsache, daß der bei Schmidhäuser, AT, in der 1. Aufl., 8/39f., als Hauptbeispiel für
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Das für die Verwirklichung des Diebstahls (§ 242) vorausgesetzte äußere Ereignis ist die Ortsveränderung des Tatobjektes („Sache") aufgrund der Wegnahmehandlung (die Sache befindet sich nicht mehr im tatsächlichen Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers) 28. Die Unterschlagung (§ 246) erfordert mit der Tathandlung „sich zueignen" keine tatsächliche Enteignung des Eigentümers, sondern nur eine auf eine fremde bewegliche Sache bezogene und mit dem Ziel der Enteignung des Eigentümers vorgenommene Handlung 29 , die gleichzeitig eine Aneignung darstellt. Auch diese Tathandlung setzt immer neben der reinen Körperbewegung eine von dieser ausgehende Wirkung, ein äußeres Ereignis voraus. So kann etwa beim Ableugnen des Besitzes einer Sache gegenüber dem Eigentümer entsprechend dem zu §§ 153 ff. Gesagten allein das Äußern der Worte nicht ausreichen. Hinzu kommen muß als „äußeres Ereignis", daß die Worte von dem Dritten wahrgenommen werden. Beim Führen eines Fahrzeuges im Verkehr trotz Trunkenheit (§316) läßt sich von den als Tathandlung in Betracht kommenden, im einzelnen in unterschiedlicher Gestalt denkbaren Körperbewegungen des Lenkens (= Führen) das dazugehörige äußere Ereignis eines (vom Führer beeinflußten) Sich-Fortbewegens des Fahrzeuges als Erfolg gedanklich unterscheiden 30 . Die Begünstigung (§ 257) verlangt mit dem Hilfeleisten (um dem Vortäter die Vorteile der Tat zu sichern) eine durch die Tathandlung bewirkte Förderung der Vorteilssicherung durch den Vortäter, die neben der eigentlichen Handlung (es reicht unter Umständen das Äußern von Worten - „einen Tip geben" - ) als Wirkung der Handlung festgestellt werden muß. Als unbefugte Vornahme einer Amtshandlung (§ 132) kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungen in Betracht, die aber alle nur dann als Amtshandlungen zu qualifizieren sind, wenn ihnen eine irgendwie geartete Außenwirkung zukommt. Die Tatschilderung des Dem-Wilde-Nachstellens in § 292 setzt zumindest das Betreten einer fremdem Jagdausübungsrecht unterstehenden Grundfläche voraus, was entsprechend dem zum Hausfriedensbruch Gesagten als Einwirkung auf ein Tatobjekt begriffen werden kann. Die Durchsicht dieser in der Literatur als Beispiele für die sog. schlichten Tätigkeitsdelikte aufgeführten Vorschriften hat gezeigt, daß sich durchgängig auch bei dieser „Deliktsart" von der Handlung als bloßer KörperbeweTätigkeitsdelikte genannte Hausfriedensbruch in der Neuauflage nicht mehr aufgeführt ist, siehe 8/37f. (2. Aufl.). 28 Vgl. Blei, AT, § 23 IV 1 b; auch Wessels, AT (9. Aufl. 1979), § 1 I I 2 a, führte § 242 ausdrücklich als Erfolgsdelikt auf, und zwar mit dem Hinweis auf den „Wegnahmeerfolg" ; in der letzten Auflage (§ 1 I I 2 a) ist dieses Beispiel allerdings nicht mehr genannt. 29 Schmidhäuser, BT 8/41, 43. 30 Vgl. BGHSt 14, 226 (227): Beeinflussung der Fortbewegung des Fahrzeuges.
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gung zumindest gedanklich unterscheidbare (äußere) Wirkungen der Handlung bzw. der Handlung zurechenbare Ereignisse ausmachen lassen, die Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes sind. Der eigentliche Grund für die im Schrifttum getroffene Unterscheidung zwischen „Erfolgsdelikten" und „schlichten Tätigkeitsdelikten" müßte daher in den regelmäßig genannten Einschränkungen der hier zunächst zugrundegelegten Begriffsbildung zu finden sein. Bevor auf diese Einschränkungen eingegangen wird, sei zunächst noch die Bedeutung des Ergebnisses der bisherigen Untersuchung hervorgehoben. Diese liegt in der Erkenntnis, daß es zumindest sprachlich als nicht ausgeschlossen erscheint, auch bei den im Schrifttum so genannten schlichten Tätigkeitsdelikten von einem Erfolg zu sprechen, da auch hier regelmäßig von einer Wirkung der Handlung bzw. einem der Handlung zurechenbaren Ereignis als Erfolg (=Folge, Wirkung, Veränderung in der Außenwelt) auszugehen ist. Da diese Wirkung (dieses Ereignis) von der tatbestandlichen Schilderung der Tathandlung mit erfaßt ist, läßt sich somit von einem zum Tatbestand eines Strafgesetzes (= Straf Vorschrift) gehörenden Erfolg sprechen. Vom Sprachlichen her gesehen ist also über die Klausel des „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolges" die grundsätzliche Einbeziehung auch der üblicherweise als „schlichte Tätigkeitsdelikte" bezeichneten Straftaten in den Anwendungsbereich des § 13 möglich. Die sprachlogische Möglichkeit eines solchen, sämtliche Delikte erfassenden Erfolgsbegriffes besagt indessen noch nicht zwingend, daß dieser auch der dem § 13 zugrundeliegende ist. Denn der Sprachgebrauch erlaubt möglicherweise auch, neben der Verwendung des Begriffes in einem übertragenen, also nicht naturalistischen Sinn, eine Einengung der Begriffsbestimmung auf aus sachlichen Gründen näher spezifizierte Ereignisse. II. Erfolg als zeitlich und/oder räumlich von der Handlung abgrenzbares Ereignis Diejenigen Autoren, welche den der bisherigen Untersuchung zugrunde gelegten weiteren Erfolgsbegriff einschränken, lassen als Erfolg im Sinne der Unterscheidung von „Erfolgsdelikten" und „schlichten Tätigkeitsdelikten" nur solche (äußere) Ereignisse bzw. Wirkungen der Handlung gelten, die raum-zeitlich 3 1 von der Handlung abgrenzbar bzw. der Handlung zeitlich nachfolgend sind 32 , oder aber die über den Vollzug der Handlung als solche hinausgehen 33 oder so von der Handlung abgrenzbar sind, daß nach 32 33
Jescheck, AT, § 26 I I 1 a; Maurach / Zipf, AT 1, § 20 I I I 2. Schmidhäuser, AT 8/39. Stratenwerth, AT, Rn. 206, 211.
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dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg gefragt werden muß 34 . Schon die Tatsache dieser näheren Eingrenzung des Erfolgsbegriffes auf nur solche Ereignisse bzw. Wirkungen der Handlung, die raum-zeitlich abgrenzbar etc. sind, zeigt, daß man die Existenz von tatbestandlich erfaßten Wirkungen bzw. der Handlung zurechenbaren Ereignissen auch bei den als „schlichten Tätigkeitsdelikten" bezeichneten Straftaten für möglich hält und deshalb eine Eingrenzung dieser Ereignisse als notwendig erachtet, um überhaupt eine Unterscheidung von „schlichten Tätigkeitsdelikten" und „Erfolgsdelikten" zu rechtfertigen. Mit den im Prinzip das gleiche meinenden Einschränkungen auf (räum-) zeitlich abgrenzbare bzw. über den Vollzug der Handlung als solche hinausgehende Wirkungen der Handlung w i l l man offenbar diejenigen Delikte von der Kategorie der „Erfolgsdelikte" scheiden, bei denen man davon ausgeht, daß die Wirkimg der Handlung bzw. das dieser zurechenbare (äußere) Ereignis immer unmittelbar mit der Handlung zusammenfällt, also so mit der Handlung verbunden ist, daß die Wirkung bzw. das Ereignis nie in einem räumlichen und/oder zeitlichen Abstand von der Handlung eintreten kann. Sichtet man unter diesem Aspekt erneut die Straftatbestände, die laut Schrifttum „schlichte Tätigkeitsdelikte" normieren sollen, so erkennt man sogleich, daß auch bei einschränkender Erfolgsbegriffsbildung auf raumzeitlich abgrenzbare Wirkungen die am häufigsten als Beispiele für „schlichte Tätigkeitsdelikte" genannte Gruppe der Aussagedelikte (§§ 153 ff.) nicht in diese Kategorie paßt, weil das hier vorausgesetzte Ereignis der Wahrnehmung der Aussage durch das vernehmende Gericht auch räumlich-zeitlich von der Handlung, dem Äußern der Worte, abgrenzbar ist 3 5 . Auch die gem. § 184 c Nr. 2 erforderliche Wahrnehmung der sexuellen Handlung in § 174 Abs. 2 Nr. 1 ist ein von der sexuellen Handlung räumlichzeitlich abgrenzbares Ereignis, weshalb die Straftat nach § 174 Abs. 2 Nr. 1 auch unter Zugrundelegung des einschränkenden Erfolgsbegriffes kein „schlichtes Tätigkeitsdelikt" im Sinne der herrschenden Meinung sein kann. Das gilt ebenso für die Begünstigung (§ 257), bei der die durch die Tathandlung (Beispiel: Das Geben eines Tips) bewirkte Förderung der Vorteilssicherung beim Haupttäter („Hilfe") durchaus räumlich-zeitlich von der Handlung getrennt (im Beispiel: Wahrnehmung des „Tips" durch den Haupttäter) eintreten kann. Entsprechendes ist auch bei der unbefugten Vornahme einer Amtshandlung gem. § 132 denkbar. Es bleibt somit nur eine sehr kleine Gruppe übrig, bei der im Falle der unmittelbaren Täterschaft Handlung und Erfolg sowohl räumlich als auch 34 Wessels, AT, § 1 I I 2 a. 35 Vgl. Schmidhäuser, AT 8/38 (Fußn. 11).
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zeitlich immer unmittelbar miteinander verbunden sind, wie beispielsweise beim Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173) oder der Vornahme (homo-) sexueller Handlungen an Schutzbefohlenen, Gefangenen etc. (§§ 174, 174a, 175, 179). Doch auch für diese allein übrigbleibende Gruppe ist festzuhalten, daß, wie oben aufgezeigt 36 , neben der Handlung als gewollter Körperbewegung immer eine von dieser hervorgerufene Wirkung, ein „äußeres Ereignis" vorausgesetzt ist, welches sich als Erfolg bezeichnen läßt. 1. Erkenntniswert der Abgrenzung für die Begehungsdelikte
Die von der herrschenden Meinung mit der Einteilung der Straftaten in sog. Erfolgsdelikte einerseits und sog. (schlichte) Tätigkeitsdelikte andererseits angestrebte Unterscheidung kann sich nach den obigen Untersuchungen nur noch auf die Feststellung beschränken, daß bei einigen wenigen Delikten Handlung und „Erfolg" immer räumlich und zeitlich eng miteinander verbunden sind, während dies bei den übrigen Delikten zwar auch der Fall sein kann, jedoch nicht immer so sein muß. Der Erkenntniswert dieser Einteilung kann - von ihrer im folgenden noch zu untersuchenden Auswirkung auf die Unterlassungsdelikte abgesehen allenfalls in der Bedeutung der Zurechnungsfrage von Handlung und Erfolg zu finden sein 37 : Sind Handlung und Erfolg räumlich und zeitlich eng miteinander verbunden, so treten keine Zurechnungsprobleme auf, die betreffende Handlung ist ohne weiteres als Tathandlung zu erkennen, ihr Zusammenhang mit dem Erfolg ist offensichtlich. Bei einem (größeren) räumlichen und zeitlichen Abstand zwischen Handlung und Erfolg ist es hingegen möglich, daß die Handlung nicht sogleich als die in der jeweiligen Straf Vorschrift beschriebene Tathandlung zu erkennen ist, weil gerade das ihr zurechenbare äußere Ereignis (der Tod eines Menschen in §§ 211 f., der Gesundheitsschaden in § 223) nicht unmittelbar mit ihr verbunden ist, sondern erst später und/oder an einem anderen Ort eintritt (beispielsweise im Fall des per Post gesandten vergifteten Cognacs oder der im Kaufhaus versteckten Zeitbombe). Bei der Subsumtion kommt hier zuerst der Erfolg, also ein Ereignis, das grundsätzlich zunächst unabhängig von einer konkreten Handlung feststellbar ist, ins Blickfeld, von dem aus dann nach einer Handlung zurückgefragt wird und festgestellt werden muß, ob der Erfolg in seiner konkreten Gestalt der betreffenden Handlung zuzurechnen ist. Dieser einzige Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist jedenfalls für die Begehungsdelikte dogmatisch von so geringem Erkenntniswert, daß die im Schrifttum vorgenommene grundlegende Unterscheidung von (schlichten) Tätigkeitsdelikten und Erfolgsdelikten nicht gerechtfertigt ist 3 8 . 36 37
Siehe oben unter I. Das wird u.a. von Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 9f., hervorgehoben.
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2. Bedeutung für die Unterlassensstrafbarkeit nach § 13
Für die Bestimmung des Erfolgsbegriffes in § 13 könnte das übrigbleibende Unterscheidungskriterium der notwendig engen (räumlichen und zeitlichen) Verbundenheit von Handlung und Erfolg insoweit eine Rolle spielen, als bei den nach diesem Verständnis in die Kategorie der „schlichten Tätigkeitsdelikte" fallenden Straftaten zwar als „Erfolg" zu bezeichnende Ereignisse vorausgesetzt werden, diese aber - auch bei isolierter Betrachtungsweise - immer nur als Ergebnis eines menschlichen Tuns bzw. zumindest einer menschlichen Bewegung denkbar sind. So ist beispielsweise das mit der Vornahme sexueller Handlungen an einer jugendlichen Person (§ 176) verbundene Ereignis der die sexuelle Entwicklung des Jugendlichen gefährdenden Körperberührung ohne eben dieses Tun schlechthin undenkbar 39 , während die in den Straftatbeständen des Totschlags (§ 212), der Körperverletzung (§ 223), des Betruges (§ 263) etc. geschilderten Ereignisse (Tod, Gesundheitsschaden, selbstschädigende Vermögensverfügung aufgrund eines Irrtums) im Gegensatz dazu nicht nur als Ergebnis menschlicher Tätigkeit, sondern auch als Resultat anderer Kausalprozesse vorstellbar sind. Man könnte daher meinen, daß jene Ereignisse, die nur im Zusammenhang mit einem Tun denkbar sind, nicht als „Erfolge" im Sinne des § 13 für ein Unterlassungsdelikt in Betracht kommen können. Jedoch ist eine solche Unterscheidung weder vom Wortlaut her noch materiell zu begründen: Die Formulierung „Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört" besagt nicht, daß dieser abzuwendende Erfolg nicht auch einer menschlichen Handlung zuzurechnen sein darf, denn man kann es auch unterlassen, den aufgrund der Handlung eines Dritten drohenden Eintritt eines Ereignisses abzuwenden (das vorsätzlich ins Wasser gestoßene K i n d droht zu ertrinken). Vom möglichen Wortsinn der Formulierung her ließe sich sogar noch eher die gegenteilige These vertreten, daß der „zum Tatbestand einer Straf Vorschrift gehörende Erfolg" immer nur der sein kann, der auch auf die im Tatbestand geschilderte Art bewirkt wird. An einem Beispiel verdeutlicht hieße das, daß der zum Tatbestand des Totschlags („wer einen Menschen tötet", § 212) gehörende Erfolg nur in dem von einer Person bewirkten Tod eines Menschen gesehen werden kann. Der natürliche Tod eines Menschen, der durch ein Naturereignis oder auch der durch Selbstmord verursachte Tod könnten bei enger Auslegung niemals 38 Im übrigen ist dieser dogmatisch unbedeutende Unterschied auch mit der Terminologie „Tätigkeitsdelikte" bzw. „Erfolgsdelikte" in keiner Weise erfaßt. 39 So offenbar BGHSt 28, 300 (307), zu § 13 i.V.m. § 268 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, wonach der „menschliche Eingriff" unverzichtbarer Bestandteil des Tatgeschehens sei.
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der „zum Tatbestand" des Totschlags gem. § 212 „gehörende Erfolg" im Sinne des § 13 sein 40 . Zu dieser Auffassung kommt man allerdings erst durch Einbeziehung der Ursache für den Eintritt des Ereignisses, was aber gerade unter semantischem Aspekt naheliegt, da der Begriff des Erfolges im Sprachgebrauch regelmäßig schon die Bezogenheit auf ein Handeln oder, allgemeiner gesagt, auf eine Ursache in sich trägt (Erfolg also als Folge von etwas). Entsprechend w i r d das Wort Erfolg in einigen anderen Vorschriften des StGB im Sinne der Folge eines Handelns (regelmäßig der Tathandlung) bzw. in antithetischer Differenzierung zu einem Handeln verwendet 41 . Vom Sprachgebrauch her erscheint es insoweit möglich, den „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolg" gerade in seiner Beziehung auf die in diesem Tatbestand geschilderte Handlung zu begreifen und somit - auf das obige Beispiel bezogen - nur den einer Tötungshandlung zurechenbaren Tod eines Menschen als den von § 13 gemeinten Erfolg anzusehen. Doch ist auch diese gegenteilige Deutung vom Sprachlichen nicht zwingend geboten, denn man wird, ohne der Sprache Gewalt anzutun, auch noch nur gewissermaßen den „Schlußpunkt" der tatbestandlichen Schilderung, also den Tod in § 212, den Gesundheitsschaden in § 223 oder auch die selbstschädigende Vermögensverfügung in § 263, ohne Berücksichtigung der zu ihm führenden Handlung jeweils nur als isoliertes Ereignis als möglichen Wortsinn des Begriffes „Erfolg" in § 13 bezeichnen können. Damit wären auch solche Ereignisse erfaßbar, die nicht durch eine tatbestandsmäßige Handlung bewirkt sind, aber der isoliert von der Handlung gesehenen tatbestandlichen Wirkung der Handlung gleichen. Auf jeden Fall aber kommen die hier interessierenden Ereignisse, die nur im engen Zusammenhang mit einem Tun denkbar sind, vom Wortlaut des § 13 her für ein Unterlassungsdelikt in Betracht. Materiell läßt sich im übrigen weder die Beschränkung auf von Handlungen bewirkte Erfolge noch auf Ereignisse begründen, welche gerade auf andere Art und Weise einzutreten drohen. Das wird deutlich, wenn man sich den Inhalt des Unterlassungsunrechts vor Augen führt. Denn das Unterlassungsunrecht w i r d durch die normwidrige Verletzung einer Handlungspflicht begründet. Eine Handlungspflicht als sachliches Element jeden Unterlassungsunrechts w i r d aber immer bereits durch das Bestehen einer Gefahr für ein Verletzungsobjekt unabhängig von der Art der Entstehung der Gefahr begründet, soweit - und das sind die weiteren spezifischen Voraussetzungen - der Unterlassende die Möglichkeit hat, rettend tätig zu wer40
In diesem Sinne Eberhard Schmidt, Niederschriften Bd. 2, S. 268. Vgl. §§ 8, 9, 111. Siehe aber auch § 316a Abs. 2, in dem der BGH unter „Erfolg" den Angriff auf den Fahrzeugführer, also erst die Ausführung der von Abs. 1 bereits im „Unternehmensstadium" (s. § 11 Abs. 1 Nr. 6) erfaßten Tathandlung, versteht (BGHSt 10, 320). 41
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den, was wiederum die (wenigstens potentielle) Kenntnis der Gefahr und die Fähigkeit, sie abzuwenden, voraussetzt 42 . Die Art der Entstehung der Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt kann nichts daran ändern, daß derjenige, der nichts zur Rettung des gefährdeten Rechtsgutsobjekts unternimmt, obwohl ihm dies möglich ist, sich damit über den von dem betroffenen Rechtsgut an ihn gerichteten Achtungsanspruch hinwegsetzt 43 . So ist beispielsweise das Unrecht desjenigen, der ein im Wasser zu ertrinken drohendes Kind nicht rettet, nicht anders zu bewerten, wenn das Kind vorher von einem Dritten (vorsätzlich) ins Wasser gestoßen worden ist, als wenn es versehentlich ins Wasser hineingefallen ist 4 4 . Diese Auffassung wird durch die im Besonderen Teil des StGB getroffenen Regelungen von Unterlassungsgemeinunrecht (wie §§ 138, 323 c) bestätigt, nach denen das Unterlassen gefahrmindernden Tätigwerdens ein Unterlassungsgemeinunrecht sowohl dann begründet, wenn eine Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt durch eine (unrechtstatbestandsmäßige) Handlung eines Dritten geschaffen wird (so bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten nach §§ 138, 139 Abs. 3, 4), als auch dann, wenn eine Gefahr aufgrund eines Naturereignisses oder anders entstanden ist (wie bei der unterlassenen Hilfeleistung bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not in § 323 c) 45 . Einen Einfluß auf das Unterlassungsunrecht können die konkreten Umstände der Gefahrentstehung insoweit haben, als durch sie die Art der drohenden Verletzung geprägt wird oder (bzw.: und) von ihnen im Einzelfall die Beurteilung der Frage abhängt, ob der Unterlassende die Möglichkeit hatte, gefahrmindernd tätig zu werden, bzw. welche Möglichkeiten ihm dazu zur Verfügung standen. Denn die Möglichkeit der Gefahrminderung ist, wie oben aufgezeigt, Voraussetzung der Handlungspflicht und damit konstitutiv für die Begründung jeglichen Unterlassungsunrechts. Ist somit einerseits aufgezeigt, daß die Frage, ob das nicht abgewendete Ereignis auf der Handlung eines Dritten beruht (und diesem möglicherweise als Deliktserfolg täterschaftlich zuzurechnen ist) oder nicht, für die Frage des Unterlassensunrechts im Einzelfall durchaus eine Bedeutung haben kann, so ist aber andererseits als Ergebnis festzuhalten, daß die Begründung von Unterlassungsunrecht grundsätzlich unabhängig von Art und Weise der Entstehung der Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt möglich ist.
42
Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 504. Vgl. Schmidhäuser, AT 16/67. 44 Vgl. Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 296; Schmidhäuser, AT 16/26; Langer, Sonderverbrechen, S. 297 („anderweitig bewirkte Schadensgeneigtheit"); s. auch Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 10. 45 Nach allg. Ansicht können die in § 323 c vorausgesetzten Gefahren auch durch „deliktische Angriffe" (beim „Unglücksfall") bzw. allgemein durch menschliche Handlungen begründet werden, vgl. Schänke / Schröder / Cramer, § 323 c Rn. 5 ff. 43
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Auch das Unterlassen der Abwendung eines Erfolges, der aufgrund des Tuns eines Dritten einzutreten droht, kann somit ein Unterlassungsgemeinunrecht (und bei Vorliegen einer Sonderpflicht ein entsprechendes Unterlassungssonderunrecht) begründen. Daraus folgt, daß es für die Begründung von Unterlassungsunrecht gem. § 13 nicht darauf ankommt, ob das nicht abgewendete Ereignis nur im (engen) Zusammenhang mit einem Tun denkbar ist oder nicht. In jenem Fall wird die Pflicht, zur Abwendung des Erfolges tätig zu werden, lediglich auch schon auf die Abwendung des Tuns des Dritten gerichtet sein, während bei den übrigen Delikten auch nach dem abgeschlossenen Tun des Dritten der Erfolg noch nicht eingetreten sein muß und daher unabhängig von einer Einwirkung des Handlungspflichtigen auf den Dritten noch abwendbar sein kann. Für den gem. § 13 zu bildenden Unterlassungstatbestand bedeutet dies, daß auch solche Ereignisse als „Erfolg" in Betracht kommen, die nur in enger (räumlicher und zeitlicher) Verbundenheit mit einem Tun denkbar sind. H I . Ergebnis
Als Ergebnis der bisherigen Untersuchungen kann festgehalten werden, daß die verbreitete Unterscheidung von sog. (schlichten) Tätigkeitsdelikten und sog. Erfolgsdelikten für die Auslegung des § 13 keine Bedeutung hat. Vielmehr wurde festgestellt, daß über die Klausel des „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolgs" grundsätzlich sämtliche Begehungsdelikte für ein „Begehen durch Unterlassen" in Frage kommen können, da sich bei diesen der Tathandlung als gewollter Körperbewegung zurechenbare „äußere Ereignisse" ausmachen lassen, die als der zum Tatbestand gehörende Erfolg begriffen werden können. B. Der alle Begehungsdelikte erfassende Erfolgsbegriff in eigener Sicht Weil die an die Unterscheidung „Erfolgsdelikte"/„schlichte Tätigkeitsdelikte" anknüpfende Bestimmung des Erfolgsbegriffes sich als unbrauchbar erwiesen hat, soll im folgenden der grundsätzlich alle Begehungsdelikte in Bezug nehmende Erfolgsbegriff, so wie er sich bereits in den bisherigen Überlegungen herausgeschält hat, näher auf seine Brauchbarkeit untersucht werden. Die im Schrifttum anzutreffenden Meinungen, welche ebenfalls auf einen weiten, alle Handlungstatbestände erfassenden Erfolgsbegriff abstellen, werden regelmäßig nicht näher begründet 46 . Es ist daher hier zu prüfen, ob 46
Vgl. oben in diesem Abschnitt Fußnote 6.
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die vom Wortsinn des § 13 her als „Erfolg" begreifbaren Ereignisse, die in sämtlichen Begehungstatbeständen für die Vollendung der Straftat vorausgesetzt sind, sich materiell sinnvoll in den nach § 13 mit Hilfe des Erfolgsbegriffes zunächst zu bildenden Unrechtstatbestand einordnen lassen. Damit stellt sich die Frage, welche sachliche Bedeutung diesen „Ereignissen" innerhalb des Verbrechensbegriffes zukommt und ob sie einheitlich ein sachliches Unrechtsmerkmal der Straftat beschreiben. Dazu sei im folgenden zunächst die Strukturierung der tatbestandlichen Unrechtsbegründung skizziert. I. Struktur der tatbestandlichen Unrechtsbegründung bei den Begehungsdelikten In allen Straftatbeständen wird mit Strafe bedrohtes menschliches Verhalten geschildert, das sich unter sachlichem Aspekt als Rechtsgutsverletzung und unter personalem Aspekt als Pflichtverletzung 47 darstellt. Es gibt somit kein Deliktsunrecht ohne Rechtsgutsverletzung, wobei mit dem Begriff „Rechtsgut" ein für die Rechtsgemeinschaft besonders wertvoller Zustand gemeint ist, der rein ideell zu verstehen ist 4 8 . So bedeutet beispielsweise das Rechtsgut „Eigentum" die im Gemeinwesen geltende Zuordnung von Sachgütern in die umfassende Verfügungsbefugnis der Rechtssubjekte 49 . Das so verstandene Rechtsgut hat jeweils ein reales Korrelat, das im genannten Beispiel in der konkreten Zuordnung einer einzelnen Sache zu einer bestimmten Person existiert. Das menschliche Leben als solches ist als Rechtsgut für die Gemeinschaft ein hoher ideeller Wert, der konkret nur in dem Leben des einzelnen Menschen besteht. Das Rechtsgut als ideeller Wert ist somit streng zu unterscheiden von den in der Wirklichkeit vorhandenen „Realobjekten", aus denen im Wege gedanklicher Abstraktion der Begriff des betreffenden Rechtsgutes gewonnen worden ist 5 0 . Diese „Realobjekte", die zur Verdeutlichung ihrer Beziehung zu den in ihnen verkörperten jeweiligen ideellen Rechtsgütern als „Rechtsgutsobjekte", aber auch als „Verletzungsobjekte" 51 oder „Handlungsobjekte" 52 bezeichnet werden können, werden in jedem einzelnen 47 D.h. die Verletzung der Pflicht zur Achtung des betreffenden Rechtsguts, vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 286f. 48 Vgl. Jescheck, AT, § 24 I 2 und § 26 I; Schmidhäuser, AT 2/30; Langer, Sonderverbrechen, S. 286ff. 49 Langer, Sonderverbrechen, S. 287. 50 Langer, Sonderverbrechen, S. 288; Jescheck, AT, § 26 I 4, charakterisiert den Unterschied mit den Begriffen „Idee" (= Rechtsgut) und „Erscheinung" (= Rechtsgutsobjekt); vgl. weiter Schmidhäuser, AT 2/30; Sax, JZ 1976, S. 432. 51 Langer, Sonderverbrechen, S. 288. 52 Jescheck, AT, § 26 I 4. Die Terminologie in der Literatur ist uneinheitlich, was aber häufig daran liegt, daß auch der gemeinte Sachverhalt ein anderer ist. So wird
3 Schürmann
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Straftatbestand vorausgesetzt. In jeder Strafvorschrift wird eine Rechtsgutsverletzung normiert, die als Angriff oder auch nur als vorgestellter Angriff 5 3 auf das reale Korrelat des betreffenden Rechtsguts, also auf das Rechtsgutsobjekt, beschrieben ist. Die in den einzelnen Tatbeständen geschützten Rechtsgutsobjekte sind unterschiedlich schwer darzustellen, was mit der Einfachheit bzw. Komplexität ihrer Strukturierung zusammenhängt. Jedenfalls handelt es sich bei ihnen meistens nicht um ein einfaches, greifbares Objekt im engen Sinn, wie die fremde Sache, der Mensch, die Urkunde etc. 54 , sondern um einen umfassenderen Sachverhalt, so etwa, wie für die Eigentumsdelikte oben bereits beschrieben, um die konkrete Zuordnung einer einzelnen Sache zu einer bestimmten Person oder das körperliche Wohlbefinden bzw. die Gesundheit eines bestimmten Menschen (in §§ 223 ff.). Wird als Rechtsgut der Aussagedelikte (§§ 153 ff.) das Interesse der staatlichen Rechtspflege an der Wahrheitsfindung 55 (als ideeller Gemeinschaftswert) verstanden, so ist davon als geschütztes Rechtsgutsobjekt das konkrete Interesse eines einzelnen Rechtspflegeorgans an der Wahrheitsfindung in einem bestimmten Verfahren zu unterscheiden. Die Verletzung des derart ideell verstandenen Rechtsguts erfolgt bei den Begehungsdelikten entweder durch einen tatsächlichen oder auch nur durch einen vermeintlichen, bloß vorgestellten Angriff 5 6 auf das konkrete Rechtsgutsobjekt, der in der Realität verschiedene Stadien durchläuft, die mit der - in sich noch graduierbaren, d. h. in unterschiedlicher Intensität denkbaren - Gefährdung des Rechtsgutsobjekts 57 beginnen und mit der tatsächlichen Verletzung (Beschädigung, Beeinträchtigung) des Rechtsgutsobjekts enden. vielfach gar nicht zwischen Rechtsgut und Rechtsgutsobjekt materiell unterschieden, vgl. nur Rudolphi, System. Kommentar, § 13 Rn. 10, 14; s. aber auch Schmidhäuser, AT 2/31 f., der noch zwischen Tat- und Rechtsgutsobjekt unterscheidet, aber das Rechtsgutsobjekt enger begreift als vorliegender Text. 53 Zur Begründung s.u. Fußnote 56. 54 So aber w i r d es häufig verstanden, vgl. nur Stratenwerth, A T I , Rn. 209f., der daraus dann den Schluß zieht, daß nicht jedem Rechtsgut ein Rechtsgutsobjekt zugeordnet ist bzw. entsprechend nicht in jedem Tatbestand die Verletzung bzw. Gefährdung eines Rechtsgutsobjekts geschildert wird. 55 Eingehend dazu Schmidhäuser, Gött. Festschrift für OLG Celle, S. 235; s. auch ders., BT 23/7; vgl. weiter Schänke / Schröder / Lenckner, Vor §§ 153ff. Rn. 2; BGHSt 8, 301 (309). 56 Es reicht ein bloß vorgestellter Angriff auf ein Rechtsgutsobjekt aus, weil auch das Rechtsgut, um dessen Verletzung es in den Strafvorschriften geht, nur ein ideeller Zustand ist, vgl. dazu näher Langer, Sonderverbrechen, S. 296, 302; Sax, JZ 1976, S. 432 f. 57 Wird die Rechtsgutsverletzung durch den Begriff der Gefahr näher bestimmt, so muß diese Gefahr (für ein Rechtsgutsobjekt) notwendigerweise auf den Zeitpunkt des Handelns bezogen sein, da es für die Unrechtsbegründung unter personalem Aspekt für den Täter darauf ankommt, ob er diese Handlung in diesem Moment vornehmen darf oder nicht. Hierbei beruht der Begriff der Gefahr auf der Begrenztheit menschlichen Erkenntnisvermögens; für denjenigen, der alle Kausalfaktoren eines gemeinhin
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Eine Verletzung des ideellen Gemeinschaftswertes, des Rechtsguts, kann somit bereits durch das Begründen einer Gefahr für ein konkretes Rechtsgutsobjekt erfolgen, was sich unter personalem Aspekt, also nicht vom Rechtsgut her gesehen, sondern im Hinblick auf den handelnden Angreifer, als Verletzung einer sozialethischen Pflicht zur Achtung des von ihm angegriffenen Rechtsguts darstellt 58 . In den einzelnen Straftatbeständen werden nun jeweils unterschiedliche Ausschnitte aus dem rechtsgutsverletzenden tatsächlichen Geschehensverlauf geschildert. Dabei könnte es genügen, wenn jeweils nur das Begründen einer Gefahr für das betreffende Rechtsgutsobjekt von der Tatschilderung erfaßt würde, weil damit bereits eine Rechtsgutsverletzung gegeben sein kann. Doch wird aus Gründen der Strafwürdigkeit und der Praktikabilität staatlichen Strafens häufig erst auf den Endpunkt des denkbaren Geschehensverlaufes abgestellt, also auf den Moment, in dem sich die durch das Handeln des Täters geschaffene Gefahr für das Rechtsgutsobjekt in dem Eintritt eines Schadens am Rechtsgutsobjekt niederschlägt. Ob nun nur die Gefährdung eines Rechtsgutsobjektes oder auch noch die eingetretene Schädigung für die Unrechtsbegründung in der tatbestandlichen Schilderung vorausgesetzt wird, hängt häufig auch mit von der Eigenart des jeweiligen Rechtsgutes ab. So wird beispielsweise ein konkreter Schaden an dem Rechtsgutsobjekt der ungestörten sexuellen Entwicklung eines einzelnen Kindes schwer festzustellen sein, da er, wenn überhaupt, möglicherweise erst lange Zeit nach der Tat offenbar wird 5 9 . Entsprechendes gilt aber bei dieser Art von Rechtsgut auch schon für das Feststellen der Gefahr für das Rechtsgutsobjekt, weshalb der Gesetzgeber in solchen Fällen häufig die Feststellung einer Gefahr nicht dem Richter auferlegt, wie er dies in einigen anderen Vorschriften getan hat, beispielsweise in § 310a („in Brandgefahr bringen") oder in §§ 311, 311e, 315-315c, 323, 330 („eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde bewegliche Sachen von bedeutendem Wert herbeiführen" bzw. „Leib oder Leben etc. ... gefährden") 60 , sondern selber im Gesetz bestimmte Handlungen beschreibt, als „gefährlich" erachteten physikalischen Zustandes kennt, gibt es keine Gefahr, vielmehr kann sein Urteil nur auf sicher bevorstehende Schädigung oder sichere Unschädlichkeit lauten. - Des weiteren macht der Charakter des Rechts als Gemeinschaf tsordnung die Objektivierung des Gefahrbegriffes erforderlich; das Urteil darüber, ob ein Rechtsgutsobjekt durch ein Verhalten gefährdet wird, darf nicht von dem individuellen Wissen des Täters um die Gefährdung durch sein Tun abhängen, was bedeutet, daß eine Rechtsgutsobjektsgefährdung dann anzunehmen ist, wenn ein Mensch mit dem allgemeinen Erfahrungswissen seiner Zeit unter Kenntnis aller Handlungsumstände bei solchem Verhalten die Möglichkeit einer Rechtsgutsobjektsschädigung als naheliegend bewerten würde; vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 296 f. 58 Vgl. dazu Langer, Sonderverbrechen, S. 303ff.; auch Schmidhäuser, AT 2/34ff. (36). 59 Vgl. dazu sehr instruktiv Horn, JR 1981, S. 253 f. 60 Vgl. etliche weitere Vorschriften wie §§ 80, 94, 95, 97, 97 a, 99, 100, 100a, 103, 109e, g, 113,121,125,125a, 145a, 170d, 187, 211, 218, 234a, 241a, 250, 310b, 312, 313, 3'
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bei denen davon auszugehen ist, daß sie immer eine Gefahr für das betroffene Rechtsgutsobjekt begründen, so daß mit der Feststellung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen zugleich immer auch die Gefahr für das Rechtsgutsobjekt festgestellt ist 6 1 . Es kann also festgehalten werden, daß die grundsätzlich bei allen (Begehungs-)Delikten vorausgesetzte Rechtsgutsverletzung immer durch einen (möglicherweise nur vorgestellten) von einer (willentlichen) Handlung ausgehenden Angriff auf ein konkretes Rechtsgutsobjekt erfolgt, der seinerseits entweder als (ohne bleibende Schädigung vorübergehende) konkrete Gefährdung oder als (eine dauernde Beeinträchtigung bewirkende) Verletzung des Rechtsgutsobjekts vertatbestandlicht ist.
II. „Erfolg" auch als die für die Vollendung ausreichende Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt? 1. Die möglichen tatbestandlichen Geschehensausschnitte
Es fragt sich nun, ob ein nicht nur den tatsächlichen Schaden am Rechtsgutsobjekt, sondern auch die für das Rechtsgutsobjekt begründete Gefahr erfassender Erfolgsbegriff sich sinnvoll in das Schema der Voraussetzungen des § 13 einsetzen läßt. Dazu sei noch einmal der Ablauf des von den Straftatbeständen in unterschiedlichen Ausschnitten erfaßten wertwidrigen Geschehens verfolgt: Dieses beginnt mit einer das Rechtsgutsobjekt gefährdenden Handlung und endet mit der Verwirklichung dieser Gefahr in dem Eintritt eines Schadens am Rechtsgutsobjekt. Dabei durchläuft die Gefahr verschiedene Stadien, die sich aus der unterschiedlichen Nähe des Beurteilungszeitpunktes zum tatsächlichen Eintritt des Schadens ergeben. Im ersten Stadium ist sie dabei das Urteil im Zeitpunkt der Handlung über die Wahrscheinlichkeit eines der Handlung zuzurechnenden Schadens am Rechtsgutsobjekt. Mit der willentlichen Körperbewegung, der Handlung, ist regelmäßig unmittelbar eine irgendwie geartete Veränderung in der 314, 318, 330 a sowie diejenigen Straftatbestände, in denen zwar das Wort Gefahr nicht vorkommt, die aber gleichwohl regelmäßig die Feststellung einer Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt erfordern, weil in ihnen bereits der Versuch als vollendete Straftat beschrieben ist (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6) (allerdings gibt es auch den ungefährlichen Versuch - als Zielversuch, vgl. Schmidhäuser, AT 15/21 - für den dies nicht gilt), vgl. §§ 81, 82, 316 a, 316 c Abs. 1 Nr. 2, 357 Abs. 1. 61 Vgl. Horn, JR 1981, S. 253, der einen Gegenbeweis für nicht zulässig hält (hier bei § 176). Allerdings ist dies speziell für diejenigen Delikte, welche die Tathandlung mit dem Ausdruck „sexuelle Handlung" beschreiben, insoweit einzuschränken, als gem. § 184 c Nr. 1 als sexuelle Handlungen nur solche anzusehen sind, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut „von einiger Erheblichkeit sind", womit auch hier eine „Einbruchstelle" für richterliche Gefährlichkeitserwägungen gegeben ist, vgl. Lackner, l b zu § 184 c.
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Umwelt verbunden 62 , an die gerade das Urteil über die Gefährlichkeit der Handlung geknüpft wird. Das Krümmen des Fingers z.B. wird, ohne eine Veränderung in der Umwelt hervorzurufen, auch in einer bestimmten Tatsituation regelmäßig kein Gefahrurteil zulassen; erst wenn mit der Fingerkrümmung auch die Bewegung des Abzugshebels einer Schußwaffe verbunden ist, wird diese Körperbewegung als gefährlich für ein Rechtsgutsobjekt beurteilt werden können (wobei das Gefahrurteil im einzelnen jeweils noch von weiteren Tatumständen abhängig ist). Das Senken des Fußes w i r d immer erst in Verbindung mit der dadurch bewirkten unmittelbaren Veränderung der Stellung des Gaspedals eines Kraftfahrzeuges die Grundlage für das auf den Zeitpunkt der Handlung bezogene Urteil über die Gefährlichkeit dieser Handlung abgeben usw. Sind einerseits diese ersten Veränderungen in der Umwelt immer gleichzeitig mit der Handlung zu sehen, so daß sie die Grundlage für das auf den Moment der Handlung bezogene Gefahrurteil bilden können 63 , so läßt sich andererseits ein Gefahrurteil auch auf beliebige andere Zeitpunkte des sich auf die Verletzung (Beschädigung) des jeweiligen Rechtsgutsobjekts hin entwickelnden Geschehens beziehen, in denen die Handlung auch bereits abgeschlossen sein kann. Hier knüpft das Gefahrurteil nur noch an den durch die Handlung geschaffenen Zustand an (der sowohl dynamisch zu verstehen ist - das einmal entfachte Feuer entwickelt sich ohne Zutun des Täters weiter und droht das Haus in Brand zu setzen, der irrende Tatmittler führt die angesonnene Handlung aus - als auch statisch, wobei aber für das Gefahrurteil andere dynamische Faktoren zu berücksichtigen sind - der Täter hat einen Kanaldeckel entfernt, der dadurch geschaffene statische Zustand, das Loch in der Straße, ist auf Grund der Einbeziehung anderer dynamischer Faktoren, das Fahren von Fahrzeugen auf der Straße, als gefährlich zu beurteilen) und kann wegen der größeren Nähe des Beurteilungszeitpunkts zum Eintritt des Schadens am Rechtsgutsobjekt und der sich damit unter Umständen verdichtenden Gewißheit (Wahrscheinlichkeit) des Schadens eine größere bzw. konkretere Gefahr bezeichnen als im Zeitpunkt des Handelns 64 . Das Rechtsgutsverletzende der Handlung ist aber, unabhängig von der Möglichkeit des Gefahrurteils in einem späteren Zeitpunkt, immer schon mit der im Moment der Handlung entstandenen Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt gegeben65. Welcher Ausschnitt des sich auf einen Schaden am Rechts62 Wozu auch die einfache optische Wahrnehmung der Handlung durch einen Dritten zu rechnen ist (was auch physikalisch als Veränderung nachzuweisen ist - Auslösung bestimmter Reize auf der Netzhaut des Auges). 63 Das ist entscheidend für die Beurteilung der Rechtsguts Verletzung der Handlung, die unter personalem Aspekt als Verletzung der Pflicht zur Achtung der für die Gemeinschaft wertvollen Güter anzusehen ist. 64 Vgl. Schmidhäuser, AT 8/31, 42. 65 Schmidhäuser, AT 8/31, 42.
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gutsobjekt hin entwickelnden gefährlichen Geschehens von den einzelnen Straftatbeständen erfaßt wird, entscheidet der Gesetzgeber auf Grund von die Strafwürdigkeit und die Praktikabilität staatlichen Strafens betreffenden Erwägungen 66 . Daher kann in solchen Tatbeständen, welche die Herbeiführung einer Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt voraussetzen, diese vorausgesetzte Gefahr möglicherweise erst in einem nach Abschluß der (bereits gefährlichen) Handlung liegenden Zeitpunkt eintreten. Da andererseits das Gefahrurteil, welches auf den Zeitpunkt der die Rechtsgutsverletzung begründenden Handlung bezogen ist, auch immer schon eine nahe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts verlangt 67 , wird aber regelmäßig die in der Vorschrift vorausgesetzte Gefahr auch schon im Zeitpunkt der Handlung gegeben sein 68 . Allerdings wird man die oben aufgezeigte Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen können. 2. Bestimmung des Erfolgsbegriffs vom Rechtsgut her
Es fragt sich nun, welche Teile des oben geschilderten Geschehens mit dem „zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolg" gemeint sein können. Zunächst könnte man das gesamte objektive wertwidrige Geschehen unabhängig von seiner straftatbestandlichen Erfassung ins Auge fassen. Darin ließe sich auf jeden Fall der in dem eingetretenen Schaden am Rechtsgutsobjekt liegende Geschehensendpunkt als Erfolg auffassen. Eine Beschränkung des Erfolgsbegriffs auf diese Bedeutung würde jedoch dem in 66 Hiermit soll nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, daß die Frage des tatsächlichen Eintritts eines Schadens am Rechtsgutsobjekt nicht möglicherweise auch Rückwirkungen auf die Beurteilung des Unrechtsgehalts der rechtsgutsverletzenden Handlung haben kann, was üblicherweise mit dem zum Handlungsunrecht hinzukommenden Erfolgsunrecht gemeint ist; vgl. Krauß, ZStW 76 (1964), S. 19ff.; Otto, ZStW 87 (1975), S. 539ff.; Wolter, Zurechnung, S. 48ff.; Gallas, Festschrift für Bokkelmann, S. 155ff.; hingegen wird ein Erfolgsunwert in diesem Sinne für bedeutungslos für das Unrecht einer Tat gehalten von Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 78ff.; Armin Kaufmann, Festschrift für Welzel, S. 411; Lüderssen, ZStW 85 (1973), S. 292 und Festschrift für Bockelmann, S. 181; Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 128,143; Schaffstein, Festschrift für Welzel, S. 557, 562 und GA 1975, S. 342; Suarez Montes, Festschrift für Welzel, S. 379, 382; Schöne, JZ 1977, S. 150, 158. 67 Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 297; vgl. auch Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt, S. 19; vgl. in der Rechtsprechung BGHSt 18, 271 (272). 68 Vgl. auch Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt, S. 20, nach dessen Ansicht die „Gedankenoperation" von in Prozenten angebbaren Wahrscheinlichkeitsgraden des Schadenseintritts auf die Wirklichkeit nicht übertragbar sei. Vielmehr seien die im Strafrecht zu wertenden Sachverhalte so kompliziert und vielschichtig, die „mitwirkenden schadensfördernden und -hemmenden Bedingungen" so unüberschaubar, daß eine exakte Bestimmung des Gefahrgrades regelmäßig ausgeschlossen sei. Man müsse zufrieden sein, wenn es gelinge, in grober Schätzung zwischen naher und entfernter Möglichkeit des Schadenseintritts zu unterscheiden.
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der Formulierung in § 13 enthaltenen Bezug des Erfolges auf den Tatbestand eines Strafgesetzes nicht Rechnung tragen, da die einzelnen Tatbestände unterschiedliche Geschehensausschnitte schildern, also nicht immer die Verletzung eines Rechtsgutsobjekts voraussetzen. Insofern ließe sich der Erfolg auch jeweils auf den für die Vollendung der Straftat vorausgesetzten Schlußpunkt beziehen, was also je nach Fassung des Tatbestandes entweder die eingetretene Verletzung oder die Gefährdung des Rechtsgutsobjekts bedeuten würde 6 9 . Damit würde man zugleich den Erfolg sinnvollerweise immer vom Rechtsgut her begreifen, für dessen Verletzung es grundsätzlich unbedeutend ist, ob das jeweilige Rechtsgutsobjekt selbst beeinträchtigt oder nur gefährdet wird 7 0 . Betrachtet man somit den Erfolg unter dem Aspekt der Rechtsgutsverletzung, so kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Gefahr möglicherweise in Einzelfällen gänzlich ohne ein Veränderung in der Umwelt nur durch eine Körperbewegung begründet werden kann 7 1 . Auch hier ließe sich die Gefahr sprachlich noch als „Erfolg" des Handelns begreifen, da ja auch wenn die Gefahr nur als Urteil über die Handlung erscheint - dieses immer erst durch eine Erweiterung des Blickwinkels auf das gefährdete Rechtsgutsobjekt hin gewonnen wird und somit die Körperbewegung nicht isoliert als solche den Erfolg darstellt 72 . Regelmäßig jedoch ist bei fast allen Delikten des Besonderen Teils - wie oben aufgezeigt 73 - das für die Rechtsgutsverletzung entscheidende Gefährlichkeitsurteil über die Handlung auch schon unter Einbeziehung der unmittelbar mit der Handlung verbundenen Veränderung in der Umwelt zu fällen, so daß sich der von der Rechtsgutsverletzung her materiell gewonnene Erfolgsbegriff, der sowohl die Verletzung als auch die Gefährdung eines Rechtsgutsobjekts umfaßt, grundsätz-
69 In diesem Sinne auch Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 284; vgl. auch schon Binding, Normen II, S. 100: Erfolg der Handlung sei nicht nur im Sinne der „Erfolgsdelikte" zu verstehen, vielmehr sei jede Veränderung ein „Erfolg". Ebenso Grünwald, ZStW 70 (1958), S. 413 (Fußn. 5). 70 Allerdings wird der sachliche Unwertgehalt der Rechtsgutsverletzung sowohl (in der Sphäre des Rechtsguts) vom Wert des Rechtsgutsobjekts als auch (im Bereich der Verletzungsart) von der Schwere des Angriffs, also dem Grad der Gefährdung bzw. der Tiefe des Eingriffs, bestimmt; vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 299. 71 Wobei dahingestellt bleiben kann, ob so etwas im Bereich der Tatbestände des Besonderen Teils überhaupt denkbar ist. 72 Vgl. auch Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 284, der auch die „abstrakte Gefahr" als Erfolg ansieht; vgl. demgegenüber BGHSt 26, 176 (180ff.), der „Gefahr" i.S.d. § 113 Abs. 2 Nr. 2 (entspricht § 250 Abs. 1 Nr. 3) nicht als „Tatfolge" (i.S.d. § 18) ansehen w i l l und sich damit, ohne es zu erkennen, in Gegensatz zu seiner eigenen ständigen Rechtsprechung setzt, vgl. BGHSt 24, 231 (234); 11, 148 (149f.); 11, 162 (165); 13, 66 (70); auch 10, 404; 22, 67 (70f.); noch eindeutiger BGH VRS 12,185 (187); BGHSt 25, 306 (307) und BGH MDR 1976, S. 15 (bei Dallinger). Vgl. dazu überzeugend Backmann, MDR 1976, S. 969 (970f.); in diesem Sinne auch Meyer-Gerhards, JuS 1976, S. 231, und Küper, NJW 1976, S. 543. 73 Siehe oben B.II. 1.
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lieh mit dem oben 74 herausgestellten, naturalistisch begriffenen „zum Tatbestand ... gehörenden Erfolg" deckt. Er geht allerdings noch insoweit über diesen hinaus, als er auch solche theoretisch als möglich unterstellten Straftaten erfaßt, die ohne eine von der Handlung bewirkte Umweltveränderung vollendet sein können. a) Erfassen des objektiven Unwertgehalts Mit einem Erfolgsbegriff, der in diesem Sinne auch die für die tatbestandsmäßige Vollendung vorausgesetzte Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt beinhaltet, ist zunächst der objektiv erfaßbare tatbestandsspezifische Unrechtsunwert der einzelnen Straftat erfaßt: Dieser individuelle Unwertgehalt einer Straftat bestimmt sich im objektiven Bereich zum einen nach dem Wert des angegriffenen Rechtsgutsobjekts, zum anderen nach der im Tatbestand individualisierten spezifischen Angriffsart, die je nach Schilderung von unterschiedlicher Ausformung und Intensität ist und sich jeweils sowohl nach dem Grad der Gefährdung bzw. der Tiefe und dem Umfang des Eingriffs in das Rechtsgutsobjekt richtet, als auch von der Gesamtheit der für die konkrete Gefährdung oder Verletzung bedeutsamen objektiven Merkmale des unrechten Verhaltens abhängig ist 7 5 . Dazu gehören vor allem die eingesetzten Angriffsmittel, die gerade die spezifische Angriffsart ausgestalten, also etwa der Einsatz von Gewalt oder Täuschung oder auch von genauer beschriebenen Mitteln, wie Waffen oder falschen Schlüsseln. Dem unterschiedlichen Unwertgehalt der verschiedenen Verletzungsarten entspricht z.B. die unterschiedliche Strafandrohung für verschiedene Angriffsformen auf ein und dasselbe Rechtsgut, wie etwa bei den Eigentumsverletzungen in den §§ 242 ff. und 303. Häufig ergibt sich der gesteigerte Unwert einer Angriffsart in ihren objektiven Merkmalen auch aus einer Kombination aus zwei Rechtsgutsverletzungen, wie bei der „grausamen Tötung" eines Menschen in § 211, bei der in derselben Person ein Leben zerstört und zugleich durch besonders starke Schmerzzufügung in die körperliche Integrität besonders intensiv eingegriffen w i r d 7 6 , oder beim Diebstahl mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1, bei dem der Eingriff in das fremde Eigentum unter Gefährdung der körperlichen Integrität bzw. des Lebens Dritter geschieht. Der so zu begreifende objektive Unwertgehalt einer Tat spiegelt sich immer in der für die Vollendung des Delikts vorausgesetzten Gefahr für das Rechtsgutsobjekt bzw. in seiner Verletzung wider. Mit dem diese Gefahr 74 75 76
Siehe oben A.III. Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 299. Langer, Sonderverbrechen, S. 299 Fn. 49.
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meinenden Erfolgsbegriff w i r d somit der spezifische, d u r c h a l l jene o b j e k t i ven M e r k m a l e geprägte U n w e r t g e h a l t der j e w e i l i g e n S t r a f t a t erfaßt u n d sachgerecht an der Stelle i n dem gem. § 13 z u b i l d e n d e n Unterlassungstatbestand b e r ü c k s i c h t i g t , an der o b j e k t i v e M e r k m a l e v o n B e d e u t u n g f ü r das Unterlassungsunrecht sind. D e n n da die Unterlassung (einer Rettungshandlung) selbst n u r i n einer W e r t u n g z u begreifen ist u n d als solche n i c h t w i e die H a n d l u n g (als Körperbewegung)
eine eigene ontologische
Realität
b e s i t z t 7 7 , ist ein Unterlassen „ m i t W a f f e n " , „ d u r c h T ä u s c h u n g " etc. n i c h t denkbar78. D i e B e r ü c k s i c h t i g u n g der objektiven, den sachlichen U n w e r t g e h a l t p r ä genden M e r k m a l e einer Begehungstat i m R a h m e n des gem. § 13 zu b i l d e n den Unterlassungstatbestandes k a n n daher n u r insoweit erfolgen, als es u m das „Unterlassen der A b w e n d u n g " einer V e r l e t z u n g (Gefährdung) geht, die gerade auf die i n dem betreffenden Begehungstatbestand geschilderte A r t u n d Weise einzutreten d r o h t . Das bedeutete e t w a f ü r einen gem. § 13 i n V e r b i n d u n g m i t § 223 a z u b i l d e n d e n Unterlassungstatbestand das „ U n t e r l a s sen der A b w e n d u n g einer m i t t e l s einer Waffe etc. drohenden K ö r p e r v e r l e t z u n g " 7 9 . H i e r w i r d d u r c h den wegen der V e r w e n d u n g einer Waffe entsprechend gefährlicheren A n g r i f f eine entsprechend dringlichere H a n d l u n g s 77 Was aber immer wieder zu beweisen versucht w i r d in der Absicht, Gemeinsamkeiten zwischen Handeln und Unterlassen nachzuweisen. Bezeichnend für diese Versuche ist das Umschreiben der Unterlassung mit Worten, die gerade eine Tätigkeit, Aktivität beschreiben, die im Unterlassen von Tätigkeit, also in der Passivität, eben logisch nicht vorhanden ist; vgl. die Formulierungen, der Unterlassende nehme Fremdkausalität in Dienst (Arthur Kaufmann, Schuld und Strafe, S. 53), er ergreife eine ihm zu Gebote stehende Möglichkeit (E. A. Wolff, Kausalität, S. 55) bzw. verwirkliche eine ihm nach seiner Freiheit zu Gebote stehende Reaktionsmöglichkeit 0lescheck, AT, § 23 IV 1). Vgl. auch Maiwald, ZStW 86 (1974), S. 637 ff. und JuS 1981, S. 475f.; Stechmann, Diss., S. 146ff., 179ff.; Hardwig, ZStW 74 (1962), S. 27ff. (32); Schaffstein, OLG Celle-Festschrift, S. 201 f. Vgl. weiter Maihofer, Handlungsbegriff, S. 19 ff., der zwar meint, dem Unterlassen sei keine Körperlichkeit und keine Willkürlichkeit eigen, dann aber zur Rettung seines Handlungsbegriffes als Grundlage des Verbrechens beides aus diesem eliminiert. Daß mit dieser Eliminierung der wesentlichen Handlungsmomente als Handlungsbegriff nur noch eine inhaltslose Hülse übrigbleibt, welche die ihr zugeschriebene fundamentale Bedeutung für den Verbrechensbegriff nicht erfüllen kann, liegt auf der Hand, vgl. dazu näher etwa Otter, Handlungsbegriff, S. 90 ff., 198. - Gegen die Versuche, ontologische Gemeinsamkeiten von Handeln und Unterlassen zu konstruieren, und gegen einen auch die Unterlassung umfassenden Handlungsbegriff zu Recht Schmidhäuser, AT 16/4ff., 16/62 und Gedächtnisschrift für Radbruch, S. 278; vgl. auch Gallas, ZStW 67 (1955), S. 9ff.; vgl. auch Bundesjustizminister, Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, Prot. S.1861 („Ontologisch ist die Unterlassung ein Nichts, das erst normativ dadurch Bedeutung erlangt, daß bestimmte Urteile über dieses Unterlassen abgegeben werden"). 78 Vgl. Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 290 (das Unterlassen könne kein Mittel sein, denn jeder Mitteleinsatz setze einen final gesteuerten Kausalverlauf voraus); siehe aber Volk, JuS 1981, S. 880 („Täuschung durch Unterlassen"). Nicht haltbar daher die Bejahung der Möglichkeit von „Gewaltanwendung durch Unterlassen" bei OLG Koblenz, MDR 1975, S. 243; BayObLG, NJW 1963, S. 1261; Schänke / Schröder / Eser, § 240 Rn. 8 u. Vor. §§ 234ff. Rn. 20; siehe auch Knodel, Der Begriff der Gewalt, S. 114f. Zweifelnd allerdings: RGSt 64, S. 113,116. 79 In diesem Sinne Welzel, Strafrecht, S. 211 (A.I.l).
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
pflicht begründet, deren Nichtachtung beim Unterlassenden ein entsprechend größeres Unrecht (gegenüber dem Unterlassen der Abwendung eines „Erfolges" i.S.d. § 223) begründet.
b) Einbeziehung der subjektiven Unrechtsmerkmale? aa) Bedeutung der subjektiven Unrechtsmerkmale bei den Begehungsdelikten Mit den objektiven Merkmalen ist nun aber noch nicht der gesamte sachliche Unrechtsgehalt der Begehungstat erfaßt. Vielmehr wird dieser ebenso geprägt durch die subjektive Intensität des Angriffs auf ein Rechtsgutsobjekt. Grundlage aller Begehungsstraftaten und damit allen Begehungsunrechts ist dabei die Willentlichkeit des Angriffs. Zwar stellen der Schaden an einem Rechtsgutsobjekt, aber auch schon die konkrete Gefahr für ein solches für sich genommen einen Unwert dar, der nicht nur von dem einzelnen Verletzten, sondern auch von der Rechtsgemeinschaft als solcher erlebt wird. Aber erst die Herbeiführung des Schadens bzw. der Gefahr durch das willentliche Tun eines Menschen wird als strafrechtliches Unrecht bewertet; erst durch diese subjektive Beziehung, durch die Zurechnung des Schadens oder der Gefahr zu einem menschlichen Willen wird der Eintritt des Schadens oder der Gefahr als Verletzung empfunden und damit das Unrecht begründet 80 . Damit ist zwar die gemeinsame subjektive Grundlage allen unrechten Tuns bestimmt, andererseits aber auch nur das subjektive Minimalerfordernis des Begehungsunrechts benannt. Die subjektive Intensität des Angriffs ergibt sich des weiteren aus dem Umfang des Willens- und Vorstellungsinhalts des Angreifers, wonach die subjektiven Grundformen des Angriffs von der unbewußten über die bewußte bis hin zur beabsichtigten Rechtsgutsobjektsgefährdung (-Verletzung) reichen 81 . Der größte sachliche Unwertgehalt wird dabei durch die beabsichtigte Verletzung eines Rechtsgutsobjekts begründet, d. h. durch einen Angriff mit dem Willensziel, das Rechtsgutsobjekt zu verletzen.
bb) Übertragung auf das Unterlassungsdelikt? Es fragt sich nun, welche Bedeutung diese subjektiven Merkmale, die für das Unrecht der Begehungsdelikte eine Rolle spielen, für das Unterlassungs80 81
Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 299f. Zur Begründung näher Langer, Sonderverbrechen, S. 300 ff.
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unrecht haben können und ob sie entsprechend innerhalb des Erfolgsbegriffes zu berücksichtigen sind. (1) Der Handlungswille Dazu sei zunächst von dem für jegliches Begehungsunrecht grundlegenden Minimalerfordernis der Willentlichkeit ausgegangen. Wie oben bereits festgestellt 82 , kann es für das Unterlassungsunrecht grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob eine (abzuwendende) Gefahr durch ein willentliches Tun begründet wurde oder nicht, denn die Frage der Willentlichkeit der Herbeiführung der Gefahr für ein Hechtsgutsobjekt kann das Unrecht des die Abwendung dieser Gefahr Unterlassenden nicht beeinflussen. Insofern muß es ausreichen, wenn die bestehende Gefahr in ihren objektiven Merkmalen der in dem jeweiligen Begehungsdelikt vorausgesetzten Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt gleicht 83 . Ist also beispielsweise das Leben eines Menschen dadurch in Gefahr, daß dieser im Wasser zu ertrinken droht, so entspricht die drohende Zerstörung dieses menschlichen Lebens der in § 212 (Totschlag) vorausgesetzten Rechtsgutsobjekts Verletzung in ihren objektiven Merkmalen. Für das Unrecht des die Rettungshandlung Unterlassenden kann es nun keinen Unterschied machen, ob dieser Mensch vorher von einem Dritten willentlich ins Wasser gestoßen wurde oder ob er versehentlich in diese Notlage geraten ist. Gerade die Willentlichkeit der Herbeiführung der Gefahr hat keinen Einfluß auf die das Unrecht des Unterlassenden in seiner Schwere bestimmende Dringlichkeit der Handlungspflicht, da sich diese vom Rechtsgut her allein aus der objektiv erfaßbaren Gestalt bzw. dem Grad der Gefahr für das Rechtsgutsobjekt bestimmen läßt (und, wie beim Begehungsdelikt, vom Wert des Rechtsgutsobjekts abhängig ist). Da somit über den Erfolgsbegriff die subjektiven Unrechtsmerkmale des Begehungsdelikts nicht in das Unterlassungsunrecht umgesetzt werden können, ist es für den Erfolgsbegriff in § 13 ohne Bedeutung, ob die von ihm erfaßte Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt einem willentlichen Tun zuzurechnen ist oder nicht, sofern nur die Gefahr der in dem betreffenden Begehungsdelikt vorausgesetzten gleicht. Unterstellt man an dieser Stelle einmal, daß angesichts der prinzipiellen Übernahme der Strafandrohung für das von § 13 in Bezug genommene Begehungsdelikt auch für das „Begehen durch Unterlassen" grundsätzlich die gleiche Strafwürdigkeit vorausgesetzt ist, dann müßte dem gerade in 82
Siehe oben A.II.2. Dies ist allerdings auch notwendige Voraussetzung überhaupt für eine Vergleichbarkeit des Unterlassungsunwerts mit dem Unwert des von § 13 in Bezug genommenen Begehungsdelikts, da das weitere unrechtsbegründende Charakteristikum der Handlung, nämlich die willentliche Steuerung des Tuns, beim Unterlassen ja gerade fehlt. 83
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
dem willensgesteuerten Handeln liegenden subjektiven Unrechtsunwert auch im Unterlassungsunrecht ein diesem entsprechender Unwert korrespondieren. Da das Unrecht als Grundlage der Schuld immer in der Person des Täters begründet sein muß - allein das von seinem Willen gesteuerte Handeln bildet (beim Begehungsdelikt) die Grundlage der Bewertung seines Unrechts 84 müssen die subjektiven Unrechtsmerkmale ebenso wie die Schuldmerkmale immer beim Täter selbst, also im Falle des § 13 beim Unterlassenden, vorliegen. Da das Phänomen der steuernden Willens Verwirklichung gerade mit dem Tun, mit körperlicher Aktivität verbunden ist und dem Nichthandeln der darin liegende subjektive Unwert also nicht zukommen kann 8 5 , bleibt für den Unwertvergleich im subjektiven Bereich bei der Unterlassung nur das Bewußtsein des Unterlassenden (oder zumindest das erlangbare Bewußtsein bei der fahrlässigen Unterlassung) bezüglich der Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt und der Möglichkeit, rettend tätig zu werden, sowie der mögliche Entschluß, die Rettungshandlung nicht vorzunehmen. Da dieses Bewußtsein des Unterlassenden aber schon dem zum Unrecht der Begehungsdelikte gehörenden Tatbewußtsein (auch: Verletzungsbewußtsein) 86 entspricht, kann es allein den Unwert, welcher dem die Handlung steuernden Willen beim Begehungsdelikt zukommt, nicht erreichen. Das gleiche gilt für den Unterlassungsentschluß. Hier ist zunächst festzustellen, daß dieser nicht notwendige Voraussetzung für das Unterlassungsunrecht ist, da der Unterlassende, auch ohne einen Entschluß zu fassen, einfach passiv bleiben kann, weil er sich im Gegenteil gerade nicht entschließen kann, die Rettungshandlung vorzunehmen. Andererseits ist das Fassen des Tatentschlusses als eine notwendige Phase im Prozeß der Willensbildung 84 Was im Grunde selbstverständlich ist, aber wegen des das gleiche nur für die Schuld besagenden § 29 (jeder wird nach seiner Schuld bestraft) doch hervorgehoben werden soll. Vgl. zum eigenen Unrecht des Teilnehmers Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale, S. 261 ff.; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 119ff. 85 Vgl. näher zur fehlenden Finalität der Unterlassung Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 73ff., Bindings Normentheorie, S. 284, und Festschrift für v. Weber, S. 207ff.; Grünwald, Festschrift für Hellmuth Mayer, S. 289f.; Welzel, Strafrecht, S. 201; Schmidhäuser, AT 16/64; Behrendt, Unterlassung, S. 151; Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 178ff.; ebenso Langer, Sonderverbrechen, S. 301; vgl. auch Gallas, ZStW 67 (1955), S. 40, der mit der potentiellen Finalität der Unterlassung die Finalität der nicht vorgenommenen Handlung meint und damit auch davon ausgeht, daß die Unterlassung selbst nicht final ist. Die gegenteiligen Ansichten konstruieren (oft eingestandenermaßen) einen andersartigen Willensbegriff für die Unterlassung, der eben gerade nicht das Moment des steuernden Beeinflussens eines, Geschehens beinhaltet und damit, und dies ist das Entscheidende, gerade nicht den besonderen Unwert der willentlichen Steuerung beim Tun enthält. Vgl. Lackner, StGB, 5. zu § 13, der immerhin diese Unwertdifferenz anerkennt, wenn er von der regelmäßig stärkeren Willensintensität beim Tun spricht. 86 Das allerdings nur für das Unrecht der vorsätzlichen Delikte erforderlich ist; bei den fahrlässigen Straftaten reicht das potentielle Verletzungsbewußtsein aus, vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 300f., 302.
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und Willensbetätigung immer eine Voraussetzung des Begehungsunrechts. Selbst wenn also ein Unterlassungsentschluß vorliegt, so würde dieser allein dem immer notwendigen Handlungsentschluß des Tätigkeitsdeliktes entsprechen können. Da dieser Handlungsentschluß aber nur eine Vorstufe des steuernden Willens beim Handlungsdelikt bildet und das Moment des steuernden Willens auch beim Unterlassen aufgrund eines Unterlassungsentschlusses nicht vorhanden ist, kann auch das „entschlossene Unterlassen" den gerade in der steuernden Willensverwirklichung verkörperten subjektiven Unwert des Begehungsdeliktes nicht erreichen. Wegen dieser geringeren subjektiven Intensität auch des aufgrund eines Entschlusses erfolgenden (nur) bewußten Unterlassens gegenüber dem w i l lentlich bewußt gesteuerten Tun ist daher das Unterlassungsunrecht in seiner subjektiven Seite immer von geringerer Schwere als das Handlungsunrecht 87 . Da aber bei allen Handlungsdelikten ein willentliches Tun die Grundvoraussetzung der Unrechtsbegründung ist, könnte das „Unterlassen der Abwendung" eines in einem Handlungsdelikt vorausgesetzten „Erfolges" niemals den Unrechtsunwert und, da von diesem abhängig, die Strafwürdigkeit des betreffenden Handlungsdelikts erreichen. Da die Regelung des § 13 aber mit dem Verweis auf den Strafrahmen des Begehungsdelikts und einer nur fakultativen Strafmilderung offenbar grundsätzlich von einer gleichen Strafwürdigkeit des von ihr erfaßten Unterlassens ausgeht, muß diese der Unterlassung fehlende subjektive Intensität durch eine anderweitige Unrechtssteigerung ausgeglichen werden. Diese könnte nur in einer erhöhten Dringlichkeit der Handlungspflicht zu finden sein, die sich wiederum nur aus einer Sonderbeziehung des Unterlassenden zu dem bedrohten Rechtsgutsobjekt ergeben kann. Ob nun diese Sonderpflicht gerade einen dem Unwert des willentlich gesteuerten Tuns entsprechenden Unwert begründet, so daß von einem „der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechenden Unterlassen" gesprochen werden kann 8 8 , soll hier noch dahingestellt bleiben, da zumindest eine andere Möglichkeit der Unrechtssteigerung als über eine Sonderpflicht nicht ersichtlich ist 8 9 . Jedenfalls dürfte deutlich geworden sein, daß der in der Willentlichkeit der Handlung liegende subjektive Unrechtsunwert des Handlungsdelikts mit Hilfe des Erfolgsbegriffes nicht in das Unterlassungsdelikt transferiert werden kann. 87
Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 503. Schließlich handelt es sich beim Unterlassen eines Sonderpflichtigen und dem willentlichen Tun um zwei gänzlich verschiedene Phänomene, die infolgedessen in ihrem Unwert schwer vergleichbar sind. 89 Das entspricht insoweit der herrschenden Meinung, als auch sie ohne eine „Garantenstellung" nie ein Entsprechen mit dem Tun bejaht. Von vielen w i r d die „Garantenstellung" als alleiniges Kriterium für ein Entsprechen des Unterlassens mit dem Tun angesehen, vgl. Sachbearbeiter, Niederschriften Bd. 12, S. 473; Alt.-Entwurf, 2. Aufl. 1969, S. 49 (zu § 12); Gallas, Niederschriften Bd. 12, S. 80; Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 284 f. 88
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(2) Die rechtsgutsverletzenden
Absichten
Besonders p r o b l e m a t i s c h w i r d die Frage, ob ein Unterlassen ü b e r h a u p t einem den Tatbestand eines H a n d l u n g s d e l i k t s v e r w i r k l i c h e n d e n T u n i n seinem U n w e r t entsprechen k a n n , b e i denjenigen Begehungstatbeständen, die eine über den bei a l l e n Begehungsdelikten vorausgesetzten H a n d l u n g s w i l l e n hinausgehende rechtsgutsverletzende A b s i c h t erfordern. D e r beabsichtigte A n g r i f f auf ein Rechtsgutsobjekt ist die i n s u b j e k t i v e r H i n s i c h t intensivste F o r m der Rechtsgutsverletzung u n d stellt daher die s u b j e k t i v schwerste A r t des Unrechts b e i den Begehungsdelikten d a r 9 0 . I h m k o m m t somit gegenüber dem „ n u r " (unbewußt oder bewußt) w i l l e n t l i c h e n A n g r i f f ein erhöhter U n r e c h t s u n w e r t z u 9 1 . D a aber schon der U n w e r t des n u r w i l l e n t l i c h e n A n g r i f f s b e i m Unterlassen allenfalls über eine unrechtssteigernde S o n d e r p f l i c h t erreicht w e r d e n k a n n , fragt sich, w i e der gegenüber dem n u r w i l l e n t l i c h e n A n g r i f f erhöhte U n w e r t des beabsichtigten A n g r i f f s auf ein Rechtsgutsobjekt i n einem Unterlassen erreicht w e r d e n k ö n n e n soll.
(a) Absichtliches Unterlassen? D a - w i e oben aufgezeigt - die w i l l e n t l i c h e Steuerung ein auf die H a n d l u n g beschränktes Phänomen darstellt, k a n n es infolgedessen b e i m U n t e r 90
Langer, Sonderverbrechen, S. 302. Daraus erklärt sich der doppelt so große Strafrahmen der beabsichtigten schweren Körperverletzung (§ 225) gegenüber der schweren Körperverletzung (§ 224). Demgegenüber versteht BGHSt 21, 194 die Absicht in § 225 offenbar schon als das sichere Tatbewußtsein (gegenüber dem für § 224 ausreichenden unsicheren Tatbewußtsein). Allein die Unwertdifferenz zwischen unsicherem und sicherem Tatbewußtsein vermag aber den erheblichen Strafrahmenunterschied zwischen den beiden Delikten nicht zu erklären; richtig hingegen Jescheck, AT, § 29 I I I 1 b; Schmidhäuser, BT 1/15; wohl auch RGSt 24, 369. Soweit bei dem in Bezug genommenen Begehungsdelikt eine unrechtssteigernde, weil rechtsgutsverletzende Absicht auch die durch die Handlung bewirkte Gefahr beeinflußt, d.h. vergrößert, kann dadurch auch wieder die Dringlichkeit der Rettungspflicht und entsprechend das Unrecht des Unterlassenden gesteigert werden, was häufig der Fall sein wird, wenn die gefährliche Handlung noch bevorsteht und als solche abzuwenden ist; denkbar ist aber auch, daß eine in Verletzungsabsicht vorgenommene Handlung keine größere Gefahr begründet, so etwa wenn ein K i n d in Tötungsabsicht ins Wasser geworfen wird (damit es ertrinke); für den später hinzukommenden Rettungspflichtigen stellt sich die Gefahrlage nun unabhängig von der Absicht desjenigen dar, der sie herbeigeführt hat. Der Gefahr-Erfolgsbegriff würde jedenfalls sachgerecht auch einen durch eine rechtsgutsverletzende Absicht begründeten, objektiv erfaßbaren höheren Unwert berücksichtigen. Allerdings erschöpft sich darin, wie auch das angeführte Beispiel zeigt, noch nicht der Unrechtsgehalt der rechtsgutsverletzenden Absicht. Ihr eigentlicher Unwert liegt vielmehr in der subjektiven Intensität der Rechtsgutsverletzung: Die Tatsache, daß die Rechtsgutsverletzung nicht nur vom Täter willentlich bewirkt und als solche erkannt, sondern sogar noch erstrebt wird, also sein Tatziel bildet, begründet gerade das erhöhte Unrecht des beabsichtigten Angriffs auf ein Rechtsgutsobjekt in subjektiver Hinsicht; vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 302. 91
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lassen auch keine Absicht im Sinne des Erstrebens einer Verletzung des Rechtsgutsobjekts geben. Denn das Erstreben der Verletzung eines Rechtsgutsobjekts bezieht seinen Unwert gerade aus dem steuernden Hinwirken auf das angestrebte Ziel. Insofern können Wille und Absicht in ihrer das Unrecht der Begehungsdelikte in subjektiver Hinsicht begründenden bzw. steigernden Funktion immer nur in „dialektischer Einheit" mit dem Tun, also in ihrer Verwirklichung in einer Tätigkeit verstanden werden 92 . Bleibt eine Tätigkeit aus, so ist die „Absicht" nur noch verstehbar als bloßer Wunsch, ein vom Untätigbleibenden nicht gesteuertes Geschehen möge einen bestimmten Verlauf nehmen 93 . Einem solchen Wunsch, einem solchen Gedanken also kann aber der gerade in dem steuernden Erstreben eines Tatziels liegende Unrechtsunwert des beabsichtigten Angriffs nicht zukommen 94 . Insofern kann der im Schrifttum anzutreffenden Meinung, die den Absichtsbegriff auch auf Unterlassungen anwenden w i l l 9 5 , nicht gefolgt werden. Zwar w i r d teilweise anerkannt, daß es beim Unterlassen eine Absicht, die als auf ein Ziel gerichteter Verwirklichungswille im Sinne der Begehungsdelikte zu verstehen ist, nicht geben kann 9 6 , doch meint man dann, die Absicht beim Unterlassen auch ohne Berücksichtigung des Steuerungsmomentes so verstehen zu können, daß es dem Unterlassenden auf den Eintritt des „Erfolges" ankommen müsse 97 . Dabei wird aber verkannt, daß dieses „Darauf-Ankommen" beim Unterlassen eben nur als bloßer Wunsch zu verstehen ist und daß dieser bloße Wunsch gerade nicht den Unwertgehalt begründen kann, der für die steuernde Verwirklichung eines Willensziels bei den Begehungsdelikten, also etwa bei der beabsichtigten schweren Körperverletzung (§ 225), vorausgesetzt wird 9 8 . 92 Schmidhäuser, AT 8/21ff., 25; vgl. auch Jescheck, AT, § 29 I I I 1 a („charakteristisch für die Absicht ist, daß der Täter sein Verhalten nach der Zielvorstellung einrichtet und daß er im Interesse der Erreichung des Ziels tätig wird"). 93 Schmidhäuser, AT 16/44. 94 Vgl. Schmidhäuser, AT 16/64 und BT 4/17; zutreffend auch Bergmann, Das Unrecht der Nötigung, S. 63 f. 95 Schänke / Schröder / Cramer, § 15 Rn. 94; Maurach / Gössel, AT, Teilbd. 2, § 46 I I I A 2 c (S. 159); E. A. Wolff, Kausalität, S. 47; Engisch, JZ 1962, S. 190; Herzberg, Unterlassung, S. 226f.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 377; Rudolphi, Systematischer Kommentar, Rn. 28f. vor § 13; Jescheck, AT, § 59 V I 2 b; Stree, GA 1963, S. 6; Lampe, ZStW 79 (1967), S. 510; Bamberger, Versuch, S. 34; Jakobs, AT 29/ 92 f. 96 Vgl. Schönke / Schröder / Cramer, § 15 Rn. 94; Bamberger, Versuch, S. 34; wohl auch Stratenwerth, AT, Rn. 1051, wenn er fragt, ob für die erforderliche Absicht bei der Unterlassung ein „äquivalentes Gegenstück" gefunden werden könne. 97 Vgl. die in Fußn. 95 angeführten Autoren mit Ausnahme von Wolff und Engisch; dagegen zu Recht Bergmann, Das Unrecht der Nötigung, S. 63 f. 98 Das übersieht insbesondere Herzberg, Unterlassung, S. 226f., wenn er klagt, daß es eine absichtliche Unterlassung natürlich nicht geben könne, wenn man den Begriff der Absicht im vorhinein so definiere, daß sie nur auf Begehungsdelikte passe. Die Absicht ist eben ein nur von den Begehungsdelikten her zu begreifendes Phänomen
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(b) Der beabsichtigten Rechtsgutsverletzung entsprechendes Unterlassen? Wie oben festgestellt", kann nun beim Unterlassungsdelikt das Unrecht nur noch durch das Bestehen einer Sonderpflicht des Unterlassenden gesteigert werden. Von einem solchen erhöhten Unterlassungsunwert geht die Regelung des § 13 offenbar aus, wenn sie für einen aus einem Begehungsdelikt zu bildenden Unterlassungstatbestand das „Entsprechen der unterlassenen Erfolgsabwendung mit der Verwirklichung des (Begehungs-) Tatbestandes durch ein Tun" voraussetzt. Da eine solche Unrechtssteigerung, wie oben gezeigt, schon für das „Entsprechen" des Unterlassens mit einem (unbewußt oder bewußt) willentlichen Angriff auf ein Rechtsgutsobjekt erforderlich ist, ist schwer vorstellbar, wie der noch größeres Unrecht bedeutende beabsichtigte Angriff ein Entsprechen im Unterlassen einer Erfolgsabwendung finden soll. Während die „Entsprechung" mit einem (nur) willentlichen Tun wegen der Existenz des § 13 vom Gesetzgeber offensichtlich für möglich gehalten wird, weil der durch das willentliche Tun begründete (subjektive) Unwert Grundvoraussetzung des Unrechts aller Begehungsdelikte ist, so daß zwangsläufig nach einer anderweitigen Unrechtssteigerung beim Unterlassen Ausschau gehalten werden muß (die eben nur noch in der Verletzung einer Sonderpflicht zu finden sein kann), kann eine solche „ratio legis" nicht als Argument für ein „Entsprechen" des Unterlassens mit den nur in einzelnen Vorschriften geregelten Absichtsdelikten dienen. Die einzige Möglichkeit, den Unrechtsunterschied bei den Begehungsdelikten zwischen der bewußt willentlichen und der beabsichtigten Rechtsgutsverletzung im Unterlassensbereich zu berücksichtigen, wäre, noch innerhalb der unrechtsteigernden Sonderpflichten nach Dringlichkeitsgraden zu differenzieren und so Unrechtsabstufungen zu suchen, mit deren Hilfe dieser Unterschied erfaßt werden könnte. Daß eine solche Differenzierung hingegen kaum durchführbar ist, sei mit folgenden Fragen hier nur angedeutet: Wie müßte beispielsweise einerseits eine Sonderpflicht desjenigen beschaffen sein, dessen „unterlassene Erfolgsabwendung" dem in dem beabsichtigten Angriff auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs im Sinne des § 267 liegenden Zielunund begründet gerade im Zusammenhang mit der verwirklichenden Aktivität den besonderen Unwertgehalt der Absichtsdelikte! Eben dies wird auch selbst aus dem von Herzberg angeführten § 17 des Entwurfs 1962 deutlich, der die Absicht in Beziehung auf die Verwirklichung eines „Umstandes" durch ein Handeln definierte. Daß es auf den „materiellen Unrechtsgehalt" einer absichtlichen Tatbegehung ankommt, wird auch von Rudolphi, Systematischer Kommentar, Rn. 27 vor § 13, anerkannt, der aber ein finales Unterlassen für möglich hält und sich insofern doch eine „Bereicherungsabsicht" i.S.d. § 263 beim Unterlassenden vorstellen kann - er verkennt dabei überdies, daß die Vorteilsabsicht gerade nichts mit dem „materiellen Unrechtsgehalt" des Betruges zu tun hat, sondern besonderes Schuldmerkmal ist, vgl. Schmidhäuser, BT 11/6, 36. 99 Siehe oben unter bb) (1).
1. Abschn.: Der „zum Tatbestand . . . gehörende Erfolg"
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wert entsprechen soll, und wie müßte im Vergleich dazu die Sonderpflicht desjenigen beschaffen sein, dessen Unterlassen nur einem (in diesem Fall vom Gesetzgeber nicht als strafwürdig angesehenen) ohne diese rechtsgutsverletzende Absicht erfolgenden willentlichen Angriff auf dasselbe Rechtsgutsobjekt entsprechen soll? Was für unterschiedliche Sonderpflichten sollten jeweils das Erreichen des unterschiedlichen Unrechtsunwerts einmal der schweren Körperverletzung gem. § 224, zum anderen der beabsichtigten schweren Körperverletzung gem. § 225 ermöglichen? cc) Zwischenergebnis Für die Frage des Erfolgsbegriffes bleibt festzuhalten, daß mit seiner Hilfe eine Transferierung der subjektiven Unrechtsmerkmale in das Unterlassungsunrecht nicht erfolgen kann. Als subjektives Unrechtsmerkmal gibt es beim Unterlassungsdelikt nur das (für die Unrechtsbegründung des fahrlässigen Delikts als potentielles ausreichende) Tatbewußtsein und den denkbaren, aber für die Unrechtsbegründung nicht erforderlichen Unterlassungsentschluß; die das Unrecht der Begehungsdelikte in subjektiver Hinsicht prägende Willentlichkeit der Handlung hat im Unterlassungsunrecht kein gleichunwertiges Pendant, so daß der hierin liegende geringere Unwert der Unterlassung nur noch über eine unrechtssteigernde Sonderpflicht erhöht werden kann. Entsprechendes gilt für die rechtsgutsverletzenden Absichten; allerdings ist hier nicht ersichtlich, wie der mit ihnen verbundene erhöhte Unrechtsunwert gegenüber dem nur (bewußt) willentlichen Handeln im Unterlassen ein Entsprechen finden soll, wenn die für eine Steigerung des Unterlassungsunrechts in Betracht kommenden Sonderpflichten bereits für das Entsprechen mit dem ohne eine rechtsgutsverletzende Absicht erfolgenden (bewußt) willentlichen Tun benötigt werden. c) Ergebnis Es hat sich gezeigt, daß sich mit der Bestimmung des Erfolgsbegriffes von dem geschützten Rechtsgut her neben der in vielen Vorschriften beschriebenen Verletzung des Rechtsgutsobjekts auch die in allen übrigen Straftatbeständen für die Vollendung der Straftat vorausgesetzte Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt als Erfolg begreifen läßt, womit sachgerecht all diejenigen das Unrecht der Begehungsdelikte prägenden objektiven Merkmale in den gem. § 13 zu bildenden Unterlassimgstatbestand eingebracht werden, die das Unterlassungsunrecht in seiner Art und seinem Umfang beeinflussen können.
4 Schürmann
2. Abschnitt
Das Unterlassen der Erfolgsabwendung Aufgrund der bisherigen Untersuchungen läßt sich der gem. § 13 zu bildende Unterlassungsstraftatbestand nun näher konkretisieren. Je nach dem in Bezug genommenen Begehungstatbestand kommt dabei als Erfolg sowohl die Gefährdung als auch die Verletzung eines Rechtsgutsobjekts in Betracht. Die Art der Tatbestandsbildung unterscheidet sich dadurch jedoch grundsätzlich nicht. Das in diesem Zusammenhang interessierende Problem der objektiven Zurechnung des Erfolges stellt sich für beide „Erfolgsarten" gleichermaßen, ist also unabhängig davon, ob es um die Abwendung eines Gefahr- oder eines Verletzungserfolges geht. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit der Darstellung soll es im folgenden am Beispiel des Verletzungserfolges erörtert werden.
A. Die objektive Zurechnung des Erfolges Geht es in dem von § 13 in Bezug genommenen Begehungstatbestand um die Verletzung eines Rechtsgutsobjekts, so würde der zu bildende Unterlassungstatbestand in seinem hier interessierenden ersten Teil folgendermaßen lauten: „Wer es unterläßt, den im Tatbestand des in Bezug genommenen Begehungsdelikts für die Vollendung dieses Delikts vorausgesetzten Eintritt der Verletzung eines Rechtsgutsobjekts abzuwenden, wird bestraft, wenn..." Diese Tatbestandsbildung lenkt zunächst den Blick auf einen vom Rechtsgut her gesehenen Unwertsachverhalt, den Eintritt einer Rechtsgutsobjektsverletzung, und führt dann zu der Frage, ob dieser Unwertsachverhalt einem bestimmten menschlichen Verhalten zuzurechnen ist 1 . Die Frage der objektiven Zurechnung beantwortet sich bei den Begehungsdelikten danach, ob der Täter mit seinem Handeln unerlaubt eine Gefahr für die Verletzung des Rechtsgutsobjekts geschaffen oder eine bereits bestehende Gefahr erhöht hat und sich diese unerlaubt geschaffene oder erhöhte Gefahr in der Verletzung des Rechtsgutsobjekts niedergeschla1
Da das Wort „Verhalten" auch im Sinne von Einhalten, Verharren verstanden werden kann, läßt sich mit dem menschlichen Verhalten sowohl die Handlung als auch die Unterlassung bezeichnen, ohne daß damit die wesentlichen Unterschiede dieser beiden grundverschiedenen Formen menschlichen „Verhaltens" geleugnet oder aufgehoben werden sollen, vgl. dazu näher Otter, Handlungsbegriff, S. 126ff.
2. Abschn.: Das Unterlassen der Erfolgsabwendung
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gen h a t 2 . A u f g r u n d der phänomenologischen Verschiedenheit v o n H a n d l u n g u n d Unterlassen r i c h t e t sich die o b j e k t i v e Z u r e c h n u n g b e i dem U n t e r l a s sungsdelikt nach anderen K r i t e r i e n 3 . G r u n d l a g e der o b j e k t i v e n Z u r e c h n u n g einer eingetretenen Rechtsgutsobjektsverletzung z u dem V e r h a l t e n eines Menschen, deren K r i t e r i e n b e i den Begehungsdelikten d u r c h Auslegung der Handlungsbeschreibungen ( „ w e r einen Menschen tötet", heit beschädigt"
„an der
Gesund-
etc.) gewonnen werden, ist b e i den gem. § 13 z u b i l d e n d e n
Unterlassungstatbeständen die i n § 13 Abs. 1 verlangte Feststellung, der U n t ä t i g e habe es unterlassen, den E i n t r i t t der Verletzung eines Rechtsgutsobjektes abzuwenden 4 . F ü r die o b j e k t i v e Z u r e c h n u n g k o m m t es somit entscheidend darauf an, an welche Voraussetzungen diese Feststellung gebunden ist. Zunächst setzt die Feststellung, j e m a n d habe es unterlassen, etwas i m H i n b l i c k auf einen gefährlichen Geschehensverlauf zu t u n , die M ö g l i c h k e i t des Tätigwerdens voraus, das heißt, der Unterlassende muß ü b e r h a u p t i n der Lage gewesen sein, den gefährlichen Geschehensverlauf i n i r g e n d einer Weise zu beeinflussen. Wer ü b e r h a u p t n i c h t m i t dem gefährlichen Geschehen k o n f r o n t i e r t w i r d oder u n a b h ä n g i g d a v o n keine M ö g l i c h k e i t des E i n greifens hat, k a n n auch n i c h t unterlassen, etwas i m H i n b l i c k auf dieses Geschehen zu t u n 5 . Entsprechend setzt die Feststellung, m a n habe etwas Bestimmtes zu t u n unterlassen, voraus, daß m a n genau dies auch t u n 2 Vgl. Schmidhäuser, AT 8/47ff.; Stratenwerth, AT I, Rn. 214ff.; Jescheck, AT, § 28 IV; Rudolphi, Systematischer Kommentar, Rn. 57 vor § 1. 3 Anders, aber nur als petitio principii Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 93: Die Zurechnungsprinzipien müßten im Rahmen ein und desselben Tatbestandes übereinstimmen, das sei wichtigstes Ergebnis seiner Garantentheorie. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, daß es bei dem gem. § 13 zu bildenden Unterlassungstatbestand gerade um einen neuen, selbständigen Tatbestand geht, der, wie die vorliegende Untersuchung zeigt, sich wesentlich von einem Begehungstatbestand unterscheidet. Zum anderen ist diese Unterschiedlichkeit des Tatbestandes gerade bedingt durch die grundsätzliche Verschiedenheit von Handeln und Unterlassen. Daran ändert auch die Zusammenfassung dieser andersartigen Verhaltensweisen in einem Tatbestand des Besonderen Teils nichts, selbst wenn dies in einer einzigen, dafür aber um so weiteren Verhaltenskennzeichnung geschieht. 4 Herzberg, Unterlassung, S. 173, sieht das Zurechnungskriterium in dem „Merkmal der Garantenstellung", vgl. auch S. 212: „Der tragende Zurechnungsgrund"; auch nach Maiwald, JuS 1981, S. 480, soll die Garantenstellung dasjenige Kriterium sein, das es erlaube, einen Untätigbleibenden „für einen Erfolg rechtlich verantwortlich zu machen". Richtigerweise sagt aber die Feststellung, daß jemand eine Garantenstellung innehat, noch gar nichts über die objektive Zurechnung einer eingetretenen Rechtsgutsobjektsverletzung aus. Dies gilt für die Unterlassungsdelikte ebenso wie für die Begehungssonderdelikte. Eine Garantenstellung mag möglicherweise Voraussetzung der objektiven Zurechnung sein, Zurechnungsgrund ist sie hingegen nie. Das wird vielfach nicht erkannt, vgl. etwa Rudolphi, Systematischer Kommentar, §13 Rn. 17; offenbar auch Bockelmann, Niederschriften, Bd. 12, S. 87; unklar Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13, Rn. 4, der „objektive Zurechnung", „zu verantwortendes Unrecht" und „Gleichstellung" nicht auseinanderhält; im Prinzip richtig aber ders., AT, § 59 III; dessen Behauptung allerdings, daß „ i n § 13 selbst das Bestehen einer ,Kausalbeziehung' zwischen Unterlassen und Erfolg ohne weiteres vorausgesetzt wird", ist unzutreffend. 5 Vgl. Schmidhäuser, AT 16/7 f.
4*
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1. Teil: Der 'Regelungsgehalt des § 13
konnte 6 . Damit kann das Urteil, jemand habe die Abwendung des Eintritts einer Rechtsgutsverletzung unterlassen, nur dann gefällt werden, wenn dieser auch tatsächlich den Eintritt der Verletzung verhindern, das heißt abwenden, konnte 7 . Ist nicht sicher, daß er die Verletzung überhaupt hindern konnte, daß also die aussichtsreichste, ihm mögliche Handlung die Verletzung abgewendet hätte, so darf das Urteil nicht lauten, er habe es unterlassen, die Verletzung abzuwenden, sondern kann allenfalls dahin gehen, er habe es unterlassen, auf die Abwendung der Verletzung hin tätig zu werden bzw. sich um die Abwendung der Rechtsgutsobjektsverletzung zu bemühen. Die Formulierung in § 13, „wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden", setzt somit für die objektive Zurechnung der eingetretenen Rechtsgutsobjektsverletzung zu dem Untätigbleibenden die Feststellung voraus, daß es dem Untätigen möglich war, eine den Erfolg sicher abwendende Handlung vorzunehmen 8 . Da eine solche Feststellung immer auf das begrenzte Erkenntnisvermögen des Feststellenden bezogen ist, ein Irrtum nie mit allerletzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist es im Ergebnis richtig, wenn die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur für die Zurechnung eines Erfolges zu dem Untätigbleibenden den Nachweis verlangt, daß eine ihm mögliche Handlung den Eintritt des Erfolges „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" abgewendet hätte 9 . Dem wird entgegengehalten, diese Wahrscheinlichkeitsbetrachtung sei nichts dem Unterlassungsdelikt Zugehöriges, ja sie sei sogar verfehlt, soweit der Eindruck entstehe, beim Unterlassungsdelikt könne die bloße Wahrscheinlichkeit ausreichen, während beim Begehungsdelikt Gewißheit erforderlich sei 10 . Im Hinblick auf den Vergleich Unterlassungsdelikte/Bege6 Im Schrifttum ist umstritten, ob der Unterlassensbegriff wertfrei oder wertbezogen zu verstehen ist. Für ersteres Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 92 ff.; Schaff stein, Festschrift für das OLG Celle, S. 201ff.; Welzel, Lehrbuch, S. 201f. Gegen die Versuche, die Unterlassung als wertfreies Urteil darzustellen, Schmidhäuser, AT 17/8, unter zutreffendem Hinweis auf die Aufkündigung sprachlicher Konsense im Rahmen - bzw. zur Rettung - einer verfehlten klassifikatorischen Straftatsystematik; gleichfalls für die Wertbezogenheit der Unterlassimg u.a. Gallas, ZStW 67 (1955), S. 9ff.; Mezger, Lehrbuch, S. 132, und Studienbuch, S. 62; Schönke / Schröder / Stree, Vorb. §§ 13ff. Rn. 139 (Unterlassung als „enttäuschte Erwartung"); Rudolphi, Systematischer Kommentar, Vor § 13 Anm. 4. 7 Vgl. Engisch, Kausalität, S. 31. 8 Diese von § 13 für die objektive Zurechnung vorausgesetzte Feststellung ist unabhängig von der Frage nach der dem § 13 zugrunde liegenden Norm, die nur als Gebot, auf die Abwendimg des Erfolges hin tätig zu werden, denkbar ist; vgl. dazu die Überlegungen, die unten im 3. Abschnitt unter A. zu der weiteren Voraussetzung des § 13, dem Erfordernis einer „Erfolgsabwendungspflicht", angestellt werden. Für das Normgebot des § 13 kann insoweit nichts anderes gelten. 9 BGH NJW 1979, S. 1258f.; BGH 1 StR 177/80, NStZ 1981, S. 218; vgl. aus dem Schrifttum Schönke / Schröder / Stree, §13 Rn. 61; Lackner, StGB, Vor §13, III. l.c.bb.; Wessels, Allgemeiner Teil, § 16 I I 3; Jescheck, Allgemeiner Teil, § 59 I I I 4. 10 Schmidhäuser, AT 16/76.
2. Abschn.: Das Unterlassen der Erfolgsabwendung
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hungsdelikte ist dieser A n s i c h t durchaus zuzustimmen: A u c h b e i den H a n d l u n g s d e l i k t e n ist die Feststellung, eine H a n d l u n g habe etwas b e w i r k t , habe eine Veränderung hervorgerufen, eine M u t m a ß u n g des Richters über die Wahrheit u n d als solche i m m e r v o n dem begrenzten menschlichen E r k e n n t nisvermögen abhängig. Das solchermaßen i m R a h m e n juristischer Entscheidungen n o t w e n d i g e
„subjektive"
Wahrscheinlichkeitsverständnis 11
geht
davon aus, daß W a h r s c h e i n l i c h k e i t als Beweismaß n i c h t etwas ist, w o n a c h der R i c h t e r (nur) zu suchen h a t : D a es eine „ o b j e k t i v e " W a h r s c h e i n l i c h k e i t i m E i n z e l f a l l n i c h t g i b t 1 2 , w i r d er sie n i c h t finden. W a h r s c h e i n l i c h k e i t als Beweismaß bedeutet n a c h diesem Verständnis vielmehr, daß der R i c h t e r nach der W a h r h e i t z u suchen hat, daß er aber dann, w e n n er über sie keine absolute Gewißheit i m Sinne des sicheren Wissens u m die W a h r h e i t erlangen k a n n , auch a u f g r u n d eines b e s t i m m t e n Grades der A n n ä h e r u n g an diese entscheiden d a r f 1 3 . Dieser G r a d muß gerade i m Straf recht, i n dem die Z u r e c h n u n g Voraussetzung v o n Strafe ist, besonders hoch sein u n d w i r d m i t der „ a n Sicherheit grenzenden W a h r s c h e i n l i c h k e i t " zutreffend beschrieben14. W e n n demgegenüber der E i n d r u c k erweckt w e r d e n könne, bei Begehungs- u n d Unterlassungsdelikten ergäben sich diesbezüglich unterschiedliche Anforderungen, so n i c h t deswegen, w e i l b e i den Unterlassungsdelikten festgestellt w i r d , daß die r i c h t e r l i c h e Überzeugung ein W a h r s c h e i n l i c h 11 Mit Neil, Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen, S. 93, ist Reinhard v. Hippel, Gefahrurteile und Prognoseentscheidungen, S. 26, darin zu widersprechen, daß der Wahrscheinlichkeitsbegriff „Undefiniert bleiben" müsse, v. Hippel beruft sich darauf, daß der Wahrscheinlichkeitsbegriff „ i n der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie ohnehin als Undefinierter Grundbegriff eingeführt" werde. Das ist richtig, weil man mit Wahrscheinlichkeiten rechnen kann, ohne zu wissen, was Wahrscheinlichkeit ist, so wie man mit Längenangaben, Gewichten oder Geschwindigkeiten rechnen kann, ohne zu wissen, was sich hinter den jeweiligen Maßen verbirgt. Das gilt aber nur, so zutreffend Neil, a.a.O., solange man auf dem Felde reiner Mathematik bleibt, und nicht mehr, wenn man Ergebnisse auf die Wirklichkeit anwenden w i l l (vgl. auch Pflanzagl, Stichwort Wahrscheinlichkeitstheorie, HdSWBd. 11, S. 458, 487, und Stegmüller, Personelle Wahrscheinlichkeit, S. 68). Wer - wie der Jurist - an die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses Konsequenzen knüpft, muß eine Vorstellung davon haben, welchen Inhalt er mit dem Wort „wahrscheinlich" verbindet. 12 Näher dazu Neil, Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen, S. 93ff., 114ff. 13 Vgl. Neil, Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen, S. 116. 14 Schmidhäuser, Festschrift für Henkel, S. 232, meint demgegenüber, mit dieser Zurechnungsformel werde eher verschleiert, daß es um die volle richterliche Überzeugung gehe, daß der Erfolg mit Sicherheit nicht eingetreten wäre; der Richter gerate in Versuchung, die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Erfolgsabwendung schon dort zu bejahen, wo er nicht davon überzeugt ist, daß der Erfolg wirklich abgewendet worden wäre. In diesem Sinne (Verminderung des Aufklärungseifers) auch Döhring, Erforschung des Sachverhalts, S. 447, und Greger, Beweis und Wahrscheinlichkeit, S. 114 f. Diese Gefahr besteht in der Tat, doch kann der Hinweis auf ungünstige (psychologische) Auswirkungen an der Richtigkeit der Feststellung, daß auch die volle richterliche Überzeugung nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil ist, letztlich nichts ändern, vgl. dazu Neil, Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen, S. 114 ff.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
keitsurteil ist, sondern allenfalls deswegen, weil dies bei den Begehungsdelikten nicht mit der gleichen Deutlichkeit herausgestellt wird. Das mag aber damit zusammenhängen, daß die Notwendigkeit eines subjektiven Wahrscheinlichkeitsverständnisses gerade bei den Unterlassungsdelikten besonders ins Auge springt. Denn bei der Unterlassung geht es nicht - wie bei den Handlungsdelikten - um die Feststellung einer real existenten Beziehung (für die es allerdings auch um den Ausschluß aller möglichen anderen zu denkenden Geschehensverläufe geht), sondern nur um eine hypothetische Beziehung zwischen einem nur vorgestellten Handeln und einem vorgestellten Ergebnis. Ob also eine nur vorgestellte Rettungshandlung, die ja in der Wirklichkeit gerade ausgeblieben ist, die Rettung mit Sicherheit bewirkt hätte, wird daher oft, aber nicht notwendigerweise, mit einem geringeren Grad der Annäherung an die „reine Wahrheit" festgestellt werden können, als dies bei der Frage der Fall ist, ob eine Handlung, die in der Wirklichkeit existent war, ein anderes reales Ereignis bewirkt hat 1 5 . Das ändert hingegen nichts an der Feststellung, daß auch für das Unterlassungsdelikt nach § 13, wenn schon nicht die volle Sicherheit wegen des nie auszuschließenden menschlichen Irrens erlangt werden kann, wenigstens die „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" dafür gegeben sein muß, daß die unterlassene Handlung den eingetretenen Erfolg abgewendet hätte. Eine im Schrifttum anzutreffende Meinung läßt allerdings für die Zurechnung der eingetretenen Rechtsgutsobjektsverletzung zu dem Untätigbleibenden ausreichen, daß dieser mit seinem Handeln die Gefahr des Eintritts der Rechtsgutsobjektsverletzung wenigstens vermindert hätte 16 . Es wird argumentiert, die herrschende Meinung hätte die sinnwidrige Konsequenz, daß der Versuch, ein bedrohtes Rechtsgutsobjekt zu retten, nur dann unternommen werden müßte, wenn an der Rettung praktisch nicht gezweifelt werden könnte, nicht aber dann, wenn dadurch die „Überlebenschance des Rechtsguts"(-objekts) nur erhöht würde 1 7 . In die gleiche Richtung geht die Ansicht, welche die eingetretene Rechtsgutsobjektsverletzung dem Unterlassenden schon dann zurechnen will, wenn lediglich feststeht, daß die unterlassene Handlung die drohende Gefahr „eindeutig vermindert hätte". Wenn der Täter die ihm gebotene Risikoverminderung unterlasse, so folge daraus zugleich, daß der Erfolgseintritt sich als die Realisierung der pflichtwidrig nicht verminderten Gefahr darstelle, womit dem Täter der Unrechtserfolg objektiv zurechenbar sei 18 . 15 Darum kann es letztlich auch Schmidhäuser, AT 16/72, nur gehen, wenn er meint, diese Feststellung sei oft „nicht so leicht" zu treffen, wie die, die zur objektiven Zurechnung bei den Begehungsdelikten nötig sei. 16 Stratenwerth, AT I, Rn. 1026ff. (1028), und Gallas-Festschrift, S. 227 (238f.). 17 Stratenwerth, AT I, Rn. 1026.
2. Abschn.: Das Unterlassen der Erfolgsabwendung
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Beide Schlußfolgerungen verkennen den Zusammenhang von dem einer Strafvorschrift zugrundeliegenden Normgebot und der Frage der Erfolgszurechnung. Denn die Pflicht, zum Schutz eines bedrohten Rechtsgutsobjekts tätig zu werden - also auch bei Vorliegen einer unsicheren Rettungsaussicht - , besteht grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob der Eintritt der Rechtsgutsobjekts Verletzung als die Strafwürdigkeit begründendes oder steigerndes Merkmal dem Unterlassenden zugerechnet wird oder nicht 1 9 . Bei Vorliegen einer entsprechenden Schutzpflicht gegenüber dem bedrohten Rechtsgutsobjekt 20 verlangt der von dem Rechtsgut ausgehende Achtungsanspruch die Vornahme einer auf die Abwendung des Schadens gerichteten Handlung schon dann, wenn überhaupt eine Rettungswahrscheinlichkeit besteht. Das Unterlassen dieser Handlung stellt unabhängig von der Feststellung einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit der Rettung materiell eine Rechtsgutsverletzung dar, die insbesondere bei wertvolleren Rechtsgütern auch unabhängig von der Zurechnungsfrage als strafwürdig angesehen wird, wie der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung (§ 323 c) beweist. Die Pflicht zum Handeln auch bei geringerer Rettungswahrscheinlichkeit besteht also immer schon unabhängig von der Frage der „Erfolgszurechnung". Die Argumentation, der Erfolg müßte zugerechnet werden, weil sonst keine Handlungspflicht begründet würde, ist daher ebensowenig überzeugend, wie umgekehrt die Behauptung, die Verletzung der Handlungspflicht begründe zugleich die Zurechnung des eingetretenen Erfolges. Weiterhin wird gesagt, die Rechtsprechung umgehe die Konsequenzen ihrer strengeren Anforderungen an die Zurechnung einer Rechtsgutsobjekts Verletzung zu einem Untätigbleibenden bei den Tötungsdelikten dadurch, daß sie statt auf die Rettungschance auf die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der „Verzögerung" des Todeseintritts abstelle 21 . Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Umgehung der strengen Zurechnungskriterien, sondern um eine Frage der konkreten Erfolgsbestimmung, die in der Rechtsprechung allerdings nicht immer konsequent behandelt wird 2 2 . So ist der konkrete Unwertsachverhalt, der bei den Tötungsdelikten als „Erfolg" vorausgesetzt wird, der Eintritt des Todes eines Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dieser Erfolg ist im Nachhinein (aus der Sicht des Richters) ganz konkret festzustellen, ebenso wie seine Ursache, also - als 18
Rudolphi, Systematischer Kommentar, vor § 13 Rn. 16 - bezeichnenderweise geht keiner der Autoren bei der Erörterung des Problemkreises auf die Regelung des § 13 ein. 19 Vgl. Maiwald, JuS 1981, 475. 20 Diese wird ja auch von § 13 nicht erst begründet, sondern als bestehend vorausgesetzt („wenn er rechtlich dafür einzustehen h a t . . . " ) . 21 Stratenwerth, AT I, Rn. 1027. 22 Vgl. dazu unten Fußnote 25.
56
1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Beispiel i m H i n b l i c k auf ein Unterlassungsdelikt - eine bestimmte K r a n k heit. H ä t t e n u n eine H a n d l u n g des Arztes den E i n t r i t t des Todes zu diesem Z e i t p u n k t m i t an Sicherheit grenzender W a h r s c h e i n l i c h k e i t v e r h i n d e r t , so h a t dieser, w e n n i h m die H a n d l u n g m ö g l i c h w a r , es i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t den gewonnenen Erkenntnissen unterlassen, den k o n k r e t e n E r f o l g abzuw e n d e n - u n d z w a r u n a b h ä n g i g v o n der Frage, ob die unterlassene H a n d l u n g den T o d e s e i n t r i t t möglicherweise n u r f ü r k u r z e Z e i t verzögert hätte. F r a g l i c h k ö n n t e d a n n allenfalls
sein, ob das i n den
Tötungsdelikten
geschützte Rechtsgut „ L e b e n " eventuell eine n u r kurzzeitige Verlängerung des Lebens eines sterbenden Menschen n i c h t m e h r verlangt. Z u Recht w i r d hingegen auch eine n u r k u r z e Spanne des Weiterlebens als dem Rechtsgutsschutz der T ö t u n g s d e l i k t e u n t e r f a l l e n d angesehen 2 3 . B e i der i n Grenzfällen d u r c h die moderne u n d teilweise schon unmenschliche M e d i z i n p r o b l e m a t i s c h gewordenen B e s t i m m u n g des v o m Rechtsgut „ L e b e n " ausgehenden Achtungsanspruchs muß allerdings auch dem Recht auf einen „ w ü r d i g e n T o d " B e d e u t u n g zugemessen w e r d e n 2 4 . G r u n d s ä t z l i c h ist die k r i t i s i e r t e Rechtsprechung somit durchaus konsequent, w e n n sie - statt auf eine p a u schale Rettungschance - auf die an Sicherheit grenzende W a h r s c h e i n l i c h k e i t der Verzögerung des Todeseintritts a b s t e l l t 2 5 . 23 Vgl. BGHSt 21, 59 (61); BGH 1 StR 177/80, NStZ 1981, S. 218; es wird also auch bei den Begehungsdelikten jede Lebens Verkürzung als die für die Vollendung des betreffenden Tötungsverbrechens vorausgesetzte Rechtsgutsverletzung angesehen. 24 In diesem Sinne Schmidhäuser, Straf rechtsfälle II, S. 12, 64; Samson, WelzelFestschrift, S. 602; zu den Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht vgl. Geilen, FamRZ 1968, S. 121, 125f.; Sax, JZ 1975, S. 137ff. 25 So auch Wolfslast, NStZ 1981, S. 219f.; Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 96ff.; Horn, Systematischer Kommentar, § 212 Rn. 22. Neben dieser zeitlichen Erfolgskonkretisierung, die jedenfalls für das Rechtsgut Leben von Bedeutung ist, kommt der BGH allerdings zu einer sehr viel pauschaleren Erfolgsbetrachtung in einem Fall, in dem die Abwendung des konkreten Erfolges nur durch eine Handlung möglich ist, die selbst eine neue Gefahr für dasselbe Rechtsgutsobjekt schafft (was üblicherweise unter dem Stichwort der „riskanten Rettungshandlung" erörtert wird): Ein Vater wirft seine Kleinkinder nicht aus dem brennenden Haus aus 6,30 m Höhe auf die unbeleuchtete Straße, wo hilfsbereite Menschen stehen (BGH, MDR 1971, S. 361 - bei Daliinger). Hier fragt der BGH (unter dem Stichwort der Kausalität) inkonsequenterweise nicht danach, ob der drohende Flammentod der Kinder mit dem Wurf aus dem Fenster mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet worden wäre, sondern verlangt für die Zurechnung, daß die Rettungshandlung dasselbe Rechtsgutsobjekt (das Leben der Kinder) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gefährdet hätte! Damit vermengt der BGH die Frage der objektiven Zurechnung der eingetretenen Rechtsgutsobjektsverletzung (Tod der Kinder in den Flammen) mit der Frage danach, ob das Nichteingreifen in dieser konkreten Situation pflichtwidrig (oder bejahendenfalls entschuldbar) war, d.h., ob der vom Rechtsgut „Leben" ausgehende Achtungsanspruch das Herunterwerfen der Kinder in die Tiefe verlangte (was angesichts des sicher drohenden Todes in den Flammen zu bejahen sein wird). Vgl. (unter fälschlicher Berufung auf die Kausalität der Unterlassung) Spendel, JZ 1973, S. 140; ebenfalls für die Erfolgskonkretisierung auf den Flammentod Herzberg, MDR 1971, S. 882; anders aber Ulsenheimer, JuS 1972, S. 253 Fußn. 10; Geilen, JZ 1973, S. 321f.; Stratenwerth, Gallas-Festschrift, S. 227; Baumann, Straf recht, S. 255 - allerdings geht keiner der Autoren auf die mangelnde gesetzliche Grundlage und die damit verbundene Verfassungswidrigkeit der Bestra-
2. Abschn.: Das Unterlassen der Erfolgsabwendung
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Es hat sich gezeigt, daß die Einwendungen gegen das Ergebnis der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, das hier als Konsequenz der Regelung in § 13 dargestellt wurde, nicht zu überzeugen vermögen. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die von § 13 für die objektive Zurechnung einer Rechtsgutsobjekts Verletzung zu einem Untätigbleibenden vorausgesetzte Feststellung, er habe es unterlassen, den Eintritt der Verletzung abzuwenden, den Nachweis verlangt, daß eine ihm mögliche Handlung die Rechtsgutsobjektsverletzung mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" abgewendet hätte. Entsprechend muß für die „Gefahrerfolge" festgestellt werden, daß eine dem Untätigen mögliche Handlung die Gefahr für das Rechtsgutsobjekt, mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" abgewendet hätte. B. Unterlassen der Erfolgsabwendung bei schon eingetretener Rechtsgutsobjektsverletzung? Die Tatsituation, in welcher die Pflicht zur Vornahme einer auf Abwendung einer Rechtsgutsobjektsverletzung gerichteten Handlung aktuell wird, setzt grundsätzlich das Bestehen einer Verletzungsgefahr für das betreffende Rechtsgutsobjekt voraus. In der Literatur 2 6 wird in diesem Zusammenhang die Frage erörtert, ob auch dann noch das „Unterlassen der Abwendung eines Erfolges" möglich ist, wenn beispielsweise bei der geläufigerweise als Dauerdelikt bezeichneten Straftat der Freiheitsberaubung gem. § 239 Abs. 1 mit dem Verlust des Gebrauchs der persönlichen Freiheit die Rechtsgutsobjektsverletzung zwar schon eingetreten ist, der nun bestehende, dem Rechtsgut zuwiderlaufende Zustand durch eine Handlung aber wieder aufgehoben werden kann. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich zum einen aus der Regelung in § 13, zum anderen aus der exakten Erfassung der in dem Straftatbestand für die Vollendung der Straftat vorausgesetzten Rechtsgutsverletzung. Die im Rahmen des § 13 für die objektive Zurechnung erforderliche Möglichkeit der Abwendung einer Rechtsgutsobjektsverletzung ist immer nur dann gegeben, wenn diese Rechtsgutsobjektsverletzung noch nicht eingetreten ist. Ist dies geschehen, so kann diese Rechtsgutsobjektsverletzung nicht mehr abgewendet werden. Abwendbar sind dann nur noch weitere Rechtsgutsobjekts Verletzungen, die sich möglicherweise als Fortsetzung der bereits eingetretenen Verletzung desselben Rechtsgutsobjekts darstellen. fung des Vaters ein. Im übrigen ist auch die Feststellung des BGH, die Kinder wären durch den Wurf aus dem Fenster „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nicht ums Leben gekommen, in tatsächlicher Hinsicht sehr problematisch, vgl. Herzberg, a.a.O., S. 881. Zweifelnd an der konsequenten Umsetzung dieser bereits vom Reichsgericht verwendeten Zurechnungsformel Hardwig, Die Zurechnung, S. 160 f. 26 Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 327 f.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Hier ist dann aber zu fragen, ob die Fortdauer des einmal eingetretenen, dem Rechtsgut entgegenstehenden Zustandes noch der in dem betreffenden Straftatbestand für die Vollendung des Delikts vorausgesetzte „Erfolg" ist. Dies wiederum ist eine Frage der genauen Erfassung der in dem betreffenden Straftatbestand beschriebenen Rechtsgutsverletzung. Bei einem engen Wortverständnis könnte man zu der Meinung gelangen, daß diese bei der Freiheitsberaubung gem. § 239 nicht in dem Aufrechterhalten oder Fortsetzen einer bereits bestehenden Unfreiheit, sondern allein in dem Herbeiführen der Unfreiheit liegt, was sowohl mit dem besonderen Fall des „Einsperrens" als auch mit dem allgemeiner gefaßten „Berauben des Gebrauchs der persönlichen Freiheit auf andere Weise" ¿um Ausdruck gebracht wäre: Das „Einsperren" setzt das vorherige Freisein, das „Berauben" das vorherige „Haben" der Freiheit voraus 27 . Das Abwenden des zum Tatbestand der Freiheitsberaubung gehörenden Erfolges wäre danach nur solange möglich, wie der Gebrauch der persönlichen Freiheit noch nicht unmöglich geworden ist2®. Im Schrifttum wird allerdings vorgeschlagen, man müsse eben den Erfolg in einem weiteren Sinne verstehen und bei den Dauerdelikten, bei denen es um die Herbeiführung eines bestimmten Zustandes ginge, „auf der Unterlassungsseite" auf die Abwendung nicht nur des Eintritts, sondern auch der Fortdauer dieses Zustandes abstellen 29 . Jedoch steht es nicht im Belieben des Rechtsanwenders, den Erfolgsbegriff je nach angenommener Zweckmäßigkeit für die Unterlassungsstrafbarkeit zu variieren. Vielmehr ist er gem. § 13 an den „zum Tatbestand eines Strafgesetzes" gehörenden Erfolg gebunden und muß sich somit bei der Bildung des Unterlassungstatbestandes genau an die in dem in Bezug genommenen Straftatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung halten. Man wird diese bei § 239 aber richtigerweise wohl so zu verstehen haben, daß auch die immer neue Beeinträchtigung der Freiheit des Opfers erfaßt sein soll. Zwar läßt sich dies nicht mit dem Begriff des „Einsperrens" 27 Vgl. Horn, Systematischer Kommentar, § 239 Rn. 3; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 327. 28 Anders, aber ohne Begründung, Schänke / Schröder / Eser, § 239 Rn. 7; Schmidhäuser, AT 16/11. 29 Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 328, der allerdings selbst von der Richtigkeit dieses Lösungsweges nicht überzeugt ist („über die Richtigkeit . . . läßt sich natürlich streiten"). Nach Herzberg, Unterlassung, S. 210, w i r d „kein »rechtslogisches' Gesetz" verletzt, „wenn ich sage, dieser Passant (seil.: der eine eingesperrte Frau nicht befreit) habe die Frau eingesperrt und sei nach § 239 StGB strafbar". Was immer Herzberg unter einem „rechtslogischen" Gesetz verstehen mag - wenn man bereit ist, einen sprachlichen Mindestkonsens anzuerkennen, die Gesetzessprache als Mittel der Verständigung und damit - wie sich später bestätigen wird - als Garantie vor strafrichterlicher Willkür ernst nimmt und entsprechend um präzise Begrifflichkeit bemüht ist, dann kann man diesen Fall weder als „Einsperren" noch als „Berauben" (des Gebrauchs der persönlichen Freiheit) unter § 239 subsumieren, beide Alternativen setzen vielmehr eindeutig ein Handeln voraus.
2. Abschn.: Das Unterlassen der Erfolgsabwendung
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begründen, da dieser in der Tat das vorherige Freisein voraussetzt, doch ist mit dem „Berauben des Gebrauchs der persönlichen Freiheit auf andere Weise" auch das Aufrechterhalten bzw. Fortsetzen einer bereits bestehenden Unfreiheit erfaßbar, da der Gebrauch der Freiheit die Möglichkeit ihrer jederzeitigen Aktualisierung beinhaltet und man dieser Möglichkeit auch bei bereits bestehender Unfreiheit immer wieder neu „beraubt" werden kann. Als Beispiel sei der Fall genannt, in dem der Täter unter dauernder Kraftanstrengung die Tür zuhält, die das Opfer vergeblich zu öffnen versucht. Durch das andauernde Handeln des Täters wird hier permanent neu die Freiheit des Opfers beeinträchtigt, es wird ständig neu des Gebrauchs seiner Freiheit beraubt. Andererseits ist, um ein weiteres Beispiel zu nennen, der in §§ 306 ff. für das In-Brand-Setzen erforderliche Erfolg nach der Rechtsprechung des BGH das In-Brand-Geraten des jeweiligen Gegenstandes, und zwar so, daß er selbständig weiterbrennen kann 3 0 . Diese in §§ 306 ff. gemeinte Rechtsgutsobjektsverletzung kann aber nur durch das Verhindern des In-BrandGeratens abgewendet werden. Ist das Feuer so weit, daß der Gegenstand selbständig weiterbrennen kann, so ist der zum Tatbestand der §§ 306 ff. gehörende Erfolg eingetreten, er kann nicht mehr abgewendet, seine Abwendung nicht mehr unterlassen werden 31 . Auch die - „etwas vordergründig" gemeinte - Argumentation, daß bei einem einmal ausgebrochenen Brand immer neue Gegenstände in Brand geraten und damit immer neue Erfolge im Sinne des § 306 einzutreten drohen 32 , ist nicht haltbar: Der von § 306 vorausgesetzte Erfolg ist nicht das In-Brand-Geraten beliebiger, sondern genau beschriebener Gegenstände, wie Gebäude, Schiffe, Räumlichkeiten. Hat ein solcher Gegenstand so Feuer gefangen, daß er selbständig weiterbrennen kann, dann ist der Erfolg eingetreten; das In-Brand-Geraten weiterer Teilstücke des Gebäudes, Schiffes etc. ist ebensowenig der „zum Tatbestand des § 306 gehörende Erfolg" wie das vollständige Nieder- bzw. Abbrennen des Gebäudes, Schiffes etc. 33 , wenn nicht dieses Teilstück für 30
Vgl. BGHSt 18, S. 363 (364f.). Anders die wohl herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. Lackner, § 306, Anm. 2.b); Schänke / Schröder / Cramer, § 306 Rn. 12f.; Jakobs, AT 29/2; vgl. auch Schmidhäuser, BT 15/7, der - unabhängig von der Regelung des § 13 — die These aufstellt, In-Brand-Setzen sei auch das Brennen-Lassen; zur Unhaltbarkeit der von Schmidhäuser generell vorgenommenen Subsumtion von Unterlassungen unter Begehungsdeliktstatbestände s. unten 2. Teil, 1. Abschnitt, A. 32 Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 328. 33 Die Frage stellt sich mit gleicher Schärfe beim Begehungsdelikt; vgl. OLG Hamm, JZ 1961, S. 94, wonach das Vergrößern oder Beschleunigen eines schon entstandenen Brandherdes nicht mehr den Tatbestand des § 306 erfüllen kann. Allerdings beschränkt das Gericht diese Aussage auf den Fall, daß es sich um den gleichen Brandherd handelt. Die Frage, ob dasselbe bereits brennende Gebäude an anderer Stelle nochmals in Brand gesetzt werden kann, wird im Leitsatz bejaht, in der Entscheidung selbst aber offen gelassen. Unhaltbar unter dem hier untersuchten strafrechtsdogmatischen Aspekt des § 13 daher auch BGHSt 21, 224 (225f.), wonach auch 31
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
sich einen der in § 306 aufgeführten Gegenstände darstellt, wie dies etwa bei einer „Räumlichkeit" innerhalb eines Gebäudes denkbar wäre (wobei für diese dann aber noch die weiteren Voraussetzungen des § 306 Nr. 3 gegeben sein müßten). Hingegen läßt sich beispielsweise im Rahmen der Körperverletzung auch das weitere Erleiden von Schmerzen oder ein sich verschlechternder Gesundheitszustand als immer neue Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens bzw. als immer neuer Gesundheitsschaden und somit als Erfolg im Sinne des § 223 begreifen. Denn das körperliche Mißhandeln bzw. das An-der-Gesundheit-Beschädigen setzen nicht das vorherige Freisein von Schmerzen bzw. die intakte Gesundheit voraus. Infolgedessen kann das Unterlassen einer möglichen Schmerzlinderung als Unterlassen der Abwendung des zum Tatbestand des § 223 gehörenden Erfolges verstanden werden 34 . Es hat sich gezeigt, daß das hier behandelte Problem in erster Linie eine Frage der genauen Erfolgsbestimmung in den einzelnen Tatbeständen des Besonderen Teils ist, welcher nicht nur für den nach § 13 zu bildenden Unterlassungstatbestand, sondern ebenso für das Erfassen der als Begehungstat beschriebenen Rechtsgutsverletzung entscheidende Bedeutung zukommt.
nach dem Eindringen in eine Wohnung die Alternative des Eindringens gem. § 123 noch durch Unterlassen (des unverzüglichen Verlassens der Wohnung) erfüllt werden könne; vgl. dazu Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 7, der meint, diese Auffassung verstoße gegen den klaren Wortlaut der zweiten Alternative (der das Nichtverlassen nur nach Aufforderung des Berechtigten unter Strafe stelle). Richtigerweise widerspricht die Meinung des BGH aber bereits dem Wortlaut der 1. Alternative (wenn man einmal von der Unhaltbarkeit der Subsumtion eines Unterlassens unter diese Alternative nach dem auch seinerzeit geltenden Recht absieht). 34 Insofern richtig OLG Hamm, NJW 1975, S. 604 (605); vgl. auch Lackner, § 223, Anm. 3; Schönke / Schröder / Eser, § 223, Rn. 7; Schmidhäuser, BT 1/5.
3. Abschnitt
Die Wendung „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" A. Verweis auf Rechtsnormen, die auf Erfolgsabwendung gerichtete Handlungspflichten statuieren Wer es unterlassen hat, den Eintritt eines Erfolges abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist gem. § 13 nur dann strafbar, wenn er zum einen „rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt". Wie oben dargelegt wurde, ist unter dem zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolg, dessen Abwendung unterlassen wurde, die in den einzelnen Tatbeständen des besonderen Teils geschilderte Rechtsgutsverletzung zu verstehen, die entweder in Form einer Rechtsgutsobjektsgefährdung oder einer Rechtsgutsobjektsverletzung vertatbestandlicht ist, wobei mit Rechtsgutsverletzung hier nicht die verletzende Handlung gemeint ist, sondern nur die rechtsgutsverletzende Auswirkung der Handlung auf das Rechtsgutsobjekt, die sich in Gestalt einer Gefahr für das Rechtsgutsobjekt oder in einem Schaden am Rechtsgutsobjekt äußert. Aus der Forderung des rechtlichen Einstehens ergibt sich, daß es sich hier um einen Verweis auf andere Rechtsnormen handelt. Diese Rechtsnormen werden insofern näher qualifiziert, als sich aus ihnen ergeben muß, daß der Unterlassende für den Nichteintritt der eingetretenen Rechtsgutsverletzung einzustehen hatte. Der Ausdruck „für etwas einzustehen haben" bedeutet dasselbe wie „für etwas verantwortlich sein, etwas zu verantworten haben". Soll jemand dafür einzustehen haben, daß etwas nicht eintritt, etwas nicht geschieht, so ist damit gesagt, daß er dafür verantwortlich sein soll, daß dieses „Etwas" nicht eintritt, nicht geschieht. In diesem Sinne hat allerdings jeder grundsätzlich nur für sein eigenes Verhalten einzustehen, ist also jeder nur für sein Handeln oder sein Untätigbleiben verantwortlich, nicht aber für den „Nichteintritt eines Erfolges". Dieser Grundsatz gilt im Strafrecht ausnahmslos, er ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich anerkannten Schuldprinzip, welches besagt, daß keine Strafe ohne Schuld verwirkt wird, und das in der vom Grundgesetz vorausgesetzten und in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 verfassungskräftig geschützten Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen wurzelt, die
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Straf rechts zu achten sind 1 . Unabhängig davon, ob man die Schuld in der der Handlung zugrundeliegenden vorzuwerfenden „bewußten Entscheidung zum Unwert" sieht 2 , oder ob man mit einem weiteren Schuldbegriff das in einem Verhalten liegende Versagen vor der Sollensanforderung als Fehlleistung der Person meint 3 oder schließlich die Schuld als „rechtsgutsverletzendes geistiges Verhalten im Sinne der unrechtlichen Einzeltatgesinnung" begreift 4 , immer ist die Schuld auf das eigene Verhalten bezogen, hat man also unter dem - strafrechtlich entscheidenden - Gesichtspunkt der Schuld nur für sein eigenes Verhalten „einzustehen" 5 . Entsprechend knüpft ja auch die durch § 13 begründete strafrechtliche Haftung an das Unterlassen einer Erfolgsabwendung an. Von daher ergäbe es keinen Sinn, wenn nicht auch mit der Voraussetzung des rechtlichen Einzustehenhabens eine Pflicht zur Vornahme einer Handlung, nämlich gerade der unterlassenen Rettungshandlung, angesprochen wäre. Mit der rechtlichen Verantwortung für den Nichteintritt eines Erfolges können also etwa die Zivilrechtssätze über eine vom eigenen (schuldhaften) Verhalten unabhängige Erfolgshaftung nicht gemeint sein6. Denn sie stellen nicht darauf ab, daß der Haftende sich nicht ordnungsgemäß verhalten hat. Bei ihnen geht es vielmehr um jene Schäden, die man als Zufallsschäden 7 bezeichnen kann, und um eine gerechte Schadensverteilung 8. Sie regeln damit ausschließlich die Zurechnung eines eingetretenen Schadens, also das Einstehen für einen bereits eingetretenen Erfolg. Mit dem Einstehen für den Nichteintritt eines Erfolges als Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 13 können hingegen nach dem oben Gesagten nur solche Normen in Bezug genommen sein, in denen es (schon) um den Nicht1
BVerfGE 25, 2851; auch schon BVerfGE 6, 439. Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 178. 3 Larenz, Richtiges Recht, S. 93 (für das Straf recht). 4 Schmidhäuser, AT 6/13ff., 10/3. 5 Vgl. auch § 8 StGB. 6 Dieses auch als „Gefährdungshaftung" bezeichnete Einstehen findet sich beispielsweise in § 833 BGB (Tierhalterhaftung), in § 7 StVG (Haftung des Kraftfahrzeughalters) und in §§ 1 und 2 Haftpflichtgesetz (Haftung des Inhabers einer Energieanlage etc.). Auch im Rahmen der Vertragshaftung ist das im Zivilrecht grundsätzlich ebenfalls geltende Verschuldensprinzip, welches auf dem Gedanken beruht, daß regelmäßig nur ein vorwerfbares Verhalten eine Pflicht zum Schadensersatz zu begründen vermag, etwa mit der Haftung für das Verhalten des Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB eingeschränkt, vgl. näher Larenz, Schuldrecht, Bd. 1, § 20 VII., und ders., Richtiges Recht, S. 111. 7 So Esser, Grundlagen der Gefährdungshaftung, S. 69. 8 Der Gedanke der gerechten Schadensverteilung beruht darauf, daß in der modernen Welt der Technik und des Massenverkehrs die Möglichkeit der Entstehung von Schäden und auch deren Umfang in derartiger Weise zugenommen haben, daß ein gerechter Ausgleich auch in vielen Fällen erforderlich ist, in denen kein schuldhaftes Verhalten desjenigen vorliegt, dem der Schaden gleichwohl zugerechnet wird, vgl. Larenz, Richtiges Recht, S. 107. 2
3. Abschn.: „ . . . wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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eintritt eines Schadens (im weitesten Sinne) geht, und diese haben letztlich immer ein menschliches Verhalten zum Gegenstand9. Ein an einen Menschen gerichtetes Normgebot kann immer nur verlangen, daß dieser bestimmte Handlungen vornimmt, ein Verbot, daß er Handlungen unterläßt 10 . Da die menschliche Handlung nur als zielgerichtete Handlung Gegenstand eines Normgebotes sein kann, kann von § 13 auch nur eine solche Norm angesprochen sein, die eine Verpflichtung zum Handeln auf das Ziel der Abwendung eines Erfolges hin statuiert 11 . Insofern kann das „Einstehen für den Nichteintritt eines Erfolges" nur als Einstehen für die Vornahme einer auf die Abwendung eines Erfolges gerichteten Handlung verstanden werden. Mit dem „Einzustehenhaben" ist zugleich auf die Notwendigkeit der Verantwortung, der Haftung für die Nichtvornahme der gebotenen Handlung verwiesen: Nur wer bei Verletzung der Handlungspflicht in irgendeiner Form Rechtsfolgen zu tragen hat, die an diese Verletzung anknüpfen, hat auch rechtlich für die Vornahme der gebotenen Handlung „einzustehen" 12 . Es ist somit festzuhalten, daß das in § 13 vorausgesetzte „rechtliche Einzustehenhaben für den Nichteintritt des Erfolges" als Verweis auf eine Rechtsnorm zu verstehen ist, in der eine auf die Abwendung der jeweiligen Rechtsgutsverletzung gerichtete Handlungspflicht begründet ist, deren Verletzung wiederum mit rechtlichen Folgen verbunden ist 1 3 . Bezüglich der Feststellung, daß überhaupt eine Erfolgsabwendungspflicht, d.h. eine auf die Abwendung eines bestimmten Erfolges gerichtete Handlungspflicht von § 13 als Strafbarkeitsvoraussetzung gefordert wird, entspricht dieses Auslegungsergebnis der einhelligen Meinung im Schrift9 Vgl. Stratenwerth, SchwZStr Bd. 79 (1963), S. 245: Der Eintritt des rechtlich mißbilligten Erfolges könne nicht zur sog. Verbots- oder Gebotsmaterie gehören. 10 Vgl. Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie, S. 85, und Strafrecht, S. 32; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 102ff.; Arthur Kaufmann / Hassemer, JuS 1964, S. 151; vgl. auch Wolter, Zurechnung, S. 25; Langer, Sonderverbrechen, S. 312; Horn, Gefährdungsdelikte, S. 195ff.; wohl auch Schönke / Schröder / Eser, § 8 Rn. 2, mit der Formulierung, „das Gesetz als Bestimmungsnorm" könne nur das Handeln des Täters „regulieren". 11 Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 505 (Fußn. 30); Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 109f.; Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 195f.; vgl. auch schon die amtl. Begründung zum Entwurf 1962,S. 124(„in Richtung auf Abwendung"), und die Äußerungen in der Großen Strafrechtskommission etwa von Koffka, Niederschriften, Bd. 12, S. 78 (es gebe niemanden, der verpflichtet sei, einen Erfolg abzuwenden, sondern lediglich Personen, die rechtlich verpflichtet seien, bestimmte Handlungen mit dem Zweck der Erfolgsabwendung vorzunehmen), oder (im gleichen Sinne) Gallas, Niederschriften, Bd. 12, S. 81. 12 So auch Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 329, nach dem das Einstehenmüssen den Gedanken der Unterwerfung unter eine Rechtsfolge einschließe; vgl. auch Bokkelmann, Niederschriften, Bd. 12, S. 87. 13 Umstritten ist, ob es überhaupt „sanktionslose" Rechtsnormen geben kann oder ob nicht vielmehr die relative Durchsetzbarkeit des Normbefehls in den Normbegriff einzubeziehen ist, vgl. zu diesem Problem Langer, Sonderverbrechen, S. 309f.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
t u m u n d auch den Vorstellungen der „Gesetzesväter", w i e schon der V o r schlag der Sachbearbeiter des B u n d e s j u s t i z m i n i s t e r i u m s i n der Großen Strafrechtskommission z u § 14 des E n t w u r f s v o n 1959 d e u t l i c h macht, demzufolge es „ n u r eine Geschmacksfrage" sei, ob m a n v o m „Einstehenmüssen f ü r den N i c h t e i n t r i t t eines Erfolges" oder v o n der „ P f l i c h t zur A b w e n d u n g des Erfolges" spreche 1 4 .
I. Erfolgsabwendungspflichten in §§ 138, 323 c? D o c h schon die Frage, was eine E r f o l g s a b w e n d u n g s p f l i c h t ist, ist u m s t r i t ten. N a c h der a m t l i c h e n B e g r ü n d u n g z u m E n t w u r f v o n 1962 s i n d v o n den Erfolgsabwendungspflichten
die sog. „ r e i n e n " oder „ e i n f a c h e n "
Hand-
l u n g s p f l i c h t e n b z w . „bloße Tätigkeitsgebote" zu unterscheiden, die f ü r § 13 n i c h t i n B e t r a c h t k o m m e n sollen. Gemeint s i n d d a m i t die H a n d l u n g s p f l i c h ten,
welche
den
in
§§ 138,
323c
positivierten
Unterlassungsdelikten
zugrunde l i e g e n 1 5 . Schon v o n der F o r m u l i e r u n g her k a n n das A n l i e g e n dieser A n s i c h t n i c h t überzeugen. W i e eben festgestellt, s i n d auch die auf E r f o g l s a b w e n d u n g gerichteten P f l i c h t e n H a n d l u n g s p f l i c h t e n ; z u v e r a n t w o r t e n („einzustehen") h a t jeder nur (für) sein eigenes Verhalten, der Pflichtige k a n n also n u r die V o r n a h m e einer ( R e t t u n g s - ) H a n d l u n g schulden. Insofern ist n i c h t ersicht14 Niederschriften, Bd. 12, S. 76. Vgl. weiter Begründung zum Entwurf 1962, S. 124, und amtl. Begründung zu § 13 (2. Strafrechtsreformgesetz), Bundestagsdrucks. V/4095, S. 8. 15 So die Begründung zum Entwurf 1962, S. 124: „Bisweilen neigen die Gerichte dazu, Fälle reiner Handlungspflichten als Erfolgsabwendungspflichten zu behandeln." „Einfache Handlungspflichten" und „bloße Tätigkeitsgebote" im Sinne der (heutigen) §§ 323 c und 138 begründeten aber noch keine „Garantenpflichten", wie sie von § 13 des Entwurfs mit dem Erfordernis „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" verlangt würden. Vgl. auch schon Sachbearbeiter des Bundesministers der Justiz i n Niederschriften, Bd. 2, Anhang S. 159 (l.a.), wonach an der Formulierung (des derzeitigen Gesetzentwurfes), daß die Rechtspflichten „auf Erfolgsabwendung bezogen" sein müßten, festgehalten werde, um eine sichere Abgrenzung von den „bloßen Tätigkeitspflichten der echten Unterlassungstatbestände zu gewährleisten". In diesem Sinne auch Schänke / Schröder / Cramer, § 323c Rn. 34, der die Pflicht, den Erfolg zu verhindern, als eine weitergehende gegenüber der „auf bloße Hilfeleistung" gerichteten Pflicht aus § 323 c bezeichnet (anders aber Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 23ff., wonach auch Hilfeleistungspflichten als „Garantenpflichten" von § 13 erfaßt würden!). Vgl. weiter Eb. Schmidt, Leitsätze, Niederschriften, Bd. 2, Anhang S. 152, nach dem die (von der zu schaffenden Regelung des § 13 vorauszusetzende) „Garantenpflicht" davor bewahrt werden müsse, daß sie immer wieder als Rechtspflicht zum Handeln bezeichnet werde. Die Verwechslung mit der Hilfeleistungspflicht des § 330 c (a.F.), die ja auch eine Rechtspflicht zum Handeln sei, grassiere infolgedessen immer noch weiter; s. auch ders., Der Arzt im Strafrecht, S. 84. Im gleichen Sinne neuerdings auch Metzen, Diss., S. 118, für den durch das Erfordernis einer besonderen (?) Pflicht zur Er/oZgsabWendung in § 13 klargestellt werde, daß die Verletzung „einfacher, nicht mit einem Erfolgsrisiko verbundener Tätigkeits- und Hilfeleistungspflichten", etwa im Sinne des § 323c, ein „unechtes Unterlassungsdelikt" nicht begründe.
3. Abschn.: „ . . . wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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lieh, warum es sich hierbei nicht um eine „reine Handlungspflicht", um ein „bloßes Tätigkeitsgebot" handeln soll. Zwar geht es bei der „Erfolgsabwendungspflicht" um eine zweckhafte, zielgerichtete Handlung, konkret um die bestmögliche, das heißt um diejenige, welche die größte Rettungswahrscheinlichkeit für das bedrohte Rechtsgutsobjekt begründet. Doch dienen alle Gebote, alle Pflichten bestimmten Zwecken, so daß jedes Handlungsgebot auch nur ein diesem Gebotszweck dienendes, also zweckhaftes und damit zielgerichtetes Handeln verlangt. Im Rahmen dieses als Gebotsinhalt somit nur in Betracht kommenden zielgerichteten Handelns kann die Unterscheidung von „reinem" und „nicht reinem", „einfachem" und „nicht einfachem" Handeln bzw. „bloßer" Tätigkeit nicht sinnvoll sein. Von keinem Gebot kann mehr, es kann aber auch von keinem Gebot weniger als ein zweckhaftes Handeln verlangt werden, also eine durch den Gebotszweck qualifizierte, zweckhafte Tätigkeit. Ist somit die Charakterisierung von Handlungspflicht oder Tätigkeitsgebot als „rein" oder „bloß" völlig nichtssagend, so bleibt noch die negative Ausgrenzung, diese „reinen" Handlungspflichten seien eben keine auf die Abwendung eines Erfolges gerichteten Pflichten. Doch zeigen gerade die als Beispiele „einfacher Handlungspflichten" ausschließlich angeführten Pflichten aus den Unterlassungstatbeständen der §§ 138, 323c - um deren Ausschluß aus dem von § 13 erfaßten Pflichtenkreis es den betreffenden Autoren mit der Unterscheidung gerade geht - , daß diese Differenzierung nicht haltbar ist. Denn auch in §§ 138, 323 c geht es um die Abwendung von „Erfolgen", von Rechtsgutsverletzungen. In § 138 sollen die drohenden, in Abs. 1 Nr. 1-9 durch Verweis auf die jeweiligen Straftatbestände im einzelnen in Bezug genommenen Rechtsgutsverletzungen dadurch abgewendet werden, daß der Behörde oder dem Bedrohten „zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann", Anzeige gemacht wird. Gem. § 139 Abs. 4 reicht es aus, wenn „die Ausführung oder der Erfolg anders als durch Anzeige" abgewendet wird. Der Wortlaut weist hier also ganz eindeutig ein auf die Erfolgsabwendung gerichtetes Handlungsgebot aus 16 . Auch die Hilfeleistungspflicht bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not in § 323 c hat immer die Abwendung einer Rechtsgutsverletzung zum Inhalt. So bezeichnen alle drei in § 323 c genannten Notsituationen Gefahren für Rechtsgutsobjekte. „Hilfe leisten" kann in diesen Situationen nur bedeuten, die bestehende Gefahr für das oder die Rechtsgutsobjekt(e) im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten abzuwenden, genauer gesagt, mit dem Ziel der Gefahrenabwendung tätig zu werden 17 .
16
Vgl. zur Widerlegung der hiervon abweichenden Meinungen ausführlich Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 103 ff. 17 BGHSt 3, 67, spricht von „Abwehrtätigkeit", was auch nur bedeuten kann, Abwehr der drohenden Rechtsgutsobjektsverletzung; nach BGHSt 21, 50 (54), ist die 5 Schürmann
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13 A u c h die H i l f e l e i s t u n g s p f l i c h t gem. § 323 c ist also eine auf A b w e n d u n g
eines Erfolges, n ä m l i c h des drohenden (weiteren) Schadens, gerichtete H a n d l u n g s p f l i c h t 1 8 , w i e sie o b e n 1 9 dem M e r k m a l „ w e n n er r e c h t l i c h d a f ü r einzustehen hat, daß der E r f o l g n i c h t e i n t r i t t " e n t n o m m e n w o r d e n ist. D i e den p o s i t i v i e r t e n U n t e r l a s s i m g s d e l i k t e n der §§ 138, 323c zugrundeliegenden H a n d l u n g s p f l i c h t e n k ö n n e n somit zumindest n i c h t deshalb aus dem A n w e n d u n g s b e r e i c h des § 13 ausgeschieden werden, w e i l sie keine Erfolgsa b w e n d u n g s p f l i c h t e n i m h i e r dargelegten Sinne sind. Ob sie aus anderen G r ü n d e n f ü r § 13 n i c h t i n Betracht k o m m e n , w i r d sich möglicherweise i m Rahmen der folgenden E r ö r t e r u n g e n herausstellen.
I I . Erfordernis von „ Garantenpflichten"? E i n e i m S c h r i f t t u m u n d i n der Rechtsprechung verbreitete A n s i c h t m e i n t n ä m l i c h darüber hinaus, aus der K l a u s e l des „Einstehenmüssens" ergebe sich das Erfordernis einer sog. „ G a r a n t e n p f l i c h t " . H i e r s i n d zunächst z w e i verschiedene R i c h t u n g e n z u unterscheiden: D i e eine m e i n t m i t dem A u s druck
„Garantenpflicht"
nichts
anderes
als die
„Erfolgsabwendungs-
p f l i c h t " 2 0 , entspricht d a m i t also dem bisherigen Auslegungsbefund des T e x „bestmögliche Hilfe" zu leisten. Auch das kann nur bedeuten, das Bestmögliche zur Abwendung der Beeinträchtigung des betroffenen Rechtsgutes zu tun. 18 Im einzelnen sei hier auf die Ausführungen von Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 58 ff., verwiesen, der dies ausführlich nachweist; in diesem Sinne ebenso Gallas, JZ 1952, S. 396 (399); Hardwig, Zurechnung, S. 134; Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 207ff. und JuS 1961, S. 173; Meyer-Bahlburg, Diss., S. 33ff.; Granderath, Diss., S. 46f.; Herzberg, Unterlassung, S. 24f.; Frellesen, Zumutbarkeit, S. 147ff. Maiwald, JuS 1981, S. 475, weist zutreffend darauf hin, daß die richtige Feststellung, dem § 323 c liege das Normgebot zugrunde, mit dem Ziel der Erfolgsabwendung tätig zu werden, noch nichts über die Frage der Erfolgszurechnung besage; deutlich jetzt Schmidhäuser, Studienbuch AT 12/12. 19 Siehe oben unter A. 20 OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 2369; vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 182, das zunächst meint, bei der „sog. Garantenstellung" könne (!) es sich um eine besondere Schutzposition handeln, dann aber ausdrücklich aus dem Erfordernis des „Gleichsetzens mit dem Tun" (womit offensichtlich das Entsprechenserfordernis gemeint ist) eine besondere Garantenstellung für die Strafbarkeit gem. § 13 herleitet (und wegen des Mangels an einer besonderen Garantenstellung die Bestrafung des Unterlassenden durch die Vorinstanz verwirft). Die von ihm aus dem Merkmal des rechtlichen Einstehenmüssens entnommene „sog. Garantenstellung" wird somit also erst durch das Entsprechenserfordernis auf besondere Garantenstellungen beschränkt. Nur als „Pflicht zur Abwendung des Erfolges" wird die „Garantenpflicht" auch schon von den Sachbearbeitern des Bundesministers der Justiz in der Großen Strafrechtskommission, Niederschriften, Bd. 12, S. 76, bezeichnet. Selbst die maßgebliche amtliche Begründung zur heutigen Fassung des § 13, BundestagsDrucks. V/4095, S. 8, führt das „Erfordernis der Garantenstellung und der aus ihr entspringenden Garantenpflicht" als durch § 13 festgelegt auf, spricht diesbezüglich aber nur von einer „Handlungspflicht" bzw. das andere Mal von einer „Pflicht zum Handeln"; eine darüber hinausgehende Konkretisierung dessen, was mit der „Garantenstellung" bzw. „Garantenpflicht" gemeint ist, findet sich nicht, wenn man von der
3. Abschn.: „ . . . wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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tes weitgehend, wobei allerdings nicht immer ausdrücklich davon ausgegangen wird, daß diese Erfolgsabwendungspflicht nur eine Pflicht zum Handeln mit dem Ziel der Erfolgsabwendung sein kann. Nach der anderen Richtung im Schrifttum hingegen ist die „Garantenpflicht" zwar eine Erfolgsabwendungspflicht, nicht jede Erfolgsabwendungspflicht aber auch eine „Garantenpflicht". Vielmehr meint man mit der „Garantenpflicht" nur ganz spezielle, besondere Pflichten, die sich von „allgemeinen Erfolgsabwendungspflichten" oder auch nur „einfachen Handlungspflichten" abheben sollen, wobei aber ungeklärt und umstritten ist, nach welchen Kriterien sich die Abgrenzung zu richten habe. Das Erfordernis solcher „Garantenpflichten" soll sich nach dieser Ansicht aus der Voraussetzung des „rechtlichen Einstehenmüssens für den Nichteintritt eines Erfolges" in § 13 ergeben. Da diese Meinung dem bisherigen Auslegungsbefund widerspricht, wonach dem „Einstehenmüssen" keine Einschränkung auf wie auch immer geartete besondere Erfolgsabwendungspflichten zu entnehmen ist, sei den Begründungen hierfür im folgenden nachgegangen. 1. Die amtliche Begründung zu § 13 des Entwurfs 1962
Die amtliche Begründung zu § 13 des Entwurfs 1962 erschöpft sich in der Behauptung, die Klausel „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintreten werde" verdeutliche das Erfordernis der „Garantenstellung und der aus ihr entspringenden Garantenpflicht", wobei in der Garantenstellung ein „besonderes Pflichtenverhältnis" begründet liege, das den Garanten aus der Masse der übrigen Rechtsgenossen heraushebe und unter Hinweis auf die Umstrittenheit der möglichen Entstehungsgründe für Handlungspflichten getroffenen Feststellung absieht, daß die Zeit für eine sachgemäße gesetzliche Regelung der Handlungspflichtproblematik noch nicht reif sei. Auch in den Darlegungen des Bundesjustizministers im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform im Jahre 1968 (Prot. S. 1864) ist von einer rechtlichen Pflicht, die den Unterlassenden zum „Garanten" für den Nichteintritt des Erfolges mache, bzw. von der „spezifischen" Rechtspflicht zum Einstehen für den Nichteintritt des Erfolges die Rede. Hier wird ganz offensichtlich das „Spezifische" nicht dem Begriff des Einstehens entnommen, sondern dem Einstehen noch hinzugefügt! Nach Bockelmann, Niederschriften, Bd. 12, S. 87, passen sowohl der Begriff der Garantenpflicht als auch das rechtliche Einstehenmüssen auf die „allgemeinen Handlungspflichten" aus § 330c (a.F.) und § 138, und können daher das, was man mit dem Begriff der Garantenstellung zum Ausdruck bringen wolle, nicht bezeichnen. Auch in seinem Gutachten für die 2. Lesung des Entwurfs in der Großen Strafrechtskommission, Niederschriften, Bd. 12, S. 476, sieht Bockelmann in der „Garantenpflicht" keine gesteigerte Pflicht. Garant sein heiße, zur Abwendung des Erfolges verpflichtet zu sein. Vgl. weiter Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 19ff.: Aus dem rechtlichen Einstehenmüssen ergebe sich das Erfordernis einer Erfolgsabwendungspflicht. Für das von Rudolphi mit „Handlungsäquivalenz" bezeichnete Entsprechenserfordernis reiche aber die Verletzung einer Erfolgsabwendungspflicht nicht aus, sondern nur einer spezifischen Pflicht, aufgrund derer der Unterlassende als „Garant" erscheine. Die Notwendigkeit einer „Garantenpflicht" ergibt sich also für Rudolphi nicht aus dem Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat", sondern erst aus dem Entsprechenserfordernis; im Widerspruch dazu aber a.a.O., Rn. 1! 5'
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
gerade ihm den Schutz des betreffenden Rechtsgutes vor dem drohenden tatbestandsmäßigen Erfolg auferlege. Dem Garanten sei die „Unversehrtheit des Schutzwertes anvertraut" 2 1 . Unabhängig von der Frage, worin sich ein „besonderes Pflichtenverhältnis", das den Garanten aus der Masse der übrigen Rechtsgenossen hervorhebe etc., von anderen Erfolgsabwendungspflichten unterscheiden soll, ist jedenfalls festzustellen, daß nach der Begründung nicht jede Erfolgsabwendungspflicht auch eine „Garantenpflicht" sein soll. Zwar werden als Beispiele für nicht von der Klausel zu erfassende Fälle zunächst nur die oben 22 bereits auch als „Erfolgsabwendungsgebote" erkannten sog. „einfachen Handlungspflichten und bloßen Tätigkeitsgebote", wie sie sich aus den Vorschriften über die unterlassene Verbrechensanzeige und die unterlassene Hilfeleistung (§§ 138, 323 c) ergeben sollen, angeführt 23 , doch zeigt die Aussage, es müsse der Rechtsprechung überlassen bleiben, in den Fällen unter anderem „der freiwilligen Übernahme von Pflichten zur Erfolgsabwendung die näheren Merkmale der Garantenpflicht zu klären" 2 4 , daß also auch nicht jede Erfolgsabwendungspflicht eine Garantenpflicht sein soll 2 5 . Eine Begründung, wieso sich dies gerade aus dem Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" ergeben soll, erfolgt nicht. Stattdessen sucht man diese These mit der anders formulierten gleichen Behauptung zu belegen, für die Klärung der näheren Merkmale der Garantenpflicht führe „das Erfordernis, daß der Unterlassende für den Nichteintritt eines Erfolges einzustehen habe, zu einer sachgemäßen Einschränkimg" 26 . Dies aber steht im Widerspruch zu der zuvor von den Sachbearbeitern des Bundesjustizministers 27 getroffenen Feststellung, es bestehe kein Unterschied zwischen der Pflicht zur Abwendung des Erfolges und dem Einstehenmüssen für den Nichteintritt eines Erfolges. 21 Begründung zum Entwurf 1962, S. 124; vgl. weiter S. 125, auf der von der „größeren Pflichtenbindung des Garanten" die Rede ist, wobei in dem dortigen Zusammenhang aber unklar ist, ob hiermit eine noch größere Pflichtenbindung als die des „normalen Garanten", also desjenigen, der schon eine „besondere Erfolgsabwendungspflicht" haben soll, gemeint ist. 22 Siehe oben unter A. I. 23 Begründung zum Entwurf 1962, S. 124. 24 Begründung zum Entwurf 1962, S. 125. 25 Vgl. auch schon die amtl. Begründung zu § 14 des Entwurfs 1959, S. 21: „ . . . den Umständen nach dafür einzustehen haben, daß der Erfolg nicht eintreten werde" bedeute danach eine „besondere Garantiefunktion" wegen des Pflichtigen Stellung in der Gemeinschaft; es genüge nicht, „daß die Verhinderung des Erfolges allgemein in den Pflichtenkreis des Unterlassenden fällt". 26 Daß hiermit auch nicht die Einschränkungen gemeint sind, die sich aus dem Erfordernis des „rechtlichen" Einstehenmüssens ergeben, nämlich die Begrenzung auf rechtlich sanktionierte Erfolgsabwendungsgebote - es gibt auch moralisch-sittliche Pflichten, für die man entsprechend einzustehen hat, indem man sie moralischsittlich zu verantworten hat - folgt daraus, daß hier nicht vom rechtlichen Einstehenmüssen, sondern vom Einstehenmüssen die Rede ist. 27 Niederschriften, Bd. 12, S. 76.
3. Abschn.:
wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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A u s der a m t l i c h e n B e g r ü n d u n g des E n t w u r f s 1962 ergibt sich somit n i c h t , wieso aus dem M e r k m a l „ w e n n er r e c h t l i c h d a f ü r einzustehen hat, daß der E r f o l g n i c h t e i n t r i t t " eine E i n s c h r ä n k u n g auf ganz spezielle E r f o l g s a b w e n dungspflichten folgen soll u n d n i c h t , w i e oben dargelegt, alle rechtliche V e r a n t w o r t u n g begründenden, auf E r f o l g s a b w e n d u n g gerichteten H a n d l u n g s gebote i n B e t r a c h t k o m m e n können.
2. Begründung im sonstigen Schrifttum B e i den meisten A u t o r e n i m S c h r i f t t u m , das dem M e r k m a l des r e c h t l i c h e n Einstehenmüssens f ü r den N i c h t e i n t r i t t eines Erfolges das Erfordernis einer „ G a r a n t e n s t e l l u n g " b z w . „ G a r a n t e n p f l i c h t " entnehmen z u k ö n n e n g l a u b t , f i n d e n sich f ü r die These, daß sich eine Beschränkung
des Kreises aller m i t
Rechtsfolgen v e r k n ü p f t e n E r f o l g s a b w e n d u n g s p f l i c h t e n aus dieser Voraussetzung des § 13 ergeben soll, regelmäßig keine ernsthaften Begründungsversuche 2 8 . Soweit m a n gerade aus dem Begriff des „ E i n z u s t e h e n - H a b e n s "
eine
gesteigerte, besondere P f l i c h t herleiten w i l l 2 9 , ist dem das bereits Festgestellte entgegenzuhalten: F ü r den Nichteintritt
eines Erfolges „einzustehen
h a b e n " , bedeutet zunächst, daß m a n dafür z u sorgen hat, daß der E r f o l g n i c h t e i n t r i t t , also v e r p f l i c h t e t ist, eine auf A b w e n d u n g des drohenden 28 Vgl. Blei, Strafrecht AT, § 87 I; Maiwald, JuS 1981, S. 473, 480; Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 2, 7ff.; Stree, Hellmut Mayer-Festschrift, S. 146f.; Maurach/ Gössel, AT Bd. 2, S. 145; Lackner, § 13 Anm. 3, 3a; Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 4,19, mit Scheinbegründung: Allen Garantenstellungen liege ein Vertrauensgedanke zugrunde . .., deswegen verlange § 13 mit dem rechtl. Einstehenmüssen eine Garantenstellung. Vgl. weiter Kühne, Geschäftstüchtigkeit, S. 94; Hassemer, Einführung in die Grundlagen, S. 192; nach Henkel, MSchrKrim 1961, S. 187, ist die Formel deshalb gelungen, weil sie „ i n leichtverständlicher Weise den substantiellen Gehalt der Garantenstellung hervorhebt, indem sie wegen Nichtabwendung des tatbestandlichen Erfolges denjenigen Unterlassenden für strafbar erklärt, der ,rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintreten werde'". Angesichts dessen ist unverständlich, wieso Henkel anschließend meint, die Formel enthalte keine anwendbare Norm, „keinen Entscheidungsobersatz, der durch Gesetzesanwendung auf den Einzelfall unmittelbar verwirklicht werden könnte"; ihr normativer Gehalt erscheine nur „ i n Andeutungen und vagen Umrissen". 29 So offenbar Herzberg, Unterlassung, S. 209, der die Formel aufspaltet und meint, aus dem Wort „rechtlich" ergebe sich das Erfordernis einer „Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung", während es Sinn der Wendung „. . . dafür einzustehen hat" sei, daß die Garantenpflicht enger als die Pflicht zur Erfolgsabwendung sei. Die Begründung hierfür erschöpft sich in der Behauptung, in § 13 sei „eindeutig angeordnet", daß die Garantenpflicht für die Tatbestandsmäßigkeit aller (auch der etwa in §§ 138, 323c positivierten?) Unterlassungen Voraussetzung sei, a.a.O., S. 135; vgl. auch Landau, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 114; vgl. weiter Baumann, AT, §18113 (S. 251 f.): „Einzustehen" bedeute mehr als eine allgemeine Rechtspflicht, nämlich eine Garantenpflicht im Sinne einer speziellen Erfolgsabwendungspflicht; anders aber a.a.O., S. 254, wonach dem Gedanken, daß nicht jede Rechtspflicht, sondern nur „Verpflichtungen höherer Verbindlichkeitsstufe" genügten, in § 13 durch Verwendung der Entsprechensklausel Rechnung zu tragen versucht werde!
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Erfolges gerichtete Handlung vorzunehmen. „Einzustehen haben" bedeutet weiter, daß man im Falle der Verletzimg dieser Pflicht Konsequenzen zu erwarten hat, Folgen tragen muß. Demgemäß hat man „rechtlich einzustehen", wenn es sich um eine Rechtspflicht handelt, für deren Verletzung man Rechtsfolgen zu tragen hat. Für den „Nichteintritt eines Erfolges" hat man somit immer, aber auch schon dann „rechtlich einzustehen", wenn eine rechtlich normierte Pflicht existiert, die auf Abwendung des betreffenden Erfolges gerichtet ist und an deren Verletzung Rechtsfolgen geknüpft sind. Wie sich aus dem Erfordernis des Einstehenmüssens darüber hinaus eine Beschränkung auf spezielle Erfolgsabwendungspflichten ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Auch die These, die als Garantenpflicht zu verstehende Verpflichtung müsse von einer „stärkeren und auch rechtlichen Verbindlichkeit sein, weil erst durch sie die Verbotsnorm zur Gebotsnorm umgeformt" werde 30 , ist unhaltbar. Keine Verbindlichkeit, keine Verpflichtung, von welcher Stärke sie auch immer sein mag, kann die in den Handlungstatbeständen enthaltenen Verbotsnormen in irgendeiner Weise „umformen". Allein durch die Vorschrift des § 13 (in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Begehungstatbestand) w i r d eine (neue) strafrechtliche Gebotsnorm gebildet, die nun selbst an eine mehr oder weniger starke (auch außerstrafrechtliche) Verpflichtung als Voraussetzung anknüpfen kann, was hier gerade untersucht werden soll, aber mit einer „Umformung" von Verboten in Gebote durch „stärkere Verbindlichkeiten" nichts zu tun haben kann. Häufig wird jedenfalls ein bestimmtes Vorverständnis in die Formel „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" hineingetragen, welches sich gerade aus ihr nicht ergibt 31 . Das wird besonders deutlich in Formulierungen, die zur Erläuterung des Gesetzeswortlautes diesen unter Hinzufügen neuer, die Einschränkung gerade erst zum Ausdruck bringender Begriffe wiederholen. So heißt es etwa, nur wenn der „Täter" ausnahmsweise, aufgrund einer besonderen Pflichtenstellung dafür „einzustehen habe", daß ein rechtlich mißbilligter so Baumann, AT, § 18 I I 3 (S. 251 f.). 31 Dies meint wohl auch Schmidhäuser, AT 16/30, der sagt, wenn man die in § 13 gegebene „Auslegungshilfe" vor dem Hintergrund der Rechtstradition sehe, so finde man das Garantieverhältnis in dieser Formel, wobei sich freilich zeige, daß man das „Ergebnis der Auslegung" von vornherein in den Text hineinlege. Schmidhäuser bezieht sich mit dem „Ergebnis der Auslegung" dabei wohl auf die „Auslegung" der einzelnen Handlungstatbestände, in denen er (ohne § 13) auch bereits Unterlassungsdelikte normiert sieht. Allerdings ist er nicht in der Lage, den Auslegungsprozeß darzulegen, mit dessen Hilfe er aus den Tatbeständen, in denen Handlungsdelikte beschrieben sind, die Strafbarkeit von Unterlassungen gewinnen will. Vielmehr geht auch Schmidhäuser mit der Behauptung eines sog. „Auslegungstatbestandes", in dem auch Unterlassungsdelikte „geregelt" seien, schon von einem fiktiven Auslegungsergebnis aus, wobei er den entscheidenden Schritt der Auslegung selbst übergeht; näher dazu unten 2. Teil, 1. Abschnitt, A.
3. Abschn.: „ .
wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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E r f o l g v e r h i n d e r t werde, liege eine v o n § 13 m i t dem r e c h t l i c h e n Einstehenmüssen geforderte G a r a n t e n p f l i c h t v o r 3 2 . § 13 verlangt aber gerade n i c h t ein n u r „ausnahmsweises" Einstehenmüssen, sondern n u r ein „rechtliches E i n zustehenhaben" f ü r den N i c h t e i n t r i t t des Erfolges, woraus a l l e i n die v o n dieser A n s i c h t g e w o l l t e n E i n s c h r ä n k u n g e n n i c h t hervorgehen 3 3 .
B. Erfordernis einer Rechtspflicht als überflüssiger oder tautologischer Hinweis? U n z u t r e f f e n d ist auch der E i n w a n d , das Erfordernis des r e c h t l i c h e n E i n stehenmüssens werde d u r c h die Entsprechensformel dementiert, denn w e r r e c h t l i c h f ü r die A b w e n d u n g des Erfolges „einzustehen" habe, müsse eben doch n i c h t dafür einstehen, w e n n n i c h t das zusätzlich geforderte „ E n t s p r e chensverhältnis" h i n z u k o m m e 3 4 . H i e r w i r d übersehen, daß m i t dem E i n s t e henserfordernis i n § 13 ganz offensichtlich n i c h t das erst über § 13 selbst begründete strafrechtliche
Einstehen f ü r die unterlassene E r f o l g s a b w e n -
d u n g gemeint sein k a n n , da das Erfordernis des r e c h t l i c h e n Einzustehenhabens n u r erst eine v o n mehreren Voraussetzungen f ü r die S t r a f b a r k e i t u n d d a m i t f ü r das strafrechtliche „ E i n s t e h e n " n a c h § 13 ist. D a h e r „ d e m e n t i e r t " 32 Stratenwerth, AT, Rn. 985f.; ähnlich Metzen, Diss., S. 120f., nach dem durch das Erfordernis einer besonderen rechtlichen Einstandspflicht dem Tatrichter ein eindeutiger Hinweis auf den Ausnahmecharakter der Unterlasssungsstrafbarkeit gegeben werde. 33 Interessant ist in dieser Hinsicht die Entwicklung der Ansicht von Gallas, der die Formel in seinem Gesetzesvorschlag seinerzeit in der Großen Strafrechtskommission eingebracht hatte (Niederschriften, Bd. 12, S. 478). Gallas vertritt dort noch die Auffassung (a.a.O., S. 80), der Gedanke der Garantenpflicht komme in dem Vorschlag des Bundesministers der Justiz „wenn er rechtlich verpflichtet ist, den Erfolg abzuwenden" nicht zum Ausdruck. Nicht jede rechtliche Erfolgsabwendungspflicht sei bereits eine Garantenpflicht. Die Garantenpflicht sei enger. Daher bringe sein eigener Vorschlag („wenn er rechtlich dafür einzustehen habe, daß der Erfolg nicht eintreten werde") die Garantenstellung „ziemlich plastisch" zum Ausdruck. Allerdings hegt Gallas schon damals gewisse Zweifel an der „Plastizität" der Formulierung: Erst wenn eine eingehende Begründung vorliege, bekomme das Wort „einstehen" für den Richter einen Sinn. Gallas' Zweifel an seiner ursprünglichen Auffassung haben sich bis 1968 so verstärkt, daß er es nun für wünschenswert hält, daß das Wesen der Garantenpflicht deutlicher als durch das „bloße Einstehenmüssen" zum Ausdruck komme, ZStW Bd. 80, S. 20. Im Sinne dieser Einsicht von Gallas schon Bockelmann, Niederschriften, Bd. 12, S. 476 und S. 80, sowie Strafrecht AT, S. 139; ebenfalls im Sinne der vorliegenden Untersuchung Androulakis, Studien, S. 225; Grünwald, ZStW Bd. 70 (1958), S. 420; Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 331, 341; Meyer-Bahlburg, MSchrKrim 1965, S. 249f.; nach Welzel, Niederschriften, Bd. 12, S. 95, ist die Wendung „einzustehen hat" zur Kennzeichnung der Garantenstellung „blaß"; Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 287, hält die Formel für sich allein für mißverständlich; nach Langer, Sonderverbrechen, S. 505, kommt das Erfordernis der Garantenstellung in der Formel nur mangelhaft zum Ausdruck. Hier habe die überholte Auffassung in den Gesetzestext Eingang gefunden, daß der Garant im Gegensatz zum Nichtgaranten zur Abwendung eines Erfolges verpflichtet sei, während in Wahrheit beide gleichermaßen (aber auch nur) zum Handeln auf dieses Ziel hin verpflichtet seien. 34 Roxin, in: Roxin / Stree u.a., Einführung in das neue Strafrecht, S. 4, und JuS 1973, S. 198.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
sich § 13 nicht selber, sondern besagt insoweit nur, daß nicht jeder, der nach einer Rechtsvorschrift für die Abwendung einer Rechtsgutsverletzung einzustehen hat, auch unbedingt strafrechtlich nach § 13 für die unterlassene Abwendung zur Verantwortung gezogen werden soll. Insoweit ist § 13 konsequent und bestätigt darüber hinaus die subsidiäre Aufgabe des Strafrechts, das nur als ultima ratio bei von der Gemeinschaft als unerträglich empfundenen Rechtsverstößen eingreifen soll. Derselbe Autor meint weiter, es läge näher, daß die „Entsprechung" schon Voraussetzung der Garantenstellung sei 35 . Ehe man aber ein Gesetz für widersinnig, weil sich selbst dementierend, erklärt, sollte man sich zunächst um eine (sinnvolle) Auslegung bemühen, und gerade der behauptete Zusammenhang von „Entsprechung" und „Garantenstellung" deutet darauf hin, daß die „Garantenstellung" eben noch nicht in dem Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat,..." enthalten sein muß. Der gleiche Einwand gilt gegen die ähnliche Ansicht, wonach angesichts der Unhaltbarkeit der „formellen Rechtspflichttheorie", welche die strafrechtliche Garantenhaftung aus der Verletzung einer „metastrafrechtlichen" Rechtspflicht ableite, die erste Klausel des § 13, das „rechtliche Einstehenmüssen", nur als ein „tautologischer Hinweis" auf die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Erfolgsabwendungspflicht für das „unechte" Unterlassungsdelikt verstanden werden könne 36 . Die mit der Bezeichnung als „tautologischer Hinweis" gemeinte Sinnlosigkeit der Klausel ergibt sich aber keineswegs zwingend aus der behaupteten Unhaltbarkeit der sog. formellen Rechtspflichttheorie, denn nach dieser Theorie soll mit dem Vorliegen einer „formellen Rechtspflicht" bereits die Entsprechung des Unterlassens mit dem Tun zu bejahen sein, während § 13 gerade die Entsprechung als zusätzliche Voraussetzung zu dem Erfordernis des „rechtlichen Einzustehenhabens" verlangt. Damit w i r d klargestellt, daß eben nicht jede auf die Abwendung eines Erfolges gerichtete formelle Rechtspflicht zum Handeln für die Strafbegründung nach § 13 ausreicht. Denn aus all den Unterlassungen, die sich als Verletzung einer rechtlichen Handlungspflicht darstellen, wird erst über das Entsprechenserfordernis der Kreis der nach § 13 strafbaren Unterlassungen festgelegt. Allein aus dem Entsprechenserfordernis könnte sich allenfalls die geforderte Beschränkung auf die Verletzung besonderer „Erfolgsabwendungspflich35 Roxin, in: Roxin / Stree u.a., Einführung in das neue Strafrecht, S. 4, und JuS 1973, S. 198, unter Hinweis auf Gallas, Niederschriften, Bd. 12, S. 79ff., ZStWBd. 80 (1968), S. 19f., der dies auch betone. Gallas meint aber, daß die „Gleichwertigkeit" sich im wesentlichen gerade daraus ergebe, daß der Unterlassende Garant ist, die „Garantenstellung" also die wesentliche Voraussetzung des Entsprechens sei und nicht umgekehrt. 36 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 380, und Unternehmenskriminalität, S. 84.
3. Abschn.:
wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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ten" ergeben 37 . Eine sinnvolle Auslegung käme also zu dem Entsprechenserfordernis als Sitz der herkömmlicherweise für die (jedenfalls seinerzeit ungesetzliche) Bestrafung von Unterlassungen als entscheidend angesehenen sog. Garantenproblematik. Da, wie sich in der vorliegenden Untersuchung gezeigt hat, der „Rechtspflichtklausel" das Erfordernis einer spezifischen, sich von anderen Rettungspflichten abhebenden Handlungspflicht nicht entnommen werden kann, wäre diese Auslegung die einzige sachgerechte Möglichkeit, die Garantenproblematik überhaupt in § 13 festzumachen. Die Klausel „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat,..." wäre dabei kein tautologischer Hinweis (und schon gar nicht auf eine strafrechtliche Erfolgsabwendungspflicht), sondern ließe sich als besonderer gesetzlicher Hinweis darauf verstehen, daß die Handlungspflicht rechtlich begründet und ihre Verletzung mit rechtlichen Sanktionen verbunden sein muß. Angesichts der ausufernden Rechtsprechung 373 in der Vergangenheit zur Herleitung sog. Garantenpflichten, mit deren Hilfe Unterlassungen ohnehin schon ohne die von Verfassungs wegen erforderliche gesetzliche Bestimmung für strafbar erklärt wurden, erscheint dies als (aus rechtspolitischer Sicht) durchaus notwendiger und daher sinnvoller Verweis. Die sog. Garantenpflicht aus vorangegangenem gefährdenden Tun etwa scheidet damit für die Unterlassungsbestrafung nach § 13 aus, da eine spezifische Handlungspflicht aus Ingerenz allgemein im deutschen Recht nicht statuiert ist 3 8 . Als Rechtspflicht käme in einem Teil der hier traditionell behandelten Fälle nur die strafrechtliche Hilfeleistungspflicht aus § 323 c in Betracht, deren Verletzung aber unstreitig kein Garantenunterlassungsdelikt und damit unabhängig von der systematischen Einordnung der Garantenpflicht jedenfalls auch keine Bestrafung nach § 13 begründen kann. Denn sie ist nach einhelliger Meinung gerade keine spezifische Garantenpflicht, sondern eine allgemeine, jedermann treffende staatsbürgerliche Pflicht. Ebensowenig ergibt sich „aus seiner Sachherrschaft und Verfügungsberechtigung über das Fahrzeug" die „Garantenpflicht" des Eigentümers, gegen die Unfallflucht des Fahrers seines Fahrzeuges einzuschreiten 39 . Eine Rechtsnorm, die eine solche Pflicht (unter Anordnung von Rechtsfolgen für den Fall ihrer Verletzung) statuiert, existiert nicht. 37
Dies wird auch im übrigen Schrifttum regelmäßig nicht erkannt oder jedenfalls nicht deutlich gemacht; vgl. statt vieler Jakobs, AT 29/26. 3?a vgl. beispielhaft BGHSt 13, 162ff.; 14, 229ff. 38 Vgl. van Gelder, Diss., S. 128. Dies wird übersehen etwa von OLG Schleswig, NStZ 1982, S. 116f., welches ohne Begründung und ohne Prüfung des Rechtspflichtmerkmals davon ausgeht, daß für eine Bestrafung nach §§ 13, 309 eine „Garantenpflicht" aus vorangegangenem gefährdenden Tun in Betracht komme. 39 So aber OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 2369, das mit dieser freischwebenden These die Bestrafung des Eigentümers begründet. Anstatt zur Begründung auf eine Kommentarstelle hinzuweisen, hätte das Gericht, wie § 13 es ausdrücklich verlangt, die Rechtsnorm anführen sollen, aus der sich diese Handlungspflicht ergeben soll.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Auch andere gewöhnlicherweise als Garantenpflichten angeführte Handlungspflichten wären auf ihre rechtliche Begründung und daraufhin zu überprüfen, ob an ihre Verletzung Rechtsfolgen geknüpft sind, so etwa die auf ein Verhältnis enger Verbundenheit 40 oder auf Verwandtschaft 41 zurückgeführten oder die sich angeblich aus Gefahrengemeinschaften 42 oder aus der Verantwortung für in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallende Gefahrenquellen 43 ergebenden Handlungspflichten. Denn die Kategorien „Verwandtschaft", „Gefahrengemeinschaft" oder „Verantwortung für Gefahrenquellen" begründen als solche keinesfalls eine rechtliche Handlungspflicht. Diese kann sich vielmehr erst etwa aus bürgerlich-rechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben, was aber für jeden Fall konkret nachzuweisen wäre 4 4 . Insbesondere müßte sorgfältig geprüft werden, ob in der betreffenden Rechtsvorschrift genau die für die Bestrafung gem. § 13 erforderliche Handlungspflicht statuiert ist. So ergibt sich beispielsweise aus § 1626 BGB (elterliche Sorge) keinesfalls eine Pflicht der Eltern, fremde Rechtsgüter vor Beeinträchtigungen durch ihr K i n d zu schützen. Die in § 1626 BGB normierte Pflicht der Sorge für das minderjährige Kind ist allein auf das Wohl des Kindes bezogen. Sie in eine Fürsorge für das Wohlverhalten des Kindes (!) umzudeuten, ist mit dem Sinn und Zweck der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift nicht vereinbar 45 .
C. Ergebnis Als Ergebnis der Untersuchung im vorliegenden Abschnitt ist zusammenfassend folgendes festzustellen: In dem Merkmal des § 13 „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" ist nicht, wie vielfach angenommen, das Erfordernis einer sog. Garantenpflicht normiert. Die Garantenproblematik kann vielmehr erst der Entsprechensklausel zugeordnet werden. Mit der Voraussetzung des „rechtlich Einzustehenhabens" wird von § 13 auf eine Rechtsnorm abgestellt, in der eine Handlungspflicht des 40
Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 17. Vgl. BGHSt 13, 162, wo das Schwiegersohn/Schwiegermutter-Verhältnis als Grundlage einer Garantenpflicht angesehen wird. 42 Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 23 ff. 43 Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 43. 44 Dieser Nachweis fehlt bei vielen der im Schrifttum genannten Garantenpflichten, vgl. statt vieler Schänke / Schröder / Stree, §13 Rn. 17 ff., 23 ff., 26ff., 32 ff., 43ff.; wie sich etwa aus der wohl in öffentlich-rechtlichen Vorschriften (die aber von Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 43 nicht näher bezeichnet sind) normierten Verpflichtung des Hauseigentümers, baufällige Teile, welche die Allgemeinheit gefährden, auszubessern, eine Rechtspflicht zum Löschen eines Brandes des eigenen Wohnhauses ergeben soll, ist nicht ersichtlich. 45 So aber der Bundesminister der Justiz im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, Prot. S. 1645; vgl. demgegenüber Palandt, BGB-Kommentar, E i n ! v. § 1626 Anm. 2), und § 1626 Anm. 4). 41
3. Abschn.: „ .
wenn er rechtlich dafür einzustehen hat"
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Unterlassenden statuiert ist, die auf die Abwendung einer solchen Rechtsgutsverletzung gerichtet ist, wie sie der von § 13 in Bezug genommene Deliktstatbestand als „Erfolg" schildert. Die Verletzung dieser Handlungspflicht muß zugleich mit rechtlichen Sanktionen verbunden sein, der Unterlassende muß dafür „einzustehen haben". Da dies Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 13 ist, ist selbstverständlich, daß hiermit nicht die sich erst aus § 13 selbst ergebenden (strafrechtlichen) Sanktionen gemeint sind, sondern daß bereits ein anderer Rechtssatz vorliegen muß, der an die Verletzung der Handlungspflicht Rechtsfolgen knüpft. Entgegen verbreiteter Ansicht werden durch diese Klausel des § 13 die etwa in §§ 138, 323c normierten Rechtspflichten der Verbrechensanzeige und der Hilfeleistung nicht ausgeschlossen, da auch sie Handlungen mit dem Ziel der Erfolgsabwendung fordern. Ein Ausschluß dieser Handlungspflichten, deren Verletzung in§§ 138, 323c auch mit Sanktionen bedroht ist, kann daher erst im Rahmen des Entsprechenserfordernisses erfolgen.
4. Abschnitt
Die „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" - Bedeutung für die Frage der Anwendbarkeit des § 13 auf die bereits positivierten Unterlassungsdelikte A. Vorschriften mit ausschließlicher Schilderung von Unterlassungsdelikten Als weitere und letzte Voraussetzung für die Strafbarkeit der unterlassenen Abwendung eines zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolges verlangt § 13 neben dem Vorliegen einer auf die Abwendung gerade dieses Erfolges gerichteten rechtlichen Handlungspflicht zusätzlich, daß das Unterlassen der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht". Mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes" wird offensichtlich auf den schon am Anfang der Vorschrift genannten „Tatbestand eines Strafgesetzes" abgestellt, zu dem der nicht abgewendete Erfolg gehört. Die Bezugnahme auf die Verwirklichung dieses Tatbestandes „durch ein Tun" setzt voraus, daß der betreffende Tatbestand überhaupt durch ein Tun verwirklicht werden kann. Da die „Verwirklichung eines Tatbestandes" immer nur auf die in diesem Tatbestand geschilderte Art und Weise möglich ist, kann daher mit dem „Tatbestand eines Strafgesetzes", zu dem der nicht abgewendete Erfolg gehört, auch überhaupt nur ein Straftatbestand gemeint sein, in dem eine Tathandlung, also ein Tun, geschildert ist. Damit ist § 13 auf „Strafgesetze", das heißt auf Strafvorschriften, in denen ausschließlich Unterlassungsdelikte positivert sind, wie § 138 (Nichtanzeige geplanter Straftaten) und § 323 c (Unterlassene Hilfeleistung) 1 offensichtlich nicht anwendbar. Denn die in ihnen enthaltenen Tatbestände können nicht durch ein Tun verwirklicht werden, der mit dem Entsprechenserfordernis verlangte Vergleich des Unterlassens mit einem Tun ist hier nicht möglich.
1 Auch zu diesen Tatbeständen „gehören Erfolge", die in der jeweiligen Gefahr für die dort betroffenen Rechtsgutsobjekte zu sehen sind. Zwar wird bei den §§ 138, 323 c schon eine bestehende Gefahr zur Begründung der Tatsituation, das heißt zur Entstehung der Anzeige- bzw. der Hilfeleistungspflicht, vorausgesetzt, doch ist dann das Fortbestehen der Gefahr nach unterbliebener, aber möglicher und zumutbarer Hilfeleistung bzw. nach unterlassener Verbrechensanzeige als Erfolg anzusehen.
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Man wird daher die Vorschrift des § 13 so zu verstehen haben, daß sie, da das Entsprechensmerkmal ersichtlich nur auf Tatbestände zugeschnitten ist, die (zumindest auch) durch ein Tun zu verwirklichen sind, insgesamt auch nur eine Regelung in bezug auf Delikte dieser Art treffen will. Vorschriften mit ausschließlicher Positivierung von Unterlassungsdelikten gehören daher zu einem Deliktsbereich des Besonderen Teils, der von der Regelung des § 13 insgesamt und damit auch von der Anordnung der ausschließlichen Strafbarkeit von unterlassenen Erfolgsabwendungen unter den Voraussetzungen des § 13 („Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, ..., ist nur dann strafbar, wenn...") nicht betroffen ist 2 .
B. Vorschriften, in denen sowohl eine Handlung als auch ein Unterlassen erfaßt sind Geht man somit von der Nichtanwendbarkeit des § 13 auf die §§ 138,323c aus, so bleibt noch die Frage, ob § 13 nicht aber auf solche Vorschriften anzuwenden ist, in denen sowohl ein Handeln als auch ein Unterlassen erfaßt sind. Würde man nämlich bei einer derartigen Vorschrift von einem einzigen Tatbestand auszugehen haben, der sowohl ein Handeln als auch ein Unterlassen umfaßt, dann könnte man die Anwendung des § 13 auf diesen Tatbestand jedenfalls nicht mit dem bei den Vorschriften mit ausschließlicher Schilderung von Unterlassungsdelikten angeführten Argument ausschließen, wonach § 13 für diese Tatbestände ersichtlich keine Regelung trifft, da sie nicht durch ein Tun verwirklicht werden können. Denn ein Tatbestand mit Unterlassungs- und Handlungsvariante könnte ja durch ein Tun verwirklicht werden, der von § 13 vorausgesetzte (Entsprechens-)Vergleich zwischen Tun und unterlassener Erfolgsabwendung, das hieße hier, zwischen Handlungs- und Unterlassungsvariante dieses Tatbestandes, wäre möglich. Wegen der Anordnung in § 13, daß eine unterlassene Erfolgsabwendung „nur dann strafbar" ist, wenn die weiteren Voraussetzungen des §13 vorliegen, wäre eine selbständige Bestrafung der Unterlassungsvariante ohne Berücksichtigung des § 13 nicht zulässig. 2 Das Schrifttum geht im Ergebnis auch von einer Unanwendbarkeit des § 13 auf die §§ 138, 323c aus, ohne aber Begründungen dafür anzuführen, vgl. nur Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 8; Dreher / Tröndle, § 13 Rn. 1; Stratenwerth, AT, Rn. 1035, meint, in § 323 c umschreibe „das Gesetz selbst" die Voraussetzungen, unter denen sich das Unterlassen als tatbestandsmäßig darstelle. Ob aber das Gesetz selbst, und damit meint er offenbar den § 323c allein, also ohne Berücksichtigung des § 13, die Strafbarkeitsvoraussetzungen regelt, ist gerade die Frage, deren Beantwortung der näheren Begründung bedarf. Denn die Strafbarkeit oder selbst nur die von Stratenwerth angeführte „Tatbestandsmäßigkeit" ist, wie § 13 selbst zeigt, nicht allein nach den Vorschriften des Besonderen Teils, sondern auch nach denen des Allgemeinen Teils zu beurteilen. Soll daher eine Vorschrift des Allgemeinen Teils, wie § 13, die ja etwa gegenüber § 323 c eine strafbarkeitseinschränkende Regelung träfe, nicht auf im Besonderen Teil positivierte Unterlassungen anzuwenden sein, so kann die Begründung, § 323 c umschreibe selbst die Voraussetzungen, nicht ausreichen.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Entscheidene Frage ist daher, ob die Zusammenfassung eines Rechtsgutsangriffs durch Tun und eines Rechtsgutsangriffs durch Unterlassen in einer Vorschrift überhaupt einen Tatbestand begründet oder ob man nicht vielmehr von zwei verschiedenen Tatbeständen, die nur in einer Vorschrift zusammengefaßt sind, auszugehen hat. Im letzteren Fall gälte für den jeweiligen Unterlassungstatbestand das gleiche wie für die §§ 138, 323c: §13 fände keine Anwendung. Zur Klärung der Frage ist zunächst festzustellen, welche Bestimmungen des Besonderen Teils überhaupt in den hier zu untersuchenden Bereich fallen. In Betracht kommen hier zum einen Vorschriften mit getrennter Beschreibung von Tathandlungen und Unterlassungen, wobei etwa an § 223 b (Mißhandlung von Schutzbefohlenen - mit der Unterlassungsvariante der „böswilligen Pflichtvernachlässigung") oder an § 357 (Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat - mit der Unterlassungsvariante des „Geschehenlassens einer solchen Tat") 3 zu denken wäre, zum anderen Vorschriften mit sog. doppeldeutigen Verhaltenskennzeichnungen, also mit Verhaltensbeschreibungen, die sowohl ein Handeln als auch ein Unterlassen meinen können, wie etwa die im sog. Treuebruchstatbestand des § 266 genannte Verletzung der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang auch an Vorschriften mit Verhaltensbeschreibungen, die mit dem Verb „lassen" gebildet werden. Doch wäre hier jeweils im einzelnen zu prüfen, ob damit tatsächlich auch ein Unterlassen erfaßt sein soll, oder ob nicht doch nur ein Handeln gemeint ist, wie etwa in § 94 Abs. 1 Nr. 2 (Landesverrat). Dort muß durch das „Gelangenlassen" (des Staatsgeheimnisses an einen Unbefugten) die „Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt" werden. Eine Gefahr „herbeiführen" setzt aber notwendig ein Bewirken und damit ein Handeln voraus. Wer eine Handlung unterläßt, kann dadurch nichts bewirken, nichts herbeiführen. Vom Sprachlichen her dürfte daher mit der Tatbeschreibung des „Gelangenlassens" kein Unterlassen erfaßt sein 4 . Allerdings ist der Sprachgebrauch des Gesetzes nicht immer einwandfrei, wie etwa das Beispiel des § 223 b zeigt, wo das Gesetz offenbar davon aus3 Beide Überschriften sind irreführend, da sie jeweils nur die Handlungsvarianten kennzeichnen. 4 Zweifelnd auch Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 177 ff. (183), dessen Einwand allerdings gegen die hier vertretene Begründung nicht durchschlägt, denn seine richtige Annahme, es handele sich hierbei ja auch nicht um ein „zweitaktiges" Geschehen, mit dem Herbeiführen sei also keine weitere Tätigkeit gemeint, widerlegt die hier gegebene Begründung nicht, sondern liegt ihr zugrunde. Vgl. a.a.O., S. 178f. Anders als hier jedenfalls die „herrschende Meinung", die unter § 94 Abs. 1 Nr. 2 ohne weiteres auch Unterlassungen subsumiert, vgl. Schänke / Schröder / Stree, § 94 Rn. 9; nach Lackner, § 94 Anm. 3, bedeute „gelangen lassen" bei anderem als bei körperlichen Gegenständen „Kenntnisnahme durch den Empfänger", wird also ohne jeden Bezug zu einem Täter oder Unterlassenden definiert!
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geht, daß durch Unterlassen („Vernachlässigung seiner Pflicht") ein Schutzbefohlener an der Gesundheit beschädigt werden kann, oder wie in § 315 c Abs. 1 Nr. 2 g, wonach durch Nicht-kenntlich-Machen eines haltenden oder liegengebliebenen Fahrzeuges Leib und Leben eines anderen gefährdet werden können soll. Indem das Gesetz widersinnige Formulierungen verwendet 5 , schafft es damit aber den materiellen Widerspruch nicht aus der Welt, kann es also, konkret gesagt, nichts daran ändern, daß eine Unterlassung nichts bewirken, also auch durch ein Unterlassen niemand geschädigt oder gefährdet werden kann. Die Frage ist nur, welche Auswirkungen dies für die Gesetzesanwendung hat. Da hier aus dem übrigen Wortlaut der beiden letztgenannten Vorschriften hervorgeht, daß ausschließlich ein Unterlassen als strafbares Verhalten in Betracht kommt, ist davon auszugehen, daß das Gesetz hier eine Fiktion verwendet, wenn es ein „Bewirken" durch Unterlassen als möglich unterstellt. Zwar steht es dem Gesetzgeber letztlich frei, mit Fiktionen zu arbeiten, doch muß er um der Verständlichkeit des Gesetzes willen ihren genauen Geltungsbereich abstecken und eindeutig zu erkennen geben, wann von einer Fiktion ausgegangen wird. Dies hat er etwa in einer allgemeinen Form in den §§6,7,8 OWiG 6 getan, wo fingiert wird, daß auch derjenige handele, der unterläßt (wobei dann allerdings das „unterlassende Handeln" in § 8 OWiG an die gleichen Voraussetzungen wie das Unterlassen in § 13 StGB gebunden wird). Bei den §§ 223b, 315 c Abs. 1 Nr. 2g ergibt sich diese Eindeutigkeit daraus, daß hier nur ein Unterlassen gemeint sein kann und ohne diese Fiktion eine widerspruchsfreie Auslegung der Vorschriften nicht möglich wäre. Das Gesetz muß daher hier ausnahmsweise so verstanden werden, daß mit dem geschilderten fiktiven Bewirken durch Unterlassen lediglich die Zurechnung des Erfolges zu dem Unterlassen gemeint ist 7 . Anders ist es hingegen bei dem hier beispielhaft angeführten § 94 Abs. 1 Nr. 2, denn diese Vorschrift läßt sich widerspruchslos auslegen, indem man unter „gelangen lassen" nur eine Tathandlung, nicht aber auch ein Unterlassen versteht. Das ergibt sich im übrigen auch aus dem Erfordernis der Zielgerichtetheit des Gelangenlassens ( „ . . . um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen..."), denn ein zielgerichtetes Unterlassen gibt es, wie oben aufgezeigt wurde 8 , nicht. Doppeldeutige Verhaltenskennzeichnungen mit dem Verb „lassen" finden sich aber wohl beispielsweise bei 5 Vgl. z.B. auch den schon in sich widersinnigen Ausdruck „falsche Tatsachen" in § 263 oder die irreführende Formulierung in § 22 „Eine Straftat versucht, wer . . .", als ob der „Versuch einer Straftat" nicht selbst auch eine Straftat wäre. 6 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. 7 Vgl. näher zur Bedeutung der gesetzlichen Fiktion sowie zu den Grenzen ihrer Verwendung bei der Gesetzgebung Meurer, Die Fiktion als Gegenstand der Gesetzgebungslehre, in: Rödig, Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, S. 281 ff., 289f.; zur Fiktion in der RechtsanWendung Meurer, Fiktion und Straf urteil (1973). 8 Siehe oben im 1. Abschnitt B. II. 2. b) bb).
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
verschiedenen Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wenn es dort heißt „(homo-)sexuelle Handlungen ... an sich vornehmen lassen", denn darunter wird man auch das bloße Dulden einer sexuellen Handlung zu verstehen haben. Es ist somit davon auszugehen, daß neben den Vorschriften, die schon durch getrennte Verhaltensbeschreibungen ganz offensichtlich zum Ausdruck bringen, daß ein Handeln und ein Unterlassen erfaßt sein soll, es auch solche mit nur einer Verhaltenskennzeichnung für Handeln und Unterlassen gibt. Diese unterschiedliche gesetzliche Fassung muß indes noch keinen sachlichen Unterschied beinhalten, da der Gesetzgeber ebensogut auch in den letztgenannten Fällen statt einer doppeldeutigen zwei eindeutige Verhaltenskennzeichnungen einmal für das Unterlassen und einmal für das Handeln verwenden könnte. Die Lösung der Frage, welche Bedeutung die Regelung des § 13 für all jene Vorschriften hat, die sowohl ein Handeln als auch ein Unterlassen beschreiben, hängt entscheidend davon ab, was in § 13 unter dem Begriff des „gesetzlichen Tatbestandes" zu verstehen ist, zu dem der nicht abgewendete Erfolg gehört und dessen „Verwirklichung durch ein Tun" möglich sein muß. Denn das Unterlassen der Abwendung des zu diesem Tatbestand gehörenden Erfolges ist, wie bereits festgestellt, mit dieser „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" im Rahmen des Entsprechensmerkmals zu vergleichen. Im Schrifttum zu § 13 wird das Problem des Tatbestandsbegriffes nicht erörtert. Soweit sich überhaupt Feststellungen zum Regelungsbereich des § 13 finden, die über die lapidare Behauptung hinausgehen, § 13 sei auf im Gesetz geregelte „unechte Unterlassungsdelikte" 9 und auf Tatbestände, die durch Tun und Unterlassen begangen werden könnten (angeführt werden unter anderem §§ 109, 217, 266, 336), nicht anwendbar 10 , sind sie regelmäßig unbefriedigend. 9
Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 7; Dreher, § 13 Rn. 1. So Dreher, § 13 Rn. 1 - gänzlich unverständlich ist bei Dreher der Ausschluß des § 217 (Kindestötung) aus dem Anwendungsbereich des § 13. § 217 stellt doch nur eine Privilegierung wegen geminderter Schuld gegenüber § 212 (Totschlag) dar (vgl. Schmidhäuser, BT 2/38), und da in §§ 211 bis 217 gerade die „klassische" Handlung „töten" als Verhaltenskennzeichnung genannt ist, dürften gerade diese Vorschriften zum typischen Anwendungsbereich des § 13 gehören. Im Sinne Drehers aber auch Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 10, der unter unzutreffender Berufung auf Rudolphi und Schöne meint, der Tatbestand des § 217 zeige eindeutig, daß das Unterlassen „gleichgestellt" sei. Abgesehen davon, daß er diese aus sich selbst heraus nicht verständliche Behauptung nicht begründet, fehlt auch eine einleuchtende Begründung dafür, warum denn § 13 nicht anwendbar sein soll, wenn schon ein Unterlassen einem Tun „gleichgestellt" sei, wobei unterstellt wird, daß mit dem „Gleichgestellt" das in § 13 vorausgesetzte Entsprechen des Unterlassens mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" gemeint ist. Die Berufung allein auf die „Unverständlichkeit" der Milderungsmöglichkeit in § 13 Abs. 2 kann dafür nicht ausreichen, da es nicht im Belieben des Rechtsanwenders steht, eine Vorschrift nur des10
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So wird das oben bereits für die Vorschriften mit ausschließlicher Regelung von Unterlassungsdelikten (§§ 138, 323c) als unzureichend erkannte Argument auch für die hier in Frage stehenden Vorschriften angeführt: Das Gesetz umschreibe hier allemal selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit bzw. Tatbestandsmäßigkeit 11 ; oder man sagt, nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" gingen die im Besonderen Teil positivierten „unechten" Unterlassungsdelikte „dem § 13" vor 1 2 , da bei ihnen die Strafbarkeitsvoraussetzungen speziell 13 geregelt seien 14 . Der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" setzt aber zunächst das Bestehen zweier konkurrierender Strafvorschriften voraus. Da § 13 keine eigenständige Strafvorschrift ist, sondern erst in Verbindung mit einem Strafgesetz des Besonderen Teils eine neue, eigenständige Straftat normiert, kann dieser über § 13 zu bildende Straftatbestand überhaupt nur dann entstehen, wenn § 13 auch auf das betreffende Strafgesetz im Besonderen Teil anwendbar ist. Erst wenn ein solcher neu gebildeter Tatbestand zur Verfügung steht, kann sich allenfalls die Frage nach einem Konkurrenzverhältnis stellen, wobei aber dann noch zu klären wäre, ob die Vorschrift im Besonderen Teil überhaupt noch unabhängig von § 13 als eigenständiges Delikt für ein Konkurrenzverhältnis zur Disposition steht. Um also von den für das Konkurrenzverhältnis vorausgesetzten zwei Straftatbeständen ausgehen zu können, muß § 13 zunächst auf den „Tatbestand eines Strafgesetzes" anwendbar sein. Die Anwendbarkeit als Voraussetzimg eines möglichen Konkurrenzverhältnisses kann also nicht mit dem seinerseits das Konkurrenzverhältnis voraussetzenden „lex-specialis"-Grundsatz abgelehnt werden. Würde man darüber hinaus die Anwendbarkeit des § 13 auf den halb nicht anzuwenden, weil ihm die Rechtsfolge (hier: die Milderungsmöglichkeit) nicht genehm ist. Sollte es sich hingegen bei der „Unverständlichkeit" der Milderungsmöglichkeit in Abs. 2 um eine intrasystematische Unverständlichkeit des § 13 handeln, so stünde es erst recht nicht im Belieben des Rechtsanwenders, den § 13 einmal anzuwenden und das andere Mal mit dem Hinweis auf dessen Unverständlichkeit seine Anwendung abzulehnen! 11 Stratenwerth, AT, Rn. 1035; ähnlich auch Schönke / Schröder / Stree, Vorbem. § 13 ff. Rn. 136, und § 13 Rn. 31 (das Unterlassen sei hier „unmittelbar tatbestandsmäßig"). Vgl. dazu schon oben Fußn. 2. 12 Rudolphi, ZStW 86 (1974), S. 69. Vgl. auch Lackner, § 13 Anm. 5 c. 13 Lackner, § 13, Anm. 5, und Rudolphi, ZStW 86 (1974), S. 69, sprechen von einer speziellen Regelung der „Gleichstellungsfrage", womit Rudolphi offenbar das Entsprechensmerkmal anspricht (vgl. ders., Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 16 ff.), während bei Lackner unklar ist, was er damit meint, da er jedenfalls im Rahmen der Entsprechensklausel eine „Gleichstellungsfrage" nicht behandelt, vgl. a.a.O., Anm. 4; ähnlich auch Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 9 f. 14 Ausnahmen hiervon w i l l allerdings Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 7, für §§ 109 und 123 (Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung und Hausfriedensbruch) machen, da hier die „Gleichstellungsfrage" nicht abschließend geregelt sei. Wieso aber die „Gleichstellungsfrage" bei § 175 Abs. 1 (Vornehmenlassen sexueller Handlungen) abschließend geregelt (keine Anwendbarkeit des § 13 nach Rudolphi, a.a.O., Rn. 5), bei § 109 („untauglich machen lassen") hingegen nicht abschließend geregelt sein soll, ist nicht ersichtlich. 6 Schürmann
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gesetzlichen Unterlassenstatbestand bejahen, so müßte man § 13 zwingend auf diesen Tatbestand anwenden, der damit ohne § 13 gar keine eigenständige Deliktsbeschreibung darstellen würde. Auch dann würde sich die Konkurrenzfrage somit gar nicht stellen, das behauptete Konkurrenzverhältnis zwischen speziellem und allgemeinem Gesetz kann folglich in diesem Zusammenhang nicht bestehen. Die Ablehnung der Anwendbarkeit des § 13 auf die hier zur Debatte stehenden Vorschriften läßt sich daher mit dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" nicht begründen. Soweit dagegen in der Literatur für eine Anwendung des § 13 auf diese Vorschriften mit doppeldeutigen Verhaltensbeschreibungen plädiert wird 1 5 , geschieht dies ohne Auseinandersetzung mit dem Begriff des Tatbestandes in § 13. Ein pauschale Bejahung der Anwendbarkeit des § 13 auf alle diese Vorschriften setzt aber ein ebenso pauschales Tatbestandsverständnis voraus, welches als „gesetzlichen Tatbestand" jeweils die gesamte, mit einem Gesetzesparagraphen gekennzeichnete Vorschrift begreift. Dieser pauschale „Tatbestand" wäre, wie oben bereits dargestellt, in allen hier in Frage stehenden Fällen auch „durch ein Tun" zu verwirklichen, da neben dem Unterlassen auch ein Tun von der gesetzlichen Schilderung - sei es in einer einzigen oder in getrennten Verhaltensbeschreibungen - erfaßt wäre. Damit wäre die Grundlage für den von § 13 geforderten Entsprechensvergleich gegeben, die Anwendung des § 13 auf diese Vorschriften könnte nicht mit dem oben bei den Vorschriften mit ausschließlicher Schilderung von Unterlassungsdelikten angeführten Argument ausgeschlossen werden, wonach § 13 für diese „Tatbestände" ersichtlich keine Regelung treffe und daher insgesamt hier nicht anwendbar sei. 15 Maurach / Gössel, AT, Bd. 2, § 46 V A (S. 165), der die Anwendung des § 13 auf alle „unechten Unterlassungsdelikte" bejaht, wobei allerdings seine eigene Terminologie nicht schlüssig ist, wenn er auch die Unterlassungsalternative in § 223b als „unechtes" Unterlassungsdelikt bezeichnet, obwohl nach seiner eigenen Definition „unechte" Unterlassungsdelikte nur solche sein sollen, „die durch handelnde Nichtaktivität den Tatbestand eines echten Begehungsdelikts verwirklichen", a.a.O., § 45 I I A (S. 128). Die Unterlassungsalternative des § 223b müßte danach zugleich ein „echtes" Begehungsdelikt sein. Im übrigen ist die nach Gössel mögliche (in geläufige Terminologie übersetzte) Verwirklichung eines „echten" Begehungsdelikts durch Unterlassen („handelnde Nichtaktivität") ein Widerspruch in sich: Entweder beschreibt das Gesetz nur eine Handlung (= echtes Begehungsdelikt im Sinne Gössels), dann kann dieser Tatbestand nicht durch Unterlassen verwirklicht werden, oder er beschreibt zumindest auch ein Unterlassen; dann aber handelt es sich nicht um ein „echtes" Begehungsdelikt in seinem Sinne. Damit kann es nach Gössels Definition „unechte" Unterlassungsdelikte gar nicht geben. Dieses Ergebnis wäre im Grunde logisch, denn das „unechte" Unterlassungsdelikt ist ein terminologisches „Unding": Ein unechtes oder falsches „Delikt" kann damit nicht gemeint sein, ein Delikt ist entweder „echt" oder es ist kein Delikt. Das gleiche gilt für das Unterlassen als Verhalten. Anknüpfungspunkt für eine Bestrafung ist entweder Handeln oder Unterlassen. Dazwischen gibt es nichts. Die unsinnige Terminologie bezeichnet entlarvend den sachlichen Widersinn, welcher in der Bestrafung „unechter" Unterlassungsdelikte lag: Daß hier etwas als Delikt geahndet wurde, was in Wirklichkeit gar kein Delikt darstellte, da es nirgendwo als solches normiert war.
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Anders wäre es nur, wenn in einer Vorschrift auch mehrere „Tatbestände" im Sinne des § 13 enthalten sein könnten. Dann würde, wie gesagt, für eventuell eigenständige Unterlassungstatbestände innerhalb einer auch Handlungstatbestände enthaltenden Vorschrift wieder das gleiche gelten wie für die ausschließlich Unterlassungsdelikte enthaltenden Vorschriften etwa der §§ 138, 323c, das heißt, sie wären vom Regelungsbereich des § 13 nicht erfaßt. Bei jenen Vorschriften war es nur noch nicht erforderlich, auf die genaue Bedeutung des Tatbestandsbegriffes einzugehen, da zumindest davon ausgegangen werden konnte, daß mit dem „Tatbestand eines Strafgesetzes" die gesetzliche Beschreibung eines jedenfalls insoweit individualisierten deliktischen Verhaltens gemeint ist, als es von in anderen Strafvorschriften beschriebenem strafbaren Verhalten unterschieden wird. Bei den hier zu untersuchenden Vorschriften geht es aber darüber hinaus um die Frage der Unterscheidung deliktischen Verhaltens innerhalb einer Vorschrift, das heißt um die Frage, ob allein die formale Zusammenfassung unterschiedlicher deliktischer Verhaltensweisen unter einem Paragraphen des Strafgesetzbuches zu einem einheitlichen „Tatbestand" im Sinne des §13 führt oder ob auch innerhalb eines Paragraphen verschiedene Tatbestände existieren können, wie dies im Schrifttum etwa ohne weiteres bei der Untreue (§ 266) angenommen wird, wo man die dort geschilderten Angriffe auf fremdes Vermögen einem „Mißbrauchstatbestand" und einem „Treuebruchstatbestand" zuordnet 16 . Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Tatbestandsbegriff dabei nicht im Zusammenhang mit seiner Verwendung in einem Gesetz benutzt wird 1 7 , sondern unabhängig von seinem Sinn und seiner Bedeutung in einer Strafvorschrift nur im Rahmen strafrechtssystematischen Ordnens, wobei aber noch nicht einmal eine einheitliche Linie festzustellen ist 1 8 , da es letztlich auch darauf ankommt, unter welchen Gesichtspunkten geordnet werden soll. Hier jedenfalls ist im Wege der Auslegung des § 13 festzustellen, welche genaue Bedeutung der Begriff „Tatbestand eines Strafgesetzes" in dieser Vorschrift hat. Ob damit jede Zusammenfassung strafbarer Verhaltensweisen in einer Strafvorschrift gemeint ist, erscheint als durchaus zweifelhaft. Zum einen besagt die Formulierung nicht eindeutig, daß zu einem Strafgesetz, also einer Straf Vorschrift, auch immer nur ein „Tatbestand" gehören muß; vielmehr bleibt auch die Möglichkeit, daß eine Straf Vorschrift mehrere 16
Vgl. statt vieler Schänke / Schröder / Lenckner, § 266 Rn. l f . Das Wort „Tatbestand" erscheint als Gesetzesbegriff etwa im Allgemeinen Teil neben § 13 noch z.B. in § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 und § 16. 18 Vgl. etwa im Gegensatz zu der Verwendung bei § 266 die Bezeichnung der Körperverletzung als „ein Tatbestand", obwohl in § 223 zwei unterschiedliche Rechtsgutsverletzungen geschildert sind, nämlich das Körperlich-Mißhandeln und das An-der-Gesundheit-Beschädigen, vgl. Schänke / Schröder / Eser, Vorbem. §§ 223 bis 233 Rn. 1. 17
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Tatbestände enthält. Im übrigen sind innerhalb einer Strafvorschrift häufig unterschiedliche und jeweils andersartige strafbare Verhaltensweisen beschrieben, die verschiedene Rechtsgüter verletzen und wegen ihrer unterschiedlichen Strafwürdigkeit sogar mit unterschiedlichen Strafandrohungen versehen sein können. Ob nun unterschiedliche Verhaltensweisen in verschiedenen Strafvorschriften, in einer Strafvorschrift in verschiedenen Absätzen, in einem Absatz in verschiedenen Alternativen oder gar in einer einzigen, aber um so weiteren Verhaltenskennzeichnung erfaßt sind, wird teilweise auch auf rein gesetzestechnische Praktikabilitätserwägungen zurückzuführen sein. Es muß daher versucht werden, den Tatbestandsbegriff in § 13 materiell zu bestimmen. Zwar ist der Deliktstatbestand als die gesetzliche Beschreibung einer Straftat reine Form, jedoch auch als Form aufgrund der notwendigen Bezogenheit von Form und Inhalt nicht unabhängig von seinem Inhalt bestimmbar 19 . Für diese sachliche Bestimmung kann auf die Ergebnisse zurückgegriffen werden, die oben bei den Ausführungen zum Begriff des Erfolges, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, gewonnen wurden 2 0 . Wie sich dort gezeigt hat, ist die Regelung des § 13 offenbar nicht in erster Linie auf bereits positivierte „unterlassene Erfolgsabwendungen" zugeschnitten, sondern soll selber in Verbindung mit Handlungsdeliktstatbeständen neue Unterlassungsdeliktstatbestände schaffen. Um nun unterscheidbare und mit den jeweiligen Handlungsdelikten korrespondierende Unterlassungsdelikte zu erhalten, ist es notwendig, von einem Erfolgsbegriff auszugehen, in dem zumindest der objektiv begreifbare Unwert einer spezifischen, sich gerade in ihrem speziellen Unwert von anderen strafbaren Verhaltensweisen unterscheidenden Handlungsstraftat erfaßt ist. Auf diese Weise w i r d aus dem in Bezug genommenen Begehungsdelikt ein korrespondierendes Unterlassungsdelikt gebildet, das, eben weil es erst dem Handlungsdelikt sozusagen nachgebildet wird, mit diesem Gemeinsamkeiten hat. Nur so erhält man überhaupt eine brauchbare Grundlage für den mit dem Entsprechenserfordernis verlangten, ansonsten aber durch keinerlei nähere Angaben spezifizierten Vergleich einer „unterlassenen Erfolgsabwendung" mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun". Verglichen werden mit einer Unterlassung kann also sinnvollerweise immer nur eine spezifische Handlungsstraftat in ihrem spezifischen Unwert. Darüber hinaus kann die Feststellung, eine unterlassene Erfolgsabwendung entspreche der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun, allenfalls dann zu treffen sein, wenn zwischen Handlungs- und Unterlassungsdelikt wenigstens hinsichtlich der mittels des Erfolgsbegriffes in den Unterlassungsdeliktstatbestand transferierbaren objektiven Unwertmerkmale eine 19
Näher dazu Langer, Sonderverbrechen, S. 338ff.; vgl. auch ders., Falsche Verdächtigung, S. 40. 20 1. Abschnitt, B.II.2.
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Gemeinsamkeit besteht. Denn Voraussetzung für eine Vergleichbarkeit im Rahmen des Entsprechenserfordernisses ist auf jeden Fall, daß zu der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" auch bzw. gerade die Herbeiführung des gleichen Erfolges gehört, dessen Abwendung unterlassen wurde. Soll also überhaupt ein „Entsprechen" nach irgendwelchen Kriterien rational festzustellen sein, dann allenfalls durch Vergleich etwa der unterlassenen Abwendung des Eintritts einer Gesundheitsbeschädigung mit dem (gedachten) Herbeiführen der gleichen Gesundheitsbeschädigung, nicht aber mit dem in derselben Vorschrift (§ 223) geschilderten „KörperlichMißhandeln". Das zeigt, daß in § 13 ein enger Tatbestandsbegriff im Sinne einer „individualisierenden Schilderung einer spezifischen Straftat" zugrunde gelegt ist 2 1 . Für die Frage der Anwendung des § 13 auf Vorschriften, in denen sowohl Handeln als auch Unterlassen erfaßt sind, wo es also nicht um die vollständige Neubildung eines Unterlassungstatbestandes geht, ergibt sich aus dem Dargestellten immerhin eine Eingrenzung des Bereichs der problematischen Bestimmungen. Denn danach kommt die Zusammenfassung von Handeln und Unterlassen in einer Vorschrift allenfalls noch als die Beschreibung einer Straftat und damit als ein Tatbestand im Sinne des § 13 in Betracht, wenn sich das geschilderte deliktische Geschehen jedenfalls im objektiven Unwertbereich allein darin unterscheidet, daß als Verhaltensweise sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen erfaßt ist, wenn es also, in der Terminologie des § 13, um den gleichen Erfolg geht, der entweder herbeigeführt oder dessen Abwendung unterlassen wurde. Werden für Tun und Unterlassen zusätzliche unterschiedliche Schuldmerkmale beschrieben, wird man auch dann von jeweils selbständigen Straftaten und entsprechend selbständigen Handlungs- und Unterlassungstatbeständen auszugehen haben. Mit diesen Erkenntnissen ist jedenfalls die Frage der Anwendung des § 13 etwa auf § 223 b (Mißhandlung von Schutzbefohlenen) lösbar: Bei den einzelnen Alternativen des § 223 b hat man von verschiedenen Tatbeständen im Sinne des § 13 auszugehen, da hier jeweils unterschiedliche Erfolge geschildert und darüber hinaus auch noch unterschiedliche Voraussetzungen im Schuldbereich statuiert sind 22 . Damit gilt für den Unterlassungstatbestand der „Gesundheitsbeschädigung durch Pflichtvernachlässigung" das gleiche 21 Wobei, wie bereits festgestellt, mit der zweifachen Erwähnung des gesetzlichen Tatbestandes in § 13 von dessen Identität ausgegangen wird. Der Tatbestand, zu dem der nicht abgewendete Erfolg gehört, ist also derselbe, dessen Verwirklichung durch ein Tun für den Vergleich im Rahmen des Entsprechenserfordernisses möglich sein muß. 22 Die „Gesundheitsbeschädigung" durch Unterlassen muß „böswillig" geschehen, während das Quälen und das Roh-Mißhandeln weder Böswilligkeit noch ein anderes besonderes Schuldmerkmal voraussetzen. Anders Schmidhäuser, BT 1/18, nach dem beides eine „gefühllose Gesinnung" erfordert.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
wie für die oben untersuchten §§ 138, 323 c: Da dieser Tatbestand nicht durch ein Tun zu verwirklichen ist, ist davon auszugehen, daß § 13 insgesamt für ihn keine Regelung trifft, also auch die in § 13 angeordnete ausschließliche Strafbarkeit unter den Voraussetzungen des § 13 diesen Unterlassungstatbestand in § 223 b nicht berührt. Hingegen ist eine Anwendung des § 13 auf die beiden Handlungsalternativen des § 223b grundsätzlich möglich. Das hier entwickelte materielle Tatbestandsverständnis führt allerdings nur zur Ausgrenzung bestimmter, zumindest hiernach als selbständig anzusehender Unterlassungstatbestände. Bei Vorschriften mit Handlungs- und Unterlassungsvarianten, welche nur durch mehrdeutige Verhaltensbeschreibungen gekennzeichnet sind, ergibt sich nicht mehr, als daß hier die Grundlage fitf den von § 13 geforderten (Entsprechens-)Vergleich gegeben ist und so die (Minimal-)Voraussetzung für die Möglichkeit der Anwendung von § 13 vorliegt. Noch nicht gesagt ist damit, daß § 13 hier auch tatsächlich anzuwenden ist. Denn wenn es schon mehrdeutige Verhaltenskennzeichnungen gibt, die sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen erfassen, dann könnten auch durch sie zwei verschiedene Tatbestände gebildet werden. Handeln und Unterlassen unterscheiden sich nämlich strukturell so grundlegend voneinander, daß prinzipiell jedes in einetn Strafgesetz geschilderte Unterlassen als eigenständige Straftat angesehen und damit einem eigenen Tatbestand zugeordnet werden kann, da es sich von jedem Handeln, auch wenn es das gleiche Rechtsgut betrifft, als andersgeartete „Angriffsweise" abhebt. Ob nun dieser denkbare Tatbestandsbegriff in § 13 gemeint ist oder ein weiterer, welcher zwischen diesen grundlegend verschiedenen Angriffsarten auf das Rechtsgut nicht differenziert, läßt sich letztlich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift nicht eindeutig herleiten. Zu dehken wäre in diesem Zusammenhang an eine Argumentation, die aber in zwei gegensätzliche Richtungen gleichermaßen geführt werden könnte: So wäre einerseits das Argument vorstellbar, § 13 ordne ja grundsätzlich keine selbständig neue Rechtsfolge an (wenn man einmal von der nur fakultativen Strafmilderung in Abs. 2 absieht), sondern verweise für die unterlassene Erfolgsabwendung auf die Strafandrohung der in Bezug genommenen Vorschrift. Damit ließe sich § 13 der Grundsatz entnehmen, daß der Rechtsgutsangriff durch Unterlassen nur dann im Prinzip gleich strafwürdig wie derjenige durch ein Tun ist, wenn das Unterlassien auch die übrigen Voraussetzungen des § 13 erfüllt. Das liefe insbesondere auf die nun notwendige Feststellung hinaus, daß das in der betreffenden Verhaltenskennzeichnung erfaßte Unterlassen dem ebenfalls erfaßten Tun „entspricht". Wegen der grundsätzlich gleichen Strafdrohung für beide Verhaltensweisen erschiene diese Regelung auch als sachgerecht 23 .
4. Abschn.: Anwendbarkeit auf positivierte Unterl.'delikte
87
Demgegenüber ließe sich aber mit der gleichen Stringenz argumentieren, daß der Gesetzgeber mit der Zusammenfassung von Rechtsgutsangriffen durch Handeln und Unterlassen und der Unterwerfung beider Verhaltensweisen unter die gleiche Strafandrohung in einigen speziellen Strafvorschriften des Besonderen Teils auch von der gleichen Strafwürdigkeit beider Rechtsgutsverletzungen in diesen besonders geregelten Fällen ausgeht, ohne daß es hier auf die Voraussetzungen des § 13 ankäme. Es muß daher wohl davon ausgegangen werden, daß die Regelung des § 13 hinsichtlich der Frage ihrer Anwendung auf Bestimmungen wie die „Treuebruchsalternative" in § 266 einer zweifelsfreien Interpretation nicht zugänglich ist und damit wichtige Fragen offenläßt.
23
Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 10, hält die Anwendung des § 13 auf den Treuebruchtatbestand des § 266 im Ergebnis wegen der Strafmilderungsmöglichkeit in § 13 nicht für sachgerecht. Diese Argumentation müßte aber nicht nur die Anwendung des § 13 in diesem Fall, sondern auch in sämtlichen anderen Fällen betreffen, da das Entsprechenserfordernis zwingende Strafbarkeitsvoraussetzung in § 13 ist und die Strafmilderungsmöglichkeit des Abs. 2 hierzu immer offenbar in einem Spannungsverhältnis steht. Insofern gilt das oben in Fußn. 10 Gesagte hier gleichermaßen: Wer die Geltung der Milderungsmöglichkeit für das in § 266 erfaßte Unterlassungsdelikt für nicht sachgerecht hält, der müßte konsequenterweise immer die Regelung des § 13 mit ihrer Strafmilderungsmöglichkeit trotz vorausgesetzten Entsprechens des Unterlassens mit dem Tun für nicht sachgerecht erachten, was Jescheck indes nicht tut, s. a.a.O., Rn. 61.
5. Abschnitt
Das Entsprechenserfordernis Entscheidend für die Strafbarkeit der unterlassenen Abwendung eines zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolges ist schließlich gem. § 13, daß „das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht". Wie oben gezeigt1, war es Ziel der gesetzgeberischen Bemühungen um die Schaffung einer die Unterlassungsstrafbarkeit regelnden Vorschrift im Allgemeinen Teil, die Grundsätze und Richtlinien dafür aufzustellen, wann ein Unterlassen der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht bzw. gleichwertig ist. Eine solche Regelung wurde wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz für notwendig erachtet. Wie das in § 13 vorzufindende Ergebnis der gesetzgeberischen Bemühungen zeigt, wurde diese aus rechtsstaatlichen Gründen für notwendig erachtete Regelung offensichtlich nicht getroffen. Anstatt zu sagen, wann ein Unterlassen einem Tun entspricht, begnügt sich das Gesetz mit dem Hinweis, daß ein Unterlassen nur dann strafbar sein soll, wenn es einem Tun entspricht. Im Hinblick auf die Prämissen der Gesetzesväter drängt sich damit die Frage auf, ob denn mit dieser „Regelung" in § 13 den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes Genüge getan ist, da ja gerade auf die wegen Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz für erforderlich gehaltene Aufstellung der Grundsätze und Richtlinien, nach denen die Entsprechung zu beurteilen wäre, verzichtet wurde. Immerhin ist zu berücksichtigen, daß mit der gesamten Regelung des § 13 bereits insoweit Fortschritte in Richtung auf eine dem Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gemäße Bestrafung von nicht im Besonderen Teil positivierten Unterlassungen gemacht sein könnten, als die Vorschrift wenigstens klarstellt, daß Unterlassungen nicht unter die Handlungen beschreibenden Vorschriften des Besonderen Teils subsumiert werden können, sondern daß sie stattdessen zur Bildung selbständiger Unterlassungstatbestände zwingt, die sich aus ihr in Verbindung mit den jeweils in Bezug genommenen Tatbeständen des Besonderen Teils ergeben. Schon mit den bisher untersuchten Voraussetzungen des § 13, dem Nichtabwenden eines zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolges und der auf die Erfolgsabwendung gerichteten Rechtspflicht, ergeben sich für den zu bildenden Unterlassungs1
Siehe oben in der Einleitung.
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
89
tatbestand gewisse Konturen. Es ist dabei nicht von vornherein auszuschließen, daß aus dem Zusammenhang mit den übrigen Voraussetzungeh in § 13 und aus dem Zusammenhang des § 13 innerhalb der übrigen Vorschriften des StGB auch dem Erfordernis, daß das von § 13 erfaßte Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen müsse, ein konkreter subsumtionsfähiger Gehalt zukommt, der eine den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes gemäße Bestrafung ermöglicht.
A. Der Unwertgehalt als Vergleichsgröße für die Feststellung des Entsprechens? Daher soll untersucht werden, ob sich durch Auslegung des Entsprechenserfordernisses, d.h. mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden, ermitteln läßt, wann die rechtspflichtwidrig unterlassene Abwendung einer vom Tatbestand eines Strafgesetzes erfaßten Rechtsgutsverletzung strafbar sein soll. Dafür ist zunächst zu klären, worauf sich das Erfordernis des Entsprechens überhaupt beziehen soll.
I. Keine „tatsächliche Gleichheit" der Unterlassung nach der amtlichen Begründung des § 13 Die amtliche Begründung des § 132 gibt über den beabsichtigten Inhalt dieses Merkmals wenig Aufschluß. Sie besagt nur, daß anstelle des im Entwurf enthaltenen Ausdrucks „gleichwertig ist" der „etwas neutralere" Begriff „entspricht" gewählt wurde, weil für die Zulassung einer fakultativen Strafmilderung kein Raum gewesen wäre, wenn man an dem Erfordernis festgehalten hätte, daß die Unterlassung der „aktiven Verwirklichung des Tatbestandes tatsächlich gleich sein" müsse. Damit gibt die amtliche Begründung nur zu erkennen, was mit dem Entsprechenserfordernis nicht gemeint sein soll, nämlich die „tatsächliche Gleichheit" des Unterlassens mit der Verwirklichung des von § 13 in Bezug genommenen Tatbestandes durch ein Tun. Nun könnte man wenigstens dieser negativen Ausgrenzung uneingeschränkt zustimmen, da es eine „tatsächliche Gleichheit" des Unterlassens mit der „aktiven Verwirklichung" des gesetzlichen Tatbestandes sowieso überhaupt nie gibt, denn, wie bereits aufgezeigt, handelt es sich beim Unterlassen um ein grundsätzlich vom „aktiven Tun" verschiedenes Phänomen. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis verliert aber auch diese nur 2
Bundestags-Drucks. V/4095, S. 8.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
negative Ausgrenzung der amtlichen Begründung jegliche Aussagekraft. Gänzlich irreführend wird die amtliche Begründung aber schließlich dadurch, daß mit dem Hinweis auf die „tatsächliche Gleichhheit" gerade die Streichung des Ausdrucks „gleichwertig ist" begründet werden soll. Denn dieser Ausdruck stellt zweifellos gar nicht auf eine „tatsächliche Gleichheit" ab, sondern auf eine gleiche „Wertigkeit"; gleich zu (be-)werten sind aber auch unterschiedliche, ungleiche Phänomene, ja die Frage nach einer Gleichwertigkeit setzt im Grunde den Vergleich zweier ungleicher Sachverhalte voraus, da sich bei einer vollkommenen „tatsächlichen Gleichheit" die Frage der Gleichwertigkeit erübrigte. Die Begründung der Streichung des Ausdrucks „gleichwertig" könnte also nur dann zumindest vorläufig einen Sinn ergeben, wenn man sie dahin versteht, daß nicht nur eine sowieso nie mögliche „tatsächliche Gleichheit", sondern eben eine „Gleichwertigkeit" des Unterlassens mit dem tatbestandlich erfaßten Tun von § 13 nicht gefordert werden soll. Dem aber steht die Tatsache entgegen, daß nicht nur der Entwurf von 1962 eine „Gleichwertigkeit" forderte, sondern auch in den abschließenden Beratungen des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform, in dem § 13 in seiner endgültigen Formulierung vorgeschlagen wurde, durchweg von einer „Gleichwertigkeit" ausgegangen wurde 3 . Dies zeigt insbesondere die (erst kurz vor der Abstimmung über die Annahme der Formulierung des § 13 in seiner endgültigen Fassung im Sonderausschuß gegebene) Erläuterung der Umformulierung durch den Bundesjustizminister 4 . Danach bleibe für eine fakultative Strafmilderung „logischerweise kein Raum, wenn die Unterlassung der Verwirklichimg des Tatbestandes durch Handeln tatsächlich gleichwertig sei". Mit der deshalb gewählten „etwas blasseren, weil neutraleren Fassung ,entspricht'" wolle man aber „die gleiche Einschränkung hinsichtlich Ob 5 der Strafbarkeit erreichen wie mit der Gleichwertigkeitsformel". Da nach § 13 die Strafbarkeit und damit die Anwendung des Strafrahmens des in Bezug genommenen Straftatbestandes des Besonderen Teils dann begründet wird, „wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht", wird also über das „Ob" der Strafbarkeit (auch) anhand des Entsprechensmerkmals entschieden. Wenn dabei die gleiche Einschränkung wie mit der „Gleichwertigkeitsformel" erreicht werden soll, so kann damit nur gemeint sein, daß aus dem Kreis aller möglichen rechtspflichtwidrig unterlassenen Erfolgsabwendungen nur für diejenigen die Strafbarkeit nach § 13 begründet werden soll (das 3 Prot. S. 1646, 1865. 4 Prot. S. 1868. 5 Ohne Artikel im Original.
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
91
„Ob der Strafbarkeit"), die im Sinne der Verfasser als „gleichwertig" mit dem Tun anzusehen sind. Mit der Entscheidung über das „Ob der Strafbarkeit" ist folglich für alle nicht „gleichwertigen" Unterlassungen die Entscheidung gefallen, sie scheiden aus dem Strafbarkeitsbereich des § 13 aus, für sie wird keine Strafbarkeit nach § 13 begründet. Damit aber bleibt logischerweise kein Raum mehr für nicht „gleichwertige" Unterlassungen hinsichtlich des „Wie" der Bestrafung, also im Rahmen der Strafzumessung. Die Strafmilderungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 2 kann folglich zwingend nur für „gleichwertige" Unterlassungen von Bedeutung sein, da - nimmt man das Bundes Justizministerium beim Wort - überhaupt nur für sie die Strafbarkeit nach § 13 begründet wird. Wenn aber bei „gleichwertigen" Unterlassungen „logischerweise kein Raum" für die fakultative Strafmilderung bleibt, dann ist mit dieser Aussage der „Gesetzesväter" der handfeste Widerspruch offenbart, der sich danach auch aus dem Erfordernis des „Entsprechens" und der Strafmilderungsmöglichkeit nach Abs. 2 ergäbe 6. Trotz der anders lautendeh Bekundung in der amtlichen Begründung bleibt nach dieser Erläuterung der Verfasser der Vorschrift nur die Schlußfolgerung, daß die Umformulierung von „gleichwertig ist" in „entspricht" allein eine „kosmetische" Änderung darstellt. Mit der vermeintlich geringeren Griffigkeit des Entsprechensbegriffes („etwas neutraler" 7 , „etwas blasser" 8 , „er lege weniger fest" 9) wird man den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Gleichwertigkeitsklausel und der Strafmilderungsmöglichkeit verschleiern zu können geglaubt haben 10 . 6 Vgl. weiter die anderen Aussagen von der Seite des Bundesjustizministers in derselben, im Hinblick auf die Fassung des § 13 abschließenden Sitzung des Sonderausschusses, in denen nur von der „Gleichwertigkeitsklausel" bzw. „Gleichstellungsklausel" die Rede ist. Die „Gleichwertigkeitsklausel" stelle entscheidend darauf ab, daß das Unterlassen tatbestandsmäßig dem „Begehen durch Tun entspricht", „ihm gleichstehen muß". Es komme bei dem Entsprechensmerkmal auf die tatbestandsmäßige Gleichwertigkeit des Unterlassens mit dem Tun an, Prot. S. 1865. Bezüglich der „Gleichwertigkeitsklausel" wurde aber schon in der Begründimg zu § 13 Entwurf 1962, S. 126, festgestellt, daß zu ihr eine Strafmilderung in einem „auffallenden Gegensatz" stünde. Die Strafmilderungsmöglichkeit könnte dazu führen, das Erfordernis der „Gleichwertigkeit" weniger ernst zu nehmen. Folgerichtig sah der Entwurf 1962 in § 13 keine Strafmilderungsmöglichkeit vor. Richtig erkannt wurde dies auch im Sonderausschuß von Schlee, Prot. S. 1868, der meint, entweder sei das Unterlassen „gleichwertig", dann sei kein Grund für eine fakultative Strafmilderung vorhanden, oder die „Gleichwertigkeit" müsse verneint werden, dann finde Abs. 2 aber erst recht keine Anwendung, da die gesamte Bestimmung nicht zum Tragen komme. Ähnlich schon Gallas, Niederschriften Bd. 12, S. 480. 7 Amtliche Begründung, BTagsDrucks. V/4095, S. 8. s Prot. S. 1868. 9 Prot. S. 1865. 10 Vgl. Baumann, AT, § 18 I I 2: Der Ausdruck „Entsprechen" anstelle von „Gleichwertigkeit" sei eine „Erfindung des Sonderausschusses", um die fakultative Strafmilderung nicht ganz so unsinnig erscheinen zu lassen. Das Schrifttum geht im übrigen regelmäßig auf die amtliche Begründung des § 13 nicht ein, sondern verweist allen-
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Es hat sich also gezeigt, daß die amtliche "Begründung des Entsprechensmerkmals, die kein Wort über das enthält, was mit diesem Merkmal inhaltlich gemeint ist, auch in ihrer Aussage darüber, was mit dem Entsprechensmerkmal nicht gemeint ist, widersprüchlich und daher nicht nachvollziehbar ist. Dies gilt ebenso für die im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform gegebenen Begründungen. Immerhin kann an dieser Stelle bereits folgendes gesagt werden: Der gestrichene Ausdruck „gleichwertig" ist schon deswegen unglücklich, weil die verglichenen Unterlassungen und Handlungen als Verbrechen gänzlich wertlos und daher nur auf einer Skala des Unwerts zu messen sind, es also nur um eine „GleichunWertigkeit" gehen kann. Der Begriff des Entsprec h e n ist insoweit sprachlich der bessere, als er zumindest diese Widersprüchlichkeit vermeidet. Da es im übrigen in § 13 um den Vergleich der beiden ontologisch völlig verschiedenen Phänomene Handeln und Unterlassen geht, kann schließlich auch mit dem Entsprechen nichts anderes als eine vergleichende Wertung gefordert werden. Wenn sich also zwei ontologisch verschiedene Sachverhalte entsprechen sollen, so kann dies nur heißen, daß sie unter einem der Wertung zugrunde gelegten Aspekt als jedenfalls annähernd gleich zu bewerten sein müssen. Die entscheidenden Fragen sind daher, in welcher Hinsicht bzw. unter welchem (welchen) Gesichtspunkt(en) die Gleichbewertung zu erfolgen hat und nach welchen Kriterien diese Feststellung des „Entsprechens" zu treffen sein soll.
II. Unterscheidung von „reinen Erfolgsdelikten" und „verhaltensgebundenen Delikten" als Grundlage der Auslegung des Entsprechenserfordernisses? Im Schrifttum werden schon auf die erste Frage, worauf das Entsprechen zu beziehen ist, die unterschiedlichsten Standpunkte vertreten. Eine Reihe von Autoren bezieht das Entsprechenserfordernis allein auf den Unrechtsgehalt der Tat 1 1 . Andere sprechen von „demselben sozialen Sinngehalt", den falls auf den Entwurf 1962 und dessen Begründung, aus dessen § 13 der heutige § 13 mit einer „geringfügigen technischen Änderung" hervorgegangen sei, so etwa Lackner, Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 68. Bezeichnend für die Art der Argumentation im Entstehungsverfahren der Vorschrift ist bereits die Äußerung von Mezger in der großen Strafrechtskommission, der aus seiner Feststellung, der Gedanke der „Gleichstellung" des Unterlassens mit dem Tun sei überhaupt zweifelhaft, die Schlußfolgerung zieht, man solle daher erwägen, für die Unterlassung eine Milderungsmöglichkeit vorzusehen, s. Bericht von Dreher über die 6. Arbeitstagung der Großen Strafrechtskommission, ZStW 68 (1956), S. 71 ff. (85). 11 Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 18; Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 6; Blei, Strafrecht I, § 87 II; Kühl, Beendigung, S. 70; Schmidhäuser, AT 16/68 (bei der Entsprechensklausel gehe es um die tatbestandliche Gleichstellung von Handeln und Unterlassen. Es sei zu prüfen, ob dem tatbestandlichen Handlungs-
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
93
das Unterlassen aufweisen müsse 12 , wieder andere vom „Einfügen in den Unrechtstypus des Tatbestandes" 13 . Oder man versteht die Entsprechensklausel als Forderung einer „sachlogischen Gleichheit" zwischen Unterlassen und Handeln 14 bzw. setzt das Entsprechen mit der objektiven Zurechnung gleich 15 . Einige Autoren schließlich sehen einfach über das Entsprechenserfordernis hinweg 1 6 oder machen gar nicht erst den Versuch, es zu deuten 17 , während die Rechtsprechung das Entsprechenserfordernis teilweise nicht zur Kenntnis nimmt 1 8 und damit ohne die Prüfung einer zwinunrecht ein Unterlassungsunrecht entspreche); vgl. auch Henkel, MSchrKrim 1961, S. 179, 188 (Gleichheit des sozialethischen Unwertgehalts); Woesner, NJW 1975, S. 201. 12 Lackner, StGB, § 13 Anm. 4; Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 4; Lenckner, JuS 1968, S. 253; Welzel, Strafrecht, S. 219, sprach schon vor Einführung des § 13 davon, daß das Unterlassen dem Tun „ i n seinem sozialen Sinngehalt entsprechen" müsse. 13 Dreher, StGB (37. Auflage), §13 Rn. 17; Dreher / Tröndle, §13 Rn. 17; im Anschluß an Dreher / Tröndle offenbar auch BayObLG, JR 1979, S. 289ff (291): Wie dieses in § 13 Abs. 1 zur Voraussetzung einer Bestrafung wegen Unterlassens der Erfolgsabwendung gemachte Erfordernis im einzelnen zu verstehen sei, brauche im vorliegenden Fall nicht näher erörtert zu werden, da die Art der Tatbestandsverwirklichung durch den Unterlassenden von derjenigen durch „aktives Handeln" keinesfalls so weit abwich, daß sie nicht mehr unter den von dem Gesetzgeber vorausgesetzten und unter Strafe gestellten Unrechtstyp fallen würde. OLG Karlsruhe, MDR 1975, S. 771, spricht von „Gleichwertigkeit des Handlungstypes" und dem Gedanken der Unzumutbarkeit, die von dem Entsprechenserfordernis erfaßt seien. 14 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 84, GA 1974, S. 234ff., Grund und Grenzen, S. 232ff. und ZStW 96 (1984), S. 293f. 15 Stratenwerth, AT, Rn. 1022 f. (das Nichtabwenden des Erfolges begründe beim Erfolgsdelikt die objektive Zurechnung und damit die Entsprechung des Unterlassens zum Handeln); ähnlich Roxin, JuS 1973, S. 198f. 16 Etwa Horn, NJW 1981, S. l f f . (5 ff.), der in seiner Erörterung der Strafbarkeit von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden wegen Unterlassens nach § 13 die Unterlassungsstrafbarkeit von Amtsträgern bejaht (S. 8 - III.4.c), ohne das Entsprechenserfordernis mit einem Wort zu erwähnen. Ebenso schon ders., JR 1979, S. 291 ff. (wegen „unechter Unterlassung" könne bekanntlich nur bestraft werden, wer Garant sei für den Fortbestand des geschützten Rechtsguts, S. 292); kein Wort zum Entsprechenserfordernis ! 17 Vgl. Maiwald, JuS 1981, S. 473ff., der in seiner Untersuchung der Grundlagenprobleme (!) der Unterlassungsdelikte nur in einer Fußnote darauf hinweist, daß auf die i n § 13 „noch angeführte ,Entsprechensklauser" hier nicht eingegangen werden könne (S. 480, Fußn. 57). 18 So prüft OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 2369, als einzige Voraussetzung des § 13 eine Erfolgsabwendungspflicht und bestätigt nach Bejahung einer (von § 13 nicht vorausgesetzten) Kausalität zwischen dem Unterlassen und dem eingetretenen Erfolg die Bestrafung des Unterlassenden gem. §§ 142, 27, 13. Wenn man dem Begehungsdel i k t auch in der Form der Beihilfe ein Unterlassungsdelikt mit Hilfe des § 13 nachbilden zu können glaubt (das OLG hätte hier zunächst einmal angeben müssen, wie sich der Tatbestand eines „unerlaubten Entfernens vom Unfallort" in der Form der Beihilfe durch Unterlassen überhaupt in seinen einzelnen Merkmalen darstellt) und damit den § 13 anwendet, dann kommt man auch nicht umhin, das Entsprechenserfordernis zu prüfen, denn dieses ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut zwingende Voraussetzung für jede Bestrafung aufgrund des § 13! BGH 1 StR 177/80, NStZ 1981, S. 218, sieht gleich über die Existenz des ganzen § 13 hinweg und bejaht ohne dessen Anwendung ohne weiteres die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen (§ 222?). Demgegenüber meint OLG Stuttgart, NJW 1981, S. 182, der
94
1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
genden Strafbarkeitsvoraussetzung
auch z u V e r u r t e i l u n g e n
nach
§ 13
kommt19. A u f A n h i e b a m auffälligsten b e i der B e h a n d l u n g des Entsprechenserfordernisses i m S c h r i f t t u m ist, daß die meisten der genannten A u t o r e n 2 0 diesem die geschilderte B e d e u t u n g n u r f ü r einen T e i l der v o n § 13 erfaßten U n t e r lassungsdelikte zusprechen. G i n g es oben b e i dem M e r k m a l „ z u m T a t b e s t a n d ... gehörender E r f o l g " u m die als u n t a u g l i c h erkannte Unterscheid u n g Erfolgsdelikte - Tätigkeitsdelikte, so w i r d b e i m Entsprechenserfordernis eine neue V a r i a n t e ins S p i e l gebracht. D a n a c h soll das Entsprechenserfordernis n u r f ü r solche Unterlassungsdelikte gelten, welche u n t e r Bezug auf sog. „verhaltensgebundene H a n d l u n g s d e l i k t e " gebildet werden. B e i den u n t e r Bezugnahme auf sog. „reine Erfolgs- b z w . Verursachungsdelikte" gebildeten Unterlassungsstraftaten k o m m e dem Entsprechenserfordernis hingegen keine (eigenständige) Bedeutung zu bzw. habe das Entsprechenserfordernis
„keinen Anwendungsbereich"21.
Als
„reine
Erfolgsdelikte",
„ r e i n e Verursachungsdelikte" oder „Tatbestände schlichter Erfolgsverursac h u n g " w e r d e n dabei i n erster L i n i e der Totschlag (§ 212), die K ö r p e r v e r l e t z u n g (§ 223) u n d die Sachbeschädigung (§ 303) genannt. Sie erschöpften sich i n der Beschreibung „ b l o ß e r " b z w . „ r e i n e r " Verursachung b z w . H e r b e i -
Unterlassende könne strafrechtlich gem. § 222 nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn er rechtlich dafür einzustehen habe, daß ein bestimmter schädlicher Erfolg nicht eintrete, womit, ohne daß sie ausdrücklich genannt wird, offensichtlich die Vorschrift des § 13 herangezogen wird. Vom Entsprechenserfordernis ist allerdings auch hier nicht die Rede. Vgl. weiter zur Anwendung des Entsprechenserfordernisses in der Praxis: StA bei dem L G Mannheim, NJW 1976, S. 585 (587), „auch die Entsprechensklausel steht einer Strafbarkeit der Beamten nicht entgegen. Hinsichtlich der durch den ,Mannheimer Stinkkanal' bei der Bevölkerung fortgesetzt verursachten Körperverletzung ergeben sich insoweit überhaupt keine Bedenken, so daß hierauf nicht weiter eingegangen zu werden braucht". Die StA geht dann aber doch weiter darauf ein und verlangt für das Unterlassen denselben sozialen Sinngehalt wie bei dem im Tatbestand beschriebenen Tun. Die Prüfung sieht dann wie folgt aus (es geht um die unbefugte Einleitung von Abwässern in öffentliche Gewässer nach § 38 WasserhaushaltsG „durch Unterlassen"): Nach der Feststellung, daß in § 38 WHG kein eigenhändiges Delikt vorausgesetzt wird, meint die StA, daß angesichts dieser „weiteren Auslegung" des Begriffs „Einleiten" „zweifellos auch derjenige einem,Einleitet gleichzusetzen" sei, der durch Untätigbleiben das Andauern der Gewässerverunreinigung zulasse! 19 Damit haben sich bislang die Zweifel gegenüber den Vorstellungen der Gesetzesväter bestätigt, welche glaubten, mit der Entsprechensklausel („Gleichwertigkeitsklausel") der „oft beklagten Tendenz der Rechtsprechung", die Strafbarkeit „unechter Unterlassungsdelikte" zu weit auszudehnen, entgegenwirken zu können; vgl. dazu Lang-Hinrichsen, Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, S. 17. 20 Anders aber etwa Blei, Strafrecht I, § 87 II; Baumann, AT, § 18 I I 2; Arzt, JA 1980, S. 7161; Woesner, NJW 1975, S. 201. 21 Letzteres meint Roxin, JuS 1973, S. 200; vgl. auch Maurach / Gössel, AT 2, S. 146 (§ 46 I I B 3) - § 13 sei auf die „reinen Verursachungsdelikte nur in seiner ersten Alternative, also nicht vollständig" anwendbar als ob es bei den einzelnen Strafbarkeitsvoraussetzungen in § 13 um „Alternativen" ginge und nicht um ausnahmslos zwingende Voraussetzungen der Strafbarkeit!
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
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führung des Erfolges 22 . Bei ihnen genüge jede 2 3 bzw. beliebige 24 Erfolgsverursachung, ihr tatbestandsmäßiger Erfolg könne durch „jede beliebige Handlung" verursacht werden 25 . Sie verlangten nur eine „mechanistisch beschreibbare Erfolgsverursachung" 26 , eine besondere bzw. spezifische Handlungs- oder Begehimgsweise sei nicht vorausgesetzt 27 , ihr Unwertgehalt erschöpfe sich in dem „bloßen Bewirken einer Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung" 28 , es fehle an einem spezifischen Handlungsunwert 29 . Demgegenüber werden als „verhaltensgebundene Delikte", die auch als „erfolgsverbundene Tätigkeitsdelikte" bezeichnet werden 30 , in erster Linie die Nötigung (§ 240) und der Betrug (§ 263) genannt. Bei ihnen handele es sich um Straftaten, für die das Gesetz Art und Weise der Erfolgsherbeiführung näher beschreibe, die Tatmodalitäten näher bestimme 31 . Bei ihnen sei eine besondere Handlungsweise 32 , ein „spezifischer Handlungsunwert" 33 vorausgesetzt. Von der „reinen" Herbeiführung des Erfolges bei den „reinen Erfolgsdelikten" wird hier also die Herbeiführung des Erfolges auf eine „bestimmte Art und Weise" unterschieden 34 . An diese Unterscheidung von „reinen Erfolgsdelikten" und „verhaltensgebundenen Delikten" knüpfen nun die Auslegungsversuche des Entsprechenserfordernisses in § 13 an. Da sich die einzelnen Argumentationsgänge teilweise decken, soll im folgenden in einer exemplarischen Auseinandersetzung mit den Hauptvertretern der jeweiligen Richtung den Begründungen dieser Ansichten nachgegangen werden. 1. Der „soziale Sinngehalt" und die „vergleichbare Prägung" des Unterlassens
So meint Stree 35 , mit dem Entsprechensmerkmal seien die „besonderen Momente" angesprochen, die einer Tat ihr spezifisches Gepräge gäben. Es 22 Lackner, StGB, § 13 Anm. 4; Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 5; Roxin, in: Roxin / Stree u.a., Einführung, S. 6; Gallas, Niederschriften Bd. 12, S. 80. 23 Bockelmann, AT, § 17 B II. 24 Wessels, AT, § 16 I I 8. 25 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 59; ähnlich Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 90. 26 Kühne, Geschäftstüchtigkeit, S. 90. 27 Schönke /Schröder / Stree, § 13 Rn. 4. 28 Lenckner, JuS 1968, S. 249ff. (253). 29 Kühl, Beendigung, S. 70. 30 Lackner, StGB, § 13 Anm. 4. 31 Lackner, a.a.O., und Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 68; weiter Roxin, in: Roxin / Stree u.a., Einführung, S. 6. 32 Schönke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 4. 33 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 59. 34 Jescheck, § 13 Rn. 5. 35 Schönke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 4.
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gewinne daher Bedeutung bei den sog. verhaltensgebundenen Delikten, das heiße bei Straftatbeständen, die besondere Handlungsweisen voraussetzten, wie etwa Heimtücke beim Mord (§ 211), Zwang bei der Nötigung (§ 240) oder Täuschung beim Betrug (§ 263). In solchen Fällen entspreche das Unterlassen dem Tun nur, wenn es in gleichwertiger Weise die besonderen Handlungsmodalitäten verwirkliche, es also eine dem positiven Tun vergleichbare Prägung besitze und damit in seinem sozialen Sinngehalt mit der Tatbestandshandlung übereinstimme. Bei „reinen Erfolgsdelikten" hingegen, bei denen es auf spezifische Begehungsweisen nicht ankomme, sondern allein auf die Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges, entfalle eine Gleichwertigkeitsprüfung, da bereits die mögliche Nichtabwendung des Erfolges seitens eines Garanten dem Tun entspreche. An dieser Argumentation zeigt sich deutlich, daß hier in Wirklichkeit auch bei sog. „reinen Erfolgsdelikten" eine „Gleichwertigkeit" bzw. ein Entsprechen vorausgesetzt wird. Die Äußerung, daß eine „Gleichwertigkeitsprüfung" entfalle, weil bereits die mögliche Nichtabwendung des Erfolges seitens eines Garanten dem Tun entspreche, das Entsprechenserfordernis aber andererseits nur bei „verhaltensgebundenen Delikten" von Bedeutung sei, ist daher widersprüchlich. Denn die Feststellung, daß das Unterlassen dem Tun entspreche, setzt gerade eine Entsprechens- bzw. „Gleichwertigkeitsprüfung" voraus. Mit dem Hinweis auf das angebliche Entfallen einer solchen Prüfung entzieht sich der Autor vielmehr der entscheidenden Begründung, weshalb denn bei „reinen Erfolgsdelikten" die mögliche Nichtabwendung des Erfolges seitens eines Garanten dem Tun entspreche, und als Vorfrage, worauf sich denn diese von ihm vorausgesetzte Entsprechung beziehen soll, wenn sich das Entsprechenserfordernis nach seiner Ansicht nur auf die vergleichbare Prägung der „Handlungsmodalitäten" bei „verhaltensgebundenen" Delikten bezieht. Wenn im übrigen mit dem Entsprechensmerkmal die besonderen Momente angesprochen sein sollen, die einer Tat ihr „spezifisches Gepräge" geben, so fragt sich weiter, weshalb sich daraus eine Beschränkung der Bedeutung des Entsprechenserfordernisses auf nur einen Teil aller für eine Bezugnahme durch § 13 in Frage kommenden Delikte ergeben soll. Denn schließlich hat jede Tat ihr eigenes „spezifisches Gepräge", eine „verhaltensgebundene" Nötigung (§ 240) ebenso wie eine (als „reines Verursachungsdelikt" bezeichnete) Körperverletzung etwa in der Alternative des Körperlich-Mißhandelns (§ 223 1. Alt.). Es ist nicht einsichtig, warum die Unterlassung einmal eine dem Tun vergleichbare (?) Prägung besitzen soll, während dies das andere Male nicht erforderlich sei, wo das Gesetz - ohne zu differenzieren - einheitlich für alle über § 13 zu bestrafenden Unterlassungen verlangt, daß sie „der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" entsprechen müssen. Diese Entsprechensfeststellung kann
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also nur unter einem für alle gem. § 13 zu bildenden Unterlassungsdelikte gleichermaßen geltenden Gesichtspunkt getroffen werden. Auch die weitere Frage, was denn nun mit dem „sozialen Sinngehalt" gemeint ist, in dem das Unterlassen mit dem Tun übereinstimmen müsse, erfährt keine überzeugende Antwort, denn wie eine Unterlassung „ i n gleichwertiger Weise" die besonderen „Handlungsmodalitäten" verwirklichen können soll, ist schlechthin unvorstellbar. Vielmehr ist diese Forderung schon ein Widerspruch in sich: Entweder verwirklicht ein Verhalten die im Tatbestand beschriebenen Voraussetzungen, dann kann es sich bei dem eine „Handlungsmodalität" verwirklichenden Verhalten auch nur um eine Handlung handeln, oder aber es geht eben nicht um die „Verwirklichung der Handlungsmodalitäten", sondern nur um eine Gleichbewertung des Unterlassens mit der vorgestellten Verwirklichung der in dem Begehungstatbestand beschriebenen Verhaltensweise. Für diese Gleichbewertung ist aber die „vergleichbare Prägung" ein ebenso inhaltsleeres Kriterium wie der „soziale Sinngehalt", denn es bleibt die entscheidende Frage, was denn mit der „Prägung" oder mit dem „sozialen Sinngehalt", gemeint ist, ganz zu schweigen von der Frage, wie beides zu messen sein soll 36 . Wenn der Autor im Rahmen des Entsprechensmerkmals eine Gesamtbewertung, ob dem Unterlassen in der Unrechtsbewertung das gleiche Gewicht zukomme wie der „Begehung durch ein Tun", mit dem Argument ablehnt, dies würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen 37 , so würde dies, wäre es richtig, für die Bewertung nach dem „sozialen Sinngehalt" ebenso gelten. Richtigerweise w i r d aber die Rechtssicherheit nicht erst durch die Auslegung beeinträchtigt, sondern bereits durch eine unklare und unbestimmte Strafvorschrift. Denn Auslegung ist nur Ermittlung von Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Gehalt der Vorschrift muß dabei gerade aus ihrem Wortlaut und aus ihrem Zusammenhang innerhalb der übrigen Vorschriften der Kodifikation mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden entnommen und in diesem Sinne begründet werden können. Eine solche Begründung aber w i r d für die These, daß das Entsprechenserfordernis sich gerade auf den „sozialen Sinngehalt" beziehe, nicht geliefert.
36 Wie wenig handfest und beliebig formbar der „soziale Sinngehalt" als Bezugspunkt des Entsprechenserfordernisses ist, zeigt der Versuch Lackners, Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 69, mit seiner Hilfe ein dem Betrug entsprechendes Unterlassen zu begründen, wobei er als entscheidenden materiellen Gesichtspunkt die „Gewährleistung eines Minimums an Redlichkeit im Verkehr" anführt. 37 Bei der Frage der Strafmilderung nach Abs. 2 stellt er dann aber doch auf das „gleiche Gewicht" der Unterlassung ab, bei dessen Vorliegen er eine Strafmilderung ablehnt, so daß er also für eine Bestrafung nach Abs. 1 in Wahrheit auch eine die „Rechtssicherheit beeinträchtigende" „Gleichgewichtung" voraussetzt! Vgl. Schänke /Schröder / Stree, § 13 Rn. 64.
7 Schürmann
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So sagt auch Lackner 3 8 nicht, weshalb das Entsprechenserfordernis gerade auf den „sozialen Sinngehalt" abstellen soll, und warum es auf diesen nur bei „erfolgsverbundenen Tätigkeitsdelikten" ankommen soll, nicht aber bei Delikten, die sich „ i n der Beschreibung bloßer Erfolgsverursachung erschöpfen" 39 . Nach Lenckner 40 könne eine „Gleichstellung" des Unterlassens mit dem Tun nur erfolgen, wenn die besondere Stellung eines Garanten vorliege und das Unterlassen „auch im übrigen" dem „sozialen Sinngehalt" der Tatbestandshandlung entspreche" 41 . Letzteres sei von Bedeutung, wenn sich der Unwertgehalt der Begehungsdelikte nicht in dem bloßen Bewirken einer Rechtsgutsgefährdung oder -Verletzung erschöpfe, sondern noch weitere Momente hinzukämen, z.B. die besondere Eigenart der Tathandlung, die der Tat ihr spezifisches Gepräge gäben. Bei solchen Delikten würde die Nichtabwendung des Erfolges durch den Garanten „lediglich der Erfolgsbewirkung des Begehungsdelikts" entsprechen. Da der bei diesen Begehungsdelikten vorausgesetzte zusätzliche Unwertgehalt beim Unterlassungsdelikt nicht verloren gehen dürfe, weil man sonst nicht aus dem Begehungstatbestand bestrafen könne, müsse auch das Unterlassen insoweit eine „vergleichbare Prägung" besitzen 42 . Hier wird im Rahmen des „sozialen Sinngehalts" immerhin offenbar entscheidend auf den Unwertgehalt abgestellt, wodurch sich diese Meinung von den bisher erörterten abhebt. Gleichwohl kann auch hier die Unterscheidung nach Delikten mit „bloßer Erfolgsbewirkung" und solchen mit zusätzlichem Unwertgehalt, der in der besonderen Eigenart der Tathandlung begründet sein soll, nicht überzeugen. Denn schließlich hat jede Tathandlung ihre besondere Eigenart, in der allein der Handlungsunwert, so wie er in dem jeweiligen Tatbestand vorausgesetzt wird, verkörpert ist. Nicht nachvollziehbar ist deshalb auch die Behauptung, bei solchen Delikten - gemeint sind damit diejenigen mit „besonderer Eigenart der Tathandlung" - entspreche die Nichtabwendung des Erfolges durch den Garanten „lediglich der Erfolgsbewirkung des Begehungsdelikts". Wenn es für dieses Entsprechen nach Lenckner offenbar auf den Unwertgehalt ankommt 43 , so läßt sich das Entsprechenserfordernis auf ein isoliertes Bewirken des Erfol38
Lackner, StGB, § 13 Anm. 4. Schon sprachlich leuchtet diese Unterscheidung nicht ein, denn auch bei Lackners „bloßen Erfolgsverursachungsdelikten" geht es um eine „Tätigkeit", die mit einem „Erfolg verbunden" ist, also um „erfolgsverbundene Tätigkeitsdelikte". 40 JuS 1968, S. 249 (253). 41 Vgl. auch Welzel, Strafrecht, S. 219. 42 Ähnlich auch schon die Begründung zum Entwurf 1962, S. 125, und der Alternativentwurf, S. 49 (zu § 12). 43 Sonst wäre auch seine Differenzierung unverständlich, nach der es gerade darauf ankomme, ob sich der Unwertgehalt im „bloßen Bewirken" eines Erfolges erschöpfe oder nicht. 39
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ges ohne die für die Tatbestandserfüllung vorausgesetzte „besondere Eigenart der Tathandlung" - wie immer man sich dies vorzustellen habe - gar nicht beziehen. Denn diesem fiktiven Bewirken allein kommt überhaupt kein strafrechtlich bedeutsamer Unwert zu, da es ohne die „besondere Eigenart der Tathandlung" den Unwerttatbestand des Verbrechens logischerweise nicht erfüllt. Nur der straftatbestandlich erfaßte und damit vom Strafgesetzgeber bereits als solcher bewertete Unwert des Handlungsdelikts kann für eine vergleichende Unwertbewertung des Unterlassens von Bedeutung sein. Also kann auch bei den „verhaltensgebundenen Delikten" die Nichtabwendung des Erfolges durch den Garanten nicht „lediglich der Erfolgsbewirkung des Begehungsdelikts" entsprechen. Um einen zusätzlichen Unwertgehalt könnte es bei den „verhaltensgebundenen" Delikten nur dann gehen, wenn man als solche nur durch eine intensivere, oder genereller, um eine bestimmt geartete Angriffsweise qualifizierte Delikte ansehen würde, bei denen ein Grundtatbestand zur Verfügung steht, so daß hier dem „Grundverhalten" ein eigenständiger Unwertgehalt zukäme. Zu denken wäre dabei etwa an das Verhältnis der einfachen Körperverletzung (§ 223) zur gefährlichen Körperverletzung (§ 223a). Selbst dann aber bliebe immer noch die entscheidende Frage ungeklärt, weshalb das Unterlassen eines „Garanten" der Begehung des Grunddelikts entspreche und wie bei dem qualifizierten Delikt die „vergleichbare Prägung" des Unterlassens auszusehen hätte. Wie indes die Definitionen oben gezeigt haben 44 , ist eine solche Unterscheidung mit der Differenzierung „verhaltensgebundene" und „reine Erfolgsdelikte" ganz einhellig nicht gemeint, wie die verbreitete Anführung des Betruges (§ 263) und der Nötigung (§ 240) als „verhaltensgebundene" Delikte beweist. Das zeigt auch etwa die Begründung zu § 12 Alternativentwurf 4 5 , wo davon die Rede ist, daß bei Tatbeständen, in denen das Unrecht „außer vom Erfolg auch durch die Art der Tatbestandshandlung" geprägt werde, das Unterlassen eine vergleichbare Prägung besitzen müsse. Dabei wird offenbar vorausgesetzt, daß es auch Tatbestände gibt, in denen das Unrecht nur vom Erfolg geprägt wird, so daß bei ihnen eine der Tathandlung „vergleichbare Prägung" nicht erforderlich ist. Richtigerweise gibt es aber beim Begehungsdelikt kein Unrecht ohne Handlungsunrecht, vielmehr wird bei allen Begehungsdelikten das Unrecht durch die Tathandlung begründet 46 . Nach Meinung Roxins 47 liegt dem § 13 der „ i n der Tat unanfechtbare gesetzgeberische Grundgedanke" zugrunde, daß zwar die fehlende Verursa44 45 46 47
§ 13). T
Siehe oben unter II. Alternativ-Entwurf, S. 49. Siehe oben 1. Abschnitt B.I. JuS 1973, S. 197 ff. (die Veröffentlichung bezieht sich auf den heute geltenden
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chung des Erfolges beim Unterlassenden durch die Pflicht zu seiner Abwendung ersetzt werden könne, daß aber die Unrechtsqualität spezifischer Handlungsweisen beim bloßen Nichtstun keine „Entsprechung" finde. Nur bei auf „reine Verursachung" abstellenden Erfolgsdelikten (wie §§ 211, 223, 303) entspreche die Nichtabwendung des Erfolges durch den Garanten „daher" stets der Begehung durch Tun, so daß insoweit die Entsprechensformel keine selbständige Bedeutung habe. Die trotzdem meist geringere Strafwürdigkeit des Unterlassenden werde nicht durch zusätzliche Entsprechenserfordernisse, sondern durch die Strafmilderungsmöglichkeit berücksichtigt. Anders sei es bei den eine bestimmte Handlungsmodalität verlangenden „verhaltensgebundenen" Delikten: Ob das Nichteingreif en in einen Geschehensablauf als „Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit" (§ 180 a.F.), als „Täuschen" (§ 263), „Beleidigen" (§ 185), „Fliehen" (§ 142) oder „Nötigen" (§ 240) beurteilt werden könne, lasse sich nicht in abstracto aus den Garantenstellungen des Allgemeinen Teils (?) beantworten. Vielmehr sei dies eine Frage der Auslegung des Besonderen Teils. Wann etwa das Nichtgrüßen eine Beleidigung sei, könne man „unter Beziehung der allgemeinen Garantenpositionen schwerlich abschließend beurteilen" 48 . Roxin ersetzt die notwendige eigene Begründung der These, daß die Nichtabwendung des Erfolges durch einen Garanten bei den auf „reine Verursachung" abstellenden Erfolgsdelikten der Begehung entspreche, durch den Hinweis auf den „ i n der Tat unanfechtbaren gesetzgeberischen Grundgedanken", daß die fehlende Verursachung des Erfolges beim Unterlassenden durch die Pflicht zu seiner Abwendung ersetzt werden könne. Betrachtet man indes den Wortlaut des § 13, so sucht man vergebens nach diesem angeblichen gesetzgeberischen Grundgedanken. Vielmehr besagt das Gesetz nur, daß neben der Feststellung einer Erfolgsabwendungspflicht zusätzlich für alle über § 13 zu bestrafenden unterlassenen Erfolgsabwendungen ein Entsprechen mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" festgestellt werden muß. Mit diesem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 13 unvereinbar ist daher auch Roxins Behauptung, die Unwertdifferenz zwischen Unterlassen und Tun sei bei den „reinen Verursachungsdelikten" nicht durch die Entsprechensklausel zu „überbrücken", weil die Klausel bei diesen Delikten „keinen Anwendungsbereich" habe 49 . Dieser Annahme steht außerdem Roxins vorherige Feststellung gegenüber, daß die Entsprechensklausel bei „reinen Verursachungsdelikten" deshalb keine „eigenständige" (!) Bedeutung habe, 48
JuS 1973, S. 199. Vielmehr sei hierfür die Strafmilderungsmöglichkeit vorgesehen, JuS 1973, S. 200. Unhaltbar daher auch Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 6, nach dem Sinn der Entsprechensklausel allein die „Gleichstellung" im Handlungsunrecht bei „verhaltensgebundenen Delikten" sei. So aber auch Bockelmann, AT, § 17 B II, und andere. 49
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weil nämlich mit der Garantenstellung bereits das Entsprechen gegeben sei. Wenn er nun diese Aussage in das Argument kehrt, es müsse kein Entsprechen gegeben sein, weil das Entsprechenserfordernis bei den Verursachungsdelikten keinen Anwendungsbereich habe, so ist dies widersprüchlich und zeigt deutlich den Bruch, der sich durch Roxins Argumentation zieht. Widersprüchlich ist weiterhin, wenn Roxin einerseits meint, es sei unanfechtbar, daß die „Unrechtsqualität" spezifischer Handlungsweisen beim bloßen Nichtstun (womit sinnvollerweise nur eine unterlassene Erfolgsabwendung gemeint sein kann) keine Entsprechung finde, er andererseits aber offensichtlich doch von der Möglichkeit des Entsprechens des Unterlassens mit „verhaltensgebundenen Delikten" in der Weise ausgeht, daß das Unterlassen selbst als „Verschaffen von Gelegenheit", „Fliehen", „Täuschen" oder „Nötigen" zu beurteilen sein könne. Wäre letzteres tatsächlich möglich, dann wäre aber nicht einzusehen, weshalb damit nicht auch die gleiche „Unrechtsqualität" beim Unterlassen gegeben sein sollte. In Wahrheit verlangt Roxin damit bei seinen „verhaltensgebundenen Delikten" für das Entsprechen eine direkte Subsumtion des Unterlassens unter die Handlungsbeschreibung des Begehungstatbestandes, was ebenso materiell unmöglich ist, wie es auf eine Verkennung der grundlegenden Struktur der Tatbestandsbildung gem. § 13 hinweist 5 0 . Denn in § 13 geht es um die Bildung eines selbständigen Unterlassungstatbestandes, der mit dem in Bezug genommenen Handlungstatbestand nicht identisch ist. Es geht also nicht etwa darum, ob das Unterlassen selbst, wie Roxin prüfen zu müssen glaubt, ein Nötigen ist, sondern darum, ob das Unterlassen der Abwendung eines drohenden Nötigungserfolges der in § 240 beschriebenen Tathandlung (Nötigen mittels Gewalt[drohung]) entspricht, also unter dem für die strafrechtliche Wertung entscheidenden Gesichtspunkt als gleich zu bewerten ist. Daß ein Unterlassen niemals selbst ein „Nötigen mittels Gewalt(drohung)", ein „Täuschen" oder „Fliehen" sein kann, wurde oben dargelegt 503 und wird auch von § 13 nicht verlangt, wenn dort von der unterlassenen Abwendung eines zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolges und von dem 50 Der gleiche Fehler findet sich u. a. bei Stratenwerth, AT, Rn. 1036, der meint, bei der Entsprechung sei festzustellen, ob und inwieweit das Unterlassen die „Modalitäten aktiven Handelns" aufweisen und verwirklichen könne. Allein durch Auslegung des Besonderen Teils könne entschieden werden, ob die in den „Handlungsmodalitäten" liegenden besonderen Unrechtsmerkmale dem Unterlassungstäter zugänglich seien. Die spezifische Art und Weise einer Handlung (= Handlungsmodalität) ist aber einem „Unterlassungstäter" nie „zugänglich"! So ist denn auch Stratenwerth nicht wohl bei dieser Feststellung, wie sich aus seiner anschließenden Bemerkung ergibt, die für das „unechte Unterlassungsdelikt" charakteristische Unsicherheit werde dadurch noch vermehrt. Ähnlich Jescheck, Niederschriften Bd. 12, S. 97, der im Gegensatz zu seiner heutigen Auffassung damals allerdings auch für die „reinen Erfolgsdelikte" verlangte, daß der „Sinn des Tätigkeitswortes durch das Unterlassen erfüllt" sein müsse. Vgl. auch Otto, AT, S. 135 (§ 9 I 4 c bb). 50a Siehe oben 1. Teil B.II. 2.a.
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Entsprechen dieses Unterlassens mit der Verwirklichung des Handlungstatbestandes die Rede ist. Auch Roxins Auslegung des Entsprechenserfordernisses ist somit auf der ganzen Linie nicht nachvollziehbar 51 . 2. Die „doppelte Gleichwertigkeitsprüfung"
Nach Rudolphi sollen von § 13 zwei „Gleichwertigkeitsprüfungen" vorgeschrieben sein, wobei die erste Gleichwertigkeitsprüfung bei allen von § 13 in Bezug genommenen Tatbeständen gleichermaßen vorzunehmen sei, während die zweite nur dort erforderlich sei, wo der Tatbestand besondere, über das „bloße Verursachen" des tatbestandsmäßigen Unrechtserfolges hinausgehende „Tatmodalitäten" erfordere. Bei der ersten Prüfung gehe es um die Handlungs- oder Bewirkungsgleichwertigkeit des Unterlassens, die mit der Bejahung der „Garantenstellung" gegeben sei, und die nur bei „reinen Erfolgsdelikten" die „Gleichwertigkeit" von Handeln und Unterlassen bedeute. Bei Tatbeständen mit näher beschriebenen Handlungen sei das Unterlassen dem Tun jedoch nur dann gleichwertig, wenn es gerade darin bestehe, „daß es nicht nur den Erfolgsunwert selbst, sondern darüber hinaus auch die im Tatbestand näher festgelegte Art und Weise des Erfolgseintritts... nicht abgewendet hat" 5 2 . Das Entsprechenserfordernis soll dabei offenbar nur diese zweite „Gleichwertigkeitsprüfung" bezeichnen 53 und sich allein auf den Unrechtsgehalt der Tat beziehen. Eine nähere Begründung für diese Beschränkung des Entsprechenserfordernisses gibt er indes nicht. Für die erste „Gleichwertigkeitsprüfung" isoliert Rudolphi aus allen Handlungsdelikten einen „Grundstock der menschlichen Handlung", den er unabhängig von der Art der Handlung, das heißt von der im Tatbestand beschriebenen Angriffsweise auf das Rechtsgut, mit dem „unechten Unterlassen" als Grundstock des „unechten Unterlassungsdelikts" vergleichen will, also offenbar auf einer von allen Delikten losgelösten Abstraktionsebene. Ihm schwebt damit ein allen Handlungsdelikten gleichermaßen innewohnender Handlungskern vor („Wesen der Handlung"), dem er einen eben51 So bleibt bei ihm auch ein „Mißbehagen an der Entsprechensklausel und am ganzen § 13", und er bezweifelt, ob die Praxis mit dieser „undurchsichtigen Vorschrift" etwas anfangen und sie richtig anwenden können werde. Im Grunde bleibe alles offen! Wie Roxin angesichts dessen allerdings behaupten kann, daß § 13 die Rechtsprechung „ i n methodisch richtige Bahnen" lenken würde, ist nicht verständlich. Widersprüchlich in sich ist es auch, wenn er meint, die Entsprechensklausel sei „Auslegungsrichtlinie ohne inhaltliche Aussage": Wenn sie keine inhaltliche Aussage enthält, dann kann es sich auch nicht um eine Auslegungsrichtlinie handeln; vgl. Roxin, in: Roxin / Stree u.a., Einführung i n das neue Strafrecht, S. 7. 52 Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 17 f. 53 Vgl. Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. l f .
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solchen Unterlassungskern abstrakt „gleichstellen" will, indem er letzteren um eine Garantenpflicht anreichert 54 . Hierbei gehe es noch nicht um die „Gleichwertigkeit" des Unterlassens mit einem ganz bestimmten, tatbestandlich näher festgelegten Handlungsunwert, sondern allein darum, welche Beziehungen der Unterlassende zu dem geschützten Rechtsgut haben müsse, damit sein Nichthindern der Rechtsgutsverletzung einer Verletzung dieses Rechtsguts durch „normales" Tun „gleichwertig" sei 55 . Mit der „Gleichwertigkeit" des Unterlassungsunwerts mit einer „normalen" Handlung sei die letzte Entscheidung über die Strafbarkeit des Unterlassens zwar in der Regel, keineswegs aber immer schon gefallen. Es bedürfe vielmehr noch der Entscheidung der zweiten „Gleichstellungsfrage", ob der einer „normalen" Handlung gleichwertige Unterlassungsunwert nun auch dem spezifischen Handlungsunwert des Begehungsdelikts entspreche. Dabei unterscheidet Rudolphi Delikte mit „normalem Handlungsunwert" (das seien „reine Erfolgsdelikte", deren tatbestandsmäßiger Erfolg durch jede beliebige Handlung verursacht werden könne), bei denen keine zusätzliche „Gleichwertigkeitsprüfung" notwendig sei, von Delikten mit „spezifischem Handlungsunwert", wo dies erforderlich sei 56 . Diese Auffassung kann in mehrfacher Hinsicht nicht überzeugen. Zunächst ist unzutreffend, daß der Gesetzgeber in § 13 die Unterscheidung einer „Handlungs- oder Bewirkungsgleichwertigkeit" von einer „Modalitätengleichwertigkeit" anerkannt habe. Vielmehr kann es, wie sich bereits gezeigt hat 5 7 , allein in dem einen Erfordernis des „Entsprechens" des Unterlassens mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" um eine von Rudolphi mit dem Ausdruck „Gleichwertigkeit" gemeinte Unwertgleichheit gehen. Dem Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" kann beim besten Willen keine Forderung nach einer „Handlungs- oder Bewirkensäquivalenz" des Unterlassens entnommen werden 58 . Doch selbst wenn man darüber hinwegsehen und Rudolphis zwei „Gleichwertigkeitsfragen" im Rahmen des einen Entsprechensmerkmals behandeln wollte, läßt sich seine Argumentation materiell nicht halten. So kann auch seine Unterscheidung von „reinen Erfolgsdelikten" und solchen Delikten mit „Handlungsmodalitäten" nicht befriedigen. Denn auch bei den von ihm als „reine Erfolgsdelikte" angesehenen Straftaten kann - entgegen seiner 54
Gleichstellungsproblematik, S. 58. Gleichstellungsproblematik, S. 59; vgl. auch schon Androulakis, Unterlassungsdelikte, S. 228, der dies mit der „ersten Ebene der Gleich(un)Wertigkeitsfrage" meint. 56 Gleichstellungsproblematik, S. 59. 57 Siehe oben A.I.; vgl. auch oben im 3. Abschnitt A.II. und B. 58 Wie Rudolphi aber auch Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 5, und weitere. 55
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Ansicht - der tatbestandsmäßige Erfolg nicht durch „jede beliebige Handlung" verursacht werden 59 . Vielmehr ist es auch hier nur die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges und damit eine bereits hierdurch konkretisierte und spezifizierte Handlung, an die die strafrechtliche Wertung anknüpft 6 0 . Damit wird in jedem Delikt ein spezifischer Handlungsunwert vorausgesetzt, kommt jeder deliktischen Handlung ein spezifischer Unwert zu, der gerade aus ihrer Beziehung zu dem spezifischen Erfolg zu begreifen ist. Mit anderen Worten, jede deliktische Handlung wird in ihrem spezifischen Unwert erst durch ihre Ausrichtung auf einen bestimmten Erfolg geprägt. Wenn Rudolphi nun bei seiner ersten „Gleichwertigkeitsprüfung" auf einen bei allen Handlungsdelikten gleichermaßen vorhandenen isolierten Handlungskern, auf eine abstrakte „Bewirkensqualität" 6 1 abstellt, wobei es noch nicht um den tatbestandlich näher festgelegten Handlungsunwert gehe, so gilt hiergegen der gleiche Einwand, wie er oben bereits gegen die Argumentation Lenckners erhoben wurde, und der unabhängig von der hier zur Debatte stehenden Frage allgemein bereits von Gallas so formuliert worden ist: An einen abstrakten Handlungsbegriff, der durch Weglassen derjenigen Merkmale gewonnen ist, die die Handlung als konkrete Erscheinung inhaltlich bestimmen, an einen solchen abstrakten Begriff, eine Handlung ,an sich4, für die es auf das Was weder des Wollens noch des Tuns ankommen soll, lassen sich nicht nur keine strafrechtlichen Wertungen, sondern überhaupt keine sachlichen Attribute anknüpfen 62 . Gerade um eine Wertung, nämlich um die Feststellung einer „Gleichwertigkeit" im Sinne einer vergleichenden Unwert-Bewertung, geht es Rudolphi hier aber, für die ein isoliert gedachtes Bewirken, ein „Handlungskern", jedoch keine Grundlage bilden kann. Denn wie diese „Rechtsgutsverletzung durch normales Tun" aussehen soll, wenn die „Handlungsmodalitäten", also gerade die den strafrechtlichen Handlungsunwert ausmachende spezifische Angriffsart (noch) nicht berücksichtigt werden soll, ist schlechthin unvorstellbar. Wie etwa sollte sich - um ein Beispiel zu nennen - bei der Vergewaltigung (§ 177) die „Rechtsgutsverletzung durch normales Tun" darstellen, wenn die Rechtsgutsverletzung gerade in dem spezifischen Tun (Nötigen mit Gewalt oder Gewaltdrohung zum Beischlaf) besteht? Hier bestätigt sich die Richtigkeit des oben herausgearbeiteten Erfolgsbegriffes als die (vom Rechtsgut her gesehene) Rechtsgutsverletzung, d.h. die Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt bzw. die Verletzung eines Rechtsgutsobjektes, die nie ohne die spezifische Angriffsart gesehen werden kann, die vielmehr gerade durch die Verletzungsweise geprägt wird. Ein so verstandener Erfolg kann nie iso59 So aber auch Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 90; Bockelmann, AT, § 17 B II; Wessels, AT, § 16 I I 8. 60 Vgl. Gallas, ZStW 67 (1955), S. 14. 61 Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 17. 62 ZStW 67 (1955), S. 13.
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liert herbeigeführt werden, ohne daß damit gerade der spezifische Handlungsunwert begründet würde. Nur an einem tatbestandsspezifischen H'andlungsunwert kann sich aber ein Unwertvergleich von Handeln und Unterlassen orientieren. Wenn der fiktiven Herbeiführung des Erfolges durch „normales Tun" nach Rudolphi noch nicht der „tatbestandlich näher festgelegte Handlungsunwert" zukommen soll, so wäre dies nur mit Hilfe eines Erfolgsbegriffes möglich, der eben nicht gerade durch die spezifische, im Tatbestand beschriebene Angriffsart geprägt wäre. Das hieße, um bei dem Beispiel der Vergewaltigung zu bleiben, daß man sich etwa den Vollzug des Beischlafs als solchen als Erfolg zu denken hätte, ohne dabei die durch die gewaltsame Nötigung entstandene Zwangssituation zu berücksichtigen, denn deren „normale" Herbeiführung würde ja bereits die tatbestandlich vorausgesetzte Tathandlung sein. Einer „normalen Herbeiführung" eines Beischlafs ohne Berücksichtigung der tatbestandsspezifischen Angriffsart kommt aber kein Unwertgehalt zu, eine Unterlassung kann ihr also auch nicht „gleichwertig", also im Unwertgehalt gleich sein, wie Rudolphi dies mit seiner ersten „Gleichwertigkeitsprüfung" verlangt 63 .
3. Das Entsprechen in den „für die Zurechnung maßgeblichen sachlogischen Strukturen"
Im Gegensatz zu den bisher behandelten Ansichten erkennt Schünemann ausdrücklich an, daß allein das Entsprechensmerkmal der Sitz der von ihm so genannten „Gleichstellungsproblematik" ist 6 4 . Da das „pauschale Werturteil" der gleichen Strafwürdigkeit hierbei völlig unbrauchbar sei, w i l l er das Entsprechenserfordernis auf die „für die Zurechnung maßgeblichen sachlogischen Strukturen" beziehen 65 . Diese „maßgeblichen sachlogischen Strukturen der Zurechnung" sieht er bei den Handlungsdelikten in der gegenwärtigen Herrschaft des Täters über seine Körperbewegung und damit über den „Grund des Erfolges". Dieser Herrschaft bei den Handlungsdelikten entspreche nun bei der Unterlassung die aktuelle Herrschaft entweder über die „wesentliche Erfolgsursache" oder über die „Hilflosigkeit des Opfers" 66 . Akzeptiert man zunächst einmal (unter Vorbehalt) Schünemanns Prämisse, daß sich das Entsprechenserfordernis auf die „für die Zurechnung maßgeblichen sachlogischen Strukturen" beziehe, und unterstellt man weiterhin, daß diese tatsächlich mit der aktuellen Herrschaft über die Körper63
Wie Rudolphi auch Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 5. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 84 f. 65 Unternehmenskriminalität, S. 84 f. 66 Unternehmenskriminalität, S. 88; Grund und Grenzen, S. 232ff., 241 ff.; zusammenfassend GA 1974, S. 233f., und ZStW 96 (1984), S. 293 f. 64
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bewegung als Grund des Erfolges bei den Handlungsdelikten aufgespürt seien, so stellt sich die Frage, weshalb denn dieser Herrschaft über die Körperbewegung bei den unterlassenen Erfolgsabwendungen die Herrschaft gerade über die „wesentliche Erfolgsursache" oder gerade über die „Hilflosigkeit des Opfers" entsprechen soll. Die speziell im Rahmen des Entsprechenserfordernisses des § 13 entscheidende Begründung für seine These wird von Schünemann nicht gegeben. Stattdessen erscheint die Aufstellung seiner beiden Kriterien der Herrschaft über die wesentliche Erfolgsursache und der Herrschaft über die Hilflosigkeit des Opfers willkürlich und aus sich heraus nicht verständlich 67 . Sie ermöglicht nicht einmal eine Abgrenzung gegenüber der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323 c, da auch der allein die Hilfeleistung Unterlassende und damit etwa der den drohenden Tod des Opfers Nichtabwendende in der von § 323 c vorausgesetzten Situation die „Herrschaft über die Hilflosigkeit des Opfers" hat. Die geringe Strafandrohung in § 323 c aber zeigt, daß der Gesetzgeber hier gerade nicht von einer etwa einem Totschlag gem. § 212 entsprechenden Unterlassung ausgeht 68 . Die mangelnde Begründung dafür, daß sich diese „Zurechnungsstrukturen" beim Handeln und Unterlassen „entsprechen", daß also der Herrschaft über die Körperbewegung beim Tun gerade die Herrschaft über die Hilflosigkeit des Opfers oder über die wesentliche Erfolgsursache „entspricht", tritt auch darin zutage, daß Schünemann alternativ statt von „Entsprechung" auch von „Gleichheit in den für die Bestrafbarkeit wesentlichen Strukturen" spricht 69 . Wie aber Schünemanns Unterscheidung zwischen den Strukturen bei den Handlungsdelikten und denen bei Unterlassungsdelikten selbst zeigt, kann von einer „Gleichheit" dieser Strukturen keine Rede sein. Es kann also bei der Entsprechung nur um eine Wertung im Sinne der Gleichbewertung gehen, wobei völlig offen bleibt, anhand welcher Kriterien diese Wertung zu erfolgen hätte, mit der das von Schünemann gewissermaßen als Axiom präsentierte Ergebnis, daß sich diese Zurechnungskriterien „entsprechen", zu erreichen wäre. Daß Schünemanns Versuch indes nicht zu einem brauchbaren Ergebnis führen kann, liegt entscheidend daran, daß seine Prämisse schon nicht tragfähig ist, wonach mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun", auf die sich das Entsprechenserfordernis bezieht, gerade 67 Vgl. näher dazu die zutreffende K r i t i k von Herzberg, Unterlassung, S. 192 - 194; auch im übrigen Schrifttum hat Schünemanns „Gleichstellungslehre" keine Anerkennung gefunden, vgl. etwa Maiwald, JuS 1981, S. 473ff. (480f.); Otto, MSchrKrim 1974, S. 123ff.; Samson, Festschrift für Welzel, S. 594; Vogler, Festschrift für Ri. Lange, S. 280f.; Schöne, Erfolgsabwendungen, S. 273ff.; Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 15; Jakobs, AT 29/59 (Fußn. 118). 68 Vgl. Herzberg, Unterlassimg, S. 192f., 194f. 69 Unternehmenskriminalität, S. 88.
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(nur) die „maßgeblichen sachlogischen Zurechnungsstrukturen" angesprochen sein sollen. Denn letztlich stellt auch Schünemann auf den Unwertgehalt und nicht allein auf die „für die Zurechnung wesentlichen Strukturen" ab, wie in seinen weiteren Ausführungen deutlich wird, wenn er mit dieser Entsprechung in den für die Zurechnung („Bestrafung") maßgeblichen sachlogischen Strukturen bei einem Teil der von § 13 in Bezug genommenen Delikte nicht auskommt! Auch er unterscheidet nämlich, ebenso wie die bisher als unzutreffend erkannten Ansichten, zwischen „reinen Erfolgsdelikten" und „verhaltensgebundenen Delikten" (nur mit dem allein terminologischen Unterschied, daß er letztere als „gemischte Erfolgsdelikte" bezeichnet) 70 und hält hier eine „zweite Gleichwertigkeitsprüfung" für erforderlich 7 1 . Wenn dabei aber noch „lediglich" die zusätzliche Frage auftauche, „ob dem Garanten auch die Art der Erfolgsherbeiführung angelastet werden kann" 7 2 , so zeigt dies deutlich, daß mit der Entsprechung nicht die „sachlogischen Strukturen der Zurechnung" angesprochen sind, sondern daß es in Wahrheit um etwas anderes geht. Dieses andere kann aber nur der Verbrechensunwert sein, der gerade in der spezifischen Art der Erfolgsherbeiführung zum Ausdruck kommt. Schünemann bestätigt dies indirekt, wenn er von einer (zweiten) „Gleichwertigkeitsprüfung" spricht, die - wie gezeigt - bei einem Verbrechen nur als „Gleichunwertigkeitsprüfung", also als Feststellung des gleichen Unwerts verstanden werden kann 7 3 . Mit der Forderung dieser zusätzlichen Prüfung bei „gemischten Erfolgsdelikten" offenbart er somit zum einen, daß es ihm doch letztlich bei dem Entsprechen um den gleichen Unwert der Unterlassung geht, andererseits gibt er damit zugleich zu, daß mit den „sachlogischen Strukturen" der Unwertgehalt eben gerade nicht (oder zumindest nicht ausreichend) erfaßt ist 7 4 . Für die Bejahung der „zusätzlichen Frage" der zweiten „Gleichwertigkeitsprüfung" bei den „gemischten Erfolgsdelikten" verlangt Schünemann dann mit dem den Sinngehalt der näher beschriebenen Tathandlung erfüllenden „konkludenten Unterlassen", ebenso wie Roxin und Stratenwerth, in 70 Unternehmenskriminalität, S. 90 (Delikte, bei denen, anders als bei den „reinen Erfolgsdelikten", nicht jede beliebige Handlung als Ursache ausreiche, sondern eine bestimmte Verletzungsart vorausgesetzt werde). 71 Grund und Grenzen, S. 371. 72 Unternehmenskriminalität, S. 90. 73 Siehe oben A.I. 74 Dieser Einwand gilt auch für die (nicht näher begründete) Ansicht Stratenwerths, AT, Rn. 1022f., mit der objektiven Zurechnung sei das Entsprechen gegeben. Auch bei Stratenwerth zeigt sich die Unzulänglichkeit der Kategorie „objektive Zurechnung" darin, daß er ebenfalls mit dieser Kategorie bei „verhaltensgebundenen Delikten" nicht auskommt, sondern, wie Schünemann, hier eine zweite „Gleichwertigkeitsprüfung" für notwendig hält, ohne im übrigen brauchbare Kriterien für sie angeben zu können, vgl. schon oben II. 1., Fußn. 50.
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Wahrheit eine unmittelbare Subsumtion unter den Handlungstatbestand 75 . Da eine Unterlassung niemals eine Handlungsbeschreibung verwirklichen kann, handelt es sich bei den von Schünemann angeführten Beispielen 76 entweder um eine nicht allein eine Handlung kennzeichnende Verhaltensbeschreibung im Sinne der Untreue (§ 266, in der Alternative des sog. Treuebruchstatbestandes), oder es geht in Wahrheit nicht um ein Unterlassen, sondern um ein (konkludentes) Handeln, oder aber es liegt schlichtweg eine fehlerhafte Subsumtion vor, wie etwa bei dem für die Unterschlagung (§ 246) angeführten Beispiel. Die hier erforderliche objektiv erkennbare Betätigung (!) des Zueignungswillens könne danach auch in einem Unterlassen liegen, sofern die Zueignungsabsicht darin klar zu erkennen sei, wie z.B. beim Verstreichenlassen der Anzeigefrist bei Fundsachen 77 . Richtigerweise läßt sich beim Verstreichenlassen der Anzeigepflicht gerade kein Zueignungswillen erkennen, und zwar weil es an der Betätigung dieses Willens (= Handlung) fehlt 7 8 (der Unterlassende könnte die Anzeige schlicht vergessen haben!). Schließlich kann auch bei § 153 (falsche uneidliche Aussage) das Verschweigen einer Tatsache als Unterlassen niemals selbst „unmittelbare Tathandlung" im Sinne eines „konkludenten Unterlassens" sein 79 . Tathandlung ist hier vielmehr das Aussagen selbst, das dadurch zur falschen Aussage wird, daß mit ihm, also mit der Handlung (!), ausdrücklich oder konkludent die Kenntnis weiterer beweiserheblicher Tatsachen ausgeschlossen wird. Entsprechendes gilt für das von Schünemann angeführte falsche Schwören beim Meineid (§ 154), das durch das Verschweigen einer zum Beweisthema gehörenden Tatsache erfolgen könne 80 : Beim Nacheid handelt es sich immer um eine ausdrückliche Bestätigung, (auch) nichts verschwiegen zu haben, beim Voreid kommt es wie bei § 153 auf die ausdrückliche oder konkludente Behauptung in der anschließenden Aussage an, nichts (beweiserhebliches) verschwiegen zu haben. Auch hier kann also die Strafbarkeit nur an eine Handlung anknüpfen. Im ganzen bleibt somit festzuhalten, daß auch Schünemanns Auslegung des Entsprechenserfordernisses in § 13 sich als nicht annehmbar erwiesen hat. Seine These, das Entsprechen beziehe sich auf die „maßgeblichen Zurechnungsstrukturen", wird von ihm selbst widerlegt. Auch er verlangt vielmehr mit der zusätzlichen Gleichwertigkeitsprüfung in Wahrheit ein 75
Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 90. Grund und Grenzen, S. 368f. 77 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 369. 78 Der Wille ist eben nur in „dialektischer Einheit" mit einer Handlung zu denken, s.o. 1. Abschnitt, B.II.2.b). 79 So aber Schünemann, Grund und Grenzen, S. 368. 80 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 368. 76
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Entsprechen im Unwert, der aber wiederum mit den „maßgeblichen Zurechnungsstrukturen" nicht erfaßt werden kann. 4. Ergebnis
Die exemplarische Auseinandersetzung mit dem Schrifttum hat gezeigt, daß die verbreitete Differenzierung zwischen sog. „verhaltensgebundenen Delikten" und sog. „reinen Erfolgsdelikten" im Hinblick auf das Entsprechenserfordernis in § 13 keinen Sinn ergibt. Sie gibt keinen Aufschluß über eine möglicherweise unterschiedliche Bedeutung des Entsprechensmerkmals für die von § 13 positivierten Unterlassungsdelikte und rechtfertigt erst recht keinen Ausschluß der Anwendbarkeit des Entsprechenserfordernisses bei einem Teil der nach § 13 zu bildenden Unterlassungstatbestände. Das hat schon darin seinen Grund, daß die ihr zugrundeliegenden Systematisierungsgesichtspunkte keine eindeutige Einteilung der Handlungsdelikte in die eine oder andere Gruppe ermöglichen, da der mit der Differenzierung angesprochene Unterschied allenfalls in einer graduellen Abstufung in der Weite der Verhaltensbeschreibungen bei den einzelnen Delikten bestehen kann. Da der Wortlaut des § 13 zumindest insoweit eindeutig ist, als er mit dem Entsprechenserfordernis eine zwingende Strafbarkeitsvoraussetzung für alle über § 13 positivierten Unterlassungsdelikte aufstellt („Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, ... ist ... nur dann strafbar, wenn ... und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht"), muß ausnahmslos bei allen nach § 13 zu bestrafenden Unterlassungen ihr Entsprechen mit der Verwirklichung des in Bezug genommenen Begehungstatbestandes festgestellt und begründet werden und insofern auch überhaupt begründbar sein.
III. „Gleichwertigkeit" als Gleichheit des Unwerts Wie sich gezeigt hat, ist auch mit dem Entsprechenserfordernis immer eine Gleichbewertung gefordert, die, da das Verbrechen nur von seinem Unwert her begreifbar ist, nie auf eine „Gleichwertigkeit", sondern nur auf eine Gleichheit des Unwerts abzielen kann. Daß es bei der im Rahmen des Entsprechensmerkmals erforderlichen Wertung letztlich nur um eine vergleichende Bewertung des Unwertgehalts der Unterlassung gehen kann, wird im Prinzip im gesamten Schrifttum sowie in der Rechtsprechung, soweit letztere den § 13 und das Entsprechenserfordernis überhaupt zur Kenntnis nimmt, erkannt. Selbst vereinzelte Stimmen, wie die von Stree 81 , 81
Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 4.
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der ausdrücklich etwa eine Unrechtsbewertung ablehnt, weil dies die Rechtssicherheit beeinträchtigen würde, und der stattdessen auf eine Verwirklichung in „gleichwertiger Weise" bzw. auf den „sozialen Sinngehalt" abstellt, können ihren eigenen Ansatz nicht halten. Denn die „gleichwertige Weise" kann, da, wie gezeigt, dem Verbrechen kein Wert zukommt, nur eine „gleichunwertige Weise" sein, womit also auch in Wahrheit auf den Verbrechensunwert abgestellt wird. Da der Unrechtsunwert im übrigen die Basis jeglichen Verbrechensunwerts ist - ohne den Unrechtsunwert gibt es keinen Schuld- und keinen Strafwürdigkeitsunwert hat der Autor damit schon seinen eigenen Ansatz widerlegt. Das gleiche gilt für den „sozialen Sinngehalt": Denn was soll der gesellschaftliche Sinn eines Verbrechens sein, wenn nicht sein Un-Sinn, sein Unwert. Auch der Sinngehalt eines Verbrechens kann sich nur nach seinem Unwert bemessen, kann nur in seinem Unwertgehalt zum Ausdruck kommen. Der konturenlose und verschwommene Begriff des „sozialen Sinngehalts" kann also nur noch dazu dienen, die Erkenntnis zu verschleiern, daß es in Wahrheit auf eine Bewertung des Unwertgehalts der Unterlassung ankommt. Entsprechendes gilt für Kategorien wie die „Zurechnung" oder die „wesentlichen sachlogischen Strukturen der Zurechnung", mit denen allein der spezifische Unwert eines Verbrechens nicht ausreichend erfaßt ist. Daß es den Vertretern dieser Ansicht für das Entsprechenserfordernis auch auf den Unwertgehalt des Verbrechens ankommt, bestätigen sie selbst, indem sie zumindest bei einem Teil der von § 13 positivierten Unterlassungsdelikte eine zusätzliche „Gleichwertigkeitsprüfung", für notwendig erachten, die - wie mehrfach gezeigt - nur eine „Gleichunwertigkeitsprüfung" sein kann. Schließlich stellt auch die Meinung, nach der es darauf ankomme, daß sich das Unterlassen „dem Unrechtstypus des (Handlungs-)Tatbestandes einfüge", ausdrücklich auf den „gesamten Unrechtsgehalt aktiver Tatbestandsverwirklichung" ab 8 2 . Auch den „Gesetzesvätern" ging es, wie sich 82 Dreher I Tröndle, § 13 Rn. 17. Für die Ermittlung des „gesamten Unrechtsgehalts" einer Tat gibt aber im übrigen der Begriff „Unrechtstypus" nichts her, da er viel zu wenig konkretisierbar ist und sich nicht exakt erfassen läßt. So ließe sich etwa ohne weiteres die Aussage vertreten, daß das Unterlassungsdelikt immer einen gänzlich vom Handlungsdelikt verschiedenen Unrechtstypus verkörpert, da der Unrechtstypus als entscheidend durch das Verhaltensunrecht, d.h. durch die spezifische Angriffsart gekennzeichnet angesehen werden kann. Wie also sollte sich dann eine unterlassene Erfolgsabwendung dem entscheidend gerade durch ein willensgesteuertes Tun geprägten Unrechtstypus eines Begehungsdeliktes einfügen? Auf diese Frage wissen auch die Vertreter dieser Ansicht keine Antwort. Vielmehr gab Dreher schon in der Großen Strafrechtskommission zu, daß die damals von Gallas vorgeschlagene Formel „tatbestandsmäßig gleichstehen", die genauso wenig und genauso viel aussagte wie die Entsprechensformel, für den Richter nicht zu bewältigende Schwierigkeiten enthalte, vgl. Niederschriften, Bd. 12, S. 98; vgl. zu den unterschiedlichen Definitionen des Begriffs „Deliktstypus" Langer, Sonderverbrechen, S. 346, nach dem es
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den Gesetzesmaterialien entnehmen läßt 8 3 , bei der (geplanten) Normierung der „Gleichwertigkeitsklausel" und des Entsprechenserfordernisses um einen Vergleich des Unwert- bzw. Unrechtsgehalts von Begehungsdelikt und unterlassener Erfolgsabwendung. Dieser oben als einzig sinnvolle Möglichkeit dargestellte Bezug des Entsprechenserfordernisses auf den durch die „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" begründeten Verbrechensunwert liegt also letztlich - trotz teilweise gegenteiliger Beteuerungen - dem gesamten Schrifttum zugrunde. IV. Unwertgehalt und Strafmilderungsmöglichkeit Daß damit für den Vergleich im Rahmen des Entsprechenserfordernisses nur der gesamte Unwertgehalt in Betracht kommt, sollte sich aus der Tatsache ergeben, daß § 13 mit der Verweisung auf die Strafe des in Bezug genommenen Begehungsdelikts in Abs. 1 notwendigerweise die gleiche Strafwürdigkeit für die unterlassene Erfolgsabwendung voraussetzt. Daher müßten mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" als Grundlage des Entsprechensvergleichs die gesamten gesetzlich beschriebenen Voraussetzungen angesprochen sein, bei deren Verwirklichung der Gesamtunwertgehalt und damit die Strafwürdigkeit des jeweiligen Begehungsdelikts gegeben sind. Ist also die gleiche Strafwürdigkeit der einzige gesetzliche Anhaltspunkt für die Ermittlung des ansonsten durch keinerlei weitere Angaben präzisierten Entsprechenserfordernisses, dann heißt dies, daß der Inhalt dieser entscheidenden tatbestandlichen Voraussetzung für die Strafbarkeitsbegründung nur von dem Strafwürdigkeitsgehalt her, wie er für das entsprechende Begehungsdelikt vorausgesetzt ist, ermittelt werden kann. Würde man nun das Entsprechenserfordernis so verstehen, daß immer die vollständige Gleichheit im Unwert gegeben sein müßte, dann stünde dazu aber die Strafmilderungsmöglichkeit nach Abs. 2 in Widerspruch 84 . Sie eine allgemein anerkannte oder auch nur herrschende Definition dieses Begriffs nicht gibt - unter Verweis auf Beling, Lehre vom Tatbestand, S. 1 ff.; Schaffstein, ZStW 57 (1938), S. 315; Gallas, ZStW 67 (1955), S. 281; Geerds, Festschrift für Engisch, S. 406. 83 Vgl. Begründung zum Entwurf 1962, S. 125; Sonderausschuß, Prot. S. 1644ff., 1860ff. 84 Vgl. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 356; Herzberg, Unterlassung, S. 7f., meint, dem Gesetzgeber bleibe nur ein „Entweder-Oder", die fakultative Strafmilderung sei ein „handfester Widerspruch im Gesetz"; nach Schmid, MDR 1982, S. 374, müsse konsequenterweise gesagt werden, daß, wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspreche, also „gleichwertig" sei, es auch die gleiche Strafe ohne Milderungsmöglichkeit verdiene. Es erscheine nicht unbedenklich, auf der einen Seite zu verlangen, daß das Unterlassen dem Tun entsprechen muß, auf der anderen Seite aber für Entsprechendes durch die Strafmilderungsmöglichkeit verschiedene Rechtsfolgen anzuordnen. Durch die gerichtliche Praxis wird diese Erkenntnis insoweit bestätigt, als hier größtenteils schon gar nicht das Entsprechenserfordernis ernsthaft geprüft, geschweige denn die
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wäre nämlich nur dann verständlich, wenn auch solche Unterlassungen die strafbegründenden Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen könnten, die gerade nicht die genau gleiche Strafwürdigkeit aufweisen, wie sie für die Verwirklichung des Begehungstatbestandes durch ein Tun vorausgesetzt ist, denn die gesetzlich angeordnete Strafmilderung ist stets Ausdruck eines vergleichsweise geringeren Strafwürdigkeitsgehalts der betreffenden Tat 8 5 .
1. Beschränkung auf den Unrechtsunwert Konsequenzen für die Tatbestandsbildung
Diesen Widerspruch versucht man im Schrifttum wohl auch dadurch zu vermeiden, daß man das Entsprechenserfordernis nicht auf den gesamten Unwertgehalt des Handlungsdelikts, sondern nur auf einen Teilgehalt des Verbrechensunwerts, nämlich auf den Unrechtsgehalt bezieht 86 . Durch Aussparung insbesondere des Schuldgehalts aus dem Entsprechenserfordernis glaubt man offenbar, die von § 13 Abs. 2 mit der Milderungsmöglichkeit vorausgesetzte geringere Strafwürdigkeit einzelner Unterlassungen mit der Strafbegründung in Abs. 1, d.h. mit dem Erfordernis, daß die Unterlassung der Verwirklichung des gesetzlichen Begehungstatbestandes zu entsprechen habe, vereinbaren zu können 87 . Wenn aber die Unterlassung dem Begehungsdelikt nicht auch in dem in der Schuld verkörperten Unwertgehalt entsprechen müßte, dann wäre die grundsätzliche Bezugnahme auf den Strafrahmen des Begehungsdelikts trotz Milderungsmöglichkeit - nicht verständlich. Denn der Strafrahmen des Begehungsdelikts ist zu einem erheblichen Teil gerade an dem Schuldunwert orientiert, wie die Unterscheidung etwa schon von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten, aber auch die durch besondere Schuldmerkmale qualifizierten Handlungsdelikte zeigen. Wäre ein Entsprechen in diesem Bereich nicht Voraussetzung der Bestrafung, dann könnte bei der Tatbestandsbildung gem. § 13 logischerweise auch nicht zwischen Handlungstatbeständen differenziert werden, die sich nur in den Schuldanforderungen Milderungsmöglichkeit in Betracht gezogen wird, vgl. die Nachweise bei Schürmann, MDR 1982, S. 374; die Entscheidung des BGH, NJW 1982, S. 393 (Nr. 17), ist (soweit bekannt) das erste obergerichtliche Urteil, welches auf den Mißstand der mangelnden Berücksichtigung der Milderungsmöglichkeit des § 13 Abs. 2 in der gerichtlichen Praxis hinweist; zu den verfassungsprozeßrechtlichen Möglichkeiten bei gerichtlicher Übergehung der fakultativen Strafmilderung Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 426ff. 85 Vgl. Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 440, und Sonderverbrechen, S. 338. 86 Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 18; Blei, Strafrecht I, § 87 II; Gallas, ZStW 80 (1968), S. 20; Schmidhäuser, AT 16/68; Jescheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 6 („Gleichstellung im Handlungsunrecht"), anders aber ders., a.a.O. Rn. 61, wonach ausnahmsweise auch der Unrechtsgehalt geringer sein könne als der des betreffenden Begehungsdelikts. 87 So ausdrücklich Gallas, ZStW 80 (1968), S. 20.
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unterscheiden. Überhaupt käme damit eine Berücksichtigung auch von besonderen Schuldmerkmalen bei der Tatbestandsbildung nach § 13 nicht in Betracht. Die Konsequenzen seien zunächst am Beispiel einer fahrlässig unterlassenen Abwendung des Todes eines Menschen demonstriert: Da über den Erfolgsbegriff weder Schuldmerkmale noch überhaupt subjektive Unwertmerkmale erfaßt werden können, ginge es bei dem gem. § 13 zu bildenden Unterlassungstatbestand sowohl um die Nichtabwendung eines zu § 222 (fahrlässige Tötung) als auch zu § 212 (Totschlag) gehörenden Erfolges. Danach käme für eine fahrlässige Unterlassung neben dem des § 222 grundsätzlich auch der Strafrahmen des § 212 in Betracht ( „ . . . ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn..."). Die endgültige Individualisierung des schließlich anzuwendenden Strafrahmens müßte sich also aus den übrigen Voraussetzungen des § 13 ergeben. Das ist zum einen die Verletzung einer Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung. Dieses Merkmal ermöglicht aber keine Transferierung von Schuldmerkmalen des in Bezug genommenen Handlungstatbestandes und kann daher keine Auskunft geben, welcher Strafrahmen anzuwenden ist. Zum anderen verlangt § 13, daß die Unterlassung der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht". Da dies das einzig noch verbleibende Tatbestandsmerkmal des von §13 positivierten Unterlassungsdelikts ist, muß die tatbestandliche Individualisierung spätestens hier erfolgen. Das heißt, daß an dieser Stelle für den Entsprechensvergleich die Unterscheidung der Tatbestände der §§222,212 getroffen werden muß 88 . Würde es nun ausreichen, daß die Unterlassung dem Handlungsdelikt nur im Unrechtsunwert entspricht, dann würde die (tatbewußte) fahrlässige Unterlassung also auch der Verwirklichung des Totschlagstatbestandes (§212) „entsprechen", vorausgesetzt, daß sich die Entsprechung im Unrecht überhaupt auf irgendeine Weise ermitteln ließe und hier gegeben wäre. Die Strafe wäre damit gem. § 13 Abs. 1 dem § 212 zu entnehmen. Die Nichtberücksichtigung des Verbrechensunwertes, welcher in der für die Verwirklichung des Handlungstatbestandes vorausgesetzten Schuld begründet ist, im Rahmen des Entsprechenserfordernisses schließt also seine Berücksichtigung bei der tatbestandlichen Strafbegründung nach §13 aus. Erst bei der Strafzumessung könnte der geringeren Schuld (Fahrlässigkeit) des Unterlassenden Rechnung getragen werden. Die Milderungs88 Zwar kann sich die Verwirklichung dieser beiden Tatbestände bereits im Unrechtsbereich unterscheiden, da für das Unrecht des (vorsätzlichen) Totschlags immer eine tatbewußte Handlung vorausgesetzt wird, während für die fahrlässige Tötung das potentielle Tatbewußtsein, also das erlangbare Tatbewußtsein ausreicht; doch muß dies nicht notwendig der Fall sein, da auch eine tatbewußte Fahrlässigkeit möglich ist (vgl. Schmidhäuser, AT 10/96), die sich vom korrespondierenden Vorsätzlichkeitsdelikt nur noch im Schuldbereich unterscheidet, indem sie dort anstelle des aktuellen nur das potentielle Unrechtsbewußtsein verlangt. Die Strafwürdigkeitsdifferenz ist hier also allein in einem entsprechenden Schuldunterschied begründet, vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 343.
8 Schürmann
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möglichkeit gem. § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 erlaubte dabei eine Senkung des Strafmindestmaßes von fünf Jahren auf zwei Jahre (§ 49 Abs. 1 Nr. 3). Andererseits aber ließe sich § 13 auch auf den Tatbestand des § 222 (fahrlässige Tötung) beziehen, wobei dann bereits ohne Anwendung der Milderungsmöglichkeit des § 13 Abs. 2 nur eine Geldstrafe als Mindestmaß anzusetzen wäre. Einer Mindeststrafe von zwei Jahren stünde damit eine Geldstrafe für ein und dasselbe Unterlassungsdelikt gegenüber, da eine der Verwirklichung beider Handlungstatbestände entsprechende Unterlassung vorliegen würde. Die Unsinnigkeit dieses Ergebnisses zeigt, daß mit der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun", auf die sich das Entsprechenserfordernis bezieht, nur auf den deliktsspezifischen Gesamtunwert verwiesen sein kann, der mit der Verwirklichung des Handlungstatbestandes gegeben ist und bei dessen Vorliegen die auch für das Unterlassen in § 13 Abs. 1 grundsätzlich in Bezug genommene Strafe verwirkt ist. Nur so können die deliktstypischen Merkmale berücksichtigt werden, welche der jeweiligen, von § 13 Abs. 1 grundsätzlich übernommenen Strafandrohung des Handlungsdelikts zugrunde liegen. Denn die Strafmilderungsmöglichkeit kann die Nichtberücksichtigung dieses Straftatunwerts, wie gesehen, nicht sachgerecht ausgleichen. Die Beispiele ließen sich weiter fortsetzen, denn die Widersprüchlichkeit, die sich aus einer Beschränkung des Entsprechenserfordernisses ergäbe, entstünde etwa auch im umgekehrten Fall, also bei der vorsätzlich unterlassenen Todesabwendung, für die damit auch die Strafe aus § 222 (fahrlässige Tötung) in Betracht käme. Ja, im Hinblick auf die durch besondere Schuldmerkmale qualifizierten Begehungsformen des Mordes würde sich zu den identischen Unterlassungstatbeständen der §§ 13, 212 und 13, 222 noch ein dritter identischer Unterlassungstatbestand gesellen, nämlich der gem. § 13 in Verbindung mit § 211 (Mord) gebildete 89 . Käme es also nur auf ein Entsprechen des Unrechtsunwertes an, so wäre in den Strafbarkeitsvoraussetzungen des gem. § 13 Abs. 1 i.V.m. § 211 gebildeten Unterlassimgstatbestandes der für die Strafbarkeit des Begehungsdeliktes vorausgesetzte besondere Unwert nicht erfaßt, obwohl die Strafe diesem Begehungsdeliktstatbestand zu entnehmen wäre. Damit stünden für die eine unterlassene Erfolgsabwendung insgesamt bereits drei unterschiedliche Strafrahmen zur Auswahl. Wer hier einwendet, es sei selbstverständlich, daß man bei einer fahrlässigen Unterlassung dann nur den Strafrahmen des „entsprechenden" fahrlässigen Begehungsdelikts heranziehen dürfe, nicht aber den des vorsätzlichen 89 Mit diesem Unterlassungstatbestand ist nur derjenige angesprochen, welcher jeweils unter Bezug auf solche Begehungsformen des Mordes gebildet wird, deren Unrecht nicht durch besondere Unrechtsmerkmale gegenüber dem Totschlag qualifiziert ist; es geht also nur um die durch besondere Schuldmerkmale qualifizierten Mordformen, wie Tötung aus Habgier, aus Mordlust oder aus niedrigen Beweggründen oder zur Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat, vgl. dazu im einzelnen Schmidhäuser, BT 2/15, 23, 27ff.
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oder gar des qualifizierten Delikts, der gibt damit schon zu, daß es in Wirklichkeit eben doch auf ein Entsprechen auch im Schuldbereich ankommt. Die Strafrahmen der Vorsatzdelikte kommen für eine fahrlässige Unterlassung also gerade deshalb nicht in Frage, weil die fahrlässige Unterlassung in ihrem Schuldgehalt nicht dem vorsätzlichen Begehungsdelikt entspricht. Schon aus diesem Grunde kann sich das Erfordernis des „Entsprechens der Unterlassung mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" nicht auf den Unrechtsunwert beschränken.
2. Entsprechen als „annähernde Gleichheit" im Unwertgehalt
Wie sich aus den bisherigen Untersuchungen ergeben hat, kann nur der Gesamtunwertgehalt des Begehungsdelikts die Vergleichsgröße für die Entsprechensfeststellung bilden. Da aber eine vollständige „Gleichheit" im Unwert nicht mit der fakultativen Strafmilderung vereinbar wäre, muß das Entsprechenserfordernis so verstanden werden, daß es eine Unwertspanne, einen Unwertrahmen bezeichnet, der sich im wesentlichen am Unwert des Tätigkeitsdelikts orientiert, für den aber ein gewisses Zurückbleiben möglich ist, das dann mit der Strafmilderungsmöglichkeit des Abs. 2 berücksichtigt werden kann. Auch sprachlich erscheint ein solches Verständnis des Entsprechensbegriffes als durchaus möglich, da dieser - und hier ist den Gesetzesvätern recht zu geben - insofern „etwas weniger festlegt" (als der Ausdruck der Gleichwertigkeit), als mit ihm auch eine nur „ungefähre Gleichheit" (im Unwert) gemeint sein kann 9 0 . Nur mit einem so verstandenen Entsprechensbegriff ließe sich der regelmäßig zur Erklärung der Milderungsmöglichkeit angeführten geringeren „verbrecherischen Energie" 91 , der geringeren „verbrecherischen Willensenergie" 92 bzw. dem geringeren „Gewicht" 9 3 der Unterlassung Rechnung tragen. 90 Vgl. Woesner, NJW 1975, S. 201, der das Entsprechen so versteht, daß sich der Unrechtsgehalt der Unterlassung dem des Tuns „stark nähert"; Arzt, JA 1980, S. 555, meint, bei einem „schwächeren Garanten" werde man eher bereit sein, sein Unterlassen dem Tun „nur mit Abstrichen gleichzustellen"; das Unterlassen eines „schwächeren Garanten" sei dem Handeln nicht gleichwertig, sondern entspreche ihm allenfalls. 91 Schmidhäuser, AT 16/22. 92 Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 65; Jescheck, AT, § 58 V 1; nach 3escheck, Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 61, beruht die Milderungsmöglichkeit darauf, daß häufig der Schuldgehalt der Unterlassungstat geringer sei als der der Begehungstat. Obwohl er das Entsprechenserfordernis ausdrücklich auf den Unrechtsgehalt bezieht (§13 beruhe „an sich" auf der „vollen Gleichstellung im Handlungs- und Erfolgsunrecht", vgl. AT, a.a.O.), meint er weiter, daß auch der Unrechtsgehalt des Unterlassungsdelikts geringer sein könne als der des betreffenden Begehungsdelikts, da das „Handlungsunrecht des Unterlassens" gegenüber dem Tun „weniger Gewicht besitzen" könne. Was immer Jescheck mit dem „Handlungsunrecht des Unterlassens" meint, zumindest geht er mit dem „geringeren Gewicht" von einem geringeren Unter-
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Was allerdings in der Literatur teilweise als den Schuldgehalt 94 oder nur die Strafwürdigkeit 95 betreffende „geringere verbrecherische (Willens-) Energie" bezeichnet wird, wurde hier als die fehlende Finalität der Unterlassung erkannt, aufgrund derer bereits der Unrechtsunwert der unterlassenen Erfolgsabwendung gegenüber dem der willensgesteuerten Herbeiführung des Erfolges geringer ist 9 6 . Die sich in der Handlung verwirklichende Steuerung des Geschehens durch den Willen ist die subjektive Grundlage des Handlungsunrechts; die in dem willensgesteuerten Angriff auf das Rechtsgut enthaltene „verbrecherische (Willens-)Energie" prägt - als Minimalerfordernis - den subjektiven Unrechtsgehalt aller Handlungsdelikte. Eine den Unrechtsgehalt steigernde, weil stärkere verbrecherische Willensenergie liegt darüber hinaus in der nicht nur willentlichen, sondern beabsichtigten Rechtsgutsverletzung, die den spezifischen Unrechtsunwert der Absichtsdelikte 97 ausmacht, wie etwa bei der beabsichtigten schweren Körperverletzung (§ 225) oder bei der Urkundenfälschung (§ 267). Mit dem Fehlen des Moments der willensgesteuerten Beeinflussung eines Geschehens bei der Unterlassimg fehlt bei dieser auch die den Unrechtsgehalt des Handlungsdeliktes prägende „verbrecherische Willensenergie" 98 . Dieser schon geringere Unrechtsgehalt des Unterlassens wird, zumindest stillschweigend, auch von der herrschenden Meinung dadurch anerkannt, daß sie nur solche Unterlassungen als „gleich(un)wertig" mit dem betreffenden Handlungsdelikt ansieht, bei denen die unrechtssteigernde Verletzung einer Sonderpflicht (= Garantenpflicht) gegeben ist. Worin sonst, wenn nicht in der fehlenden verbrecherischen Willensenergie, dem „geringeren Gewicht" der Unterlassung, sollte der mindere Unrechtsgehalt liegen, den man beim Unterlassen durch eine unrechtssteigernde Sonderpflichtverletzung auszugleichen trachtet 99 ? Der Unrechtsbezug der für die Rechtfertigung der Straflassungsunrecht aus und unterscheidet damit offenbar auch zwischen „voller Gleichstellung" und „Entsprechen". 93 Dreher / Tröndle, § 13 Rn. 20; vgl. auch Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 64: Wegen der häufig geringeren verbrecherischen Energie stehe das Unterlassen dem Tun in der Strafwürdigkeit nach. Entscheidende Bedeutung für die Milderung komme der Frage zu, ob das Unterlassen „im Vergleich zur entsprechenden Begehungstat weniger oder gleich schwer wiegt". 94 Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 65. 95 Schmidhäuser, AT 16/22; Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 64. 96 Siehe oben 1. Abschnitt, B.II.2.b)bb). 97 Siehe oben 1. Abschnitt, B.II.2.b)aa). 98 Siehe oben 1. Abschnitt, B.II.2.b)bb). 99 Das wird selbst bei Dreher I Tröndle, § 13 Rn. 17, deutlich, wenn dort vom Zurückbleiben im personalen Unrecht der Unterlassung die Rede ist; vgl. weiter die amtl. Begründung zu § 13 Entwurf 1962, S. 125: Setze der Tatbestand bestimmte unrechtsbeeinflussende Handlungsmerkmale voraus, die durch eine Unterlassungstat nicht sichtbar werden können (kein einziges Handlungsmerkmal kann durch eine Unterlassungstat sichtbar werden!), so könne dies durch die größere Pflichtenbindung des Garanten oder auch sonst durch andere, den Grad des Unrechts erhöhende Umstände aufgewogen werden.
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
117
milderungsmöglichkeit bemühten „geringeren verbrecherischen Willensenergie" wird offenbar auch vom BGH in seiner neueren Rechtsprechung gesehen, wenn er ausdrücklich darauf verweist, daß für die Frage der Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 auch „alle in subjektiver Hinsicht für die Bewertung des Unrechtsgehalts der Unterlassung maßgebenden Gesichtspunkte" zu berücksichtigen seien 100 . Da die (verbrecherische) Willensenergie der Unterlassung aber immer fehlt 1 0 1 , kann allein damit die ja nur als Ausnahme in § 13 Abs. 2 vorgesehene Strafmilderung nicht einleuchtend erklärt werden. Vielmehr geht die Regelung in § 13 Abs. 1 mit der prinzipiellen Übernahme der Strafandrohung für das Tätigkeitsdelikt davon aus, daß die Unterlassung trotz der fehlenden Finalität regelmäßig den gleichen Gesamtunwertgehalt wie das korrespondierende Tätigkeitsdelikt aufweisen muß. Die nur fakultative Strafmilderung ist folglich nur so zu erklären, daß zwar für „entsprechende" Unterlassungen der aufgrund der fehlenden verbrecherischen Willensenergie geringere Unwert durch eine anderweitige Unwertsteigerung regelmäßig voll ausgeglichen sein muß, daß in einzelnen Fällen dieser Ausgleich aber nicht vollständig, sondern nur annähernd erreicht zu werden braucht. V. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, daß das Entsprechenserfordernis sich nur auf den Unwertgehalt, der in der „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun" verkörpert ist, beziehen kann. Es kommt damit, wie nachgewiesen wurde, nur der Gesamtunwertgehalt, das heißt der Strafwürdigkeitsgehalt des Tätigkeitsdelikts als Vergleichsgröße in Betracht. Die Strafmilderungsmöglichkeit läßt sich mit dem Entsprechenserfordernis insofern vereinbaren, als mit dem Entsprechen nicht notwendig die vollständige Gleichheit des Unwertgehalts gefordert wird, sondern in einzelnen Fällen auch eine nur annähernde Gleichheit und damit ein geringfügiges Zurückbleiben des Unterlassungsunwerts möglich ist.
B. Die Ermittlung des „entsprechenden" Unwertgehalts der unterlassenen Erfolgsabwendung Mit dem Unwertgehalt ist dann zwar eine Vergleichsgröße gegeben, noch nicht geklärt ist indes, auf welche Weise ermittelt werden soll, ob der unter100
BGH, NJW 1982, S. 393 (Nr. 17). Vgl. Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 65, der von der „ i n aller Regel" geringeren verbrecherischen Willensenergie spricht; ähnlich Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 64 („häufig geringer"). 101
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
lassenen Erfolgsabwendung der (zumindest annähernd) gleiche Unwert zukommt wie der Verwirklichung des Begehungstatbestandes.
I. Erfordernis einer Sonderpflichtverletzung Grundsätzlich begründet, wie oben gezeigt 102 , die Nichtvornahme einer Rettungshandlung ein geringeres Unrecht als das willensgesteuerte, tätigeBewirken eines Erfolges, wie auch deutlich in den gesetzlichen Regelungen von Unterlassungsgemeinunrecht (§§ 138, 323 c) 1 0 3 zum Ausdruck kommt, welche mit der gegenüber den Begehungsdelikten erheblich geringeren Strafandrohung einen so erheblich geringeren Strafwürdigkeitsgehalt voraussetzen, daß auf jeden Fall auch von einem geringeren Unrechtsgehalt der Unterlassung auszugehen ist, da dieser die Strafwürdigkeit wesentlich mitbestimmt. So ist das Unrecht desjenigen, der etwa bei einem Unglücksfall die gebotene Rettungshandlung pflichtwidrig nicht vornimmt und damit den drohenden Tod des Verunglückten nicht abwendet, obwohl ihm dies möglich wäre, nach der Wertung des Gesetzgebers geringer als das Unrecht desjenigen, der einen Menschen (willentlich) tötet. Ein solches Unterlassungsgemeinunrecht kann also nicht dem Unrecht des Begehungsdelikts „entsprechen". Das Erfordernis des Entsprechens könnte vielmehr allenfalls durch ein Unterlassungssonderunrecht erfüllt werden: Beim Tätigkeitsdelikt kann das Gemeinunrecht, das heißt die von einem beliebigen Täter vorgenommene Rechtsgutsverletzung, aufgrund einer Sonderbeziehung eines bestimmten Täters zu dem betroffenen Rechtsgutsobjekt zum Sonderunrecht modifiziert werden, so daß der Unwertgehalt der gleichen Rechtsgutsverletzung entweder gesteigert oder gemindert ist 1 0 4 . Ebenso ist beim Unterlassungsdelikt eine Unrechtsmodifizierung möglich, die sich hier aus einer Sonderbeziehung des Unterlassenden zu dem bedrohten Rechtsgutsobjekt ergibt und sich in einer relativ abgewandelten Dringlichkeit der verletzten Handlungspflicht niederschlägt. Der Unwertgehalt der gleichen Unterlassung kann also unterschiedlich hoch sein, je nachdem, welche bestimmte Person unterläßt. Während sich die Erkenntnis, daß es sich bei den Sonderdelikten um eine relative Modifizierung, also um eine relative Steigerung oder Minderung des Unwertgehalts der gleichen Rechtsgutsverletzung aufgrund der Sonderbeziehung handelt, im Schrifttum noch nicht voll durchgesetzt hat, ist zumindest die Möglichkeit der Unrechtssteigerung aufgrund einer Sonderbeziehung in der Strafrechtswissenschaft allgemein anerkannt. 102
Siehe oben 1. Abschnitt, B.II.2.b)bb)(l). Zur Unterscheidung von Unterlassungsgemein- und Unterlassungssonderunrecht näher Langer, Sonderverbrechen, S. 504f. 104 Vgl. dazu ausführlich Langer, Sonderverbrechen, S. 398ff. (speziell 412 f.). 103
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
119
Sie findet in der Unterlassungsdogmatik darin ihren Ausdruck, daß nahezu einhellig eine unrechtssteigernde Sonderbeziehung (= Garantenstellung) für das dem Begehungsdelikt entsprechende Unterlassen vorausgesetzt wird. Da eine andere Steigerung des Unterlassensunwerts als über eine die Dringlichkeit der Handlungspflicht relativ steigernde Sonderbeziehung für den Ausgleich des aus der fehlenden Finalität resultierenden minderen Unterlassensunrechts im Rahmen des § 13 nicht möglich ist, muß dieser Sonderbeziehung des Unterlassenden zu dem bedrohten Rechtsgutsobjekt die entscheidende Bedeutung für die Ermittlung der „Entsprechung" von Handeln und Unterlassen zukommen. Obwohl also in § 13 Abs. 1 das Erfordernis einer Sonderbeziehung des Unterlassenden mit keinem Wort erwähnt ist - das Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" erschöpft sich, wie oben ausführlich nachgewiesen wurde, in der Forderung, daß es sich bei der verletzten Handlungspflicht um eine Rechtspflicht handeln muß, an deren Verletzung rechtliche Folgen geknüpft sind (daher: „rechtlich einzustehen hat") - kann also mit Hilfe der objektivteleologischen Auslegungsmethode im Rahmen des Entsprechenserfordernisses immerhin die Notwendigkeit einer Sonderbeziehung als Voraussetzung des Unterlassensunrechts geortet werden 105 . Immer noch nicht geklärt ist damit die Frage, ob denn mit dem Vorliegen einer Sonderbeziehung eine solche Unrechtssteigerung gegeben ist, daß gerade der spezifische Unrechtsgehalt des betreffenden Begehungsdelikts erreicht wird oder, anders ausgedrückt, daß das in dem Gemeinunterlassen liegende geringere Unrecht gegenüber dem gemeinen Tätigkeitsdelikt gerade (im Regelfall) ausgeglichen wird.
II. Die Bestimmung der sonderunwertbegründenden Merkmale Hier ist zunächst festzustellen, daß es „die Sonderbeziehung", „die Garantenstellung", die eine spezifische Unwertsteigerung um einen jeweils gleichen relativen Unwertgehalt bewirkt, überhaupt nicht gibt. Vielmehr zeigen die im Strafgesetzbuch geregelten Sonderdelikte, daß es unterschiedliche Sonderbeziehungen gibt, denen im Rahmen der verschiedenen Rechts105 v g l Langer, Festschrift für Richard Lange, S. 243f.; zur Garantenstellung als Voraussetzung des „Entsprechens" Androulakis, Studien, S. 233: Die Unterscheidung zwischen dem Garantenproblem und dem „Gleichwertigkeitsproblem" sei auf der Bewertungsebene sinnlos. Normativ sei die „Gleichwertigkeitsfrage" (hier: Entsprechensfrage) nichts anderes als die Garantenfrage (hier: Frage der Sonderbeziehung); vgl. weiter Baumann, AT, § 18 I I 2 (S. 254): Daß nicht jede Rechtspflicht, sondern nur solche höherer Verbindlichkeitsstufen ein Unterlassen dem Handeln „gleichstellen" könnten, diesem Gedanken versuche § 13 mit der Entsprechensklausel Rechnung zu tragen; nach Cramer, JuS 1964, S. 367, ist die „Gleichstellung" mit der Garantenstellung gegeben, eine zusätzliche „Gleichstellung" sei nie erforderlich.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
gutsverletzungen ein unterschiedliches Gewicht beigemessen wird. Mit anderen Worten, die Sonderbeziehung hat nicht in allen Fällen gleichen Anteil am Gesamtunwert des Sonderdelikts, vielmehr ist das Gewichtsverhältnis von absolutem und relativem Unwertelement 106 von Delikt zu Delikt verschieden 107 . Sehr anschaulich läßt sich dies an den gesetzgeberischen Wertungen vor der Neufassung des Strafgesetzbuches vom 1. Januar 1975 zeigen, wo etwa die Sonderbeziehung bei einem amtlichen Anvertrautsein als intensiver angesehen wurde als bei einem privaten Anvertrautsein und dementsprechend bei Unterschlagung der gleichen Sache (also bei gleichem absoluten Unrechtsunwert) der Unwertgehalt der Amtsunterschlagung (§ 350 a.F.) höher angesetzt wurde als der einer veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 Abs. 1, 2. Halbsatz a.F.), während gar die unter Ehegatten oder von Eltern an ihrem Kind begangene Unterschlagung („Verwandte aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie") gem. § 247 Abs. 2a.F. als nicht strafwürdig angesehen wurde 1 0 8 . Doch auch die Tatsache, daß neben manchen Gemeindelikten im gegenwärtigen Strafgesetzbuch keine korrespondierenden Sonderdelikte vertatbestandlicht sind, bei anderen wiederum aus den vielen denkbaren Sonderbeziehungen nur ein eng begrenzter Kreis von einem Sonderdeliktstatbestand erfaßt ist, zeigt, daß der Gesetzgeber den Sonderbeziehungen von Delikt zu Delikt verschiedenen unwertmodifizierenden Gehalt zumißt. Die Sonderbeziehungen als relative Unwertelemente variieren daher das Unwertniveau von Rechtsgutsverletzungen in der Weise, daß sie hinsichtlich ihres Einflusses auf den Gesamtunwert eine gleitende Skala bilden, die von einem Maximum an Unwertsteigerung über völlig geringfügige Gemeinunwertmodifizierungen bis zur maximalen Unwertminderung reicht 1 0 9 . Allein aus der Erkenntnis, daß es überhaupt unwerterhöhende Sonderbeziehungen gibt, läßt sich daher nicht der Schluß ziehen, daß bei Vorliegen einer Sonderbeziehung des Unterlassenden zum bedrohten Rechtsgutsobjekt die Unterlassung den gleichen Unwertgehalt erreicht wie das betreffende Begehungsdelikt 110 . Insofern kann auch den im Strafgesetzbuch positivierten Unterlassungssonderdelikten keine für § 13 verbindliche gesetzgeberische Wertaussage entnommen werden, da auch hier nur die gerade für die spezi106 Zur Unterscheidung von absoluten und relativen Unwert- bzw. Unrechtselementen näher Langer, Sonderverbrechen, S. 394ff. 107 Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 413, 448f. 108 Daß diese Straflosigkeit mit der Kategorie des „persönlichen Strafausschließungsgrundes" nicht befriedigend erfaßt werden konnte, sondern daß es sich hierbei auch um eine Modifikation des Unrechtsgehaltes aufgrund der Sonderbeziehung handelte, hat Langer, Sonderverbrechen, S. 417 ff., nachgewiesen. 109 vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 413, 448f. 110 Vgl. Arzt, JA 1980, S. 555, der von stärkeren und schwächeren Garanten spricht; auch Welzel, Lehrbuch, S. 222, unterscheidet nach der Stärke der Garantenstellung, wenn er von Fällen spricht, in denen ein „besonders enges Schutzverhältnis" besteht.
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
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fische Rechtsgutsverletzung bedeutsame Unwertmodifizierung erfaßt ist, die keine Schlüsse auf die Bedeutung der Unwertmodifizierung bei anderen Rechtsgutsverletzungen zuläßt. Schon angesichts der im Hinblick auf die Unwertmodifizierungen gleitenden Skala von Sonderbeziehungen wird deutlich, daß eine abstrakte Bestimmung „der Sonderbeziehung" nach allgemeingültigen Kriterien in Abgrenzung zum „Quivis ex populo", der mit seiner Handlung oder Unterlassung nur ein Gemeinunrecht verwirklicht, nicht eindeutig vorgenommen werden kann. Zwar lassen sich den im Strafgesetzbuch positivierten Sonderbeziehungen gewisse allgemeine Merkmale entnehmen, die sich als gemeinsame, einen Sonderunwert begründende Voraussetzungen darstellen, doch fragt sich, ob daraus wiederum auf deduktivem Wege konkrete Ergebnisse für die Anwendung des § 13 gewonnen werden können. Hier ist zunächst noch einmal hervorzuheben, daß es dabei grundsätzlich um zwei Prüfungsschritte geht, die sich in folgenden Fragen formulieren lassen. Die erste Frage lautet, ob der vom Unterlassenden verletzten Rechtspflicht zum Handeln überhaupt eine Sonderbeziehung zugrunde liegt, aufgrund derer eine (relative) Unrechtssteigerung der Unterlassung gegeben ist. Doch ist mit der bejahenden Beantwortung dieser Frage noch nichts über ein „Entsprechen" der Unterlassung mit dem Tun gesagt. Die letztlich entscheidende Frage lautet vielmehr, ob mit dieser Unrechtssteigerung der (zumindest annähernd) gleiche Gesamtunwertgrad der Unterlassung erreicht wird, wie er für das in Bezug genommene Begehungsdelikt vorausgesetzt wird. Sichtet man zur Bestimmung der Merkmale der Sonderunwertbegründung die gesetzlich normierten Sonderdelikte, so ist festzustellen, daß Voraussetzung von Sonderbeziehungen jeweils das Bestehen eines besonderen sozialen Einflußbereichs ist. Im Unterschied zu den Subjekten des allgemeinen sozialen Einflußbereichs, der Voraussetzung jeglichen Unrechts überhaupt ist 1 1 1 , sind die Personen mit besonderem sozialen Einflußbereich der Zahl und Art nach konkretisiert; sie nehmen gegenüber den betreffenden Gemeinschaftswertobjekten, den Rechtsgutsobjekten, gewissermaßen eine Schlüsselstellung ein, die sie im Verhältnis zu diesen Rechtsgutsobjekten aus der Zahl der übrigen Rechtsgenossen hervorhebt und kraft welcher die Unversehrtheit dieser Werte in besonderem Maße von ihnen abhängt 112 . Doch handelt es sich bei der Schlüsselstellung nur um eine gemeinsame Voraussetzung allen Sonderunrechts; das eine Abgrenzung zum Gemeinunrecht ermöglichende Kriterium ist damit noch nicht bezeichnet, da es „Schlüsselstellungen" gibt, die eindeutig nicht die Grundlage für ein Sonderunrecht abgeben. So hat etwa der Spaziergänger, der einem einsamen Kind beim 111 112
Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 401. Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 401.
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
Spielen zuschaut, diesem gegenüber eine Schlüsselstellung etwa im Sinne eines Rettungsmonopols. Wenn das fremde Kind beim Spielen in Gefahr gerät, also zum Beispiel in einen Teich fällt und zu ertrinken droht, befindet sich der Spaziergänger wegen seiner Monopolstellung fraglos in einer Schlüsselposition in bezug auf das Rechtsgutsobjekt „Leben des Kindes". Gleichwohl aber begründet sein Unterlassen nach ganz einhelliger Meinimg kein Sonderunrecht 113 . Im Bereich der Handlungsdelikte zeigt das Beispiel der einfachen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1,1. Teilsatz), daß mit dem besonderen sozialen Einflußbereich noch nicht notwendig auch ein Sonderunrecht verbunden ist 1 1 4 . Als entscheidendes Kriterium des Sonderunrechts wird man vielmehr die „Überantwortung" des jeweiligen Rechtsgutsobjekts an das Sondersubjekt (den Täter des Sonderdelikts) zu sehen haben 115 . Diese Überantwortung ist das Ergebnis eines Prozesses im gesellschaftlichen Bewußtsein, indem entweder eine natürliche Nähe zwischen einem Subjekt und einem Rechtsgutsobjekt als besondere anerkannt oder aber eine entsprechende Zuordnung als besondere vorgenommen w i r d 1 1 6 . Innerhalb des besonderen sozialen Einflußbereichs werden also bestimmte Gemeinschaftswertobjekte an bestimmte Subjekte (Sondersubjekte) von der Rechtsgemeinschaft überantwortet. Innerer Grund für die spezifische Überantwortung und damit für die Entstehung von Sonderbeziehungen ist das in der Rechtsgemeinschaft erlebte Bedürfnis, bestimmten Personen besondere Schutzaufgaben über die betreffenden Rechtsgutsobjekte zu übertragen oder spezifische Verfügungsmacht über sie einzuräumen 117 . Maßgeblich für die Begründung des Sonderunwerts sind also nicht etwa eine „natürliche Nähe" bzw. ein besonderer sozialer Einflußbereich des jeweiligen Sondersubjekts in bezug auf das frag113 Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 401. Die sog. Garantenlehren, die allein auf eine solche Monopol- bzw. Schlüsselstellung abheben und etwa die „natürliche Nähe" zum Gefahrenherd oder geschützten Rechtsgutsobjekt als entscheidendes Kriterium ansehen, können daher nicht überzeugen. Vgl. zum Beispiel Androulakis, Studien, S. 159f., der die Nähe zum Rechtsgut(sobjekt) oder Gefahrenherd im Sinne von „vorher daneben sein" als entscheidendes Kriterium des Unterlassungssonderunrechts ansieht. Gerade mit dem „Vorher-Daneben-Sein" w i l l er die Sonderbeziehung von dem allgemeinen Einflußbereich etwa des gem. § 323 c (unterlassene Hilfeleistung) Unterlassenden abgrenzen. Doch auch der Spaziergänger im obigen Beispielsfall ist in Androulakis' Sinn „vorher daneben", ist gleichwohl aber nur nach § 323 c zur Verantwortung zu ziehen. Wenn Androulakis den schon „vorher da-neben Stehenden" dadurch gekennzeichnet sehen will, daß er bereits für die Entstehung der Gefahr hafte, so zeigt dies, daß er offenbar sein Abgrenzungskriterium des „vorher da-neben Stehens" weiter einschränken will. Allerdings ist nicht ersichtlich, was mit dieser Einschränkung gemeint sein soll, denn auch der „klassische" Garant, die Mutter gegenüber dem Wohl ihres Kindes, haftet nicht für die Entstehung jeder Gefahr für ihr Kind, denn eine solche Gefahr kann ohne einen ihre Haftung begründenden Umstand völlig zufällig, und damit ihr nicht zurechenbar, entstehen. 114 Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 407 f. 115 Langer, Sonderverbrechen, S. 406 ff. 116 Langer, Sonderverbrechen, S. 401. 117 Letzteres führt zur Unrechtsminderung.
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
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liehe Wertobjekt, sondern allein die Wertanschauungen der Rechtsgemeinschaft, nach denen sich die Frage der Überantwortung eines Rechtsgutsobjektes an ein Sondersubjekt richtet 1 1 8 . Wann nun aber ein im besonderen Einflußbereich befindliches Rechtsgutsobjekt von der Rechtsgemeinschaft dem diesen Bereich beherrschenden Subjekt überantwortet wird, läßt sich nicht allgemein beantworten. Vielmehr knüpft die Überantwortung von Sondertatbestand zu Sondertatbestand an unterschiedliche Voraussetzungen an. So bedarf es manchmal keiner Mitwirkung des Sondersubjektes; die Überantwortung erfolgt hier bei Vorliegen eines bestimmten Zustandes, der nicht willentlich vom Sondersubjekt herbeigeführt worden ist. In anderen Fällen ist hingegen eine zielgerichtete Herbeiführung des den Anknüpfungspunkt der Überantwortung bildenden Zustandes erforderlich, wie etwa bei der veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 S. 2) durch die Annahme entgegengebrachten Vertrauens oder bei § 332 (Bestechlichkeit) durch Eintritt in das Beamtenverhältnis 119 . Jedenfalls ist festzustellen, daß es ein allgemeingültiges Kriterium für das „Wann" der Überantwortung nicht gibt. Die Bedingungen, unter denen ein Verletzungsobjekt von der Rechtsgemeinschaft einer bestimmten Person überantwortet wird, richten sich jeweils nach der Art des Schutzobjektes und nach seinem Verhältnis zu dem betreffenden Subjekt; sie entziehen sich einer über das bisher Festgestellte hinausreichenden rationalen Analyse und lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen 1 2 0 . Maßgeblich ist in jedem Einzelfall allein das oben aufgezeigte Motiv, nämlich das von der Rechtsgemeinschaft erlebte Bedürfnis, dem Sondersubjekt eine spezifische Schutzaufgabe zu übertragen oder (als Fall der Unrechtsminderung) eine spezifische Verfügungsmacht einzuräumen 121 . Entsprechend richtet sich auch die Frage nach der Stärke und Intensität einer Sonderbeziehung, von der wiederum die Stärke bzw. der Grad der Unwertmodifizierung und damit das Problem der Entsprechung abhängig ist, nach dem in der Rechtsgemeinschaft erlebten Bedürfnis, ein bestimmtes Rechtsgutsobjekt dem Sondersubjekt in einem stärkeren oder geringeren Maße zu überantworten 122 . Die Artikulierung dieses in der Rechtsgemein118
Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 407 f. Näher dazu Langer, Sonderverbrechen, S. 408. 120 Langer, Sonderverbrechen, S. 408; vgl. auch Stratenwerth, AT, Rn. 996, nach dem die Steigerung der Verantwortlichkeit von bestimmten sachlichen Voraussetzungen abhänge, die sich „vorerst zwar annäherungsweise, aber noch keineswegs hinreichend präzis formulieren lassen". 121 Langer, Sonderverbrechen, S. 408f. 122 v g l Androulakis, Studien, S. 220: Nicht jedes Garantenunterlassen sei dem Tun „gleich(un) wertig". Diese Frage hänge vielmehr mit den „Gegebenheiten der Gegenwart zusammen, also mit dem jeweils vorherrschenden weltanschaulichen, politischen, im allgemeinen sozialen Klima". Danach bewerte sich die Wichtigkeit, die „solchen festen Momenten" beigemessen werden solle, wie dem Grade der Blutsver119
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1. Teil: Der Regelungsgehalt des § 13
schaft erlebten Bedürfnisses der Überantwortung eines im besonderen sozialen Einflußbereich befindlichen Rechtsgutsobjekts an das diesen Bereich beherrschende Subjekt hat der Gesetzgeber in den Sonderdeliktstatbeständen des Besonderen Teils im Strafgesetzbuch vorgenommen, indem er dort bei einzelnen Rechtsgutsverletzungen bezeichnet hat, welche Sonderbeziehungen den Unwert welcher Rechtsgutsverletzungen wie stark modifizieren und welche Sonderbeziehung überhaupt erst die Strafwürdigkeit einer Rechtsgutsverletzung begründet. m . Die fehlende Angabe der Sonderpflichtvoraussetzungen in § 13 Demgegenüber überläßt der Gesetzgeber die grundsätzliche Feststellung des „Wann" und des Intensitätsgrades der Überantwortung, aus dem sich das Maß der relativen Abwandlung des Unwertgehalts der betreffenden Rechtsgutsverletzung durch Unterlassen ergibt, im Rahmen der Unterlassungsbestrafung nach § 13 vollständig der Rechtsprechung. Dem Richter obliegt damit bei jeder Einzelfallentscheidung zunächst die Feststellung der herrschenden Wertanschauung der Rechtsgemeinschaft 123 darüber, ob ein bestimmtes Rechtsgutsobjekt einem bestimmten Subjekt in der Weise überantwortet ist, daß das Unrecht einer von diesem Subjekt unterlassenen Abwendung einer Gefährdung oder Verletzung dieses Rechtsgutsobjekts so gesteigert ist, daß es der gedachten Rechtsguts Verletzung durch ein Tun „entspricht". Für diese grundlegende Wertung gibt das Gesetz mit § 13 dem Richter keinerlei Maßstab an die Hand, es überläßt ihm bereits die Aufstellung der Voraussetzungen dessen, was strafwürdiges und strafbares Unrecht zu sein hat, so daß er zu einer originären Unrechtsbestimmung gezwungen ist 1 2 4 . wandtschaft, der Befindlichkeit des Opfers im Herrschaftsbereich des Unterlassers oder der Monopolstellung zur Erfolgsabwendung. 123 Langer, Sonderverbrechen, S. 290, spricht auch von dem „Wertbewußtsein der tonangebenden Schichten der Gemeinschaft. 124 Vgl. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 337, nach dem diese Entscheidung nicht mehr in den Bereich der dem Richter sonst obliegenden Subsumtionstätigkeit gehöre. Es gehe nämlich danach auch im konkreten Einzelfall zunächst nicht darum, ob die ermittelten Tatsachen unter eine gegebene Strafvorschrift fielen, sondern vielmehr darum, ob überhaupt eine strafrechtliche Bestimmung existiere, unter die die Tatsachen gebracht werden könnten. Diese Aussage von Schöne ist allerdings mißverständlich. Denn die Suche nach einer „passenden" Vorschrift geht der eigentlichen Subsumtionstätigkeit regelmäßig voraus. Schöne meint indes dasselbe, wie es hier vertreten wird, daß nämlich vor der eigentlichen Subsumtion eine passende Vorschrift nicht nur zu finden, sondern vom Richter selbst zu bilden ist, wobei wiederum das Gesetz nicht einmal eine brauchbare „Bauanleitung" zur Verfügung stellt; vgl. auch Androulakis, Studien, S. 232. Zu § 13 Entwurf 1962 bereits Grünwald, ZStW Bd. 76 (1964), S. 7 (die Strafwürdigkeit werde hier zum Kriterium für die Strafbarkeit), und bereits zu § 13 Entwurf 1957, ders., ZStW Bd. 70 (1958), S. 421 ff., insbesondere S. 423: Die Festlegung des Maßstabes der Wertung sei in die Hände des Richters gelegt; s. auch S. 416: Der einzige Maßstab für die Strafbarkeit von Garantenunterlassungsdelikten sei das Rechtsgefühl des Richters.
5. Abschn.: Das Entsprechenserfordernis
125
Damit erhebt sich die Frage, ob diese Regelung mit dem Verfassungspostulat des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz vereinbar ist, nach dem eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Denn, wie gesehen, läßt sich - anders als bei den im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches geregelten Sonderdelikten dem Gesetz in § 13 nicht entnehmen, an welche Sonderbeziehung bei welcher unterlassenen Erfolgsabwendung eine Strafe über § 13 geknüpft werden kann. Im strafrechtlichen Schrifttum herrscht hinsichtlich der Tauglichkeit und damit der Anwendbarkeit des § 13 insgesamt Unbehagen. Denn man geht, wie gezeigt, auch davon aus, daß eine Sonderbeziehung (Garantenstellung) Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 13 ist, wenngleich man dies zumeist nicht - wie es hier als sachgerecht dargelegt worden ist - dem Entsprechenserfordernis entnimmt, sondern meint, die Notwendigkeit einer solchen Beziehung dem Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat..." entnehmen zu können. Da hingegen - wie hier nachgewiesen — in Wahrheit diesem Merkmal das Erfordernis einer besonderen, gesteigerten Handlungspflicht nicht entnommen werden kann, können sich aus ihm erst recht nicht die Voraussetzungen einer solchen unwerterhöhenden Sonderpflicht ergeben. Während also zwar die erste Erkenntnis häufig geleugnet wird, kommt man schließlich nicht umhin zuzugeben, daß die Voraussetzungen dieser Sonderpflichten hier nicht - wie in den Sonderdeliktstatbeständen des Besonderen Teils - gesetzlich angegeben sind 1 2 5 . Auch für die herrschende Meinung in der Literatur stellt sich damit das Problem der Verfassungsmäßigkeit des § 13 als Frage der gesetzlichen Strafbarkeitsbestimmung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. Daher soll die Diskussion, ob die Regelung in § 13 mit dem Verfassungsgebot „nulla poena sine lege" des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz vereinbar ist, mit einer Beleuchtung der Erörterung dieser verfassungsrechtlichen Problematik im Schrifttum beginnen.
125 Vgl. nur Schänke / Schröder / Stree, §§ 13ff. Vorbem., Rn. 146: Bei den „unechten" Unterlassungsdelikten fehlten exakte Beschreibungen der Tatbestands Voraussetzungen. § 13 liefere nur ungenaue Anhaltspunkte.
Zweiter
Teil
D i e V e r e i n b a r k e i t der Regelung i n § 13 m i t d e m Verfassungsgrundsatz der gesetzlichen Strafbarkeitsbestimmung ( A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz) 1. Abschnitt
§ 13 im Lichte des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz im gegenwärtigen Schrifttum Während die Rechtsprechung zu § 13 die verfassungsrechtliche Problematik dieser Vorschrift, soweit ersichtlich, ausnahmslos übergeht, wird in der Literatur in bezug auf die fehlende gesetzliche Angabe von Wertungskriterien für die Entsprechensfeststellung bzw. für die Ermittlung der sonderpflichtbegründenden Umstände die Möglichkeit einer Diskrepanz zu Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz grundsätzlich nicht geleugnet1. Dabei wird auf der einen Seite der Gesetzlichkeitsgrundsatz als fundamentales Prinzip des deutschen Straf rechts bezeichnet2. Das sich nach allgemeiner Ansicht aus diesem Prinzip ergebende Gebot der Bestimmtheit der gesetzlichen Straftatbestände solle sicherstellen, daß der einzelne von vornherein wisse, was strafrechtlich verboten ist, daß jedermann vorhersehen könne, welches Verhalten mit welcher Strafe bedroht ist 3 . Die Garantie einer gesetzlichen Grundlage für die Strafbarkeit einer Tat würde keine wirkliche Rechtssicherheit gewährleisten, wenn der Gesetzgeber durch unscharfe Fassung der Straftatbestände einer eigenen Entscheidung ausweichen und die Bestimmung darüber, was strafbar sei und was nicht, dem Richter überlassen 1 Anders Wessels , AT, §§2, 16, der hierzu kein Wort verliert, obwohl er einerseits davon ausgeht, daß die eine Garantenstellung begründenden Umstände ungeschriebene Tatbestandsmerkmale seien (§ 16 I I 4), und er andererseits bei der Behandlung der Garantiefunktion des Strafgesetzes (§ 2 I) feststellt, daß nur ein geschriebenes Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung begründen könne (wobei er unter „Handlung" auch das Unterlassen einer Handlung versteht, § 3 I I 2 c) und die einzelnen Strafbarkeitsvoraussetzungen vor Begehung der Tat im Gesetz festgelegt sein müßten. 2 Vgl. Jescheck, Einführung S. 14, und AT, § 15 (S. 100); Tröndle, Leipziger Kommentar, § 1 Rn. 1; Geerds , Einzelner und Staatsgewalt, S. 22. 3 Vgl. beispielhaft Tröndle, Leipziger Kommentar, § 1 Rn. 12; Schänke / Schröder / Eser, § 1 Rn. 20; Jescheck, Einführung, S. 14; Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 1 Rn. l l f .
1. Abschn.: Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 im Schrifttum
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dürfte 4 . Der Wille des demokratischen Gesetzgebers müsse deshalb so deutlich zum Ausdruck gebracht werden, daß eine „subjektiv-eigenmächtige" Entscheidung des Richters ausgeschlossen sei5. Da der Grad der Bindung des Richters an das Gesetz durch den Grad der Genauigkeit bestimmt werde, mit dem der Gemeinwille im Gesetz niedergelegt sei, müßten folglich hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Strafgesetzes gestellt werden 6 . Wenn auch unter verschiedener Gewichtung der einzelnen Aspekte, so entsprechen diese allgemeinen Überlegungen der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der staatlichen Strafe anhand eines demokratischen Gesetzes - und damit der Ausschluß richterlicher Willkür - der herrschenden Meinung im Schrifttum, das sich hierbei auf die an späterer Stelle 7 näher zu untersuchende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen kann. Auf der anderen Seite hingegen vermißt man weitgehend die konsequente Beachtung und Umsetzung dieser allgemeinen Grundsätze bei der verfassungsrechtlichen Erörterung des § 13 in der Literatur, wie die folgende kritische Darstellung aufzeigen wird.
A. Die Stellungnahmen für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 13 So heißt es etwa bei Jescheck, Bedenken hinsichtlich des Analogieverbotes in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz seien danach heute nicht mehr begründet, denn der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 13 jetzt ausdrücklich die Strafbarkeit der von Jescheck so genannten „unechten" Unterlassungsdelikte anerkannt 8 . Dagegen sei dem Bestimmtheitsgebot durch §13 noch nicht in vollem Umfang Genüge getan 9. Zu seiner Erfüllung fehle die Umschreibung der „Garantenstellungen", aus denen sich die Erfolgsabwendungspflicht ergeben könne, und die Kennzeichnung der Umstände, die bei der „Gleichwertigkeitsprüfung" zu berücksichtigen seien 10 . Völlig überraschend kommt Jescheck dann zu dem Schluß, „der von manchen behauptete Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot" liege „jedenfalls nicht vor" 1 1 . Immerhin schiebt er der seinen vorherigen Ausführungen diametral gegenüberstehenden These noch die apodikti4
Jescheck, Einführung, S. 15; vgl. auch ders., AT, § 15 I I I 3 (S. 108). Jescheck, AT, § 15 I I I 3 (S. 108). 6 Jescheck, AT, § 15 I (S. 100), § 15 I I I 3 (S. 107). 7 Siehe unten 2. Abschnitt, B. 8 SchwZStr Bd. 91 (1975), S. 23f.; ebenso Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 13, und Strafrecht AT, § 58 IV 3 (S. 494). 9 SchwZStr Bd. 91 (1975), S. 24; Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 14, und Strafrecht AT, § 58 IV 4. 10 A.a.O. (wie vorige Fußnote). 11 Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 14. 5
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
sehe Feststellung vor, man müsse sich eben mit der „ generalklauselartigen Regelung des Gesetzes" (in § 13) begnügen, da eine „präzisere Erfassung der Merkmale des unechten Unterlassungsdelikts im Allgemeinen Teil nach dem gegenwärtigen Stand der Dogmatik nicht möglich sei" 1 2 bzw. „der Stand der Dogmatik im gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine abschließenden Aussagen im Allgemeinen Teil" erlaube und man Unmögliches vom Gesetzgeber nicht werde verlangen dürfen 13 . Andererseits meint Jescheck wiederum, daß eine Klarstellung, worauf sich die Entsprechensklausel in § 13 beziehe, jedoch möglich gewesen wäre 1 4 . Schon mit dieser letzten Aussage offenbart er die mangelnde Stringenz seiner Begründung, daß Unmögliches vom Gesetzgeber nicht verlangt werden könne. Abgesehen davon ist es gerade die Frage, welche Bedeutung dem Satz „ultra posse nemo obligatur" unter der Geltung des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz im Hinblick auf den Strafgesetzgeber zukommt. Denn gerade aus dem Gebot der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit könnte sich die Forderung ergeben, daß ein nicht genau beschreibbares Verhalten bzw. ein Verhalten unter nicht mit genügender Klarheit anzugebenden Umständen eben nicht für eine gesetzliche Strafbarkeitsregelung in Betracht kommt 1 5 . Um überhaupt mit dem Satz „ultra posse nemo obligatur" in diesem Zusammenhang argumentieren zu können, müßten im übrigen zunächst die beiden Voraussetzungen festgestellt werden, welche die Verwendung dieses Satzes als Argument impliziert. Das ist zum einen die Verpflichtung („obligatur") des Strafgesetzgebers, eine solche (allgemeine) Strafbarkeitsregelung überhaupt treffen zu müssen - womit allgemein die Frage der Aufgabe und Funktion des Strafrechts und damit sein fragmentarischer Charakter angesprochen wären. Zum anderen wäre nachzuweisen, daß eine bessere Regelung als die in § 13 getroffene tatsächlich nicht möglich ist („ultra posse").
12
Leipziger Kommentar, § 13 Rn. 14. 13 SchwZStr Bd. 91 (1975), S. 24. 14 SchwZStr Bd. 91 (1975), S. 24. 15 Vgl. Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 20, VI. Rn. 48 (Fußn.2): Sei ein Gegenstand nicht konkretisierbar, so sei er zugleich der Normierung durch Gesetz verschlossen; vgl. auch Starck, W D S t R L Bd. 34 (1976), S. 43ff. (80f.): Eine Strafidee dürfe nicht ohne Rücksicht auf ihre tatbestandliche Präzisierungsmöglichkeit Gesetz werden. Starck hält daher die allgemeine Umschreibung eines Unterlassungstatbestandes in § 13 für „gefährlich". Zur Fragwürdigkeit der dargestellten Argumentation Jeschecks unter dem Aspekt des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz vgl. bereits Hellmuth Mayer, Strafrecht AT, S. 81: Der Einwand, man könne diese Materie (der Unterlassungen) nicht mit Bestimmtheit regeln, richte sich direkt gegen den Verfassungsgrundsatz „nulla poena sine lege", „denn dieser Grundsatz w i l l ja nun einmal das Risiko eingehen, daß unvorhergesehene strafwürdige Fälle zunächst straflos bleiben".
1. Abschn.: Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 im Schrifttum
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Beide Nachweise s i n d weder v o n Jescheck n o c h v o n den ü b r i g e n A u t o r e n , welche dieses A r g u m e n t verwenden, geführt w o r d e n 1 6 . V i e l m e h r w i r d die U n m ö g l i c h k e i t einer besseren gesetzlichen L ö s u n g i n a u f f ä l l i g a p o d i k t i scher Weise behauptet, w o b e i m a n w i e d e r u m g l a u b t , dieser B e h a u p t u n g m i t dem H i n w e i s auf die G e w ä h r l e i s t u n g eines lückenlosen,
umfassenden
Rechtsgüterschutzes d u r c h das Strafrecht N a c h d r u c k verleihen z u k ö n n e n 1 7 . Dieser Gedanke spiegelt sich auch i n d e m a r g u m e n t a t i v e n R ü c k z u g auf die „ V i e l g e s t a l t i g k e i t des Lebens", derer der Gesetzgeber sonst n i c h t „ H e r r w e r d e n " k ö n n e 1 8 , w i d e r . Jedoch k a n n ein lückenloser Rechtsgüterschutz, eine umfassende „ D u r c h n o r m i e r u n g "
aller Lebensbereiche n i c h t
Aufgabe des Strafrechts sein, was an sich g r u n d s ä t z l i c h i n der Strafrechts-
16 Stattdessen gehen etwa die Verfasser des Alternativentwurfes eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil (2. Aufl. 1969), S. 203, von der Möglichkeit einer besseren Regelung der Unterlassensstrafbarkeit aus, wenn sie zu erkennen geben, daß sie „immer stärker" zu Einzelnormierungen im Besonderen Teil anstatt zu einer Generalklausel im Sinne des § 13 „neigen"; für eine Regelung im Besonderen Teil etwa auch Grünwald, ZStW Bd. 70 (1958), S. 412 ff. (425ff.). Das ausländische Strafrecht kann hier nur beschränkt als Vorbild dienen. In einigen Rechtsordnungen, die auch das jedenfalls formell deklarierte Prinzip der Gesetzesbestimmtheit enthalten, wie etwa diejenigen der Schweiz (Art. 1 StGB i.V.m. Art. 4 Bundesverfassung), Spaniens (Art. 9 Nr. 3, Art. 25 Nr. 1 der span. Verfassung sowie Art. 23 Código Penal), Österreichs (wo es allerdings nicht Verfassungsrang hat, sondern nur in § 1 des StGB positiviert ist, vgl. Kienapfel, Österr. Strafrecht, AT, S. 54, und Jescheck / Goldmann, ZStW 77 (1965), S. 129), der USA (in den Verfassungen der Einzelstaaten und in Art. 1 No. 9 und 10 der US-Verfassung) sowie weiterhin Belgiens, Frankreichs und anderer, gibt es entweder eine dem deutschen § 13 entsprechende Vorschrift (§ 2 österr. StGB, vgl. dazu Kienapfel, ÖJZ 1976, 197), oder es werden „unechte" Unterlassungsdelikte in ähnlicher Weise wie in der Bundesrepublik vor Erlaß des § 13 für strafbar erklärt und verfolgt (etwa in Spanien, vgl. dazu Gimbemat Ordeig, in: Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, Bd. 6, S. 389ff., und im schweizerischen Strafrecht, vgl. Noll, Schweizerisches Strafrecht, AT I, § 31, wo allerdings auch Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip erhoben werden, vgl. Hans Schultz, Einführung, § 9 IV 2). Hingegen herrscht etwa in Frankreich und Belgien die Auffassung, daß das Gesetzlichkeitsprinzip einer durch Richterrecht in Anknüpfimg an die Begehungstatbestände erfolgenden Bestrafung von „unechten" Unterlassungsdelikten entgegensteht. In Frankreich folgerte man schon früh aus dem Vorhandensein des Art. 312 Code pénal (der dem deutschen § 223b - Pflichtvernachlässigung gegenüber Schutzbefohlenen - ähnlich ist) im Umkehrschluß die Straflosigkeit der Unterlassung in allen übrigen Fällen, vgl. Garçon, Art. 295 Nr. 28. Doch man kommt heute auch in Frankreich mit den verhältnismäßig weit gefaßten Tatbeständen der unterlassenen Verbrechensanzeige (Art. 62 Abs. 1 Code pénal), der unterlassenen Verbrechenshinderung (Art. 63 Abs. 1) und der unterlassenen Hilfeleistung (Art. 63 Abs. 2) nicht völlig aus, sondern bestraft vorsätzliche Unterlassungen als fahrlässige Begehungsdelikte, vgl. dazu Jescheck / Goldmann, a.a.O., S. 145ff. Im amerikanischen Recht ist demgegenüber das Verhältnis von gesetzlich nicht geregelten Unterlassungsdelikten zum Gesetzlichkeitsprinzip unproblematisch, weil hier unter dem Oberbegriff „law of the land" (= „lex") nicht nur das gesetzlich fixierte Recht (statutory law), sondern auch die Regeln des in jahrhundertelanger Praxis empirisch am Einzelfall entwickelten Richterrechts (common law) fallen, vgl. Honig, in: Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, Bd. 4, S. 40ff., 43ff. 17
Etwa Nickel, Problematik, S. 30. Dagegen schon Hellmuth Mayer, Materialien, S. 259, 260f. iß Vgl. BVerfGE 28, 175 (183). 9 Schürmann
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
Wissenschaft anerkannt 19 und auch vom Bundesverfassungsgericht dargelegt worden ist 2 0 , von den Befürwortern der Unmöglichkeit einer besseren Regelung in diesem Zusammenhang aber übergangen wird. Ganz abgesehen von diesen Fragen kann den Ausführungen Jeschecks schon deswegen nicht gefolgt werden, weil kein wie auch immer geartetes Argument einen Verfassungsverstoß rechtfertigen kann. Auf nichts anderes stellt Jescheck aber offensichtlich ab, wenn er sagt, dem Bestimmtheitsgebot sei durch § 13 noch nicht in vollem Umfang Genüge getan, denn es fehle die Umschreibung der Garantenstellung und die Kennzeichnung der Umstände, die bei der „Gleichwertigkeitsprüfung" zu berücksichtigen seien. Nur aus einer dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot in vollem Umfang genügenden Strafvorschrift kann indes eine verfassungsmäßige Bestrafung erfolgen. Steht also fest, daß dem Bestimmtheitsgebot nicht Genüge getan ist, dann interessieren auch die gesetzgeberischen Gründe nicht, die für die ungenügende Regelung angeführt werden. Der Richter darf nach dieser Vorschrift keine Strafe aussprechen, mag er auch selbst das Verhalten noch so strafwürdig finden 21 . Somit steht Jeschecks Schlußfolgerung, ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot liege jedenfalls nicht vor, in Widerspruch zu seiner eigenen Prämisse, dem Bestimmtheitsgebot sei noch nicht (in vollem Umfang) Genüge getan. Die Konsequenz aus seiner Prämisse wäre vielmehr die Verfassungswidrigkeit jeder Unterlassungsbestrafung nach § 13 - es sei denn, Jescheck benutze hier zwei verschiedene Bestimmtheitsgebote, wobei aber völlig offen bliebe, welches andere Bestimmtheitsgebot als das des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz denn gemeint sein sollte, dem nach Jeschecks Ansicht noch nicht in vollem Umfang Genüge getan sei 22 . Ähnlich unbefriedigend sind die Äußerungen zahlreicher anderer Autoren. So beschränke sich § 13 als Regelung der „unechten" Unterlassungsdelikte auf eine allgemeine Richtlinie, die keinerlei scharf umrissene Konturen 19 Vgl. nur Jescheck, Strafrecht AT, § 7 11 und I I (S. 38 und 40); Schmidhäuser, AT 5/27, sowie näher etwa Peters, ZStW Bd. 77 (1965), S. 470 (475ff.). 20 BVerfGE 39, 1 (47). 21 Vgl. Langer, Sonderverbrechen, S. 274: Selbst ein äußerst verwerfliches Verhalten sei strafrechtlich irrelevant, wenn die Tat nicht nach Art und Straffolgen gesetzlich bestimmt sei. 22 Vgl. auch schon zur Lage vor Inkrafttreten des § 13 Jescheck, ZStW Bd. 77 (1965), S. 109 (133), wonach mit der Anerkennung von Rechtspflichten, deren Verletzung als Unterlassungsdelikt bestraft werde, der Bereich der gesetzlichen Tatbestände verlassen sei. Es bleibe aber eine „Überprüfung der Rechtsprechung nach rationalen Gesichtspunkten möglich". Die Möglichkeit einer vernunftmäßigen Überprüfung der Rechtsprechung kann aber wohl nicht ernsthaft als ausreichendes Kriterium für die Beurteilung der Frage angesehen werden, ob dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz Genüge getan ist. Denn auch ohne jegliches Gesetz könnte etwa ein „reines Richterrecht" nach rationalen Gesichtspunkten überprüft werden.
1. Abschn.: Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 im Schrifttum
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aufweise 23 . Die ungenaue Umschreibung der Tatbestandsvoraussetzungen bedeute „einen Verzicht auf rechtsstaatliche Bestimmtheit". Gleichwohl werde man „angesichts der in der Rechtslehre und Rechtsprechung herausgearbeiteten Garantenmerkmale keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) erblicken können" 2 4 . Auch hier bleibt die sich geradezu aufdrängende Frage unbeantwortet, worin denn der Unterschied zwischen dem „verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot", gegen das nicht verstoßen werde, und der „rechtsstaatlichen Bestimmtheit", auf die verzichtet werde, bestehen soll. Ist im übrigen eine (wie auch immer im einzelnen zu definierende) „Bestimmtheit" einmal als ausformender, konstituierender Bestandteil des Rechtsstaates erkannt („rechtsstaatliche Bestimmtheit"), so kann nicht auf sie verzichtet werden, ohne daß damit zugleich die Rechtsstaatlichkeit selbst aufgegeben würde. Wie ungut ihm bei seiner Schlußfolgerung ist, bringt der Autor im anschließenden Absatz 25 zum Ausdruck, den er mit den Worten beginnt: „Ist auch die Verfassungsmäßigkeit zu bejahen, so lassen sich dennoch gegen § 13 angesichts seines wenig aussagekräftigen Inhalts erhebliche Bedenken geltend machen". Es folgt der Hinweis auf die „indes" angeblich jedenfalls zur Zeit noch unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich einer genaueren Regelung entgegenstellten. Man werde sich daher „vorerst" mit der „unvollkommenen Regelung des § 13 abfinden müssen". Daß dieses Argument so nicht überzeugen kann, hat bereits die kritische Betrachtung der Thesen von Jescheck ergeben. Offensichtlich auch wegen eben dieser unüberwindlichen Hindernisse, die zumindest „einer Regelung bei den einzelnen Tatbeständen" im Wege stünden, hält Tröndle 26 die verfassungsrechtlichen Bedenken für unbegründet. Nach seiner Meinung „bemüht sich" die Vorschrift des § 13, „die Problematik des unechten Unterlassungsdelikts in einer Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz besser entsprechenden Weise... auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen". Hier findet das ungute Gefühl Eingang in die Formulierung, denn das entscheidende Problem des § 13 ist nicht erst das „Bemühen" um die Verbesserung einer bereits verfassungsmäßigen Regelung. Einer Klärung bedürftig ist vielmehr zunächst die Vorfrage, ob die neugeschaffene Vorschrift des §13 überhaupt den grundgesetzlichen Mindestanforderungen (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) nachkommt. Nur hierauf beziehen sich nämlich die von Tröndle angeführten, im einzelnen aber nicht näher dargestellten „verfas23
Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 1. Schänke / Schröder / Stree, 20. Aufl., § 13 Rn. 5; etwas vager formuliert jetzt in der Neuauflage, § 13 Rn. 5 („könnte einen Verzicht . . . bedeuten. Gleichwohl . . weiter wie Vorauflage). 25 Schänke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 6. 26 Dreher / Tröndle, § 13 Rn. 1. 24
9*
132
2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
sungsrechtlichen B e d e n k e n " , die m i t dem H i n w e i s auf die „ B e m ü h u n g " der V o r s c h r i f t n u r überspielt, n i c h t aber ernsthaft erörtert w e r d e n 2 7 . L a c k n e r z u f o l g e 2 8 ist auch n a c h E i n f ü h r u n g des § 13 die verfassungsrechtliche P r o b l e m a t i k des „ u n e c h t e n " Unterlassungsdelikts i m H i n b l i c k auf den Bestimmtheitsgrundsatz
nicht
voll
ausgeräumt.
Das Gesetz habe
alle
wesentlichen Sachfragen, die f ü r die A b g r e n z u n g relevant seien, ungelöst gelassen. G l e i c h w o h l „ d ü r f t e " auch n a c h L a c k n e r die Verfassungsmäßigkeit des § 13 n i c h t i n Z w e i f e l zu ziehen sein, w o b e i er auf die „ a l l g e m e i n e n Grundsätze" verweist, „ d i e i n der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung e n t w i c k e l t w o r d e n s i n d (z.B. B V e r f G E 26, 41)". M i t diesem allgemeinen H i n w e i s m a c h t L a c k n e r es sich etwas z u leicht, das seinen vorhergehenden A u s f ü h r u n g e n u n v e r m i t t e l t widersprechende Ergebnis zu begründen. D e n n gerade das v o n i h m angeführte U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts, das die damalige S t r a f v o r s c h r i f t des „ g r o b e n U n f u g s " (§ 360 Abs. 1 N r . 11 a.F.) f ü r verfassungsmäßig erklärte, ist i m w i s senschaftlichen S c h r i f t t u m auf verbreitete A b l e h n u n g gestoßen 2 9 , h a t offenb a r auch den Strafgesetzgeber n i c h t überzeugen können, der die V o r s c h r i f t anschließend gestrichen h a t 3 0 , u n d w i r d heute sogar z u einem der „ b e t r ü b lichsten K a p i t e l der bundesrepublikanischen Verfassungs- u n d Strafrechtse n t w i c k l u n g " g e z ä h l t 3 1 . Abgesehen v o n den A u s f ü h r u n g e n z u m I n h a l t des 27 Vgl. auch Dreher, der, im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform auf die Lösung eines Gastwirtsfalles angesprochen, meint, derartige Einzelfälle könnten allein von der Fassung des Gesetzestextes her nicht entschieden werden, Prot. S. 1867. 28 StGB, § 13 Anm. 7. 29 Vgl. nur F.-C. Schroeder, JZ 1969, S. 775; Hanack, JZ 1970, S. 41 (S. 44, Anm. 35); Schänke / Schröder / Stree, § 1 Rn. 21; Schreiber, Systematischer Kommentar (2. Aufl.), § 1 Anm. 12; Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 1 Rn. 14; Schünemann, NJW 1981, S. 2562; Lemmel, S. 196; schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde die Strafvorschrift des „groben Unfugs" für verfassungswidrig gehalten von Schröder, JR 1964, S. 392 und JZ 1966, S. 649; Lenckner, JuS 1968, S. 305; Schultz, MDR 1965, S. 18; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 154ff.; offenbar auch Woesner, NJW 1963, S. 275 und NJW 1975, S. 857; ablehnend auch Welzel, Straf recht, S. 477, und viele andere, vgl. insbesondere bereits die Bedenken bei v. Bar, GS Bd. 40 (1887), S. 429ff.; anders aber Heinitz, Festschrift für Hirsch, S. 60. 30 Mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz wurden der die Übertretungen enthaltende Teil des Strafgesetzbuches aufgehoben und diese teils zu Vergehen (§12 Abs. 2) aufgewertet, teils aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Entgegen der mit § 301 Entwurf 1962 geplanten Aufwertung zu einem Vergehenstatbestand wurde der „grobe Unfug" dann vom Sonderausschuß nicht mehr für eine Aufnahme in das Strafgesetzbuch vorgesehen. Die Begründung lautete: „Er (der Tatbestand des groben Unfugs - Anm. v. Verf.) ist so wenig bestimmt, daß jedenfalls die Umwandlung in einen Vergehenstatbestand bedenklich wäre" (BTagsDrucks. V/4095, S. 48). Entsprechende Bedenken bestehen aber gegen den neugeschaffenen § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz, der nun die schon vom Reichsgericht (RGSt 31, 185 [192]) gegebene Definition des „groben Unfugs" in fast wörtlicher Übereinstimmung unter der Bezeichnung „Belästigung der Allgemeinheit" wiedergibt. Diese Definition enthält zwar mehr Worte, ist aber ebenso unbestimmt wie der Begriff des „groben Unfugs", vgl. Schänke / Schröder / Eser, § 1 Rn. 21; Göhler, OWiG (Kom.), § 118 Anm. 3. 31 So Schünemann, NJW 1981, S. 2562, nach dem die Erosion des in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gewährleisteten Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege" in
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Bestimmtheitsgebotes in Art. 103 Abs. 2 Grundgestz, muß es angesichts der seinerzeitigen vehementen verfassungsrechtlichen Bedenken in der Wissenschaft in der Tat befremden, wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner nur aus wenigen Zeilen bestehenden Begründung hierauf mit keinem Wort eingeht und stattdessen den Eindruck großer Einmütigkeit im Schrifttum hervorruft 32 . Selbst wenn man aber die Richtigkeit der Thesen des Bundesverfassungsgerichts unterstellt, führte ihre Umsetzung auf die Regelung in § 13 keineswegs selbstverständlich zu dem von Lackner behaupteten Ergebnis. Im Gegenteil erscheint es höchst fraglich, ob „jedermann" anhand des § 13 vorhersehen kann, welches Handeln (Unterlassen) mit welcher Strafe bedroht ist, um sein Verhalten entsprechend einrichten zu können, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt 33 . Da im übrigen „das Gesetz die Strafbarkeitsvoraussetzungen um so präziser bestimmen" müsse, „je schwerer die angedrohte Strafe ist" 3 4 , wären die - verhältnismäßig - strengsten Anforderungen an die Präzision einer gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen von Unterlassungsstrafbarkeit, wie in § 13, zu stellen: Denn in Verbindung mit den schwersten Verbrechenstatbeständen (Totschlag, § 212, eventuell sogar Mord, § 211) werden über § 13 auch die höchsten Strafen des Strafgesetzbuches für Unterlassungen angedroht. Hat aber das Gesetz, wie Lackner meint, alle wesentlichen, für eine Abgrenzung relevanten Sachfragen ungelöst gelassen, so ist es alles andere als selbstverständlich, daß hier eine diesen höchsten Anforderungen gerecht werdende präzise gesetzliche Bestimmung der StrafbarkeitsVoraussetzungen vorliegt 35 . Für Rudolphi 3 6 bringt § 13 gegenüber der früheren Rechtslage kaum Fortschritte. Das Merkmal des „rechtlichen Einstehen-Müssens für den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Unrechtserfolges" laufe letztlich auf eine „bloße Tautologie" hinaus 37 , und es fehle jede Angabe der materiellen Kriteder Preisgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes durch das Bundesverfassungsgericht gipfele (unter Anführung von BVerfGE 26, 41). Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene" Normen, S. 68, zufolge wird das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz vom Bundesverfassungsgericht allgemein unterbewertet. 32 Zum funktionsgefährdenden Prestigeverlust des Bundesverfassungsgerichts bei Übergehen „auch nur gewichtiger Stimmen in der Literatur" bzw. bei „Unterschreiten" des erreichten Niveaus der (Verfassungs-)Rechtswissenschaft Schulze-Fielitz, DVB1. 1982, S. 328ff. (340). Vgl. auch die K r i t i k von Langer, GA 1976, S. 169f. u. 203, am Beschluß des BVerfG vom 17.12. 1975 zur Verfassungsmäßigkeit des § 17 StGB, in dem das Gericht etwa auf die massive Kritik, die in der Wissenschaft an der Regelung des § 17 im Hinblick auf das Schuldprinzip geübt worden ist, nicht eingeht. 33 BVerfGE 26, 41 (42). 34 BVerfGE 26, 43. 35 Zur Rat- und Hilflosigkeit der gerichtlichen Praxis gegenüber der Regelung in § 13 vgl. Schürmann, MDR 1982, S. 374, und (als Praktiker) Schmid, MDR 1982, S. 374f. 36 Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 2 f. 37 Dazu bereits oben 1. Teil, 3. Abschnitt, B.
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rien, nach denen die Frage zu beantworten sei, ob das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspreche oder nicht. Daher würden wohl die gegen die „unechten" Unterlassungsdelikte wegen ihrer mangelnden gesetzlichen Bestimmtheit immer wieder erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken auch nach Schaffung des § 13 nicht verstummen. Gleichwohl, meint Rudolphi, seien sie nicht geeignet, die „unechten" Unterlassungsdelikte als verfassungswidrig zu erweisen 38 . Eine Begründung für diese These, die seinen vorherigen Ausführungen zur Konturlosigkeit und Unbestimmtheit des § 13 zuwiderläuft, führt er nicht an. Stärkere Zweifel kommen bei den folgenden Autoren zum Ausdruck, jedoch werden auch von ihnen die entsprechenden Konsequenzen nicht gezogen. So hegt Eser 39 offensichtlich ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken wegen mangelnder Tatbestandsbestimmtheit, doch schreckt er vor der Konsequenz der Verfassungswidrigkeit der Bestrafung von „unechten" Unterlassungsdelikten zurück. Als Argument führt auch er nur das wie bei den bisher genannten Autoren - nicht näher begründete Postulat an, man müsse sich angesichts des unbestreitbaren Sanktionsbedürfnisses und der erheblichen praktischen Schwierigkeiten, die sich bei einer umfassenden Normierung aller Unterlassungsdelikte stellen würden, nach den Konkretisierbarkeits- und Verhältnismäßigkeitskriterien mit eiher geringeren Bestimmtheit abfinden. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Meint Eser eine geringere Bestimmtheit als die von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz geforderte? Nach Roxin 4 0 läßt sich nach wie vor bestreiten, daß „die an das Bestimmtheitsgebot zu stellenden Anforderungen erfüllt seien" (womit er offenbar die von dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gestellten Anforderungen an eine gesetzliche Regelung meint). § 13 sage über die Voraussetzungen einer Gärantenstellung nicht das geringste. „Die bedauerliche Einbuße an Gesetzesbestimmtheit" wird nach Roxin „noch eine Zeitlang hinzunehmen sein". Er verweist darauf, daß die Vorschrift des § 13 in der Praxis jedenfalls Bestand haben werde, da das Bundesverfassungsgericht „nur sehr geringe Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit gestellt" 41 , „noch niemals eine Strafvorschrift wegen mangelnder Deutlichkeit für nichtig erklärt und beispielsweise auch den Tatbestand des ,groben Unfugs' gegen den Widerspruch weiter Teile des Schrifttums als hinreichend bestimmt beurteilt hat". Mit dieser hinsichtlich der Nichtigkeitserklärung zudem noch unrichtigen Feststellung 42 entzieht sich Roxin immerhin einer eigenen Festlegung. 38 39 40 41
Systematischer Kommentar, § 13 Rn. 3. Strafrecht II, Nr. 26 A 9. JuS 1973, S. 197ff. (198). Was nicht belegt wird.
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Nach Stratenwerth 43 steht es „durchaus im Widerspruch zum Verbot unbestimmter Strafvorschriften", „daß es bei den »unechten Unterlassungsdelikten' Rechtsprechung und Lehre überlassen bleibt, die Voraussetzungen zu bezeichnen, unter denen das Unterlassen dem Handeln gleichgestellt werden kann". Die Verfassungsmäßigkeit der Bestrafung solcher Delikte unterliege daher ernsten Zweifeln, welche durch die sehr unbestimmte Regelung des §13 Abs. 1 keineswegs behoben würden. Auch daß alle Versuche einer präziseren gesetzlichen Regelung bislang gescheitert seien, entkräfte die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht: Daß als strafwürdig empfundenes Verhalten straflos bleiben müßte, wenn man das bisherige Verfahren als unzulässig aufzugeben hätte, rechtfertige keinen Verstoß gegen ein rechtsstaatliches Grundprinzip, zumal dann nicht, wenn die nicht an klare Schranken gebundene Praxis dazu neige, die Strafbarkeit der „unechten" Unterlassung unerträglich auszuweiten. Indes nimmt auch Stratenwerth seine eigenen Bedenken nicht ernst, wenn er - offenbar resignierend - die pauschale Folgerung zieht, daß die Strafbarkeit „zumindest" auf solche Fälle zu begrenzen sei, in denen sich die Gleichstellung des Unterlassens mit dem „aktiven" Handeln unabweisbar aufdränge 44. Was dieser Appell an das Rechtsgefühl an dem von ihm dargestellten Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ändern soll, bleibt rätselhaft. Nach Bockelmann 45 sagt § 13 über die Garantenpflichten nicht mehr, als daß sie Rechtspflichten sein müssen 46 . Für ihn haben die Garantenstellungen, welche Garantenpflichten begründen, den Charakter ungeschriebener, die Strafdrohungen gegen Erfolgsverursachungen durch Strafdrohungen gegen bestimmte Formen der Nichtabwendung des jeweils verpönten Erfolges erweiternder Tatbestandsmerkmale. Sie seien Bildungen des Gewohnheitsrechts und verstießen als solche gegen den Grundsatz der Gesetzlichkeit der Strafe. Aber für Bockelmann ist es „eine alte Erfahrung, daß das gesetzliche Verbot des Gewohnheitsrechts durch Gewohnheit derogiert werden kann" 4 7 . Mit der Feststellung, die fortwirkende Kraft jenes Gewohnheitsrechts könne denn auch „nicht bezweifelt werden" 4 8 , ist für Bockelmann die verfassungsrechtliche Problematik erledigt 49 . Für die damit aufge42 Siehe BVerfGE 17, 306 (311, 314f.); vgl. auch BVerfGE 11, 150 (162f.). Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat im übrigen immerhin in zwei Entscheidungen Strafbestimmungen wegen mangelnder gesetzlicher Bestimmtheit für verfassungswidrig erklärt, s. BayGVBl. 1952, S. 6ff. und 1953, S. 75 f. 43 Strafrecht AT I, Rn. 988. 44 Strafrecht AT I, Rn. 988. 45 Strafrecht AT, § 17 B I 3 und 4 (S. 139 f.). 46 Vgl. auch ders., Niederschriften, Bd. 12, S. 100. 47 Strafrecht AT, § 17 B I 4. 48 Von Bockelmann selbst unter Hinweis auf BGHSt 4, 22 in Anführungsstriche gesetzt. 49 Zweifelnd ders. aber noch bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission, Niederschriften, Bd. 2, S. 277.
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
stellte, verfassungsrechtlich immerhin revolutionäre These, daß Grundrechte (des Bürgers) durch „Gewohnheit" (beim Grundrechtsverstoß durch die Staatsgewalt) „derogiert" werden können, bleibt Bockelmann die Begründung schuldig. Für diejenigen Autoren, die schon die Bestrafung „unechter" Unterlassungsdelikte vor Einführung des § 13 offensichtlich für verfassungsmäßig hielten, hat sich durch § 13 im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nichts geändert. 50 bringt nach Schmidhäuser die Vorschrift des § 13 keinen Ersatz für die fehlende (!) Einzelregelung, sondern gibt nur „eine Art allgemeiner Auslegungshilfe" 50 . Schon der erste Blick zeige, daß mit einer solchen Regelung gegenüber dem früheren Rechtszustand für die Rechtssicherheit nichts gewonnen sei 51 , da die Vorschrift gerade die entscheidenden Grenzlinien nicht angeben könne 52 . Allerdings ging Schmidhäuser schon vor Einführung des § 13 davon aus, daß die Strafbarkeit solcher Unterlassungen, die heute von dieser Bestimmung erfaßt werden sollen, bereits im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gesetzlich bestimmt waren 53 . Zwar erkennt er an, daß neben den wenigen „ausdrücklich geregelten" Unterlassungsdelikten im Besonderen Teil die meisten übrigen Tatbestände dem Wortlaut nach Handlungen beschreiben, also „Handlungsdelikte" 54 bzw. „Begehungsdelikte schildern" 55 , doch meint er, dem Begehungstatbestand durch Auslegung auch noch ein Unterlassungsdelikt entnehmen zu können, und zwar ein Garantenunterlassungsdelikt 5 6 . Offenbar im Hinblick auf mögliche Zweifel angesichts des verfassungsrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz spricht er dann von einem „Auslegungstatbestand" als (gesetzlicher?) Grundlage der Strafbarkeit des Garantenunterlassens, dem er den „Wortlauttatbestand", welcher ausschließlich und ausdrücklich das Handlungsdelikt schildert, gegenüberstellt, wobei allerdings im „Auslegungstatbestand" neben dem Garantenunterlassungsdelikt auch noch ein Begehungsdelikt enthalten sein könne 57 . Der „Wortlauttatbestand" sei der „gesetzliche" Tatbestand, „wie er sich für ein erstes, an die Umgangssprache und die gängige Juristensprache gebundenes Verständnis ergibt", der „Auslegungstatbestand" dagegen sei der Tatbestand, „wie er sich für die Rechtsanwendung als Ergebnis der Auslegung darstellt" 5 8 . so Strafrecht AT 16/15. 51 Strafrecht AT 16/14. 52 Studienbuch AT 12/9. 5 3 Strafrecht AT (1970) 16/11. 54 Studienbuch AT 12/8. 55 Strafrecht AT 16/11. se Strafrecht AT (1970) 16/11; AT 16/11; Studienbuch AT 12/8. 57 Strafrecht AT 16/11.
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Die entscheidende Frage aber, auf welche Weise er dieses Auslegungsergebnis des „Auslegungsunterlassungstatbestandes" ermittelt, bleibt bei Schmidhäuser offen, denn den Prozeß der Auslegung, mit der er das behauptete Ergebnis erzielen möchte, beschreibt er nicht. Diesen Auslegungsprozeß aber müßte er im einzelnen darlegen, um den Nachweis zu führen, daß der von ihm behauptete Garantenunterlassungstatbestand tatsächlich existiert 59 . Der Hinweis, in der gesetzlichen Schilderung eines Handlungsdeliktes ein Unterlassungsdelikt zu finden, sei nur zulässig, wenn besondere Momente vorlägen, die das Nichthandeln dem Unwert nach einem Handeln „einigermaßen gleichstellen" 60, vermag, von seiner inhaltlichen Verschwommenheit einmal abgesehen, diesen gerade im Hinblick auf - und am Maßstab des - Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zu entwickelnden Nachweis nicht zu ersetzen. Die konsequente Umsetzung und Anwendung der dem Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zugeschriebenen Inhalte in bezug auf die Unterlassungsproblematik vermißt man daher auch bei Schmidhäuser. Zu diesen Inhalten des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gehört nach seiner Meinung die „hinlängliche Berechenbarkeit" staatlichen Strafens anhand des Gesetzes. Das Fehlen eigener Wertung durch den Gesetzgeber und eine mangelhafte Typenbildung machten ein Strafgesetz verfassungswidrig 61 . Die Prüfung dieser Gesichtspunkte zeigt, daß die behaupteten „Garantenunterlassungstatbestände" keine die Strafbarkeit gesetzlich bestimmenden Tatbestände im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz sein können. Denn die die Strafbarkeit des Unterlassens nach Schmidhäuser konstituierenden Garantenstellungen sind nicht nur nicht ausreichend, sondern überhaupt nicht gesetzlich „vertypt" - ein Blick auf die vertypten, im Sinne Schmidhäusers „ausdrücklich" positivierten Sonderdelikte im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches verdeutlicht dies. Und wenn in der gesetzlichen Schilderung eines Handlungsdelikts ein Unterlassungsdelikt zu finden nur dann zulässig sein soll, wenn das Nichthandeln dem Unwert nach dem Handlungsdelikt „einigermaßen gleichgestellt" ist (woraus ergibt sich diese Zulässigkeitsgrenze?), wird offensichtlich, daß es sich hierbei um die Bewertung bestimmter Unterlassungen als gleich strafwürdig wie das Begehungsdelikt handelt, also um eine grundlegende Wertung, die aber nicht, wie Schmidhäuser im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz verlangt, der Gesetzgeber, sondern der Rechtsanwender vornimmt, ohne dafür einen Anhaltspunkt im Gesetz 58
Strafrecht AT 2/4; vgl. auch schon Bärwinkel, S. 16ff. Vgl. näher die zutreffenden Einwände von Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 271 f. 60 So neuerdings Studienbuch AT 12/8. 61 Strafrecht AT 5/23, 27, und Studienbuch AT 3/25; zur Erforderlichkeit der Typenbildung durch den Gesetzgeber auch Gallas, ZStW 67 (1955), S. 16f. und Maiwald, Festschrift für Gallas, S. 148f. 59
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
zu haben 62 ; völlig offen bleibt dabei zudem, woher die Anweisung genommen wird, daß das Unterlassen, welches nach dem freien Ermessen des Rechtsanwenders als (einigermaßen) gleich strafwürdig angesehen wird, auch strafbar sein soll 63 . Wie man angesichts dessen zu einer „hinlänglichen Berechenbarkeit" staatlichen Handelns aufgrund des Gesetzes kommen soll, ist schwer vorstellbar. Schmidhäusers Ausführungen zur gesetzlichen Regelung „nicht ausdrücklich geregelter" Unterlassungsdelikte, die gänzlich auf der nicht nachgewiesenen Existenz von in den Begehungstatbeständen angeblich enthaltenen Garantenunterlassungstatbeständen beruhen, können daher im ganzen nicht überzeugen. Nach Otto führt kein Weg an der Verfassungswidrigkeit der Bestrafung wegen Unterlassens aus den Begehungstatbeständen vorbei, wenn man wie Schmidhäuser - davon ausgeht, daß diese ein bestimmtes Tun beschreiben 64 . Seiner Ansicht nach ist der sich aus Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz ergebenden verfassungsrechtlichen Problematik „mit einer Generalklausel, wie sie der Gesetzgeber in § 13 StGB formuliert hat", nicht beizukommen. Er spricht dem § 13 jegliche Bedeutung ab 6 5 . Für ihn beschreiben aber schon die Tatbestände der „sogenannten Erfolgsdelikte" sowohl Tun als auch Unterlassen und enthalten darüber hinaus sogar noch die Garantenstellungen als unbestimmte, aber bestimmbare pflichtbegründende Merkmale 66 . Damit sei aber die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht beseitigt, da die Garantenstellungen zwar in einem gewissen Kernbereich allgemein anerkannt, in ihren „Grenzen doch in jedem Fall streitig" seien 67 . Otto glaubt gleichwohl, daß dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz Genüge getan sein „dürfte", wenn drei bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden 68 : Zum einen, wenn die von ihm skizzierten „Grundlinien" einer allgemeinen Garantenlehre, die die Garantenposition auf gegenseitige Erwartungen innerhalb der Sozietät gründet, beachtet werden. Zum anderen, wenn das von Lehre und Rechtsprechung bereits herausgearbeitete Material zur Konkretisierung im Einzelfall herangezogen wird, und schließlich, wenn überall dort, wo Zweifel an der Garantenposition im konkreten Fall begründet sind, „mit dem Grundsatz in dubio pro reo Ernst gemacht wird". 62
Vgl. dazu näher Armin Kaufmann, JuS 1961, S. 174 bis 176. Zur K r i t i k an der Vorstellung von in den Handlungstatbeständen enthaltenen Unterlassungsdelikten ausführlich schon Armin Kaufmann, JuS 1961, S. 173ff. 64 Grundkurs AT, § 9 I a) aa) (S. 129). es Grundkurs AT, § 9 I 4 c) (S. 134). 66 Grundkurs AT, § 9 14 a) bb) (S. 130). 87 Grundkurs AT, § 9 I 4 a) bb). 68 Grundkurs AT, § 9 I 5 (S. 135). 63
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Schon formal-logisch läßt sich die These Ottos nicht halten. Denn die durch Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz aufgeworfene Frage lautet, ob die Straf barkeitsvoraussetzungen der von ihm so genannten „unechten" Unterlassungsdelikte gesetzlich bestimmt sind. Und diese Frage kann nur unter Heranziehung und Auslegung des Gesetzestextes beantwortet werden, d.h. es wäre zu untersuchen, ob die Strafbarkeitsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsmethoden durch den Wortlaut des Gesetzes (nach Otto der jeweilige Tatbestand eines „Erfolgsdeliktes", da dem § 13 ja keine Bedeutung zukomme) „bestimmt" sind. Das heißt aber, daß zu fragen gewesen wäre, ob die „allgemeine Garantenlehre" (deren Beachtung nach Otto unter anderem zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebotes führt) in ihren straf begründenden Voraussetzungen durch den jeweiligen Gesetzestext genügend bestimmt ist. Unter dem Aspekt des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz ist also für die „Grundlinien" einer allgemeinen Garantenlehre nur von Bedeutung, ob sie im Gesetzestext eine ausreichend bestimmte Grundlage haben. Die Frage der Beachtung dieser Grundlinien setzt somit gerade die zu beantwortende Frage als geklärt voraus, denn erst, wenn feststeht, daß die Voraussetzungen der Garantenstellung im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz als gesetzlich bestimmt anzusehen sind, darf und muß der Richter sie beachten. Entsprechendes gilt für die von Otto als zweite Voraussetzung dargestellte Heranziehung des von Lehre und Rechtsprechung bereits herausgearbeiteten Materials „zur Konkretisierung im Einzelfall". Ebensowenig läßt sich schließlich die Frage der gesetzlichen Bestimmtheit mit dem Hinweis auf den prozeßrechtlichen Grundsatz „ i n dubio pro reo" beantworten, denn dieser Satz betrifft erst den Bereich der Rechtsanwendung (und hat hier seine grundsätzliche Bedeutung bei Zweifeln hinsichtlich der Tatsachenfeststellung 69 ), demgegenüber das Gebot der Bestimmtheit des Gesetzes logisch vorrangig ist. Ein imbestimmtes Strafgesetz kann also nicht dadurch zu einem bestimmten werden, daß man bei seiner Anwendung mit dem Grundsatz „ i m Zweifel für den Angeklagten" „Ernst macht". Insofern kann dieser Satz niemals zur Rechtfertigung unbestimmter, also „zweifelhafter" Straf Vorschriften und damit zur Relativierung des Bestimmtheitsgebotes in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz dienen. Auch Ottos These von der Verfassungsmäßigkeit der Bestrafung sogenannter „unechter" Unterlassungen stellt sich somit als unbegründet heraus. Da für Gössel 70 die nach anderen Auffassungen 71 angeblich fehlenden (Handlungs-)Gebote „vollständig in den einzelnen normwidrigen Tatbe69
Vgl. BGHSt 14, 68 (73); BGH bei Dallinger, MDR 1972, S. 572. ™ Maurach / Gössel, Strafrecht AT 2, § 46 I I A 4 b (S. 143). 71 Unter Bezug auf Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 342.
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ständen konkretisiert" sind, und darüber hinaus die Unterlassung als Willenssteuerung sowieso Handeln sei, „einerlei ob ein Gebot zum rettenden Handeln besteht oder nicht" 7 2 , bedeute die „Einfügung - und sei es auch ungeschriebener - bestimmter tatsubjektbestimmender Merkmale" (gemeint sind offenbar die Garantenmerkmale) keine Erweiterung, sondern eine verfassungsrechtlich zulässige materiale Strafeinschränkung 73 . Damit glaubt Gössel der verfassungsrechtlichen Problematik entronnen zu sein. In Wirklichkeit kommt aber auch er nicht umhin, die strafbarkeitsbegründenden Voraussetzungen der „unechten" Unterlassungsdelikte an Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zu messen. Wenn die Garantenstellung („tatsubjektbestimmende Merkmale") nur strafbarkeitseinschränkend sein soll, dann müßte sich grundsätzlich die Strafbarkeitsbegründung auf einen weiteren Kreis, nämlich auch auf „Nichtgaranten" beziehen. Gerade das aber verneint Gössel, wenn er sagt, es könne nicht von jedermann handelnde Aktivität zur Rettung von bedrohten Rechtsgütern verlangt werden 74 . Aus diesem Grunde trete die „echten Begehungsdelikten" jeweils zugrundeliegende Norm auch nur denjenigen gegenüber gebietend auf, die in besonderer Weise zur Wahrung des von der Norm geschützten Rechtsguts berufen seien 75 . Mit diesen Ausführungen widerlegt Gössel seine These von der strafbarkeitseinschränkenden Wirkung der Garantenstellung: Wenn die Norm nicht jedermann, sondern nur dem Garanten gegenüber „gebietend auftritt", so w i r d damit für den Garanten die Strafbarkeit eben gerade erst begründet 76 . Damit ist auch Gössels Versuch, die verfassungsrechtliche Problematik zu umgehen, als untauglich erkannt 77 .
72 Maurach / Gössel, AT 2, § 46 I I A 4 b (S. 143): „ I m Sinne des Strafrechts handelt jeder, der einen anderen Menschen vor seinen Augen wissentlich ertrinken läßt einerlei, ob ein Gebot zum rettenden Handeln besteht oder nicht". 73 So auch Fuhrmann, GA 1963, S. 161 (172); vor Geltung des § 13 sollte es sich dabei um ungeschriebene Merkmale handeln, die von der Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich „eingefügt" wurden (so Maurach, Deutsches Strafrecht, AT, § 46 I I I A 1 b), während nun die einzelnen Tatbestände des Besonderen Teils laut Maurach / Gössel, AT 2, § 46 I I A 4 a, durch § 13 zu ergänzen seien, der „die Garantenstellung" in dem Merkmal „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, . . . " normiere, a.a.O., § 46 I I B 2 b; dagegen bereits oben 1. Teil, 3. Abschnitt, A.II. 74 Maurach / Gössel, AT 2, § 46 I I A 3 (S. 141). ™ Maurach / Gössel, AT 2, § 46 I I A 3 (S. 142) und ZStW 96 (1984), S. 332. 76 In diesem Sinne bereits Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 265, und JuS 1961, S. 176; Schaffstein, Gleispach-Festschrift, S. 90; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 143f.; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 278f.; Jakobs, AT 29/4. 77 Vgl. demgegenüber die Stellungnahme von Maurach / Gössel, AT 2, § 47 I I A 1 a (S. 178), zur Frage eines extensiven Täterbegriffs: Der Grundsatz „nulla poena sine lege" verliere seinen Sinn, wenn zunächst jede Verursachung des verbotenen Erfolges als grundsätzlich strafbare Täterschaft gelte und erst dann gewisse Begrenzungen vorgenommen würden.
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Auch für Baumann 78 ist das „unechte" Unterlassungsdelikt „seiner Natur nach Begehungstat", was er mit dem Rechtsgefühl, dem fehlenden Unterschied in der Strafwürdigkeit und der Überschrift des § 13 begründet 79 . Für ihn wird „bei der unechten Unterlassung die Tatbestandsmäßigkeit durch Hereinnahme der besonderen Rechtspflicht ergänzt", wodurch der Tatbestand „auch für die unechte Unterlassung zur ausreichend bestimmten lex" werde 80 . Für die Frage der Verfassungsmäßigkeit ist aber nicht entscheidend, daß der von Baumann so bezeichnete Tatbestand (durch § 13) ergänzt wird, sondern es kommt darauf an, ob diese Ergänzung den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, das heißt, ob die Voraussetzungen der nach Baumann für die „Gleichstellung" erforderlichen Garantenstellung durch § 13 hinreichend genau bestimmt sind. Das aber erörtert Baumann bei seiner Entscheidung für die Verfassungsmäßigkeit der Bestrafung von „unechten" Unterlassungsdelikten nicht, obwohl nach seiner Meinung „die Gleichwertigkeitsklausel sich als bloße Floskel entpuppen dürfte", gerade zu regeln gewesen wäre, wann die „Entsprechung" vorliegt, und er im übrigen zuvor von „gewichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken" spricht, denen gegenüber sich die herrschende Meinung mit der Berufung darauf helfe, daß dem Grundgesetzgeber bei Schaffung der Norm des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz die Konstruktion der „unechten" Unterlassung bekannt gewesen sei, also das „unechte" Unterlassungsdelikt hingenommen worden sei 81 , und mit der resignierenden Feststellung, daß eine tatbestandsmäßige Umschreibung aller strafwürdigen „unechten" Unterlassungen wegen der Unvorhersehbarkeit aller möglichen Fallgestaltungen prinzipiell unmöglich sei 82 . Schünemann schließlich benötigt für die Vereinbarkeit seiner „Gleichstellungstheorie" 83 mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz den § 13 nicht. Dieser vermeide sämtliche Festlegungen und sei dadurch so nichtssagend, „daß er die gegenwärtige Rechtsquellenlage nicht wesentlich verändert" 84 . Schünemann w i l l das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz in eine formelle und eine materielle Seite aufspalten 85 . Auf der formel™ Straf recht AT, § 18 I I 1. 79 Außerdem werde auch beim „unechten" Unterlassungsdelikt eine Verbotsnorm übertreten, Strafrecht AT, § 18 I I 1. so Strafrecht AT, § 18 I I 2 b (S. 250). 81 Mit der gleichen Stringenz ließe sich auch in die andere Richtung argumentieren, daß nämlich mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz und - im Unterschied zu Art. 116 WeimRVerf - mit seiner Ausgestaltung als verfassungsprozessual vom einzelnen Bürger geltend zu machendes Grundrecht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a Grundgesetz) der Bestrafung „unechter" Unterlassungsdelikte aufgrund freier richterlicher Rechtsschöpfung ein Riegel vorgeschoben werden sollte. 82 Baumann, Strafrecht AT, § 18 I I 2 b. 83 Zu deren Inhalt und K r i t i k siehe oben 1. Teil, 5. Abschnitt, A.II.3. 84 Grund und Grenzen, S. 380.
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len Seite gehe es um die Frage, ob bei der rechtsschöpferischen Lösung des „Gleichstellungsproblems" nicht in Wahrheit ungeschriebene Straftatbestände geschaffen werden, die mit Sicherheit dem Verbot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz unterfallen 86 . Er konkretisiert die Frage dahingehend, ob es möglich sei, die „unechten" Unterlassungsdelikte formell in dem Wortlaut der Paragraphen des Strafgesetzbuches unterzubringen 87 . Schünemann bejaht diese Frage mit der Begründung, es bereite keine Schwierigkeiten, den gesetzlichen Begriff des „Tötens" als „aktive Herbeiführung des Todes oder Nichtabwendung seitens eines Garanten" zu bestimmen. „Töten" sei nun einmal auch im natürlichen Sprachgebrauch mit „den Tod verursachen" nicht identisch, denn die Umgangssprache enthalte bei besonders evidenten Garantenstellungen bereits eine „primitive vorrechtliche Wertung" (die Mutter töte ihr Kind durch Nichternähren, der Zugführer töte es durch Nichtbremsen) 88 . Selbst wenn man aber einen solchen „natürlichen Sprachgebrauch" mit einer primitiven vor-(?)rechtlichen Wertung bezüglich der Mutter, die ihr Kind verhungern läßt, einmal unterstellte, so wäre doch sehr zweifelhaft, ob über diesen Fall hinaus überhaupt noch andere Fälle eines solchen (einheitlichen?) Sprachgebrauchs in Betracht kämen 89 . Schon der Fall des nicht bremsenden Zugführers zeigt, wie fraglich die Annahme eines derartigen Sprachgebrauchs ist: Wer meint, der nicht bremsende Zugführer „töte", der wird dies vor allem deshalb annehmen, weil er seine „primitive (vor-) rechtliche Wertung" zumindest im Unterbewußtsein zunächst an das Führen des Zuges, also an ein Handeln, nicht aber an das Nichtstun knüpft - der Zugführer hat das Kind überfahren, er hat es getötet. Wenn im übrigen der Begriff „töten" nicht identisch mit „den Tod verursachen" sein sollte, dann dürfte die Mutter, die ihr Kind verhungern läßt, wegen eines Tötungsdelikts nicht belangt werden, wenn ihr nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre. Denn die Überschrift des § 222 weist diesen zwar als Tötungstatbestand aus („fahrlässige Tötung"), sein Wortlaut aber beschränkt sich auf das „Verursachen des Todes", gilt also auch nach Schünemann nur für Handlungen.
85 Grund und Grenzen, S. 56 ff., wobei ihm offensichtlich die beiden lateinischen Sätze „nulla poena sine lege scripta" und „nulla poena sine lege stricta" vor Augen stehen. 86 Grund und Grenzen, S. 56. 87 Grund und Grenzen, S. 57; diese „formelle Seite" sieht er offenbar als „unantastbares Mark des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz" für die „Strafrechtsfindung" an, vgl. a.a.O., S. 255. 88 Grund und Grenzen, S. 57. 89 Nach Armin Kaufmann, JuS 1961, S. 175 f., beschränkt sich die Einheitlichkeit solchen Sprachgebrauchs allenfalls auf sehr wenige Fälle; er fragt dann aber, wer daran ernsthaft die Garantenstellung erkennen und sie auf diese Fälle begrenzen wolle.
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Richtigerweise ist hingegen davon auszugehen, daß auch mit dem Wort „töten" in §§ 211 ff. nur ein Handeln beschrieben ist, denn der Sprachgebrauch weiß sehr wohl zu unterscheiden, ob eine Mutter ihrem Kind die Kehle zudrückt oder es mit dem Kissen erstickt und es damit „tötet", oder ob sie es nicht ernährt und es damit verhungern läßt, es sterben läßt, ohne es zu töten. Auch die meisten anderen der herkömmlicherweise als Begehungsdelikte bezeichneten Straftaten sind in den gesetzlichen Tatbeständen als Handlungen beschrieben. So w i r d niemand im Ernst auf die Idee kommen zu sagen, er sei von einer Person, welche den „Erfolg" seiner Vergewaltigung nicht abgewendet hat - in welcher Beziehung sie zu ihm auch stehen mag - vergewaltigt worden, er sei von einem Untätigen (unter entsprechenden Voraussetzungen) körperlich mißhandelt, eingesperrt oder bestohlen worden. Wer nicht handelt, kann weder eine Urkunde herstellen noch sie verfälschen, kann kein falsches Gesundheitszeugnis ausstellen, kein fremdes Ausweispapier gebrauchen, keine fremde Sache zerstören und kann nichts in Brand setzen. Ein solcher allgemeiner Sprachgebrauch existiert nicht und kann daher auch nicht dem Gesetz unterstellt werden 90 , das selbst, wie die positivierten Unterlassungsdelikte zeigen, in der gesetzlichen Tatschilderung zwischen Handeln und Unterlassen klar unterscheidet. Schon hinsichtlich dieser von Schünemann so genannten „formellen Seite" des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz kann daher seine Argumentation nicht überzeugen. Bestätigt wird die mangelnde Brauchbarkeit seines auf die Unterscheidung einer formellen und einer materiellen Seite des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz abstellenden Ansatzes schließlich durch seine weiteren Ausführungen zur „materiellen Seite" des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. Nach Schünemann beinhalte das Bestimmtheitsgebot auf der „materiellen Seite" die Forderung nach „hinreichender Bestimmbarkeit", die als eine „objektivrationale, von autonomen Wertentscheidungen unabhängige Konkretisier90 Davon gingen auch die „Gesetzesväter" bei Schaffung des § 13 aus, vgl. Sachbearbeiter, Niederschriften der Großen Strafrechtskommission, Bd. 2, Anhang, S. 158 (II. 1.); Begründung zum Entwurf 1962, S. 124 (die einzelnen Tatbestände des Besonderen Teils seien „ i n ihrer Ausformung auf die Begehung durch ein Tun zugeschnitten"). Ebenso etwa Lang-Hinrichsen, Gutachten, S. 14; Bockelmann, Niederschriften Bd. 12, Änderungsantrag (Anlage A), S. 475; Schröder, in: Schänke / Schröder, StGB (16. Aufl. 1972), Vorbem. zum AT, Rn. 77; Grünwald, Diss., S. 18ff., 38ff., 44, und ZStW Bd. 70 (1958), S. 412, sowie GA 1959, S. HOff.; Roxin, JuS 1973, S. 197 (in Wahrheit seien im Gesetz allein die Begehungstaten berücksichtigt); Eser, Straf recht II, § 25 A 3 a (S. 43); Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 276ff. (280), und viele andere. Unverständlich allerdings Welzel, Strafrecht, S. 207: „Die Tatbestände der Erfolgsdelikte beschreiben ihrem Wortlaut nach fast durchweg nur Rechtsgüterverletzungen durch eine Handlung, nicht auch die Nichtabwendung einer Rechtsgüterverletzung durch Unterlassen"; hingegen S. 209: Bei den „unechten" Unterlassungsdelikten könne der Richter aus den gesetzlichen Tatbeständen der Begehungsdelikte nur das tatbestandsmäßige Verhalten, nämlich die „Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolges", unmittelbar entnehmen.
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barkeit" zu verstehen sei 91 . Ohne Berücksichtigung des seinerzeit noch nicht geltenden § 13 kommt Schünemann zu dem Ergebnis, daß seine „an der Natur der Sache orientierte Gleichstellungstheorie diesen Anforderungen zu entsprechen vermag" 92 . Die heutige Rechtslage (also noch ohne § 13) des „unechten" Unterlassungsdelikts sei „also zwar unbefriedigend, aber doch noch mit dem Grundgesetz vereinbar" 93 . Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz 94 stehe daher der Bestrafung des „unechten" Unterlassungsdelikts zwar nicht im Wege, dulde aber nur eine dem Postulat der objektiven Bestimmbarkeit genügende Methode seiner Auffindung. Denn darin liege gerade seine ursprüngliche und eigentliche Stoßrichtung: Der Richter solle die Strafe nur aus dem Gesetz schöpfen 95. Schünemanns an der „Natur der Sache" 96 orientierte „Gleichstellungsmethode" muß sich zumindest an diesen von ihm selbst behaupteten Anforderungen messen lassen. Hierbei fällt sogleich ein offensichtlicher Widerspruch in seinen Ausführungen auf: Nach seiner Auslegung des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz muß das Gesetz „objektiv-rational" konkretisierbar sein. Einerseits entspreche nun seine „rechtsschöpferische" 97 , an der Natur der Sache orientierte „Gleichstellungstheorie" diesen Anforderungen, andererseits untermauert er seine Auffassung, daß die herkömmlichen Rechtsfindungsmethoden das „Gleichstellungsproblem" nicht lösen können, mit den Worten: „Das nimmt auch nicht weiter wunder, denn eine Auslegung erfordert ein Gesetz, und an einer konkretisierbaren Gesetzesbestimmung fehlt es ja gerade" 98 . Wie aber seine rechtsschöpferische „Gleichstellungsmethode" aus dem Gesetz „objektiv-rational" konkretisierbar sein und damit nach seiner eigenen Auffassung des Bestimmtheitsgebots dem Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz 91
Grund und Grenzen, S. 269f. Grund und Grenzen, S. 270. 93 Grund und Grenzen, S. 270. 94 Gemeint ist wohl Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. 95 Grund und Grenzen, S. 270f. 96 Kritisch zur Verwendung dieses Begriffes bei Schünemann Otto, MSchrKrim 1974, S. 123 ff. (125), wonach Schünemann geradezu leichtfertig mit dem Begriff umgehe und nirgends zum Ausdruck bringe, mit welch unterschiedlichem Inhalt dieser Begriff in der derzeitigen Diskussion gebraucht werde. Zu oft stünde die „Natur der Sache" bei Schünemann für ein Argument. Vgl. zur Vagheit und Vieldeutigkeit des Arguments „aus der Natur der Sache" die begriffsgeschichtliche und -analytische Untersuchung von Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache"; kritisch zur „Natur der Sache" in methodischer Hinsicht F. Müller, Juristische Methodik, S. 85ff.; Bedenken unter verfassungsrechtlichem Aspekt (hinsichtlich der Aufweichung des Analogieverbotes) bei Martin Kriele, Bespr. von Arthur Kaufmann, Analogie und ,Natur der Sache', FAZ v. 25. 11. 1965. 97 Grund und Grenzen, S. 55. 98 Grund und Grenzen, S. 55 (Hervorhebung vom Verf.); dies gelte jedenfalls für die praktisch wichtigste Gruppe, die Tötungsdelikte. Ob bei anderen Tatbeständen im Besonderen Teil die Auslegung mehr verspreche, müsse noch untersucht werden, a.a.O., S. 55. 92
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entsprechen soll, wenn es an einer konkretisierbaren Gesetzesbestimmung gerade fehlt, vermag auch Schünemann (trotz seiner ausdrücklichen Beteuerungen, bei seiner „Rechtsschöpfung" ständig darauf achten zu werden, daß die Strafe nur aus dem Gesetz zu schöpfen sei) 99 nicht darzutun. Vielmehr zeigt sich hier deutlich, daß einem Gesetz, welches eine Handlung beschreibt, eben kein Unterlassungsdelikt entnommen werden kann. Entsprechend hat sich oben 1 0 0 bei der Untersuchung seiner „Gleichstellungstheorie" gezeigt, daß die Konkretisierung seiner „Gleichstellungskriterien" willkürlich und ohne Anbindung an das Gesetz erfolgt. Zu Recht ist Schünemanns Rechtsschöpfung daher auf nahezu einmütige Ablehnung im Schrifttum gestoßen 101 . Nach Nickel 1 0 2 verstößt die Regelung des § 13 gegen das nach traditionellem Verständnis in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz enthaltene Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit. Hier werde im Gewand einer richterlichen Gleichwertigkeitsprüfung der „Dispens von Bestandteilen des gesetzlich fixierten Garantietatbestandes geradezu dekretiert"; daß dies nicht mit dem „nullum-crimen-sine-lege-Satz" vereinbar sei, sei offensichtlich 103 . Da jedoch dem Gesetz die damit auftretenden umfangreichen und einschneidenden Lücken im strafrechtlichen Rechtsgüterschutz 104 nicht als objektiv ermittelbarer Wille „untergeschoben" werden könnten 1 0 5 , versucht er diese angebliche Diskrepanz zwischen bestehender gesetzlicher Regelung und dem vermeintlichen Strafbedürfnis durch eine „Neuinterpretation" des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zu überwinden, deren Ergebnis die Verneinung eines an den Gesetzgeber gerichteten Gebots hinreichender Tatbestandsbestimmtheit ist 1 0 6 . 99
Siehe nur Grund und Grenzen, S. 271. Siehe oben 1. Teil, 5. Abschnitt, A.II.3. 101 Siehe die Nachweise oben im 1. Teil, 5. Abschnitt, A.II.3. (Fußnote 67). 102 Problematik, S. 94 f. 103 Problematik, S. 94 f. 104 Seine Nachweise hierzu erschöpfen sich in dem Hinweis auf die dann angeblich entfallende strafrechtliche Verantwortlichkeit einiger typischer „Garanten" (Arzt gegenüber Patient, Lehrer gegenüber Schüler), die mit dem Schutzauftrag des Rechtsstaates nicht mehr vereinbar sei, Problematik, S. 30. los Problematik, S. 30. 106 Problematik, S. 177; im Ergebnis ähnlich Herzberg, Unterlassung, S. 254, der gleich die Geltung des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz für die Regelungen des gesamten Allgemeinen Teils ablehnt und hier dem Gesetzgeber völlig freie Hand lassen will. Dabei wird das „ultra posse"-Argument noch auf eine Art Vermutungsregel zugunsten des Strafgesetzgebers reduziert, wenn Herzberg meint: „Wo der Gesetzgeber von der Aufstellung materieller Regelungen im AT absieht, w i r d er dafür ja wohl immer gute Gründe haben, die seine Abstinenz wenigstens vertretbar erscheinen lassen. Das aber muß schon genügen, einen Konflikt mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz auszuschließen." Ebenfalls für die Ablehnung der Verbindlichkeit des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz für den AT: Maurach, Strafrecht AT (4. Aufl.), S. 96; Hardwig, ZStW Bd. 78 (1966), S. 8; Tröndle, Leipziger Kommentar, § 1 Rn. 38. Richtigerweise differenziert Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz hingegen nicht zwischen unterschiedlichen Gesetzesabschnitten, sondern verlangt, daß die Strafbarkeit einer Tat gesetzlich bestimmt sein 100
10 Schürmann
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
Nickel kommt zu der Möglichkeit einer im Verhältnis zu Gesetz und Gesetzgeber kooperativen Rechtsfindung durch den Strafrichter, die auch dort mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz vereinbar sei, wo sie im Einzelfall „Bausteine für die Strafbarkeitsbegründung" liefere 107 . Infolgedessen bereitet es Nickel dann auch keine Probleme, dem Richter im Rahmen der „kooperativen Rechtsfindung" die Ermittlung der Voraussetzungen der im Gesetz nicht enthaltenen strafbarkeitsbegründenden Garantenstellungen und damit derjenigen „erfolgsverursachenden Unterlassungen" zu überlassen, die im Unrechts- und Schuldgehalt dem im jeweils korrespondierenden Begehungstatbestand poenalisierten Tun entsprechen 108 . Hierfür benötigt er den § 13 nicht, da die „grundsätzliche Anweisung zur Vervollständigung" der im Hinblick auf das Unterlassungsdelikt unvollständigen Begehungstatbestände 109 bereits dem oben genannten Gedanken entnommen werden könne, daß dem Strafgesetz keine Lücken im Rechtsgüterschutz als Wille untergeschoben werden könnten. Würde man diesen Gedanken als Begründung akzeptieren, dann wäre der strafrichterlichen Willkür Tür und Tor geöffnet. Mit dem Hinweis, dem Gesetz könnten keine Lücken im Rechtsgüterschutz unterstellt werden, ließe sich nahezu jedes dem Richter als verwerflich erscheinende Verhalten bestrafen. Mit einem solchen Verständnis des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz wird auch die Zulässigkeit eines „Schurkenparagraphen", etwa in dem Sinne, „wer sich ungebührlich benimmt, wird nach Gebühr bestraft" 1 1 0 , kaum einleuchtend verneint werden können. Damit aber geriete die Verfassungsbestimmung nicht nur „an die Grenze völliger Bedeutungslosigk e i t " 1 1 1 , sondern wäre außer Kraft gesetzt. Von der methodischen Fragwürdigkeit der Argumentation Nickels einmal abgesehen, kann seine „Auslegung" des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz schon vom Ergebnis her nicht überzeugen.
muß. Dem Gesetzgeber bleibt damit überlassen, an welcher Stelle einer Strafrechtskodifikation er die Strafbarkeit einer Tat bestimmt; wenn er aber - ob in einem allgemeinen oder einem besonderen Abschnitt - die Strafbarkeit einer Tat anordnet, wie dies in § 13 geschehen ist, dann ist er an die sich auch für ihn ergebenden Gebote des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gebunden. 107 Problematik, S. 178. Problematik, S. 179. 109 Wobei er noch zwischen „unterlassungsoffenen" und „unterlassungsfeindlichen" Handlungstatbeständen unterscheidet, Problematik, S. 28. 110 Beispiel bei Schröder, JZ 1966, S. 649, nach dem ein solches Gesetz die Abdankung des Gesetzgebers bedeuten würde. 111 So Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 280.
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B. Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 13? Nur wenige Autoren kommen schließlich zur Konsequenz der Verfassungswidrigkeit von Unterlassensbestrafung nach § 13 oder äußern ernsthafte Zweifel, ohne diese sogleich wieder beiseite zu schieben. So hält Schöne 112 die Bestrafung der sog. „unechten" Unterlassungsdelikte aus den die „Erfolgsherbeiführung" mit Strafe bedrohenden Begehungstatbeständen für verfassungswidrig. Die Vorschrift des § 13 sieht er als völlig ungeeignet an, die sich aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken zu beheben 113 . Nach Busch entbehrt die Strafbarkeit der „unechten" Unterlassimgsdelikte der verfassungsmäßig geforderten gesetzlichen Bestimmtheit 114 . Daran vermag nach seiner Meinung auch § 13 nichts zu ändern, der dem Richter weiterhin die Aufstellung der Garantengebotstatbestände überlasse 115 . Der Gesetzgeber kapituliere vor einer Aufgabe, die ihm in allem Ernst sowohl durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit gestellt sei wie auch durch die Entwicklung der neueren Rechtsprechung, die auf dem Wege „transpositiver Ausweitung strafbewehrter Garantengebote" fortschreite, deren alleinige Grundlage das Rechtsgefühl sei 116 . Auch Welzel wies schon in den Beratungen der Großen Strafrechtskommission 117 darauf hin, daß die allgemeine Umschreibung des Erfordernisses einer Garantenpflicht in dem zu schaffenden § 13 1 1 8 nur ein „Leitbild" sei, mit dem man aber der Forderung nach gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht gerecht werde. Der Satz „nulla poena sine lege" behalte hier eine erhebliche Einschränkung, und es bleibe eine Lücke in der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung, die auch künftig vom Richter auszufüllen sein werde. Nach Hassemer 119 ist die tatbestandliche Normierung des „Begehens durch Unterlassen" eine dringende Forderung aus dem Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit der Straftatbestände in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. Im Hinblick auf diesen Grundsatz meldet er Bedenken gegen die Vorschrift des § 13 an, der nämlich darauf verzichte, „gerade das zu formulieren, was bisher zu rechtsstaatlichen Bedenken gegenüber der Pönalisierung des Unterlassens besonderen Anlaß gab: Die Merkmale der Garantenstel112 113 114 115 116 117 118 119
10'
Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 276, 280. Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 340 - 342. Festschrift für v. Weber, S. 199. Festschrift für v. Weber, S. 202 ff. Festschrift für v. Weber, S. 202 f. Niederschriften, Bd. 12, S. 94. Damals ging es noch um § 14 Entwurf 1959. JuS 1970, S. 97.
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
lung". Die Generalklausel „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt" sei als formale Bestimmung untauglich, die Rechtsprechung in der Sache zu beeinflussen 120 . Ob in diesem Zusammenhang das „Argument" des Sonderausschusses, das Institut des „Begehens durch Unterlassen" müsse in Rechtsprechung und Lehre erst noch abgeklärt werden 1 2 1 , vor Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz bestehen könne, der ja eine möglichst genaue gesetzliche Normierung des Unterlassens fordere, sei fraglich 1 2 2 . Schröder 123 attestiert dem Gesetzgeber, daß der Versuch, das Problem der „unechten" Unterlassungsdelikte in § 13 gesetzlich zu lösen, als gescheitert angesehen werden könne. Zur gesetzgeberischen Umgrenzung der Handlungspflichten trage § 13 nichts bei. Ebensowenig sei etwas mit der Formulierung ausgesagt, das Unterlassen müsse der Verwirklichung des Tatbestandes durch ein Tun „entsprechen". Für nicht mit dem Grundsatz „nulla poena sine lege" vereinbar hält Grünwald 1 2 4 den § 13 des Entwurfs von 19 6 2 1 2 5 , bei welchem dem Richter die Aufgabe, den Tatbestand festzulegen, zugeschoben sei. Denn der Maßstab der Wertung, welche Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung ein Unterlassen strafbar mache, sei dort nicht angegeben 126 . Der Richter sei damit durch nichts gehindert, den Bereich des Strafbaren so weit auszudehnen, als es seinem Rechtsgefühl entspreche 127 . Die Frage, aufgrund welcher Rechtspflicht ein Unterlassen einem Tun gleichzustellen sei, betreffe aber Wertentscheidungen so grundsätzlicher Art, daß nur der Gesetzgeber sie entscheiden könne 1 2 8 . Da auch in der Gesetz gewordenen Fassung des § 13 die Frage offenbleibt, aufgrund welcher Rechtspflicht ein Unterlassen einem Tun entspreche („gleichzustellen sei"), gilt Grünwalds Einwand der Verfassungswidrigkeit für (den heutigen) § 13 gleichermaßen 129 . 120 Hassemer bestätigt damit die vorliegende Untersuchung dieser Klausel, die ergeben hat, daß eine Sonderpflicht (Garantenpflicht) mit dieser Klausel nicht beschrieben ist. 121 Laut Hassemer in der Begründung des Sonderausschusses zu § 13, BTagsDrucks. V/4095, S. 8. Ausdrücklich ist dieses „Argument" dort aber nicht enthalten, vielmehr heißt es lapidar, die Zeit für eine sachgemäße Regelung der Problematik sei noch nicht reif. 1 22 JuS 1970, S. 97. 123 Schänke / Schröder, StGB (16. Aufl. 1972), Vorbem. zum AT, Rn. 144. 1 24 ZStWBd. 70 (1958), S. 420, 422f., 431f. 125 Diese von der Großen Strafrechtskommission vorgeschlagene Bestimmung lautet in den hier bedeutsamen Passagen: „Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, steht dem Täter . . . nur dann gleich, wenn er kraft Gesetzes verpflichtet ist, den Erfolg zu verhindern, und den Umständen nach dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintreten werde." 128 Grünwald, ZStWBd. 70, S. 420, 431f. 127 Grünwald, ZStW Bd. 70, S. 422 f. i 2 3 Grünwald, ZStW Bd. 70, S. 431 f. 129 Ebenso bereits für § 13 Entwurf 1960 Armin Kaufmann, JuS 1961, S. 176 (§ 13 Entwurf 1960 lautet: Wer es unterläßt, einen zum Tatbestand eines Strafgesetzes
1. Abschn.: Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 im Schrifttum
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Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 13 im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz werden schließlich etwa noch von Schreiber 130 und Marxen 1 3 1 geäußert 132 . Letzterer ist der Auffassung, die Ausweglosigkeit der vom überwiegenden Teil des strafrechtswissenschaftlichen Schrifttums unternommenen Versuche, die Rechtspflichten allgemein zu bestimmen, deren Verletzung als Unterlassungsdelikt bestraft wird, gebe § 13 „angemessen wieder". Wenn dort als Voraussetzung für die Strafbarkeit des „unechten" Unterlassens ganz allgemein formuliert werde, daß der Unterlassende rechtlich für den Nichteintritt des Erfolges einzustehen habe und das Unterlassen dem Tun „entspreche", so lasse sich ein geeigneterer Ansatz für eine ganzheitliche, wesenhafte und damit verschwommene Bestimmung der Handlungspflichten und des Täterkreises kaum denken 133 . Marxen moniert im übrigen den methodischen Ansatz in der Literatur („Harmonisierungstendenz"), der Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht als strengen Maßstab für die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips anlege, sondern sich mit der Grundgesetznorm nur in der Absicht beschäftige, „ein streng liberales Straf recht als unpraktikabel darzustellen" und diese Vorschrift für die herrschende Strafrechtslehre und -praxis verwendbar zu machen 134 .
C. Ergebnis Wie sich aus der Betrachtung des gegenwärtigen Meinungsstandes im wissenschaftlichen Schrifttum ergibt, wird die Tauglichkeit der neuen Vorschrift des § 13, eine sachlich brauchbare Regelung von Unterlassungsstrafbarkeit im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches zu treffen, überwiegend in Zweifel gezogen bzw. gänzlich verneint. Von daher kommt man nahezu einhellig auch nicht umhin, die Bestrafung von Unterlassungen auf der Grundlage des § 13 im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtgehörenden Erfolg abzuwenden, i s t . . . strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintreten werde, und sein Verhalten den Umständen nach der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun gleichwertig ist). 130 Systematischer Kommentar (2. Aufl. 1977), § 1 Rn. 12: Zweifelhaft erscheine, ob die „pauschale Transformationsklausel" für das Begehen durch Unterlassen in § 13 dem Bestimmtheitsgebot noch entspreche. 131 Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, S. 259 ff. 132 v g l weiter die Bedenken der Verfasser eines Alternativentwurfs (AT, 2. Aufl. 1969, S. 203) gegen § 13, der viel zu weit gefaßt sei, im Grunde nur eine „ausgeuferte" Rechtsprechung „sanktioniere" und nicht einmal verhindere, daß irgendwelche vagen „sozial-ethisch vorwerfbaren Unterlassungen" strafrechtliche Haftung auslösen. Die Verfasser erklären, sie neigten mehr zu einer Auflösung der ganzen Generalklausel (des §.13) durch Einzelnormierung der Unterlassungsdelikte im Besonderen Teil, um der „Überspannung des Straf rechts durch rein moralische Aspekte entgegenzuwirken". Vgl. auch schon Noll, JZ 1963, S. 298 (§ 13 Entwurf 1962 sei nicht geeignet, die z.T. unbefriedigende BGH-Rechtsprechung zu verhindern). 133 134
Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, S. 260. Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, S. 261.
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
heitsgebot in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zumindest als bedenklich zu bezeichnen 135 , ohne dann aber - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen die Konsequenz der Verfassungswidrigkeit zu ziehen. Vielmehr werden die verfassungsrechtlichen Bedenken mit wenig überzeugenden Thesen beiseite geschoben, wobei diese regelmäßig einer näheren Begründung ermangeln. Die überwiegend knappe Behandlung des Problemkreises steht dabei im Gegensatz zu der Hervorhebung der fundamentalen rechtsstaatlichen Bedeutung des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz an anderer Stelle bei denselben Autoren. Auffallend ist das Fehlen einer genaueren Erörterung des Inhalts und Zwecks des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes in diesem Zusammenhang und seine folgerichtige Anwendung auf den konkreten Gegenstand der in § 13 getroffenen Regelung von Unterlassensstrafbarkeit. Im folgenden soll daher versucht werden, den im Hinblick auf § 13 bedeutsamen Gehalt des Verfassungsgebotes zu ermitteln, um so einen Maßstab für die Beantwortung der Frage zu finden, ob die Strafvorschrift des §13 eine den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz genügende Regelung von Unterlassensstrafbarkeit darstellt.
135 Unzutreffend daher Tröndle, Leipziger Kommentar, § 1 Rn. 14, demzufolge nach ganz überwiegender Meinung die gesetzliche Umschreibung der Garantenstellung und der Entsprechensklausel in § 13 „verfassungsrechtlich unbedenklich" sei.
2.
Abschnitt
Der für § 13 bedeutsame Gehalt des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz A. Die einzelnen Forderungen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz Das als „ Z e n t r a l p r i n z i p rechtsstaatlicher Strafrechtspflege" 1 , als „ k l a s sisch-rechtsstaatliche S c h u t z n o r m v o r W i l l k ü r i n der Strafrechtspflege" 2 auch i n § 1 S t G B nochmals hervorgehobene 3 Verfassungsgebot des A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz besagt, daß eine T a t n u r bestraft w e r d e n k a n n , w e n n die Strafbarkeit
gesetzlich b e s t i m m t w a r , bevor die T a t begangen w u r d e .
A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz g e w ä h r t d a m i t ein G r u n d r e c h t 4 , das gemäß A r t . 1 Abs. 3 Grundgesetz alle staatliche G e w a l t b i n d e t . Es ist als solches a u c h 5 ein subjektives öffentliches A b w e h r r e c h t gegen den S t a a t 6 , ein Recht des einzelnen Bürgers, dessen V e r l e t z u n g v o n diesem m i t der Verfassungsbeschwerde gerügt w e r d e n k a n n ( A r t . 93 Abs. 1 N r . 4 a Grundgesetz, § 90 Abs. 1 B V e r f G G ) 7 . Seinem W o r t l a u t n a c h wendet sich A r t . 103 Abs. 2 1
Kleinhey er , Vom Wesen der Strafgesetze, S. 21. Starck, Staatsbürger und Gericht, S. 65. ' 3 Die historisch bedingte Wiederholung auf einfachgesetzlicher Ebene an hervorgehobener Stelle ist nicht so überflüssig, wie es auf Anhieb erscheinen mag und wie es von Hellmuth Mayer, Materialien, S. 267, behauptet wird, trägt sie doch zu einer größeren Verbreitung des weit hinten im organisatorischen Teil des Grundgesetzes „versteckten" Verfassungssatzes bei, der damit als Vorschrift (auch) des StGB seine besondere Beachtung des in erster Linie mit diesem Gesetz arbeitenden Strafrichters und darüber hinaus der strafrechtlichen Fachliteratur (insbesondere: Kommentare und Lehrbücher) herausfordert. 4 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, §91; Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 103 Rn. 98 mit weiteren Nachweisen; wobei von einem sachlichen Grundrechtsbegriff ausgegangen wird, der auch Rechte erfaßt, die außerhalb des mit der Überschrift „Die Grundrechte" versehenen ersten Abschnitts im Grundgesetz normiert sind und die sich in ihrer Eigenart nicht von den ausdrücklich als Grundrechte bezeichneten Rechten unterscheiden, vgl. Hesse, a.a.O. 5 Der durch die Grundrechte begründete negatorische Anspruch ist nur ein Teil ihres Inhalts, näher dazu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 9 I I 2 b; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 180 ff. 6 Dürig, in: Maunz /Dürig / Herzog / Scholz, Art. 103 Rdn. 98 - 100 (mit weiteren Nachweisen). 7 Die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts und des Instituts der Verfassungsbeschwerde sind eine bedeutende Errungenschaft des Grundgesetzes gegenüber der Weimarer Reichsverfassung, deren Gründrechte mangels derartiger Durchsetzungsmöglichkeiten überwiegend nicht als unmittelbar geltende Rechte, sondern nur als „Programmsätze" angesehen wurden, vgl. Stärck, JuS 1981, S. 237. Wer angesichts dessen vom „Programm des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz" spricht (so: Otto, 2
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
Grundgesetz u n m i t t e l b a r an den Strafrichter, i m p l i z i e r t aber auch Gebote an den Strafgesetzgeber, die dieser b e i seiner T ä t i g k e i t z u berücksichtigen h a t 8 . Gängigerweise w e r d e n v i e r einzelne Gebote als I n h a l t des A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz unterschieden, die sich allerdings teilweise gegenseitig bedingen bzw. überschneiden 9 . M i t dem Erfordernis der „gesetzlichen B e s t i m m u n g " der S t r a f b a r k e i t ist zunächst ein Gesetz als G r u n d l a g e der Bestrafung verlangt, welches i n dem v o m Grundgesetz geregelten L e g i s l a t i w e r f a h r e n ( A r t . 76 bis 78 u n d 82) ergangen ist. W e n n das Bundesverfassungsgericht auch Rechtsverordnungen, die i m R a h m e n einer dem A r t . 80 Abs. 1 Grundgesetz entsprechenden E r m ä c h t i g u n g ergangen sind, als „Gesetz" i m Sinne des A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz bezeichnet 1 0 , so steht dies dem hier Dargestellten n u r scheinb a r entgegen, denn i n W a h r h e i t legt auch das Bundesverfassungsgericht den Maßstab des A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz an das ermächtigende
Gesetz u n d
n i c h t an die Rechtsverordnung u n d folgert aus A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz über A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz hinausgehende B e s t i m m t h e i t s a n f o r derungen f ü r das ermächtigende Gesetz 1 1 . W ü r d e es seinen Ansatz, m i t dem es sich auf den B o d e n des i n der verfassungsrechtlichen Lehre herrschenden dualistischen Gesetzesbegriffes 1 2 zu stellen scheint, konsequent d u r c h h a l t e n , d a n n h ä t t e es a l l e i n die gem. A r t . 80 Abs. 1 Grundgesetz ergangene Rechtsverordnung an den (BeGrundkurs, Allg. Strafrechtslehre, § 2 I), nivelliert damit bereits terminologisch diese bedeutsame Errungenschaft und setzt mit diesem griffigen Schlagwort zumindest die Gefahr für Mißverständnisse in Richtung einer Entwertung dieses wichtigen Grundrechts. Zum Eigengewicht von Terminologie bzw. von Schlagwörtern vgl. deren gezielte Einsetzung im politischen Machtkampf, wie etwa der von den Gewerkschaften eingeführte und von den Medien verbreitete Terminus „Lohnpause" für das Weiterzahlen des bisherigen Arbeitslohnes unter Verschiebung der von Gewerkschaftsseite geforderten Lohnerhöhung - hier soll der Anschein erweckt werden, als ob es um 8 Dürig, in: der Maunz / Dürig / ginge. Herzog / Scholz, Art. 103 Rn. 101; Langer, Festschrift ein Aussetzen Lohnzahlung für Dünnebier, S. 429. 9 Nach Kunig, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 103 Rn. 21, ergänzen diese Funktionen einander. 10 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 14, 174/Ls. 1, 185; 51, 60 (73). 11 Vgl. BVerfGE 14, 174/Ls. 1, 185; 14, 245 (251 f.); 14, 254 (257); 22, 1 (18); 22, 21 (25); 23, 265 (269); zuletzt 51, 60 (73). Näher zu diesem Widerspruch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Geitmann, Bundesverfassungsgericht, S. 70ff.; vgl. auch Starck, Staatsbürger und Gericht, S. 66 f. 12 Die von Laband, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde . . . (1871), zur Geltung gebrachte Aufspaltung des Gesetzesbegriffes in „formelles" und „materielles" Gesetz hat ihren historischen Ursprung im preußischen Budgetkonflikt, bei dem die staatliche Haushaltsgewalt im Streit zwischen Exekutive und Parlament stand, vgl. näher dazu die kritische Darstellung bei Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 19 ff. Gegen die Lehre vom dualistischen Gesetzesbegriff, die nicht aus der Verfassung entwickelt, sondern von außen an sie herangetragen werde, Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 14 11; vgl. ferner: Scheuner, DÖV 1969, S. 585ff., besonders S. 589ff.; eingehend: Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz (1969), sowie Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970.
2. Abschn.: Das Gebot der gesetzl. Strafbarkeitsbestimmung
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s t i m m t h e i t s - ) A n f o r d e r u n g e n des A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz z u messen. Stattdessen p r ü f t es die E r m ä c h t i g u n g s g r u n d l a g e an A r t . 103 Abs. 2 G r u n d gesetz u n d m a c h t e t w a k e i n e n U n t e r s c h i e d zwischen den A n f o r d e r u n g e n der A r t . 103 Abs. 2 u n d 104 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (letzterer verlangt f ü r den Freiheitsentzug a u s d r ü c k l i c h ein „ f ö r m l i c h e s Gesetz"), sondern m e i n t , beide B e s t i m m u n g e n forderten, daß der Gesetzgeber d e u t l i c h bestimme, was strafbar sein soll, so daß die Fälle der S t r a f b a r k e i t sowie A r t u n d Maß der Strafe schon auf Grund des Gesetzes u n d n i c h t erst auf G r u n d einer Rechtsv e r o r d n u n g vorausgesehen
werden
können 13.
D a m i t setzt das Bundesverfassungsgericht einen anderen Gesetzesbegriff als den der herrschenden M e i n u n g v o r a u s 1 4 . Seine Rechtsprechung s t i m m t i m Ergebnis v i e l m e h r m i t der oben gegebenen D a r s t e l l u n g überein, w o n a c h A r t . 103 Abs. 2 Grundgesetz m i t der „gesetzlichen B e s t i m m u n g " der S t r a f b a r k e i t ein i n dem v o m Grundgesetz vorgesehenen
Legislatiwerfahren
ergangenes Gesetz als G r u n d l a g e der Bestrafung v e r l a n g t 1 5 . F ü r den Richter ergibt sich daraus der Z w a n g , die A h n d u n g der T a t auf das Gesetz z u r ü c k z u f ü h r e n u n d als A n w e n d u n g des Gesetzes d a r z u s t e l l e n 1 6 . Ganz e i n d e u t i g ist d a m i t dem R i c h t e r zur B e g r ü n d u n g der S t r a f b a r k e i t die Setzung eigener N o r m e n oder die B e r u f u n g auf angeblich gewohnheitsr e c h t l i c h geltende Sätze u n t e r s a g t 1 7 . A u c h das sog. Analogieverbot b e r u h t 13
BVerfGE 22, 1 (18); vgl. aus neuerer Zeit BVerfGE 51, 60 (70f.). So auch Geitmann, Bundesverfassungsgericht, S. 71. 15 Das wird von der herrschenden Meinung im Schrifttum nicht zur Kenntnis genommen, vgl. beispielhaft: Schänke / Schröder / Eser, § 1 Rn. 11; Rudolphi, Systematischer Kommentar, § 1 Rn. 4; Tröndle, Leipziger Kommentar, § 1 Rn. 11; Weidenbach, Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze, S. 49; Wassermann, in: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rn. 47. 16 So zutreffend Krey, Studien, S. 214; Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 430 und 434; deutlich hervorgehoben in BVerfGE 14, 174 (185f.); vgl. auch schon R. v. Hippel, Deutsches Strafrecht, 2. Bd. (1930), S. 36 Fußn. 2. 17 Vgl. BVerfGE 26, 41 (42); in der Literatur vgl. statt vieler: Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 431; Stratenwerth, Allgemeiner Teil I, Rn. 92. Genau genommen kann es gar nicht um das Verbot der Anwendung „des Gewohnheitsrechts" gehen, vielmehr ist wegen des Gesetzlichkeitsprinzips des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz schon die Bildung einer nicht auf Gesetz begründeten Gewohnheit als Grundlage von Strafe unter dem Grundgesetz kaum möglich - es sei denn, ständige Verfassungsverstöße durch die Rechtsprechung würden zur Gewohnheit (vgl. Hellmuth Mayer, SJZ 1947, Sp. 19 [jedes Gewohnheitsrecht entstehe gewissermaßen durch eine [unmerkliche] Revolution]). Doch auch dann und vor allem bezüglich vorkonstitutioneller „Rechtsprechungsgewohnheit" wäre höchst zweifelhaft, ob eine solche (ganz abgesehen von der Frage der Vereinbarkeit einer vorkonstitutionellen Gewohnheit mit dem Art. 103 Abs. 2 entsprechenden Art. 116 Weimarer Reichsverfassung) überhaupt Gewohnheitsrecht entstehen ließe. Denn aufgrund des Wesens des Strafrechts als staatliches Zwangsmittel und des daher fehlenden Bedürfnisses bilden sich unter den Bürgern keine strafrechtlichen Rechtsregeln aus, und willkürliche richterliche Machtäußerung allein wird kaum die Voraussetzung einer „communis opinio" erfüllen können. Im übrigen käme wegen der genannten Natur des Strafrechts der Strafrichter auch nicht in die Zwangslage, Strafe ohne Gesetz verhängen zu müssen. Anders ist es etwa in der Zivilgerichtsbarkeit, in der ein Streit zweier Parteien entschieden werden muß und 14
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
auf dem Gedanken, daß sich die Verurteilung zu Strafe als Anwendung des Gesetzes darzustellen hat. Bestraft werden kann nur die Tat, deren Strafbarkeit im Gesetz bestimmt ist, nicht auch ein ähnliches, als gleich strafwürdig empfundenes, aber vom Gesetz nicht erfaßtes Verhalten. Daß damit im Strafrecht der Wortlaut des Gesetzes als unübersteigbare Schranke der Gesetzesauslegung18 zu gelten hat, ergibt sich folglich aus dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz 19 . Der Wortlaut ist hier also nicht die Grenze der methodisch „möglichen", sondern die der rechtsstaatlich zulässigen, der „rechtmäßigen" Konkretisierung 20 . der Richter - falls vom Gesetz im Stich gelassen - in die Lage kommen kann, im Wege der Notkompetenz (vgl. dazu Pestalozzi NJW1981, S. 2081, 2083) selbst Recht zu setzen. Doch auch hier kann allein eine über einen gewissen Zeitraum beibehaltene „gesetzlose" Rechtsprechung nicht die normative Verbindlichkeit eines Rechtssatzes erlangen, wenn sie nicht auch einer breiten Zustimmung aller Rechtsunterworfenen sicher ist. Das kann etwa von der freischwebenden und teilweise als willkürlich empfundenen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte (dazu Merten, DVB1. 1975, S. 682) nicht gesagt werden (die rechtspolitisch widersinnige Richterrechtsregel zu den sog. „Kettenarbeitsverträgen" ist nur ein willkürlich herausgegriffenes Beispiel). Kritisch zum Gewohnheitsrecht im Strafrecht: Hassemer, Einführung, S. 251 f.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 73 f. Zur Problematik des Gewohnheitsrechts im Straf recht allgemein: Schönke / Schröder / Eser, § 1 Rn. 12 ff. 18 In diesem Sinne zunächst BGHSt 4, 144 (148), der die Auslegung auf die „Grenzen des sprachlich Möglichen" beschränkt sieht. Später w i r d dieser Grundsatz aufgegeben, vgl. BGHSt 6, 131 (133); 9, 310 (312). Klassisches Beispiel einer unzulässigen Analogie im Strafrecht ist der vom ÖGH (BGHSt 10, 375) entschiedene Fall, in dem jemand mit Hilfe eines Kraftfahrzeuges Diebesgut aus dem Wald fortgeschafft hatte. Obwohl ein schwerer Forstdiebstahl nach dem Gesetz nur dann vorliegen sollte, wenn der Täter zur Fortschaffung der Beute ein Lasttier, einen Kahn oder ein bespanntes Fuhrwerk benutzte, hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung wegen schweren Forstdiebstahls bestätigt (dazu Hassemer,Einführung, S. 253 f.). Nicht einmal mehr von Analogie kann die Rede sein, wenn der Bundesgerichtshof neuerdings selbst unzweideutige Anordnungen des Gesetzgebers einfach nicht mehr respektiert (lebenslange Freiheitsstrafe bei Mord, s. BGHSt 30,105 [GrS]) und damit dem Gesetz den Gehorsam aufkündigt; vgl. die K r i t i k dieser Entscheidung von Bruns, JR 1981, S. 358ff. Man kann nur hoffen, daß dieses Beispiel nicht demnächst auch zu Lasten des Täters Schule macht. Zur Wortlautgrenze im Strafrecht vgl. Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 213; ders., Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 116f., 130,132. 19 So ausdrücklich BVerfGE 47, 109 (121): Der NormadreSsat (Bürger) müsse anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. Dies sei nur möglich, wenn in erster Linie der für den Adressaten verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes maßgebend ist. „Führt erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende Interpretation zu dem Ergebnis der Strafbarkeit eines Verhaltens, so kann dies nicht zu Lasten des Bürgers gehen." Nach BVerfGE 64, 389 (393) begründet Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz eine „strikte Bindung der Strafgerichte an das geschriebene materielle Strafrecht". Die Strafgerichte seien gehalten, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen, ihn zu korrigieren, sei ihnen verwehrt. Sie müßten in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr gedeckt seien, zum Freispruch gelangen. 20 So zutreffehd F. Müller, Juristische Methodik und Politisches System, S. 77, 79; vgl. H.-P. Schneider, Richterrecht, S. 30f., 34 (Gesetzeswortlaut nicht nur als „Anknüpfungspunkt", sondern als „Ausgangspunkt" und „Ziel der Interpretation"); ebenso u.a. Schick, in: Winkler / Schilcher, Gesetzgebung, S. 98 (Wortsinn als äußerste Grenze der Interpretation); vgl. auch bereits Schwinge, teleologische Öegriffsbildung im Strafrecht, S. 48 (das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit werde von der teleologischen Methode nicht angetastet: Der „mögliche Wortlaut" bilde die Grenze der
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Das Rückwirkungsverbot schließlich ergibt sich aus der Forderung der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit vor Begehung der Tat. Nur wenn im Zeitpunkt der Tat das Gesetz bekanntgemacht war, darf der Richter die Tat nach diesem Gesetz bestrafen. Auch das Rückwirkungsverbot richtet sich also in erster Linie an den Richter, verwehrt aber mittelbar auch dem Gesetzgeber, Strafgesetzen rückwirkende Kraft beizulegen, etwa indem er eine neu erlassene Strafvorschrift mit der Anweisung versieht, daß diese auch auf vor ihrem Erlaß begangene Taten anzuwenden sei 21 . Schließlich wäre das strikte Erfordernis eines Gesetzes als Grundlage der Strafbarkeit eines konkreten Verhaltens („eine Tat") und die Ausgestaltung dieses Gesetzeserfordernisses als Verfassungsprinzip und judizielles Grundrecht des Bürgers sinnlos, wenn ein unbestimmtes, verschwommenes Gesetz den Richter bei seiner Anwendung nicht binden würde 2 2 . Auch die übrigen Gebote würden leerlaufen, wenn das Gesetz etwa pauschal die Strafbarkeit ungehörigen, unerträglichen oder grob ungebührlichen Verhaltens anordnete. Ohne ein die Voraussetzungen des jeweils strafbaren Verhaltens genau beschreibendes Gesetz wären insbesondere das Analogie- und das Rückwirkungsverbot wirkungslos 23 . Würde also ein unbestimmtes Gesetz ausreichen, dann wäre das Postulat des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz für den Bürger wertlos, seine Ausgestaltung als Rechtssatz mit Verfassungsrang und seine Berücksichtigung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a Grundgesetz wären unverständlich. Das im grundsätzlichen nahezu einhellig als weiterer Inhalt des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz anerkannte Bestimmtheitsgebot verlangt daher vom Richter, ein konkretes Verhalten nur dann mit Strafe zu belegen, wenn die Strafbarkeit dieses Verhaltens im Gesetz genau angegeben ist. An den Gesetzgeber ist damit das Gebot impliziert, das zu bestrafende Verhalten als (jeweils) „eine Tat" im Gesetz zu beschreiben. Mit der Darstellung der verschiedenen Inhalte des auch als Gesetzlichkeitsprinzip bezeichneten Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz dürfte zugleich Auslegung). Zur methodischen Überschneidungsmöglichkeit von Analogie und Auslegung vgl. Heller, Logik und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 135ff. 21 Vgl. näher 2um Rückwirkungsverbot Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 108 ff. 22 In diesem Sinne schon Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 21 f. 23 Vgl. Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 23: Daß das Erfordernis der Typizität im Willen des StGB (§ 2 a.F.) liege, sei sicher. „Eine" Handlung kann nur dann bestraft werden etc., sage das Gesetz und meine damit eine bestimmt geartete Handlung. Der Grund, der die Ausschließung von Gewohnheitsrecht und Analogie gesetzgeberisch bedingt, sei gerade der gewesen, daß man einen besonders hohen Grad von Typizität (sc.: und damit Gesetzesbestimmtheit) anstrebe, um aller Rechtsunsicherheit vorzubeugen. Zum Leerlaufen des Rückwirkungsverbots durch unbestimmte Gesetze vgl. Müller-Dietz, Festschrift für Maurach, S. 46: Erst die inhaltliche Bestimmtheit eines Strafgesetzes verhelfe dem Rückwirkungsverbot zum Durchbruch; „Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot sind also unter dein rechtsstaatlichen Vorzeichen des Vertrauensschutzes unmittelbar voneinander abhängig und aufeinander bezogen"; vgl. auch Gross, GA 1971, S. 16; ders., Diss., S. 76ff.; ebenso Schreiber, Gesetz und Richter, S. 230.
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bestätigt worden sein, daß „sedes matenae''der verfassungsrechtlichen Problematik des § 13 das zuletzt genannte Bestimmtheitsgebot ist. Zwar scheint auf Anhieb gerade die Entsprechensklausel auf das Analogieverbot hinzudeuten, doch wendet sich dieses nur an den Richter; er soll nur den vom Gesetz erfaßten Fall bestrafen dürfen. Bei der gesetzlichen Anordnung der analogen (entsprechenden) Anwendung des Gesetzes wäre aber der analoge Fall gerade mit vom Gesetz umfaßt. Das Analogieverbot gegenüber dem Richter würde dann zwar bedeutungslos, doch wurde dies gerade auch als Charakteristikum des unbestimmten Gesetzes erkannt. Ist ein Gesetz unbestimmt, so läuft, seine Heranziehung durch den Richter vorausgesetzt, auch das Analogieverbot zumindest in dem Maße leer, in dem der Richter nach seinem Belieben alle irgendwie ähnlich gelagerten Fälle unter das unbestimmte Gesetz bringen kann. Im folgenden ist daher genauer dem Bestimmtheitsgebot nachzugehen, dessen verfassungsrechtlicher Gehalt über die Zulässigkeit der Regelung von Unterlassungsstrafbarkeit in § 13 entscheidet. Die Fragestellung läßt sich anhand der bei der Untersuchung des möglichen Gehalts der Entsprechensklausel gewonnenen Erkenntnisse folgendermaßen präzisieren: Ist es mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar, wenn das Gesetz dem Richter mit der Feststellung des Entsprechens ohne weitere Anhaltspunkte schon die grundlegende Entscheidung über die Voraussetzungen der Strafwürdigkeit von Unterlassungen überläßt, indem es ihm die - wie sich oben gezeigt hat - rechtspolitische Festlegung zuschiebt, welche Beziehung eines Unterlassenden zu einem Rechtsgutsobjekt als unrechtssteigernde Sonderbeziehung („Garantenstellung") angesehen werden soll, sowie darüber hinaus, welche Sonderbeziehung das Unterlassungsunrecht gerade so steigert, daß es dem grundsätzlich anders gearteten Handlungsunrecht (wenigstens annähernd) gleichkommt?
B. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgebot I. Die auf Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit abstellenden Grundsätze Unter Zugrundelegung der Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu den Bestimmtheitsanforderungen aus Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz würde sich hier folgendes ergeben: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz als dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit dienendes Gebot den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so bestimmt zu umschreiben, daß der Normadressat anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen könne, ob ein Verhalten
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strafbar ist 2 4 . Der Gesetzgeber müsse deutlich bestimmen, was strafbar sein soll, so daß der Bürger die Voraussetzungen und damit die möglichen Fälle der Strafbarkeit aufgrund des Gesetzes vorhersehen könne 25 . Der Gesetzgeber, nicht der Richter habe zu entscheiden, ob ein Verhalten strafbar sei oder nicht 2 6 . Die strafrechtlichen Normen müßten klar das Verbotene von dem Erlaubten abgrenzen, die Tatbestandsmerkmale seien so konkret zu umschreiben (umreißen) und zu bestimmen, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen seien und sich durch Auslegung ermitteln ließen 27 . Maßgebend dafür sei der für den Bürger verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes. Eine über den erkennbaren Wortsinn hinausgehende Interpretation dürfe nicht zu Lasten des Bürgers zu dem Ergebnis der Strafbarkeit führen 28 . Bereits die bloße Aufzählung dieser Anforderungen dürfte deutlich gemacht haben, daß diese mit der Regelung in § 13 nicht erfüllt sind. Wie sich oben gezeigt hat 2 9 , sagt das Gesetz gerade nicht, an welche Voraussetzungen die Entsprechensfeststellung gebunden ist, es sagt nicht, wie es dies demgegenüber bei den Handlungssonderdelikten und bei den wenigen im Besonderen Teil positivierten Unterlassungssonderdelikten tut, welche Sonderbeziehung bei welchem gem. § 13 zu bildenden Unterlassungstatbestand die Strafbarkeit begründet. Nicht das Gesetz entscheidet hier also darüber, was strafbar sein soll und was nicht, sondern der Richter. Seine Entscheidung, an welche Garantenstellung bei welchem Unterlassungsdelikt er Strafe knüpft, ist rechtspolitischer Art, sie wird durch das Gesetz mit dem Entsprechensmerkmal nicht determiniert. Dem Bürger erschließt sich aus dem Entsprechenserfordernis kein verstehbarer Sinn, es ist nur eine offenbar beliebig füllbare Worthülse, der Tragweite und Anwendungsbereich des § 13 nicht zu entnehmen sind. Davon, daß der Gesetzgeber mit § 13 „deutlich" bestimme, was strafbar sein soll, so daß der Bürger als Normadressat die Voraussetzungen der Strafbarkeit und damit die möglichen Fälle der Strafbarkeit anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen könne, kann somit nicht die Rede sein.
24 BVerfGE 47, 109/Ls. 2; mit ähnlichen Formulierungen ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 14, 174, 185f. (die in dieser Entscheidung angeführten früheren Aussagen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich nicht explizit auf Art. 103 Grundgesetz), vgl. beispielhaft BVerfGE 14, 245 (251); 22, 1 (18); 22, 21 (25). 25 BVerfGE 21, 1 (18); 22, 21 (25). 26 BVerfGE 47, 109 (120). 27 BVerfGE 57, 250 (262); 25, 269 (285). 28 BVerfGE 47, 109 (120). 29 Siehe oben im 1. Teil, 5. Abschnitt, B.III.
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II. Die Aufweichung der eigenen Grundsätze bei der praktischen Anwendung Wenn nun diese unmißverständlichen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips von der herrschenden Meinung im strafrechtlichen Schrifttum bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Problematik des § 13 nicht ernst genommen und dementsprechend auch nicht als (Über-)Prüfungsmaßstab herangezogen werden, so hat das möglicherweise seine Ursache in der Tatsache, daß das Gericht selbst die eigenen Grundsätze bei der konkreten Rechtsanwendung (der Normenkontrolle) nicht konsequent beachtet. Zu dem von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz geforderten Bestimmtheitsgrad findet es nämlich nur wenig besagende Formeln, die jedoch Ansatzpunkte für eine Aufweichung der zuvor betonten rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen zu bieten scheinen. So heißt es, das Straf recht könne allerdings nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die „formal nicht eindeutig allgemeingültig umschrieben" werden könnten und die in besonderem Maße der Auslegung durch den Richter bedürften 30 . Ohne die Verwendung solcher Begriffe wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Ihre Verwendung sei „ i n gewissen Maßen legitim" 3 1 . Auf eben diese Begriffe w i r d offenbar auch mit der Feststellung Bezug genommen, das Gebot der Gesetzesbestimmtheit dürfe „nicht übersteigert werden", da die Gesetze sonst zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden könnten 32 . Zur Klärung der Frage, wie bestimmt ein Straftatbestand sein muß, trägt die These der Zulässigkeit „formal nicht eindeutig allgemeingültig umschreibbarer allgemeiner Begriffe" jedoch nicht bei. Übrig bleibt der Hinweis, diese Art von Begriffen bedürfte in besonderem Maße der Auslegung durch den Richter. Auslegung bedeutet Sinnermittlung, Feststellung des Sinngehalts 33 . Nahezu jeder in einem (Gesetzes-)Text verwendete Begriff bedarf der Sinnermittlung. Selbst Ausdrücke, die auf Anhieb eindeutig erscheinen, können je nach dem Verstehenszusammenhang, d.h. je nach der Sachbezogenheit, dem Zusammenhang mit anderen Begriffen des Satzes, der Satzstellung und des Zusammenhangs des Satzes mit anderen Sätzen und (Norm-)Texten, unterschiedliche Bedeutung haben 34 . Die in den 30
BVerfGE 11, 234 (237); 26, 41 (42). BVerfGE 11, 234 (237). 32 BVerfGE 14, 245 (251). 33 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 298 f. 34 Auch die Feststellung der Eindeutigkeit eines Gesetzes Wortlauts, die eine Auslegung verzichtbar zu machen scheint, ist selbst bereits Interpretation, vgl. dazu näher 31
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Gesetzestexten verwendeten Begriffe der Umgangssprache sind nicht wie mathematische Begriffe in ihrem Umfang genau festgelegt, sondern sind mehr oder weniger flexibel, weisen verschiedene Bestimmtheitsgrade auf 35 . Ihr Sinn ist je nach dem Maß ihrer Bestimmtheit, ihrer Bedeutungsschärfe, aber auch je nach dem Verstehenszusammenhang, in welchen sie hineingestellt sind, unterschiedlich schwer zu ermitteln. Ein „Ermittlungsmaß", das als „normal" zu bezeichnen wäre, wird sich nicht angeben bzw. definieren lassen. Entsprechend muß auch unklar bleiben, was unter einem „besonderen Maß" der Auslegung(sbedürftigkeit) zu verstehen ist. Dieses „besondere Maß" ist selbst so unbestimmt, daß es keinen brauchbaren Anhaltspunkt für die Frage nach der erforderlichen Gesetzesbestimmtheit bietet. Letzten Endes besagt diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts daher nicht mehr, als daß auch die im Strafgesetz verwendeten Begriffe nicht von mathematischer Genauigkeit sein können, die den Richter nur noch zum „Subsumtionsautomaten" werden läßt, sondern vielmehr auch einer wertenden Sinnermittlung bedürfen 36 . Daß sich der Gehalt der Formel auf diese Feststellung beschränkt, gibt das Gericht selbst in einer späteren Entscheidung zu verstehen, in der nur noch von „auslegungsfähigen" Begriffen die Rede ist: Die von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz geforderte Vorhersehbarkeit, welches Handeln mit Strafe bedroht sei, zwinge indessen nicht dazu, im Strafrecht auf die Verwendung „auslegungsfähiger Begriffe" zu verzichten, ohne die der Gesetzgeber nicht in der Lage wäre, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden 37 . Die entscheidende Frage ist aber gerade, in welchem Maße Eigenwertung des Richters in die Sinnermittlung einfließen darf, in welchem Umfang dem Richter Wertungen durch die Verwendung mehr oder weniger weiter Begriffe überlassen werden dürfen. Hierzu macht das Bundesverfassungsgericht indes keine über das bisher Dargestellte hinausgehenden Angaben. Es sieht sich vielmehr zu einer Konkretisierung dieser Anforderungen des Bestimmtheitsgebots nicht in der Lage, wenn es feststellt, welchen Grad an gesetzlicher Bestimmtheit der einzelne Tatbestand haben müsse, lasse sich nicht allgemein sagen. Die erforderliche Gesetzesbestimmtheit hänge von der Besonderheit des jeweiligen Tatbestandes und von den Umständen ab, die zu der gesetzlichen Regelung führten 38 . Diese Aussage enthält keinerlei Esser, Grundsatz und Norm, S. 253; zustimmend harenz, Methodenlehre, S. 332f.; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 225. 35 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 299. 36 Vgl. auch Hanack, JZ 1970, S. 41, demzufolge diese Floskeln des BVerfG - trotz oder wegen ihrer erdrückenden Wortfülle - irgendwelche inhaltlichen Kriterien des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht aufweisen. Nach Naucke, Einführung, S. 95, hat das BVerfG seine „Grundsatzentscheidungen" mit diesen Floskeln „wirkungslos" gemacht; vgl. auch schon ders., Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 195 Fußn. 69. 37 BVerfGE 28, 175 (183). 38 BVerfGE 26, 41 (43); 28, 175 (183).
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Anhaltspunkte für eine nähere Bestimmung der Bestimmtheitsanforderungen, alles hängt von den Umständen ab. Über diese Sätze ist das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung bisher im Prinzip nicht hinausgekommen 39 . Entgegen dem ersten Anschein besagen sie nichts über eine Einschränkung der oben dargestellten 4 0 , vom Gericht immer wieder hervorgehobenen rechtsstaatlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz an die gesetzliche Tatbestandsbestimmtheit, wonach die Voraussetzungen der Strafbarkeit im Gesetz so deutlich umschrieben werden müßten, daß der Bürger als Normadressat die möglichen Fälle der Strafbarkeit auf Grund des Gesetzes vorhersehen kann usf. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht bei der konkreten Prüfung der ihm vorgelegten Strafgesetze diese angeblichen Anforderungen einer strengen Tatbestandsbestimmtheit nicht konsequent umgesetzt. Vielmehr kommt es unter Berufung auf die - wie sich gezeigt hat - nichtssagenden Formeln („das Bestimmtheitsgebot dürfe nicht übersteigert werden" etc.) zu einer im folgenden noch näher zu bezeichnenden erheblichen Einschränkung seiner rechtsstaatlichen Grundsätze. Diese Einschränkung hat es zusätzlich in versteckter Form mit der - trotz Wiederholung - in ihrer Herleitung nie begründeten These vorbereitet, das Gesetz müsse die Strafbarkeitsvoraussetzungen um so präziser bestimmen, je schwerer die angedrohte Strafe sei 41 . Die Formel scheint auf Anhieb auf eine strenge Anwendung der rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernisse hinzudeuten. In Anbetracht der Erkenntnis, daß das Bundesverfassungsgericht sich nicht in der Lage sieht, auch nur einen Bestimmtheitsgrad in seinen näheren Anforderungen dezidiert festzulegen und zu definieren, kann eine an der Höhe der Strafdrohung orientierte, im einzelnen aber nicht weiter zu konkretisierende Abstufung der Bestimmtheitsanforderungen letztlich jedoch nichts anderes bedeuten, als daß man es mit der gesetzlichen Bestimmtheit bei weniger schweren Taten nicht so genau zu nehmen habe 42 . Bezeichnend dafür ist, daß das Bundesverfassungsgericht die Formel „je schwerer die Strafdrohung, desto präziser das Gesetz" gerade für Entschei39 Vgl. Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 432, der bezweifelt, daß man derzeit überhaupt wesentlich über diese Aussagen hinausgelangen kann. Vgl. auch Kunig, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 103 Rn. 30, nach dem es überzeugende allgemeine Formulierungen zur Konkretisierung des Bestimmtheitsgebotes nicht geben dürfte. In jedem Einzelfall müsse geprüft werden, ob der Gesetzgeber seine Aufgabe, selbst eine Entscheidung über die Strafbarkeit zu treffen, erfüllt und dadurch Rechtssicherheit hergestellt habe. 40 Siehe oben B.I. 41 BVerfGE 14, 245 (251); 26, 41 (43). 42 Nach Wassermann, in: Kommentar zum Grundgesetz, Art. 103 Rn. 52, eliminiert dieser „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" für die „sog. Kleinkriminalität praktisch das Recht auf Vorhersehbarkeit der Strafe". Kritisch zu dieser Formel des BVerfG etwa auch Kunig, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 103 Rn. 29.
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düngen aufgestellt 43 und verwendet hat 4 4 , in denen es um die Bestimmtheit von Tatbeständen ging, die „Übertretungen" mit Strafe bedrohten, also Tatbestände mit den geringsten seinerzeitigen Strafdrohungen 45 . Die wahre Bedeutung der Formel für diese Entscheidungen wäre klarer zutage getreten, hätte das Gericht sie folgendermaßen formuliert: Je geringer die Strafdrohung, desto unpräziser (darf) das Gesetz (sein)! In dieser Formulierung hingegen hätte sie eine sachliche Begründung geradezu herausgefordert, die sich das Gericht jedoch bis heute erspart hat. Abgesehen davon, daß auch diese Formel über die geforderte Untergrenze des gesetzlichen Bestimmtheitsgrades inhaltlich nichts aussagt, würde sie in Hinblick auf § 13 ohnehin keiner Einschränkung der Bestimmtheitsanforderungen den Boden bereiten können. Im Gegenteil, es wären danach, wie schon oben gezeigt 46 , die strengsten Anforderungen an die Präzision der Regelung in § 13 zu stellen, da über diese Vorschrift in Verbindung mit den schwersten Verbrechenstatbeständen des Besonderen Teils auch die schwersten Strafen angedroht werden 47 . Danach blieben nach den theoretischen Ansätzen des Bundesverfassungsgerichts als Kriterien für die Beurteilung des § 13 die bis heute vom Gericht immer wieder betonten rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz, denen die Regelung des „Begehens durch Unterlassen" in § 13 - wie gezeigt wurde - nicht Stand halten kann 4 8 . In der praktischen Anwendung hingegen desavouiert das Bundesverfassungsgericht seine eigenen Grundsätze, indem es für ausreichend hält, daß 43
BVerfGE 14, 245 (251), „§ 21 StVG a.F.". BVerfGE 26, 41 (43) „grober Unfug". 45 In dieses Bild paßt es, wenn das Gericht die These in Entscheidungen „übersieht", in denen es um Tatbestände mit höherer Strafdrohung geht, so etwa BVerfGE 57, 250 (262) (geheimdienstliche Agententätigkeit, § 99 Abs. 1 Nr. 1 - bis 5 Jahre, in schweren Fällen 1 - 1 0 Jahre Freiheitsstrafe); vgl. auch BVerfGE 45, 187 (259ff.) (Mord, § 211). 46 Siehe oben 1. Abschnitt, A. 47 Bezeichnenderweise wird die Formel daher vom Schrifttum bei der Behandlung der verfassungsrechtlichen Problematik des § 13 ausnahmslos „übersehen", während sie bei der Kommentierung von § 1 StGB/Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz regelmäßig angeführt wird, vgl. beispielhaft Schönke / Schröder / Eser, § 1 Rn. 23. 48 Indirekt ist dies sogar schon vom Bundesverfassungsgericht selbst bestätigt worden. In dem Beschluß zur Verfassungsmäßigkeit des § 43 S. 2 BundesrechtsanwaltsO (BRAO) (BVerfGE 26, 186 [204]) ging es um die ehrengerichtliche Bestrafung wegen schuldhafter Verletzung von Berufspflichten. Es heißt dort, die Generalklauseln seien deshalb gerechtfertigt, weil eine Einzelnormierung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten - anders als im allgemeinen Strafrecht (!) - in der Regel nicht nötig sei, da es sich um Normen handele, die nur den Kreis der Berufsangehörigen beträfen, sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergäben und daher für sie leicht erkennbar seien. Außerhalb des einen spezifischen Beruf betreffenden Ehrengerichtsverfahrens, also im allgemeinen Strafrecht, hält das Gericht somit eine Einzelnormierung von strafbaren Pflichtverletzungen für erforderlich. Das geht auch daraus hervor, daß es zuvor noch von einer vollständigen Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten spricht (welche aber in der Generalklausel des § 43 S. 2 BRAO nicht enthalten ist). 44
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der Normadressat anhand der Rechtsprechung der Gerichte vorhersehen könne, was strafbar sei und was nicht 4 9 . So wurde die Strafvorschrift des groben Unfugs (§ 360 Abs. 1 Nr. 11, 2. Alt. a. F.) mit der Begründung für verfassungsmäßig erklärt, sie sei durch eine jahrzehntelang gefestigte Rechtsprechung hinreichend präzisiert worden 50 . Hier w i r d mehr oder weniger direkt zugegeben, daß das Gesetz selbst nicht hinreichend präzise gewesen ist. Nach späteren Entscheidungen soll dann nur noch eine „gefestigte Rechtsprechung" ausreichen, anhand derer der einzelne die Möglichkeit habe, das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen 51 , und schließlich geht es nur noch um die „Auslegung durch die Rechtsprechung", die dem Normadressaten hinreichend verdeutliche, was die Bestimmung strafrechtlich verbiete 52 . Dieses Abstellen auf die Präzisierung des Straftatbestandes durch die Rechtsprechung weist darauf hin, daß der gesetzliche Tatbestand selbst zu unklar ist, als daß der Bürger aus ihm mit hinreichender Sicherheit die möglichen Fälle der Strafbarkeit entnehmen kann 5 3 . Hier kann von einer Umsetzung der vom Gericht gewonnenen strengen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht mehr die Rede sein. Vielmehr steht diese konkrete Rechtsanwendung in auffälligem Widerspruch zu den gerade in neuerer Zeit vom Bundesverfassungsgericht 54 klarer und eindringlicher denn zuvor herausgestellten Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz, die nun ausdrücklich noch auf ein zweites Verfassungsprinzip zurückgeführt werden: Einerseits gehe es um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Jedermann solle vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Im Zusammenhang damit solle „anderer49 BVerfGE 4, 352 (358); 14, 245 (253); 26, 41 (43); 28, 175 (183 - 185); 45, 363 (372); 48, 48 (56); 57, 250 (262); vgl. auch BVerfGE 45, 187 und 54, 100. Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 119, spricht von einer „Verwässerung der Bestimmtheitsanforderungen" durch das BVerfG, wenn es in einigen Entscheidungen offenbar weniger darauf abstelle, ob die Gesetzesfassung hinreichend bestimmt sei, sondern darauf, ob der insoweit fragwürdige Straftatbestand durch die Rechtsprechung hinreichend präzisiert worden sei. Bedenken gegen das Abstellen auf das Vorhandensein einer strafgerichtlichen Judikatur zur Konkretisierung einer unbestimmten Strafnorm etwa noch bei Kunig, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 103 Rn. 29. so BVerfGE 26, 41 (43). 51 BVerfGE 45, 363 (371f.); 48, 48 (56f.). 52 BVerfGE 57, 250 (262) - § 99 Abs. 1 Nr. 1 (geheimdienstliche Agententätigkeit). 53 Die zutreffende Feststellung von Starck, Staatsbürger und Gericht, S. 66, das „Verdikt der Unbestimmtheit" stehe logisch vor den instanzrichterlichen Bemühungen um Präzisierung, gilt nicht nur, wie Starck meint, für nachkonstitutionelle, sondern für alle Strafgesetze, da Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz unterschiedslos für sämtliche gesetzlichen Strafvorschriften unter dem Grundgesetz Geltung beansprucht; wegen dieses logischen Vorranges des Gebots der Bestimmtheit des Gesetzes können auch diejenigen Auffassungen nicht überzeugen, die das Bestimmtheitsgebot (auch) als Gebot an den Richter verstehen wollen, die Gesetze möglichst so aufzufassen und zu handhaben, daß sie dem Prinzip gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit genügen, so aber etwa Warda, Dogmatische Grundlagen, S. 40. 54 BVerfGE 47, 109 (120f.).
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seits sichergestellt werden, daß der Gesetzgeber 55 über die Strafbarkeit entscheidet: Würde die Entscheidung über die Strafbarkeit eines Verhaltens der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt überlassen, so wäre dies unvereinbar mit dem Prinzip des Grundgesetzes, daß die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten oder über die Voraussetzung einer Beschränkung dem Gesetzgeber und nicht den anderen staatlichen Gewalten obliegt". Ob ein Verhalten strafbar sei, habe demnach der Gesetzgeber, nicht der Richter zu bestimmen 56 . Wenn demgegenüber der Tatbestand des „groben Unfugs" erst durch eine „einschränkende Auslegung" in der Rechtsprechung präzisiert wird 5 7 , so zeigt dies, daß hier in Wahrheit der Richter bestimmt, welches Verhalten strafbar ist. Daß auch eine „jahrzehntelange gefestigte Rechtsprechung" ein unbestimmtes Gesetz nicht zu einem bestimmten Gesetz machen oder dieses ersetzen kann - und nur die gesetzliche Bestimmung soll von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz garantiert werden - zeigt eben gerade diese Rechtsprechung, die, auf Grund der Unbestimmtheit des Tatbestandes „Wer groben Unfug verübt" an keine Schranken gebunden, beliebige, ihrem jeweiligen Rechtsgefühl als irgendwie anstößig erscheinende Handlungen bestraft hat 5 8 . Ist also die bisherige Rechtsprechung in Wahrheit die einzige brauchbare Grundlage für den Richter, die in ihrem Inhalt und ihren Grenzen nicht durch ein deutliches Gesetz vorgezeichnet ist, so ist damit der Boden für eine immer weiter ausufernde Rechtsprechung und eine ständige Ausdehnung des Straf rechts bereitet, denn jeder neue entschiedene Fall wäre wieder die Grundlage für andere ähnliche, aber ein wenig anders gelagerte Fälle, die wiederum neue ähnliche, aber auch wieder etwas anders als diese geartete Fälle nach sich ziehen können, so daß letztlich möglicherweise mit den ursprünglichen Fällen kaum noch Ähnlichkeiten bestehen blieben 59 . Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz liefe damit leer, denn er fordert die Bindung des Strafrichters an das Gesetz, nicht aber an Einzelfallentscheidungen der Instanzgerichte.
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Hervorhebung vom Bundesverfassungsgericht. 56 BVerfGE 47, 109 (120). 57 BVerfGE 26, 41 (43). 58 So etwa das Spazieren auf dem Kurhaushofe in der Badehose (BayObLGSt 21, 175), die Verherrlichung des Todes eines Wilderers (BayObLGSt 31,104), das Bespritzen von Fußgängern durch „rücksichtsloses Autofahren" (BayObLGSt 26, 111; 27, 127), die Kritisierung eines Verstorbenen im Nekrolog (OLG München, GA Bd. 39, 180), Pfui-Rufe gegen einen Politiker während des Absingens der Nationalhymne (OLG Hamm, GA 1963, 28f.) oder das Verrücken einer Parkbank auf den Bürgersteig (BVerfGE 26, 41). Aus der Vielzahl der Kritiken an diesem Beschluß vgl. beispielhaft F.-Ch. Schroeder, JZ 1969, S. 775 (779), demzufolge der Tatbestand nach der Rechtsprechung längst laute: Störung der öffentlichen Ordnung bzw. sogar: Handlungen vornehmen, die zur Störung der öffentlichen Ordnung geeignet seien. 59 Vgl. bereits Hellmuth Mayer, Materialien, S. 273ff.
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
C. Das Gebot bestimmter Straftatbestände in eigener Sicht Angesichts der widersprüchlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll im folgenden in einer eigenen Untersuchung geklärt werden, welcher Gehalt dem Grundsatz der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit einer Tat in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz im Hinblick auf die Regelung des § 13 zu entnehmen ist. Um eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung seiner heutigen Bedeutung, seines Stellenwertes im Gefüge des Grundgesetzes zu gewinnen, erscheint es geboten, sich zunächst diesen eine längere Tradition aufweisenden Satz in seiner geschichtlichen Entwicklung vor Augen zu führen.
I. Die historische Entwicklung des Gebotes als Verständnisgrundlage seiner heutigen Bedeutung Das römische und das mittelalterliche Recht kannten noch nicht die Bindung an fest umrissene gesetzliche Tatbestände, es gab noch keine umfassenden Kodifikationen und erst allmählich entstanden einzelne Strafgesetze 60 . Bis in das Mittelalter hinein blieb das meiste gewohnheitsrechtlichen Bindungen überlassen, stand selbst dort, wo es gesetzliche Regelungen in Statuten gab, wegen der weiten Deliktsbegriffe vieles im Ermessen des Rechtsanwenders 61 ; insbesondere wurden rechtsetzende und rechtsanwendende Instanz nicht streng voneinander getrennt 62 . Die Grundlagen für die heutige Gestalt des Prinzips nulla poena sine lege finden sich in der neueren naturrechtlichen Entwicklung, vor allem in der Aufklärungsperiode 63 , die gekennzeichnet ist von der Auflösung der antikmittelalterlichen Metaphysik, die allem in einem universalistischen System, der natürlichen göttlichen Weltordnung 64 , seinen bestimmten Ort zugewiesen hatte. Das Denken wendet sich dem Menschen als Mittelpunkt aller Wirklichkeit und Wahrheit, als denkendem, vernünftigen Subjekt zu. Der Mensch, der kraft seiner Vernunft die Welt ohne Bindung an Autoritäten 60
Schreiber, Gesetz und Richter, S. 25. So ist zum Beispiel die ,Peinliche Halsgerichtsordnung' Kaiser Karls V. von 1532 (Constitutio Criminalis Carolina) noch nicht als Kodifikation im heutigen Sinne aufzufassen. Sie gebe zwar Beispiele, sei aber noch keine eigentliche Gesetzgebung, so Feuerbach, K r i t i k des Kleinschrodtschen Entwurfs, II. Teil, S. 29ff., 31. 62 Schreiber, Gesetz und Richter, S. 25. 63 Vgl. Binding, Handbuch des Strafrechts, 1. Band (1885), S. 19. 64 Die „lex divina positiva"; ihre, und damit die Ausscheidung der Bibel als Rechtsgrundlage geht zurück auf Christian Thomasius (1655 - 1728), Professor in Leipzig und Halle, der gegen den Aristotelismus und Scholastizismus, gegen Aberglauben und Hexenwahn kämpft, und die Trias Hexenverfolgung, Tortur und Inquisitionsprozeß verpönt; näheres über Thomasius bei Erik Wolf, Große Rechtsdenker, S. 371 ff. 61
2. Abschn.: Das Gebot der gesetzl. Strafbarkeitsbestimmung
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und vorgegebene, insbesondere religiöse Überlieferungen erfassen und bewältigen will, rückt in das Zentrum des Interesses 65. Das Denken des sog. neuzeitlichen Naturrechts lehnt sich an die Methode der neueren Naturwissenschaft an, deren Ausgangspunkt die Beobachtung und deren Verfahren die Analyse, die Zergliederung der bekannten Phänomene in ihre letzten, rational feststellbaren Elemente ist. Von diesen Elementen her werden die komplexen Vorgänge in der Natur - etwa durch Galilei das Phänomen des freien Falles - konstruktiv zusammengesetzt und damit über die bloß empirische Anschauung hinaus verstehbar und beherrschbar gemacht 66 . Das Naturrecht überträgt diese Methode auf die Lehre vom Staat 67 . Dabei wird der schon in der Antike bekannte Gedanke vom Gesellschaftsvertrag wieder aufgegriffen, der den Naturzustand, welcher im Krieg aller gegen alle mündet, beendet. Die theoretische Basis der im einzelnen unterschiedlichen Staatstheorien und politischen Ziele, die, auf der Idee des Gesellschaftsvertrages fußend, entwickelt bzw. verfolgt werden 68 , bildet die Herleitung des Staates vom einzelnen. Während allerdings bei Hobbes, der noch ganz auf dem Boden des absoluten Staates steht, das im vorstaatlichen Naturzustand als frei, gleich und souverän gedachte Individuum mit dem nicht aufkündbaren Unterwerfungsvertrag seine Rechte weitgehend an den Souverän verliert 6 9 , gewinnt in der neueren Naturrechtslehre in Auseinandersetzung mit Hobbes die Vorstellung ursprünglicher, beim einzelnen verbleibender, unveräußerlicher und unantastbarer Freiheitsrechte zunehmend an Boden. Von der Idee der auf der sittlichen Freiheit gründenden Menschenwürde wird die natürliche Gleichheit und Freiheit aller abgeleitet 7 0 . Bei Locke finden diese Gedanken ihre „klassische", später über Amerika politisch wirksam gewordene Ausprägung. Er sieht den Menschen von Natur aus in Freiheit von fremder Macht 7 1 . Da das ungeordnete Nebeneinander von unbegrenzter Freiheit der einzelnen schließlich zum Kampf aller gegen alle führt, wird durch Aufgeben eines Teiles der natürlichen Freiheit mit dem Eintritt in die Gesellschaft die Sicherheit der einzelnen, ihr Glück und ihr Wohlergehen befördert 72 . Die Gewalt dieser Gesellschaft ist 65
Schreiber, Gesetz und Richter, S. 34. Schreiber, Gesetz und Richter, S. 34; Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, S. 112; Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, S, 12. 67 Näher dazu: Cassirer, a.a.O., S. 23ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 271. 68 Etwa von Hobbes, Locke, Grotius, Pufendorf, Wolffund Kant. 69 Hobbes, Leviathan, Kap. 17, 18, 21, 26, und De Cive, Kap. 5, 6. 70 So zunächst von Pufendorf, De jure naturae et gentium, Liber III, Kap. 2, §§ 1,2, 8, und später Thomasius, Wolff u.a., vgl. näher v. Gierke, Althusius, S. 114. 71 Locke, Second Treatise, I I 4., V I I I 95. 72 Second Treatise, V I I 90., 93., V I I I 96.; ähnlich später Beccaria (1776), nach dem die ursprünglich freien und unabhängigen Individuen im Gesellschaftsvertrag einen 66
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
beschränkt auf die Förderung des öffentlichen Wohles, ihr Ziel ist die Erhaltung ihrer Glieder. Damit sind absolute und willkürliche Gewalt sowie eine Regierung ohne feste, „stehende Gesetze" 73 nicht vereinbar. Locke gilt als der Theoretiker des gewaltenteilenden Rechtsstaates74. Seine Betonung der Gesetzlichkeit, der Notwendigkeit fester, stehender Gesetze und der Gesetzesbindung der Exekutive deutet bereits in Richtung auf das moderne Prinzip der Gesetzesbestimmtheit im Rechtsstaat. Allerdings haben Lockes Überlegungen keine spezielle Beziehung zum Strafrecht, sondern werden ganz generell angestellt. Doch zeigt sich bei ihm schon die für das nulla-poena-Prinzip bedeutsame Verbindung des naturrechtlichen Gedankens der individuellen Freiheit mit der Kodifikationsidee, die schließlich in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte im Jahre 1789 zum Ausdruck kommt. Deren Vorbild waren die „bills of rights" der nordamerikanischen einzelstaatlichen Verfassungen von 1776 und der folgenden Jahre, die zum „verfassungsrechtlichen Transformator" 75 der Ideen von Theoretikern wie Locke und Montesquieu wurden 7 6 . Sie enthielten zwar noch nicht den auf ein kodifiziertes Straf recht bezogenen nulla-poena-Satz, dafür aber gewissermaßen ein strafprozessuales Freiheitsrecht, das den Freiheitsentzug nur aufgrund eines Strafgesetzes oder eines Richterspruchs gestattet 77 . Demgegenüber werden in Europa in den Staaten des aufgeklärten Absolutismus vielfach geschlossene Strafrechtskodifikationen geschaffen, wie vor allem in deutschen Sprachgebieten die Josephinische Gesetzgebung von 1787 und das preußische Allgemeine Landrecht von 1794. Beides sind bereits Kodifikationen in dem von der Aufklärung geforderten Sinne. Sie verwirklichen den numerus clausus bestimmt formulierter Straftaten und verlangen die strenge Bindung des (trotz Staatsaufsicht gegenüber dem König unabhängigen) Richters an das Gesetz. Damit sind auch im aufgeklärten Absolutismus bereits wichtige Forderungen der führenden Theoretiker der Aufklärung wie Locke und Montesquieu in die politische Realität umgesetzt 78 . Teil, und zwar den geringstmöglichen Teil ihrer Freiheit geopfert haben, um „des Restes in Sicherheit und Ruhe sich zu erfreuen", Über Verbrechen und Strafen (Ausgabe Alff), §1, I I (S. 51, 53). 73 Locke, Second Treatise, XI136f. 74 Ihm geht es allerdings um die Trennung der gesetzgebenden von der ausübenden Gewalt. Erst Montesquieu fügt als dritte Gewalt die richterliche hinzu. 75 Hennings, Die Entstehungsgeschichte des Satzes nulla poena sine lege, S. 78. 76 Zum Einfluß der Gewaltenteilungslehre Montesquieus auf die amerikanischen Verfassungen: Knust, Montesquieu und die Verfassungen der Vereinigten Staaten von Amerika, 1922. 77 Vgl. die „Virginia B i l l of Rights" vom 12. Juni 1776, Section 8: "... that no man be deprived of this liberty, except by the law of the land or the judgement of his peers".
2. Abschn.: Das Gebot der gesetzl. Strafbarkeitsbestimmung
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D i e entscheidende V e r b i n d u n g des Gedankens der S t r a f r e c h t s k o d i f i k a t i o n m i t der Idee der f r e i h e i t l i c h e n Grundrechtsgarantie aber erfolgt i m w e i t e r e n F o r t g a n g der Reformkämpfe i n F r a n k r e i c h . D i e W i l l k ü r der S t r a f j u s t i z f ü h r t i m „ A n c i e n Régime" z u u n e r t r ä g l i c h e n Zuständen, angesichts derer die Forderungen e t w a v o n Montesquieu, V o l t a i r e u n d Rousseau n a c h Gewaltenteilung, unabhängiger (Straf-)Gerichtsbarkeit, fester, b e s t i m m t e r u n d gerechter Strafgesetze u n d Rechtssicherheit entstehen u n d große V e r b r e i t u n g finden. I n den v o n der französischen N a t i o n a l v e r s a m m l u n g
1789 erlassenen
„ D é c l a r a t i o n s des d r o i t s de l ' h o m m e et d u c i t o y e n " schließlich w i r d das Gesetzlichkeitsprinzip i m Strafrecht i n A r t . 7 u n d 8 z u m Freiheitsrecht des Bürgers erhoben 7 9 . H i e r findet das Gebot der B e s t i m m t h e i t der Strafgesetze seine entscheidende V e r w i r k l i c h u n g i m modernen r e c h t s s t a a t l i c h - d e m o k r a tischen Sinne. Seine B e d e u t i m g g e w i n n t es aus d e m Z u s a m m e n h a n g m i t der Idee der Freiheitsrechte u n d i m einzelnen m i t den Gedanken der G e w a l t e n teilung, der strengen B i n d u n g des Richters an das Gesetz als dem A u s d r u c k des V o l k s w i l l e n s u n d der d a m i t verbundenen Berechenbarkeit u n d R a t i o n a l i s i e r u n g des Rechts 8 0 . 78 Zu einseitig daher Otto, Grundkurs AT, § 2 I 5, wenn er die „Herkunft" des Prinzips der Gesetzesbestimmtheit dem (aufgeklärten) Absolutismus zuschreibt und von dieser Herkunft her die Verwandtschaft des Satzes mit den Freiheitsrechten leugnet. Denn geistesgeschichtlich geht das Prinzip auf die Theoretiker der Aufklärung wie Locke, Montesquieu, Beccaria zurück und hat von daher die ganz enge Beziehung zum Freiheitspathos der Aufklärung. Der Aufklärung aber war lYiedrich der Große, unter dessen Regentschaft (1740 - 1786) das Allgemeine Landrecht ausgearbeitet wurde, aufs stärkste verbunden. Er verstand seine absolute Herrschaft vollständig als Dienst am Volk, ausgerichtet auf die Wohlfahrt und das Wohlergehen des einzelnen. Daß dabei das Motiv des auch nach außen hin starken Staates eine Rolle gespielt hat, vermag der Feststellung keinen Abbruch zu tun, daß auch im absoluten Staat der Aufklärung die Freiheit des einzelnen vor richterlicher Willkür und damit die Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Rechts eine bedeutende Rolle spielt. Es fehlt allerdings die demokratische Dimension, die für die heutige Auffassung des nulla-poena-sinelege-Satzes wichtig ist. Vgl. näher: Schreiber, Gesetz und Richter, S. 83 ff.; im übrigen stehen absolutistisch-totalitäre Regimes dem nulla-poena-Prinzip eher ablehnend gegenüber. Denn typisch für sie ist, daß sie nach außen hin sich den Anstrich des Rechtmäßigen, dem Wohl der Bürger Verpflichteten geben wollen und daher ihre wahren Ziele der Unterdrückung des Volkes nicht für alle Welt ersichtlich in Unrechtsgesetzen zum Ausdruck bringen. Sie bedienen sich vielmehr auch in dem für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele wichtigen Strafrecht gerade unbestimmter, allgemeiner Strafvorschriften und verwirklichen ihre Ziele durch abhängige Richter, die entsprechend ihren Weisungen die unbestimmten Gesetze anwenden. Beispiel hierfür aus der deutschen Geschichte sind die Aufhebung des Gesetzlichkeitsprinzips in der Nazi-Diktatur und die massive Einwirkung des Regimes auf die Justiz, vgl. dazu näher Weinkauff, in: Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, S. 96 ff. 79 Art. 7: N u l homme ne peut être accusé, arrêté n i détenu que dans les cas déterminés par la loi et selon les formes qu'elle a prescrites ... Art. 8: La loi ne doit établir que des peines strictement et évidemment nécessaires, et nul ne peut être puni qu'en vertu d'une loi établie et promulguée antérieurement au délit, et légalement appliquée ... 80 Vgl. Montesquieu, De l'esprit les lois, X I X , 9.: Auch besteht keine Freiheit, wenn die richterliche Gewalt von der gesetzgebenden und von der ausführenden nicht getrennt ist. Wenn sie mit der gesetzgebenden verbunden wäre, so wäre die Macht
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Im Deutschland des 19. Jahrhunderts wird die Lehre vom Bestimmtheitsgebot durch Feuerbach schließlich inhaltlich näher ausgeprägt. Mit dem von ihm geschaffenen Bayrischen Strafgesetzbuch von 1813 nimmt die „rechtsstaatlich liberale Epoche der Strafrechtswissenschaft" ihren Ausgang 81 . Feuerbach betont die Bestimmtheit der gesetzlichen Voraussetzungen als Grundbedingung der Gesetzgebung. Der Gesetzgeber muß seine Gesetze vor allem über die Willkür der Richter erheben. Das Gesetz ist der Wille des Gesetzgebers; aus den Gesetzesbuchstaben erscheint deren Sinn, den der Richter durch Interpretation ermitteln muß 82 . Die Definitionen des Gesetzgebers müssen so getroffen werden, daß sie in concreto leicht wiederzufinden sind, daß nicht bei ihrer Anwendung die Grenzlinien unkenntlich werden oder sich ganz verlieren. Das Gesetz darf sich nicht mit allgemeinen, unbestimmten Ausdrücken begnügen wie „viel, wenig, groß, klein, leicht, schwer..." 8 3 . Speziell im Strafrecht ist es nach Feuerbach eine der Hauptaufgaben des Gesetzgebers, den allgemeinen Begriff jedes Verbrechens bestimmt, klar und erschöpfend darzustellen und seine einzelnen Arten aus diesem Begriffe abzuleiten. Aufgrund dessen ist dann nicht aus Beispielen zu entscheiden, sondern aus gegebenen Regeln und Begriffen 84 . Damit enthalten Feuerbachs Forderungen recht einschränkende Bedingungen für die Formulierung der Strafgesetze, die zum Ausgangspunkt nicht nur für das von ihm geschaffene Bayrische Strafgesetzbuch von 1813, sondern auch für die gesamte Kodifikationsbewegung des 19. Jahrhunderts wurden 85 . Aus dem französischen code pénal wird das Gebot der Gesetzesbestimmtheit in die preußische Verfassung von 1850, in das preußische Strafgesetzbuch von 1851 und schließlich in § 2 des Reichsstrafgesetzbuches 86 übernommen. über Leben und Freiheit der Bürger rein willkürlich, denn der Richter wäre zugleich Gesetzgeber. Bei Montesquieu finden sich auch Vorstellungen über inhaltliche Bestimmtheitsanforderungen an die Abfassung der Gesetze, wenn er feststellt, es sei wesentlich, daß die Buchstaben des Gesetzes in allen Menschen die gleichen Ideen erweckten, und fordert, daß ein Gesetz keine vagen Ausdrücke enthalten dürfe, a.a.O. X I X , 16: „ I I est essentiel que les paroles des lois réveillent chez tous les hommes les mêmes idées" ... „dans une loi,... i l ne faut point revenir à des expressions vagues". 81 Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 263; vgl. auch Radbruch, Feuerbach-Gedenkrede, S. 8. Gegen Bindings (Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, S. 19 ff.) einseitige Betrachtung des nulla-poenaPrinzips bei Feuerbach unter dem Gesichtspunkt der Feuerbachschen Theorie vom psychologischen Zwang ausführlich Schreiber, Gesetz und Richter, S. 102 ff. 82 P. J. A. Feuerbach, K r i t i k des Kleinschrodtschen Entwurfs, Teil 2, S. 18ff. 83 Feuerbach, K r i t i k des Kleinschrodtschen Entwurfs, Teil 2, S. 47, 94, Teil 3, S. 12 f. 84 Feuerbach, a.a.O., Teil 2, S. 34. 85 Vgl. Elvers, Nulla poena sine lege, S. 34. 86 Die deutsche Reichsverfassung von 1871 enthielt noch keine Grundrechte.
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Die wissenschaftliche Literatur nach Feuerbach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte für die nähere Bestimmung des Inhalts des Bestimmtheitsgebotes keine Fortschritte gebracht, das Vermächtnis dieser Zeit liegt aber in der klaren gesetzgeberischen und verfassungsrechtlichen Stellungnahme für die Tradition des Satzes „nulla poena sine lege" 87 . Wesentlich für die Konkretisierung des Bestimmtheitsgebotes wird Anfang des 20. Jahrhunderts Belings „Lehre vom Verbrechen" 88 . Belings Tatbestandsbegriff betont die gesetzlich umschriebene Typizität eines Verhaltens als Straf Voraussetzung. Er sieht die „Tatbestandsmäßigkeit" in enger Beziehung zu § 2 StGB als Ausdruck dafür, daß nach dem Satz „nulla poena sine lege" das strafbare Verhalten gesetzlich fest umrissen sein muß. Nur ganz bestimmte, gesetzlich vertypte Verhaltensweisen unterfallen der Strafbarkeit. Als Gegenbild dieser von § 2 geforderten Typisierung spezieller Verhaltensweisen erscheint Beling der „Schurkenparagraph", welcher als unbestimmte Universalklausel jedes strafwürdige Verhalten treffen will89. Erstmalig für ganz Deutschland erhält dann im Jahre 1919 das Gesetzlichkeitsprinzip Verfassungsrang. Die Formulierung in Art. 116 Weimarer Reichsverfassung entspricht bis auf die Ersetzung des Wortes „Strafe" durch „Strafbarkeit" im Wortlaut dem bestehenden § 2 StGB und ist fast wörtlich in das Grundgesetz übernommen worden 90 . Die formelle Außerkraftsetzung des Prinzips in der nationalsozialistischen Diktatur geschah durch die Änderung des § 2 StGB 9 1 , der nun anordnete, daß bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt, oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Dabei sollte in der Alternative die Tat nach dem Gesetz bestraft werden, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft. Hinzu trat der Erlaß neuer unbestimmter Vorschriften, wie etwa § 3 der „Verordnung gegen Volksschädlinge" vom 5. September 1939, in dem mit der Todesstrafe bedroht wurde, „wer eine Brandstiftung oder ein sonstiges gemeingefährliches Verbrechen begeht und dadurch die Widerstandskraft des deutschen Volkes schädigt" 92 . 87 So Fiedler, Die Bestimmtheit der gesetzlichen Tatbestände als methodisches und verfassungsrechtliches Problem, S. 52; vgl. dazu auch Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 23f. 88 Die Lehre vom Verbrechen, 1906. 89 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, Vorwort S. VI; S. 20ff. 90 Art. 116 Weimarer Reichsverfassung (vom 11.8.1919) lautete: „Eine Handlung kann nur dann mit Strafe belegt werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde." 91 Durch die Strafrechtsnovelle vom 28.6.1935 (RGBl. I, S. 839). 92 Ähnliche Tatbestände finden sich häufig in totalitären Staaten, vgl. dazu schon obenFn. 78 (a.E.).
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Von den schärfsten Gegnern des Gesetzlichkeitsprinzips wurde die von Feuerbach eingeführte Formulierung „nulla poena sine lege" in das Schlagwort „nullum crimen sine poena" umgewandelt, womit alles Strafwürdige als strafbar angesehen wurde und die Strafwürdigkeit sich danach richten sollte, ob die Willensrichtung des vor dem Richter Stehenden dem entgegengesetzt war, was die Volksgemeinschaft von einem ordentlichen Volksgenossen verlangte 93 . Doch bereits aufgrund der neuen Gesetzeslage war richterlicher Willkür Tür und Tor geöffnet, die dann nach dem geplanten „Entwurf eines Deutschen StGB" von 1938 (§§ 1 und 2) zu einer nur noch vom Führer bestimmten Staatswillkür werden sollte. Zu dieser Neukodifikation des Strafrechts aus nationalsozialistischem Geist kam es indes nicht mehr 94 . Die Wiederaufnahme des Gesetzlichkeitsprinzips in das Grundgesetz und in das StGB schließlich war im Verfassungs- und im Strafgesetzgebungsverfahren gerade angesichts der Erfahrungen in der nationalsozialistischen Zeit offensichtlich selbstverständlich und wurde kaum diskutiert 9 5 . II. Ermittlung der Bedeutung des Bestimmtheitsgebotes aus dem „Verfassungsganzen" - Das Gebot als Konsequenz des Verständnisses von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz als Kompetenzzuweisungsnorm im Rahmen der grundgesetzlichen Funktionenverteilung Die dargestellte geistesgeschichtliche Einbettung und historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips dient als wesentliche Verständnisgrundlage für seine heutige Bedeutung als Verfassungsnorm des Grundgesetzes. Seine Entstehung und sein Aufschwung als Freiheitsgrundrecht in der Epoche der Aufklärung, die ihm zugrundeliegende Idee, den einzelnen vor staatlicher Willkür (gerade auf dem Gebiet des Strafrechts) mit Hilfe „feststehender" Gesetze zu schützen, seine Bedeutung für die Entwicklung strafrechtlicher Kodifikationen sowie seine Außerkraftsetzung in der jüngsten Vergangenheit zum Zwecke der Verwirklichung einer Unrechts- und Willkürjustiz machen deutlich, warum seine Aufnahme i n das Grundgesetz eine Selbstverständlichkeit war. Seine genaue heutige Bedeutung für das hier interessierende Problem der Bestimmtheit des § 13 StGB kann sich jedoch nicht allein aus einer isolierten Betrachtung dieses Grundsatzes und seiner geschichtlichen Entstehung ergeben, sondern ist aus dem Verfassungsganzen, aus seinem Stellenwert im Gefüge des Grundgesetzes, d.h. 93 Freister, in: Deutsches Strafrecht, Bd. 2 (1935), S. 29; ebenso Krug, ZAfDR 1935, S. 98ff. 94 Vgl. näher zum Ganzen: Schreiber, Gesetz und Richter, S. 191 ff. 95 Diskutiert wurde in den Beratungen nahezu ausschließlich die Frage, ob mit dem Ausdruck „Strafbarkeit" auch das Strafmaß mit umfaßt sei, vgl. im einzelnen Schreiber, Gesetz und Richter, S. 202 bis 204.
2. Abschn.: Das Gebot der gesetzl. Strafbarkeitsbestimmung
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seinem Zusammenhang mit den übrigen Normen des Grundgesetzes und im Einklang mit den Grundentscheidungen der Verfassung zu erschließen 96. Das Grundgesetz hat sich, wie seine Leitprinzipien für die rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens in der Präambel und in den Art. 1, 20 und 28 zeigen, für den freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaat entschieden. Auch und gerade in Anbetracht der Zurückstellung der einzelnen Person hinter das „völkische Wohl" im Dritten Reich stellt das Grundgesetz in Art. 1 und 2 den Menschen und seine Persönlichkeit in den Mittelpunkt seiner Wertordnung. Der in Art. 1 unabänderlich gewährleistete (vgl. Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz) oberste Verfassungsgrundsatz der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde ist deshalb nicht etwa nur Programmsatz 97 , Leitlinie oder bloße Deklamation 98 , sondern verpflichtet unmittelbar alle staatliche Gewalt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz). Dem einzelnen Menschen als eigenverantwortliche, zu freier Entfaltung bestimmte, aber auch zur verantwortlichen Mitgestaltung des menschlichen Zusammenlebens aufgerufene Person von unverfügbarem Eigenwert dient letztlich die gesamte Ordnimg des Gemeinwesens99. Denn dieses existiert nicht um seiner selbst, sondern allein um der Freiheit und des Wohles der einzelnen Person willen 1 0 0 . Diese Freiheit kann natürlich keine schrankenlose sein, sondern ist immer auch zur Gewährleistung der größtmöglichen freien Entfaltung der anderen in gewissem Umfang begrenzt 101 . Den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen und die optimale Verwirklichung der freien Entfaltung und Selbstbestimmung der einzelnen Person als Glied der Gemeinschaft hat die im Grundgesetz niedergelegte freiheitliche, demo96 Zum Prinzip der Einheit der Verfassung als (Leit-)Prinzip der Verfassungsinterpretation Bäumlin, Staat, Recht und Geschichte, S. 27 und passim; Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, W D S t R L 20, S. 77ff.; Scheuner, W D S t R L 20, S. 1251; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, §1111 2a und § 2 I I I 2 c a a , die diese Einheit nicht als bereits abgeschlossene, logisch-axiomatische oder werthierarchische, systematische Einheit verstehen, sondern als solche, die sich aus dem Zusammenspiel der gegenseitig voneinander abhängigen und aufeinander zurückwirkenden einzelnen Elemente der Verfassung ergibt. Zum Verständnis der Einheit der Verfassung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. Ehmke, ebenda, S. 78. 97 Küchenhoff, Festschrift für Geiger, S. 48. 98 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 4 (Rn. 114,116). 99 Zum Zusammenhang von Freiheit und Ordnung Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 208. 100 Das Grundgesetz ist von jeder transpersonalen Staatsvorstellung und -Zielsetzung abgerückt; der Staat ist auch nicht mehr „göttliche Stiftung oder göttliche Ordnung, sondern gemeines Wesen (res publica) im Interesse des Wohls der einzelnen", Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 67. 101 Im übrigen ist diese Freiheit nicht von vornherein da (im Naturzustand ist die Freiheit des einen, des stärkeren, die Unterdrückung des anderen, des schwächeren), sondern wird durch die staatliche Ordnung, also auch durch die Begrenzung der Freiheit, für den einzelnen erst geschaffen und ermöglicht. Zum sich aus dieser Erkenntnis ergebenden Verständnis des Zusammenhangs von Grundrecht und Gesetzesvorbehalt Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 202 ff.
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kratische und rechtsstaatliche Grundordnung des Gemeinwesens zum alleinigen Ziel. Die in einem Verhältnis enger Wechselbezogenheit stehenden grundlegenden Entscheidungen des Grundgesetzes für die Freiheit des einzelnen, für Demokratie und Gewalten(ver)teilung und damit für die Rechtsstaatlichkeit bilden, wie die auch schon aus der geschichtlichen Betrachtung gewonnenen Erkenntnisse über die Grundlagen und (möglichen) Zwecke des Prinzips der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit nahelegen, die topoi 1 0 2 für die Interpretation des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz im Hinblick auf die Frage der Bestimmtheit der Strafbarkeitsvoraussetzungen in § 13. Staatliche Willkür ist gerade im Bereich staatlichen Strafens besonders unerträglich, weil die Strafe das schärfste, in die individuelle Freiheit gravierend eingreifende staatliche Machtmittel ist. Auch nach Abschaffung der Todesstrafe (Art. 102 Grundgesetz) kann die Verurteilung zu Strafe den Bürger praktisch zugrunde richten 1 0 3 . Der Mißbrauch und die unkontrollierte Handhabung dieses staatlichen Zwangsmittels führen, wie die Geschichte gezeigt hat, zu Unterdrückung, Unfreiheit und Entwürdigung des Menschen. Da in die durch die staatliche Strafe betroffenen Grundrechte bereits unabhängig von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden darf (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 3, 14 Abs. 3 Grundgesetz), ist angesichts dieser wieder in der jüngeren deutschen Geschichte gemachten Erfahrung die gesonderte Hervorhebung der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit einer Tat in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz und damit die Herausstellung des Gesetzesvorbehalts gerade für das Gebiet des Strafrechts dahin zu verstehen, daß hier dem Vorbehalt des Gesetzes eine besondere Bedeutung beigemessen wird und damit der Schutz des einzelnen vor strafrichterlicher Willkür im Sinne der geschichtlichen Tradition des Satzes eine herausragende Rolle spielt. Dafür spricht auch schon die Stellung des Art. 103 Abs. 2 im Grundgesetz, wo er innerhalb des Abschnittes über die Rechtsprechung in engem Zusammenhang mit Normen steht, die vornehmlich dem Schutz der Freiheit des einzelnen vor der richterlichen Gewalt dienen 104 . Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz enthält insofern eine spezielle Kompetenzzuweisung innerhalb der staatlichen Gewalten und ist damit eine konkrete Ausgestaltung des Gewaltenteilungsprinzips. 102 Zum „topischen" Vorgehen bei der Verfassungsinterpretation Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 I I I 2, das sich durch die normative Gebundenheit von der „reinen" Topik unterscheidet; zu letzterer Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 5. Auflage 1974; Bäumlin, Staat, Recht und Geschichte, S. 27f.; Hennis, Politik und praktische Philosophie, S. 89ff.; F. Müller, Normstruktur und Normativität, S. 56f., und Juristische Methodik, S. 68ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 114ff. 103 Zu den Auswirkungen der Verhängung und der Verbüßung von Strafe näher Hoffmeyer, Grundrechte im Strafvollzug, S. 27ff.; vgl. auch Lemmel, S. 128f. 104 Vgl. Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 210; ebenso jetzt BVerfGE 64, 389 (394).
2. Abschn.: Das Gebot der gesetzl. Strafbarkeitsbestimmung
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Die Gewaltenteilung wird heute als ein organisatorisches Grundprinzip verstanden, das die gesamte Verfassung durchzieht und umgekehrt aus dem Gesamtgefüge der Verfassung seine Konturen gewinnt 1 0 5 . Ausgangspunkt ist die Notwendigkeit, staatliche Einheit zu konstituieren. Denn politische, staatliche Einheit ist Voraussetzung staatlicher Gewalt; beide sind nicht ursprünglich real vorhanden, sondern müssen in organisiertem menschlichen Zusammenwirken stets neu geschaffen und erhalten werden 1 0 6 . Damit unterscheidet sich dieses Verständnis der Gewaltenteilung im theoretischen Ansatz von der traditionellen Lehre, die von dem Vorhandensein der einheitlichen Staatsgewalt ausgeht und die Gewaltenteilung zur nachträglichen Begrenzung der Macht dem Staate überstülpt 1 0 7 . Gegenstand der Gewaltenteilung ist nach modernem Verständnis vielmehr die von der Verfassung vorgenommene Ordnung menschlichen Zusammenwirkens, die die einzelnen Gewalten konstituiert, ihre Kompetenzen bestimmt und begrenzt, ihre Zusammenarbeit regelt und auf diese Weise zur Einheit - begrenzter - staatlicher Gewalt hinführen soll 1 0 8 . Die Gewinnung staatlicher Einheit erfordert damit „nicht nur eine Hemmung und Balancierung der realen Machtfaktoren, sondern sie ist auch und vor allem eine Frage sachgemäßer Bestimmung und Zuordnung der staatlichen Funktionen, der Organe, denen die Wahrnehmung dieser Funktionen anvertraut wird, sowie der realen Kräfte, die sich in diesen Organen verkörpern" 1 0 9 . Die vom Grundgesetz vorgenommene Zuweisung von Funktionen ist an den Aufgaben orientiert, die der Staat zu bewältigen hat, und verteilt sie auf organisatorisch unterschiedlich strukturierte Organe. Die so vom Grundgesetz angeordneten Gewaltenverschränkungen konstituieren das Gewaltenteilungsverständnis, das zur Konkretisierung und Inhaltsbestimmung der einzelnen Zuweisungen daher zum einen seinen Ausgangspunkt bei den vom Staat zu bewältigenden Aufgaben nimmt, die nach den sachlichen Grundprinzipien der Verfassung in ganz bestimmter, nämlich demokratischer und rechtsstaatlicher Weise durch den „Staat" bewältigt werden müssen 110 . Zum anderen geht es von der organisatorischen Struktur der Organe aus und sucht den Organen solche Aufgaben zuzuordnen, die ihrer Struktur adäquat sind. Dem liegt die plausible Annahme zugrunde, daß Funktionen und 105 Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 13 I (insbesondere Rn. 481 ff.). 106 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 13 I 2 (Rn. 482). 107 Ygi Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 28. 108 Bäumlin, Der schweizerische Rechtsstaatgedanke, Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, Bd. 101 (1965), S. 94 ff. 109 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 13 I 2 (Rn. 482); vgl. auch Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 113ff., und JuS 1980, S. 552; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 133 ff. 110 v g l Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 13 I I l a .
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2. Teil: Die Vereinbarkeit des § 13 mit Art. 103 I I GG
Organstruktur sachlich aneinander gebunden und voneinander sind. Denn die dem Organ zukommende Aufgabe und Funktion seine organisatorische Struktur, so daß von der Organstruktur derum auf seine Funktionen zu schließen ist, diese von daher näher bestimmt und konkretisiert werden können 1 1 1 .
abhängig bestimmt her wieinhaltlich
1. Demokratieprinzip als Grundlage der Funktionenzuweisung
Von diesem auf die bestimmte Art und Weise der Aufgabenbewältigung und den Zusammenhang mit der Organisationsstruktur abstellenden theoretischen Ansatz her w i r d deutlich, daß bei der Hervorhebung der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zum einen das Demokratieprinzip eine wesentliche Rolle spielt. Denn das Gesetz ist nach dem Grundgesetz das maßgebliche Instrument der Ausübung demokratischer Herrschaft 112 . Das Gesetz hat nach Art. 20 Abs. 2 und 3 Grundgesetz den Vorrang vor allen übrigen staatlichen Akten, weil es auf der Grundlage unmittelbarer demokratischer Legitimation zustandegekommen ist 1 1 3 , die auf freier Willensbildung in voller Publizität 1 1 4 , in optimaler Berücksichtigung und optimalem Ausgleich der unterschiedlichen Bestrebungen im Parlament beruht 1 1 5 . Da „das Volk Staatsgewalt am unmittelbarsten durch das von ihm gewählte Parlament ausübt" 1 1 6 , kommt diesem der vorrangige „Auftrag zur Rechtsverwirklichung" 117 zu. Das Parlament ist damit zur rechtlichen Ordnung und Gestaltung des politischen Gemeinwesens legitimiert und verpflichtet 1 1 8 . Die für das Leben im Gemeinwesen wich111 Die Aussage Häberles (Verfassungstheorie ohne Naturrecht, AöR 99 [1974], S. 437 [445]), „Der funktionell-rechtliche Ansatz muß aufbauen auf einem organisationssoziologischen. Die Organisation des Bundesverfassungsgerichts ... ist von dessen Funktionen abhängig ... diese bestimmen seine Organisation mit", gilt insofern auch für alle anderen Verfassungsorgane. Vgl. weiter Ipsen, Richterrecht und Verfassimg, S. 136f. 112 Vgl. Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, W D S t R L 34, 43 (46f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 14 I l b ; H.-P. Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, S. 31f.; Leisner, DVB1. 1981, S. 8521; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 67, 71. 113 Zur Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen BVerfGE 20, 56 (99); zur „Legitimationskette" vom Volk zu den Staatsorganen (im Anschluß an Scheuner) Häberle, DVB1. 1972, S. 911. 114 Zur Publizität des Gesetzgebungsverfahrens Häberle, Öffentliches Interesse, S. 712; vgl. auch Scheuner, DÖV 1960, S. 609. 115 Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts, § 14 I l c . 116 BVerfGE 33, 125 (159) (Facharztentscheidung). 117 Bäumlin, Staat, Recht und Geschichte, S. 30ff., 36ff.; vgl. BVerfGE 33, 125 (159), wonach „jede Ordnimg eines Lebensbereichs durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane muß zurückgeführt werden können"; hierzu Häberle, DVB1. 1972, S. 911; vgl. auch ders., Wesensgehaltgarantie, S. 213. 118 H.-P. Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, S. 32.
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tigen Fragen hat es (unter der vom Grundgesetz vorgesehenen Beteiligung der übrigen Legislativorgane) ausschließlich und eigenverantwortlich zu lösen 119 . Demgegenüber hat die Rechtsprechung das Gesetz - an den höherrangigen Verfassungssätzen orientiert 1 2 0 - auszulegen und auf den einzelnen Fall anzuwenden (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 Grundgesetz). Der Richter hat, anders als der Gesetzgeber, keine unmittelbare demokratische Legitimation. Seine Entscheidung entsteht nicht im gleichen offenen politischen Willensbildungsprozeß und vermag daher nicht das im demokratischen Gesetzgebungsverfahren entstandene Recht zu ersetzen 121 .
a) Funktionell-rechtliches
Verständnis der Gesetzgebung
Dieses für die Aufgaben- und Funktionenverteilung zwischen Gesetzgeber und Richter grundlegende Demokratieverständnis gewinnt für das Strafrecht mit dem in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz hervorgehobenen Gesetzesvorbehalt herausragende Bedeutung: Der Vorwurf des Verbrechens und die Sanktion der Strafe stellen einen außergewöhnlich gravierenden Eingriff in die Freiheitssphäre des einzelnen dar, um dessen Wohl und Freiheit es der staatlichen Ordnung ja gerade ausschließlich geht. Die Festsetzung dessen, was strafbar sein und diesen überaus scharfen Eingriff zur Folge haben soll, gehört daher zu den grundlegenden Entscheidungen eines Gemeinwesens und muß deshalb dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber und damit dem oben angesprochenen, den Ausgleich divergierender Anschauungen gewährleistenden Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben 122 . Denn darüber, wer Strafe verdient und was als strafwürdiges 119
Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 77. Zum Verständnis der Bindungsklausel in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz („Gesetz und Recht") im Sinne von „Gesetz und Verfassung" Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, W D S t R L 34, S. 48f. (insbesondere Fußn. 27). 121 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 14 I I I 1 (Rn. 549). 122 Ebenso Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene" Normen, S. 72; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 141; ähnlich Grünwald, ZStW Bd. 76 (1964), S. 16; vgl. aber Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 81 ff., 83 f., der wegen des in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz auch enthaltenen Rückwirkungsverbots gegenüber dem Gesetzgeber eine Erklärung des Bestimmtheitsgebotes aus dem Demokratieprinzip ablehnt und Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz für eine „höchst undemokratische Vorschrift" hält. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß Demokratie im Verfassungsgefüge des Grundgesetzes nicht unbegrenzte Herrschaft, sondern selbst auch „Form der Begrenzung staatlicher Macht" ist (Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5 I [Rn. 139]). Die Herrschaftsbefugnisse, die sie begründet, sind von vornherein begrenzt, nur auf Zeit anvertraut, und selbst das Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, ist an die Verfassung gebunden. Sonst wäre die Herrschaft der Mehrheit Unterdrückung und Erniedrigung der Minderheit. Eine mit der konkreten Aufgabenzuweisung an den demokratischen Gesetzgeber notwendigerweise auch deren Umfang bestimmende und damit die verfassungsmäßigen Grenzen der Macht120
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Unrecht welcher Strafe bedarf, besteht, ebenso wie über die Strafzwecke und den Sinn der Strafe 123 , naturgemäß in einer offenen Gesellschaft keine Einigkeit 1 2 4 . Mit seiner Entscheidung für die Demokratie geht das Grundgesetz auch nicht von einem einheitlichen Volkswillen aus, sondern setzt die Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit der Meinungen, der Wertvorstellungen, Interessen und Bestrebungen und damit die Existenz von Konflikten innerhalb des Volkes voraus, die stets erneut die Herstellung politischer Einheit als Bedingung des Entstehens und der Ausübung staatlicher Gewalt notwendig macht 1 2 5 . Der politische Prozeß, in dem dies geschieht, soll nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz als ein freier und offener Prozeß Sache des ganzen Volkes sein. Jeder soll real die gleiche Chance haben, nach den Regeln der Verfassung die Vertretung seiner Interessen im Parlament zu erreichen. Die Ausübung staatlicher Gewalt durch das Parlament geschieht dann im Wege des demokratischen Gesetzgebungsverfahrens im offenen Austausch der politischen Meinungen und in offener Auseinandersetzung um die unterschiedlichen Interessen des Volkes 126 , die durch die Abgeordneten im Parlament repräsentiert werden. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren verbürgt daher die optimale Berücksichtigung und den optimalen Ausgleich der unterschiedlichen Bestrebungen und Wertvorstellungen. Indem das auf diese demokratische Weise Entschiedene im Gesetz in klare, bestimmte und einsehbare Form gebracht wird, die ihm - relative Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit sichert, bewirkt es jene Rationalisierung und Stabilisierung, die die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes kennzeichnet 127 . Mit der Festlegung der Voraussetzungen und Grenzen belastender staatlicher Akte auf diese Weise wird die demokratische Gesetzgebung zugleich zu einer Gewährleistung rechtsstaatlicher Freiausübung absteckende Verfassungsnorm wird deshalb also noch nicht zu einer undemokratischen Vorschrift. Lemmel ist insoweit zuzustimmen, als das Rückwirkungsverbot seine eigentliche Erklärung nicht im Demokratieprinzip, sondern im rechtsstaatlichen Gebot der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Strafens findet. Damit ist aber keinesfalls gesagt, daß das Bestimmtheitsgebot sich nicht (zumindest auch) vom Demokratieprinzip her verstehen läßt. Näheres dazu im weiteren Text. 123 Wegen der unüberschaubaren Fülle an Literatur zu den Straftheorien sei hier auf die ausführlichen Schrifttumsnachweise bei Schmidhäuser, AT 3/7 verwiesen. 124 Arndt, Straf recht in einer offenen Gesellschaft, S. J 10. 125 v g l Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5 I (Rn. 133). 126 Vgl. dazu Meier-Hayoz, JZ 1981, S. 422; Diskussion und Öffentlichkeit sind nach Starck, Gesetzesbegriff, S. 162, Kerngedanken des Gesetzgebungsverfahrens. 127 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 141 l b (Rn. 505); vgl. auch ders., Der Rechtsstaat im Verfassungssystem des Grundgesetzes, Festgabe für Smend, S. 71 ff. (83) („Rationalisierung des öffentlichen Gesamtzustandes").
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heit 1 2 8 . Hier wird der funktionale Zusammenhang von Demokratieprinzip, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit des einzelnen deutlich, wobei die angesprochene klare, bestimmte und einsehbare Form des Gesetzes sich wiederum als Erfordernis aus der freiheitssichernden Funktion des Rechtsstaatsprinzips ergibt. Dieses Erfordernis folgt aber auch - und insofern besteht hier ein Verhältnis enger Wechselbezogenheit - bereits aus dem dargestellten Demokratieverständnis: Wenn die grundlegenden Entscheidungen - und dazu gehört, wie gezeigt, auch die Bestimmung dessen, was strafbar sein soll - in dem beschriebenen offenen, gründlichen und den Ausgleich divergierender Meinungen gewährleistenden Verfahren der Gesetzgebung im Parlament getroffen werden sollen, dann muß das Entschiedene auch in eine solche (Gesetzes-)Form gebracht werden, die seine Respektierung und Durchsetzung im staatlichen Leben ermöglicht. Entscheidend für das Verständnis des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz im Hinblick auf die gesetzliche Regelung der Unterlassungsstrafbarkeit ist jedoch bereits, daß nach dem aus der Verfassung entwickelten Demokratieprinzip das Parlament das Organ und das Gesetzgebungsverfahren der Prozeß ist, in dem grundlegende Fragen des Gemeinwesens und damit auch die Frage der Voraussetzungen von staatlicher Strafe zu entscheiden sind. Wenn keine homogenen Auffassungen über bestimmte Fragen bestehen, muß in der offenen politischen Auseinandersetzung im Parlament ein Konsens gefunden werden, der häufig in einem politischen Kompromiß bestehen w i r d 1 2 9 . Doch auch die Feststellung und Festlegung, daß eine homogene Auffassung besteht, ein Konsens hinsichtlich bestimmter Fragen herrscht, muß diesem parlamentarischen, demokratischen Verfahren vorbehalten bleiben, welches gerade gewährleisten soll, daß nicht die Ansicht einzelner über die in der Gesellschaft angeblich vorherrschenden Wertvorstellungen maßgeblich wird. Wie die Untersuchung des § 13 ergeben hat, wird die grundlegende Entscheidung, wann eine unrechtssteigernde Sonderbeziehung (Garantenstellung) gegeben sein soll und in welchen Fällen bzw. unter welchen Voraussetzungen Sonderbeziehungen den Unterlassensunwert derart steigern sollen, daß von einem „Entsprechen" mit der Verwirklichung eines Handlungsdelikts ausgegangen werden kann, in § 13 nicht getroffen. Die Untersuchung hat ferner aufgezeigt, daß bereits die erste Frage der Begründung eines Sonderunwerts abhängig ist von den Wertanschauungen der Rechtsgemein128 In dieser rechtsstaatlichen Funktion des Gesetzes hat auch das prinzipielle Verbot einer Rückwirkung belastender Gesetze und damit auch das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz seine Wurzel, vgl. beispielhaft aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 13, 261 (270ff.); 25, 269 (289ff.); 30, 367 (385ff.). 1 29 Vgl. Meier-Hayoz, JZ 1981, S. 422.
12 Schürmann
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schaft, nach denen sich die Frage der Überantwortung eines Rechtsgutsobjektes an ein Sondersubjekt und damit die Frage der sog. Garantenstellung richtet. Gerade die Festlegung derjenigen Wertvorstellungen, die für das Leben in der Gemeinschaft schließlich maßgeblich sein sollen, obliegt aber nach dem hier entwickelten Demokratie Verständnis dem speziell hierfür gedachten Gesetzgebungsverfahren im Parlament, das auf die oben beschriebene gründliche, offene und Sicherungen bewirkende Weise den Ausgleich divergierender Wertvorstellungen gewährleistet.
b) Funktionell-rechtliches
Verständnis der Rechtsprechung
Die Strafgerichte sind danach nicht befugt, eine solche, die grundlegenden Voraussetzungen der Strafbarkeit betreffende Festlegung vorzunehmen. Ihnen fehlt die demokratische Legitimation des Gesetzgebers, entsprechend ist ihre Organisationsstruktur und das gerichtliche Verfahren nicht auf die Entscheidung politisch grundlegender Fragen ausgerichtet 130 . Das Verfahren vor dem Strafrichter oder dem Richterkollegium ist immer auf einen einzelnen Fall bezogen, der möglichst gerecht entschieden werden muß. Schon die Einleitung dieses Verfahrens findet nicht planmäßig statt, sondern ist abhängig von einer (zufälligen) Anklageerhebung. Dagegen bestimmen über die Gesetzesinitiative die im Parlament vertretenen politischen Kräfte. Beim Erlaß von Gesetzen können sich die für die Gesetzgebung zuständigen Organe auf breiter Basis über die zu regelnden Fragen informieren, etwa durch die Einsetzung ^Großer Strafrechtskommissionen". Im Gesetzgebungsverfahren sind Sachverstand und Erfahrung institutionalisiert durch die Zahl und Herkunft der Mitglieder des Bundestages, durch die Vorarbeit der Ministerialbürokratie, die Beteiligung des Bundesrates, der Verbände, durch Beratungsgremien und Anhörungen. Dies kann auch durch Erfahrung und Spezialisierung der Berufsrichter und Beteiligung ehrenamtlicher Richter nicht aufgewogen werden 1 3 1 . Der Richter ist im übrigen auf ein für den Einzelfall konzipiertes Beweisund Erkenntnisverfahren angewiesen. Schon seine arbeitstechnischen und zeitlichen Möglichkeiten sind für die Einzelfallentscheidung geschaffen, 130
Schon aus diesem funktionalen Gesichtspunkt heraus läßt sich das Demokratieargument, das für die strenge Bindung des Richters an das Gesetz spricht, nicht dadurch überspielen, daß man die Richter vom Parlament wählen läßt und ihnen dadurch mittelbar demokratische Legitimation verschafft. Nicht überzeugend daher der Versuch von Säcker, Zur demokratischen Legitimation des Richter- und Gewohnheitsrechts, ZRP 1971, S. 145ff., Richterrecht durch demokratische Legitimation der Richter auffangen zu wollen. Zu anderen Bedenken gegen Richterwahl Rupp, Die Bindung des Richters an das Gesetz, NJW 1973, S. 1772, ferner Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl (1974). 131 Vgl. näher Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 154 ff.
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nicht für die Entscheidung grundlegender politischer Fragen des Gemeinwesens. Er hätte somit gar nicht die Möglichkeit, sich etwa von den in der Gesellschaft herrschenden Wertanschauungen zu überzeugen oder diese sicher festzustellen, abgesehen davon, daß seine Entscheidung immer von seiner Persönlichkeit, seinem Vorverständnis und seinen persönlichen Wertvorstellungen, wenn auch nur unbewußt, geprägt sein wird. Er steht zudem unter dem Eindruck des Einzelfalls, ihm fehlt der persönliche, sachliche und zeitliche Abstand zu den jeweils begangenen Straftaten 1 3 2 , der für die Aufstellung allgemeiner und für eine Vielzahl von Fällen dienender Strafbarkeitsvoraussetzungen erforderlich ist. Denn der Richter kann - insbesondere bei schweren Verbrechen und sonstigen Fällen von allgemeinem Interesse - einerseits unter den massiven Druck der öffentlichen Meinung geraten, zum anderen kann auch die persönliche Nähe und menschliche Betroffenheit, die sich allein schon aus der Befassung mit der abzuurteilenden Tat ergeben können 1 3 3 , seine Entscheidung bewußt oder unbewußt beeinflussen. Bei der Entscheidung grundlegender Fragen, wie die nach den Voraussetzungen der Strafbarkeit „einer Tat", soll vielmehr mit dem demokratischen Gesetzgebungsverfahren, mit seiner auf einen Konsens abzielenden offenen Auseinandersetzimg mit den unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen gerade die subjektive Wertvorstellung einer einzelnen Person ausgeschlossen werden, sie darf hier nicht maßgebend sein. Bei der Vielzahl der zu Entscheidungen berufenen Richter würde die Rechtsordnung zersplittern und die für das Leben im Gemeinwesen erforderliche Kontinuität, Stabilität, Gleichmäßigkeit und Rationalität verlorengehen 134 . Denn dem Richterrecht fehlt - trotz organisatorischer Vorkehrungen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung 135 - die Verbindlichkeit des Gesetzes, der Richter ist nicht an die Entscheidungen anderer Gerichte, ja nicht einmal an seine eigenen früheren Entscheidungen gebunden. Jeder Richterspruch wirkt Rechtskraft nur in dem entschiedenen Verfahren, und auch die Entscheidung einer Rechtsfrage durch den Großen Senat „zur Fortbildung des Rechts" (§137 GVG) bindet nur den erkennenden Senat und ihn auch nur in der vorliegenden Sache (§ 138 Abs. 3 GVG), wie dies in ähnlicher Weise bei den Entscheidungen der Revisionsgerichte der Fall ist (§ 358 Abs. 1 StPO) 136 . 132
Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 437. Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 437. Starck, W D S t R L 34, S. 69. 135 v g l ^ Fußnote 136 angeführten Vorschriften. 133
136 Näher zur mangelnden Allgemeinverbindlichkeit auch der „Rechtsfortbildungsentscheidungen" der Großen Senate (vgl. neben § 137 GVG die §§ 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, 11 Abs. 4 und 12 VwGO, 11 FGO, 43 SGG; vgl auch § 80 Abs. 1 OWiG) Merten, DVB1. 1975, S. 681 f.; gegen die sog. „obiter dicta" grundlegend Schlüter, Das
12'
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Diese einfachgesetzlichen Regelungen und die hier getroffene Feststellung der mangelnden Allgemeinverbindlichkeit richterlicher Entscheidungen sind Konsequenz der grundgesetzlichen Regelung in Art. 97 Abs. 1. Die richterliche Unabhängigkeit bedeutet aber auch das Fehlen politischer Verantwortung für die richterliche Entscheidung, der Richter steht außerhalb des „demokratischen Verantwortungszusammenhangs" 137 . Notwendiges Korrelat dieser Unabhängigkeit des Richters ist daher seine auch in Art. 97 Abs. 1 statuierte Bindung an das Gesetz 138 und damit nach dem grundgesetzlichen Demokratieverständnis an die grundlegenden Entscheidungen des demokratischen Parlaments, das seine Entscheidungen vor dem Staatsvolk zu verantworten hat, indem es ständig der erneuten Legitimation durch (Wieder-)Wahl bedarf 139 . Könnte der Gesetzgeber die Entscheidung wichtiger Fragen an die Rechtsprechung abschieben, weil diese nach dem heutigen Selbstverständnis der Gerichte in die Pflichten des Gesetzgebers hineinwachsen würde 1 4 0 , so könnten sich Regierung und Parlament um die Entscheidung unbequemer Fragen drücken; der Konsenszwang in der Volksvertretung würde abgebaut und das demokratische Verantwortungs- und Legitimationsverfahren würde ausgehöhlt werden 141 . Wegen der besonders einschneidenden Wirkungen des äußersten staatlichen Zwangsmittels der Strafe für die Freiheit des einzelnen kommt mit der Hervorhebung des Gesetzesvorbehalts für die Bestimmung der Strafbarkeit „einer Tat" in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zum Ausdruck, daß im Strafrecht als Korrelat der Unabhängigkeit des Richters eine besonders enge Bindung an das Gesetz bestehen soll, die dem Richter nur geringe Wertungsspielräume 142 lassen darf 1 4 3 . Da der Richter nur dem Gesetz unterworfen ist, obiter dictum, München 1973. Auch die Verfassungsgerichte sind nicht an ihre eigenen Entscheidungen gebunden, vgl. zur Bindung des Bundesverfassungsgerichts nach §31 BVerfGG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Vogel, Rechtskraft und Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hrsg.), BVerfG und Grundgesetz I, 1976, S. 568ff. (570ff.); vgl. auch Pfaff, Planungsrechtsprechung und ihre Funktion, S. 104. 137 Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, S. 33. iss Merten, DVB1. 1975, S. 679; Starck, VVDStRL 34, S. 68; zur Komplementärfunktion von richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung Eichenberger, Die richterlicher Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, S. 95f.; Badura, Grenzen und Möglichkeiten des Richterrechts, a.a.O., S. 42; Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 137; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 208ff. iss Vgl. Merten, DVB1. 1975, S. 682. "o So Starck, W D S t R L 34, S. 124 (Aussprache). 141 Ähnlich Starck, W D S t R L 34, S. 124, dem zufolge allmählich die ganze Verfassungsordnung umgestülpt würde. 142 Generell gegen zu große Wertungsspielräume des Richters Scharpf, Die politischen Kosten des Rechtsstaats, S. 45ff.; ihm folgend H.-P. Schneider, DÖV 1975, S. 452. 143 Starck, W D S t R L 34, S. 79f.; H.-P. Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, S. 36; vgl. auch Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 430. Nach Noll, Gesetzgebungslehre, S. 50, enthält Art. 103 Abs. 2 ein ausdrückliches Verbot
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wird er nur durch das Gesetz „kontrolliert", besteht seine Kontrolle damit praktisch in der öffentlichen Nachvollziehbarkeit und Einsehbarkeit seiner Einzelfallentscheidungen als Anwendung des Gesetzes 144. Er muß begründen können, daß seine Entscheidung, gerade so wie er sie getroffen hat, durch das Gesetz, d.h. durch die allgemeine grundlegende Wertentscheidung des Gesetzgebers „programmiert" und determiniert war 1 4 5 .
c) Konsequenzen Eben wegen des Mangels einer solchen Determinierung, einer grundlegenden Festlegung der Wertanschauungen in der Rechtsgemeinschaft darüber, welches Rechtsgutsobjekt an welches Sondersubjekt in der Weise überantwortet ist, daß von einer sonderunwertbegründenden „Garantenstellung" ausgegangen werden kann, sowie wegen des Fehlens der ebenso grundlegenden Entscheidung, welche Garantenstellung bei welchem Delikt eine gerade den Unwert des Handlungsdelikts (annähernd) erreichende Steigerung des Unterlassensunwerts bewirken soll, läßt sich anhand des § 13 1 4 6 eine Einzelfallentscheidung nicht in diesem Sinne begründen. Damit ergibt sich bereits aus dem in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz mit der Funktionenzuweisung an den Gesetzgeber zum Ausdruck kommenden Demokratieverständnis, daß die pauschale Anordnung der Strafbarkeit von Unterlassungen, die der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun „entsprechen", in § 13 nicht mit der von Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz geforderten „gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit einer Tat" vereinbar ist. Hier wird zugleich deutlich, daß der Hinweis auf eine gefestigte Rechtsprechung oder auf die „Präzisierung" des (unbestimmten) Straftatbestandes durch die Rechtsprechung, auf den sich das Bundesverfassungsgericht häufig stützt 1 4 7 , für § 13 nicht greifen kann: Zur Festlegung der in § 13 offen gelassenen, für die Strafbarkeit aber entscheidenden Wertanschauungen richterlicher Rechtsetzung; vgl. auch BVerfGE 64, 389 (393), wonach der Satz „nulla poena sine lege" eine strikte Bindung der Strafgerichte an das geschriebene materielle Strafrecht begründet. 144 Vgl. Starck, W D S t R L 34, S. 72; vgl. auch Krey, Gesetzesvorbehalt, S. 214; Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 430, 433f.; in diesem Sinne auch BVerfGE 64, 389 (393 f.). 145 Eine solche Determinierung durch das Gesetz, ein „intersubjektiv nachprüfbarer Brückenschlag" zwischen (Gesetzes-)Sprache und Wirklichkeit (Starck, W D S t R L 34, S. 62) ist möglich, solange Sprache kraft ihrer gemeinsamen Benutzung Verständigung über die Wirklichkeit erlaubt, vgl. zu letzterem Habermas, Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik, in: Hermeneutik und Ideologiekritik, S. 140; zum ganzen eingehend und überzeugend (in Auseinandersetzung mit anderslautenden methodologischen, soziologischen, systemkritischen und ähnlichen Ansätzen) Starck, W D S t R L 34, S. 49 ff. 146 i n Verbindung mit dem in Bezug genommenen Begehungstatbestand. 147 Siehe oben B.II.
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der Rechtsgemeinschaft fehlt den Gerichten und damit der Rechtsprechung die demokratische Kompetenz, sie sind nach dem in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Demokratieverständnis zu dieser Entscheidung nicht legitimiert. 2. Rechtssicherheit durch Zuweisung der Strafbarkeitsbestimmung an den (demokratischen) Gesetzgeber Wechselbezogenheit von Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit
Wie schon der allgemeine Gesetzesvorbehalt in den Grundrechten des 1. Abschnitts der Verfassung, so ist auch seine Hervorhebung in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz bei der Bestimmung der Voraussetzungen des scharfen staatlichen Zwangsmittels der Strafe, das einschneidend in die Freiheit des Betroffenen eingreift, schließlich gleichzeitig Ausdruck und Konkretisierung des fundamentalen rechtsstaatlichen Gedankens der Rechtssicherheit 1 4 8 . Rechtssicherheit bedeutet dabei nicht allein Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Meßbarkeit aller staatlichen Machtausübung; zu ihr gehört auch Rationalisierung und Stabilisierung der öffentlichen Ordnung, die auf Zustimmung und breitem Konsens im Staatsvolk beruht. Insofern ist sie eng gerade mit dem demokratischen Verfahren der Herrschaftsausübung, d.h. mit dem demokratischen Gesetzgebungsverfahren verbunden, denn dieses Verfahren ist, wenn es in Gesetzen mit klarer, bestimmter und einsehbarer Form mündet, wie oben gezeigt, allen anderen vom Grundgesetz vorgesehenen Verfahren der Herrschaftsausübung (hier vor allem interessierend: dem der Rechtsprechung) in seinen rationalisierenden und stabilisierenden Wirkungen klar überlegen 149 . a) Grundrechtsbegrenzung
und -ausgestaltung
Als rechtsstaatliche Fundamentalmaxime ist die so verstandene Rechtssicherheit Konsequenz der vor allem in Art. 1 Abs. 3 und den Grundrechten manifestierten Entscheidung des Grundgesetzes für den Primat der Freiheit des einzelnen und verlangt, daß exakt und eindeutig angegeben wird, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Bürger staatliche Eingriffe in seine grundgesetzlich garantierte Freiheitssphäre hinzunehmen hat. Ohne eine solche allgemeingültige, genaue Vorherbestimmung dieser Voraussetzungen ist die persönliche Freiheitssphäre des einzelnen gefährdet, da aller Macht, insbesondere aller staatlichen und damit auch der rich148 Allgemein dazu: BVerfGE 1, 14 (60); 2, 380 (403); 3, 225 (237); speziell zu Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz s. die oben B.I. in Fußn. 24 bis 27 angegebenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. 149 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 14 I I I 1 (Rn. 549); H.-P. Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, S. 34.
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t e r l i c h e n M a c h t eine N e i g u n g z u r T o t a l i t ä t i m m a n e n t ist. Dieser dem Staat i m m a n e n t e T o t a l i t ä t s a n s p r u c h äußert sich i n der staatlichen Regelungsu n d O r d n u n g s t ä t i g k e i t , die - w e r d e n i h r keine Grenzen gesetzt - zu einer i m m e r weitergehenden E i n s c h r ä n k u n g des i n d i v i d u e l l e n Freiheitsraumes f ü h r t 1 5 0 . W ä h r e n d der Gesetzgeber b e i seiner O r d n u n g s t ä t i g k e i t an die V e r fassung gebunden ist, w i r d die „ M a c h t " der Rechtsprechung i n erster L i n i e d u r c h das (einfache) Gesetz, die des Strafrichters d u r c h das Strafgesetz begrenzt. D i e Begrenzung r i c h t e r l i c h e r G e w a l t ist dabei a b h ä n g i g v o n der Q u a l i t ä t u n d Genauigkeit des Gesetzes. Das rechtsstaatliche Erfordernis der genauen gesetzlichen V o r a u s b e s t i m m u n g der Voraussetzungen staatlicher E i n g r i f f e i n den persönlichen Freiheitsbereich des Bürgers ermöglicht daher erst die N u t z u n g der i h m v o n der Verfassung zugestandenen Freiheit. Insofern bedeutet die Strafgesetzgebung
n i c h t n u r Grundrechtsbegren-
zung, sondern zugleich Grundrechtsausgestaltung, i n h a l t l i c h e B e s t i m m u n g des G r u n d r e c h t s 1 5 1 d u r c h Aufzeigen u n d vorheriges Festlegen seiner G r e n z e n 1 5 2 . D i e F o r m u l i e r u n g v. L i s z t s 1 5 3 , das Strafgesetz sei „ M a g n a Charta des Verbrechers", ist daher heute irreführend. R i c h t i g muß es v i e l m e h r heißen: Das b e s t i m m t e Strafgesetz ist M a g n a Charta des Grundrechtsträgers, des Bürgers 154. 150 So auch Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 251 f. Naheliegendes Beispiel für den Totalitätsanspruch der Rechtsprechung auch im Rechtsstaat unter dem Grundgesetz ist die „eigenmächtige" Bestrafung sog. „unechter" Unterlassungsdelikte, die schon deshalb „unecht" waren, weil sie vom Strafgesetz gar nicht vorgesehen und insofern in Wahrheit keine „Straftaten" (Delikte) waren. Hier hat die Rechtsprechung die Funktion des Gesetzgebers aus eigenem Macht-(Totalitäts-)bestreben usurpiert und der einzelne Richter seine Moralvorstellungen zur Richtschnur der Strafbarkeit gemacht. Die Öffentlichkeitskontrolle der Rechtsanwendung hat hier jedenfalls auch deswegen nicht funktioniert, weil diese verfassungswidrige Machtusurpation durch große Teile der (Strafrechts-)Wissenschäft unter Aufkündigung vor allem sprachlicher Konsense (Ursachenbegriff) zu rechtfertigen versucht wurde. 151 Vgl. Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 189 (der Strafgesetzgeber bestimme das Grundrecht des einzelnen inhaltlich); näher zu Ausgestaltungsfähigkeit und -bedürftigkeit der Grundrechte durch den Gesetzgeber ders., a.a.O., S. 191 ff., insbesondere S. 210 ff. 152 Bei der Legitimierung der Grundrechtsbegrenzungen auch vom Individualinteresse her handelt es sich also nicht allein um jene Fälle, in denen ein Grundrecht der gleichen Grundrechte des anderen oder wegen der privaten Interessen Dritter begrenzt wird, sondern vielmehr gerade um jene Grenzen, die um des betroffenen Grundrechts „berechtigten" selbst willen normiert werden, Häberle, a.a.O., S. 24. Zu diesem grundrechtsausgestaltenden Charakter jeder Grundrechtsbegrenzimg ders., a.a.O., S. 179ff., speziell zum Strafrecht S. 25ff., s. auch S. 41 (jede Begrenzung eines Rechts sei zugleich ein Stück Inhaltsbestimmung des Rechtes und umgekehrt). In diesem Sinne offenbar auch Schönke / Schröder / Eser, Vorbemerkung zu § 1 Rn. 29: Das Strafrecht (gemeint sind damit wohl die Strafgesetze) spiele eine entscheidende Rolle bei Absteckung des grundrechtlichen Freiheitsraumes. 153 ZStW 13 (1893), S. 357. 1 54 In diesem Sinne schon v. Hippel, Strafrecht I I (1930), S. 36; Hellmuth Mayer, Strafrechtsreform, S. 107 (Nulla poena sine lege sei unermeßliche Rechtsgarantie für den freien Bürger); Woesner, NJW 1963, S. 274; Bemmann, JuS 1965, S. 335; Naucke, Einführung, S. 87 f.
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U n t e r diesem A s p e k t w i r d deutlich, welche entscheidende F u n k t i o n die exakte gesetzliche U m s c h r e i b u n g der Strafbarkeitsvoraussetzungen Rahmen der Grundrechtsausgestaltung h a t : N u r das bestimmte
im
Strafgesetz
zeigt den Freiheitsbereich des einzelnen auf u n d e r m ö g l i c h t i h m so die volle N u t z u n g seiner G r u n d r e c h t e 1 5 5 . Diese w ü r d e i h m v e r w e h r t d u r c h ein u n b e stimmtes Strafgesetz, das seine grundgesetzliche Freiheit, d.h. den d u r c h das G r u n d r e c h t zugestandenen Handlungsspielraum, d u r c h eine Risikozone einengt, i n n e r h a l b derer er n i c h t sicher sein k a n n , ob sie n o c h z u seinem Freiheitsbereich gehört oder n i c h t . D e n n u m das i n diesem Bereich wegen der U n b e s t i m m t h e i t des Gesetzes f ü r i h n n i c h t k a l k u l i e r b a r e R i s i k o des Bestraftwerdens z u vermeiden, ist er gezwungen, diese „ G r a u z o n e " , deren Breite m i t zunehmender Unschärfe der Strafgesetze wächst, n i c h t z u tangieren u n d d a m i t seinen g r u n d r e c h t l i c h e n Freiheitsbereich u m die B r e i t e dieser Zone e i n z u s c h r ä n k e n 1 5 6 . Strafgesetzliche U n b e s t i m m t h e i t bedeutet also Rechtsunsicherheit u n d „Rechtsunsicherheit bedeutet F r e i h e i t s v e r l u s t " 1 5 7 . 155 Entscheidend ist die Möglichkeit, sich über seine Rechte zu informieren. Die Frage der Gesetzeskenntnis als Voraussetzung strafrechtlicher Schuld ist von dieser freiheitssichernden Funktion des bestimmten Strafgesetzes nicht abhängig. Das verkennt Lemmel, S. 78f., der die Erklärung des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz als der Rechtssicherheit und damit der individuellen Vorhersehbarkeit dienende Norm mit der unzutreffenden Schlußfolgerung ablehnt, diese Erklärung hätte die Konsequenz, daß nur bei Kenntnis des Strafgesetzes oder der Strafbarkeit gestraft werden dürfe; wie Lemmel auch Waiblinger, Die Bedeutung des Grundsatzes nullum crimen sine lege, S. 226; dagegen zu Recht Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 28 (Fußn. 98). Eine Erklärung des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz aus dem auch in der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen fundierten Schuldprinzip wäre jedenfalls von der hier dargestellten rechtsstaatlichen und demokratischen i \ i n k t i o n des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz unabhängig, deshalb auch nicht geeignet, diese zu widerlegen, wie dies noch bei Sax, Grundsätze der Strafrechtspflege, S. 998, 1008, geschieht; vgl. auch Kielwein, S. 135. Da im übrigen der strafrechtliche Schuldvorwurf nicht auf der Kenntnis der Strafgesetze basiert, kann das Schuldprinzip jedenfalls nicht zur Erklärung des Erfordernisses der genauen gesetzlichen Festlegung der Strafbarkeitsvoraussetzungen ausreichen. Vgl. auch Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 437f. Näher zur K r i t i k an Sax: Lemmel, S. 89ff.; Grünwald, ZStW 76 (1964) S. l l f . ; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 209ff.; Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung, S. 49 - 51. Auch der Gedanke der Generalprävention bietet keine hinreichende Erklärung gerade des Gebots bestimmt gefaßter Straftatbestände, wie bereits Binding in Auseinandersetzung mit Feuerbachs Theorie vom psychologischen Zwang aufgezeigt hat (Handbuch des Strafrechts, 1885, S. 17 ff.); vgl. Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 438. 156 Vgl. Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 252: Vermöge der Bürger nicht genau zu erfahren, wo die Grenzen verlaufen, innerhalb derer seine Tätigkeit keinerlei staatlicher Einschränkung unterliegt, so habe sie für ihn nur bedingten Wert. Aus Furcht, in den Bereich zu geraten, in dem staatliche Eingriffe möglich sind, werde er den ihm von der Verfassung zugestandenen Freiheitsraum nicht oder nur in geringem Umfang nutzen. 157 Leisner, DVB1. 1981, S. 849 (851). Leisner geht in diesem Zusammenhang von durch Gesetzesflut erzeugter Rechtsunsicherheit aus, sieht aber auch den in der Quantität liegenden Qualitätsverlust des Gesetzes, der sich in Generalklauseln oder „überkurzer Orakelgesetzgebung" äußern könne, a.a.O., S. 850; s. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 1411b, „Gesetzgebung ... als Form der Gewährleistung rechtsstaatlicher Freiheit..." (Gesetzgebung, bei der es darum gehe, das [demokratisch] Entschiedene in klare, bestimmte und einsehbare Form zu bringen).
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b) Grundrechtsgewährleistung durch Kontrolle im Sinne von Nachvollziehbarkeit Zur Gewährleistung der grundrechtlichen Freiheit und damit zur Rechtssicherheit gehört von daher auch die oben im Rahmen der demokratietheoretischen Erwägungen beschriebene Möglichkeit der öffentlichen Kontrolle des Richters, die in der Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidung als Anwendung des Gesetzes und damit in der Überzeugungskraft seiner Begründung, daß diese Entscheidung durch das Gesetz determiniert war, besteht. I n diesem Sinne ist Rechtssicherheit zu verstehen als „Erkenntnisgewißheit" und „Rechtsdurchsetzbarkeit", als Ausschluß von Willkürherrschaft 158 . Um dieser Rechtssicherheit und damit um der Individualfreiheit willen müssen - wie es das Bundesverfassungsgericht daher zu Recht fordert 1 5 9 die Voraussetzungen, unter denen ein Verhalten strafbar ist (gem. Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz die Strafbarkeit „einer Tat"), im Gesetz so klar und deutlich umschrieben sein, daß jedermann dem Gesetz entnehmen kann, welches Verhalten den scharfen Strafeingriff des Staates zur Folge hat. Mit der Zuweisung der Festlegung der Strafbarkeitsvoraussetzungen an den demokratischen Gesetzgeber geht Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz davon aus, daß gerade auf dem Gebiet des Straf rechts mit seinen einschneidenden Wirkungen für den Bürger die Rechtssicherheit nur durch bestimmt formulierte Gesetze gewährleistet ist. Die Rechtsprechung kann schon aus den oben dargelegten 160 funktionalen Gründen solche Gesetze nicht ersetzen. Ihr kommt deswegen - wie sich auch aus Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz ergibt nicht die Allgemeinverbindlichkeit zu, welche entschiedene Voraussetzung der Rechtssicherheit ist 1 6 1 . Auch aus diesem Grunde kann daher dem Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt werden, wenn es die zunächst von ihm selbst auf das Strafgesetz bezogene Vorhersehbarkeit für den einzelnen mit dem Verweis auf die Präzisierung oder einschränkende Auslegung durch die Gerichte wieder relativiert. Die Unvereinbarkeit der Regelung in § 13 mit dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot ergibt sich somit auch aus dem durch Art. 103 Abs. 2 158 Denninger, Staatsrecht, S. 107; vgl. auch schon Class, Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 137: Rechtssicherheit bedeute, daß die zwischen Delikt und Freiheit gezogene Grenze des Gesetzes der Vergewisserung zugänglich sein muß. 159 Siehe oben B.I. 160 Siehe oben II. l.b). 161 Wegen Art. 97 Abs. 1, aber, wie sich hier zeigt, auch wegen Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz gehen jene Versuche schon im Ansatz fehl, die ein Verbot rückwirkender Rechtsprechungsänderung konstruieren oder de lege ferenda einführen wollen; vgl. Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, Diss. 1970; Gross, Rückwirkungsverbot und richterliche Tatbestandsauslegung im Strafrecht, Diss. 1969.
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Grundgesetz für das Strafrecht besonders "hervorgehobenen Gedanken der Rechtssicherheit 162 . 3. Verhältnis Rechtssicherheit - Gerechtigkeit
Sowohl aus dem demokratischen als auch aus dem zuletzt dargestellten rechtsstaatlichen Verständnis des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz ergibt sich ferner, daß die für die Rechtssicherheit erforderliche Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der Strafe anhand des Gesetzes auch nicht aus Gründen der Gerechtigkeit - verstanden als Gleichmäßigkeit der Ahndung gleich strafwürdiger Taten 1 6 3 - wieder eingeschränkt werden kann 1 6 4 . Denn die Gerechtigkeit ist, so verstanden, notwendigerweise eine Frage der StrafWürdigkeit und als solche eine Frage, über die in der vom Grundgesetz vorausgesetzten (wert-)pluralistischen Gesellschaft im demokratischen Gesetzgebungsverfahren entschieden werden muß, das die Berücksichtigung und den Ausgleich divergierender Wertvorstellungen gewährleistet. Insofern ist die Gerechtigkeit als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips im hier interessierenden Zusammenhang nur verstehbar als die durch die Strafgesetze ermöglichte gleichmäßige Rechtsanwendung 165 . Die Strafgesetze werden damit zum Garanten der Gerechtigkeit 166 . Die strikte Unterwerfung des Strafrichters unter das objektive Strafgesetz darf daher durch subjektives Gerechtigkeitsdenken, das sich in der Frage der Strafwürdigkeit manifestiert, nicht aufgeweicht werden. Nur die strenge Bindung an das Gesetz rechtfertigt schließlich andererseits die verfassungsrechtlich gewährleistete Unabhängigkeit des Richters bei der Rechtsanwendung. Jede „Entfesselung der Dritten Gewalt" 1 6 7 würde die Gewaltenbalance zerstören und damit gleichzeitig die Freiheit des Bürgers bedrohen, der unter der Herrschaft eines generell-abstrakten, im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zustandegekommenen, oftmals auf poli162
Vgl. schon oben B.I. Wenn das BVerfG neben der Rechtssicherheit auch noch die materielle Gerechtigkeit als Teil der Rechtsstaatlichkeit (nicht des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz) anführt, so meint es damit, daß Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen, BVerfGE 20, 323 (331); 25, 269 (285f.); zum Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip (1980); vgl. im übrigen zum fehlenden Konsensus hinsichtlich die Gerechtigkeit betreffender rechtsstaatlicher Gehalte des Grundgesetzes Hoffmeyer, Grundrechte im Strafvollzug, S. 66. 164 So aber Seel, Unbestimmte Tatbestandsmerkmale, S. 126f., 130. 165 Vgl. Merten, DVB1. 1975, S. 679; vgl. auch Stockei, Gesetzesumgehung, S. 137: Den „ewigen Streit" zwischen der Rechtssicherheit und der durch weite Fassung von Eingriffsnormen möglichen Individualgerechtigkeit entscheide der Bestimmtheitsgrundsatz zugunsten der Rechtssicherheit. 166 In diesem Sinne auch Lemmel, S. 130 f. "" Van Husen, AöR 78 (1952/53), S. 49. 163
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tischen Kompromissen basierenden Gesetzes sicherer aufgehoben ist als unter einer Einzelfalljustiz, bei der „die Gerechtigkeit" immer von der momentanen subjektiven Gerechtigkeitsvorstellung einzelner Richter abhängig ist 1 6 8 . Mit der Zuweisung der Strafbarkeitsbestimmung an den Gesetzgeber verlangt Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz daher für den „zweifellos elementarsten, härtesten und verletzendsten Eingriff" 1 6 9 die exakte Vorherbestimmung seiner Voraussetzungen aus persönlichem, sachlichem und zeitlichem Abstand durch den demokratischen Gesetzgeber, da der Richter aus den oben im einzelnen aufgeführten Gründen 1 7 0 angesichts der divergierenden Meinungen über das, was die Gerechtigkeit als strafwürdig anzusehen verlangt, unter demokratischem Aspekt nicht kompetent und unter funktionalem Aspekt gar nicht in der Lage ist 1 7 1 , ohne ein bestimmt formuliertes Gesetz festzulegen, welches Verhalten ebenso strafwürdig sein soll wie ein anderes 172 .
D. Konsequenz für § 13 Daraus ergibt sich, daß das zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit des §13 angeführte Argument, ohne diese Generalklausel wäre eine Erfassung aller denkbaren strafwürdigen Unterlassungsfälle nicht möglich 1 7 3 bzw. der Stand der Dogmatik erlaube im gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine abschließende Aussage im Allgemeinen Teil 1 7 4 oder einer genaueren Regelung stellten sich zur Zeit noch unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen 1 7 5 , nicht stichhaltig ist. Wenn im Gesetzgebungsverfahren (im weiten Sinne), d.h. insbesondere in den vorbereitenden Ausschüssen, weder eine Einigung noch überhaupt Klarheit darüber erzielt werden kann, von welchen Voraussetzungen die Strafbarkeit von Unterlassungen abhängig gemacht werden soll - wie dies Merten, DVB1. 1975, S. 679. 169 Klose, „jus puniendi" und Grundgesetz, ZStW 86 (1974), S. 33 ff. (53f.). 170 Siehe oben C. II. l a ) und b). 171 Vgl. dazu Langer, Festschrift für Dünnebier, S. 437. 172 Vgl. Hellmuth Meyer, Strafrechtsreform, S. 106; Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 14. In diesem Sinne auch BayVerfGH, BayGVBl. 1953, S. 75 (76): Dem Strafrichter müsse ein fest abgegrenzter Tatbestand im Gesetz gegeben werden, solle nicht die Gefahr entstehen, daß gleichliegende Fälle ungleich behandelt, also willkürlich entschieden werden. Nach Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 32, ist das, was der Richter dann (bei Anwendung einer Generalklausel) bei seiner Entscheidung für materiell gerecht hält, „nichts anderes als der Widerschein seiner höchstpersönlichen Attitüden und damit nackte Willkür in dem schon von den Theoretikern der Aufklärung verpönten Sinne". 173 Vgl. Baumann, AT § 18 I I 2 b. 1 74 Jescheck, SchwZStr Bd. 91 (1975), S. 24. 1 75 Schönke / Schröder / Stree, § 13 Rn. 6.
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nicht nur aus den Niederschriften der „Großen Strafrechtskommission" 176 und den Protokollen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform 177 hervorgeht, sondern sogar in der amtlichen Begründung zu § 13 mit den Worten zugegeben wird, die Zeit für eine „sachgemäße Regelung" der Problematik, wann eine Handlungspflicht 178 entstehe, sei noch nicht reif 1 7 9 dann darf konsequenterweise auch keine gesetzliche Regelung ergehen 180 . Die die Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Bestrafungen ermöglichende Festlegung der Strafbarkeitsvoraussetzungen darf nach dem in der vorliegenden Arbeit dargelegten Verständnis des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht mit einer Generalklausel wie § 13 auf den Richter abgeschoben werden, der zu einer solchen Festlegung weder demokratisch legitimiert noch funktionell-rechtlich kompetent ist. Seine Entscheidung wäre hier seinem Rechtsgefühl und damit seiner Willkür anheimgegeben, was mit der Hervorhebung der „gesetzlichen" Strafbarkeitsbestimmung in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht vereinbar ist, und zwar sowohl im Hinblick auf das darin zum Ausdruck kommende grundgesetzliche Demokratieverständnis als auch nach dem damit für das Strafrecht fundamentale Bedeutung erlangenden Prinzip der Rechtssicherheit.
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