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German Pages [326] Year 2009
SCHRIFTEN DES SIGMUND-FREUD-INSTITUTS
Herausgegeben von Marianne Leuzinger-Bohleber und Rolf Haubl REIHE 2 Psychoanalyse im interdisziplinren Dialog Herausgegeben von Marianne Leuzinger-Bohleber, Rolf Haubl und Stephan Hau BAND 8 Stephan Hau Unsichtbares sichtbar machen Forschungsprobleme in der Psychoanalyse
Stephan Hau
Unsichtbares sichtbar machen Forschungsprobleme in der Psychoanalyse
Mit 13 Abbildungen und 10 Tabellen
2., korrigierte Auflage
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet ber http:// dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-45181-6
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Inhalt
1 Empirische Forschung in der Psychoanalyse . . . . . . . . . . . 1.1 Welche wissenschaftlichen Kriterien sind fr psychoanalytische Forschung sinnvoll? . . . . . . . . . . . 1.2 Zum Verhltnis Psychoanalyse und Nachbardisziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zur Kritik am Wissenschaftsbegriff der Psychoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Die wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden mssen dem Erkenntnisgegenstand angemessen sein . 2 Experimentelle Traumforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Psychoanalyse und experimentelle Traumforschung . 2.2 Trumen im Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Funktionen des Traums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Ein Beispiel psychoanalytischer Traumforschung: Die Beeinflussung von Trumen mittels tachyakustischer Stimuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Theoretische berlegungen und Perspektiven von Experimenten zur berprfung psychoanalytischer Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Traumdatenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen in einer Psychoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas (ZBKT) . . . . . . . . . . . . . 3.2 Eine sinnvolle Ergnzung der Verfahrens: Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X« . . . . . . . . . . . 3.3 ZBKT und Trume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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146 163
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6 4 Neurophysiologische Untersuchungen von Gehirnaktivitt und Traumerleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Versuchsplanung und experimentelles Design . . . . . . 4.2 Versuchsplan fr die Gruppen- und Einzelfallanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ablauf der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Der Traum des Wolfsmannes – Forschungs- und Erkenntnisperspektiven auf einen psychischen Beobachtungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Das Traumgenerierungsmodell von Moser und von Zeppelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Wolfsmann-Traum und die experimentelle Traumforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Traumzeichnung im Widerspruch zum Traumtext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Die Traumzeichnung als Medium fr »Carry-Back«-Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Kindertrume und der Wolfsmann-Traum . . . . . . . .
Inhalt
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260 262 270 276 278 283
6 Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Empirische Forschung in der Psychoanalyse
Psychoanalytische Forschung hat eine lange Tradition. Von Beginn an war die klinische Ttigkeit mit einer Forschungsidee verknpft. Der Analytiker hinter der Couch war zugleich Behandler und Forscher mit Erkenntnisinteresse. Dieses von Freud aufgestellte »Junktim« von »Heilen und Forschen« (Freud, 1927, S. 256) blieb ber viele Jahre unhinterfragt, denn in den ersten Jahrzehnten der Psychoanalyse wurde nicht nur die Behandlungstechnik auf diese Weise weiterentwickelt, sondern es wurden auch umfangreiche Erkenntnisse und komplexe Theorien ber Psychopathologie, Entwicklungspsychologie oder Persçnlichkeitsentwicklung generiert. Noch 1985 erschien der Jubilumsband zum 25-jhrigen Bestehen des Sigmund-FreudInstituts in Frankfurt mit dem Junktim als Titel: »Heilen und Forschen« (Bareuther et al., 1985). Erst heute wird diese Verknpfung zunehmend in Frage gestellt beziehungsweise kritisch diskutiert (vgl. Poscheschnick, 2005; Luyten, Blatt u. Corveleyn, 2006). Die Psychoanalyse ist von vielen Kritikern immer wieder fr tot erklrt worden. Sie sei in ihren Grundannahmen wissenschaftlich nicht bewiesen und therapeutisch ineffektiv. Diese Kritik hngt sicherlich auch mit dem besonderen Forschungsgegenstand der Psychoanalyse – dem dynamischen Unbewussten – und den besonderen Forschungsmethoden zusammen, die fr dessen Erforschung notwendig sind. Tatsache ist, dass sich die Psychoanalyse heute einem verstrkten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sieht, etwa hinsichtlich der Forderung eines Effektivittsnachweises und einer Evidenzbasierung fr die Behandlungsmethode. Lange Zeit herrschte der Eindruck vor, als stellten sich viele Psychoanalytiker diesem Druck und der anhaltenden Kritik von außen
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nicht. Es schien, als zogen sie sich stattdessen in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm zurck oder reklamierten eine Sonderstellung fr die Psychoanalyse, zum Beispiel in dem ihr eine Position »ber« den Wissenschaften, eine Art Supervisorenstellung zugeschrieben wurde. Auch der Versuch einer Verortung der Psychoanalyse als »Wissenschaft zwischen den Wissenschaften« (Lorenzer, 1985) erscheint eher als grundlegendes Missverstndnis und Fehlinterpretation. Doch der eben erwhnte Eindruck tuscht. So trugen viele Psychoanalytiker die sich seit den 1960er Jahren rasch entwickelnde Psychotherapieforschung von Anfang an mit (vgl. Shapiro u. Emde, 1995). Hlt man sich die oben angefhrten Kritiken vor Auge, fllt auf, dass umfangreiche Forschungen und wichtige Befunde, die von Analytikern im Rahmen einer »Offline«-Forschung (vgl. Moser, 1991) erarbeitet wurden und welche die wesentlichen Annahmen Freuds sttzten, nicht rezipiert oder bergangen wurden. Wenn also die Psychoanalyse fr tot erklrt wird, dann wre zunchst zu fragen, welche »Psychoanalyse« damit berhaupt gemeint ist? Meist bezieht sich die Kritik auf vçllig veraltete Modellannahmen oder auf einen eher dogmatischen Gebrauch von Psychoanalyse. Zahlreiche empirische Forschungen aus mehreren Jahrzehnten belegen hingegen unter anderem Freuds Annahmen, dass sich wesentliche Persçnlichkeitsmerkmale in der Kindheit zu formieren beginnen, mentale Reprsentanzen von sich und anderen das zwischenmenschliche Beziehungsgeschehen beeinflussen, mentale Prozesse (kognitive, emotionale und affektive) simultan ablaufen, dass es eine Persçnlichkeitsentwicklung vom unreifen, abhngigen Zustand der Kindheit hin zu einer erwachsenen, reifen Persçnlichkeit gibt und dass ein Großteil des menschlichen mentalen Lebens unbewusst abluft (vgl. Westen, 1999). Auch die moderne Hirnforschung liefert Ergebnisse, die mit grundlegenden Annahmen Freuds kompatibel sind, wie etwa der Thesen, dass das Bewusstsein vom Unbewussten strker kontrolliert wird als umgekehrt, dass das Ich eine spter entwickelte psychische Struktur darstellt als das Unbewusste oder dass im Bewusstsein keine Kenntnis ber subkortikale Prozesse vorhanden ist, etwa ber Vorgnge im limbischen System. Gleichzeitig ergeben sich durch die neueren Befunde neurophysiologischer Forschungen weitere Fragen fr die Psychoanalyse, etwa
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nach der Haltbarkeit eines universellen Konzepts des Unbewussten. Heute lassen sich unterschiedliche unbewusste Prozesse differenzieren. Dies ist durch viele Untersuchungen belegt, und es gibt kaum ein psychisches Phnomen, das so gut nachgewiesen ist wie die Existenz unbewusster Prozesse (vgl. die ausfhrlichen Darstellungen in Westen, 1999; Dixon, 1971, 1981; Erdelyi, 1985; Schacter, 1992, 1995; Barron et al., 1992; Shevrin, 1995; Roth, 2001; Roth u. Grn, 2006). Von unbewussten »Prozessen« statt von dem Unbewussten zu sprechen geschieht keineswegs zufllig, denn die zahlreichen Untersuchungen zur »cognition without awareness«, zum »impliziten Gedchtnis« oder zum »hidden observer« haben gezeigt, dass es sich bei diesen Vorgngen um hochkomplexe, unterschiedlichsten Zielen dienenden unbewusste Prozesse handelt, die sowohl die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung beeinflussen wie auch der Entscheidungsfindung, der Affektregulation, der Motivation oder dem Triebgeschehen dienen. Dabei wird auch die Tatsache zu bercksichtigen versucht, dass assoziative Netzwerke, die bei unbewussten Prozessen eine entscheidende Rolle spielen und der damit in Zusammenhang stehende primrprozesshafte Verarbeitungscharakter sowohl in vçllig unbewussten als auch in vorbewussten Prozessen auffindbar sind. Westen (1999) kommt zu dem Fazit, dass nach hundert Jahren die Kontroverse, die fundamentale Annahme der Psychoanalyse ber das Unbewusste sei falsch oder es lgen keine empirischen Befunde dafr vor, beendet werden kann. »The data are incontrovertible: consciousness is the tip of the psychic iceberg that Freud imagined to be it« (Westen, 1999, S. 1097). Es erscheint befremdlich, dass die oft massive Kritik an der Psychoanalyse sich immer wieder auf ein positivistisches Wissenschaftsparadigma sttzt und versucht, der Psychoanalyse ihre Wissenschaftlichkeit zum Beispiel mit der Behauptung abzusprechen, wirkliche Erkenntnisfortschritte seien nur im Rahmen kontrolliertexperimenteller Studien erzielbar (die also, dem »Gold-Standard« entsprechend, einen Randomisierungsschritt aufweisen). Die Psychoanalyse1 sieht sich, nicht nur vor dem Hintergrund knapper 1
Wenn hier von »der« Psychoanalyse die Rede ist, so ist dies eine starke Vereinfachung. Heutzutage stellt sich die Psychoanalyse als eine diversifizierte Wissenschaft dar, die unterschiedlichste Schulen, Theorien und Forschungs-
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werdender Forschungsmittel und des erhçhten Spardruckes im Gesundheitswesen, sondern auch angesichts eines Zeitgeistes, der immer krzere und vermeintlich effizientere Behandlungsmethoden zu favorisieren scheint, zusehends in die Defensive gedrngt. Hier liegt die Psychoanalyse mit ihrer Methode, die fr Entwicklungsprozesse innerhalb lngerer Zeitrume angelegt ist, quer zum allgemein populren Trend. Sie scheint immer weniger in ein gesellschaftliches Umfeld zu passen, das durch immer rascheren Wandel, tief greifende Umstrukturierungen und immer schneller ablaufende Entwicklungsund Neuerungsprozesse gekennzeichnet ist. Weist man die oft berzogene Kritik aber nicht pauschal zurck, sondern geht davon aus, dass auch ein berechtigtes Anliegen darin zum Ausdruck kommt, dann kçnnte eine Forderung zum Beispiel lauten: Psychoanalytische Theorien mssen sich in einem empirischen Kontext, das heißt erfahrungsbezogen bewhren. Dies scheint auch Freud im Sinn gehabt zu haben, als er 1932 zu der Frage, ob die Psychoanalyse zu einer Weltanschauung fhre, schrieb: »Als eine Spezialwissenschaft, ein Zweig der Psychologie, – Tiefenpsychologie oder Psychologie des Unbewussten, – ist sie [die Psychoanalyse] ganz ungeeignet, eine Weltanschauung zu bilden, sie muss die [Position, S.H.] der Wissenschaft annehmen« (Freud, 1933a, S. 170). Wenn aber zu einer »wissenschaftlichen Weltanschauung« gehçrt, dass Geist und Seele in der gleichen Weise »Objekte der wissenschaftlichen Forschung« sind wie andere Forschungsgegenstnde auch und wenn die Beobachtungen »sorgfltig berprft« werden mssen, dann lassen sich hierzu auch empirische Forschungsmethoden einsetzen. Damit wird keineswegs die Einmaligkeit jedes Patienten, jedes Analytikers und jeder psychoanalytischen Situation in Frage gestellt. Um aber zu allgemeinen Aussagen zu gelangen, bedarf es einer kontrollierbaren Vorgehensweise, wobei dies bedeutet, dass willkrliche, subjektive ußerungen und Privatmeinungen mçglichst kontrolliert bleiben sollten. anstze beinhaltet. Nach ber 100 Jahren Forschungsaktivitt lsst sich die Anzahl der Publikationen und diversen konzeptuellen Entwicklungen fr den Einzelnen nicht mehr berschauen. Eine Bercksichtigung der heutigen Diversifizierung des psychoanalytischen Denkens und Forschens ist im Rahmen des vorliegenden Buches deshalb nicht mçglich.
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Denn die psychoanalytische Forschungsmethode hat auch ihre Grenzen. Die am Einzelfall gewonnenen Daten haben zu einem immensen klinischen Wissensbestand beigetragen und zu einer Vielzahl von Ideen und Konzepten gefhrt, die sich gut zur Hypothesengenerierung verwenden ließen. Dabei stellte sich aber immer wieder das Problem, wie, basierend auf psychoanalytischen Entdeckungen, verallgemeinerbare Aussagen getroffen werden kçnnen, wie sich Ideen empirisch berprfen und wissenschaftlich absichern lassen, auch mit dem Ziel der externen Validierung (vgl. Fonagy, 2003; Strenger, 1991). Der Weg von der klinischen Beobachtung am Einzelfall hin zu im Prinzip falsifizierbaren Aussagen ist jedoch weit. Andererseits wird infrage gestellt, ob sich mit Hilfe empirischer hypothesenberprfender Studien berhaupt psychoanalytische Erkenntnisfortschritte erzielen lassen (vgl. zum Beispiel Green, 1996, 2000). Kçnnen mit der berprfung falsifizierbarer Aussagen psychoanalytische Theorien auf ihre Wahrheit hin berprft werden, um, wenn sie sich als falsch herausstellten, neue beziehungsweise modifizierte, mit der Empirie besser bereinstimmende Theorien zu entwickeln?2 Lassen sich solche Forderungen im Rahmen psychoanalytischer Forschungen berhaupt erfllen? Hat es fr die psychoanalytische Forschung irgendwelche Vorteile, sich mehr an nomothetischen Wissenschaftskriterien zu orientieren? Hierauf versucht die vorliegende Arbeit eine Antwort zu geben.3 Wie bereits erwhnt, verbergen sich hinter der Bezeichnung »Psychoanalyse« eine Vielzahl unterschiedlicher Theorieanstze sowie eine nicht berschaubare Zahl an Verçffentlichungen und Studien. Die Vielfalt und die Quantitt des akkumulierten Wissensbestands machen es schwer, fr das jeweilige Forschungsfeld eine umfassende bersicht ber die aktuelle Forschungslage zu geben. Deshalb werden die skizzierten Fragen in den einzelnen Kapiteln unter Fokussierung auf einen ausgewhlten Beobachtungsgegenstand, nmlich den 2 Das heißt wiederum nicht, dass eine Theorie, die als falsifiziert gilt, nicht so lange beibehalten werden kann, bis eine neue, differenziertere Theorie vorliegt. 3 Dabei geht es zum Beispiel auch um die von Naatz (1997) aufgeworfene Frage: »Wie kçnnen wir durch Wissenschaft Wissen ber die Welt und ihre Erkenntnisgegenstnde (einschließlich der menschlichen Psyche) erreichen?« (Naatz 1997, S. 27).
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Traum behandelt. Die Probleme, die im Rahmen psychoanalytischer Forschung entstehen, werden am Beispiel der experimentellen Traumforschung, der Psychotherapieforschung, der neuropsychologischen Forschung und der Einzelfalldarstellung diskutiert. Nach einer kurzen Einleitung folgt die Diskussion allgemeiner Probleme der Forschung in der Psychoanalyse. Dabei wird ein multiperspektivischer Blick auf den Beobachtungsgegenstand befrwortet, um die verschiedenen Dimensionen des Erkenntnisgegenstands, zum Beispiel von unbewussten Prozessen, genauer herauszuarbeiten. Es geht hier also um den Versuch, mit verschiedenen Forschungsmethoden denselben Beobachtungsgegenstand zu untersuchen, was eine kombinierte Verwendung formal-empirischer Forschungsmethoden und qualitativer Untersuchungsanstze bedeutet. Gerade durch die Hinzuziehung anderer Forschungsmethodologien lsst sich eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung von Wissensbestnden, im Sinne einer Validierung, erreichen (vgl. Strenger, 1991). Die Darstellungen sind dabei mçglichst forschungspraxisnah dargestellt. Sie verschaffen einen Eindruck von den oft langwierigen Forschungs-(um)wegen hin zu neuer Erkenntnis und vor allem zu neuen Fragen. Das erste Beispiel stammt aus der experimentellen Traumforschung. Diese eignet sich hierfr besonders gut, denn zahlreiche Psychoanalytiker betreiben diese Art »Offline«-Forschung selbst (vgl. Leuschner, Hau u. Fischmann, 1998). Meist wird in der psychoanalytischen Literatur der Traum als einheitliches Erlebnis verstanden, es ist von dem Traum die Rede. Am Beispiel der modernen Traumforschung lsst sich jedoch zeigen, wie die Entdeckung neuer Erkenntnisse ber das Trumen und die Verwendung neuer Untersuchungsmethoden dieses uniforme Bild diversifizierten. Umgekehrt haben die neuen Befunde erhebliche Implikationen auf den Umgang mit Trumen im Rahmen von psychoanalytischen beziehungsweise psychotherapeutischen Behandlungen. Aus den Befunden eines einfachen Experiments lassen sich nmlich weit reichende Schlsse auf unbewusste Prozesse, auf Wahrnehmungs- und Gedchtnisleistungen und nicht zuletzt auch auf die psychoanalytische (Traum) Theorie ziehen. Gerade weil immer deutlicher wird, dass es sich beim Traum um ein qualitativ vçllig unterschiedlich auftretendes Prozessgeschehen handelt, mssen die psychoanalytischen Traumkonzepte, die in
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der Nachfolge Freuds entwickelt wurden (vgl. Deserno, 1999, 2007a; Moser, 2002), neu berprft werden. Im dritten Kapitel geht es, auch am Beispiel der Trume orientiert, um die Frage, welche Mçglichkeiten die Psychotherapieforschung bietet, psychoanalytische Fragestellungen hinsichtlich des Therapieverlaufs und des bertragungsgeschehens systematisch zu untersuchen. Wie kçnnen in Psychoanalysen erzhlte Trume, aber vor allem auch bertragungsprozesse beforscht werden und welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei, etwa hinsichtlich mçglicher Rckschlsse auf den psychoanalytischen Prozess? Besonders ein Verfahren, das auf Freuds bertragungsidee zurckgreift, erscheint hier geeignet: die ZBKT-Methode von Lester Luborsky (Zentrales Beziehungskonfliktthema oder CCRT: core conflictual relationship theme). Neben einer kurzen Darstellung der verschiedenen Phasen der Psychotherapieforschung, wird das ZBKTVerfahren vorgestellt und beschrieben, welches bertragungskonzept dem ZBKT zugrunde liegt. Welche Probleme bei der Transkription einer Psychoanalyse und deren Auswertung entstehen wird ebenso diskutiert wie die Versuche, Trume mit dem ZBKT zu kodieren und welche Schwierigkeiten bei der Untersuchung von Deutungs- und Interaktionssequenzen in den Stunden auftauchen. Bei der Untersuchung stellt sich die Frage, ob sich mit diesem Verfahren bertragungsprozesse tatschlich erfassen lassen? Die Schwierigkeiten, die bei der Beantwortung dieser Frage auftauchen werden ebenso dargestellt wie der Versuch einer Weiterentwicklung des Verfahrens, im Hinblick auf das spezifische Interaktionsgeschehen innerhalb einer psychoanalytischen Behandlung. Dabei handelt es sich um die Entwicklung eines neuen »Beziehungsepisoden-Typs« zur Evaluierung der bertragung in der therapeutischen Interaktion: Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«. Stçßt man hier an die Grenzen des Verfahrens oder lsst sich ein Weg fr neue Erkenntnisse mittels der Konzeption eines neuen Beziehungsepisoden-Typs finden? Das vierte Kapitel enthlt berlegungen zu einem besonders intensiv diskutierten Bereich, dem der Neuropsychologie oder, wie der Name einer Fachzeitschrift lautet, dem Forschungsfeld »Neuro-Psychoanalysis.« Dabei erscheinen unter anderem die folgenden Fragen relevant: Welche Erkenntnismçglichkeiten bieten die Darstellungen der neurophysiologischen Aktivierungsprozesse im Gehirn durch
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moderne Bildgebende Verfahren wie zum Beispiel der Positronenemmissionstomographie (PET) oder der funktionellen Magnetresonanztomographie (FMRT)? Kann es gelingen, mit Hilfe von neurophysiologischen Messungen, zum Beispiel der Verteilung von Aktivierungsmustern im Gehirn, Aussagen ber mentale Daten zu erlangen, hier: lassen sich durch Inbezugsetzung von Aktivierungsverteilungen im Gehirn einerseits und erhobenen Traumerinnerungen nach Weckungen andererseits, Aussagen ber die Traumgenerierung und das Traumerleben treffen? Ist es mçglich, durch die Beobachtungen von Hirnaktivitt Rckschlsse auf psychische Erlebnisse wie zum Beispiel Trume zu ziehen? Am Beispiel neurophysiologischer Messungen von Schlaf- und mçglicherweise auch von Traumaktivitt, soll diese Problematik diskutiert werden. Dabei wird eine seit ber dreißig Jahren die Traumforschung dominierende neurophysiologische Theorie in Frage gestellt – die »AktivierungsSynthese-Theorie« von Allan Hobson (1977). Aufbauend auf dem der Kritik zugrunde liegenden Traumaktivierungsmodell wird eine eigene Untersuchung der Erfassung und Darstellung mçglicher physiologischer Korrelate von Traumaktivitt mittels FMRT beschrieben.4 Im fnften Kapitel schließlich soll gezeigt werden, wie die »Schrfung des Blickes auf den Beobachtungsgegenstand« gelingen kçnnte. Dass ein spezifischer Forschungsgegenstand sich mit unterschiedlichen Methoden beforschen lsst, die, auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, entsprechend unterschiedlich gelagerte Erkenntnisse liefern, ist im Rahmen der psychoanalytischen Einzelfallforschung berzeugend dargelegt worden (vgl. Leuzinger-Bohleber, 1995, 2000). In verschiedenen »Schleifen«, auf unterschiedlichen Ebenen, werden die einzelnen Forschungsmethoden angesetzt, um zu spezifischen Ergebnissen zu gelangen, die alle den gleichen Beobachtungsgegenstand zur Grundlage haben.
4 Auch hier stçßt man auf Schwierigkeiten, zum Beispiel auf Probleme bei der Operationalisierung der zu prfenden Hypothesen oder welche Relevanz mçgliche Ergebnisse fr die psychoanalytische Theorie haben. Letztlich geht es auch um das Leib-Seele-Problem, das viele neurophysiologische Forscher gerne dadurch zu »lçsen« versuchen, in dem sie die psychische Erlebnisseite in ihren Untersuchungen schlicht ignorieren.
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Am Beispiel des gut untersuchten Wolfsmann-Traumes wird verdeutlicht, wie durch das Gegeneinanderhalten verschiedener Untersuchungsanstze aus der experimentellen Traumforschung, der klinischen Forschung, der Entwicklungspsychologie und der Kognitionspsychologie sich mehrere Erklrungsmçglichkeiten des Traumes des Wolfsmannes erarbeiten lassen. Die Kontrastierung der Resultate verschafft zustzlichen Erkenntnisgewinn und Weiterentwicklungsmçglichkeiten der psychoanalytischen Theorie. Aus diesem Forschungsmodell ergibt sich die allgemeine Forderung, dass jede Art von Erkenntnisgegenstand mit verschiedenen Forschungsmethoden untersucht werden sollte, um, aufgrund der unterschiedlich weit reichenden Ergebnisse, ein mçglichst tiefenscharfes Bild des jeweiligen Erkenntnisgegenstandes zu erreichen. In einem kurzen Ausblick auf zuknftige Forschungsperspektiven wird dieses multiperspektivische Vorgehen als Modell fr psychoanalytische Forschung vorgeschlagen (vgl. auch Leyten, Blatt u. Corveleyn, 2006). Unter psychoanalytischer Forschung kann heute nicht mehr einzig die klinische Forschung hinter der Couch verstanden werden. Mertens (1997) verdeutlichte, wie methodisch breit gefchert Forschung in der heutigen Psychoanalyse durchgefhrt wird. Bereits Moser (1991) beschrieb mit den Begriffen der »Online-Forschung« (Junktim-Forschung) beziehungsweise »Offline-Forschung« in anderen Worten den Unterschied zwischen hermeneutischen und positivistischen Forschungsanstzen. Mit Offline-Forschung ist gemeint, dass sich der Analytiker »außerhalb der Therapiestunde mit einer Therapie beschftigt« (Moser, 1991, S. 322), also nachtrglich Materialien »aus Psychoanalysen oder psychoanalytisch orientierten Psychotherapien (Tonbndern, Videoaufzeichnungen, Tagebchern etc.) mit Hilfe eines breit gestreuten methodischen Arsenals« (Leuzinger-Bohleber, 1995, S. 448) untersucht. Alle in dieser Arbeit skizzierten Forschungsanstze lassen sich dem Bereich der Offline-Forschung zuordnen, wenngleich eine unterschiedliche Nhe zur psychoanalytischen Praxis besteht. Fr die experimentelle Labor-Forschung gilt zum Beispiel, dass sich ihre Ergebnisse nicht unmittelbar auf die analytische Therapiesituation rck beziehen lassen (»Instantiierung«). Indem diese sich eigene Untersuchungsgegenstnde schafft, kann sie jedoch allgemein Grundlagenwissen erarbeiten. Hierzu bedient sie sich auch der Konzepte anderer Wissenschaftsgebiete, etwa aus der
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Kognitionswissenschaft. Die Laborforschungen fragen nach den unterschiedlichsten Phnomenen wie zum Beispiel (vorbewusste) Wahrnehmungs- und Gedchtnisprozesse, Affekte, Bindungsverhalten und natrlich auch nach Trumen. Gerade die Geschichte der psychoanalytischen Traumforschung ist ein gutes Beispiel dafr, dass Psychoanalytiker seit vielen Jahren, neben ihrer klinischen Ttigkeit, auch experimentell arbeiteten. Diese Tradition psychoanalytischer Laborforschung ist jedoch wenig bekannt.5 Zu glauben, Psychoanalytiker wrden sich empirischer Forschung generell entziehen beziehungsweise verweigern, hieße, einem »Uniformittsmythos« das Wort zu reden. Allerdings muss man bercksichtigen, dass unter der berschrift »die Psychoanalyse« eine keineswegs homogene Situation bezglich Theorie und Praxis zusammengefasst erscheint. So stellte der Prsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, Wallerstein, auf dem IPA-Kongress 1989 in Rom die Frage, ob es eine Psychoanalyse gebe oder viele. Er bezog sich dabei auf die zunehmende Diversifizierung der Psychoanalyse in Theorie, Praxis und Forschungsfeldern (vgl. Wallerstein, 1992). Die Frage, was psychoanalytische Forschung ausmacht, wird von den einzelnen psychoanalytischen Schulen und Richtungen heute unterschiedlich beantwortet. Es gab aber von Anfang an die verschiedensten Bemhungen, Forschungen auch jenseits der Couch, also Offline, zu betreiben. Neben den bereits erwhnten frhen Labor-Experimenten wurde zum Beispiel in den 1920er Jahren am 5
Hierzu zhlen Arbeiten des durch die Entwicklung der Ich-Psychologie bekannten Psychoanalytikers Hartmann (1964), der selbst experimentell forschte (Betlheim u. Hartmann, 1924), oder auch die Arbeiten Rapaports (1971). Bereits 1912 fhrte Schrçtter experimentelle Untersuchungen durch, in denen er Probanden in einen hypnosehnlichen Schlafzustand brachte, ihnen Trauminhalte suggerierte, um deren Bearbeitung und Wiederkehr in den nachfolgenden Traumberichten zu studieren. Freud sprach in einem Brief an Jung davon, dass hier »ein neuer Zweig der experimentellen Psychologie« beginnen wrde (Freud u. Jung, 1974, S. 538). Aber auch Jung selbst fhrte experimentelle Assoziationsversuche durch (Jung, 1905). Die Verwendung von Hypnosetechniken in entsprechenden Untersuchungen außerhalb der klinischen Situation kennzeichnete die Forschungsbemhungen in den 1930er und 1940er Jahren (zum Beispiel bei Schilder, Brenman, Fisher und anderen, vgl. Kinzel, 1993).
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Berliner Psychoanalytischen Institut, im Rahmen der damals vorhandenen (methodischen) Mçglichkeiten, Katamneseforschung betrieben. Andere Beispiele wren die Kleinkinduntersuchungen etwa von Ren Spitz, die entwicklungspsychologischen Untersuchungen zur »psychischen Geburt« des Menschen von Margret Mahler und ihren Mitarbeitern, Forschungen zum frhkindlichen Interaktionsund Beziehungsverhalten von Winnicott, Outcome-Untersuchungen von Dhrssen, Forschungen zum Bindungsverhalten von Bowlby und von Main, die zahlreichen experimentellen Studien von Traumforschern wie Fisher, Klein, Fiss und anderen, die Mitwirkung von Psychoanalytikern in der neueren Kleinkindforschung oder der Psychotherapieforschung (vgl. zum Beispiel die Studien zur Katamneseforschung von Leuzinger-Bohleber, Beutel u. Stuhr, 2002; Sandell et al., 2001) oder die neuren Therapieentwicklungen von Bateman und Fonagy (2006), Allen und Fonagy (2006) oder Milrod et al. (2007). Gerade in der Psychotherapieforschung ist die Zahl der internationalen Projekte und Untersuchungen in den letzten Jahren stark angestiegen. Einen umfassenden berblick ber zahlreiche psychoanalytische Forschungen im Rahmen empirischer Prozess- und Outcome-Studien sind in der von der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung herausgegebenen »Open Door Review« zusammengestellt (vgl. Fonagy, 2002). Auch das von der Deutschen Gesellschaft fr Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (DGPT) in Auftrag gegebene Positionspapier »Psychoanalytische Therapie« gibt einen komprimierten berblick – nicht nur ber psychoanalytische Psychotherapieforschung (Hau u. Leuzinger-Bohleber, 2006). Eine Zusammenstellung randomisiertkontrollierter Studien zu psychoanalytischen Behandlungsverfahren findet sich zum Beispiel bei Leichsenring und Leibing (2003), bei Leichsenring, Rabung und Leibing (2004) oder bei Abbass et al. (2007). Fr klinisch orientierte Forscher ist vor allem die Einzelfallstudie das Forschungsinstrument der Wahl, worin, meist zur gleichen Zeit und nicht voneinander trennbar, Struktur und Entwicklungsgeschichte eines Patienten beschrieben werden. Viele Probleme, mit denen es die formalisierte und systematische Forschung zu tun hat, interessieren die Psychoanalytiker in ihrem Klinikalltag daher wenig. Sie kçnnen auf eine ber 100-jhrige reiche klinische Forschungs-
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tradition zurckblicken und es stehen bewhrte Methoden und Behandlungstechniken sowie Diagnosekriterien zur Verfgung, die in langen Jahren psychoanalytischer Praxis entwickelt wurden. So gibt es Kriterien, anhand derer Psychoanalytiker entscheiden, ob sie einen Patienten in Behandlung nehmen oder nicht, wie das psychische Funktionsniveau des Patienten zu beurteilen ist, welcher Art und wie ausgeprgt die Abwehrmechanismen sind, welche Einsichtsmçglichkeiten einem Patienten zur Verfgung stehen oder wie die Art der Beziehungsaufnahme in den ersten Gesprchen beziehungsweise die Motivation des Patienten fr eine Therapie zu beurteilen ist. Diese Kriterien, genauso wie jene fr den Behandlungsprozess, fr die Beurteilung, ob sich in den Stunden oder in der ußeren Welt des Patienten Vernderungen einstellen beziehungsweise ob sich strukturelle Vernderungen im psychischen Funktionieren entwickeln, erscheinen von außen betrachtet oft unscharf und wenig przise definiert (vgl. Sandell, 2002). Dennoch haben sie sich, im Rahmen der klinischen Behandlungssituation und bei der »Beobachtung« von unbewussten Prozessen fr Psychoanalytiker seit Jahrzehnten bewhrt. So kçnnte ein Psychoanalytiker die Vernderungen im psychoanalytischen Prozess wie folgt zusammenfassen: Ein psychoanalytischer Prozess liegt vor, der Patient macht Fortschritte, weil der Psychoanalytiker fhlt, wie der Patient sich innerhalb der Sitzungen oder in Bezug zur Außenwelt verndert. Zwar vermag eine solche Beschreibung fr einen Vertreter der Krankenkassen wahrscheinlich nicht plausibel begrnden, warum Psychoanalyse eine effiziente Behandlungsmçglichkeit fr psychisch erkrankte Menschen darstellt und daher finanziert werden msse, Psychoanalytiker kçnnen jedoch durchaus, aufgrund ihrer eigenen Erfahrung und den existierenden theoretischen Konzepten, auf der Basis solcher Beschreibungen auf die Komplexitt der Vernderungsprozesse im Rahmen eines Behandlungsverlaufes ihre Rckschlsse ziehen. Aber auch Aussagen ber die zunehmende Flexibilitt eines Patienten, die Lockerung der Abwehr, die Wiederkehr verdrngten Materials, ber zunehmende psychische Flexibilitt (etwa zwischen verschiedenen Substrukturen des psychischen Apparates, oder zwischen bisher getrennt gehaltenem Erleben) erscheinen fr Außenstehende oft wenig zugnglich beziehungsweise in geringem Maße berzeu-
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gend. Hierzu gehçren auch die Einschtzungen ber den Behandlungserfolg. Ab wann ist eine Behandlung erfolgreich abgeschlossen? Etwa dann, wenn das psychische Erleben von Zwngen befreit ist, die fr das Leiden des Patienten verantwortlich waren? Oder wenn das Erleben des Patienten reicher wirkt, der Patient zufriedener in seinen Lebensumstnden, seiner Beziehung, seiner Sexualitt ist und mit schwierigen und problematischen Situationen besser umzugehen weiß?6 Auch wenn es viele verschiedene Theorien und Sichtweisen selbst innerhalb der psychoanalytischen Community gibt, fr Psychoanalytiker sind die meisten dieser Kriterien bekannt und sie kçnnen sie mehr oder weniger effizient handhaben. Schwieriger wird es jedoch, wenn diese Konzepte und Theorien fr Außenstehende plausibel gemacht werden sollen, etwa fr Wissenschaftler anderer Disziplinen. Die bisher angefhrten »Kriterien« erscheinen als subjektive (was nicht heißt, dass sie schlecht sind), hngen vom individuellen Gebrauch und vom theoretischen Hintergrund des jeweiligen Analytikers ab. Jeder Psychoanalytiker hat seine expliziten und impliziten Vorstellungen, was psychoanalytische Forschung ausmacht, und diese hngen nicht unwesentlich vom kulturell-gesellschaftlichen Kontext ab, in dem ein Wissenschaftler lebt, welche persçnlichen intellektuellen Prferenzen, welche individuelle Geschichte der Einzelne hat. Lassen sich diese Kriterien etwa durch Forschungen verbessern? Was heißt dann eigentlich Forschung in der Psychoanalyse? Immer wieder ist die Psychoanalyse als »Wissenschaft zwischen den Wissenschaften« beschrieben worden (vgl. Modell, 1984; Lorenzer, 1985; oder Leuzinger-Bohleber, 1995), was entsprechende Konsequenzen fr die psychoanalytische Forschung hat. Fr LeuzingerBohleber (1995) ergeben sich diese vor allem daraus, dass die Psychoanalyse es mit zweierlei Beobachtungsmethoden zu tun hat, einer empathisch-identifikatorischen, welche die »Menschen von innen sehe« und einer naturwissenschaftlichen, die »ihre Beobachtungen den organisierenden Prinzipien der Metapsychologie unterwerfe« (Leuzinger-Bohleber, 1995, S. 439). Dadurch entsteht nicht nur ein schwieriges wissenschaftstheoretisches Problem, im Hinblick auf den 6
Es kann aber auch zu einem starken Rckgang der medizinischen Kosten, der Krankenhaustage oder der Fehlzeiten am Arbeitsplatz kommen.
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Einsatz angemessener Forschungsmethoden, sondern psychoanalytische Forschungen sind immer mit der Frage konfrontiert, aus welchem der beiden Forschungswelten geeignete Forschungsmethoden ausgewhlt werden. Daraus wurde eine Zwischenstellung der Psychoanalyse als Wissenschaft abgeleitet, die auch den interdisziplinren Diskurs erschwert. Und schließlich wirft die Auswahl die Forschungsmethode auch deshalb erhebliche Probleme auf, weil es sich bei den im Rahmen psychoanalytischer Forschung untersuchten Phnomenen in der Mehrzahl um unbewusste Prozesse handelt, die per se nicht direkt beobachtbar sind (vgl. Leuzinger-Bohleber, 2002). Neben den Problemen der Verstndigung mit Nachbarwissenschaften bereitet dieser Doppelcharakter aber auch den Psychoanalytikern selbst Schwierigkeiten. Dies ist der Grund dafr, dass »die Wissenschaftsgeschichte der Psychoanalyse auch zuweilen dazu diente, sich dem interdisziplinren Dialog mit anderen Wissenschaften zu entziehen und sich, selbstgerecht und dogmatisch, in den psychoanalytischen Elfenbeinturm zurckzuziehen« (Leuzinger-Bohleber, 2002, S. 442), auch wenn es zahlreiche Psychoanalytiker gab und gibt, die diesen Schritt nicht mitgingen und den wissenschaftlichen interdisziplinren Dialog suchten. Die Schwierigkeiten dieses Dialogs entstehen auch dann, wenn nicht eindeutig zu entscheiden ist, welche Art von wissenschaftlicher Erkenntnis psychoanalytische Forschung produziert und wie zum Beispiel theoretische Vorannahmen die erhaltenen Befunde und anschließend wieder die Theorien selbst beeinflussen. Dies erscheint deshalb problematisch, weil das theoretische Wissen innerhalb der Psychoanalyse oft idiographisch basiert ist, aber allgemein gltige Aussagen beansprucht. Theoretische Annahmen spielen aber, oft unkontrolliert, bei den Versuchen eine Rolle, die individuelle Historie eines Patienten idiographisch zu untersuchen. Doch ein idiographisches Vorgehen stellt sich bei genauerer Betrachtung oft »eher als angewandte und sich dabei weiterentwickelnde Nomothetik« heraus (Naatz, 1997, S. 14). Auch die Tiefenhermeneutik bietet hier keinen eindeutigen Ausweg. Zwar erscheint es attraktiv und nahe liegend, die Psychoanalyse unter Tiefenhermeneutik zu fassen, wie dies Lorenzer (1974) vorgeschlagen hat, letztlich wird damit aber nicht an widerlegbaren theoretischen Aussagen im Sinne einer empirischen Erfahrungswissen-
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schaft gearbeitet, sondern durch die starke Betonung des Subjektiven, innerhalb eines dialektischen Prozesses, der sich zwischen Analytiker und Patient abspielt, eine »Quasi-Methodologie« erzeugt, die sehr situativ, kontextabhngig und subjektbezogen sein kann. Umgekehrt kann man fragen, ob verallgemeinerbare Aussagen und Theorien sich allein auf der Basis von Fallberichten und klinischen Beispielen erreichen lassen. Dabei erscheinen verschiedene Kriterien fr die berprfung von psychoanalytischen Theorien ntzlich. Wenn es zum Beispiel um die Untersuchung von Traumbildern geht, kann dies auf dem Wege der Interpretation geschehen, etwa mit Hilfe der Amplifikationsmethode, durch die empirische Untersuchung manifester Trauminhalte oder durch Traumsimulations- beziehungsweise Traumgenerierungsmodelle (vgl. Moser, 1999). Hierbei sind eine mçglichst stringente Verwendung psychoanalytischer Begriffe und eine przise Darstellung der Ableitung aus den Theorien wnschenswert. Schließlich ist auch zu fragen, ob die Beobachtungen unabhngig von der Theorie bestehen kçnnen oder ob sie erst durch die Theorie erzeugt werden. Ist Letzteres der Fall, besteht die Gefahr von Scheinbesttigungen, von Zirkelschlssen. Dies bedeutet, dass eine »relative Unabhngigkeit« der Phnomene von der Theorie gegeben sein sollte (vgl. Poppers Bild von der Theorie als Schweinwerfer [1984]; das, was der Scheinwerfer sichtbar macht, muss auch unabhngig vom Lichtkegel existieren), ein zustzlicher Grund, sich um externe Validierung zu bemhen. Die mçgliche Falsifizierbarkeit von Hypothesen und Theorien erscheint letztlich fr viele, um mit Popper (1984) zu sprechen, immer noch als Abgrenzungskriterium fr empirische Wissenschaft gegenber Kunst, Religion, Mythologien und Mrchen zu gelten. Freud hat die Psychoanalyse als »empirische Wissenschaft« begriffen (Freud, 1923c, 1933a) und schrieb ber ihren »Charakter«», dass die Psychoanalyse kein System sei, vergleichbar der Philosophie, bei der von einigen definierten Grundbegriffen ausgegangen werde. Denn auch die psychoanalytischen Theorien und Postulate, die Behauptungen ber jegliche Art von Zusammenhang, fgen sich in »wissenschaftslogische Strukturen.« Nun kçnnte man einwenden, die auf einer bestimmten Anzahl von Beobachtungen basierenden Aussagen, die dann zu »Allaussagen« formuliert werden, sind, bei genauerer Be-
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trachtung, Konventionen. Das ist zunchst nichts Negatives, denn dies gilt fr alle empirisch orientierten Aussagen. Die Welt lsst sich nicht im Sinne einer objektiven Realitt erfassen und abbilden. Nur lassen sich diese empirisch gewonnenen Stze eben nicht, wie Popper im »Kritischen Rationalismus« dargelegt hat, verifizieren. Ein erstes Fazit kçnnte somit lauten: Auch wenn Psychoanalytiker immer wieder erklrten, der Forschungsgegenstand – das Unbewusste – lasse sich nicht mit herkçmmlichen (positivistischen) Methoden untersuchen, und aus dieser Haltung ableiteten, berhaupt keine (interdisziplinre) Forschung betreiben zu mssen, sondern sich von den brigen wissenschaftlichen Diskursen abkoppelten, auch wenn es manchmal der Kritik von außen bedurfte, um Forschungsaktivitten anzustoßen, so gab es doch immer wieder zahlreiche psychoanalytische Forschungsbemhungen, die von der brigen Scientific Community mehr oder weniger intensiv rezipiert, aber auch oft ignoriert wurden. Einige Beispiele wurden hierzu bereits aufgefhrt. Heute kann die Situation so beschrieben werden: In vielen Forschungsfeldern sind Psychoanalytiker aktiv involviert und ein reger wissenschaftlicher Dialog mit den verschiedensten Nachbardisziplinen ist dabei, in Gang zu kommen.
1.1
Welche wissenschaftlichen Kriterien sind fr psychoanalytische Forschung sinnvoll?
Im Rahmen der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung gibt es seit einigen Jahren verstrkte Bemhungen, mit Hilfe von Forschungsprogrammen verloren gegangenen Boden, nicht zuletzt auch gegenber den anderen Wissenschaften, gutzumachen.7 Dabei gibt es 7
Es haben sich, neben den unterschiedlichen konzeptuellen Richtungen und Entwicklungen innerhalb der Psychoanalyse auch unterschiedliche Forschungstraditionen gebildet, wie sich auf den internationalen Kongressen oder beim jhrlich von der IPA durchgefhrten Research Training Programme am University College London immer wieder zeigt. Der Umstand verschiedener Traditionen und Richtungen innerhalb der Psychoanalyse, mit Auswirkungen auf die Forschungstradition innerhalb der Psychoanalyse in den einzelnen Lndern, hat die IPA unter anderem dazu veranlasst, ein zweites Research
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jedoch unter den Psychoanalytikern erhebliche Meinungsverschiedenheiten darber, was psychoanalytische Forschung ausmacht, mit welchen Methoden sich welche Hypothesen erforschen lassen. Man kann zwei Hauptrichtungen unterscheiden: Analytiker, die eine klinisch orientierte Forschung bevorzugen und solche, die auch formalisierte und systematisierte Forschungsverfahren anwenden (vgl. Luyten, Blatt u. Corveleyn, 2006). Online-Forschung (Moser, 1991) fhrt dazu, dass die psychoanalytische Behandlungstechnik und Theorie weiterentwickelt wird. Schwierigkeiten im Laufe der Behandlung, Krisen, ungelçste Probleme und Fragestellungen im Rahmen der klinischen Ttigkeit, bringen Psychoanalytiker immer wieder dazu, ihre Konzepte und Theorien, ihre Vorstellungen und Hypothesen zu berdenken und in Frage zu stellen. Psychoanalytiker erscheinen als in einem stndigen Wechselprozess zwischen Erfahrung und Reflexion befindlich (vgl. Brede, 2002; Nick, 2001). Brede vergleicht dies mit einem Oszillieren zwischen dem Zentrum (analytische Situation beziehungsweise Erfahrung) und dem Rand eines Kreises (Reflexion aus der Distanz), ohne dass das Kreisfeld, also das Beobachtungs- und Erfahrungsfeld letztlich verlassen werden kann. Legt man diese Vorstellung zugrunde, dann betreiben Psychoanalytiker somit psychoanalytische Forschung, wenn sie ihr Vorgehen, ihre praktische klinische Ttigkeit und Erfahrung beziehungsweise ihre Theorien immer wieder neu durchdenken und berarbeiten. Alle Widersprche zu bisher entwickelten Theorien fhren dann dazu, diese weiterzuentwickeln und neu zu berarbeiten. Das heißt aber nicht, dass bereits Bekanntes, aus der Perspektive des einzelnen Psychoanalytikers betrachtet, immer wieder neu entdeckt werden muss. Das von Freud entwickelte psychoanalytische Verfahren wird von vielen Analytikern als die adquate Methode betrachtet, um den komplexen Anforderungen und vielschichtigen (klinischen) Erfahrungen und Beobachtungen einigermaßen gerecht werden zu kçnnen. Dies kann aber auch zu einer problematischen Situation fhren, wenn Commitee zu installieren, das sich vor allem den in Europa verankerten Forschungstraditionen widmen soll und eine Art Gegengewicht zu der mehr empirisch-orientierten »anglo-amerikanischen« Forschungstradition darstellt (vgl. Leuzinger-Bohleber, Deserno u. Hau, 2004).
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gleichzeitig bestritten wrde, dass es auch andere Verfahren und Untersuchungsmçglichkeiten gebe, durch die sich Mçglichkeiten bçten, einen »fremden« Blick auf das Vertraute, das Eigene, zu werfen. Wenn zum Beispiel in der Medizin ein neues Beobachtungsinstrument wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (FMRT) entwickelt wird, dann ist dessen Einsatz mit neuen Sichtweisen auf Altbekanntes verbunden. Vieles von dem, was bisher vertraut war, mag dann weiterhin seine Gltigkeit behalten, anderes wird jedoch plçtzlich als berholt oder falsch angesehen. Aber ein neues Untersuchungsinstrument kann auch vçllig Unbekanntes, bisher nicht Sichtbares zu Tage fçrdern (wie dies zum Beispiel nach der Erfindung des Mikroskops in der Medizin oder des Fernrohrs in der Astronomie der Fall war). Auch die psychoanalytische Methode, mit ihren spezifischen Untersuchungsmçglichkeiten (zum Beispiel von bertragung- und Gegenbertragungsprozessen) kann als ein solches Instrument betrachtet werden, mit dem bisher nicht sichtbare Bereiche psychischen Lebens und Erlebens sichtbar gemacht werden kçnnen. Es geht hier also nicht darum, die psychodynamische Perspektive ber Bord zu werfen, sondern im Gegenteil, die psychoanalytischen Untersuchungstechniken in neuen Forschungskontexten einzusetzen. Eine gute Forschung erzeugt dann ein Vielfaches an neuen, offenen Fragen, im Vergleich zur ursprnglich zu beantwortenden Ausgangsfrage. Kennzeichnend fr die Versuche einer »Offline«-Forschung ist somit, dass die Psychoanalytiker neue Untersuchungsmethoden anwenden, um Phnomene neu zu untersuchen. Sie wechseln das Beobachtungsinstrument, pendeln zwischen Couch und Experiment, zwischen verschiedenen Forschungsbereichen – sie haben »zwei Schmetterlinge auf dem Kopf« (vgl. Leuzinger-Bohleber, Schneider u. Pfeifer, 1992). Diese Tradition kann zum Beispiel im Rahmen der experimentellen Traumforschung besonders gut aufgezeigt werden, denn Psychoanalytiker haben hier immer wieder maßgeblich zum Erkenntnisfortschritt beigetragen (vgl. die Arbeiten von Spence, Klein, Fiss, Shevrin, Fisher, Hartmann, um nur einige zu nennen).8 8
Orientierten sich die psychoanalytischen Traumforscher auch zur Kognitionspsychologie (vgl. Barron et al., 1992), ließ sich umgekehrt eine deutliche Tendenz zur Abgrenzung gegenber der Psychoanalyse feststellen, eine Ab-
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Doch handelt es sich bei »Online«- und »Offline«-Forschung um sich ausschließende Alternativen? Ist »Wissenschaftlichkeit« nur dadurch gekennzeichnet, dass die verwendeten Untersuchungsmethoden quantitativer Art sind? Kann man berhaupt quantitative und qualitative Forschung kontrr gegenberstellen? Sind wissenschaftliche Kriterien wirklich Quantifizierbarkeit, Replizierbarkeit, Vorhersagbarkeit oder Falsifizierbarkeit? Natrlich gehçren auch quantitative Methoden zum Instrumentarium der Forschung. Kontrollierte Laborexperimente haben im Rahmen psychoanalytischer Forschungen durchaus ihren Sinn, haben ihren Platz im Kanon der Untersuchungs- und Forschungsmçglichkeiten; aber sie stellen eben nicht immer und zu jeder Zeit die angemessene Methode dar. Eigentlich drfte heute niemand ernsthaft mehr behaupten kçnnen, dass als Kriterium fr Wissenschaftlichkeit allein die Quantifizierbarkeit der in Frage stehenden »Beobachtungen« anzusehen sei. Der scharfe Gegensatz, der zwischen qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden konstruiert wird, hilft letztlich nicht weiter. Denn quantitativ erhobene Daten bedrfen ebenfalls an mindestens zwei Stellen »qualitativer« Interpretationsschritte : zunchst bei der Operationalisierung des zu untersuchenden Phnomens, also bei der Frage, welche Variablen als bedeutsam fr die Prfung der Hypothesen im Rahmen der jeweiligen Fragestellung angesehen werden (und hierbei gibt es keineswegs festgelegte Kriterien) und schließlich bei der Interpretation der Auswertungsergebnisse der erhobenen Daten. Ein zahlenmßiges Ergebnis hat an und fr sich noch keinerlei grenzung hinsichtlich der psychoanalytischen Konzeption eines dynamischen Unbewussten. Die klinische Deutung von Trumen und die daraus abgeleiteten Theorien wurden von vielen kognitionspsychologischen Forschen geradezu als Hindernis fr den Erkenntnisfortschritt betrachtet. Haskell (1986) spricht von einer »Maginot-Linie«, wenn es in kognitionspsychologischen Forschungen ber nicht bewusste Informationsverarbeitungsprozesse um Fragen der Bercksichtigung eines dynamischen Unbewussten geht. Diese Einstellung ist natrlich insofern einseitig, als sie einen positivistischen Forschungsansatz stark betont und dabei gleichzeitig andere Erkenntnismçglichkeiten, etwa im Rahmen klinischer Forschung, der Einzelfallforschung oder der qualitativen Forschung, ausblendet oder nicht anerkennt.
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Bedeutung. Diese muss erst – in einem interpretativen Schritt – hinzugefgt werden.
Replizierbarkeit Auch der Gedanke, ein entscheidendes Kriterium fr Wissenschaftlichkeit sei die Replizierbarkeit der Ergebnisse von Untersuchungen, ist leicht als ein unzureichender auszumachen. Aus einer allgemeinen Perspektive betrachtet leuchtet es unmittelbar ein, dass niemand fordern wrde, um wissenschaftliche Erkenntnisse ber die Auswirkungen eines Erdbebens zu erlangen, msse dieses mçglichst exakt wiederholbar sein. Das gleiche gilt fr Phnomene, die zum Beispiel in der Astronomie beobachtet werden oder auch fr historische Ereignisse. Einem Historiker wrde niemand wissenschaftliches Arbeiten absprechen, nur weil sich geschichtliche Ereignisse nicht replizieren lassen. Aus psychoanalytischer Perspektive kommt noch ein weiterer, mindestens ebenso gewichtiger Einwand hinzu. Zwar wiederholen sich bestimmte Ereignisse im Rahmen eines Behandlungsverlaufes (zum Beispiel bestimmte Trauminhalte oder das Erscheinen bestimmter Symptome im Verlauf von regressiven Prozessen), da aber die Analyse im zeitlichen Ablauf der Lebensgeschichte des Patienten (und auch des Analytikers) stattfindet, kann zum Beispiel eine Assoziation zum Zeitpunkt t1 eine ganz andere Bedeutung erlangen als zum Zeitpunkt t2, auch wenn die Inhalte gleich wren. Die Situation zum spteren Zeitpunkt t2 ist allein schon deshalb eine andere, weil sie die Erfahrungen und Zusammenhnge des frheren Zeitpunkts t1 mit einschließt, nicht jedoch umgekehrt. Somit lassen sich die Einzelereignisse, die vom Analytiker (oder einem Forscher, der an einem Transkript arbeitet) registriert werden, nicht wiederholen. Replizierbarkeit ist ausgeschlossen. Gleichwohl versuchen sich auch Psychoanalytiker in der Vorhersage von Ereignissen. Sie versuchen, zu prognostizieren, was ein Patient zu einem Traum assoziieren wird, wie er in die nchste Stunde kommen wird, wie er auf die nchste Unterbrechung reagieren oder mit der nchsten Deutung umgehen wird. Dabei sind es jene Vorhersagen, die nicht erwartungsgemß verlaufen, also gerade solche,
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die nicht zutreffen, welche zum Erkenntnisfortschritt beitragen. Solche Situationen zwingen dazu, zu fragen, was der Grund dafr war, dass eine Vorhersage nicht zutraf.
Falsifizierbarkeit Die Bedeutung des Kriteriums der Falsifizierbarkeit fr Wissenschaftlichkeit wurde von Popper ausfhrlich diskutiert. Dennoch bleiben Zweifel. Besonders das Modell einer kausal-linearen Logik, die vielen experimentellen Untersuchungen zugrunde liegt, muss heute als berholt angesehen werden (vgl. Hampe u. Lotter, 2000). Eine Ereignisabfolge (Ursache – Wirkung, abhngige – unabhngige Variable) kann, sptestens seit der Entdeckung und Entwicklung der Quantenmechanik, gerade nicht automatisch in einer 1:1-Abfolge von Ereignis- und Auswirkungsfolgen konzipiert werden. Diese anzunehmen, mag mit dem eingeschrnkten Vermçgen menschlichen Denkens zu tun haben, denn es ist leichter, in kausal aufeinander folgenden Ereignissen zu denken als in nichtlinearen Netzwerken. Sowohl in der Mathematik als auch in der Physik hat man mittlerweile Abschied von einem rigiden Determinismus kausaler Zusammenhnge genommen. So ergab sich in der Mathematik die paradoxe Situation, dass mathematisch nachweisbar ist, dass keine genauen Vorhersagen machbar sind (zum Beispiel in der Chaostheorie). Diese Erkenntnis msste eigentlich auch dazu fhren, dass sich Wissenschaft nicht allein dadurch definieren lsst, dass sich mit ihren Theorien Ereignisse korrekt vorhersagen lassen. Kausalitt erscheint vor diesem Hintergrund als viel zu einfaches Konzept, um komplexe Prozesse erfassen und beschreiben zu kçnnen. Weitere Probleme, die in den »naturwissenschaftlichen Forschungsparadigmen« nicht vorgesehen sind, betreffen das Problem der Nachtrglichkeit, der dynamischen Umarbeitung und der Vernderung von Erinnerungen, in Abhngigkeit von Abwehrprozessen, der individuellen Bedeutung fr das einzelne Individuum sowie Vieldeutigkeiten beziehungsweise vielfache Bedeutungen von Begriffen, Wçrtern und der Sprache. Mit der Vieldeutigkeit von Sprache verhlt es sich wie mit der Komplexitt psychischer Systeme, es bedeutet eine Reduktion und somit eine mçgliche Verflschung, diese
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Forschungsgegenstnde mit unterkomplexen Anstzen zu untersuchen. Viele Kliniker mçgen sich fragen, welchen Wert eine Extra-klinische Forschung berhaupt fr sie haben mag, sind sie doch in erster Linie an praktisch-klinischen Phnomenen interessiert und mssen sich deshalb vor allem mit heuristischen Fragestellungen auseinandersetzen. Auch erscheint die Bercksichtigung solcher Forschungsprobleme fr die Entwicklung psychoanalytischer Theorien und deren weiterer Ausarbeitung auf den ersten Blick von begrenztem Wert, denn fr diese haben sich vor allem die klinischen Beobachtungen als besonders wichtig und konstruktiv erwiesen. Der intensive Gebrauch induktiven Schließens aus den gemachten Beobachtungen am Einzelfall wurde bisher als die Hauptquelle fr den psychoanalytischen Theoriefortschritt angesehen. Zwar hat ein Behandlungskonzept und eine daraus abgeleitete Theorie vor allem fr die klinische Anwendung ihren Wert, doch erweisen sich diese meist aus induktiven Schlussfolgerungen entwickelten Konzepte, oft als entscheidende Schwche bei der Weiterentwicklung systematischer psychoanalytischer Wissensbestnde, vor allem wenn man fr angemessene klinische Forschung grundlegende Anforderungen und Bedingungen formuliert, wie erstens eine enge logische Verknpfung zwischen Theorie und Praxis, zweitens ein angemessenes deduktives Schlussfolgern in Bezug auf das klinische Material und drittens die eindeutige Verwendung von Begriffen, womit die reliable Benennung der Beobachtungen gemeint ist (vgl. Fonagy, 2002). Es wre zu fragen, ob diese Kriterien von den gegenwrtigen klinisch-psychoanalytischen Forschungen hinreichend bercksichtigt werden und ob sie sinnvoll sind (vgl. Hampe u. Lotter, 2000). Was die klinische Forschung betrifft, so lassen sich besonders die Herausarbeitung von Syndromen, die genaue Beschreibung der Psychopathologie und die Erarbeitung von theoretischen Konstrukten als Grundlage und Ziel fr die klinisch-therapeutische Arbeit beschreiben. Der Wert dieser Forschungen ist vor allem anwendungsbezogen und die Verbreitung einer Theorie oder eines Konzeptes hngt von deren allgemeiner Akzeptanz in der psychoanalytischen Community ab. Außerhalb der Psychoanalyse sind solche aus Einzelfallforschungen gewonnenen Erkenntnisse meist wenig rezipiert beziehungsweise
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werden stark angezweifelt, zum Beispiel von Seiten der akademischen Psychologie. Umgekehrt wehren sich viele Analytiker gegen die Anwendung von so genannten »harten« Forschungsmethoden. Bedenken bestehen vor allem gegenber den damit verbundenen Wissenschaftskriterien, wie zum Beispiel Forderungen nach einer eindeutigen Terminologie der Begriffe, nach eindeutig bestimmbaren Beobachtungen sowie deren Replizierbarkeit, nach Quantifizierbarkeit der Daten, sowie nach der Mçglichkeit, Vorhersagen zu treffen beziehungsweise Hypothesen aufzustellen, die nachher auch falsifizierbar sind. Als Argumente gegen diese Art von Kriterien fr Wissenschaftlichkeit fhren Psychoanalytiker vor allem ins Feld, dass der Forschungsgegenstand, mit dem sie es zu tun htten, keine in der ußeren Realitt beobachtbaren Ereignisse umfasse, sondern es sich vielmehr um Phantasien handele, die, hochspezifisch fr das jeweilige Individuum, entlang zweier Dimensionen aufgefchert werden kçnnten: entlang der psychischen Struktur und entlang von Entwicklungslinien. Dabei gehe es aber nicht um die tatschliche Geschichte, sondern um die erinnerte, unter anderem durch persçnliche Eigenarten und durch Abwehrleistungen eingefrbte subjektiv erinnerte Geschichte, mithin um eine Konstruktion, die, im Rahmen einer Analyse, neu »geschrieben« werde. Diese Geschichte ist nicht wiederholbar und nur ber die (subjektive) Rekonstruktion, im Rahmen des erlebten bertragungs- und Gegenbertragungsgeschehens, erkennbar und verstehbar (vgl. Perron, 2002). Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich fr die Psychoanalyse spezifische erkenntnistheoretische Bedingungen, die sich von denen anderer Wissenschaften unterscheiden und gerade das Spezifische der Psychoanalyse ausmachen. Dabei fllt eine Besonderheit ins Auge, welche die Psychoanalyse von allen anderen Wissenschaften unterscheidet: Der Analytiker setzt sein Erleben und Reagieren als Erkenntnisinstrument ein, um Erleben und Reagieren des Patienten zu verstehen. Ein weiteres Problem, vor dem Psychoanalytiker stehen, wenn sie Forschung betreiben, ist die Vieldeutigkeit der Begriffe, mit denen sie operieren. Der Forderung, die Begrifflichkeit fr die Beschreibung bestimmter Prozesse oder Phnomene, msse mçglichst eindeutig sein, kann entgegengehalten werden, dass gerade die Uneindeutigkeit
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die angemessenere Herangehensweise an die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der subjektiven Ausgestaltungen des Erlebens im jeweiligen Individuum ist. Gerade eine Vieldeutigkeit der Begriffe gewhrt grçßtmçgliche Freiheit in der Bercksichtigung individuellsubjektiver Bedeutungen, so dass jede Festlegung auf eine bestimmte Ausdeutung eines Begriffes, eine Simplifizierung und Verkrzung eines komplexen Geschehens zur Folge haben kçnnte. Dies hieße aber, die Psychoanalyse wrde dann keine ihrem Forschungsgegenstand angemessene Forschung mehr durchfhren. Zusammenfassend lsst sich bereits jetzt sagen, dass es immer einer genauen Beschreibung dessen bedarf, was eigentlich untersucht werden soll – und daraus dann abgeleitet – mit welchen Methoden das Forschungsziel erreicht werden kçnnte und wie die Operationalisierung erfolgt, die Daten erhoben, ausgewertet und interpretiert werden. Damit wird klar, dass die klinische Falldarstellung eine andere Vorgehensweise bei der Datenerhebung und -auswertung verlangt, als die Untersuchung von Erinnerungs- und Wahrnehmungsvorgngen im Labor. In dem sich dadurch ergebenden Spannungsfeld bewegen sich auch die Forschungen, die in dieser Arbeit behandelt werden. Zu zeigen, dass sich unterschiedliche Anstze von Forschungen nicht gegenseitig ausschließen oder in Konkurrenz zueinander stehen mssen, sondern sich vielmehr ergnzen und das psychoanalytische Wissen und die psychoanalytischen Theorien weiter entwickeln und bereichern helfen, ist Anliegen dieses Buches.
1.2
Zum Verhltnis Psychoanalyse und Nachbardisziplinen
Psychoanalytische Forschung findet keineswegs losgelçst vom historischen oder gesellschaftlichen Kontext statt und so ist die gesellschaftliche Situation, in der sich die Psychoanalyse heute befindet, natrlich eine andere als noch vor vierzig oder fnfzig Jahren. Zum einen hat sich das Gesundheitssystem stark verndert, die Psychoanalyse hat Konkurrenz durch andere Therapieverfahren bekommen (vor allem durch die Verhaltenstherapie), Konkurrenz von Verfahren, die fr sich in Anspruch nehmen, kostengnstiger und zeitlich ef-
Zum Verhltnis Psychoanalyse und Nachbardisziplinen
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fektiver zu sein. Dieser Anspruch trifft auf ein gesellschaftliches Umfeld, in dem der finanzielle Druck, unter dem die Kostentrger des Gesundheitssystems stehen, weiter steigt und somit auch der Druck immer grçßer wird, die Wirksamkeit »aufwendiger« Behandlungsverfahren nachzuweisen. Zum anderen besteht heute eine vçllig andere Situation bezglich des Forschungsstandes der fr die Psychoanalyse relevanten Wissenschaften wie zum Beispiel der Kognitionspsychologie beziehungsweise der Biologie. In der Biologie steht heute, neben dem Bereich der Genetik, die Erforschung neurophysiologischer Prozesse im Gehirn im Zentrum des Interesses. Das Gehirn, seine Funktionen und die in ihm stattfindenden Ablufe, sind, nicht zuletzt durch die Entwicklung neuer bildgebender Verfahren, mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerckt. Dabei ist jedoch auch eine Vielzahl neuer Probleme entstanden, die sich vor allem aus einer zum Teil vorschnellen Ineinssetzung von psychologischen Erlebnisvorgngen und gleichzeitig stattfindenden physiologischen Prozessen ergeben (vgl. Kapitel 4). Gerade im Hinblick auf die Forschungsentwicklungen in der Psychologie und in der Neurobiologie kann festgestellt werden, dass die Psychoanalyse versucht hat, sich unabhngig zu entwickeln. Ursprnglich gab es erhebliche Einwnde gegen die Forschungsanstze und das Wissenschaftsverstndnis in beiden Disziplinen. Freud hatte seinen Versuch, eine Verbindung zwischen Neurobiologie und Psychoanalyse zu schaffen, aufgegeben und stattdessen ein vollstndig mentalistisches Modell des psychischen Apparates entworfen. Außerdem konnte sich bis vor einiger Zeit noch niemand vorstellen, das Gehirn auf neurophysiologischer Ebene in seinen verschiedenen Funktionen zu beschreiben und mit entsprechendem manifestem Verhalten zu verknpfen. Umgekehrt waren die Neurobiologen nicht an Erlebniszustnden interessiert und es bestand eine Kluft zwischen Erklrungen, die psychische Stçrungen funktionell beziehungsweise organisch basiert verorteten. Die Psychoanalytiker zogen sich mehr und mehr aus dem interdisziplinren Diskurs zurck und entwickelten, trotz der rasanten Fortschritte der Neurowissenschaften, keine gemeinsamen Forschungsanstrengungen. Erst in jngerer Zeit suchen Psychoanalytiker den Dialog, ermutigt durch Vernderungen und Erkenntnisfortschritte auf letzterem Gebiet (vgl. Kandel, 1998;
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1 Empirische Forschung in der Psychoanalyse
LeDoux, 1997; Solms, 1999; Kaplan-Solms u. Solms, 2000; Fonagy, 2002; Beutel et al., 2004; Buchheim et al., 2006a, 2006b). Auch hinsichtlich der Forschungen auf dem Gebiet der Psychologie ist diese Rckzugstendenz feststellbar gewesen, so dass die Fortschritte, welche die psychologische Forschung in den letzten Jahrzehnten machte, von den Psychoanalytikern vielfach nicht rezipiert wurden. Auch hier haben vor allem die von der akademischen Psychologie vertretenen Forschungsparadigmen in der Vergangenheit viel zu den Vorbehalten der Psychoanalytiker beigetragen, vor allem wegen der einseitigen Ausrichtung auf die Erforschung von Verhalten im Rahmen lerntheoretischer Studien bei Tieren (vgl. Skinner, 1953) und dem hartnckigen Festhalten vieler Psychologen am positivistischen Wissenschaftsparadigma. Dementsprechend vereinfachend konzeptualisierten viele Psychologen menschliches Verhalten und machten es auf diese Weise den Psychoanalytikern leicht, sich abzuwenden und ihren elaborierteren Modellen psychischer Prozesse zuzuwenden. In der Psychologie fand jedoch in den 1970er und 1980er eine Wendung hin zur Erforschung kognitiver Prozesse statt, so dass heute ein Theorie- und Kenntnisstand erarbeitet wurde, der fr die Psychoanalyse ußerst interessante Modelle und Einsichten in die Funktionsweise von Wahrnehmung und Gedchtnis bietet (vgl. Kapitel 2). So ignorierten viele Psychoanalytiker die Entwicklungen in der psychologischen Forschung der letzten Jahre. Beispielsweise wurde das Gehirn und seine Arbeitsweise zunehmend Gegenstand des Interesses (ausgehend von der Computermetapher, die heute wiederum als berholt gelten kann, vgl. Leuzinger-Bohleber u. Pfeifer, 1999, 2002). Psychologische Forschungen zeichnen sich heute durch genauere Beobachtungsmçglichkeiten und durch eine deutlich weiter entwickelte methodische Handhabung der Auswertung der erhobenen Daten aus. Auch erwiesen sich viele Psychologen als offener gegenber angrenzenden Nachbardisziplinen und entwickelten eine Vielzahl von gemeinsamen Forschungsaktivitten. Zumindest teilweise hat auch die bis in die 1960er Jahre konkurrenzlose Stellung der Psychoanalyse auf dem therapeutischen Sektor zu der Abwendung mit beigetragen. So wurde von vielen Psychoanalytikern gar nicht bemerkt, dass Verhaltenstherapeuten nach der
Zur Kritik am Wissenschaftsbegriff der Psychoanalyse
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»kognitiven Wende« psychoanalytische Entdeckungen und Konzepte mit verwendeten und in ihre Behandlungskonzepte einbauten. So wird unter behavioralen Konzepten zur Psychotherapie auch so genanntes »klinisch relevantes Verhalten« des Patienten diskutiert (CRB: Clinically Relevant Behaviour), das dieser in den Stunden zeigt und welches symptomatische Qualitt besitzt. Eine gelungene therapeutische Intervention hilft dem Patienten, das CRB zu erkennen und neues Verhalten zu entwickeln (Kohlenberg u. Tsai, 1991). Zwar sind solche Konvergenzen zu begrßen und es wre sicherlich fruchtbar, in eine Diskussion zu kommen, in der sich interessante Auseinandersetzung fhren ließen, etwa inwiefern Konzepte wie das der therapeutischen Beziehung oder der bertragung bei solchen Adaptationen verndert werden (vgl. Luyten, Blatt u. Corveleyn, 2005). Oder sind es vielleicht gar keine Adaptationen, sondern gestalten sich ohnehin vorhandene Phnomene in solchen Fllen eben anders als in vierstndigen Behandlungen, im Liegen auf der Couch? Weniger erfreulich ist jedoch die Tatsache, dass zum Beispiel mit dem CRB-Konzept neue Namen erfunden werden und von neuen Entdeckungen geredet wird, ohne auch nur zu erwhnen, dass sich andere Disziplinen – also die Psychoanalyse – mit eben jenen klinischen Phnomenen schon seit Jahrzehnten beschftigt, allerdings andere Begriffe verwendet: bertragung und Gegenbertragung. Kandel (1998) vermutet, dass »die Zukunft der Psychoanalyse, wenn sie denn eine Zukunft hat, im Kontext der empirischen Psychologie zu suchen ist, untersttzt durch Darstellungstechniken, neuroanatomischen Modellen und Humangenetik. Verankert in den Kognitionswissenschaften kçnnen die psychoanalytischen Ideen getestet werden und hier kçnnen diese Vorstellungen ihre grçßte Wirkung entfalten« (S. 468, bers.: S. H.)
1.3
Zur Kritik am Wissenschaftsbegriff der Psychoanalyse
Der Auffassung, Psychoanalyse sei keine Wissenschaft, weil sie keines der von den meisten Wissenschaften anerkannten Kriterien fr wissenschaftliches Forschen erflle, ist natrlich von Seiten vieler Ana-
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1 Empirische Forschung in der Psychoanalyse
lytiker heftig widersprochen worden (vgl. zum Beispiel Westen, 1999; Green, 2000; Leuzinger-Bohleber, 2002; Perron, 2002; Luyten, Blatt u. Corveleyn, 2006). Die Kritik bezieht sich vor allem auf einen eingeschrnkten Wissenschaftsbegriff, der unhinterfragt Wissenschafts- beziehungsweise Forschungsparadigmen aus der Physik bernimmt, ohne zu bedenken, dass sowohl Untersuchungs- als auch Erkenntnisgegenstand der Psychoanalyse eine besondere Bercksichtigung bei der Frage verlangen, mit welchen Methoden geforscht wird. Viele Analytiker stimmen darin berein, dass Klrung und Przisierung psychoanalytischer Konzepte und Begriffe notwendig sind, Bemhungen um eine einheitliche Sprache der Psychoanalyse insgesamt gut tun wrden (zum Beispiel mehr Validitt, erhçhte Wirksamkeit der Behandlungen) und dies mit dazu beitragen wrde, sich nach außen, etwa der Kognitionspsychologie oder der Neurobiologie gegenber, verstndlicher zu machen, um in einen wissenschaftlichen Austausch zu treten. Dennoch bestehen bei vielen Psychoanalytikern erhebliche Bedenken, ob die bernahme des in den Naturwissenschaften herrschenden Forschungsparadigmas fr die Psychoanalyse angemessen ist. Denn mit Hilfe der Psychoanalyse soll versucht werden, ber mentale Prozesse und Funktionen zu forschen, ber Vorgnge und Prozesse, die im Individuum ablaufen und die von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich sein kçnnen. Hier nun eine deduktive Forschungsmethode anzuwenden, verbunden mit der Forderung nach Replizierbarkeit der Beobachtungen oder nach Falsifizierbarkeit, erscheint, wie oben bereits diskutiert, unangemessen. Dabei wird das Spannungsfeld besonders deutlich, einerseits Aussagen treffen zu wollen, die ein gewisses Maß an Allgemeingltigkeit haben, andererseits sich der Freiheit des einzelnen Individuums verpflichtet zu fhlen und individuelle Gegebenheiten beschreiben zu kçnnen. Schlagwortartig kçnnte man zusammenfassend sagen: Flexibilitt steht in Konflikt mit Determinismus (Leuzinger-Bohleber, 2002).
Angemessene wissenschaftliche Untersuchungsmethoden
1.4
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Die wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden mssen dem Erkenntnisgegenstand angemessen sein
Mit dem Versuch, einige Schwierigkeiten, die bei einer Forschung »jenseits der Couch« entstehen, aber auch neue Erkenntnis- und Entwicklungsmçglichkeiten fr die Psychoanalyse, deren Theorien und Konzepte zu umschreiben und anhand von praktischen Beispielen zu skizzieren ist nicht beabsichtigt, eine mçglichst umfassende Darstellung von smtlichen Forschungsproblemen zu geben. Dies ist, angesichts der Komplexitt und Vielfalt psychoanalytischer Forschung, nicht mçglich. Es gilt also, sich auf einige wesentliche Forschungsschwerpunkte zu beschrnken. Dies sind, neben der Kognitionspsychologie (dargestellt im Rahmen der Traumforschung), die Psychotherapie-Prozessforschung, neurophysiologische Untersuchungen und die Gewinnung von Erkenntnissen am Einzelfall. Es wird dabei nicht nur um Fragen gehen, welche Erkenntnisse mit den unterschiedlichen Forschungsmethoden berhaupt erreicht werden kçnnen, sondern vor allem um das Ausleuchten der Grenzen der jeweiligen Forschungsanstze und -instrumente. So hat eine Beschrnkung auf eine bestimmte Methode oder auf die Untersuchung eines bestimmten Phnomens einerseits Vorteile (umschriebener Kontext, definierte und mehr oder weniger kontrollierte Bedingungen, mçgliche Replizierbarkeit), andererseits ergeben sich auch Nachteile, gerade wegen der »Knstlichkeit« einer experimentellen Untersuchungssituation, der Unmçglichkeit, alle Variablen zu kontrollieren, der Begrenztheit der Untersuchungsmethode, der mangelhaften Operationalisierung oder der Unmçglichkeit, ein bestimmtes Phnomen in einer nichtnaturalistischen Untersuchungsbedingung zu beforschen. Dieser Widerspruch zeigt sich vor allem in der aktuellen Diskussion um Evidenz-basierte Medizin beziehungsweise Psychotherapie. Gerade lngere Behandlungen lassen sich – aus unterschiedlichsten, zum Teil ethischen Grnden – nicht einfach mit dem blichen Forschungsansatz randomisierter Studien erforschen (vgl. Hau, 2007). Schwierigkeiten in der Beantwortung der Frage nach dem adquaten Forschungsansatz kommen auch durch Forschungsmythen,
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1 Empirische Forschung in der Psychoanalyse
Fiktionen und Legenden zustande. Die Frage nach der »Objektivitt« des Beobachters zhlt ebenso dazu, wie die Frage nach der Objektivitt der Messungen. Auch die im Rahmen der Psychotherapieforschung existierenden Uniformittsmythen, welche die Vorstellungen vom psychoanalytischen Prozess oder die Vergleichbarkeit der Qualifikation der Therapeuten, die Schwere der Stçrungen der unterschiedlichen Patienten, die Reliabilitt der Diagnostik oder die ußeren Rahmenbedingungen betreffen, um nur einige zu nennen, erschweren die Einschtzung der Validitt von Ergebnissen und Erkenntnissen. Ein hnliches Problem stellt sich hinsichtlich der Schwierigkeiten, psychoanalytische Interventionen methodisch adquat zu untersuchen. Wann »wirkt« eine Deutung? Unmittelbar? Verzçgert? Was machen die Patienten zwischen den Stunden? Oft wird so getan, als ob die Ereignisse und Erlebnisse zwischen den Stunden keine Bedeutung htten – aber welchen Einfluss haben sie wirklich auf den psychotherapeutischen Prozess? Wie aussagekrftig sind dann Studien, die nur das unmittelbare Geschehen in den Stunden bercksichtigen? hnlich große Schwierigkeiten bereiten auch die Operationalisierung von Abwehrmechanismen oder die Untersuchung der inneren Reprsentanzen von Objekten beziehungsweise Interaktionen oder von reflexivem Denken. Solche berlegungen sind denen zum Erkenntnisprozess in der Psychoanalyse sicherlich nicht allzu fern. Die Instrumente, die hierfr als wichtig angesehen werden und deren Gebrauch eine langjhrige und ausfhrliche Schulung bedarf, sind vor allem bertragung und Gegenbertragung (vgl. Leuzinger-Bohleber, 2000; Mertens, 1990; Thom u. Kchele, 1985). Weitere Bedingungen, um unbewusste Prozesse, um die es ja in der Psychoanalyse geht, sichtbar und bearbeitbar zu machen und so einen therapeutischen Fortschritt zu erzielen, sind das Setting, der Rahmen der festen Vereinbarungen zwischen Psychoanalytiker und Patient zu Frequenz, Terminen, Ferienzeiten, Dauer der Stunden, die freie Assoziation, die Traumanalyse etc. Hinzu kommt noch – unabdingbar – eine »professionell geschulte Selbstkritik« (Leuzinger-Bohleber, 2000, S. 153), deren Ausbildung und Anwendung eine lange und anspruchsvolle Schulung bençtigt. Die Anwendung eines solchen Forschungsparadigmas auf psychoanalytische Forschung heißt nun aber nicht, alles beim Alten belassen zu kçnnen, mit dem Argument, dass das einzig adquate Vor-
Angemessene wissenschaftliche Untersuchungsmethoden
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gehen psychoanalytischer Forschung der Platz hinter der Couch whrend der Behandlungsstunde sei. Das Gegenteil sollte der Fall sein. Dabei geht es nicht um ein Wettrennen der Forschungsmethoden und wer dabei den ersten Preis gewinnt, sondern die verschiedenen Methoden haben ihre jeweils unterschiedlichen Geltungsbereiche und der Gewinn liegt schlicht darin, sie fr die Forschung miteinander zu kombinieren und nicht zu versuchen, sie gegenseitig auszuspielen. Schließlich sollten alle Bemhungen der Verbesserung der Hilfe fr den Patienten gelten. Eine Antwort auf die Fragen zu finden versuchen, fr welchen Patient eignet sich bei welcher Erkrankung welche Behandlung zu welchem Zeitpunkt am besten, zeigt, dass noch eine Menge Forschungsarbeit vor uns liegt.
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Experimentelle Traumforschung
Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme, mehr als hundert Jahre nach dem Erscheinen von Freuds Werk »Die Traumdeutung«. Wir kçnnen uns dabei kurz fassen. Anlsslich des 100. Jahrestages der Verçffentlichung von Freuds Monographie sind in den letzten Monaten und Jahren viele Autoren in zahlreichen Verçffentlichungen den Weiter- beziehungsweise Neuentwicklungen der Traumtheorien des letzten Jahrhunderts bis zum aktuellen Stand und den Perspektiven zuknftiger Traumforschung nachgegangen (vgl. Fischmann u. Leuschner, 2005; Deserno, 1999, 2007; Mertens, 1999; Alston, Calogeras u. Deserno, 1993; Zwiebel u. Leuzinger-Bohleber, 2002; Hau, Leuschner u. Deserno, 2002; Heinz u. Tress, 2001; Moffitt, Kramer u. Hoffmann, 1993; Ellman u. Antrobus, 1991). Zunchst ist Freuds Traumdeutung selbst als Versuch anzusehen, den Traum als Forschungsgegenstand zu erfassen und ihn, mit Hilfe wissenschaftlicher Kriterien, zu untersuchen. Freud hatte dazu die verschiedensten Quellen, Ideen und Impulse miteinander verknpft und versucht, durch seine Deutungsmethode den Traum einer systematischen Beforschung zugnglich zu machen. »Traumforschung« bedeutete zuvor meist die anekdotische Beschreibung einzelner Traumbeispiele und deren »Interpretation« durch »symbolische« Deutungen mit Hilfe festgelegter bersetzungsregeln. Freud gelang es durch seinen Forschungs- und Interpretationsansatz, mit Hilfe der durch die Traumdeutung sichtbar gewordenen Verarbeitungsmechanismen, den ersten Entwurf eines psychischen Apparates vorzulegen. Die psychoanalytische Traumtheorie hat bis heute den klinischen Umgang mit Trumen stark geprgt und das Verstndnis unbewusster
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Prozesse und neurotischer Stçrungen maßgeblich erweitert. Mittels der konzeptuellen Parallelisierung der Entstehungsprozesse von Trumen und neurotischen Symptomen als Kompromissbildungen vor dem Hintergrund eines Konfliktgeschehens gelang es Freud, eine umfassende Theorie ber die Entstehungsbedingungen von Trumen zu entwickeln. Durch die bersetzung des manifesten Trauminhaltes in einen latenten, wurde der Blick hinter die Fassade des Traums mçglich. Unter Hinzuziehung der freien Einflle des Trumers zu einzelnen Traumdetails konnte Freud zudem zeigen, wie sich hinter dem manifesten Trauminhalt ein latenter Trauminhalt erkennen lsst, der durch die Traumarbeit, mit ihren Mechanismen der Verschiebung, der Verdichtung, der Rcksicht auf Darstellbarkeit und der sekundren Bearbeitung, zum manifesten Trauminhalt umgearbeitet wird. Dies trug wesentlich zum Verstndnis der Funktion des Trumens und der Bedeutung der Trume bei. Freud gewann das Material fr seine Arbeit und fr die Erkenntnisse ber das Wesen des Traumes im Wesentlichen im Rahmen seiner Selbstanalyse beziehungsweise aus den Behandlungen mit Patienten. Die Traumdeutung wurde gewissermaßen das Fundament, auf dem das psychoanalytische Gebude ruht. Zentrale Konzepte und Theorieentwrfe Freuds sind darin enthalten, so der bereits erwhnte erste Entwurf eines »psychischen Apparates«, aber auch berlegungen zur Rolle regressiver Prozesse bei der Traumbildung und bezglich der Bedeutung der Wunscherfllung beziehungsweise des Vorhandenseins infantiler Quellen in den Trumen. Aus heutiger Sicht lsst sich sagen, dass die Datenbasis, auf der Freud stand und aus der er Material fr seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen bezog, relativ schmal war. So konnte er nicht ahnen, welche Forschungslawine mehr als ein halbes Jahrhundert spter mit der Entdeckung des REM-Schlafes durch Aserinsky und Kleitman (1953) in einem Forschungslabor in Chicago ihren Anfang nahm. Die Forschungen erbrachten eine Vielzahl an neuen Erkenntnissen ber den Traum. Sie offenbarten, dass Trume ein ubiquitres Phnomen sind, auch wenn nur circa ein Drittel der Menschen spontan hufige bis regelmßige Traumerinnerungen haben. Die Hufigkeit der Traumerinnerung ist starken individuellen Schwankungen unterworfen, nimmt aber im Laufe des Lebens ab. Die experimentellen Befunde besttigten die Freud’sche berzeugung,
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dass Trume vollwertige psychische Vorgnge seien, eine Ansicht, die durch die Befunde der experimentellen Traumforschung eindrucksvoll besttigt wird. Freud hatte die Wunscherfllung als zentralen Aspekt der Traumfunktionen beschrieben. Er ging von einem einheitlichen Bewusstseinszustand aus, der von einem einzigen Gehirnmechanismus reguliert wird. Die Entdeckung verschiedener Schlafphasen (REMbeziehungsweise NREM-Phasen), die mit unterschiedlichen Traumqualitten verbunden sind und die in einem zyklischen Verlauf whrend des Schlafes immer wieder auftauchen, macht es unwahrscheinlich anzunehmen, dass Triebwnsche mit solcher Regelmßigkeit im Laufe der Nacht bearbeitet werden. Damit ist nicht gesagt, dass die Trume nicht auch eine Wunscherfllungsfunktion haben, doch zahlreiche Untersuchungen experimentell arbeitender Traumforscher haben gezeigt, dass der Traum als multifunktionales Geschehen aufgefasst werden muss (vgl. Moffitt, Kramer u. Hoffmann, 1993; Bareuther et al., 1995; Strauch u. Meier, 2004; Ellman u. Antrobus, 1991). So wie der Schlaf nicht als einheitlicher Zustand gesehen werden kann, so wenig sind die Trume in ihren qualitativen Merkmalsausprgungen gleich. Trumen kann also nicht als einheitlicher Bewusstseinszustand angesehen werden. NREM-Trume unterscheiden sich in ihrer Qualitt deutlich von REM-Trumen und es lassen sich viele weitere Traumtypen heutzutage differenzieren (vgl. Leuschner, 1999). So gibt es zahlreiche Erkenntnisse der modernen Traumforschung, die Freud nicht zur Verfgung standen, wie etwa die erstaunliche Kontinuitt bezglich der die Menschen im Wach- beziehungsweise im Traumzustand beschftigenden Inhalte und Probleme (vgl. Greenberg u. Pearlman, 1975). Was die psychoanalytische Theorieentwicklung betrifft, so verloren der Traum und das alte topische Modell, auf dem Freuds Traumtheorie aufbaute, zunehmend ihren Stellenwert. Manche Psychoanalytiker verhielten sich aber so, als ob sie alles ber Trume wssten (was Freud selbst beklagte). So hat beispielsweise Blum noch 1976 angemerkt, die Einsichten Freuds in das Wesen der Trume seien so tiefgehend und vollstndig, dass diesen nur noch wenig hinzuzufgen sei. Man kann heute davon ausgehen, dass die klinische Arbeit mit Trumen produktiv in den Behandlungen genutzt werden kann. Aber heißt das auch, genug ber den Traum als »Erkenntnis-
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gegenstand« zu wissen? In der klinischen Situation sind Psychoanalytiker auf den Umgang mit Trumen gut vorbereitet, obwohl manche Psychoanalytiker, wenn berhaupt, nur sehr zçgerlich mitteilen, wie sie mit den Traumerzhlungen ihrer Patienten in der Behandlungssituation tatschlich verfahren. Fr die psychoanalytische Traumkonzeption gibt es bis heute zwar einige Erweiterungen, Akzentverschiebungen und Variationen, dennoch hat sich an den von Freud entwickelten Theoriebestandteilen nur in einigen Punkten Wesentliches verndert. Die Hauptunterschiede liegen in der Bedeutung, die heute dem manifesten Traum zugesprochen wird, bezglich der Frage der Bedingungen des Trumens und des inneren »Raumes«, der fr die Darstellung und Wahrnehmung der Traumvorgnge zur Verfgung stehen muss, sowie der Untersuchung des Traumes als Prozessgeschehen (vgl. Jung, 1928; Adler, 1936; Bjerre, 1936; Fromm, 1951; Erikson, 1954; French, 1954; Garma, 1966; Karle et al., 1980; Dreher, 1981; Anzieu, 1985; Fiss, 1995; Moser u. von Zeppelin, 1996; Deserno, 1999, 2007). So betonen Moser und von Zeppelin, dass der Traum kein uniformes Geschehen sei, sondern eine generierte Mikrowelt darstelle, die sich in weitere Subeinheiten und Sequenzen unterteilen lasse. Doch auch die Forschungen zu qualitativen Unterschieden einzelner Trume im Laufe der Nacht und die Entdeckung zahlreicher Traumtypen haben dazu gefhrt, dass von dem Traum heute nicht mehr gesprochen werden kann, sondern dass es sich beim Trumen um ein vielschichtiges, qualitativ hçchst unterschiedliches Prozessgeschehen handelt. Auch sind die Bedingungen, unter denen ein Traum zustande kommt, immer prziser konzeptualisiert worden.1 Im Rahmen der psychoanalytischen Debatten ber Behandlungstechnik und bezglich der Weiterentwicklung der psychoanalytischen Theorien erlangte der Traum aber nie wieder jene Bedeutung, die er zu Anfang innehatte. Genau dies jedoch muss bedenklich stimmen. Hlt man sich nur die Tatsache vor Augen, dass Freud auf schmaler Datenbasis argumentierte, dass er die Berichte der Trume, wie sie ihm in den Behandlungen erzhlt wurden, als Traumberichte akzeptierte, so er1
Fr einen berblick ber psychoanalytische Traumkonzepte nach Freud vgl. Deserno, 1999, 2002, 2007.
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scheint, angesichts der weit reichenden Schlussfolgerungen, die Freud aus seinen Beobachtungen zog, Vorsicht angebracht. Freud selbst stieß auf Phnomene, die sich nicht so leicht in seine Theorie der Traumentstehung integrieren ließen oder mit denen auch noch nicht gengend Erfahrungen gesammelt worden waren. Jedenfalls erscheinen manche berlegungen und Schlussfolgerungen, zum Beispiel zu Angsttrumen oder Kindertrumen, angesichts der damaligen Datenlage, sehr weitgehend. Solche Aussagen ber den Traum lassen sich heute natrlich einfacher treffen, denn die aktuelle Traumforschung, auf den Schultern Freuds stehend, kann viel »weiter blicken«.2 So konnte Freud zum Beispiel nicht wissen, in welchem Umfang Traumttigkeit jede Nacht stattfindet. Dies ist erst viel spter, im Rahmen experimenteller Untersuchungen aufgezeigt worden, brigens eine eindrucksvolle Validierung psychoanalytischer Konzepte. Hierin liegt nun der entscheidende Punkt der Argumentation: Um in einen wissenschaftlichen, interdisziplinren Dialog zu treten, sollte das, was Psychoanalytiker erforschen, anderen Wissenschaftlern mitteilbar und zugnglich sein. Deshalb wre es wnschenswert, psychoanalytisch-klinische Befunde auch mit Hilfe von »Offline«Forschung zu untersuchen, im Sinne des Versuchs einer externen Validierung (vgl. Strenger, 1991; Leuzinger-Bohleber, 1995). Ein solches Vorgehen hat nicht nur die Validierung psychoanalytischer Konzepte und Befunde zum Ziel, sondern es wird auch der Versuch einer Operationalisierung psychoanalytischer Hypothesen und Beobachtungen unternommen, was wiederum die Verstndigung, den Erfahrungsaustausch und interdisziplinren Dialog mit anderen Wissenschaften fçrdert. Dies leitet ber zum zweiten wichtigen Ansatzpunkt: Wissen kann veralten. Neue Untersuchungstechniken erçffnen aber neue Sichtweisen auf alte Phnomene beziehungsweise auf neue Fragestellungen. Am Beispiel der Traumforschung lsst sich dies besonders gut zeigen, denn hier setzte mit der Entdeckung des REM-Schlafes eine umfangreiche Forschungsttigkeit aufgrund einer technischen Neuentwicklung ein, die ein umfangreiches Wissen ber den Traum im Laufe der letzten fnfzig Jahre akkumulierte. 2
Dieses Bild wurde von Fiss (1995) in seiner Einfhrung zur 3. Internationalen Traumforschungs-Tagung im Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt am Main, verwendet.
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Die Entdeckung regelmßig wiederkehrender physiologischer Aktivierungsmuster des Gehirns und episodisch wiederkehrender Schlafphasen, die mit schnellen Augenbewegungen verbunden waren (Rapid Eye Movements, REM), durch Aserinsky und Kleitman (1953) begrndete ein neues Forschungsfeld: die Untersuchung von Trumen unter kontrollierten Laborbedingungen. Es war der Beginn der neueren Traumforschung, wie sie nun seit fast fnfzig Jahren in den USA und in Europa durchgefhrt wird. Zuvor hatte es keine nennenswerten experimentellen Forschungen ber Trume gegeben, sieht man von den Arbeiten Malamuds (Malamud, 1934; Malamud u. Lindner, 1931) ab, der mit Stimulusinkorporationen experimentierte.3 Neben dem regelmßigen Ablauf des Schlafes mit unterschiedlichen Schlafphasen beschrieb man die Dauer und Wiederkehr der einzelnen Phasen, auch der mit schnellen Augenbewegungen.4 Als
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Nicht bercksichtigt sind hier erste experimentelle Untersuchungen zum Traum bereits zu Zeiten Freuds (vgl. de Buzareingues, 1831 [zit. nach Van de Castle, 1994, S. 211]; Maury, 1861; Saint-Denys, 1867; Ladd, 1892; Calkins, 1893). Oftmals waren die Forschungen als Selbstversuche angelegt, wobei die damaligen Forscherinnen und Forscher noch nicht ber gengend Methodenkenntnisse verfgten, so dass Traumforschung stark von der zuflligen Erinnerung an einen nchtlichen Traum abhing und die Aussagen somit auf einer hochselektiven Auswahl an Trumen basierten. Auf die Arbeiten des Wiener Neurologen Otto Poetzl, einen Zeitgenossen Freuds, der systematisch Trume unter anderem von kriegsverletzten Patienten (1917) untersuchte, wird spter ausfhrlicher eingegangen. 4 Die einzelnen Schlafstadien lassen sich wie folgt charakterisieren: Wachstadium: meist anhaltende Alpha-Aktivitt (8 – 13 Hz, 25 – 100 mV) im EEG, unterschiedliche Anzahl von REM und Blinzeln, relativ hoher Muskeltonus. NREM-Schlafstadien: Stadium 1 (S1): Im EEG, anstelle von Alpha-Aktivitt, vermehrt unterschiedliche Niedrig-Volt-Frequenzen (2 – 7 Hz, LVM), Vertex Sharp Waves. Im EOG SEM (slow rolling eye movements) oder keine Augenbewegungen. Das EMG erscheint gegenber dem Wachzustand verringert. Stadium 2 (S2): Im EEG tauchen Schlafspindeln (12 – 14 Hz fr mindestens 0,5 Sek.) und »K-Komplexe« (biphasisch, mindestens 0,5 Sek., zuerst scharfer negativer Ausschlag, gefolgt von der positiven Komponente) auf. Fast keine Augenaktivitt. Weiter verringerter Muskeltonus.
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Dement und Kleitman (1957b) behaupteten, es gebe einen Zusammenhang zwischen den Augenbewegungen whrend des Schlafes und der Traumaktivitt, ergaben sich vçllig neue Forschungsperspektiven. Um Trume zu erforschen, wurde nun der Schlafzyklus der Probanden im Labor beobachtet, die Probanden in den entsprechenden Schlafphasen geweckt (also meist whrend einer REM-Phase) und die erinnerten Trume auf Tonband aufgezeichnet. Hiermit waren Untersuchungsbedingungen geschaffen, um Trume in beliebig großer Zahl und von unterschiedlichen Personen erheben, untersuchen und vergleichen zu kçnnen. Auch wenn das Vorgehen, im REM-Schlaf zu wecken, aus pragmatischen Grnden bis heute gerechtfertigt erscheint, beging man jedoch mit der Gleichsetzung von REM = Traumschlaf einen Kategorienfehler, der bis heute in vielen Untersuchungen immer wieder auftaucht. Weckte man aus dem REMSchlaf, erhielt man in circa 90 % der REM-Weckungen Traumerinnerungen, aber nur in 7 % der NREM-Weckungen (Dement u. Kleitman, 1957b)5, die berichtete Traumdauer schien von der Lnge der REM-Phase abzuhngen, bei aktiveren Traumhandlungen ließ sich eine erhçhte REM-Aktivitt beobachten, geringere REM-Aktivitt ging mit inaktiveren Trumen einher (Dement u. Wolpert, 1958), ja sogar die Hauptrichtung der Augenaktivitt in einer bestimmten REM-Phase ließ sich aus den entsprechenden Traumberichten vorhersagen (Roffwarg et al., 1962). REM-Schlaf und das Stadium 3 (S3): Im EEG mßiger Anteil hochamplitudiger, langsamer Wellen (2 Hz, 75 – 200 mV), zwischen 25 – 50 % pro Epoche. EOG und EMG gleichen dem Stadium S2. Stadium 4 (S4): Im EEG hoher Anteil hochamplitudiger, langsamer Wellen (2 Hz, 75 – 200 mV), mindestens 50 % pro Epoche. EOG und EMG gleichen dem Stadium S2. Stadium REM: Im EEG LVM, »Sgezahnwellen« (durchschnittlich 3 Hz), Alpha-Bursts, die aber gegenber dem Wachstadium geringer ausfallen. Im EEG immer wieder abrupte, schnelle, konjugierte Augenbewegungen. Das EMG zeigt den geringsten Muskeltonus. Fr eine beispielhafte Darstellung eines typischen Schlafzyklus whrend der Nacht vgl. Cartwright (1982), Carskadon (1993) oder Strauch und Meier (1992). 5 Unter der Bezeichnung »NREM« (Non-REM) sind alle brigen Schlafphasen zusammengefasst.
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Auftreten schneller Augenbewegungen wurde von vielen Forschern als in kausalem Zusammenhang zu gleichzeitig stattfindender Traumttigkeit gesehen und im Sinne eines Isomorphismus interpretiert.6 Bereits zu Beginn der 1960er Jahre wies Foulkes (1962) jedoch nach, dass Traumttigkeit auch außerhalb des REM-Schlafes stattfindet, denn es ließen sich auch Traumerinnerungen aus NREMWeckungen abrufen. Umgekehrt konnten die Probanden nach Weckungen aus REM-Phasen keine Trume erinnern. Stattdessen ließ sich eine eher lebhafte Traumttigkeit schon direkt nach dem Einschlafen feststellen, ohne dass REM-Schlaf vorliegen musste. Dass whrend der ganzen Nacht das Gehirn aktiv ist und auch eine Art Bewusstseinsttigkeit stattfindet, lsst sich daraus schließen, dass man zu allen Weckzeitpunkten, aus allen Schlafphasen, Traumberichte von erinnerten Trumen erhlt, die sich allerdings durch qualitative Merkmale reliabel voneinander unterscheiden lassen (vgl. Strauch u. Meier, 1992). Trume sind also keine passageren Phnomene, sondern finden andauernd whrend der Nacht statt. Der Mensch verbringt viele Jahre seines Lebens damit, zu trumen (circa zwei bis drei Stunden pro Nacht bildhafte Trume, was ungefhr sechs bis sieben Jahre des Lebens eines 70-jhrigen Menschen entspricht;
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Dem so genannten »paradoxen Schlaf« (REM-Schlaf ) sind gleichzeitig die verschiedensten biologischen beziehungsweise psychobiologischen Funktionen zugewiesen worden. So nahm Berger (1969) eine okulomotorische Koordinierungsfunktion fr die Augenbewegungen an. Stevens (1979) sah einen Zusammenhang zwischen REM-Schlaf und den Lichtreizen, die im morgendlichen Dmmerlicht auf die Augenlider fallen. Weiter wurden Verbindungen zwischen REM-Schlaf und der Wrmeerhaltungsfunktion des Organismus (Horne, 1977), der Stoffwechselrate, dem Kçrperaufbau und der Proteinsynthese gezogen (Adam 1977). Ein Zusammenhang zwischen REM-Aktivitt und Lernprozessen beziehungsweise zerebraler Proteinsynthese beim Umbau alter Proteinstrukturen (Allan, 1974) wurde ebenso postuliert wie mit der Speicherung von Lerninhalten im Langzeitgedchtnis (Fishbein u. Gutbein, 1981), mit der Suchaktivitt zur Integration neuer Situationen (Rotenberg u. Arshavsky, 1979), den Antriebs- und Motivationsfunktionen (Ellman et al., 1978; Katz u. Steiner, 1979; Vogel, 1979) oder mit der motorischen Einbung von Verhaltensweisen (Jouvet u. Delorme, 1965).
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nimmt man die gedankenhnlichen Trume hinzu, kommt man auf circa 70 % Traumaktivitt whrend des Schlafes einer Nacht. Damit ist allerdings die Frage noch nicht beantwortet, ob der Traum berhaupt ein Ereignis darstellt, das tatschlich untersucht werden kann. Wenn ein Traum berichtet wird, unterlag er zuvor mehreren, unterscheidbaren Transformationsschritten. Der erinnerte Traum ist nicht mit dem getrumten Traum gleichzusetzen, sondern stellt bereits eine Umarbeitung dar. Teile des ursprnglichen Traumerlebens kçnnen vergessen worden sein oder andere Inhalte, die nicht zum ursprnglichen Traumerlebnis gehçrten, kçnnen »hinzuerinnert« werden. Wenn der erinnerte Traum in Sprache transformiert und erneut umgearbeitet ist, wird er zum berichteten Traum. Der berichtete Traum zum Zeitpunkt t1 unterscheidet sich jedoch vom berichteten Traum zum Zeitpunkt t2. Hier kann es zu weiteren Auslassungen, Hinzufgungen oder Umarbeitungen kommen. Es wird deutlich, dass nicht davon auszugehen ist, das ursprngliche Ereignis des getrumten Traumes tatschlich »beobachten« zu kçnnen. Diese Problematik ist aber nicht traumspezifisch, sondern stellt sich bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen, sei es in der Physik, der Biologie oder der Astronomie. Umso wichtiger ist es, die zu untersuchenden Phnomene mçglichst zu spezifizieren und genau zu beschreiben, also welches Phnomen »Traum« mit welchen Mitteln und auf welche Art und Weise untersucht wurde. Dann lassen sich Trume sehr wohl reliabel untersuchen. Ein aus psychoanalytischer Perspektive interessantes Phnomen, das auch die Nhe zum unmittelbaren Traumerlebnis anzeigt, entdeckten Fiss et al. (1966) in der Spezifitt des REM-Schlafes. TATGeschichten7, die im Laufe der Nacht erhoben wurden, zeigten nach REM-Weckungen signifikant traumhnlichere Merkmale (sie waren bizarrer, emotional aufgeladener, dramatischer, lebendiger) als TATGeschichten nach NREM-Weckungen (die eher realistisch, affektarm, weniger imaginativ und gedankenhnlich waren). Die Autoren schlossen daraus, dass die Art der Gedankenttigkeit whrend des REM-Schlafes nicht einfach durch die Weckung beendet wird, sondern noch einige Zeit ins Wachleben hineinreicht. Sie bezeichneten diese Effekte als »Carry-over-Phnomene« (vgl. auch Foulkes u. 7
TAT: Thematischer Apperzeptionstest.
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Vogel, 1974; Slap, 1977). Die Carry-over-Effekte zeigten sich dann am deutlichsten, wenn die Probanden mitten aus einer REM-Periode geweckt wurden, also mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade dabei waren, zu trumen (Fiss et al., 1969). Dies scheint auf ein psychisches Bedrfnis hinzuweisen, einen begonnenen Traum zu Ende zu trumen. In Trumen nach unterbrochenen REM-Episoden tauchten Inhalte mit vermehrter projizierter Wut, Frustration und rger auf. Dies sttzt zustzlich die Annahme, dass der Traum als eine »organisierte, bedeutungsvolle und integrative Erfahrung« (Fiss, 1986, S. 170) verstanden werden muss.8 Fiss zog den Schluss, dass REMSchlaf und Trumen zwar nicht gleichgesetzt werden drfen, aber der REM-Schlaf trotzdem als Indikator fr Traumprozesse betrachtet werden darf. Somit wren die Carry-over-Phnomene als ein Indikator fr den Wechsel beziehungsweise bergang zwischen funktionellen Zustnden des Gehirns interpretierbar, wobei die »regressiv« erscheinenden Verarbeitungsprozesse eines Bewusstseinszustandes (REM-Schlaf ) in den anderen (Wachzustand) hineinreichten. Diese experimentell erarbeiteten Befunde sind aus psychoanalytischer Perspektive besonders relevant, vermitteln sie doch einen Eindruck davon, wie sehr sich die Art des Denkens im Traum vom Wachdenken unterscheiden kann und wie sich ein Traum verndert beziehungsweise umgearbeitet wird, bevor ihn ein Patient in der Behandlungsstunde erzhlt. Es gibt deutliche Hinweise auf die Kontinuitt zwischen Wachund Traumleben und auch auf fließende bergnge zwischen den Bewusstseinszustnden. In Frage steht damit auch die strikte Trennung zwischen Primrvorgang und Sekundrvorgang, zwischen dem dynamischen Unbewussten und den Systemen Vorbewusstes und Bewusstsein. Hier sind weitere Untersuchungen nçtig, welche die spezifischen Merkmale fr unbewusste Prozesse herausarbeiten. Dies beinhaltet sowohl die Vorstellung einer einheitlichen Verarbeitung von Inhalten im Unbewussten als auch die Frage der Verdrngung. Aber mit einem anderen psychoanalytischen Konzept stehen diese Befunde im Einklang: Federn beschrieb in einem Vortrag, den er vor der Wiener psychoanalytischen Vereinigung im November 1933 8
Bezglich der Carry-over-Phnomene fand Cartwright (1966) hnliche Ergebnisse.
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hielt, das Erwachen des Ich am Morgen und bezeichnete diesen Vorgang als »Orthriogenese«. Mit »Orthriogenese« ist gemeint, dass das Ich whrend der Nacht nur eingeschrnkt funktionsfhig ist und erst am Morgen, mit dem Erwachen, erneut zum aktuellen und voll funktionsfhigem Ich wird. Im Rahmen dieses Vorganges der »Wiederbesetzung« durchlaufe das Ich »in krzester Zeit sein ganzes Werden« (Federn, 1934, S. 109). Durch die Traumaktivitt wrde das Ich jeweils bedarfsabhngig »geweckt«, in Abhngigkeit von »Grad, Reife und Umfang der Funktionen auf der erreichten Ich-Hçhe«, verbliebe es aber meist auf einer infantilen Stufe der Entwicklung. Im Aufwachvorgang entstehe das Ich faktisch erneut, nun mit seiner vollen Ausdehnung als »zusammenhngende Besetztheit, die sich auch auf das Vorbewusste erstreckt« (Federn, 1934, S. 109). Der Befund der Carry-over-Phnomene zeigt zunchst, wie psychoanalytische Konzepte und Fragestellungen von experimentellen Befunden gesttzt werden und wie deren Verknpfungen und die Integration in bestehende psychoanalytische Theorien erfolgen kçnnen. Eigene Befunde subliminaler akustischer Stimulation whrend des Schlafes (vgl. Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000) legen zudem nahe, dass das Ich im Schlaf in der Lage ist, zwischen sinnlosen und sinnhaften Reizen zu unterscheiden. Herauszufinden, wie genau das Ich im Schlaf regrediert, welche anderen Funktionsweisen wirksam sind, bleibt Gegenstand weiterer Forschung. Es wre denkbar, dass das Ich whrend der Nacht anders funktioniert, der Zustand aber nicht als regressiv, nicht als weniger elaboriert als am Tage zu bezeichnen wre. Die Befunde der Auswertung von Traumzeichnungen (Hau, 2004) sprechen ebenso dafr wie die Tatsache, dass akustische Stimuli, die in der Nacht prsentiert werden, unmittelbar und sinnvoll in aktuelle Trume eingebaut werden. Hier deutet sich bereits an, wie durch neue Befunde empirischer Traumforschung falsche Annahmen korrigiert werden kçnnen (zum Beispiel die Annahme, REM-Schlaf sei mit Traumschlaf gleichzusetzen) beziehungsweise durch widersprchliche Befunde neue berlegungen und somit Weiterentwicklungen mçglich werden. So ließe sich fragen: Welche Bedeutung hat das Konzept regressiver Prozesse oder der Orthriogenese heute? Gibt es fließende bergnge zwischen Vorbewusstem und Unbewussten? Muss ber
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eine Neukonzeption des Verdrngungsprozesses nachgedacht werden? Experimentelle Befunde sprechen zum Beispiel dafr, dass es keine ganzen Erlebnissequenzen sind, keine einzelnen Szenen, die verdrngt und nicht mehr erinnert werden kçnnen, sondern Erleben und Wahrnehmungen zerlegt, dissoziiert und die einzelnen Fragmente an unterschiedlichen »Gedchtnisorten« abgelegt werden. Verdrngung ließe sich dann eher so verstehen, dass eine Neuzusammensetzung und damit Erinnerung des ursprnglichen Erlebens nicht mehr gelingt (vgl. Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000).
2.1 Psychoanalyse und experimentelle Traumforschung So sehr sich die Untersuchungsanstze auch unterscheiden, einerseits im Rahmen einer psychoanalytischen Behandlung einen Traum erzhlt zu bekommen und diesen dann, vor dem Hintergrund der individuellen Lebensgeschichte und aktuellen Konfliktlage beziehungsweise der bertragungskonstellation zu interpretieren, andererseits Traumberichte in experimentell-kontrollierten Laborsituationen zu erheben und zu untersuchen, eines haben beide Anstze gemeinsam: Sie schçpfen aus derselben Quelle. Beide gehen fr ihre Untersuchungen vom manifest berichteten, erinnerten Traumtext aus, wie ihn der Patient oder der Proband einem Dritten mitteilt. Der so mitgeteilte Text wird als »Traum« aufgefasst und dann weiter untersucht. Die Deutung eines Traumes durch den Analytiker, unter Zuhilfenahme der Assoziationen des Patienten, ist weniger »Messung« als hermeneutischer Prozess. Stellen wir uns ein Kontinuum vor, an dessen einem Ende die psychoanalytische Deutung eines Traumes steht und am anderen Ende eine formale psychometrische Erfassung einer Dimension oder Eigenschaft des manifesten Traumtextes im Rahmen eines Skalierungsvorganges. Im Gegensatz zur Deutung, die eine Art »multidimensionale Messung« darstellt, wird bei »Messung«, wie sie im weiteren Verlauf gebraucht wird, von der mçglichst systematischen Erfassung einer Dimension ausgegangen. Diese kann jedoch, trotz des Versuches kontrollierter Bedingungen, durch vielerlei Einflsse gestçrt sein. Bei der »Messung« beziehungsweise der Beurteilung eines Traumberichtes oder Traumereignisses kann man zu-
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nchst zwischen Eigenbeurteilungen und Fremdbeurteilungen eines Ereignisses unterscheiden, das im Erleben des Schlafenden/Trumenden bereits stattgefunden hat. Dass es sich bei einem Traum aber nicht um ein fertiges Gebilde handelt, sondern um ein Prozessgeschehen, sollte sowohl bei experimentellen Untersuchungen als auch bei klinischen Falldarstellungen nicht vernachlssigt werden. Wie wir nicht nur aus Behandlungssituationen, sondern auch aus empirischen Untersuchungen wissen, wird der Traum stndig umgearbeitet, ist den verschiedensten Vernderungen, Verzerrungen und Transformationen unterworfen. Dabei wird nicht alles, was im Traum erlebt wird, auch erinnert. In der Regel ist das Schlaferleben umfassender. Der Traum ist also kein fertiges Produkt, das ein fr allemal in der Erinnerung unvernderlich feststeht. Das war auch Freud bereits bekannt. Der getrumte Traum erfhrt im Laufe der Erinnerung eine weitere Bearbeitung, was im brigen fr alle Gedchtnisinhalte gilt. Man hat es hier mit dynamischen Prozessen per se zu tun, die keinen Anfangs- und auch keinen Endpunkt haben. Ein Traum wird also bei einer Erzhlung weiter umgearbeitet, verndert, geglttet, angereichert und so weiter. Schon Freud hatte versucht, diesem Phnomen mit seinem Konzept der »sekundren Bearbeitung« Rechnung zu tragen. Das wiederholte Berichten ein und desselben Traums hatte fr ihn allerdings ein therapeutisches Ziel: An den »Bruchstellen«, den Nicht-bereinstimmungen, konnte therapeutisch angesetzt werden, um den latenten Trauminhalt zu erkennen, den unbewussten Traumwunsch zu rekonstruieren. Was dabei unbercksichtigt blieb, ist zweierlei: Der Traum erfhrt eine Vernderung und Transformation durch die Umkodierung der visuellen Eindrcke in Sprache und auch die Intention, mit welcher der Traum produziert wurde, verndert sich dabei. War das Traumerlebnis ursprnglich rein privat gedacht, verndert sich die Intention durch die Erzhlung einem Dritten gegenber. So wird beispielsweise aus der Intention der Befriedigung eines unbewussten Wunsches, die zur Traumentstehung gefhrt hat, die Intention der Mitteilung. Um den Trauminhalt verstndlicher zu machen, muss er gegebenenfalls verndert, berarbeitet, angereichert und mit Zusatzinformationen versehen werden. Wird ein Traum berichtet, unterliegt er
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mehreren Transformationsschritten. Der Traum muss dazu zunchst erinnert werden und unterscheidet sich somit vom getrumten Traum. Der erinnerte Traum wird dann in Sprache transformiert und zum berichteten Traum. Aber mehrfach erzhlte Trume sind keineswegs identisch. Der berichtete Traum zum Zeitpunkt t1 unterscheidet sich vom berichteten Traum zum Zeitpunkt t2. Hier wird deutlich, dass nicht davon auszugehen ist, an das ursprngliche Ereignis Traum mittels Forschung »heranzukommen«. Wir haben es immer mit Derivaten des ursprnglichen Erlebens zu tun. Grundstzlich lsst sich fragen, ob Trume sich als psychisches Ereignis berhaupt abgrenzen lassen, oder sind sie nur Gedanken und zusammengesetzte Erinnerungen beim Aufwachen? Diese Frage kann heute, nach ber vierzig Jahren intensiver Traumforschung, als beantwortet gelten. Trumen stellt zweifellos ein psychisches Erlebnis dar, das eine phnomenologisch beschreibbare »Oberflche« hat, die vom Trumer erlebt und wahrgenommen wird. Sie kann meist aus der Ich-Perspektive berichtet werden und wird als manifester Trauminhalt bezeichnet. Hinter dieser Oberflche muss es aber vorbereitende, nicht sichtbare oder direkt erkennbare Strukturen und kognitive Prozesse geben, ausgehend von anatomischen Prozessen in der Gehirnstruktur, die zur Entstehung des Traumerlebnisses beitragen. Vergleichbares gilt auch fr das Erleben im Wachzustand. Die Untersuchung und genaue Beschreibung unbewusster Strukturen und Prozesse fhrte zur Entwicklung von Konzepten wie »cognition without awareness« oder »preconscious processing«. Aus diesen Forschungen geht klar hervor, dass Bewusstsein nur ein Oberflchenphnomen ist, ein Endprodukt einer langen Kette von unterschiedlichen, unbewusst ablaufenden, vorbereitenden Prozessen. Mehr und mehr entdecken auch Kognitionspsychologen, dass Schlaf und Traum, als physiologischer beziehungsweise mentaler Prozess, von psychologischer Seite oft vernachlssigt wurde. Man beschrnkte sich in den berlegungen meist auf das Bewusstsein. Perrig et al. (1993) versuchten in einer umfassenden Zusammenstellung empirischer Untersuchungen zum Thema zu belegen, dass unbewusste Informationsverarbeitungsprozesse sehr wohl Gegenstand einer empirischen Psychologie sein kçnnen, und forderten, dass auch unbewusste Prozesse experimentell erforscht werden mssten. Vor allem im Rahmen der Gedchtnisforschung sind hierzu zahlrei-
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che Untersuchungen durchgefhrt und Konzepte entwickelt worden.9 Von Affekten oder motivationalen Ursachen fr unbewusste Prozesse ist in diesen Zusammenhngen jedoch nicht die Rede und auch Traumprozesse haben keinen hervorgehobenen Stellenwert. Demgegenber betont Dixon (1981), der von der Existenz eines eigenstndigen »preconscious processing system« berzeugt ist, welches unabhngig vom normalen Wahrnehmungsgeschehen des Wachbewusstseins existiert und mit diesem sich in stndigem Austausch befindet, die Relevanz, die unbewusst ablaufende Wahrnehmungs- und (Informations-)Verarbeitungsprozesse fr das psychische Funktionieren allgemein haben. Subjektive Bewusstheit stellt nur einen kleinen Teil viel umfangreicherer Wahrnehmungs- und Gedchtnisprozesse dar. Wann immer bewusste Wahrnehmungen auftauchen, mssen unbewusste Verarbeitungsprozesse vorangegangen sein. Da bewusste Wahrnehmung die Kenntnis einer Bedeutung des Wahrgenommenen in der Regel einschließt, muss die Bedeutungsfindung und -zuweisung bereits stattgefunden haben, bevor sie bewusst werden kann. Dabei handelt es sich um Prozesse, die strukturelle und semantische Informationen betreffen und die eine Verbindung zu Gedchtnisprozessen aufweisen. Der grçßte Teil des sensorischen Inputs verbleibt außerhalb des Bewusstseins, denn die Kapazitt der Informationen, die gleichzeitig im Bewusstsein reprsentiert sein kçnnen, ist, im Vergleich zu den ankommenden und »registrierten« Informationen, sehr gering. Obwohl ein grçßerer Teil dieser Informationen bis hin zu einer semantischen Bedeutungszuweisung bearbeitet wird, erlangen diese dennoch nicht das Bewusstsein, bleiben unbewusst und kçnnen trotzdem Einfluss auf weitere Wahrnehmungs-, Erinnerungsreaktionen und affektive Prozesse haben, wie sich auch am Beispiel von Trumen nachweisen lsst.
9 Als Beispiele seien hier angefhrt das Modell des »Kurzzeit-« und »Langzeitgedchtnisses« (Atkinson u. Shiffrin, 1971), die Unterscheidung von »deklarativem« und »prozeduralem Gedchtnis« (Tulving, 1985) oder das Konzept des »Impliziten Wissens« (Polanyi, 1985). Fr alle Beispiele gilt, dass Informations- und Austauschprozesse stattfinden, die dem Bewusstsein nicht zugnglich sind und so als Beleg fr das »Unbewusste« angesehen werden.
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So, wie das Bewusstsein als Oberflchenphnomen von komplexen (kognitiven) Informationsverarbeitungsprozessen aufgefasst werden kann, lsst sich auch der Traum als ein mentales Erlebnis begreifen, das ebenfalls Oberflchencharakter hat. Analog zum Wachbewusstsein kçnnen »hinter« dem wahrgenommenen Traum, dem Traumerlebnis, ebenfalls verborgene Strukturen und Prozesse angenommen werden, die funktionale Eigenschaften haben und das Traumerlebnis vorbereiten, steuern und beeinflussen. Der Begriff des Traumes muss also, ebenso wie der des Wachbewusstseins, nicht nur »vertikal«, sondern auch »horizontal« erweitert werden. Es gengt nicht, nur eine qualitativ unterschiedliche Beschreibung der verschiedenen mentalen Erlebnisse whrend der Nacht vorzunehmen, sondern man muss auch auf die unterhalb der phnomenologischen Oberflche sich befindenden Prozesse und Strukturen eingehen, will man dem Traum als psychischem Phnomen gerecht werden.
2.2 Trumen im Labor Die Mçglichkeit, Trume qualitativ voneinander zu unterscheiden und nicht uniformierend von »dem Traum« zu sprechen, bringt einige weitere Schwierigkeiten mit sich, die mit dem »direkten Zugang« zum beforschten Gegenstand zu tun haben. Dass der Traum als Prozessgeschehen aufzufassen ist, wird aus den zahlreichen Vernderungen und Umarbeitungen, die der Traum bei seiner Vorbereitung, seinem Erleben, Erinnern und Berichten erfhrt, evident. Im klinischen Kontext ist die jeweilige Theorie, die Behandlungsmethode, die Person des Therapeuten und nicht zuletzt die aktuelle klinische Situation in der Behandlung fr den Umgang mit dem Traumtext bedeutsam. Im Labor wird die Untersuchung des Traumtextes durch gleichzeitig erhobene elektrophysiologische Daten, Verhaltensbeobachtungen und durch die Laborsituation selbst beeinflusst. Doch gibt es eine Reihe weiterer Variablen, die bei der Versuchsplanung und Durchfhrung bercksichtigen werden mssen, wie etwa die Frage der Systematik bei der Erhebung der Traumberichte, die optimale Anzahl der Erhebungen von Traumberichten pro Person und Versuchsdurchgang, Reihenfolgeeffekte sowohl bei der Traum-
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Experimentelle Traumforschung
berichterstattung als auch bei der Traumerinnerung wie auch die Vernderungen, die der Traum nach der Weckung erfhrt. Grundstzlich lassen sich zwei Faktoren bei der Beurteilung oder Messung unterscheiden: a) erfolgt diese durch den Schlfer beziehungsweise Trumer selbst oder auch von einer anderen Person und b) beziehen sich die Beurteilungen oder Messungen auf den Traumbericht beziehungsweise auf eine Zeichnung des Trumers oder werden die Beurteilungen auf ein unabhngiges Kriterium bezogen, wie zum Beispiel auf das jeweilige Schlafstadium REM oder NREM. Bereits wenn ein Schlfer geweckt und nach seinem Traum gefragt wird, so systematisch dabei auch vorgegangen wird, enthlt der Bericht der jeweiligen Versuchsperson zwangslufig bereits eine Anzahl »Beurteilungen«, wenn auch unsystematisch, die mit den jeweiligen Erfahrungen und Erlebnissen des Probanden vor der Weckung in Zusammenhang stehen. Ganz vom jeweiligen Traum abhngig, beurteilt der Trumer, wenn er zum Beispiel sagt, was er gesehen oder zu hçren geglaubt hat, oder indem er bestimmte Personen beim Namen nennt. Die Deutlichkeit der Erinnerung, die Farbigkeit der Szene oder die Affektivitt einer jeweiligen Traumsequenz haben ebenfalls Einfluss auf die Beurteilungen beim Berichten. Manche Passagen wird der Proband zusammenfassen, andere detailliert beschreiben. Auch von der Versuchssituation ist die Berichterstattung bereits beeinflusst. Erinnert der Proband vielleicht nur einige vage Szenen, wird er sie dem Versuchsleiter mçglicherweise detailliert beschreiben, bei einem langen Traumbericht wird es mçglicherweise erhebliche Verkrzungen und Zusammenfassungen geben, um das Material kohrent zu berichten. Dem Problem der verzerrten Wiedergabe von Traumerlebnissen kann entgegengewirkt werden, in dem die Versuchsperson jeweils aufgefordert wird, soviel wie mçglich zu erzhlen (ohne jedoch Inhalte dazu zu erfinden). Immer wieder hat der Versuchsleiter die Neigung, den Traumbericht des Probanden unkritisch zu bernehmen. Doch gibt es mehrere Flle, in denen die Behauptung eines Probanden ber seinen Traumbericht auch von einem unabhngigen Rater/Versuchsleiter zurckgewiesen wrde, etwa wenn der Proband behauptet, er sei wach gewesen, obwohl alle Indikatoren im EEG auf eine REM-Phase hindeuteten, aus welcher der Proband geweckt wurde. Bei einem
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Proband, der zum Beispiel berichtet, er habe gedacht, er sei eine Straße entlanggegangen, und der anschließend die Straßenszene ausfhrlich zu beschreiben versucht, wrden Beurteiler eher annehmen, der Proband habe getrumt als gedacht. Weil jedoch meist eine unabhngige, hier: elektroenzephalographische Messung fehlt, neigen wir eher dazu, dem Proband zu glauben, was eine weitere Verzerrungsmçglichkeit bei der Traumerhebung darstellt. Natrlich spielt der Einfluss des Versuchsleiters eine besondere Rolle. Gerade hier sind, aus psychoanalytischer Sicht, unmittelbar einsetzende, also von Beginn einer Untersuchung an wirksame bertragungsprozesse von Bedeutung. Durch das Ausbalancieren der jeweiligen Paare Versuchsleiter–Proband nach Geschlecht und Reihenfolge der Stimulusprsentation kann versucht werden, diesen Einfluss auf alle Probanden gleich zu halten. Dennoch drfte es eine unrealistische Annahme sein, durch eine solche Kontrolle eine Vereinheitlichung erreichen zu kçnnen, zu verschieden sind die jeweiligen Bedingungen, unter denen sich Proband und Versuchsleiter kennen lernen, zu unterschiedlich die Reaktionen im Rahmen einer spontanen Begegnung. Hier wird auch deutlich, warum kontrollierte experimentelle Forschung hufig so realittsfern und knstlich wirkt. Die Versuchung liegt nahe, diesen unterschiedlichen bertragungseinfluss zu kontrollieren, etwa durch eine Versuchssituation, in welcher der Versuchsleiter auf alle Angebote des Probanden immer gleichfçrmig reagiert. Schnell wrde ein Proband herausgefunden haben, dass er es mit keinem menschlichen Wesen zu tun hat, sondern mit einer monoton-kontrollierenden Maschine, dass er sich nur in einer scheinbaren sozialen Interaktion befindet. Dies aber hat nun wiederum einen (nicht kontrollierbaren) Einfluss auf das Traumerleben und die Art und Weise der Traumerzhlungen. Sptestens an dieser Stelle wird die Unmçglichkeit dieses Unterfangens deutlich, die ganze Absurditt dieser Kontrollbemhungen im Experiment sichtbar. Wie viel nher liegt es da, eine mçglichst natrlich-menschliche Begegnung zwischen Versuchsleiter und Proband anzustreben, die jeweils individuellen, gegenseitigen Beeinflussungen aus der entstehenden Dyade in Kauf zu nehmen und sie stattdessen als weitere Informationsquelle zu nutzen. So kann der Versuchsleiter ein detailliertes Protokoll seiner Gefhle und Reaktionen auf den Probanden anfertigen, in dem alles niedergelegt ist, was
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ihm auffiel, welche Besonderheiten er bei sich feststellte und was ihm an eigenen Phantasien und Ideen whrend der Versuchsdurchfhrung durch den Kopf gegangen ist. Auch der Proband kann (nachtrglich) um eine Stellungnahme gebeten werden. Nach Abschluss der Versuchsreihe geht er, zusammen mit einem Mitarbeiter, alle Traumtexte und Zeichnungen nochmals durch und wird ausfhrlich befragt. Aufflligkeiten, Einflle oder Reaktion kçnnen vom Probanden geußert und erlutert werden. Auf diese Weise wird ein anfnglich vermeintlicher Nachteil zu einem Vorteil, gelangt man doch so zu »Daten« und »Messungen«, die im blichen Ablauf festgelegter experimenteller Datenerhebungen verloren gehen. Ein Vorteil der meisten Laboruntersuchungen ist, dass sie auf Tonband oder Video aufgezeichnet vorliegen. Somit ist in beschrnktem Umfang nachprfbar, welche Einflsse whrend der jeweiligen Befragung vorlagen und welche Situationen ein Ergebnis mçglicherweise besonders beeintrchtigten. Allerdings lassen sich durch Tonbandaufzeichnungen nicht alle Einflsse kontrollieren. Auch bei der Diskussion um die Tonbandaufnahme von Analysestunden, gibt es immer wieder den Einwand, durch das Tonband wrden zwar viele, aber auch nicht alle Informationen ber mçgliche Einflussgrçßen rekonstruierbar, wie zum Beispiel unausgesprochene Gedanken des Versuchsleiters oder des Probanden beziehungsweise des Psychoanalytikers oder des Patienten. Diese kurze Diskussion um den Einfluss von bertragungsprozessen auf die Traumereignisse sollte beispielhaft zeigen, welche Schwierigkeiten und Probleme bei der Durchfhrung experimenteller Untersuchungen im Labor unter anderem auftreten. Letztlich stellt die reale Durchfhrung eines Experiments immer einen Kompromiss dar zwischen dem Versuch zu kontrollieren, also die Versuchsbedingungen und Einflsse fr alle Probanden so weit wie mçglich gleich zu halten, so dass mit einiger Sicherheit auf die interessierenden Vorgnge aus den Beobachtungen der unabhngigen Variable geschlossen werden kann, und der Grenze, von der an die Kontrolle der Untersuchung eher zu Abwehrzwecken und Angstbewltigung eingesetzt wird (vgl. Devereux, 1984), was eine knstliche Situation erzeugt. Die Liste weiterer mçglicher Einflussgrçßen ist lang, sie sind so zahlreich,
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dass auf sie hier nicht weiter eingegangen werden kann. Sie haben auch einen Einfluss bei der Frage, ob sich Ergebnisse experimenteller Untersuchungen replizieren lassen. So haben zum Beispiel die Rumlichkeiten, die Messinstrumente, die Anzahl, der Zeitpunkt und die Art der Weckungen oder die Art der Traumbefragungen ebenso einen Einfluss auf den experimentellen Ablauf und auf das Traumerleben wie Jahreszeiten oder ußere, gesellschaftliche Ereignisse und vieles andere mehr. Fr eine umfassende Darstellung dieser Probleme sei auf den informativen Band von Ellman und Antrobus (1991) verwiesen. Von Beginn an war die experimentelle Traumforschung von psychoanalytischen Thesen beeinflusst. Dies lag vor allem daran, dass von Anfang an Psychoanalytiker wie zum Beispiel Fisher, Klein, Fiss, Pine, Shevrin oder Luborsky an der Laborforschung ber Trume maßgeblich beteiligt waren. Im Labor wurden nicht nur der manifeste Traum und unbewusste Kognitionsprozesse untersucht, sondern auch Freuds triebtheoretische berlegungen gaben Anlass fr zahlreiche Experimente der psychoanalytischen Traumforscher. Um Trume im Rahmen experimenteller Laborforschung zu untersuchen, wurde meist so vorgegangen, dass zunchst whrend des Schlafes die Hirnstrçme (Elektroenzephalogramm, EEG), die Augenbewegungen (Elektrookulogramm, EOG) und der Muskeltonus (Elektromyogramm, EMG) berwacht wurden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nacht (meist whrend einer REM-Phase) wurden die Probanden geweckt und nach ihren Trumen befragt. Die Traumberichte wurden protokolliert und hinterher systematisch ausgewertet. Auf diese Weise wurden umfangreiche Erkenntnisse ber charakteristische Merkmale von Trumen zusammengetragen, die im Folgenden kurz skizziert sind. Von vielen Traumforschern wurde versucht, die manifesten Traumtexte inhaltsanalytisch zu systematisieren (vgl. Hall u. Van de Castle, 1966; Strauch u. Meier, 2004; Domhoff, 1995; Hau, Leuschner u. Fischmann, 1999; Fischmann, Hau u. Leuschner, 1999), um Aussagen ber die Hufigkeit bestimmter kategorisierter Traumelemente treffen zu kçnnen. Implizit wurde dabei unterstellt, dass die Bedeutsamkeit von Traumelementen sich aus der Hufigkeit des Auftauchens erschließen lasse. Dieser Zusammenhang erscheint zweifelhaft, ist jedoch bei Un-
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tersuchungen, die sich auf die manifesten Inhalte des Traumgeschehens konzentrieren, zumindest naheliegend. Die kognitiven Strukturen, die den manifesten Trauminhalten zugrunde liegen, untersuchte Foulkes (1978), in dem er die Transformationen latenter Traumgedanken in manifeste Trauminhalte mit Hilfe grammatikalischer Regeln beschrieb. Neben den Untersuchungen objektbezogener Inhalte, wurden Interaktionsprozesse im Traum ebenso erforscht wie die Beteiligung des Traum-Ich in den verschiedensten Handlungs- und Interaktionssituationen, die Generierung von »Mikrowelten« im Traum (Moser et al., 1980; Moser u. von Zeppelin, 1996) sowie die Vernderungen in der Struktur der manifesten Trauminhalte im Verlauf von (kognitiven) Vernderungsprozessen in Psychoanalysen (Leuzinger-Bohleber, 1987, 1989, 1998; Leuzinger-Bohleber, Mertens u. Koukkou, 1998). Neben den Schematisierungsversuchen beziehungsweise Klassifikationssystemen, die als Untersuchungsmaterial auf verbal berichtetes Material zurckgreifen, wurde auch das bildhafte Traumgeschehen sowohl im Kontext klinischer Falldarstellungen bercksichtigt, wenn Patienten Zeichnungen ihrer Trume anfertigten (Freud, 1918b; Slap, 1977; Brakel, 1993; Hobson, 1988; Leuschner u. Hau, 1995), Traumzeichnungen wurden aber auch bei Stimulusapplikationsversuchen zum Nachweis einer Wiederkehr subliminaler Stimuli (in den jeweiligen Zeichnungen) verwendet (zum Beispiel Fisher, 1954; Shevrin u. Luborsky, 1958; Kaser, 1986; Leuschner u. Hau, 1991). Eine erste systematische Untersuchung von Traumzeichnungen, welche die darin auffindbaren regressiven Merkmale im Vergleich zu Wachzeichnungen herausarbeitete, demonstrierte den Wert, den Traumzeichnungen als Wiederbringmedium fr (visuelle) Trauminhalte haben (Hau, 1999b, 2004). Bei den meisten Forschungsarbeiten im Schlaflabor wurden REMTrume untersucht, und so beziehen sich auch hier die Ergebnisse und Ausfhrungen auf Befunde aus REM-Traum-Untersuchungen. Die wichtigsten Befunde einer deskriptiv-phnomenologischen Beschreibung des Traumgeschehens seien hier aufgefhrt.10 10
Fr eine ausfhrliche Darstellung der Ergebnisse deskriptiv-phnomenologischer Untersuchungen von Trumen im Labor vgl. Strauch und Meier 1992, Strauch et al. 1997, Van de Castle 1996.
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Das wichtigste Ergebnis dieser Forschungen ist die Erkenntnis, dass es »den Traum« nicht gibt, sondern dass es sich bei den Erlebnissen in der Nacht, nicht nur auf die manifesten Trauminhalte bezogen, um sehr verschiedene Arten von »Trumen« handelt. Heute differenziert man hauptschlich zwei verschiedene Traumtypen, und zwar REM-Trume, die eher bildhaft und inhaltsreich erscheinen, von so genannten NREM-Trumen, die aus den brigen Schlafstadien stammen, eher statische Eigenschaften aufweisen, gedanklich orientiert sind und sich mit dem Alltagsgeschehen befassen. Darber hinaus lassen sich weitere Traumtypen differenzieren wie zum Beispiel Einschlaftrume, »weiße Trume«, Alptrume, »Night Terrors« oder Klartrume, um nur einige zu nennen. Leuschner (1999) fhrt zahlreiche weitere Traumarten an, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. In den meisten REM-Trumen dominieren visuelle Eindrcke und Erlebnisse (circa 60 %), aber es kommen auch hufig akustische Erlebnisse und Kçrperempfindungen vor, fast nie hingegen Geruchsoder Geschmackserlebnisse. Neben den Sinneswahrnehmungen, die in der Hlfte der Trume feststellbar sind, kommen auch hufig Denkttigkeiten in den Traumberichten vor und zu einem geringen Anteil auch Gefhle (in weniger als 10 % der Trume). Diese kçnnen jedoch die ganze Bandbreite der Emotionen ausmachen, zu denen Menschen auch im Wachleben in der Lage sind, wobei als hufigstes Gefhl in REM-Traumberichten Freude auftaucht, noch vor rger und Angst (vgl. Strauch u. Meier, 2004). Trume sind auch bei weitem nicht so bizarr wie oft unterstellt, sondern es dominieren eher »banale«, alltgliche Inhalte. Fast zwei Drittel aller Trume weisen entweder kein oder nur ein ungewçhnliches oder »bizarres« Element auf. Dies steht im Gegensatz zu der weit verbreiteten Ansicht, Trauminhalte seien meist außergewçhnlich oder unrealistisch und bizarr. Weil diese Ergebnisse aus Laboruntersuchungen stammen, kçnnte dieser Befund ein Artefakt darstellen. Die Probanden trumen »harmloser«, aufgrund einer angstbedingten verstrkten Abwehrbeziehungsweise Zensurttigkeit. Dass es zu Vernderungen in den Trauminhalten im Labor kommt, ist unbestritten. Die Probanden beschftigen sich in den Adaptationsnchten in ihren Trumen besonders mit der fr sie ungewçhnlichen Laborsituation. Themen, die
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sich mit der Versuchssituation auseinandersetzen, lassen sich bei bis zu 50 % aller Traumberichte aus Adaptationsnchten nachweisen. Weisz und Foulkes (1970) berichten, dass es keine Unterschiede in der Intensitt der Imagination und im Realittsbezug11 zwischen Labortraumberichten und Traumberichten von Heimschlfern gebe, wohl aber im Ausmaß der Aggressivitt (Heimschlfertraumberichte waren aggressiver), woraus die Autoren schlossen, dass die Laborsituation die Struktur der Trume nicht grundstzlich verndere. Fox et al. (1968) hingegen interpretierten ihre Befunde dahingehend, dass keinerlei Adaptation an die Versuchssituation stattfinde, wobei die Beziehung zum Versuchsleiter eine bedeutsame bleibe und affektive Komponenten eine wichtige Rolle spielten. In zahlreichen Untersuchungen sind die Traumorte und die Inhalte der Trume systematisch beziehungsweise inhaltsanalytisch untersucht worden (Hall u. Van de Castle, 1966; Foulkes, 1985; Domhoff, 1995). Strauch und Meier (2004) berichten von mehr als der Hlfte der untersuchten Trume, die eine fremde Umgebung oder unbestimmbare Orte aufwiesen. Was die Personen betrifft, die in den Trumen auftauchten, waren mehr als die Hlfte Verwandte, Bekannte oder Berufskollegen und nur circa ein Viertel fremde Personen. Das Ich des Trumers war in mehr als zwei Drittel der Traumhandlungen aktiv involviert und in der Hlfte der Trume nicht allein, sondern in Interaktionen mit anderen verwickelt. Die meisten Trume beschftigten sich mit Alltagssituationen und nur 1 % der Trume spielte in »fiktiven Welten«. Auch hatten nur die wenigsten Trume keinen Realittscharakter, im Sinne eines Bezuges zur Wirklichkeit im Wachzustand. Tagesreste erwiesen sich als wichtigster Bestandteil der Trauminhalte. Fast 70 % der Personen, Objekte oder rtlichkeiten, die in den Trumen auftauchten, hatten einen Bezug zur jeweils vorausgegangenen Woche. Verschwindend gering war der Anteil der (manifesten) Trauminhalte, die zeitlich als ber ein Jahr zurckliegend klassifiziert werden konnten (vgl. Strauch u. Meier, 1992). Dieses Ergebnis mag aber auch dadurch zustande gekommen sein, dass die Probanden 11
Diese beiden Faktoren machten die Hauptunterschiede in den Befunden von Hauri et al. (1967) aus, die Unterschiede zwischen Labor-Traumberichten und Heim-Traumberichten gefunden hatten.
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direkt nach dem zeitlichen Bezug der manifesten Inhalte befragt wurden. Psychoanalytisch interessant sind natrlich latente Traumgedanken, die ber Assoziationen zu den manifesten Trauminhalten erschlossen werden. Hierbei kann es sehr wohl zu anderen Einschtzungen bezglich der zeitlichen Zuordnung kommen. Allerdings liegen dazu keine empirischen Befunde vor. Stellte sich ein solcher Unterschied heraus, wre dies sicherlich ein Gewinn, denn es ließe sich deutlich demonstrieren, dass der Untersuchungsgegenstand der empirischen Traumforschung (der manifeste Traum) fr den Erkenntnisgegenstand (unbewusster Wunsch, Verarbeitungsweisen des Vorbewussten oder des Unbewussten, Struktur des psychischen Apparates, Prozesscharakter der Verarbeitung) eine Art Folie bildet, auf der sich Ereignisse besonders gut abbilden und untersuchen lassen, wobei die so gewonnenen Daten Rckschlsse auf die Bedingungen psychischen Funktionierens erlauben. Zahlreiche weitere Befunde (etwa zu den wenigen gefundenen geschlechtsspezifischen Unterschieden oder zu den qualitativen Merkmalen von Trumen und Wachphantasien) legen nahe, dass es eine große bereinstimmung zwischen dem manifesten Traum- und dem Wachleben gibt. Diese Traumkontinuitt ist vielleicht der bemerkenswerteste Befund berhaupt, das heißt, dass die Menschen in vielen Trumen mit genau den Problemen und Situationen beschftigt sind, wie am Tage im Wachzustand. Trumen ist eine Fhigkeit, die sich in einem langen Prozess erst nach und nach entwickelt (vgl. Foulkes, 1982, 1999; Hamburger, 1987; Strauch et al., 1997; Hau, 2002). In sorgfltig dokumentierten Untersuchungen zur Ontogenese des Traumes wurde aufgezeigt, wie die Entwicklung der Fhigkeit zu trumen sich in enger Verschrnktheit zur brigen kognitiven und emotionalen Entwicklung vollzieht. So haben 3- bis 5-Jhrige nur kurze, gefhlsneutrale Erinnerungen an »statische« Trume, in denen keine Handlungssequenzen auftauchen. Diese Trume sind am hufigsten mit Tieren bevçlkert (40 %) und nur zu 20 % mit Personen. In den meisten Trumen ist kein Traum-Ich anwesend. Im Laufe der Zeit werden die Traumberichte belebter, vereinzelt tauchen Szenen auf (5- bis 7-Jhrige), wobei die Handlungen meist noch von anderen Personen ausgefhrt werden. Spter erscheinen auch fremde Personen in den Trumen und es
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lassen sich erste geschlechtsspezifische Unterschiede angeben: Mdchen erzhlen Trume mit fr sie positiven, hufig sozialen Handlungen, whrend Jungen mehr negative Gefhle berichten, wobei in ihren Trumen vermehrt wilde Tiere auftauchen. Erst im Alter zwischen sieben bis neun Jahren wird das Traum-Ich aktiver und es dauert weitere zwei bis drei Jahre, bis der aktive Anteil des Traum-Ich am Traumgeschehen dem von Erwachsenen entspricht. Im Alter zwischen elf bis dreizehn Jahren wird der Einfluss der sozialen Umgebung noch deutlicher: Mdchen trumen mehr von Freundinnen, Jungen mehr von Freunden und sie sind weiterhin mehr mit aggressiven Themen beschftigt.
2.3 Funktionen des Traums Immer wieder wurden im Rahmen experimenteller Traumforschungen Untersuchungen durchgefhrt, die mit klinischen Befunden und Aussagen der Psychoanalyse verbunden werden konnten. Besonders deutlich wird dies bei der Frage nach den Traumfunktionen. Dem Traum lassen sich, neben seiner wunscherfllenden Funktion, zahlreiche weitere Funktionen zuordnen, die alle – mehr oder weniger – im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung des seelischen Gleichgewichtes und der kçrperlichen Gesundheit gesehen werden kçnnen (vgl. hierzu Fiss, 1986; Moffitt et al., 1993; Bareuther et al., 1995). Fiss (1980) wies experimentell die Wunscherfllungsfunktion der Trume anhand der Rckfallgefhrdung von Alkoholikern nach. Dabei erwiesen sich diejenigen ehemaligen Alkoholiker als weniger rckfallgefhrdet, deren Trume vermehrt bedrfnisbefriedigende Szenen enthielten, im Gegensatz zu ehemaligen Alkoholikern, die in ihren Trumen keinen Alkohol konsumierten. Kramer et al. (1972) wiesen eine Abhngigkeit der affektiven Stimmung von zwischenzeitlichen Trauminhalten nach. So hing die Verbesserung der Stimmungslage der Probanden am Morgen signifikant mit spezifischen Trauminhalten aus der Nacht zusammen. Barwinski (2006) sieht in der Wunscherfllungsfunktion des Traums nur eine Funktion unter anderen. Sie betont vor allem die reorganisierende Funktion des Traums als bergeordnete Funktion.
Funktionen des Traums
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Auch der Affektverarbeitung kommt eine wichtige Funktion zu. Vor allem Trume nach traumatischen Erlebnissen weisen eine weitere wichtige (semiotische) Funktion auf: Sie dienen der Sprachfindung, welche fr die Verarbeitung des traumatischen Erlebens wichtig ist. Ermann (2005) unterscheidet zwei verschiedene Funktionsniveaus, welche die Trume aufweisen kçnnen und die in Zusammenhang mit aktuellen bertragungsprozessen stehen. Je nach Aktivierung von vorwiegend prozeduralen Gedchtnisinhalten aus dem impliziten Gedchtnis oder eher deklarativen Gedchtnisinhalten wird der Traum von ihm entweder nur als »Zeichentraum« verstanden, der Informationen ber »archaische Erlebniszustnde« enthalte, oder es lassen unbewusste Hinweise in den Trumen mit letztgenannten Gedchtnisinhalten auf die Art der aktuellen (eher neurotischen) bertragungsbeziehung Rckschlsse zu. Auch Hartmann (1998) schreibt dem Traum eine therapeutische Funktion zu, wobei aus seiner Sicht die »Kontextualisierung« von belastenden Emotionen, der Einbau potentiell traumatisierender Erlebnisse in neue Kontexte, entlastend wirke. Eine hnliche benigne Auswirkung schildert Fiss (1999), wenn er dem Traum das Potential fr »korrigierende Entwicklungserfahrungen« zuerkennt. Diese Ergebnisse sind Hinweise dafr, wie Trume fr die Aufrechterhaltung des psychischen Gleichgewichtes sorgen kçnnen. Dazu gehçrt auch die »Signalentdeckungsfunktion«, die es dem Traum ermçglicht, parallel zur bewussten Wahrnehmung, schon frhzeitig pathogene Reize wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren (Fiss, 1993). Aus der Krze der Zeitdauer, die zwischen dem Einschlafen und dem Auftreten der ersten REM-Phase verging, gelang es Greenberg und Pearlman (1975) auf die psychische Verfassung des jeweiligen Probanden zu schließen. Sie interpretierten diese Zeitspanne (»REM-Latenz«) als Indikator fr die Notwendigkeit, zu trumen. War die Zeitspanne verkrzt, lag ein umso grçßeres Bedrfnis vor. Die Autoren demonstrierten dies anhand von Patienten mit traumatischen Kriegsneurosen. Je mehr sich diese Patienten im Wachzustand mit ihren traumatischen Erfahrungen beschftigten, desto grçßer war das Bedrfnis, zu trumen. Greenberg und Pearlman begriffen den Traum als Verarbeitungsvorgang und konnten dies auch mit Hilfe von Untersuchungen besttigen, in denen Patienten
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Experimentelle Traumforschung
konflikthaftes Material aus Analysestunden in den Trumen verarbeiteten. Viele Autoren sind heute der Ansicht, dass der Traum ein multifunktionales Prozessgeschehen darstellt. Neben der Wunscherfllungsfunktion, die fr Freud zentral war, werden dem Traum heute unter anderem gedchtniskonsolidierende, problemlçsende, stressabbauende, homçostatische, ja generell gesundheitserhaltende Funktionen zugeschrieben (vgl. Moffit et al., 1993; Bareuther et al., 1995, 1999).
2.4 Ein Beispiel psychoanalytischer Traumforschung: Die Beeinflussung von Trumen mittels tachyakustischer Stimuli Neben vielen phnomenologischen Untersuchungen, die Traumereignisse beschrieben, wurden auch zahlreiche Experimente durchgefhrt, um die Trume direkt zu beeinflussen und anhand der registrierten Effekte beim Recall Rckschlsse auf die Beschaffenheit und Struktur der Traumprozesse zu ziehen. Diese Versuche stehen in der langen Tradition so genannter »Stimulusapplikationsexperimente«, die auf die Arbeiten von Otto Pçtzl (1917) zurckgehen. Im Rahmen von Stimulusapplikationsversuchen wurde zum Beispiel untersucht, welche Form der Traum in Abhngigkeit von zuvor meist im Wachzustand prsentierten Stimuli annehmen kann (vorgegebener Input – Studium der Output-Resultate). Die Art und Weise der Wiederkehr von Stimulusmaterial ist von Informationsverarbeitungsprozessen abhngig, die unbewusst ablaufen und vielfltigen Einflssen unterliegen. Es handelt sich dabei um ein komplexes Prozessgeschehen (vgl. Koukkou u. Lehmann, 1998), wobei es fr die Untersucher mçglich ist, durch die Kenntnis des stimulierten Materials, die Weiterverarbeitung im Traum oder in freien Einfllen und die Verwandlungen und Bearbeitungen, die das Material hierbei erfhrt, zu beobachten beziehungsweise zu rekonstruieren. Gleichzeitig wird die Wahrnehmungsfhigkeit fr das vorgegebene Material (meist subliminal oder im Schlaf prsentiert) erkennbar. Als Beispiel fr die Vielfalt dieser Stimulusapplikationsversuche sei auf die Arbeiten von Dement und Wolpert (1958), Oswald et al. (1960),
Ein Beispiel psychoanalytischer Traumforschung
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Fisher (1960), Berger (1963), Koulack (1969), Foulkes (1970), Cartwright (1974), McDonald et al. (1975), Dement (1976), Kaser (1986), Leuschner (1986), Shevrin (1986), Strauch und Meier (1989), Leuschner und Hau (1992) und Kramer (1993) verwiesen. Die von Pçtzl begonnenen Versuche wurden erst in den 1950er Jahren durch den amerikanischen Psychoanalytiker Fisher wieder aufgegriffen und weiterentwickelt (1956, 1957, 1960 ; Fisher u. Paul, 1959). Fisher konnte die Ergebnisse von Pçtzl besttigen und entdeckte, dass auch die Freien Imaginationen, die direkt nach einer Stimulation erhoben wurden, nicht bewusst erkanntes Stimulusmaterial enthielten. Dies war fr Fisher der Beleg dafr, dass Traumbildung beziehungsweise Traumarbeit bereits am Tage beginne. Außerdem erschien die Wiederkehr von Stimulusmaterial durch bertragungsprozesse beeinflusst. Dies war ein wichtiger Hinweis dafr, dass die Subliminalisierungsmethode auch zur Erforschung dynamischer Prozesse eingesetzt werden kann, da subliminal induziertes Stimulusmaterial solchen dynamisch unbewussten Bearbeitungsmechanismen unterworfen schien, die von Freud als primrprozesshaft beschrieben worden waren und erst nach der Stimulation in den Freien Imaginationen und in den Trumen wieder zum Vorschein kam. Mit Hilfe dieses Verfahrens lassen sich somit nicht nur nomothetische Aussagen hinsichtlich mçglicher Stimulationseffekte treffen, die auf Untersuchungen grçßerer Probandenstichproben beruhen, sondern auch individuelle Verarbeitungsprozesse beschreiben, zum Beispiel in welche spezifischen Kontexte Stimulusmaterial integriert wird (vgl. Leuschner u. Hau, 1992). Diese unbewussten Verarbeitungsprozesse sind aber nicht nur nach der Stimulation mit optischem Material nachweisbar. Bereits Dixon (1956) und auch Pine (1961) konnten zeigen, dass nicht bewusst registrierte, so genannte »maskierte« verbale ußerungen (incidental stimuli), den gleichen Prozessmechanismen unterliegen wie tachistoskopisch prsentierte Stimuli. Das Anliegen Shevrins, der viel mit der Subliminalisierung von Stimulusmaterial arbeitete, ist es, das methodische Spektrum psychoanalytischer Laborforschung um die kombinierte Verwendung von psychodynamischen, kognitiven und neurophysiologischen Parametern zu erweitern, um unbewusste Konflikte und damit auch das
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dynamisch Unbewusste besser zu erforschen (vgl. Shevrin et al., 1997; Shevrin, 2002). In ihrer klassischen Arbeit konnten Shevrin und Fisher (1967) zeigen, wie infolge primrprozesshafter Verarbeitung, vor dem Schlaf subliminal prsentierte Stimulusbilder kreativ verwandelt und neu zusammengesetzt wurden. Den Probanden wurde ein Stimulusbild gezeigt, welches ein Knie (»knee«) zeigte, auf das ein Fllfederhalter (»pen«) gerichtet war. Nur in den Assoziationen zu den Traumberichten nach REM-Weckungen fanden sie signifikant vermehrt solche Inhalte, die sich um Geld und »Pennies« drehten. Shevrin und Fisher bezeichneten diese Ebene der Verarbeitung als »rebus-level«. Die Stimuli wurden also unbewusst wahrgenommen, die Inhalte identifiziert, verwandelt und in einen neuen Kontext eingebaut (vgl. Leuschner, 1999). Zu der Art und Weise, wie Informationen whrend des Schlafes im Traum verarbeitet werden, und damit auch zu den von Freud beschriebenen Mechanismen der Traumarbeit, lsst sich mit Hilfe der Anwendung der Subliminalisierungstechnik in experimentellen Untersuchungen mehr sagen. Hier zeigt sich, wie ergiebig psychoanalytische Traumforschung im Labor sein kann. Dies konnte in eigenen experimentellen Untersuchungen am Sigmund-Freud-Institut, unter Verwendung »knstlicher induzierter Tagesreste«, die in den Traum eingeschleust wurden, mehrfach demonstriert werden (vgl. Leuschner u. Hau, 1992, 1995; Hau et al., 1999; Leuschner et al., 1999). Dabei zeigte sich, dass im Verlauf dieses Verarbeitungsprozesses komplexe Stimulusbilder komplett zerlegt, in ihre Einzelbestandteile dissoziiert werden. Dieser Zerlegungsprozess geschieht nicht beliebig, sondern entlang bestimmter »Bahnen«, die sich an Farbe, Form, Wortklang und Konzepten der Inhalte des Stimulusbildes orientieren. Diese einzelnen Bestandteile des ursprnglichen Stimulus, so genannte »Radikale«, werden nun in andere Zusammenhnge, Geschichten, Orte und Handlungen eingebaut. Die einzelnen Probanden kommen dabei zu individuell hçchst unterschiedlichen, kreativen Ergebnissen. Aufgrund der Kenntnis des Ausgangsmaterials aber kçnnen nun die »neuen Orte«, zu denen diese Einzelteile gebracht worden waren und die Art und Weise ihrer Bearbeitung identifiziert werden. Dadurch lassen sich weitere Traumarbeitsmechanismen ermitteln, wie etwa die »Verrealisierung«, also die Beseitigung einer ursprnglichen Form, konzeptuelle Verschiebungen entlang des
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Klangbildes, entlang der Form beziehungsweise der Farbe zu neuen Inhalten (Konzepten) (vgl. Leuschner u. Hau, 1992). Diese Neuzusammenstellungen, der Einbau in andere Zusammenhnge, lsst sich auch als Reassoziierungsprozess beschreiben. Anhand solcher und anderer Experimente lsst sich zeigen, wie fruchtbar der Dialog mit den Kognitionswissenschaften fr die Psychoanalyse sein kann, aber auch wie wichtig es ist, dass solche Experimente von Psychoanalytikern durchgefhrt werden, um die Rckanbindung der Ergebnisse an psychoanalytische Modelle, Theorien und Erfahrungen vornehmen zu kçnnen. Ein Beispiel einer solchen Forschung ist im folgenden Abschnitt dargestellt. Ausgehend von den Befunden mit subliminalisierten Stimuli wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem sich gezielt Beeinflussungen der Trume vor und whrend des Schlafes durchfhren lassen. Die Probleme, die bei der Stiumulusentwicklung, der Durchfhrung der Untersuchungen, der Erhebung und Auswertung der Daten zu bewltigen waren, die Ergebnisse und die Interpretation, dass heißt der Rckbezug, unter anderem auf die psychoanalytische Theorie, zeigen den ganzen Spannungsbogen psychoanalytisch-experimenteller Laborforschungen – ihre Begrenzungen aber auch ihre Vorteile.
Die Subliminalisierungsmethode Wie bereits angedeutet, stellt die Subliminalisierung ein geeignetes Verfahren dar, um Trume gezielt zu beeinflussen und aus den Vernderungen, die das wiederkehrende Stimulusmaterial erfahren hat, auf die zwischenzeitlich stattgefundenen Verarbeitungsprozesse im psychischen Apparat schließen zu kçnnen. Wie kam es zur Entdeckung, Entwicklung und Anwendung dieses Verfahrens?
Vorgeschichte12 Subliminalisierte Reize sind Stimuli, die einer Versuchsperson unterhalb einer Grenze oder Schwelle fr bewusste Wahrnehmung appliziert werden. Seit langem wird diese Stimulationstechnik verwen12
Wesentliche Teile dieses Abschnitts sind entnommen aus: Leuschner, Hau u. Fischmann (2000, S. 22 ff.).
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det (zum Beispiel von Helmholtz, Purkinje, Urbantschitsch und von Fechner; vgl. Ellenberger, 1973). Von Beginn an war das Ziel, mehr ber das unbekannte Reich des Unbewussten und ber die Art der Wahrnehmungsprozesse zu erfahren. Der Wiener Neurologe Otto Pçtzl gilt als der eigentliche Begrnder dieses Verfahrens. Er verçffentlichte 1917 eine Studie, in der er Patienten Diabilder fr acht Millisekunden darbot. Diese berichteten dann von ihren Wahrnehmungen. Pçtzl fiel auf, dass gerade das Nichterkannte in Trumen und Traumzeichnungen am anderen Morgen wiederkehrte, ohne dass es den Patienten bewusst war, dass sie Inhalte von den zuvor gesehenen Diabildern wieder darstellten. Dieses tachistoskopische Verfahren ist heute die wichtigste Methode, um Probanden mit nicht erkennbaren Inhalten zu stimulieren und die weitere Bearbeitung des Stimulusmaterials im Laufe der Abrufe einer Untersuchung (sei es in Form von Traumberichten oder freien Einfllen) zu untersuchen. Bei einer Prsentationsdauer von weniger als dreißig Millisekunden ist die Darbietungszeit so kurz, dass es fr die Probanden nicht mehr mçglich ist, ein Bild mit dem Auge abzutasten. Auch reicht die Zeit nicht aus fr automatische Korrekturbewegungen der Augen. Die Versuchspersonen erkennen in der Regel nur einen Lichtschein, sie sind sich allenfalls darber bewusst, dass eine Prsentation stattgefunden hat, kçnnen jedoch die Inhalte der Prsentation kaum bewusst wahrnehmen. Die von Pçtzl entdeckten Effekte zeichnen sich dadurch aus, dass eine exakte Wiederkehr der Stimulusinhalte fast nie festzustellen ist. Die Inhalte werden auf unterschiedlichste Weise »entstellt«, assoziativ verwandelt. Diese kann sich in Fragmentierungen, Verschiebungen, Verdichtungen, Sequenzialisierungen, Rotationen, spiegelbildlichen Darstellungen, konzeptuellen Verwandlungen, Symbolisierungen, Wiederholungen (»travelling«) und anderen Phnomenen ußern. Diese Umarbeitungen und Verwandlungen entsprechen jenen, denen auch natrliche Tagesreste unterliegen. Man kann davon ausgehen, dass es sich bei subliminalen Stimulusinhalten um »knstliche Tagesreste« handelt, die allerdings, im Unterschied zu den natrlichen Tagesresten, das Traumgeschehen nicht dominieren, sondern in die Traumhandlungen eingebaut werden. Wrde man nicht um die Inhalte eines subliminalen Stimulus wissen, kçnnte man diese ver-
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steckten, knstlichen Tagesreste auch nicht wiedererkennen. Die Probanden sind sich dabei zu keiner Zeit bewusst, dass sie, wenn sie einen Traum oder eine Freie Imagination berichten, auch das nicht bewusst wahrgenommene Material, das subliminale Stimulusmaterial wieder darstellen (vgl. Leuschner u. Hau, 1995). Die Darstellungen erfolgen vielmehr unwillkrlich, etwa im Sinne der von den Surrealisten verwendeten »peinture automatique«. Zwar war Freud immer skeptisch gegenber Versuchen geblieben, theoretische und klinische Befunde der Psychoanalyse auf nichtanalytische Weise zu untermauern, er sah jedoch in den Arbeiten Pçtzls eine Besttigung seiner Annahmen zum Tagesrest und zur Traumarbeit und fgte eine lngere, wohlwollende Fußnote in den Text seiner Traumdeutung ein. Pçtzl vermutete anhand der Umarbeitungen der Stimulusinhalte, dass in den Abwandlungen sich etwas von dem widerspiegelt, was als Arbeit des Primrvorganges von Freud beschrieben wurde, und dass sich darin unbewusste Abwehroperationen erkennen ließen. Mit Pçtzls Ansatz lsst sich zudem erklren, warum experimentelle Traumforscher mit Subliminalisierungsmethoden arbeiten und nicht mit Hilfe supraliminaler Reize. Solche Versuche waren immer wieder mit wechselndem Erfolg unternommen worden. Pçtzl nun fand, dass die subliminale Darbietung erfolgreicher ist und verlsslichere Effekte erzielt als die supraliminale. Grund dafr sind spezielle Wahrnehmungsverhltnisse, die Pçtzl in einem »Ausschlussgesetz« zusammenfasste: Traumwirksam sind nur jene Stimulusaspekte, die gerade nicht bewusst erkannt werden. Umgekehrt heißt dies: Was im Moment der Prsentation – trotz Beschleunigung – dennoch bewusst identifizierbar ist, also supraliminal erscheint, ist gerade nicht traumgngig. Das subliminale Material erhlt eine Art »spezielle Ladung«, wodurch es fr die Traumbildung interessant wird. Subliminales Stimulusmaterial wirkt anziehend, weil unverstanden, wird zum »unerledigten Rest«, dessen Verarbeitung bei der Traumbildung, vor allem durch Traumzeichnungen weiter untersucht werden kann. Radioaktiven Markern vergleichbar, bleiben die subliminalen Stimulusanteile bei ihrem Weg durch das Vorbewusste/Unbewusste erkennbar. Indem der Traum gerade das zunchst nicht oder nicht vollstndig Verstandene eines Reizes aufgreift und wieder darstellt, wird zugleich
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eine seiner spezifischen Funktionen sichtbar: Der Traum interessiert sich in besonderer Weise fr nicht oder nicht ganz verstandene, unerledigte oder zunchst vernachlssigte Eindrcke. Weil diese unerledigte Reizeigenschaften besitzen, bringt sie der Trumer zurck auf seine Traumbhne. Damit wird aber auch deutlich, dass die Wirkungsweise der Methode vor allem mit einem Verstehen der Inhalte zusammenhngt, also keine Frage der Reizaufnahme, sondern der Reizverarbeitung ist. Deshalb ist es auch unerheblich, ob ein Proband sich darber bewusst ist oder nicht, dass eine Stimulation stattgefunden hat. Wichtig ist, ob Inhalte beziehungsweise Stimulusmerkmale erkannt worden sind oder nicht. Pçtzls Methode blieb lange Zeit wenig beachtet. Ihre erfolgreiche Wiedereinfhrung ist vor allem dem Psychoanalytiker Charles Fisher (1954, 1957, 1960, 1988) zu verdanken, der die Subliminalisierungsmethode fr seine experimentelle Forschung im Labor nutzte. Fisher systematisierte Pçtzls Erkenntnisse zur Unterscheidung von bewusster Wahrnehmung und der davon unabhngigen vorbewussten Wahrnehmung. Er erkannte, dass die primrprozesshafte Bearbeitung der Stimulusperzepte schon unmittelbar nach der Stimulation beginnt und dabei mit prexistierenden Gedchtnisschemata (1960) in Beziehung tritt. Als Erster beschrieb er im Fall eines tumorbedingt Erblindeten ein erhaltenes vorbewusstes Blindsight-Vermçgen fr komplexe Szenen. (Dieser Befund ließ sich spter bei Untersuchungen strabismusbedingt amblyoper Patienten besttigen [vgl. Leuschner, 1995; Fischmann, 2002]. Trotz Amblyopie verfgen diese Patienten ber ein vçllig intaktes subliminales Wahrnehmungsvermçgen; nur die bewusste Wahrnehmung »erblindet.«) Dixon (1956) zeigte, dass subliminale Stimulationen auch vegetative Reaktionen zur Folge haben kçnnen. Smith, Spence und Klein (1959) stellten erstmals die Einflussnahme subliminaler Wahrnehmungen auf bewusste Gedanken und Rede dar. Shevrin (1958, 1986) beschrieb, zusammen mit Luborsky, dass auch Freie Assoziationen ber Wiederbringefhigkeiten von subliminal induzierten Stimulusinhalten verfgen. Hinweise darauf finden sich schon in den Untersuchungen von Urbantschitsch (1918) und ebenfalls bei Dixon (1958). Dieser Befund ist deshalb so bedeutsam, weil damit das von Freud entdeckte und oft in Frage gestellte »Retrieval«-Vermçgen Freier Assoziationen empirisch nachgewiesen
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wurde. Die subliminale Traumforschungsmethode war damit zugleich Methode zur Erforschung der Freien Assoziation geworden. In dem erwhnten Versuch zeigten Shevrin und Fisher (1967), dass die Probanden mittels ihrer Traumarbeit eine inhaltliche Verarbeitung vor allem anhand von Klangaspekten durchfhrten. Traumarbeit wurde hier erkennbar in Form einer exakten Analyse und sinnvollen Neuverknpfung von Inhaltsfragmenten, vergleichbar dem Lçsen von Rebusbildern. Das Finden von neuen Begriffen und Inhalten geschieht aber hier im Schlaf und somit unbewusst. Damit war das kreative Vermçgen beim Trumen erfasst und belegt. Wie Fisher war Shevrin (1986) der Ansicht, dass solche Stimuluselemente im Traum auftauchen, wenn sie »Teil von Angst erweckenden, trieborganisierten Erinnerungen und Wnschen werden« (Shevrin 1986, S. 389). Bei eigenen Versuchen mit der Pçtzl-Methode (Leuschner u. Hau, 1992; Leuschner et al., 1994) wurde ein spezieller Collage-Stimulus benutzt, bei dem alle Objekte einer komplexen Szene (Landschaft am Meer) in dreieckiger Form gehalten waren. Durch diese Modifikation gelang es, die evidente Wiederkehr von Stimulusmaterial, differenziert nach Formen und Konzepten (Inhalten), separat zu erfassen. Wichtiger noch: Die formale Umgestaltung aller Objektumrisse in Dreiecksform auf dem Stimulusbild fhrte darber hinaus automatisch zu einer generellen Vermehrung der Zahl der Dreiecke und Konzepte in den nach der Stimulation angefertigten Zeichnungen von Trumen und Freien Imaginationen. Dies konnte durch BlindRating bestimmt werden. Von subjektiver Evidenz und Erfahrung unabhngig, wurden so Stimuluseffekte nachweisbar und konnten ber einen lngeren zeitlichen Abrufzeitraum hinweg erstmals auch quantitativ »gemessen« werden. Dabei zeigte sich, dass – anders als frher angenommen – die Freien Assoziationen das Stimulusmaterial quantitativ besser und qualitativ anders wiederbringen als Trume. Damit wurde klar, dass die subliminale Stimulation auch in anderen »states of consciousness« gute Effekte hervorbringt. Somit ermçglicht es das Pçtzl-Verfahren auch, zustandsabhngige Ich-Leistungen und Bearbeitungsprozesse miteinander zu vergleichen und prziser als bisher zu bestimmen (vgl. Leuschner, Hau u. Fischmann, 1998). Was die technische Seite der Pçtzl-Methode anbetrifft, so ist heute gesichert, dass die Effektivitt von verschiedenen Faktoren wie zum
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Beispiel von der Prsentationsgeschwindigkeit abhngt, von der Bildhelligkeit, der Komplexitt des Stimulus und von der Situierung des Stimulusbildes in peripheren oder zentralen Gesichtsfeldbereichen.13
Die Untersuchung unbewusster Wnsche mit der Subliminalisierungsmethode14 Anhand ausfhrlich dargestellter Flle belegte Fisher (1988) den Einfluss von traumatischen Erfahrungen, von unbewussten Wnschen und Abwehrtendenzen und von bertragungsvorgngen in der Versuchsleiter-Proband-Beziehung auf das Stimulusmaterial. Besonders diese systematisch erkundeten Befunde machen die Arbeiten dieses Forschers fr die Psychoanalyse bedeutend. Fisher und Paul (1959) waren der Ansicht, dass das subliminal prsentierte Material sofort nach der Registrierung dynamisch unbewussten, primrprozesshaften Bearbeitungsprozessen unterliegt, bevor das Material in Trumen und Freien Imaginationen wieder auftaucht. Den wohl ambitioniertesten Nachweis dieser Wirkungsweise unternahm Silverman (1983). Mit seiner »subliminalen psychodynamischen Aktivierung« (SPA) versuchte er zu belegen, dass sich durch subliminale optische Darbietung von Texten unbewusste Phantasien erregen lassen. In einigen Fllen gelang es ihm, pathologisches Denken und Verhalten kurzzeitig zu verbessern oder zu verschlechtern. Vor allem die Annahmen zur Psychogenese der Schizophrenie sah Silverman damit besttigt. (Seine Arbeiten wurden jedoch auch kritisch kommentiert, vgl. Balay u. Shevrin, 1988). Spence und Gordon (1973) untersuchten die Wirkungen »oral geladener« subliminaler Stimuli gerade bei Probanden, die dazu neigten, Zurckweisungen durch Essen zu »kompensieren«. Wurden die Probanden von Versuchsleitern sehr abweisend behandelt, fhrte ein subliminal applizierter »Milch«-Stimulus zu vermehrten »regressiv-oralen« Antworten. Spence und Gordon schlossen daraus, dass die Auswirkungen der Erlebnisse von Zurckweisungen, das heißt hier: 13
Vgl. die Untersuchungen zur optischen Prsentation und den lateralen Stimulationen (Leuschner u. Hau, 1992). 14 Dieser Abschnitt ist entnommen aus: Leuschner, Hau u. Fischmann (2000, S. 27 f.).
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Abkçmmlinge unbewusster frher, oraler Phantasien, durch subliminale Stimuli in das Bewusstsein gebracht worden waren, subliminale Stimuli also grundstzlich in der Lage sind, Zugang zu unbewussten Phantasien zu verschaffen beziehungsweise es unbewussten Wnschen ermçglichen, im Traum zu erscheinen. Smith, Spence und Klein (1959) stellten erstmals die Einflussnahme subliminaler Wahrnehmungen auf bewusste Gedanken und Rede dar. Am schwierigsten erwies sich dabei immer wieder die Frage, welchen Einfluss individuelle Persçnlichkeitsfaktoren haben. Am besten gesichert ist eine Hemmung subliminaler Effekte im Fall der Tendenz, zu verdrngen (»repressiveness«, vgl. Shevrin, 2000). Bokert (1968) kombinierte die Subliminalisierung von Wahrnehmungen mit experimentell stimulierten triebhaften Bedrfnissen. In seiner berhmt gewordenen »Durst-Studie« entzog er den Versuchspersonen am ersten Versuchstag zunchst Essen und Flssigkeiten und gab ihnen dann vor dem Schlaf stark salzhaltiges Essen. Einer zweiten Versuchsgruppe wurde nachts, vor den REM-Weckungen, ein subliminaler verbaler Stimulus vorgespielt, in dem von einem »cool delicious drink of water« die Rede war. Bei der Auswertung der Trauminhalte fand Bokert eine signifikante Zunahme »durstbezogener« Inhalte in beiden Gruppen, noch strker ausgeprgt in der zweiten. Eine genaue Inhaltsanalyse der Trume ergab noch einen weiteren wichtigen Befund hinsichtlich des Verhaltens nach dem Schlaf: Solche Probanden, die von den Durst oder den Hunger befriedigenden Trauminhalten berichtet hatten, tranken am nchsten Tag weniger und empfanden sich als weniger durstig als solche, die nicht entsprechend befriedigende Trauminhalte aufwiesen. Hierin ist ein deutlicher Beleg fr die Wunscherfllungsfunktion des Traumes zu sehen, wie sie Freud vertrat; die Trume scheinen darber hinaus real zu beruhigen.
Weiterentwicklungen der Subliminalisierungsmethode15 Fisher (1974) hatte beobachtet, dass sich die durch eine tachistoskopische Stimulation erzeugten Effekte auch durch die lnger dauernde Prsentation von Vexierbildern herbeifhren lassen. Er stellte fest, 15
Dieser Abschnitt ist entnommen aus: Leuschner, Hau u. Fischmann (2000, S. 29 f.).
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dass das Stimulusmaterial offenbar durch die gleichen Bearbeitungsmechanismen prozessiert wurde wie im Fall subliminaler Reize. Das legte die Annahme nahe, dass das subliminal ausgelçste vorbewusste Prozessieren des Stimulus kein Erzeugnis nur der subliminalen Wahrnehmungsbeschrnkung, der Tachistoskopie ist. Auch Erdelyi (1985) fand subliminale Bearbeitungsschritte im Fall von Stimuli, die lediglich »maskiert«, durch andere Bildinhalte berdeckt und deshalb bewusst »unbeachtet« geblieben waren. Dixon (1956) hatte beschrieben, dass unterhalb der akustischen Wahrnehmungsschwelle gemachte verbale ußerungen ebenfalls als subliminale Reize wahrgenommen werden kçnnen und in der Lage sind, Pçtzl’schen Effekten vergleichbare Resultate zu erzielen. Pine (1961) demonstrierte, dass auch im Fall akustischer Stimuli subliminale Effekte ohne Subliminalisierung herbeigefhrt werden kçnnen. Er untersuchte die Wirkungen von beilufig gesprochenen und als irrelevant erlebten Wortbeschreibungen mit phallisch-aggressiven und oral-passiven Konnotationen auf nachfolgend erzhlte Geschichten, so genannte »incidental stimuli«. Er verglich die Effekte mit gerichteten, als relevant erlebten, »fokalen« Informationen und fand, dass die »irrelevanten« Wçrter, primrprozesshaft verwandelt wiederauftauchten, whrend die »fokalen« Stimuli eher direkt, in einen sekundrprozesshaften Zusammenhang eingebaut wurden. Hatte schon Pçtzl mit den Implikationen seines »Ausschlussgesetzes« (bewusst Erkanntes taucht in den folgenden Traumberichten und Traumzeichnungen nicht wieder auf ) die besondere Rolle der Grenze zum Unbewussten infrage gestellt, so folgte aus solchen Untersuchungen unzweideutig, dass die tachistoskopischen Effekte gerade nicht durch die Grenzziehung zwischen bewusst/unbewusst zu definieren sind. Die bergnge zwischen Unbewussten und Vorbewussten beziehungsweise dem Bewusstsein wurden damit fließend. Es wurde klar, dass mit der »Subliminalisierung« kein ausschließlicher Zugang zum Unbewussten gefunden wurde, sondern dass diese Effekte auch mit Aufmerksamkeitsbesetzungen zu tun haben. Die Versuche von Fisher und Pine zeigten denn auch, dass Subliminalisierung eine Methode unter anderen ist, die Zugang zu einem speziellen Prozessieren verschafft, aber diesen Zugang ermçglichen auch andere Methoden, bei denen ein Aufmerksamkeitsentzug stattfindet. Damit werden Vorgnge einer »perception without awareness«
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sichtbar. Das Ziel solcher Verfahren ist die Zuweisung zu Bearbeitungsvorgngen, die fr die Traumbildung und das freie Assoziieren von herausragender Bedeutung sind. Subliminalisierung wirkt also nicht an der Grenze zwischen bewusst/unbewusst, sondern schleust Reize in ein spezielles Verarbeitungssystem und bergibt die Inhalte dessen Operationen.16
Die Untersuchung des Vorbewussten mit der Subliminalisierungsmethode17 Die Erweiterung des Subliminalittsforschungsfeldes um den Aufmerksamkeitsbereich aufgrund der Erkenntnis, dass Aufmerksamkeit eine hnlich entscheidende Rolle spielt wie die Bewusstheit, 16
Der Einwand, dass von subliminalen Reizen nur dann gesprochen werden kçnne, wenn auch die Stimulation berhaupt nicht bewusst wahrgenommen werden kann, ist immer wieder erhoben worden (vgl. Dixon, 1971, 1981). Zum Beispiel wurden die gesprochenen Texte in den Versuchen von Dixon (1956) den Versuchspersonen nur so leise vorgespielt, dass subjektiv akustisch berhaupt nichts davon wahrgenommen werden konnte, weder Inhalte noch Ton. Schon gehçrte bedeutungslose Zischlaute beim Flstern machten den Stimulus supraliminal. Demnach kçnnte Pçtzls Verfahren nicht mehr als subliminal klassifiziert werden, denn selbst bei einer Millisekunde Prsentationsdauer ist ein Lichtschein noch immer wahrnehmbar, auch wenn die Inhalte des Bildes vçllig im Dunkeln bleiben. Die eigentliche Bedeutung der Subliminalisierungsvorgnge liegt jedoch in ihrem psychologischen Status, es geht dabei nicht um Physiologie. Argumente, die gegen Pçtzls Methode einwenden, dass diese deshalb nicht »subliminal« sei, weil alle optischen Eindrcke, und seien sie auch noch so kurz, auf der Netzhaut Nachbilder hinterlassen wrden, greifen nicht. Natrlich setzen alle Subliminalisierungen auf irgendeine Weise physiologische Prozesse in Gang, brigens nicht nur auf der Netzhaut, sondern im gesamten Zentralnervensystem. Trume und Stimulationseffekte kann man dann als »Nachbilder« verstehen, aber eben nicht nur als retinale. Doch die von der Subliminalittsforschung erfassten Phnomene grnden auf mentalen Daten, erwachsen allein aus subjektivem Erleben. Nur die ehrliche Selbstbeobachtung der Probanden entscheidet, ob eine Wahrnehmung bewusst oder unbewusst, beachtet oder unbeachtet bleibt. Alle nachfolgenden Konstruktionen und Begriffe grnden darauf und sind von daher psychologischer Natur. 17 Dieser Abschnitt ist entnommen aus: Leuschner, Hau u. Fischmann (2000, S. 30 – 33).
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machte die Subliminalittsforschung auch fr die Kognitionspsychologie interessant. Erst durch die Annahme einer »perception without awareness« beziehungsweise einer »cognition without awareness« wurde die theoretische und experimentell-praktische Untersuchung unbewusster Prozesse mçglich. Diese Konzepte versprachen nmlich, sich aus der Engfhrung mit einer vermeintlich spekulativen oder dogmatischen Psychoanalyse befreien zu kçnnen. Das Unbewusste, so die attraktive Vorstellung, ließe sich ohne psychodynamische Konzepte wie Verdrngung, Zensur oder Primrprozess erforschen. In ausfhrlichen Darstellungen haben Dixon (1981) und andere Autoren (vgl. Bornstein u. Pittman, 1992) beschrieben, wie seit den 1950er Jahren in vielen Studien auf immer differenziertere Weise belegt werden konnte, dass es eine »cognitition without awareness« tatschlich gibt und dass solche Wahrnehmungen unser Denken, Urteilen, Fhlen, Erinnern und Handeln in vielfltiger Weise beeinflussen. Aus dieser Perspektive war dann die bewusste Aufmerksamkeit zwar unverndert fr willentliche Kontrolle, gezielte Aktivitt und Kommunikation erforderlich, aber nicht mehr unerlssliche Voraussetzung fr komplexes psychologisches Denken und Handeln. »Cognitition without awareness« wurde als ein eigenstndiges mentales Operationssystem definiert und als »cognitive unconscious« bezeichnet, von dem angenommen wurde, dass es die Aktivitten des Bewusstseins stndig begleite und moduliere (vgl. Fisher, 1988; Schacter, 1987; Tulving u. Schacter, 1990). Damit wurde theoretisch auf das alte Dissoziationismuskonzept der franzçsischen Psychiatrie um Janet zurckgegriffen (vgl. Ellenberger, 1973). Als Dixon (1981) die bei Subliminalisierungen angestoßenen Vorgnge als »preconscious processing« bezeichnete, versuchte er, diese konzeptuelle Spaltung zwischen Kognitionspsychologie und Psychoanalyse wieder aufzuheben. Er zeigte auf, dass die von der Subliminalittsforschung erfassten und beschriebenen nichtbewussten Strukturen und Prozesse zusammen mit bewussten, als aufeinander bezogene parallele Prozesse konzeptualisiert werden kçnnen, und zwar nicht nur im Sinne der Informationstheorie. Dixon versuchte die Ergebnisse der Subliminalittsforschung mit dem System Vbw, dem Vorbewussten Freuds, in Verbindung zu bringen.
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Freud (1900, 1920) unterschied zweierlei Unbewusstes: Das erste und ihm bedeutsamere nannte er das »dynamisch Unbewusste«. Es prozessiert unverdrngte und verdrngte Triebreprsentanzen. Diese sind mit starken psychischen Energien ausgestattet und werden von speziellen Mechanismen des Primrvorgangs beherrscht. Das heißt, psychische Energie strçmt ohne Behinderung – ber Verschiebung und Verdichtung – frei ab, sucht auf krzesten Wegen die volle Befriedigung von Wnschen zu erzielen, inklusive halluzinatorischer Besetzung der Vorstellungen, ohne Rcksicht auf Realitt und Realittslogiken. Die Triebreprsentanzen unterliegen jedoch starken Gegenkrften, Verdrngungsimpulsen, die ihre Bewusstwerdung und motorische Abfuhr verhindern wollen, wodurch es zu wechselseitigen, dynamischen Prozessen zwischen den verschiedenen Krften kommt. Da es aber auch unbewusste Vorstellungen gibt, die jederzeit und ohne große Verdrngungsarbeit bewusstseinsfhig gemacht werden kçnnen, grenzte Freud vom System Ubw das »deskriptiv Unbewusste« ab, dem er den Namen Vorbewusstes (System Vbw) gab. Die Eigenschaften dieses Systems Vbw charakterisierte Freud wie folgt: – Das Vbw erlaubt das Auftauchen unbewusster Erinnerungen. »Dynamisch« unbewusste Impulse und Erinnerungen kçnnen sich nur infolge der Passage durch das Vorbewusste Zugang zum Bewusstsein und zur motorischen Abfuhr verschaffen. Dabei verbinden sich die Triebregungen mit Vorstellungen aus dem Vorbewussten. Auf diese »harmloseren« Vorstellungen wird die Intensitt der unbewussten Triebregungen bertragen (vgl. Freud, 1900). – Das System Vbw unterscheidet sich vom dynamischen Unbewussten (System Ubw) dadurch, dass hier Energien gebunden und reguliert sind. Dabei sind Sachvorstellungen mit Wortvorstellungen verknpft. Die Regulierung, Bindung, Begrenzung, die Bercksichtigung der Realitt und der zeitliche Aufschub sind Merkmale des Sekundr-Vorganges, welcher die Arbeit des Vorbewussten definiert. – Erregungsvorgnge im Vorbewussten kçnnen ungehindert ins Bewusstsein gelangen. Voraussetzung dafr ist lediglich, dass eine Aufmerksamkeitsbesetzung der vorbewusste Inhalte erfolgt.
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– Anders als das Unbewusste hat das Vorbewusste einen offenen Zugang zur willkrlichen Motilitt. Vor allem die letzten drei aufgefhrten Eigenschaften des Vorbewussten passen zu jenen Vorgngen, die man beim Prozessieren subliminal prsentierter Stimulusinhalte beobachten kann. Insofern untersttzt dies Dixons Annahme, den Gegenstandsbereich der Subliminalittsforschung mit dem Vorbewussten in Verbindung zu bringen. Wie die obige Aufstellung zeigt, kçnnen Eigenschaften, die Freud dem dynamisch Unbewussten zuschrieb (psychische Energie strçmt ohne grçßere Behinderung – ber Verschiebung und Verdichtung – frei ab, sucht auf krzesten Wegen volle Befriedigungen von Wnschen zu erzielen, inklusive halluzinatorischer Besetzung der Vorstellungen, ohne Rcksicht auf Realitt und Realittslogiken), also die Eigenschaften des Primrvorganges, auch beim Prozessieren subliminaler Stimulusinhalte beobachtet werden. So gesehen beschrnkt sich aus psychoanalytischer Perspektive die Bearbeitung subliminaler Stimulusinhalte eben nicht bloß auf das System Vbw, sondern ist, zumindest was die Verschieblichkeit der Energien anbetrifft, zum dynamisch Unbewussten hin offen. Es herrschen hier Bedingungen, die ursprnglich dem dynamisch Unbewussten zugeschrieben wurden.
Cognitive unconscious versus kognitives Unbewusstes – Ein Vergleich Die oben beschriebenen Gemeinsamkeiten sind aber nicht der Grund, warum das von vielen Kognitionspsychologen beschriebene »cognitive unconscious« nicht wirklich dem entspricht, was die psychoanalytischen Forschungen im Vorbewussten entdeckt haben. Dies wird klar, wenn man sich die Eigenschaften vor Augen hlt, die in kognitionspsychologischen Konzepten dem »cognitive unconscious« zugeschrieben werden. Negiert wird bei solchen berlegungen die Existenz und Relevanz des dynamisch Unbewussten, wie es im Rahmen psychoanalytischer Theorien entwickelt wurde. Das Konzept des »cognitive unconscious« akzeptiert unbewusste Wahrnehmungs- und Denkprozesse, ignoriert aber alles Konflikttrchtige und hat, wie Shevrin (1992) ausfhrte, keinen Platz fr Affekte, Motive, Verdrngung, Angst und Konflikt entwickelt. »Am Beispiel des Begriffs
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›bewusst‹ hat Shevrin (1992) aufgezeigt, wie verwirrend unterschiedlich vermeintlich gemeinsame Schlsselbegriffe von den beiden Disziplinen jeweils definiert wurden und werden (und wie der Wechsel von Adjektiv zu Substantiv, von »conscious« zu »consciousness«, in beiden Disziplinen die Bedeutungen weiter divergieren lsst)« (Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 34). Diese unterschiedlichen Fundierungen von »cognition« und »Kognition« verhinderten, dass ein Vorbewusstes Processing System zum gemeinsamen Treffpunkt und Arbeitsbereich beider Disziplinen werden konnte. Sie lassen eine Arbeitsteilung, bei der die Psychoanalyse die »Kognition« der Kognitionspsychologie berließe, nicht zu. Letztlich ist es diese »dynamische« Differenz, welche die Notwendigkeit einer spezifisch psychoanalytischen Kognitionsforschung im Labor begrndet (Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 34). Mit dieser Abgrenzung ist aber nicht entschieden, wie das Vorbewusste Processing System beschaffen ist, welche Operationsregeln hier gelten, wie es mit dem Bewusstsein einerseits und dem dynamisch Unbewussten andererseits interagiert. Anders als Freud es formulierte, lsst sich das Vorbewusste vielmehr als ein eigenstndiges psychisches System verstehen, das – im Gegensatz zum dynamischen Unbewussten – einen eigenen »Wahrnehmungs-Eingang« und einen eigenen Zugang zur Motilitt hat. Um den spezifischen kognitiven Aktivitten, die in diesem System anzutreffen sind, gerecht zu werden, erscheint es sinnvoll, von einem »Vorbewussten Processing System«, kurz »VPS« zu sprechen. Das entspricht auch kognitionspsychologischen Vorstellungen, neben dem Bewusstsein ein zweites, »vollstndiges« Wahrnehmungs-, Prozess- und Aktionssystem anzunehmen, welches die bewussten Operationen beeinflussen kann (Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 34 f.). Hinsichtlich dieser Einflussnahme auf das Bewusstsein ist zu betonen, dass auch durch das dynamisch Unbewusste eine solche Einflussnahme auf das System Bw erfolgt, ein Aspekt, der bei kognitionspsychologischen Theorien fehlt. Das VPS spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung von Trumen und von Assoziationen. Vor allem die Erkenntnis, dass hier Mechanismen des Primrvorganges wirksam sind, gab und gibt Anlass, nicht nur nach den Binnenfunktionen des VPS zu fragen, sondern auch nach dem Verhltnis zum Unbewussten.
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Der Dissoziierungs-Reassoziierungs-Prozess Wie kann man sich nun die spezifischen Funktions- und Verarbeitungsmechanismen des VPS vorstellen? Erste Befunde, aus denen eine Theorie der Prozesse in diesem System konzipiert werden kann, wurden anhand von Experimenten optischer Stimulation mittels Tachistoskopie erhoben (siehe Leuschner u. Hau 1992; Leuschner et al., 1994). Im Rahmen dieser Experimente wurden auch genaue Einzelfallanalysen durchgefhrt. Dabei wurde gezielt versucht, die verschiedenen Bearbeitungsschritte von Stimulusmaterial zu unterschiedlichen Abrufzeiten und Abruf-»Zustnden« systematisch zu erfassen. Die Analysen zeigten »regelmßig bestimmte Vernderungsmodi, die als charakteristisch fr eine Bearbeitung subliminaler optischer Reize gelten kçnnen. Diese sind: – Stimulusidentische Wiederkehr von isolierten Einzelobjekten. – Wiederkehr des Stimulusobjekts mit vernderter Form, das heißt, allein die Form eines Stimulusobjektes wurde beseitigt und durch eine andere Form ersetzt. – Stimulusgetreue Formen bleiben erhalten, werden aber auf neue Ersatzobjekte verschoben (bewahrte Form, neue Konzepte). – Separate Verschiebung allein der Farbe. – Wiederkehr in Form von Kompromissbildung, Zusammenziehung, Vertauschung der Objekte. – Darstellungen via klangliche Assonanzen. – Spiegeldrehungen (Seitenverkehrung). – Multiplikationen von Stimulusobjekten (Doublettenbildung), »Travelling«, also das mehrfache Auftauchen eines bestimmten Stimulusobjektes zu verschiedenen Abrufzeiten. Diese die ursprnglichen Stimulusobjekte entstellenden Vernderungen erlauben nun eine Extrapolation, dass nmlich der subliminale Stimulus nicht nur in Einzelobjekte, sondern darber hinaus in typische Untereigenschaften von Einzelobjekten (Farbe, Form, Konzept) zerlegt worden sein muss, denn was separat wiederkehrt, muss vorher voneinander gelçst und streckenweise isoliert prozessiert worden sein« (Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 36). Anders formuliert: Beim Prozessieren der Stimulusperzepte zerfallen Objektbilder in kleinste Teile, nmlich in Subkategorien,
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die dann jeweils unterschiedlich verwendet werden. Ein solches mehrstrngiges Prozessieren haben Livingstone und Hubel auch bei ihren Untersuchungen des visuellen Kortex beschrieben (vgl. auch Pçppel, 1997). Um die beobachteten Retrieval-Effekte erklren zu kçnnen, ist aber, neben der Annahme von Zerfallsvorgngen, noch eine weitere Voraussetzung nçtig: Zu allen Einzelelementen mssen »Bauplne« gehçren, syntaktisch wirksames Wissen oder Kohrenz-Faktoren, die auf verschiedenen Niveaus die Verbindungen der Elemente, die Assoziationen oder Reassoziationen stiften. Mehr noch als die Radikale sind diese syntaktischen Faktoren von Interesse. Die Verwendung des Wortes Reassoziierung (und nicht zum Beispiel Synthese) hat ihren Sinn, denn es ist anzunehmen, dass die syntaktische Leistung entlang von vorhandenen Assoziativbahnen erfolgt, die durch semantische, episodische und motorisch-praktische Erfahrungen zustande gekommen sind. Solche Assoziationsbahnen sind von Palombo (1992) durch einen »Assoziationsbaum« oder von Hartmann (1998) durch das Konzept der »nets of mind« charakterisiert worden. Durch weitere Beobachtung von Reassoziierungsleistungen gerade im Traum lassen sich die psychologischen Eigenschaften dieser assoziativen Netze in Zukunft genauer bestimmen. Die mehr oder weniger gelungenen »Reassoziationen sind besonders gut beobachtbar, wenn man das ›Stimulus-Retrieval‹ durch den Traum qualitativ und quantitativ mit den Wiederbringemçglichkeiten der Freien Assoziationen vergleicht. Im Traum sind Stimulusteile assoziativ entstellt, verschoben, verdichtet und – wie Pçtzl schon beobachtete – sequentialisiert, also gewissermaßen ›verdnnt‹ dargestellt« (Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 38). Die Annahme solcher syntaktischer Faktoren ist nicht neu. Sie ist in vielen Konzepten vorgedacht, so in Freuds »sekundrer Bearbeitung« (1900), in Foulkes (1985) »planning« beziehungsweise »narrative sequencing« oder in Edelmans »global maps« (1989). In diesen Konzepten geht es um Synthetisierungen und Reassoziationen. Die Befunde aus den Experimenten am Sigmund-Freud-Institut geben Anlass anzunehmen, dass die Wirkungen von Wnschen, Affekten, bertragungsneigungen, aber auch traumatischen Erfahrungen genau dieses Vermçgen besitzen und damit als syntaktische »Klammern« verstanden werden kçnnen, welche die Eigenschaft haben,
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disparate psychische Elemente zu erfassen und auf wechselhafte Weise zusammenfgen. Die beobachteten Vorgnge bei der Bearbeitung subliminalisierter optischer Reize lassen sich dann zusammenfassend als DissoziierungsReassoziierungs-Prozess beschreiben (Leuschner et al., 1994). Dabei dissoziieren Stimulusobjekte nach der Prsentation in mehr oder weniger locker miteinander verbundene Einzelbestandteile, erst in Einzelobjekte und diese dann in ihre Subkategorien (Formen, Konzepte, Wortklnge, Farben); Letztere werden – um Verwechslungen mit neurophysiologischen Befunden zu vermeiden – als »Radikale« bezeichnet. Bei Wiederdarstellungen werden diese Radikale entweder entlang alter Kohsionslinien (einigermaßen stimulusgetreu) oder in neuer Gestalt reassoziiert. In den allermeisten Fllen wird das wiederkehrende subliminale Material in anderen Traumszenen und den Freien Imaginationen »versteckt«, das heißt so in andere »Plots« integriert, sekundr bearbeitet und mit ihnen vermischt, dass ihre Abkunft in verbalen Berichten unkenntlich bleibt. Im Fall optischer Stimulationen bringt zumeist erst die Malprozedur, die malende Hand (Zeichnungen, Gesten, Szenen) die Stimulusanteile zum Vorschein. Insbesondere Befunde der Traumaforschung (Hartmann, 1998) sprechen dafr, dass dieser Mechanismus nicht nur fr das Prozessieren experimentell induzierter Reize in Anspruch genommen werden kann, sondern auch »natrlichen« Traumbildungs- und Assoziationsablufen zugrunde liegt (Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 39). Aufgrund unterschiedlicher Wiederdarstellung in Trumen und in Freien Assoziationen lsst sich annehmen, dass dieser DissoziierungReassoziierungs-Vorgang nach einem von verschiedenen Faktoren abhngigen Gleichgewichtszustand strebt.18 Zuknftige Untersuchungen werden zeigen mssen, ob die Systeme Bw, Vbw und Ubw mçglicherweise durch spezielle »Dissoziationskonstanten« charakterisiert werden kçnnen oder ob die Vorstellung Gills (1963) zutrifft, wonach die starre topische Unterscheidung zwischen den Systemen 18
Hier wird ein Vergleich zu fest verbundenen chemischen Moleklen gezogen, die – entsprechend den Faktoren des Massenwirkungsgesetzes – in einem bestimmten Mengenverhltnis in ihre Radikale dissoziieren.
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Ubw, Vbw und Bw zugunsten von fließenden bergngen aufgegeben werden kann und dass sich primr- von sekundrprozesshaften Leistungen nicht prinzipiell, sondern nur quantitativ voneinander unterscheiden.
Die tachyakustische Beeinflussung von Trumen19 Die Untersuchungen verschiedenartiger sensorischer Stimulationen vor und whrend des Schlafes erbrachten ein Vielzahl von Befunden, die genauere Rckschlsse auf die Inkorporationen knstlicher Reize in das Traumgeschehen auch in den verschiedenen Schlafstadien zuließen (vgl. Dement u. Wolpert, 1958b; Dement, 1976; Koulack, 1969; Foulkes, 1970; Berger, 1963; Oswald et al., 1960; McDonald et al., 1975; Roffwarg et al., 1978; Fisher, 1960; Shevrin, 1986; Cartwright, 1974; Strauch u. Meier, 2004). Als entscheidend erwies sich, dass die Stimuli gewissermaßen markierte »Tagesreste« darstellten, deren Effekte und Bearbeitung sich dann in den Traumberichten genauer erfassen ließen. Untersucht wurden dabei die Effekte verschiedener Reizmodalitten, also taktile, thermale, optische und akustische Einflsse, wobei die beiden letzten immer von besonderem Interesse waren, weil sie am besten den differenzierten Wahrnehmungen des Alltagslebens gemß gestaltet werden konnten. Mit der wachsenden Zahl der Untersuchungen wurde deutlich, wie schwierig die Re-Identifizierung des Reizmaterials in den Traumberichten war. Es kehrte relativ selten wieder und wenn, dann oft in entstellter Form, weitgehend den von Freud beschriebenen Bearbeitungsmechanismen der Traumgedanken entsprechend. Fisher (1960) behauptete in diesem Zusammenhang, dass im Hinblick auf das Bearbeiten des Stimulusmaterials »die Traumarbeit bereits am Tage beginnt«. Dies bedeutet, dass die seltene Wiederkehr und Re-Identifizierung des Stimulusmaterials in den Traumberichten immer auch als subjektiv willkrliche Interpretation kritisiert werden kann. Wie man die Wiedererkennung optischer Stimuli verbessert und welche Vernderungsmodi bei der zeichnerischen Darstellung von 19
Wesentliche Teile dieses Abschnitts sind entnommen aus: Leuschner, Hau u. Fischmann (2000, S. 40 ff.).
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Trumen erkennbar werden, ist in einer frheren Untersuchung dargelegt (vgl. Leuschner u. Hau, 1992). Das besondere Interesse von Untersuchern galt aber immer wieder akustischen Inkorporationsmçglichkeiten. Im Vergleich zu optischen Reizversuchen schien dies zwei Vorteile zu bringen: 1.) die Trume konnten whrend des Schlafens beeinflusst werden, ohne dass die Schlfer geweckt werden mussten und 2.) besser als bei anderen Wahrnehmungsmodi konnten individuelle Erlebnisse, Gedanken, Wnsche und Emotionen zu einem Stimulus verarbeitet und dann in den Traum eingeschleust werden, um dann deren Traumgestaltungskraft genauer zu untersuchen (vgl. Cartwright, 1974; Strauch u. Meier, 2004). Von den akustischen Verfahren erhoffte man sich die Klrung der Annahmen Freuds, wonach letztlich sprachlich verfasste Wnsche die Trume generierten. Auch eine andere Annahme Freuds, wonach wçrtliche Rede vom Vortage, wenn auch entstellt, im Traum wieder als wçrtliche Rede auftauche, schien sich auf diese Weise testen zu lassen. Als nachteilig erwies sich, dass akustische Ereignisse im Traum, im Vergleich zu optischen Eindrcken, seltener auftreten. In systematischer Weise wurden nchtliche akustische Inkorporationsversuche erstmals von Berger (1963) unternommen. Als Stimuli verwendete er vier Namen, zwei davon mit starker emotionaler Bedeutung fr die Versuchspersonen. Vier Mnner und vier Frauen berichteten ungefhr zehn Trume aus vier bis sechs Versuchsnchten. Berger fand heraus, dass die Versuchspersonen auch Wortstimuli, vor allem emotional relevante Stimuli aus der Außenwelt wahrnahmen, und dies auch bei Stimulationen whrend der REM-Phasen. Es zeigte sich, dass den Probanden nicht bewusst wurde, dass es sich um einen externen Stimulus handelte, vielmehr fassten sie ihn als Teil des aktuellen Traumgeschehens auf. Berger demonstrierte, dass der Stimulus in den Trumen in vielfltig transformierter Form wiederkehren kann und auch entlang des Wortklanges verndert wird. Transformationssprnge in eine andere Sinnesmodalitt wurden bei ihm und in der Folge auch bei anderen Untersuchern immer wieder erwhnt, bisher aber nicht systematisch erfasst und beschrieben, wenn man von der Klartraum-Forschung einmal absieht. Weitere Hinweise auf die Wahrnehmung und das Verstehen akustischer Stimuli whrend REM-Phasen erhielten auch Castaldo
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und Holzman (1967, 1969). Wurden den Probanden im Schlaf, fnf Minuten nach dem Beginn einer REM-Phase, einzelne, von ihnen zu einem vorherigen Zeitpunkt gesprochene Worte vorgespielt und verglich man diese Trume mit solchen, bei denen dieselben Worte zuvor von einer fremden Person gesprochen worden waren, so tendierten die Trauminhalte nach dem Hçren der selbst gesprochenen Worte zu mehr Aktivitt, mehr Selbstbehauptung und Unabhngigkeit als nach dem Hçren der Worte, die von einer fremden Person gesprochen waren. Hier neigte die Versuchsperson in ihren Trumen zu mehr Passivitt und Nicht-Behauptung. Darber hinaus konnten Castaldo und Holzman verschiedene Varianten des Stimuluseinbaus in das Traumgeschehen beschreiben, so zum Beispiel die Wiederholung von Inhaltselementen, Verdichtungen, Assonanzen und andere Transformationen. Dass Stimuli whrend des Schlafes erkannt und mit unterschiedlichen Reaktionen bedacht werden, konnten McDonald et al. (1975) in einer Untersuchung an 13 Versuchspersonen demonstrieren. Wurde den Versuchspersonen ein im Wachzustand konditionierter akustischer Reiz im Schlaf (in REM und NREM) vorgespielt, so zeigten sie andere physiologische Begleitreaktionen (Herzrate, Plethysmogramm am Finger) als bei der Prsentation eines neutralen akustischen Stimulus. Diese Reaktionen zeigten sich in allen Schlafstadien. Allerdings schien der Zugriff auf die im Langzeitgedchtnis gespeicherten Informationen, so die Schlussfolgerung von McDonald et al., am besten whrend des Schlafstadiums S2 zu gelingen. Die Verfgbarkeit in Stadium S4 war am schlechtesten. Whrend der REM-Phasen bestand ein mittelguter Grad an Zugriffsmçglichkeiten. Die Untersuchung von Oswald, Tailor und Treisman (1960) verdient in diesem Zusammenhang besondere Beachtung, auch wenn keine mndlichen Berichte erhoben wurden, sondern die Effekte von Tonbandaufnahmen der Vornamen der Probanden auf deren NREMSchlaf anhand des galvanischen Hautwiderstandes und vor allem anhand der Anzahl der K-Komplexe untersucht wurden. Ausgehend von der Hypothese, dass das Aufwachen nach einer Stimulusprsentation von der vorausgehenden kortikalen Analyse der individuellen Bedeutungen eines Stimulus abhngt, prsentierten Oswald et al. whrend der Nacht den Probanden ihre eigenen Vornamen im Ver-
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gleich mit Namen anderer Personen. Das besondere an der Untersuchung war, dass auch dann signifikant mehr K-Komplexe bei den Probanden nach der Stimulation mit den eigenen Vornamen im NREM-Schlaf festgestellt wurden, wenn man die eigenen Vornamen der Probanden rckwrts vorspielte. Sieht man das Rckwrts-Abspielen eines Wortes als eine Art »verdeckten« Stimulus an, im Sinne einer »Subliminalisierung«, so ist dies ein Hinweis darauf, dass auch whrend des Schlafzustandes verdeckte akustische Reize wahrgenommen, dekodiert beziehungsweise sinnvoll zugeordnet und verarbeitet werden kçnnen. Oswald et al. interpretierten die Abwesenheit einer Reaktion auf »unbedeutende« Namen anderer Personen nicht als kortikale Hemmung des afferenten Zuflusses des Kortex, sondern als Resultat der kortikalen Analyse des Stimulus, der fr uninteressant gehalten wurde. Dieses Ergebnis war ein Hinweis auf die außergewçhnlichen Reizverarbeitungsmçglichkeiten des menschlichen Gehirns. Mykel und Daves (1979) prsentierten ihren Probanden einen subliminalen akustischen Stimulus unterhalb der Hçrschwelle in ein Ohr, whrend in das andere Musik gespielt wurde. Auch ihre Ergebnisse zeigten, dass der Stimulus von den Probanden vorbewusst wahrgenommen worden war. Besondere Perzeptionseffekte akustischer subliminaler Stimuli demonstrierten Kotz und Mçller (1990). Sie untersuchten die Vernderungen des galvanischen Hautwiderstands nach der Prsentation von jeweils neun neutralen beziehungsweise neun emotionalen Wçrtern (die drei dB unterhalb der jeweils individuellen Hçrschwelle vorgespielt wurden). Dabei hatten die subliminal prsentierten emotionalen Wçrter – wie bei Oswald et al. (1960) – einen signifikanten Anstieg des galvanischen Hautwiderstands zur Folge. Strauch und Meier (1989) untersuchten die Effekte neutraler und gefhlsbesetzter Gerusche auf die Trume. Trotz »niedriger Trefferquoten« fanden sich eindeutige Effekte, und zwar sowohl bei optischen wie bei akustischen Trauminhalten. Von besonderer Bedeutung sind schließlich die Arbeiten von Cipolli et al. (1979), weil hier erstmals versucht wurde, die verbale Beeinflussung des Traumgeschehens unter linguistischen Gesichtspunkten zu erfassen. Cipolli und seine Mitarbeiter wiesen nach, dass im Schlaf auch lngere, sinnvolle Texte »verstanden« werden und dass
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semantisch sinnvolle Stimulusstze die Probanden offenbar in anderen REM-Phasen beschftigten als sinnlose Stimulusstze. Die Fragestellung ist von besonderer Bedeutung. Foulkes (1985) vermutete, dass das Traumproduktionssystem mçglicherweise mit dem Sprachproduktionssystem identisch sei. Der Linguist Jakobson (1956) hatte schon frher auf die hnlichkeit der Traumvorgnge mit dem Modell der Sprachfunktionen hingewiesen. Die Sprache sei durch zwei Hauptmechanismen beschreibbar: Kombinationen und Substitutionen. Dies sei, so Jakobson, dem Modell der Traumfunktionen sehr hnlich, in dem eine Bildsprache beschrieben ist, mit den mannigfaltigsten Beziehungen zwischen den einzelnen Bildern, die sich gegenseitig substituieren beziehungsweise sukzessiv miteinander kombiniert werden kçnnen. Mit Hilfe ihrer linguistischen Analysen der Trume entdeckten Cipolli et al. (1975), dass bei einer Beschreibung der Trume, in ihren Worten: der Beziehung verbales Verhalten – mentale Aktivitt, der situative Kontext unbedingt bercksichtigt werden muss. Weder im Wach- noch im Schlafzustand kçnne verbales Verhalten als direkte berschreibung mentaler Aktivitt betrachtet werden. Daraus ergaben sich auch fr die unten beschriebene Studie Konsequenzen: Einerseits muss zwischen den verschiedenen Bewusstseinszustnden unterschieden werden, in denen Stimulation und Abruf stattfinden, und andererseits mssen die Umstnde der (Re-)Produktion genau bercksichtigt werden. »Die Zeitvariablen spielen eine bedeutende Rolle, da sie einerseits eine messbare und kontrollierbare Bedingung der Produktion darstellen […], andererseits als intermedire Variablen am Erinnerungsprozess beteiligt sind« (Cipolli et al., 1975, S. 319). Bei weiteren Versuchen mit (supraliminaler) Prsentation ganzer Stze zeigten sie auf, dass das Stimulusprozessieren auch von Satzinhalten abhngig ist: Semantisch sinnvolle Stimulusstze beschftigten die Probanden offenbar in anderen REM-Phasen als sinnlose Stimulusstze (Cipolli et al., 1979). Unabhngig von der Schwierigkeit einer Re-Identifizierung vorhandener Stimuluseffekte, hat die in der Regel geringe Trefferausbeute die experimentellen Traumforscher von Anfang an bewegt, die verschiedenartigen Stimuli »aufzuladen«, damit Reizmaterial vermehrt in die Trume eingeschleust werden kann. Hierzu dienten, außer den schon erwhnten Triggern wie »Emotionalisierung« der
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Reize, also eigene Namen bei Berger (1963), die eigene Stimme bei Castaldo und Holzmann (1969), Porno-Filme bei Cartwright et al. (1969), die Erregung von vitalen Bedrfnissen (wie Durst) bei Bokert (1968), soziale Isolierung (Wood, 1962), Stress (Goodenough et al., 1975), Suggestion (Tart, 1964), Hypnose (Tart u. Dick, 1970), Maskieren der Reize (Pine, 1961) und schließlich die Subliminalisierung. Die Untersuchung von Traum und Vorbewusstem am SigmundFreud-Institut sollte mit Hilfe akustischer Reizungen erfolgen. Durch sie sollte, in systematischer Anwendung einer erstmals von Leuschner (1986) beschriebenen Stimulationsmethode, die Frage weiter geklrt werden, ob der von Otto Pçtzl entwickelten Methode einer tachistoskopischen Beeinflussung von Trauminhalten und Inhalten Freier Imaginationen eine akustische Variante zur Seite gestellt werden kann. Dass eine »Subliminalisierung« nicht nur von optischem, sondern auch von akustischem Material mçglich ist, haben mehrere Untersuchungen von Dixon (1956), Fisher (1958), Pine (1961) und Borgeat et al. (1981) belegt. Leuschner (1986) spielte einigen Probanden sinnvolle Stze per Tonband vor, die durch Verdoppelung der Abspielgeschwindigkeit so verzerrt waren, dass der Inhalt bewusst nicht mehr verstanden werden konnte. Wie beim Pçtzl’schen Verfahren enthielten die Traumberichte in eindeutiger Weise leicht verwandelte Stimulussatzteile. Kaser (1986) wiederholte dieses Vorgehen und konnte die Wirksamkeit dieser Stimulationsmethode besttigen, die, in Anlehnung an die Namensgebung bei Pçtzl – als »Tachyakusie« bezeichnet wurde. Auch Kaser beschleunigte die verbalen Stimuli ebenfalls mittels Erhçhung der Tonbandgeschwindigkeit, bettete sie allerdings noch zustzlich in Musik ein. Kaser ist ebenfalls der Meinung, dass die Tachyakusie als »subliminal« wirksam definiert werden kann. Der Stimulusinhalt wird bewusst nicht verstanden, erregt also unterhalb einer subjektiven Wahrnehmungsschwelle (»limen«) fr bewusstes Hçren. Wie stellt sich die Wiederkehr von Material der tachyakustisch prsentierten Stimuli dar? Angeregt durch Dixons Werk und durch eine Mitteilung Fishers (1960) fhrte Leuschner Versuche durch, um herauszufinden, ob sich eine Wiederkehr von rezent Gehçrtem in den nachfolgenden Traumberichten feststellen lsst. Wie die im folgenden referierten Beispiele nahe legen, ließen sich tatschlich entsprechende
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Hinweise finden, »was die Deutung Fishers plausibel macht und zudem die Befunde Freuds (1900, S. 309) ber die wçrtliche Rede im Traum eindrucksvoll besttigt« (Leuschner, 1986, S. 342). Hier nun einige Beispiele aus diesen Untersuchungen: Einer 37-jhrigen Probandin wurde, »zusammen mit einem tachistoskopisch dargestellten Bild, […] in einem dunklen Raum ber Kopfhçrer der Satz […]: ›Rotkppchen beugte sich ber das Bett‹ vorgespielt. Im Moment der Exposition des doppelt beschleunigten Satzes rief sie aus: ›Ha ha, wie Donald Duck‹ und berichtete, dass sie ›nichts verstanden‹ habe. Am folgenden Tag berichtete sie, getrumt zu haben. Unter anderem erzhlte sie: ›also es hat jemand so eine verzerrte Stimme, wie das Tonband wohl war, hat geredet, und es wurde immer lauter, und ich habe es nicht verstanden, und da habe ich plçtzlich unheimlich Angst gekriegt […], und dann kam, also es ist ganz verrckt, und dann war plçtzlich vor meinem Bett ein Schatten. Der kam so auf mich zu, und ich hab Angst gehabt, und hat sich ber mich gebeugt, und ich dann irgendwie so weg, weg, und dann hat sich der Schatten in X. verwandelt.‹ Der Schatten sei ›wie so eine Fledermaus eigentlich‹ gewesen« (Leuschner, 1986, S. 343 f.).
Die Probandin hatte also den zunchst unverstndlichen Satz identifiziert. Auch wenn das Wort »Rotkppchen« nicht direkt wieder auftauchte, ließ ihr nachfolgender Bericht vermuten, dass sie den Stimulus so umfassend »erkannt« hatte, dass sie auch den weiteren Bedeutungsbereich des Satzes zu analysieren imstande war, denn sie trumte zustzlich Teile des Mrchens, die der Satz nicht benannt hatte. Weiterhin kann festgestellt werden, dass die Probandin im Traum nicht nur den Stimulus erkannt hatte, sondern auch die Art der Prsentation darstellte. Die Entstellungen, die der akustische Reiz im Traum erfuhr, unterschieden sich nicht prinzipiell von den Entstellungen, die Pçtzl, Fisher und andere in Bezug auf die optischen Reize beschrieben haben. Die Probandin verwandelte im Traum rezent akustisches Material in visuelles, es erschien im Traum also nicht in Form einer wçrtlichen Rede. Der akustische Reiz reproduzierte sich als separater Traum, ohne sich mit dem tachistoskopisch prsentierten visuellen Material zu vermischen. In einem weiteren Durchgang wurde mehreren Probanden (ohne tachistoskopische Begleitstimulation) tachyakustisch der Satz vorgespielt: »Schneewittchen fuhr mit dem Fahrrad ber die Brcke.« Der Traumbericht einer Probandin lautete dann zum Beispiel: »Morgens, nach dem Aufstehen, konnte ich erstmal
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eine halbe Stunde an nichts anderes denken als an Rumpelstilzchen und an den Satz: ›Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.‹ Im Traum war ich an sehr vielen Orten, ganz schnell nacheinander […] ich fuhr im Auto – wir suchten eine Straße, ein bestimmtes Haus. berhaupt war da noch was ganz Wichtiges, mit Wasser, Schiff ? Beim Aufwachen habe ich das festhalten wollen, jetzt ist es weg. Ich stand irgendwo drauf, unter mir Wasser, wie ein Laufsteg, nur ohne Verbindung zum Land. Ich stand allein, sah auf das sich bewegende Wasser unter mir. Im Traum war das aber irgendwie anders, als ich es jetzt schreibe« (Leuschner, 1986, S. 344 f.).
Diese Untersuchungen wurden mit weiteren Probanden fortgesetzt, um zu erkunden, ob auch schon die Freien Imaginationen, direkt nach der Prsentation des Stimulus, Inhalte des tachyakustischen Materials enthielten, wie es Shevrin (1986) in Bezug auf optische Stimulationen beschrieben hatte. Dies war in der Tat der Fall. Die Versuche mit Tachyakusie ließen erkennen, dass die von Pçtzl, Fisher und anderen beschriebenen Entstellungen eines optischen Reizes in analoger Weise auch dem akustischen Ausgangsmaterial widerfahren kçnnen. Insgesamt gesehen konnte man aus den Untersuchungen den Schluss ziehen, dass bei der Tachyakusie kognitive Reaktionen zu verzeichnen sind, und zwar sowohl in REM- als auch in NREMPhasen. Dabei zeigte sich, dass das Stimulusmaterial oft so verwandelt und weiter prozessiert wurde (Inhalte und Muster), dass es in das sich fortsetzende Traumgeschehen »hineinpasste«. Durch die vorliegenden Untersuchungen zur Tachyakusie wurde eine umfassende, genaue Beschreibung der Prozessmechanismen (zum Beispiel der Traumprozesse) aber nicht erreicht. Dies gilt auch fr die von Kaser (1986) vorgestellte Untersuchung, die sich auf den Nachweis von Effekten des beschleunigten akustischen subliminalen Stimulus beschrnkte. Die Auswirkungen wurden zwar an Fallbeispielen erlutert, ohne jedoch den Versuch einer systematischen Erfassung und Kontrolle des Prozessgeschehens zu unternehmen.
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Die systematische Untersuchung der akustischen Beeinflussbarkeit der Trume20 Diese Untersuchung sollte dazu dienen, die Wirkungsweise und Effektivitt der Methode der subliminalen akustischen Stimulation von Trumen und Freien Imaginationen systematisch zu erkunden. Das Prinzip dieses Verfahrens besteht darin, sinnvolle akustische Reize (ganze Stze) durch beschleunigte Darbietung direkt in das von Dixon beschriebene »Preconscious-Processing-System« einzuschleusen. Die sich daran anschließenden Bearbeitungsschritte der Stimuli sollten in einem zeitlichen Verlauf (ber circa 36 Stunden) und in verschiedenen Bewusstseinszustnden, anhand von mndlichen Berichten und Zeichnungen von Trumen und Freien Imaginationen, genauer erkennbar werden. Dadurch sollte eine przisere Bestimmung von vorbewussten kognitiven Leistungen in Trumen, Freien Assoziationen und verschiedenen Bewusstseinsverfassungen ermçglicht werden. Dieser Nachweis ist gelungen, denn die Ergebnisse zeigten, dass vor allem Inhalte von Kurzgeschichten, die mit 2,5-facher Geschwindigkeit beschleunigt dargeboten und dadurch komplett unverstndlich wurden, in Traumberichten und freien Einfllen der Probanden direkt erkennbar und statistisch signifikant wiederkehrten. Solche Texte werden subliminal, das heißt unterhalb einer (subjektiv definierten) Wahrnehmungsschwelle fr inhaltliches Verstehen wahrgenommen und verstanden, mit anderen Worten: formal und inhaltlich bewertet, weiterbearbeitet, behalten und sinngemß, zum Teil auch hçchst detailgetreu wiedergebracht. Stimuluseffekte waren mindestens drei Tage lang nach der Stimulation in Trumen und Freien Imaginationen nachweisbar. Die Auftretenshufigkeiten und Verteilungen wechselten, in Abhngigkeit von spezifischen Stimulusinhalten. Thematisch zusammenhngende Kurzversionen eines Stimulus, die nur drei Stze der Kurzgeschichte enthielten, konnten genau so effektiv sein wie die gesamte Kurzgeschichte; durch die inhaltliche »Beschneidung« nderten sich die Auftretenshufigkeiten nicht. Die Wiederkehr von 20
Nachfolgende Texte und Abbildungen bernommen aus: Leuschner, Hau u. Fischmann (2000).
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Inhalten konnte durch semantisch sinnlose Stimuli behindert werden, zwei sinnvolle Stimuli behinderten sich dagegen wechselseitig nicht. Als ein besonders wichtiger Befund kann gelten, dass das tachyakustische Verfahren gut geeignet ist, signifikante Inkorporationseffekte in nachfolgenden Trumen zu erzielen, wenn im Schlafzustand, sowohl bei Darbietung in Schlafstadium »REM« als auch in Schlafstadium »S4«, stimuliert wurde. Die Stimulationen im Schlaf erzielten bessere Werte in Traumberichten als in Freien Imaginationen im Wachzustand. Umgekehrt fhrten die Stimulationen im Wachzustand zu besseren Effekten in Freien Imaginationen. Die Wirkungsweise der Tachyakusie kann mit einer Zentrifuge verglichen werden: Entlang von bisher in der Literatur nicht beschriebenen »Sollbruchstellen«, abhngig vom Beschleunigungsgrad der vorgespielten Texte, dissoziiert das Gehçrte. Bei circa doppelter Abspielgeschwindigkeit werden zunchst das bewusste Behalten und dann das bewusste Verstehen unterbunden. Bei 2,5-facher Abspielgeschwindigkeit kehren die Stimulusinhalte in den Trumen und Freien Imaginationen zumeist in einer allgemeineren Version wieder. Bei dieser Darbietungsgeschwindigkeit gelangen offenbar einige Wçrter oder Wortgruppen des Textes in das »Vorbewusste Processing System«, werden hier semantisch unverwandelt oder abgewandelt gespeichert. Sie schließen sich vermutlich zu neuen, allgemeineren Komplexen zusammen (»chunks« vergleichbar) und generieren dann die in Traumberichten und Freien Einfllen der Probanden verstreuten allgemeinen Themen des originalen Textes. Anders als bei optisch induzierten Perzepten wurde bei tachyakustisch induzierten Perzepten kein direkter Zugang zur motorischen Exekutive beobachtet. Die Daten besttigen und ergnzen frhere Aussagen zur Beschaffenheit des »Vorbewussten Processing Systems«, das als »Signalentdeckungssystem« bezeichnet werden kann. Es ist fr das Bearbeiten nicht bewusster und/oder nicht beachteter Wahrnehmungen zustndig, die es in spezifischer Weise prozessiert und via Traum und Freie Imaginationen zu reproduzieren vermag. Insgesamt wurden, außer den Vorversuchen, drei Versuche durchgefhrt. Tabelle 1 informiert ber die jeweiligen Versuchsziele, wie viele Probanden untersucht wurden, welche Stimulationen durchgefhrt wurden und zu welchen Zeitpunkten das Material erhoben wurde.
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Ein Beispiel psychoanalytischer Traumforschung Tabelle 1: Allgemeiner berblick ber die Versuche Versuch N
Versuchsziele
Stimulation
Abrufe Abends: Freie Imaginationen (FI), morgens: Verbale Traumberichte (T) und FI.
Vorversuch
36 Entwicklung von: Kontrollstimulus, effektiven Standardstimuli, Stimulationstechnik; Laborerprobung.
Subliminal abends, verschiedene sinnvolle akustische Stimuli.
Versuch 1
24 Nachweis von Stimuluseffekten in FIund T. Klrung der Effektivitt von zwei Stimuli und der Frage inwieweit der Abend-Recall nachfolgende Abrufe beeinflusst.
Subliminal abends, Abends und morzwei sinnvolle gens: FI und T. akustische Stimuli, 3-Satz-Form und Geschichte.
Versuch 2
20 Nachweis qualitativer und quantitativer Effekte in REM-Trumen; Vergleich mit Morgentrumen und FI am Morgen.
Subliminal abends, Abends: FI. Standard und Nachts nach Kontrollstimulus. REM: T (3x). Morgens: Tund FI.
Vorversuch fr Versuch 3
4
Festlegung der Lautstrke fr die Stimulation whrend der Nacht in Versuch 3.
Subliminal und supraliminal nachts in REM-II, zwei sinnvolle akustische Stimuli, 3Satz-Form.
Abends: FI. Nachts nach REM: T (3x). Morgens. Tund FI.
Versuch 3
15 Beschaffung von Vergleichsmaterial bei supraliminaler Stimulation. Prfung der Zustandsabhngigkeit der Perzeptbildung beziehungsweise des Retrievals bei Stimulation in REM.
Subliminal und supraliminal nachts in REM-II, zwei sinnvolle akustische Stimuli, 3Satz-Form.
Abends: FI. Nachts nach REM: T (3x). Morgens. Tund FI.
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Zunchst musste ein optimaler Stimulus erarbeitet werden. Durch Variationen der Darbietungsgeschwindigkeit, der Tonhçhe, der Lautstrke und der Satzinhalte sollte der Stimulus in einer Weise attraktiv gemacht werden, dass er mçglichst hufig inkorporiert wird und zugleich bei der Auswertung gut identifizierbar ist. Des Weiteren wurde Vergleichsmaterial nach supraliminaler Prsentation sinnvoller Satzgebilde bençtigt. Dadurch sollten in erster Linie die Besonderheiten und mçglichen Gesetzmßigkeiten des subliminalen Prozessierens akustischen Materials, im Unterschied zu einem supraliminalen Prozessieren, darstellbar werden. Schließlich sollten Vorgnge beziehungsweise Gesetzmßigkeiten herausgearbeitet werden, insbesondere fr die Visualisierung verbaler Informationen in Trumen, um erste Antworten zu einer hier mçglicherweise wirksamen besonderen »Transformationsgrammatik« und zu semantischen Transformationsregeln, in Bezug auf Substantive, Verben und Adjektive, zu finden. Auch diente die zeichnerische Darstellung von Trumen und Freien Imaginationen der weiteren Bestimmung von Unterschieden zwischen sprachlicher und zeichnerischer Darstellung von Trumen und Freien Imaginationen, der besseren Erfassung von Visualisierungen des Stimulusmaterials und vor allem der Klrung der Frage, ob auch akustische Stimuli mehrstrngig prozessiert werden. Alle Befunde zusammen dienten darber hinaus einer weiteren Erhellung der Beschaffenheit des subliminalen Prozessgeschehens generell und besonders der Ver- und Bearbeitung von Sprache. Auch die Frage, ob tachyakustische Stimuli wie »Tagesreste« eher die Oberflche von Trumen beeinflussen oder – weitergehend als optische Reize – im eigentlichen Sinn traumerzeugendes Potential besitzen (analog der sprachlich verfassten Traumgedanken Freuds), sollte geklrt werden. Nach entsprechender Variation des Stimulus, kçnnten diese in nachfolgenden Untersuchungen als effektivere Traumgestalter genutzt werden. In dem Vergleich mit Befunden aus der Studie mit optischen Stimuli lag ein besonderer Gewinn: Hierdurch sollten bergreifende Aussagen ber die unterschiedlichen traumgenerierenden Eigenschaften dieser beiden Reizmodalitten mçglich werden. Methodisch war die Studie als kontrolliertes Laborexperiment im klinischen Bereich einzuordnen. Durch eine grçßere Probandenzahl
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sollten die methodischen Nachteile bisheriger Untersuchungen vermieden werden, die sich mit ihren Aussagen meist auf eine geringe Fallzahl sttzten. Das Versuchsdesign war so angelegt, dass sowohl Unterschiedshypothesen als auch Vernderungshypothesen getestet werden konnten. Dabei konnten Gruppen- (Stichproben-)Vergleiche sowie Einzelfallanalysen vorgenommen werden. Wiederholungsmessungen an den Probanden innerhalb eines Versuchsdurchgangs ermçglichten Verlaufsanalysen. Die Durchfhrung der experimentellen Untersuchungen dauerte insgesamt eineinhalb Jahre. Dabei konnte immer nur ein Proband ber mehrere Tage (drei oder vier Nchte) im Schlaflabor des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt untersucht werden. Insgesamt nahmen 99 Probanden an den Versuchen teil (52 Frauen und 47 Mnner). Dabei handelte es sich vorwiegend um Studenten, die per Aushang angeworben worden waren und die freiwillig an den Untersuchungen teilnahmen. Das Durchschnittsalter betrug 24 Jahre (19 bis 51 Jahre). Die Zahl der Untersuchungsdurchgnge variierte je nach Versuch. Im Vorversuch und in Versuch eins wurden in zwei aufeinander folgenden Versuchsdurchgngen jeweils abends und morgens Freie Imaginationen beziehungsweise Trume erfragt. In den Nachtversuchen im Labor (Versuch zwei und drei) wurde zustzlich noch dreimal pro Nacht aus REM-II, REM-III und REM-IV geweckt, um direkt Trume zu erheben. Die Gesamtzahl aller Einzeluntersuchungen betrug 248 (wobei eine Einzeluntersuchung21 die Erhebung mehrerer Freier Imaginationen beziehungsweise Traumberichte beinhalten konnte); die Zahl der Nachtuntersuchungen im Schlaflabor betrug bei Versuch zwei und Versuch drei insgesamt 120 (jeweils 60). Eignung und Motivation der Probanden wurde in Vorgesprchen erkundet. Gesucht wurden solche Probanden, die eine positive Einstellung zu ihren Trumen hatten und sich hufig im Alltag an ihre Trume erinnern konnten ( vier Traumerinnerungen pro Woche). 21
Ein Einzeluntersuchungsdurchgang bestand aus der Erhebung von zwei Freien Imaginationen am Abend (FIA), Traumberichten whrend der Nacht (in den Versuchen 2 und 3) beziehungsweise am Morgen und zwei Freien Imaginationen am Morgen (FIM).
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Dadurch sollte das Risiko vermindert werden, whrend der Untersuchungen keine Traumberichte zu erhalten. Es wurden nur solche Probanden in die Versuchsreihe aufgenommen, die als schlafgesund gelten konnten (also zum Beispiel keine Einschlaf- beziehungsweise Durchschlafstçrungen aufwiesen). Probanden mit erkennbaren schweren seelischen Problemen, auch in der Vorgeschichte (gefragt wurde unter anderem nach Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, ambulanter psychiatrischer Behandlung mit Neuroleptika oder Thymoleptika, nach Alkohol- oder anderem Drogenabusus), wurden ebenso von der Teilnahme am Versuch ausgeschlossen wie jene Probanden, fr die der Versuch mçglicherweise eine zu große Belastung htte darstellen kçnnen, etwa aufgrund einer aktuell besonderen Lebenssituation (wie zum Beispiel die Trennung vom Partner, Umzug in eine neue Wohnung oder bevorstehende Prfungen). Ebenfalls war die Freundschaft oder Bekanntschaft mit anderen Probanden ein Ausschlusskriterium. Ein weiteres wichtiges Kriterium war die zu Beginn des Gesprches, unter Verweis auf die akustische Stimulation, vorgenommene berprfung des Gehçrs fr Flstersprache. Geprft wurden beide Ohren (binaurales Gehçr) nach Loebell (1962, S. 551). Mit diesem leicht durchzufhrenden Verfahren sollte ausgeschlossen werden, dass Probanden mit Schalleitungsstçrungen beziehungsweise Schallempfindungsstçrungen in das Untersuchungssample gelangten. Der den Probanden prsentierte Reiz wird zunchst nicht bewusst wahrgenommen. Umfangreiche Untersuchungen (Silverman, 1972) haben gezeigt, dass bei psychisch kranken Personen, unter gewissen Voraussetzungen, solche Stimulusdarbietungen geringfgige Verschlechterungen oder auch Verbesserungen des seelischen Gesundheitszustandes verursachen konnten. Es mussten allerdings bestimmte Bedingungen erfllt sein, bevor ein solcher Stimulus, im oben beschriebenen Sinne, verndernd wirken konnte. Dies bedeutete, dass ein Stimulus vorhandene Triebimpulse anregen musste. Diese Stimuli wirkten auch nur dann verndernd, wenn die aufgegriffenen und dargestellten Impulse (Aggressionen oder libidinçse Impulse) zu den spezifischen Konflikten der kranken Versuchspersonen »passten«. Die verwendeten Stimuli waren hingegen nicht konflikthafter Natur und eine individuelle Untersuchung bestimmter innerer Konflikte der Probanden war auch nicht vorgese-
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hen. Durch die ausfhrliche Nachbetrachtung und die Mçglichkeit von Rckfragen nach Abschluss der Versuchsdurchgnge sollte gewhrleistet werden, dass der Stimulus der bewussten Wahrnehmung zugnglich und somit jegliche unbewusste Reizqualitt des Stimulus neutralisiert wurde. Eine weitere Frage bezog sich auf den REM-Entzug, den die Probanden whrend der insgesamt drei Labornchte durchmachten. Eine Beschrnkung auf insgesamt drei Weckungen pro Nacht ließ den Probanden gengend Zeit fr weiteren ungestçrten REM-Schlaf. Tauchten nach der dritten Weckung weitere REM-Phasen auf, konnten die Probanden ungestçrt weiterschlafen und der (psychische) Stress durch die Schlafunterbrechungen wurde gering gehalten. Vor den eigentlichen Versuchsnchten wurde eine Adaptationsnacht durchgefhrt. Die Probanden sollten sich an die Laborsituation gewçhnen, besonders an die am Kopf befestigten Elektroden und an die Weckungen in der Nacht. Der Ablauf der Adaptationsnacht gestaltete sich, bis auf die Stimulation, genauso wie in den folgenden Versuchsnchten. Aus dem Traummaterial in der Adaptationsnacht ließ sich eine »Traum-Baseline« erstellen, und es konnten auch Einflsse der Laborsituation, die fr alle Probanden konstant waren, besser abgeschtzt werden. Neben der Variable Geschlecht war auch die Reihenfolge der Prsentation von Standard- und Kontrollstimulus bei allen Versuchsreihen kontrolliert. Die Versuchsreihen waren als Blindversuche angelegt, das heißt, die Versuchsleiter/Interviewer wussten nicht, welcher Stimulus den Probanden jeweils am Abend prsentiert wurde. Dadurch sollte mçglichen Beeinflussungstendenzen, unter anderem bei der Traumbefragung, entgegengewirkt werden. Nach Abschluss der Untersuchungen standen die auf Video aufgezeichneten Traumberichte, die angefertigten Traumzeichnungen, die ußerungen und Kommentare der Probanden aus der Nachbetrachtung, die Polygraphie-Protokolle sowie der Protokollbogen des Versuchsleiters fr die Auswertung zur Verfgung. Fr die geplante Auswertung waren in erster Linie die mndlichen Traumberichte der Probanden und die zu den einzelnen Trumen angefertigten Traumzeichnungen von Interesse. Die Traumberichte wurden, in einem ersten Schritt, von Blind-Ratern nach formalen Kriterien
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ausgewertet, um sie dann, in einem zweiten Schritt, Experten vorzulegen, die das Material auf eine Wiederkehr von Stimulusinhalten untersuchten. Hierdurch sollten sich Hinweise auf eine Verknpfung von formalen und inhaltlichen Merkmalen der Trauminhalte mit dem Stimulus ergeben. Anders als bei frheren Untersuchungen mit optischer Stimulation, waren przise Befunde ber Stimuluseffekte und insbesondere ber Verwandlungsvorgnge subliminal prsentierter akustischer Stimuli kaum bekannt. Zur Erschließung der Wiederkehr von Stimulusmaterial im Rahmen dieser Erkundungsstudie wurden die folgenden vorlufigen Kriterien vorgeschlagen: Zunchst wurde eine direkte verbale Wiederkehr aller Wortarten (Nomina, Verben und Adjektive) die in den Stimuli verwendet wurden, eruiert. Darber hinaus sollte nach der Wiederkehr von Stimulusinhalten in verwandelter, verbaler Form gesucht werden. Dies konnte die Wiederkehr von Teilaspekten von Stimulusobjekten betreffen (zum Beispiel: Fisch – Flossen) oder passende Assoziationen entlang einer konzeptuellen Schiene (gleiche oder hnliche Eigenschaften und Fhigkeiten; bekannte Verbindungen [zum Beispiel: Hase – Osterei]). Eine Wiederkehr konnte auch entlang dem Wortklang erfolgen. Gefahndet wurde auch nach syntaktischen Anordnungen der wiederkehrenden Stimulus-Satzbestandteile oder nach ußerungen der Probanden, dass sie sich zwar erinnerten, dass etwas gesagt wurde, die Inhalte jedoch nicht benennen konnten. Da ganze Stze als Stimuli verwendeten wurden, konnten, wie Voruntersuchungen zeigten, wahrscheinlich auch indirekte Hinweise verwendet werden : Ein direkt wiederkehrendes Verb oder Prdikat erlaubte die Annahme, dass ein damit in Beziehung stehendes »fremdes« Traum-Objekt ein verwandeltes StimulusObjekt war. Denkbar war auch eine allgemein inhaltlich-thematische Wiederkehr von Stimulusmaterial. Hier konnten, in Abhngigkeit von den Stimulusinhalten, inhaltliche Themen beschrieben und festgelegt werden, nach denen die Berichte und Zeichnungen zu beurteilen waren. Weitere Indikatoren fr die Beurteilung der Nhe des Materials zum Stimulus wren eher formalisierbare Aspekte, etwa die bereinstimmung einer Bewegung, aber auch Farben, Formen oder die Lage von Objekten. Auch eine Wiederkehr in den Zeichnungen
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diente als Indikator. Hierfr konnte auf bereits bewhrte Auswertungskriterien zurckgegriffen werden (vgl. Leuschner u. Hau, 1992). Die Traumberichte und die Traumzeichnungen wurden so genannten Blind-Ratern vorgelegt, die zwar die Versuchsintention in groben Zgen, nicht aber den jeweiligen Abrufzeitpunkt der ihnen vorgelegten Zeichnungen und Berichte kannten. Darber hinaus war ihnen auch der ursprngliche Standard-Stimulus unbekannt. Anhand von Itemlisten, die nach einer Itemanalyse erstellt wurden, sollten die Zeichnungen auf mçgliche bereinstimmung berprft werden.22 Bei dem anschließenden subjektiven Evidenz-Rating sollten »Experten«, in Kenntnis des Stimulus, sowohl das verbal berichtete Material als auch die Traumzeichnungen auf eine Wiederkehr von Stimulusinhalten hin untersuchen. Durch die Kenntnis des Stimulus sollten Vernderungs- und Transformationsspuren weiter verfolgt werden kçnnen. Als einfachstes Beispiel wre hier eine direkte Wiederholung von Stimulusmaterial in den Traumzeichnungen oder in den Traumberichten zu nennen. Es war aber davon auszugehen, dass die Stimulusinhalte in verwandelter Form im Material wieder auftauchten. Deshalb sollten weiterhin solche Transformationen bercksichtigt werden, die auf assoziative Verknpfungen zurckgefhrt werden konnten. Die Rater mussten sich daher gut in der Theorie der Traumprozesse auskennen, um auch Verschiebungen oder Verdichtungen erkennen zu kçnnen. Sie sollten auch ber linguistische Kenntnisse verfgen. Die Beurteiler wussten nicht, ob die zu beurteilende Zeichnung oder der Traumbericht tatschlich aus der Nacht stammten oder erst am Morgen produziert worden waren beziehungsweise ob der prsentierte Stimulus ein subliminaler, supraliminaler oder ein Kontrollstimulus war. Es werteten zwei Ratergruppen mit jeweils drei Beurteilern die Zeichnungen aus, ohne jedoch zu wissen, um welchen Probanden, um welche Zeichnungsart (Freie Imagination oder Traumzeichnung) beziehungsweise um welchen Abrufzeitpunkt es sich jeweils handelte. Bestimmt werden sollte, anhand der in den Zeichnungen vorgefun22
Die Bestimmung der Zuverlssigkeit der Beurteiler wurde mittels des Kappa-Koeffizient von Cohen (1960, 1969) berprft, der eine den Zufall bercksichtigende, korrigierte beziehungsweise gewichtete bereinstimmung zwischen verschiedenen Beurteilern angibt (Nominalskalenniveau).
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denen Stimuluseffekte, welcher Stimulus dem Probanden prsentiert worden war. Beurteilt wurden jeweils smtliche randomisierte Zeichnungen eines Probanden. Der Beurteilungsvorgang selbst teilte sich nochmals in zwei Phasen. Zunchst wurden die Zeichnungen ohne die dazugehçrigen Texte beurteilt, in einem zweiten Schritt wurden die verbalen ußerungen des Probanden hinzugezogen. Hierdurch wurde deutlich, ob die Sicherheit der Beurteilungen eher aufgrund der Zeichnungen oder durch die Textinformationen gefçrdert wurde. Die weiter unten dokumentierten Bildbeispiele wurden aufgrund des eben geschilderten Beurteilungsverfahrens zusammengestellt. Neben der statistischen Auswertung des Datenmaterials wurde auch eine qualitative Auswertung durchgefhrt, das heißt Einzelfallanalysen, in denen exemplarisch Traumberichte und Traumzeichnungen von einzelnen Probanden im Hinblick auf eine Wiederkehr des Stimulusmaterials ausfhrlich beschrieben wurden.
Stimuli Die in dieser Studie verwendeten, hochbeschleunigt dargebotenen fnf verschiedenen Stimuli wurden alle in einem Vorversuch entwickelt. Dabei handelt es sich um vier Stimuli mit sinnvollen Inhalten und um einen Stimulus, der von der Lnge und Silbenzahl an die Stimuli mit sinnvollen Inhalten angepasst war, jedoch aus »sinnlosen« Silben aus der Kisuaheli-Sprache entworfen war. Die Silbenanzahl entsprach derjenigen des inhaltlich sinnvollen Vergleichsstimulus, war jedoch aus unterschiedlichen Worten der Kisuaheli-Sprache zufllig zusammengesetzt, so dass im Fall der Kenntnis des Kisuaheli durch einen Probanden sich trotzdem kein sinnvolles Wort- beziehungsweise Satzgefge ergeben htte. Dieser Stimulus wurde in Versuch zwei als Kontrollstimulus eingesetzt. Jeweils zwei der vier inhaltlich sinnvollen Stimuli hatten die gleiche Form. Zwei Stimuli bestanden aus insgesamt drei Stzen, die jeweils dreimal wiederholt vorgespielt wurden. Die anderen beiden Stimuli waren Geschichten von ungefhr einer Minute Lnge. Die formal und inhaltlich variierten Satzgebilde wurden durch 2,5fache Beschleunigung mittels eines Computerprogramms subliminalisiert und bei der Versuchsdurchfhrung den Probanden ausschließlich in ihrer beschleunigten Form nur ein einziges mal pr-
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sentiert. Die Drei-Satz-Stimuli enthielten jeweils eine Kurzform der Geschichte.
Stimulationstechnik Die Stimulationen erfolgten abends, bei Versuch eins zwischen 18:30 Uhr und 20:00 Uhr und bei Versuch zwei zwischen 23:00 Uhr und 23:45 (bei Versuch zwei circa 15 bis 30 Minuten vor »Licht aus«). Die Probanden saßen in Versuch eins an einem Tisch und wurden vor der Stimulation aufgefordert, sich zu entspannen. Kassetten-Abspielgert und Lautsprecher befanden sich im Untersuchungsraum, so dass der Versuchsleiter zur Stimulusdarbietung den Raum nicht verlassen musste. Um selbst »blind« zu bleiben, hatte der Versuchsleiter whrend der Prsentation Kopfhçrer auf, ber die ein lautes Rauschen eingespielt wurde. Keiner der untersuchten Probanden konnte Inhalte aus dem Stimulus verstehen und benennen. Im Vorversuch hatte sich die 2,5-fach beschleunigte Abspielgeschwindigkeit als gengend schnell erwiesen, um das bewusste Verstehen einzelner Inhalte der Stimuli zu verunmçglichen. Mit der Ankndigung »jetzt!« wurde die akustische Vorfhrung gestartet. Die Probanden wussten nicht, wie lange das Abspielen des Stimulus dauern wrde. Bei Versuch drei wurden die Stimuli den schlafenden Probanden mit maximal 30 dB entweder in den Tiefschlafstadien S3/S4 oder in REM-II appliziert. Die durchschnittliche Lautstrke am Ohr des Probanden betrug 25 dB. Auch hier wurden die Stimuli nur einmal vorgespielt, wobei die Versuchsleiter nicht wussten, um welchen Stimulus es sich jeweils handelte.
Abruf und Befragungen – Abendrecall Nach Darbietung des Stimulus wartete der Versuchsleiter zunchst kurz auf eine spontane Reaktion und fragte dann, wie der Stimulus erlebt wurde. Weiterhin wurde nachgefragt, ob der Proband etwas verstanden hatte oder eine Vermutung ber einen mçglichen Inhalt des Stimulus entwickeln konnte. In keinem Fall war es fr einen Probanden mçglich, Inhalte des Stimulus zu benennen. Im Anschluss wurden die Probanden instruiert, sich nochmals zu entspannen und dann ihre erste Idee beziehungsweise das erste Bild zu beschreiben, das ihnen spontan durch den Kopf ging (Freie Imagi-
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nation Abend: FIA). Nach der mçglichst genauen verbalen Beschreibung der Freien Imagination wurden die Probanden gebeten, die wichtigsten Szenen so zu zeichnen, wie sie es gesehen hatten. Dafr lagen weiße DIN-A4-Bltter und Buntstifte (in gengender Anzahl) bereit. Nach Beendigung der Zeichnungen wurden die Probanden in Versuch eins mit dem Hinweis entlassen, mçglichst die Trume der kommenden Nacht zu erinnern. Smtliche Untersuchungsdurchgnge wurden mit einer Videokamera und einem Kassetten-Recorder aufgezeichnet.
Abruf in der Nacht, aus REM Bei den Versuchen zwei und drei handelte es sich um Schlafversuche im Labor. Es wurden, wie in Versuch eins, zunchst zwei Freie Imaginationen am Abend (FIA) erhoben. In der Nacht wurden maximal drei Weckungen aus dem Schlafstadium REM (REM-II, -III und -IV) durchgefhrt. Der Proband wurde dann mit den Worten »Herr Y/ Frau X, Sie haben getrumt« geweckt. In der Regel wachte der Proband auf und berichtete spontan den erinnerten Traum. Die Nachfrage »kçnnen Sie sich an Ihren Traum erinnern?« wurde bei mçglichem Wiedereinschlafen gestellt. Erst nach Abschluss des spontanen Traumberichts wurden Verstndnisfragen gestellt oder nachgefragt, wenn der Versuchsleiter zum Beispiel den Eindruck hatte, dass Informationen fehlten. Im Anschluss an den verbalen Traumbericht wurden die Probanden gebeten, die wichtigsten Szenen aus ihrem Traum oder, wenn mehrere Trume berichtet worden waren, aus jedem erinnerten Traum aufzuzeichnen und die Zeichnungen zu kommentieren. Vermutet wurde, dass whrend des Zeichnens noch zustzliches Traummaterial erinnert und berichtet wird. Falls der Proband bei einer Weckung aus REM in der Nacht keine Traumerinnerung hatte, wurde, wie bereits am Abend, eine Freie Imagination erhoben (Freie Imagination Nacht – FIN). Dies war jedoch nur in 1,8 % der Weckungen der Fall.
Morgenrecall Die morgendliche Befragung fand bei den Probanden des Vorversuchs und des Versuchs eins zwischen 7:30 Uhr und 9:30 Uhr statt. Hierzu kamen die Probanden, nachdem sie die Nacht zu Hause verbracht hatten, erneut ins Labor. Bei den Schlafuntersuchungen in
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Versuch zwei und Versuch drei war der Beginn der Morgenweckung mit der sich anschließenden Befragung auf 7:00 Uhr festgelegt. Bei beiden Versuchsvarianten wurde am Morgen zuerst nach Traumerinnerungen gefragt. Im Vorversuch und bei Versuch eins wurden hier die zu Hause getrumten Trume erhoben, whrend bei den Versuchen zwei und drei so genannte »Morgentrume« interessierten, die unter Umstnden aus einer spteren REM-Episode stammen konnten, zum Beispiel aus REM-V (Morgentrume: MT). Die Erhebung der Traumberichte und -zeichnungen verlief wie oben beschrieben. Im Anschluss an die Traumberichte wurden auch am Morgen zwei Freie Imaginationen erhoben (Freie Imagination Morgen: FIM).
Nachbefragung Unmittelbar nach Beendigung der experimentellen Versuchsdurchgnge wurden mit den Probanden ihre Freien Imaginationen und Trume (anhand der dazugehçrigen Zeichnungen) besprochen. Ziel war es, zusammen mit den Probanden, im gesamten Material beider Versuchsdurchgnge nach Stimuluseffekten zu suchen. Hierzu wurden die Stimuli verlangsamt, in normaler Sprechgeschwindigkeit vorgespielt, so dass die Probanden nun wussten, welches Stimulusmaterial ihnen zu Beginn der Untersuchung vorgespielt worden war. Die Probanden waren aufgefordert, ihrer Meinung nach mçgliche Verbindungen zwischen Stimulusinhalten und den von ihnen erzhlten Trumen beziehungsweise Freien Imaginationen anzugeben. Dies galt auch fr die Zeichnungen. In einem zweiten Durchgang wurden anschließend Ideen und Hypothesen besprochen, die der Versuchsleiter zur Wiederkehr von Stimulusmaterial hatte. Mit der fr die Probanden bei der Nachbefragung gegebenen Mçglichkeit, Bezge zwischen dem Stimulusmaterial zu eigenen frheren Erlebnissen oder zu Ereignissen vom Vortage herzustellen, sollte der Versuch unternommen werden, diese »privaten« Verbindungen, die eine mçgliche Nhe zu den Stimulusinhalten beziehungsweise deren Wiederkehr markierten und nur durch den Probanden deutlich gemacht werden konnten, zu erfassen. Dennoch wurden fr die Auswertungen des Expertenratings nur auf die spontan erzhlten Traumberichte und Freien-Imaginationen-Texte zurckgegriffen.
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Methoden und Technik der polygraphischen Ableitung Bei allen Nachtuntersuchungen wurde ein EEG-Protokoll aufgezeichnet, um den Schlafverlauf der jeweiligen Nacht zu dokumentieren sowie die Stimulationszeitpunkte und die Abrufzeitpunkte identifizieren zu kçnnen. Die Gesamtzahl aller ausgewerteten EEGAufzeichnungen betrug 153 Nachtverlufe mit durchschnittlich 880 Episoden pro Nacht. Polygraphische Ableitungen erfolgten bei den Versuchen zwei und drei in allen Adaptations- und Experimentalnchten, um eine Identifizierung der REM-Phasen und der Tiefschlafphasen zu ermçglichen. Dadurch war es mçglich, genaue Stimulations- und Weckzeitpunkte zu bestimmen. Vom Zeitpunkt »Licht aus« bis zur Morgenweckung wurden fortlaufend folgende Variablen registriert: zentrales Elektro-Encephalogramm (EEG), horizontales ElektroOculogramm (EOG) von beiden Augen und vertikales EOG, abwechselnd vom rechten oder linken Auge, Elektromyogramm (EMG) vom Kinn.23 Die durchschnittliche Gesamtschlafzeit (TST) lag in Nchten mit drei Weckungen bei 306,4 Minuten. REM-Weckungen und anschließende Befragungen mit Anfertigung von Traumzeichnungen dauerten durchschnittlich 38,3 Minuten. Bei 23 Weckungen (1,8 %) wurde kein Traum und stattdessen eine Freie Imagination mit anschließender Zeichnung erhoben (Freie Imagination nachts – FIN). Auch in diesen seltenen Fllen dauerten die Weckungen durchschnittlich 42,2 Minuten und waren somit den REM-Weckungen, in denen Trume erinnert wurden, vergleichbar. Fr die Weckungen war eine Mindestdauer von 15 Minuten vorgesehen, auch wenn keine
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Die polygraphischen Aufzeichnungen wurden in 30 Sekunden Epochen unterteilt. Jede Epoche wurde einzeln visuell analysiert und nach den Kriterien von Rechtschaffen und Kales (1968) ausgewertet. Als Sleep-Onset wurde die erste Epoche von S2 festgelegt (vgl. Kriterien von Rechtschaffen und Kales). Als nchtliche Gesamtschlafzeit (total sleep time = TST) wurde das Zeitintervall zwischen der ersten, als S2 definierten Epoche und der letzten Non-REM- oder REM-Epoche vor dem Aufwachen (beziehungsweise Morgenweckung) definiert. Bei der Berechnung der TSTwurden die Zeiten der REM-Weckungen, alle Wach-Episoden und Moving-Times (MT) herausgerechnet.
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Traumerinnerung vorlag. Die Dauer der krzesten Weckung betrug 15,0 Minuten, die der lngsten Weckung 131,0 Minuten.
Aufzeichnungen der Berichte Alle Abrufe (Weckungen, Wachbefragungen, Nachbefragungen etc.) wurden sowohl auf Video- als auch auf Audiokassetten dokumentiert. Transkribiert wurden alle 1276 Abrufe aus den Versuchen V1 bis V3. Am Ende der Untersuchungen war folgendes Material erarbeitet: – 723 Freie Imaginationen (Erzhlungen und Zeichnungen), – 386 Trume aus REM-Weckungen (Erzhlungen und Zeichnungen) sowie – 144 am Morgen berichtete Trume. Zu ihren Trumen und Freien Einfllen fertigten die Probanden Zeichnungen an. Insgesamt lagen (aus den Vorversuchen und den Versuchen V1 – V3) 2214 Zeichnungen fr die Auswertung vor.
Standardstimuli Das erste Stimuluspaar bestand aus der im Vorversuch »erfolgreichen« und nun berarbeiteten Schloss-Geschichte. Aus dieser Geschichte wurden drei Stze extrahiert, die das Gesamtthema zusammenfassend wiedergaben: den Stimulus »Schloss-Drei-Satz«. Die Stze wurden jeweils dreimal wiederholt, um die gleiche Lnge wie die Kurzgeschichte zu erzielen und um Wiederholungseffekte zu erfassen.
Schloss-Stimulus (Geschichte) Abspieldauer normal: 62,0 Sekunden; 2,5-fach beschleunigt: 24,6 Sekunden: Das alte Barockschloss ist heute besonders geschmckt. Im Ballsaal bitten Graf und Grfin zum Tanz. An den Wnden hngen prunkvolle Teppiche und die Gemlde der Ahnengalerie. Alle Gste sind festlich gekleidet und in guter Stimmung. Zwçlf Musiker spielen Walzer. berall sieht man Diener in blauen Uniformen. Ein prchtiges Buffet ist vorbereitet mit einer leckeren Sahnetorte in der Mitte und tausenden von Kçstlichkeiten auf Silberplatten. Sektglser klirren. Da spielen die Musiker einen Tusch. Die große Eingangstr çffnet sich und eine wunderschçne Tnzerin wirbelt in den Saal. Das Herz des jungen Prinzen fngt sofort Feuer. Als die Tnzerin seine Hand ergreift, ist es um ihn geschehen. Immer schneller drehen sich Prinz und Tnzerin zur Walzermusik im Kreis.
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Plçtzlich strauchelt die Tnzerin. Den Zuschauern stockt der Atem. Geschickt fngt sie der Prinz auf und sie sinkt glcklich in seine Arme. Alle Gste sind begeistert und klatschen strmisch Beifall.
Schloss-Stimulus (Dreisatz-Form) Abspieldauer normal: 32,2 Sekunden; 2,5-fach beschleunigt: 12,8 Sekunden: Im Barockschloss steht ein kçstliches Buffet. Im Barockschloss steht ein kçstliches Buffet. Im Barockschloss steht ein kçstliches Buffet. Alle Gste sind festlich gekleidet und in guter Stimmung. Alle Gste sind festlich gekleidet und in guter Stimmung. Alle Gste sind festlich gekleidet und in guter Stimmung. Prinz und Tnzerin drehen sich verliebt zur Walzermusik. Prinz und Tnzerin drehen sich verliebt zur Walzermusik. Prinz und Tnzerin drehen sich verliebt zur Walzermusik.
Das zweite Stimuluspaar behandelte das inhaltlich zum Schloss-Stimulus kontrastreiche Thema einer Bergwanderung. Dieser Inhalt war so gewhlt, dass auch bei einfachen metonymen Verschiebungen keine gleichartigen Objekte oder Aktionen zustande kommen konnten; wiederkehrendes Stimulusmaterial sollte in Freien Imaginationen und Traumberichten den jeweiligen Stimuli auch noch bei Verwandlungen genau zugeordnet werden kçnnen. Ausgehend von der bereits erprobten und gut wirksamen Schloss-Geschichte, erschien eine Berg-Geschichte beziehungsweise ein Berg-Drei-SatzStimulus dafr kontrastreich genug.
Berg-Stimulus (Geschichte) Abspieldauer normal: 59,4 Sekunden; 2,5-fach beschleunigt: 23,6 Sekunden:
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Im Lichte des frhen Morgens beginne ich meine Wanderung. Die riesigen Berge sind in Nebel gehllt. Bis in die Nachmittagsstunden klettere ich den langen und beschwerlichen Aufstieg hinauf. Plçtzlich hçre ich ein dumpfes Grollen. Der Boden unter mir beginnt zu beben. Erst kleine, dann immer grçßere Steine fallen von oben herab. Gerade noch rechtzeitig presse ich mich an die Felswand. Die Steinlawine donnert ganz nah an mir vorbei in die Tiefe. Dann ist alles ganz still. Die Gefahr ist vorber und ich setze meinen Weg nach oben fort. Erschçpft und mde sitze ich auf dem Gipfel. Der kalte Wind blst durch die Berglandschaft und ber mir zieht ein Adler seine Bahn. Ich lasse meinen Blick in die Ferne schweifen. Das helle Sonnenlicht lsst die schneebedeckten Gipfel in gleißendem Weiß erscheinen. Dann suche ich einen Platz fr mein kleines Zelt.
Berg-Stimulus (Dreisatz-Form) Abspieldauer normal: 29,8 Sekunden; 2,5-fach beschleunigt: 11,8 Sekunden: Ich klettere den langen Aufstieg die Berge hinauf. Ich klettere den langen Aufstieg die Berge hinauf. Ich klettere den langen Aufstieg die Berge hinauf. Die Steinlawine donnert in die Tiefe. Die Steinlawine donnert in die Tiefe. Die Steinlawine donnert in die Tiefe. ber die hellen, schneebedeckten Gipfel fliegt ein Adler. ber die hellen, schneebedeckten Gipfel fliegt ein Adler. ber die hellen, schneebedeckten Gipfel fliegt ein Adler.
In Tabelle 2 ist die Kontrastierung der beiden Stimuli »Schloss« und »Berg« dargestellt. Als Kontrollstimulus erschien ein weißes Rauschen oder auch Musik ungeeignet, da sofort erkennbar geworden wre, dass es sich hier nicht mehr um beschleunigte, gesprochene Sprache handelt. Die Verwendung einer weniger gelufigen Fremdsprache oder einer frei erfundenen Glossolalie erschien aus mehreren Grnden ebenfalls unge-
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Tabelle 2: Kontraste der Stimuli Schloss-Stimulus
Bergstimulus
Innenraum, Gebude abends Fest mit vielen Menschen Prunk und Luxusgter Walzermusik Lust und Leichtigkeit beim Tanz Liebesthema Nahrung, Buffet
Außen, Landschaft morgens, tagsber alleine, mit wenigen Tieren Naturschçnheit Stille der Berge anstrengende Wanderung Gefahr keine Nahrung, Askese
eignet. Schließlich wurde ein Stimulus aus einer Reihe zufllig ausgewhlter Silben verfertigt, die aus zufllig ausgewhlten KisuaheliWçrtern bestanden, bei denen die Bedeutung nicht klar war,. Aus diesen Wçrtern wurden einzelne Silben herausgelçst und zu neuen (nun auch in Kisuaheli sinnlosen) Wçrtern zusammengesetzt. Diese wiederum wurden klanglich so gestaltet (Betonung, Silbenzahl, Satzlnge), dass sie den anderen beiden Stimuli mit deutschem Text hnelten, jedoch vom Inhalt her vçllig sinnlos blieben.
Kontroll-Stimulus (Dreisatz-Form) Abspieldauer normal: 27,4 Sekunden; 2,5-fach beschleunigt: 10,9 Sekunden: ja widonge cha meno simu va tumbo nusu. ja widonge cha meno simu va tumbo nusu. ja widonge cha meno simu va tumbo nusu. vo utumichi kisu nge va kvimu. vo utumichi kisu nge va kvimu. vo utumichi kisu nge va kvimu. taumi va figu kifigua keki ye nratumbo. taumi va figu kifigua keki ye nratumbo.
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taumi va figu kifigua keki ye nratumbo.
Berechnungen auf Einzelitem-Ebene/Blind-Rating Mit diesem Auswertungsschritt wurde versucht, eine direkte Wiederkehr von Einzelworten aus dem Stimulus zu erfassen. Hierfr wurden Blind-Rater eingesetzt, denen der Stimulus nicht bekannt war. Sie hatten die Aufgabe, die Traumtexte mit einer ihnen vorgegebenen Wortliste zu vergleichen und nach Wiederkehr der Worte, die in der Liste vorgegeben waren, in den Traumtexten zu suchen. Die Liste bestand aus insgesamt 77 Items und umfasste alle Adjektive, Verben und Substantive, die in den Geschichtsformen des Berg- beziehungsweise Schloss-Stimulus enthalten waren. Die Stimuli waren in ihre Einzelbestandteile zerlegt worden. Die einzelnen Items wurden randomisiert. Somit war es den Blind-Ratern nicht mçglich, aufgrund der Itemliste auf die genaue Zusammensetzung und Konstruktion der Stimuli zu schließen. Insgesamt wurden acht Rater eingesetzt; sie wurden anhand eines festgelegten Einzelfalles intensiv geschult. Die Raterbereinstimmungen kçnnen als gut bis sehr gut angesehen werden (Kappa: von .59 bis .88). Fr die hier wiedergegebenen Auswertungen wurden die spontan berichteten Trume und Freien Imaginationen verwendet, also Berichte bis zur ersten Zwischenfrage des Versuchsleiters. Auf diese Weise sollte, ber die Anzahl der jeweils beurteilten Treffer auf Einzelitemebene, ein Effekt der Stimulation nachweisbar werden. Es wurde davon ausgegangen, dass der komplexe Stimulus zerlegt wird und seine Einzelbestandteile getrennt (dissoziiert) weiterbearbeitet werden. Es war zu vermuten, dass eine Wiederkehr des Stimulusmaterials nicht in kohrenter Form erfolgen wrde, das heißt, dass die Items in den unterschiedlichsten Themenzusammenhngen, je nach individueller Geschichte, platziert sein wrden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Items selbst keiner weiteren Verwandlung unterliegen, hnlich der im optischen Versuch festgestellten Wiederkehr von Einzelitems der Stimulusvorlage, die hier zwar dissoziiert und verschoben, jedoch in ihrer ursprnglichen Qualitt wiederkehrten. Sie hatten ihre Form oder Farbe bewahrt, tauchten jedoch in den unterschiedlichsten Geschichtszusammenhngen und Bildkontexten wieder auf und waren gut erkennbar. Auch der akustische, komplexe Stimulus wrde somit von den Probanden im Vorbewussten Proces-
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sing System zerlegt, die Einzelkomponenten behielten dann jedoch ihre ursprngliche inhaltliche Qualitt. Sie wrden in die unterschiedlichsten Geschichten eingebaut und in einer Art 1:1-Relation identifizierbar sein. Insgesamt gab es nur wenige Items, die in relativ großer Anzahl vorkamen und auch gut zwischen den beiden Stimulusinhalten differenzierten. So fllt das Item »Landschaft« auf, das mit 107 Nennungen eindeutig dem Berg-Stimulus zugeordnet werden kann. Dies gilt ebenfalls fr die Items »Licht«, »außen«, »Bahn/Weg«, »Berge« und »Gefahr«. Fr den Schloss-Stimulus sprechen die Items »Oralitt«, »Tageszeit« und »Elterndarstellung«. Es ließen sich hier noch weitere Items auffhren; auffllig ist jedoch, dass es eine ganze Reihe weiterer Items gibt, deren richtige Zuordnung zum ursprnglichen Stimulus aufgrund der beurteilten Wiederkehr nicht vorgenommen werden konnte. Insgesamt erbrachten die Einzelitemberechnungen keine befriedigenden Ergebnisse, die auf eine Wirkung der verwendeten Stimuli Hinweise liefern konnten. Angesichts der großen Anzahl von 77 Items und der im Verhltnis dazu geringen Anzahl der Items, die einen signifikanten Unterschied aufwiesen, musste jedoch auch die berlegung miteinbezogen werden, dass es sich um zufllige signifikante Unterschiede handeln kçnnte. Aus diesen Ergebnissen deutete sich an, dass die 1:1-Relation, in der wir die Wiederkehr von Stimulusmaterial erwarteten, einen ungeeigneten Ansatz darstellte, um Stimuluseffekte zu erfassen. Deshalb wurde ein weiterer Beurteilungsschritt mit Expertenratern durchgefhrt. Bei diesem Expertenrating kannten die Beurteiler zwar die Stimuli in ihrer verwendeten Form und mit den jeweiligen Inhalten, sie wussten jedoch nicht, welchen Abruf sie gerade beurteilten, wussten also nicht, ob es sich um eine Freie Imagination oder um einen Traumbericht handelte beziehungsweise ob dieser im Versuchsdurchgang nach Berg-Stimulation oder nach Schloss-Stimulation oder in der Adaptationsnacht erhoben wurde. Alle Berechnungen basieren auf den durch das Experten-Rating erhobenen Auswertungsdaten.
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Versuch 1 Die drei Hauptversuche24 bauen aufeinander auf. Im ersten Versuch war, neben der Frage eines zeitlichen Verlaufs bei der Wiederkehr von Stimulusinhalten, zu klren, ob sich generell Unterschiede zwischen den Trumen und den Freien Imaginationen hinsichtlich der Darstellungskapazitt fr Stimulusinhalte feststellen ließen. Da zwei inhaltlich verschiedene Stimuli verwendet wurden, war weiterhin zu klren, ob unterschiedliche Inhalte Einfluss auf die Qualitt und Quantitt des Retrievals haben. Weiterhin wurde die Form der dargebotenen Stimuli verndert (drei Stze, dreifach wiederholt vs. Geschichte), so dass auch geprft werden konnte, ob die Form der Darbietung einen Einfluss auf die Verarbeitung des Materials hat. Es wurden in diesem Versuch 102 Freie Imaginationen am Abend (FIA), 92 Freie Imaginationen am Morgen (FIM), 89 Trume, 362 Zeichnungen und 1050 Seiten Transkripte erarbeitet.
Allgemeine Effekte Zunchst interessierte, ob berhaupt signifikante Effekte der tachyakustischen Stimulation, unabhngig von einem subjektiven Eindruck, feststellbar waren. Wertete man ber alle Abrufe hinweg aus25, so zeigten sich bei beiden Stimuli in den Abrufen nach der Prsentation hochsignifikante Unterschiede dahingehend, dass durchweg 24
Im ersten Versuch werden Trume und Freie Imaginationen von so genannten »Heimschlfern« untersucht. Die Stimulation fand abends statt und die Probanden gingen dann nach Hause, kehrten am anderen Morgen zurck und berichteten ihre Trume. In Versuch 2 wurden die Probanden ebenfalls am Abend stimuliert, verbrachten dann die Nacht im Labor und wurden dreimal pro Nacht in den REM-Phasen geweckt und nach ihren Trumen gefragt. In Versuch 3 schließlich blieben die Probanden ebenfalls die Nacht ber im Labor, wurden jedoch nicht am Abend, sondern direkt whrend des Schlafes stimuliert, danach in drei REM-Phasen geweckt und nach ihren Trumen gefragt. 25 Geprft wurden die Unterschiede der mittleren Rnge der Auswertungsvariablen (Berg- beziehungsweise Schloss-Treffer) nach Stimulus- beziehungsweise ohne Stimulusvorgabe (Versuchsdurchgnge vs. Adaptationsnchte). Da in Versuch 1 die Probanden zu Hause schliefen, wurden auch keine Adaptationsnchte im Institutslabor durchgefhrt. Die fr die Berechnung bençtigten Vergleichsdaten stammen aus den Versuchen zwei beziehungsweise drei.
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Experimentelle Traumforschung
eine hçhere Evidenz (das heißt hçhere Rnge) an Berg- beziehungsweise Schlossthemen in den Abrufen auftraten als in den AdaptationsAbrufen ohne Stimulus-Vorgabe (pSchloss =,0035; pBerg =, 0000). Die Stimuli wurden also, trotz Subliminalisierung der Inhalte, verstanden und in die Freien Imaginationen beziehungsweise in die Trume eingebaut. So wurde zum Beispiel von einer Versuchsperson, die den »BergStimulus« in seiner Drei-Satz-Form am Abend vorgespielt bekam, am anderen Tag folgender Traum berichtet: P: und bei dem nchsten weiß ich berhaupt! nicht mehr was das war, da hab ich aufgeschrieben= ›Stein in Klammern Fallstein=‹ da kann ich mich aber nicht mehr dran erinnern dass ich das aufgeschrieben hab, da war ich wahrscheinlich schon halb hinber, (V lacht) beim anderen beim Rest kann ich mich erinnern dass ich so; aber bei dem jetzt berhaupt nicht also Stein in Klammern Fallstein= und dann ›ber Eingang‹=26
Hier scheint die Steinlawine in Form des »Fallsteins« verarbeitet worden zu sein. Als Beispiel fr einen so genannten Spteffekt (Stimulation im ersten Versuchsdurchgang, Auftauchen des Stimuluseffekts im zweiten Durchgang) kann die folgende Freie Imagination am Morgen des zweiten Durchganges angesehen werden: P: ja also die Berge verfolgen mich (amsiert) ja es ist so eine Gegend irgendwo – hm – ja so in Arizona oder so was hnliches, also Berge und irgendeine; ein Fluss da unten= und auf dem Berg stehen zwei Menschen= so in den Abenddmmerung, – ja die versuchen irgendwas zu; ich weiß nicht zu besprechen oder irgendwas da zu erkennen oder das zu sehen= (V: hmhm) – ja alles so in so einem= rçtlichen Licht also wenn die Sonne so untergeht. 26
Die Beispiele stammen aus den Transkripten, die von den Abrufen angefertigt wurden. Es handelt sich dabei ausschließlich um die spontanen Berichte der Probanden (Freie Imaginationen beziehungsweise Trume), die nicht durch inhaltliche Bemerkungen oder durch Nachfragen seitens des Versuchsleiters unterbrochen sind. Bei einigen Beispielen sind nur Teile des viel umfangreicheren Transkriptes wiedergegeben. Besonders relevante Abschnitte sind kursiv hervorgehoben. Die Zeichensetzung orientiert sich nach den Transkriptionsregeln der »Ulmer Textbank« (vgl. Mergenthaler, 1986).
Ein Beispiel psychoanalytischer Traumforschung
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Vergleicht man den Text der Freien Imagination mit dem Text der Stimulusgeschichte der Bergwanderung, so sind die bereinstimmungen und Anspielungen auf das Berg-Thema evident. Interessant erscheint auch, wie sich die Stimulationseffekte in den Zeichnungen niederschlagen. So malt ein Proband, nach Berg-Stimulation am Abend, die folgende Freie Imagination am nchsten Morgen (Abb. 1).
Abbildung 1
Der Proband bemerkt dazu: »Gedanke an Reise nach Nepal. Tal, Gerçll, berall kleine runde Steinchen, rechts und links hohe Berge, keine Alpen. Ich stehe auf einer kleinen Anhçhe, da ging es runter, und ich musste durchs Tal laufen. Der Himmel war grau.«
Auch nach der Schloss-Stimulation ergaben sich entsprechende Effekte in den Zeichnungen (Abb. 2). Der entsprechende Text dazu lautet (Freie Imagination am Abend, unmittelbar nach Stimulation, Schlossgeschichte, dreifach beschleunigt):
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Experimentelle Traumforschung
Abbildung 2 »Eine Rede bei einer Hochzeit oder Konfirmation, bei einer Familienfeier, wo sich jemand hinstellt und etwas vorliest, Notizen, die er sich gemacht hat. Eine Hochzeitstorte oder eine Konfirmationstorte.«
Hier taucht das Festthema wieder auf, wobei besonders die Wiederkehr der »Sahnetorte« beeindruckt. Nachdem grundstzlich Effekte festgestellt werden konnten27, war die nchste Frage, ob sich Nheres zur Wirkungsdauer der Stimuli sagen lsst. 27 Wertet man die Daten aller Probanden ber alle Abrufe hinweg aus und prft die Unterschiede der mittleren Rnge der Auswertungsvariablen (Bergbeziehungsweise Schloss-Treffer) nach Stimulus- beziehungsweise ohne Stimulus-Vorgabe (Adaptation), so zeigten sich, wie eben fr Versuch 1 beschrieben, ebenfalls nach beiden Stimuli hochsignifikante Unterschiede dahingehend, dass nach der Darbietung der Stimuli durchweg eine hçhere Evidenz (das heißt hçhere Rnge) an Berg- beziehungsweise Schlossthemen auftrat als in den Adaptations-Abrufen (ohne Stimulus-Vorgabe, pSchloss =,0005; pBerg =,0000). Dies galt sowohl fr unmittelbare Effekte, direkt nach Stimulation als auch fr Spteffekte. Die Reihenfolge der Stimuli in den Versuchsanordnungen insgesamt hatte keinen Einfluss auf die Wiederkehr von evidentem Stimulusmaterial. Im Vergleich zur Adaptationsnacht fand sich in den Freien Imaginationen und in
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Im Vergleich zu unstimulierten Abrufen traten signifikante Effekte sowohl direkt nach Stimulation als auch in den Spteffekten (der darauf folgenden Nacht) auf. Die unmittelbar nach Stimulation festgestellten Effekte ließen im Laufe der Untersuchung nicht etwa nach, sondern sie hielten, ber den gesamten Beobachtungszeitraum von insgesamt 36 Stunden, weiter an. Die Stimuli unterschieden sich nicht in ihrer Wirksamkeit.28 In welcher Art und Weise sich die im zweiten Durchgang auftretenden Spteffekte manifestierten, nachdem im ersten Durchgang der entsprechende Stimulus prsentiert wurde, zeigen die folgenden Textund Bildbeispiele. Am zweiten Morgen berichtete ein Proband den folgenden Traum (Spttreffer zum Berg-Stimulus): P: ja, und, ja, der war halt sehr merkwrdig, also / / / / schweben mir irgendwie 179 Mark vor und, h, Berge, Alpen, irgendwie mittendrin, und, ja, hab ich hier noch aufgeschrieben, kann ich mich jetzt nicht mehr dran entsinnen, an zwei Unbekannte stehen in Verbindung mit dem Traum, an die kann ich mich eigentlich berhaupt nicht mehr erinnern. (V: Aha) Ja. Und dann hatte ich halt noch so ’ne Zweittraumphase, / relativ ausfhrlich auch / heute morgen, also es ging bis Viertel nach sechs. h. Also ich steh hier an’nem Berghang, blick in ein Tal hinein, beide Seiten sind begrnt, hm, am Ende sehe ich ein Bergmassiv, und, ja, also, wie diese zwei Leute da noch in Verbindung gebracht sind, das weiß ich eigentlich nicht mehr, und es schwebte mir halt immer wieder so die Zahl 179 da vor, die dann wieder verschwunden, verschwunden ist und wieder aufgetaucht. Und sonst hatte also, ja, es wirkte eigentlich sonst sehr realistisch, / / fotografieren (lange Pause)
den Trumen hochsignifikant mehr Stimulusmaterial des im jeweiligen Untersuchungsdurchgang prsentierten Stimulus (Schloss oder Berg). Dies galt ebenfalls fr die Spteffekte, wobei das Ergebnis fr den Berg-Stimulus einen signifikanten Unterschied zur Adaptationsnacht aufwies (p =,0114). 28 Das Signifikanzniveau fr den Vergleich der durchschnittlichen Rnge der Spteffekte mit den durchschnittlichen Rngen der direkten Treffer, jeweils nach Berg-Stimulation, lag – bei einem z-Wert von -1.9384 – mit .0526 knapp an der Signifikanzgrenze. Hier deutete sich, was die Wiederkehr von evidentem Stimulusmaterial in den Abrufen betrifft, ein Abfall in den Spteffekten an. Diese Tendenz ließ sich bei den Schlosstreffern nicht erkennen.
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Experimentelle Traumforschung
Nach der Stimulation mit dem Schloss-Stimulus wurde unmittelbar im Anschluss daran die folgende Freie Imagination berichtet : P : […] mir kommt ein Konzertsaal irgendwie in : ins Dings. Orchester. – ein Orchester. klassische M- klassisches Orchester. h mit h auf Bhne der Dirigent. und ein : vornehmes und großes Publikum= hm eher so OperOpernhaus. (V: hmhm) – und hm : Herrn so’n ; ich seh es eher so von oben. so eher von oben gesehen. von der Seite. so hm fast Hçhe Orchester. bisschen davor. so Art Balkon. – unten h sind so sitzen die Herrn in dunklen Anzgen. es s- sind eigentlich alle in dunklen Anzgen= es ist eigentlich nnç eigentlich sind’s nur dunkle Anzge. und die – / es ist da sehr distinguiert (lacht) und klassisch=
Als Zwischenbilanz lsst sich festhalten, dass sich signifikante Effekte der subliminalen Stimulation im wachen Zustand nachweisen ließen. Die Probanden trumten beziehungsweise assoziierten nach Stimulusprsentation mehr von Berg- beziehungsweise Schlossthemen als in Versuchsdurchgngen ohne Stimulation. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Prsentation beider Stimuli in gleicher Strke wirkte, und zwar sowohl direkt im ersten als auch im zweiten Versuchsdurchgang in der darauf folgenden Nacht. Die Effektivitt des einen Stimulus war nicht durch die Vorgabe eines weiteren Stimulus mit anderem Inhalt beeinflusst. Viele Fragen blieben weiter offen. Dies galt besonders im Hinblick auf die Wiederkehr von Stimulusmaterial zu den unterschiedlichen Abrufzeitpunkten. Deshalb wurde, getrennt fr die zu verschiedenen Zeitpunkten berichteten Freien Imaginationen und Traumerinnerungen (FIA, Morgentraum = MT und FIM), berprft, ob es Unterschiede zwischen unstimulierten und stimulierten Freien Imaginationen am Abend, erinnerten Morgentrumen und Freien Imaginationen am Morgen dahingehend gab, dass nach einer Stimulusprsentation mehr stimulusbezogene Inhalte in den Abrufen auftauchten als in unstimulierten Abrufen. Die Ergebnisse zeigten, dass in den Freien Imaginationen abends, unmittelbar nach Stimulierung, hochsignifikant (pBerg =,0034) beziehungsweise signifikant (pSchloss =,0251) mehr evidentes Stimulusmaterial auftrat als in den unstimulierten Abrufen.
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In den Morgentraum-Erinnerungen29 nach Berg-Stimulation tauchte signifikant (pBerg=,0197) mehr evidentes Stimulusmaterial auf, als nach unstimulierten Morgentraum-Erinnerungen. Nach Schloss-Stimulation zeigte sich dieser signifikante Unterschied nicht. Mçglicherweise war der Stimulusinhalt bereits in den Freien Imaginationen abends »abgearbeitet« worden und drngte sich nun nicht zur Weiterverarbeitung auf. Noch deutlicher wurde dieser Unterschied zwischen Berg- und Schloss-Stimulation, wenn man sich die morgendlichen Freien Imaginationen betrachtete. Hier zeigten sich ebenfalls hochsignifikante Unterschiede (pBerg =,0007) zwischen stimulierten und unstimulierten Abrufen, wie schon bei den Morgentraum-Erinnerungen, wenn auch lediglich nach Berg-Stimulierung. Somit lsst sich zusammenfassend festhalten, dass nach Berg-Stimulierung zu allen Abrufzeitpunkten stimulusrelevantes Material signifikant beziehungsweise hochsignifikant hufiger auftauchte als nach unstimulierten Abrufen. Nach der Schloss-Stimulierung hingegen war dies lediglich direkt nach der Prsentation, also in den Freien Imaginationen am Abend der Fall. In den darauf folgenden Abrufen tauchte stimulusrelevantes Material nicht hufiger auf als in unstimulierten Nchten. Offen blieb, ob dieser Unterschied auf den Stimulusinhalt oder auf den Bewusstseinszustand beim Abruf oder auf beides zurckgefhrt werden konnte. Diese Frage wird weiter unten bei den Auswertungen des dritten Versuchs diskutiert. Die Inhalte des Berg-Stimulus wurden unbewusst wahrgenommen und direkt nach subliminaler Prsentation sowie in den darauf folgenden zwçlf Stunden verarbeitet. Sie kçnnen in den Abrufen in dieser Zeit nachgewiesen werden. Die Inhalte des Schloss-Stimulus werden zwar auch wahrgenommen und direkt nach der Stimulierung prozessiert, sie scheinen jedoch dann »abgearbeitet«, erledigt zu sein.
29 Ein Vergleich zu unstimulierten Morgentrumen war hier jedoch nur bedingt mçglich, da die Anzahl der zum Vergleich herangezogenen Morgentrume in den Versuchen, in denen eine Adaptationsnacht durchgefhrt wurde, sehr gering war. Da die fr die Berechnung verwendete Stichprobe kleiner als 30 war, kann hier nur ein einseitiger Signifikanzwert, der die Rangbindungen unbercksichtigt lsst, wiedergegeben werden.
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Versuch 2 In den Versuchen zwei und drei wurden die eigentlichen Nachtuntersuchungen durchgefhrt, in denen die Trume direkt aus den Weckungen in den REM-Phasen II, III und IV erhoben wurden. Der Zeitpunkt der Stimulation wurde konstant gehalten. Wie in Versuch eins erfolgte die Stimulation am Abend, nun direkt vor dem Zubettgehen. Im Gegensatz zu Versuch eins wurde jedoch nur ein sinnvoller Stimulus (das BergThema, Drei-Satz Form) eingesetzt. Im jeweils anderen Versuchsdurchgang wurde der sinnlose Kisuaheli-Stimulus als Kontrollstimulus verwendet. Das Hauptziel in diesem Versuch war die Klrung der Frage, ob nach Darbietung der Stimuli im Wachzustand am Abend eine Wiederkehr von Stimulusmaterial in REM-Trumen registriert werden kann, nach Weckung der Probanden aus REM-II, -III und -IV. Wie wirkte sich ein solches Vorgehen auf die mçgliche Wiederkehr in den Freien Imaginationen aus, die jeweils am Abend und am Morgen mindestens zweifach abgerufen wurden? An diesem Versuch nahmen insgesamt zwanzig Probanden teil, zehn Frauen und zehn Mnner (Durchschnittsalter: 26 Jahre, 21 – 32 Jahre). Jeweils fnf weibliche und fnf mnnliche Probanden wurden dem Versuchsleiter beziehungsweise der Versuchsleiterin zugeordnet. Ebenfalls kontrolliert war die Prsentationsreihenfolge der Stimuli. Die Versuchspersonen kamen zu insgesamt drei Untersuchungsnchten in das Traumlabor des Sigmund-Freud-Instituts. Die erste Nacht diente als Adaptationsnacht. Der einzige Unterschied zu den eigentlichen Versuchsnchten (Nchte zwei und drei) bestand darin, dass kein Stimulus prsentiert wurde. Am ersten Abend (Versuchsbeginn circa 23:00 Uhr) wurden vor dem Einschlafen zwei Freie Imaginationen erhoben. Die Vorgehensweise beim Abruf der Freien Imaginationen ist in der Versuchsdurchfhrung zu Versuch eins bereits geschildert worden. Anschließend gingen die Probanden zu Bett. »Licht aus« erfolgte ungefhr um Mitternacht. Als Schlafbeginn wurde die erste identifizierbare Episode S2 definiert.30 Die Weckungen erfolgten jeweils zehn Minuten 30
Die REM-Episoden wurden nach den Kriterien von Rechtschaffen und Kales identifiziert. Da REM-I hufig nur sehr kurz und manchmal schwer
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nach REM-Onset. Hierdurch sollte eine gengend lange Dauer von REM-Schlaf ermçglicht werden, und die Weckungen sollten fr alle Probanden vergleichbar sein. Die Weckungen dauerten durchschnittlich 46,3 Minuten. In 95 % aller Weckungen konnten sich die Probanden an Trume erinnern. Bei neun Weckungen gab es keine Traumerinnerung. In diesen Fllen wurde eine Freie Imagination abgerufen (FIN = Freie Imagination Nacht). In Versuch zwei wurden 120 Freie Imaginationen am Abend, 167 REM-Trume, 21 Morgentrume, 109 Freie Imaginationen am Morgen und 9 Freie Imaginationen in der Nacht abgerufen. Dies ergab 555 Zeichnungen und 1520 Seiten Transkripte. Auf die beiden Stimuli bezogen verteilen sich die Treffer wie in Tabelle 3 dargestellt: Tabelle 3: Verteilung der Treffer getrennt nach Stimulusinhalt Bewertung (Treffer)
Adaptation Direkt N= 135
1 (wahr21 scheinlich)
%
Berg Direkt N= 148
15,56 30
%
Kontroll*
Berg
Direkt % N= 69
Spt N= 74
20,27 17
24,63 20
%
27,02
2 (sicher)
7
5,19
9
6,08
4
5,80
5
6,76
3 (super)
1
0,74
4
2,70
0
0,00
0
0,00
30,43 25
33,78
Total
29
21,49 43
29,05 21
* Nach Kontrollstimulation sind nur direkte »Treffer« mçglich, da die gefundenen »Treffer« der Probanden, die in der dritten Nacht den Kontrollstimulus erhielten, Spteffekte der zweiten Nacht sind.
Dieses Ergebnis irritierte zunchst, denn es scheint, der Stimulus habe in diesem Versuch nicht gewirkt. Es gab anscheinend kaum einen Unterschied zwischen der Hufigkeit der »Treffer« in der Adaptationsnacht, nach der Berg- beziehungsweise nach der Kontroll-Stimulierung. Auf der Suche nach mçglichen Erklrungen fr die in Tabelle 3 aufgefhrten Ergebnisse wurde zunchst ein eventueller identifizierbar ist, wurde REM-II als erster Weckzeitpunkt festgelegt. Als REMII galt, wenn vorher bereits eine REM-Phase identifiziert worden war. War im EEG bis 240 Episoden nach Schlafbeginn (erste Episode S2) keine REM-Episode identifizierbar, so galt die nchste auftretende REM-Phase als REM-II.
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Experimentelle Traumforschung
Versuchsleiter-Effekt diskutiert.31 Verglichen wurde deshalb die Hufigkeit der flschlicherweise als »evident« bezeichneten »Treffer« in der Adaptationsnacht mit den tatschlichen Treffern aus Berg-stimulierten Nchten. Bei diesem Vergleich ließ sich jedoch ein hochsignifikanter Unterschied (pBerg =,0003) zugunsten der tatschlichen Treffer feststellen. In den Stimulationsnchten tritt mehr stimulusrelevantes Material auf als in der Adaptationsnacht. Bei der berprfung der Kontroll-Nchte im Vergleich zu den Berg-stimulierten Versuchsdurchgngen und zu den Adaptationsnchten auf mçgliche Unterschiede im »evidenten« Stimulusmaterial stellte sich heraus, dass sich die Abrufe der Adaptationsnacht nicht von denen der Kontroll-Nchte unterschieden (pKontroll =,1837), aber die Evidenz des wiederkehrenden Stimulusmaterials in Berg-stimulierten Nchten sich hochsignifikant von dem der Kontroll-stimulierten Nchte unterschied (pBerg = ,0000).
Abbildung 3: Vergleich der Effekte bei unterschiedlich stimulierten Abrufen, ** hochsignifikante Unterschiede (p .01)
Die Abbildung 3 ist wie folgt zu lesen: Die Sulen stellen die Anzahl von Abrufen dar. Die helle Sule links gibt die Anzahl der Abrufe wieder, in denen nach Stimulusprsentation mehr Bergtreffer im Vergleich zu unstimulierten Abrufen der Adaptationsnacht gefunden wurden. Die linke schwarze Sule links gibt die umgekehrte Situation 31
Die Versuchsleiter wussten zwar, dass bei Versuch zwei ein Kontrollstimulus und der Berg-Stimulus prsentiert wurden, konnten aber nicht sagen, wann welcher Stimulus vorgespielt wurde.
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wieder, also die Anzahl der Abrufe nach Stimulusprsentation, in denen weniger Bergmaterial gefunden wurde als in unstimulierten Abrufen der Adaptationsnacht. Der Unterschied zwischen beiden Befunden ist hochsignifikant zugunsten der mit Berg stimulierten Abrufe (pBerg-unstimuliert =,0003). Die gleiche Logik gilt fr die mittleren beiden Sulen. Wieder ist die Anzahl der Abrufe fr die jeweilige Nacht wiedergegeben, in denen mehr Bergtreffer gefunden wurden. Zwischen der Nacht, in welcher der Kontrollstimulus prsentiert wurde und der Adaptationsnacht findet sich kein signifikanter Unterschied. Ein hochsignifikanter Unterschied lsst sich jedoch wieder bei dem Vergleich der Berg-stimulierten Nchte mit den Kontroll-stimulierten Nchten feststellen: In Berg-stimulierten Nchten finden sich hochsignifikant mehr Abrufe, in denen mehr Berg-Treffer auftauchen als umgekehrt (pBerg-Kontroll =,0000). Zusammenfassend lsst sich sagen: Im Gegensatz zum ersten Eindruck der deskriptiven Verteilung der evidenten Treffer auf die einzelnen Untersuchungsnchte konnte mit Sicherheit gesagt werden, dass kein Versuchsleitereffekt vorlag. Es musste andere Erklrungen fr dieses Verteilungsergebnis geben. Somit ließen sich auch Effekte des Berg-Stimulus in Versuch zwei feststellen.32 Diese sollen nun nher betrachtet werden. Die Auswertung der Daten ber alle Abrufe hinweg, nach einzelner Versuchsnacht differenziert, ergab, dass sich die Abrufe dann signifikant von denen unstimulierter Abrufe in der Wiederkehr von evidentem Stimulusmaterial unterschieden (pBerg direkt, Nacht1 =,0440), wenn die Probanden in der ersten Stimulationsnacht den Berg-Stimulus vorgespielt bekamen, nicht jedoch wenn dieser in der zweiten Stimulationsnacht gegeben wurde (pBerg direkt, Nacht2 =,2579). Hieraus ließ sich vermuten, dass dieses Ergebnis durch einen Reihenfolgeef-
34 In dieser Versuchsreihe standen insgesamt 291 Abrufe nach Stimulation und 238 Abrufe aus unstimulierten Nchten, die der Kontrolle dienten, zur Verfgung (das heißt, Abrufe aus Adaptations-Nchten in denen Berg-Themen gefunden wurden). Das Vorgehen zur statistischen Signifikanzprfung entspricht dem aus Versuchsreihe eins: Rangsummenvergleiche fr unabhngige Stichproben nach Wilcoxon.
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fekt, aufgrund der unterschiedlichen Prsentationsreihenfolge von Kontroll- und Berg-Stimulus, zustande gekommen sein kçnnte. Darber hinaus kehrte in der Versuchsanordnung mit Bergstimulation in der ersten Versuchsnacht signifikant hufiger Stimulusmaterial in Form von Spteffekten in der zweiten Stimulationsnacht wieder als in unstimulierten Abrufen (pBerg spt, Nacht2 =,0243). Diese Ergebnisse wiesen darauf hin, dass sowohl eine verzçgerte Wirkung des Berg-Stimulus in der zweiten Nacht als auch eine Hemmung des Berg-Stimulus durch vorherige Kontroll-Stimulierung (Reihenfolgeeffekt) die signifikanten Effekte ausmachten. Der Reihenfolgeeffekt musste deshalb angenommen werden, weil der Berg-Stimulus ja direkt nach der Stimulation wirkte, das nichtsignifikante Ergebnis in der dritten Nacht also aufgrund einer Hemmung durch den KontrollStimulus zustande gekommen sein musste. Es scheint, dass die besondere Beschaffenheit des Kontroll-Stimulus, nmlich seine fehlende Syntax und Semantik, die Probanden ber einen großen Zeitraum beschftigte, so dass die Verarbeitung des danach gegebenen, syntaktisch und semantisch sinnvollen Stimulus, kompetitiv gehemmt wurde. Ein syntaktisch und semantisch sinnvoller Stimulus htte demzufolge nicht eine solche Wirkung, da dieser direkt verarbeitet werden kann (vgl. Ergebnisse aus Versuch eins) und so Kapazitten zur Verarbeitung des folgenden Stimulus frei bleiben. Um dies zu berprfen, wurde die Auftretenshufigkeiten von Bergthemen in Adaptationsnchten, nach Schloss-Stimulation, nach Schloss-Berg-Stimulationsowie nach Kontroll-Stimulation und nach Kontroll-Berg-Stimulation miteinander verglichen.33 Der KontrollStimulus erwies sich auch nach dieser Auswertung als ein hemmender Stimulus. Nach Berg-Stimulation in der zweiten Nacht traten weniger
33
Dabei wurde im ersten Schritt eine Kruskall-Wallis-Varianzanalyse gerechnet, um zu prfen, ob es signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gibt. Aus dem Ergebnis der Varianzanalyse ließ sich jedoch nicht ablesen, zwischen welchen Gruppen eventuell vorgefundene signifikante Unterschiede bestanden. Ließen sich Unterschiede finden, wurden danach Paarvergleiche fr jede Gruppe mittels »Rangsummenvergleich fr unabhngige Stichproben nach Wilcoxon« durchgefhrt, um herauszufinden, zwischen welchen Gruppen die signifikanten Unterschiede bestehen. Das gleiche Vorgehen galt fr die weiter unten dargestellten Ergebnisse mit einem sinnvollen (Schloss-)Stimulus.
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Berg-Themen auf, wenn in der vorherigen Nacht der Kontroll-Stimulus verabreicht wurde, whrend signifikant mehr Berg-Themen nach Berg-Stimulation in der zweiten Nacht auftraten, wenn in der vorherigen Nacht der Schloss-Stimulus verabreicht wurde (pSchloss-Berg =,0078). Um weitere Anhaltspunkte dafr zu finden, dass tatschlich die Sinnlosigkeit des Stimulusinhalts fr den hemmenden Effekt verantwortlich gemacht werden konnte, wurden dieselben Vergleiche mit einem inhaltlich sinnvollen Stimulus gerechnet (ebenfalls in der gleichen Reihenfolge: Adaptationsnacht – Schloss-Stimulus – BergStimulus). Im Unterschied zum sinnlosen Kisuaheli-Stimulus fhrt der sinnvolle Schloss-Stimulus nicht zu einer Hemmung der Berg-Themen in den Abrufen. In der zweiten Nacht, kommt es zu einem – hier auch erwarteten – Anstieg in der Anzahl der Berg-Treffer in den Abrufen. Nun findet sich auch ein hochsignifikanter Unterschied zu der Hufigkeit der Berg-Treffer in den Adaptationsnchten. Dieser Vorgang (sinnloser Stimulus behindert das Prozessieren sinnvoller Inhalte) lsst sich als »kompetitive Hemmung« bezeichnen. Wie berichten die Probanden, wenn sie im Labor geweckt werden, ihre Trume? Wie stellen sich die Bergeffekte in diesen Traumberichten dar und wie sehen die Traumzeichnungen aus? Im Folgenden sind einige Beispiele hierzu dargestellt. P: nee es kommt mir vor als wren Sie grade eben da gewesen, (V: hmhm)—das is – das is alles Sandkuhle irgendwie, eben so dass da ne Landschaft mit ner Sandkuhle,—sollten die Schwanheimer Dnen sein, – genau, – jetzt weiß ich’s, – aber sieht anders aus, – bizarre Landschaft ich hab= – es gibt so ne Dnenlandschaft in Frankfurt, die ist relativ unbekannt, (V: hmhm) und hm – da bin ich ab und zu mal mit meiner Freundin hingefahren, – mit dem Fahrrad, – man darf nicht rein weil das ein Vogelschutzgebiet ist eigentlich, in Schwanheim – Schwanheimer Dnen heißen die, – is alles umzunt, das is n – ganz tolles Gelnde ist wie in Sdfrankreich, aber – das= da dachte ich da wr ich jetzt wieder, mir meiner Freundin aber das war ganz bizarr da alles, und verschiedene Landschaften die so bereinanderlappen irgendwie, so ne flache Landschaft mit hohen Grsern= – so tundraartig= – berhaupt kaum also mit kaum Bumen= – und dann so schroffe F- so schroffe Felsen wieder= – und ich steh an so ner wir stehn an so nem erhçhten Punkt= – und gucken da so runter, – aber warum wir da runtergucken und was wir da machen= – und wie wir dahin gekommen sind= – das
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weiß ich nich, – (V: hmhm) – ich beschreibs mal so, es ist – hm – ne Tundra die= – auf de- also irgendwie auch erst es hatte so wie so ne ganz flache Tundra die so hohe Grser hat= aber nicht total unzivilisiert, also irgendwie sind da doch Huser dazwischen oder so, – und dann siehts aus wie so ne – wie so ne Landschaft in England so, die nicht so – berkultiviert ist so wie bei uns= sondern so da sind noch so Bruchsteinmauern dazwischen und so= kleine nicht rechteckige Felder= und dann Huser und Hecken und so, – (1. Nacht, Weckung am Morgen)
In diesem Beispiel tauchen die verschiedensten Komponenten aus dem Berg-Stimulus wieder auf. Die Szenerie ist an einen Ort der lokalen Umgebung von Frankfurt verlegt. Der Proband ußerte auch seine Verwunderung darber (»aber warum wir da runtergucken und was wir da machen= – und wie wir dahin gekommen sind= – das weiß ich nich«). Im Gegensatz steht im nchsten Abruf ein spezifischer inhaltlicher Aspekt des Stimulus im Vordergrund – die Steinlawine -, die hier verwandelt in dem zerschlagenen weißen Porzellan, den Toilettenschsseln gesehen werden kann. Zu diesem Traum zeichnete der Proband das folgende Bild (Abb. 4):
Abbildung 4
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Aber auch die anderen Aspekte des Berg-Stimulus tauchten in den Traumzeichnungen wieder auf. In der folgenden Zeichnung sind die Berge, das Licht, die Sonne und der Nebel dominierendes Thema (Abb. 5).
Abbildung 5: Stimulation 1. Abend; Abruf: REM-III, 2. Nacht (FIN). »Berge im Sonnenuntergang, Sonne von schrg hinten, (Proband) ist auf gleicher Hçhe wie die Bergspitzen, welche rund sind wie Kieselsteine. Der Himmel ist blau statt dunkel, was nicht sein drfte, da es sich nicht um einen Sonnenaufgang handelt. Die Bergspitzen ragen aus dem Nebel.«
Eine weitere Frage betraf mçgliche Unterschiede zwischen Freien Imaginationen am Abend, REM-Traumberichten (Nacht-Abrufe) und Freien Imaginationen am Morgen – differenziert nach stimulierten und unstimulierten Abrufen, und zwar in Abhngigkeit vom Abrufzeitpunkt nach der Stimulation. Dafr wurden die Ergebnisse sowohl fr die beiden Stimuli als auch fr die einzelnen Abrufe getrennt betrachtet. Bewirkte der Kontroll-Stimulus tatschlich eine Hemmung des Berg-Stimulus, so konnte man erwarten, dass zunchst in der abendlichen Freien Imagination nach Berg-Stimulierung mehr evidentes Stimulus-Material auftauchte als in unstimulierten Abru-
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fen. Entsprechend msste nach Kontroll-Stimulierung kein Unterschied feststellbar sein beziehungsweise es mssten weniger BergThemen auftreten als in den unstimulierten Abrufen. Gleiches galt fr die REM-Traumberichte und Freien Imaginationen am Morgen der ersten Stimulationsnacht. Es zeigte sich, dass bei denjenigen Probanden, die in der ersten Stimulationsnacht den Kontroll-Stimulus erhielten, im Vergleich zu unstimulierten Abrufen signifikant weniger Berg-Themen auftauchten (pK/B-FIA =,0274; pK/B-REM =,0290). Dies war sowohl direkt nach Stimulation in den Freien Imaginationen am Abend als auch in den REM-Traumberichten dieser Nacht der Fall. Diejenigen Probanden, die in der ersten Stimulationsnacht den BergStimulus erhielten, unterschieden sich, bei einem Vergleich zwischen den Abrufarten Freie Imaginationen am Abend, REM-Traumberichten und Freien Imaginationen am nchsten Morgen, nicht signifikant in den Abrufarten bei unstimulierten Probanden. Erst in der darauf folgenden Nacht fiel bei diesen Probanden ein signifikanter Unterschied in den FIAs zu den unstimulierten Abrufen (pB/K-FIA = .0347) auf. Verglich man nun die Treffer in der ersten Stimulationsnacht mit denjenigen in der zweiten – und zwar bei beiden Versuchsanordnungen – so zeigte sich, dass in der Versuchsanordnung »B/K« (also 1. Berg–, 2. Kontrollstimulus) keine signifikanten Unterschiede zwischen den Nchten feststellbar waren. Wie aus den oben beschriebenen Ergebnissen bekannt ist, unterschieden sich die Effekte der ersten Stimulationsnacht signifikant von denen unstimulierter Nchte. Mit anderen Worten: der Berg-Stimulus hatte direkt nach der Stimulation gewirkt. In der zweiten Stimulationsnacht waren ebenfalls Effekte feststellbar. Auch in der umgekehrten Versuchsanordnung (K/B) unterschieden sich die Effekte der ersten Stimulationsnacht nicht von denen der zweiten Stimulationsnacht. Wir wissen aber, dass nach Kontrollstimulation in Nacht eins signifikant weniger evidentes Berg-Material auftritt (in FIA und in REM) als in unstimulierten Abrufen, sowie, dass die Effekte, die dann nach Berg-Stimulation in Nacht zwei auftraten, sich nicht signifikant von unstimulierten Abrufen unterschieden. Dies verdeutlichte nochmals, dass eine Hemmung der Effektivitt des Berg-Stimulus durch die vorherige Prsentation des Kontroll-Stimulus vorlag.
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Versuch 3 Mit der Durchfhrung von Versuch drei wurde endgltig wissenschaftliches Neuland betreten, denn die Probanden wurden direkt whrend des Schlafes subliminal stimuliert. Wie wrde sich diese Stimulation auswirken? Wrden die Probanden, trotz der geringen Lautstrke (25 dB), die Flstersprache entsprach, und trotz der 2,5fachen Beschleunigung, die Stimulusinhalte verstehen? Wrde es Unterschiede zwischen den Stimulationen im Tiefschlaf und denen whrend der zweiten REM-Phase geben? Vor allem aber interessierte, ob die Stimulusinhalte, so sie denn verstanden wurden, auch in das Traumgeschehen eingebaut wrden. Geschah dies unmittelbar oder mit einer zeitlichen Verzçgerung? Das Hauptziel in diesem Versuch war die Klrung der Frage, ob nach Darbietung der Stimuli im Schlafzustand (in REM-II beziehungsweise in S4), eine Wiederkehr von Stimulusmaterial in REMTraumberichten registriert werden konnte. Wie wirkte sich diese Versuchsanordnung auf die brigen Nachtweckungen aus? Ließ sich Stimulusmaterial, bei Stimulation in der Nacht, in den Freien Imaginationen am Morgen beziehungsweise am Abend nachweisen? War Stimulusmaterial unmittelbar nach der Stimulation in REMTraumberichten bereits auffindbar? In diesem Versuch wurde eine dritte Experimentalnacht hinzugefgt, in der aber keine Stimulation erfolgte. Hierdurch sollte berprft werden, wie sich eventuelle Spteffekte ber einen lngeren Zeitraum hinweg entwickeln. Zwei der im ersten Versuch bereits verwendeten Stimuli wurden prsentiert: Berg-Stimulus und Schloss-Stimulus in ihrer jeweiligen Dreisatz-Form.34 An diesem Versuch nahmen insgesamt 15 Probanden teil, sieben Frauen und acht Mnner (Durchschnittsalter: 27,5 Jahre, 21 – 38 Jahre). Der Ablauf der Versuchsdurchfhrung der Adaptationsnacht und der Experimentalnchte eins und zwei glich, bis auf die Stimulationen, der von Versuch zwei. In der dritten (un-
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Der dritte Satz des Schloss-Stimulus war leicht modifiziert. Die dreifach wiederholte Textzeile lautete nun: »Bei romantischer Musik schauen sich Prinz und Dornrçschen verliebt in die Augen.«
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stimulierten) Experimentalnacht war der Ablauf derselbe wie in den stimulierten Experimentalnchten. Die Art und Weise der Stimulation in der Nacht whrend des Schlafes war in einer der Vorversuchsreihen erprobt worden und erfolgte als einmalige Stimulation mit 25 dB. Der Versuchsleiter wusste nicht, welcher Stimulus jeweils prsentierte wurde. Whrend der Stimulusprsentation wurden die EEG-Aufzeichnungen genau kontrolliert. Sechs Probanden bekamen die Stimuli in S4 in der ersten Stimulationsnacht und in REM-II in der darauf folgenden Nacht vorgespielt, bei den anderen neun Probanden wurde umgekehrt verfahren.35 Am Ende der dritten Experimentalnacht fand, wie in den anderen Versuchen auch, die Morgenbefragung und das Nachgesprch ber den Versuch statt. Versuch drei ergab 78 Freie Imaginationen am Abend, 124 REM-Trume, 68 Freie Imaginationen am Morgen, 14 Morgentrume und 3 Freie Imaginationen in der Nacht. Hieraus ergaben sich 663 Zeichnungen und 1410 Seiten Transkripte.36 Da es nicht mehr um den Nachweis ging, ob die tachyakustische Stimulation berhaupt feststellbare Effekte erbrachte, war hier das Auswertungsziel, mçgliche Effekte in REM-Trumen, in Freien Imaginationen am Abend und in Freien Imaginationen am Morgen getrennt zu erfassen. Die Ergebnisse zeigten Effekte in REM-Trumen, es ließen sich Stimulusinhalte unmittelbar nach der nchtlichen Stimulation in REM-Traumberichten nachweisen (der Vergleich zu unstimulierten REM-Trumen). In den REM-Traumberichten fand sich jedoch nur dann signifikant mehr evidentes Stimulusmaterial, wenn die subliminale Stimulation in der Nacht zunchst im Schlafstadium S4 und erst anschließend, in der darauf folgenden Untersuchungsnacht, in REM-II stimuliert wurde. 35
Bei fnf dieser Probanden konnte in der dritten Nacht, vor der zweiten REM-Phase nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob die Stimulation tatschlich in S4 erfolgte. Aus diesem Grunde wurden die in diesen Nchten erhobenen Daten fr die Berechnungen nicht bercksichtigt. 36 Fr die Auswertung der evidenten Treffer von Versuch drei standen insgesamt 261 Abrufe nach Stimulation und wiederum 238 Abrufe aus unstimulierten Adaptations-Nchten zur Verfgung.
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In den Freien Imaginationen am Abend (FIA) und am Morgen (FIM) ließen sich keine signifikant erhçhten Stimulusinhalte nach der nchtlichen Stimulation nachweisen (Vergleich zu unstimulierten FIA und FIM). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass mit Hilfe des Vorspielens des subliminalen Stimulus im Schlaf (einmalig mit nur 25 db und 2,5fach beschleunigt), zunchst in S4 und anschließend in REM-II, das prsentierte Material unmittelbar verwendet sowie ber einen gewissen Zeitraum hinweg in die Trume eingebaut und eine evidente Wiederkehr aber hauptschlich von Schloss-Material in den REMTraumberichten somit befçrdert wurde. Hier deutete sich eine Zustandsabhngigkeit des Retrievals an. Wurde in der Nacht stimuliert, dann tauchten die evidenten Treffer auch in den Abrufen in der Nacht (aus REM-II, -III und -IV) wieder auf und nicht in den am Tage, im Wachzustand durchgefhrten Freien Imaginationen. Eine weitere Frage betraf mçgliche unterschiedliche Effekte in der Wiederkehr des evidenten Stimulusmaterials in den Freien Imaginationen und in den REM-Traumberichten. Ausgehend von dem Bewusstseinszustand bei der Stimulation in S4 oder in REM-II ließ sich vermuten, dass in den Traumberichten in der Nacht mehr Stimulusmaterial als in den Freien Imaginationen am Abend und am Morgen auffindbar sein wrde. Es zeigte sich, dass sich bei subliminaler Stimulation in der Nacht die Schloss-Inhalte als »traumgngiger« erwiesen: In den REM-Traumberichten tauchte signifikant mehr evidentes Stimulusmaterial auf, als in den Freien Imaginationen am Tage. Ausschlaggebend dafr schien jedoch nicht nur der Bewusstseinszustand zum Abrufzeitpunkt zu sein, sondern auch wann und in welcher Reihenfolge stimuliert wurde (S4/REM-II). Verglich man nmlich innerhalb des Versuches die unterschiedlichen Nchte und ihre Abrufe, so zeigten sich keine Unterschiede in der Wiederkehr von Stimulusinhalten in den REM-Traumberichten in den beiden Versuchsnchten, unabhngig vom Zeitpunkt der Stimulation (REM-II oder S4). In der dritten Nacht zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede zugunsten der Reihenfolge S4/REM-II der Stimulationszeitpunkte. Vor allem in den Spteffekten fanden sich signifikante Unterschiede in der Wiederkehr des Stimulusmaterials. Dieser Effekt ist hauptschlich auf vermehrt auftretende evidente Berg-Inhalte zurckzufhren. Nochmals sei betont, dass es sich
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hierbei um einen Vergleich zwischen den Untersuchungsnchten handelt, in denen auch tatschlich stimuliert wurde. Die oben bereits aufgefhrten Ergebnisse hatten hingegen gezeigt, dass Schloss-Themen eher in REM-Traumberichten wiederkehrten, wenn subliminal whrend des Schlafes stimuliert wurde. Der Vergleich wurde hier zu den unstimulierten Nchten durchgefhrt. Wichtig erscheint somit fr eine Wiederkehr von Stimulusmaterial, neben dem Schlafzustand bei der Stimulation, wann in der Nacht und in welcher Reihenfolge welcher Stimulus vorgespielt wurde. Die Stimulations-Reihenfolge: S4/REM-II hat sich als gnstig herausgestellt. Gegenber der Stimulation whrend des Schlafes hatte sich bei Stimulation im Wachzustand (Versuch eins und zwei) gezeigt, dass die Berg-Themen generell eher in den Freien Imaginationen am Abend auftauchten, und zwar besonders dann, wenn subliminal wach stimuliert wurde (siehe Ergebnisse aus Versuch eins und Versuch zwei). Somit war der Zeitpunkt der nchtlichen Stimulation fr das Auftauchen der Schlossthemen von Bedeutung. Zwar war weder REM-II noch S4 der bessere Stimulationszeitpunkt, aber die Kombination beider Zeitpunkte schien ausschlaggebend zu sein. Reihenfolgeeffekte, aufgrund der unterschiedlichen Prsentation von verschiedenen Stimulusinhalten (also unabhngig vom Schlafstadium), ließen sich nicht feststellen. Einige Beispiele fr Berichte und Zeichnungen von Trumen und Freien Imaginationen aus Versuch drei seien im Folgenden wiedergegeben: P: ich wollte zu so nem Ball zum Tanzball gehen – und – ich wollte oder sollte – hmhm und dann hab ich im HL irgendwie beim Einkaufen lief mir irgendwie der Gert ber den Weg ja der Gert und ich hab ihn glaub ich gefragt – der hatte auch was zu trinken dabei mit nem Strohhalm und so ne Folie so ne Alufolie so da rumgewickelt so wie in den USA halt dass / / ((nich sein darf )) hmhm – aber ich glaub der trank da Kakao raus oder ich wollte welchen kaufen das weiß ich nich genau eins von beiden aber so Milch und Kakao spielt ne Rolle – hmhm – dann hab ich ihm hm das erzhlt dass ich da – hin wollte im HL das Zeug kaufen aber nicht mehr genau wisse was / das gewesen sei hab ich das noch nicht erzhlt ich wollte Pilze kaufen (lacht) hmhm – Moment / mal grad berlegen—ja ich wollte irgendwas ko- deshalb bin ich in HL gegangen weil ich irgendwas kochen wollte oder was zubereiten – jedenfalls so Pilze kaufen aber – wusste das Rezept nicht mehr und – hmhm war auch so ein bisschen ber- der Champignons berdrssig
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weil ich immer irgendwie nur Champignons kaufe und die verarbeite und dann dacht ich ich kçnnte mal was anderes kaufen und dann hab ich das Dilemma auch Gert erzhlt und dann sind wir zusammen in den HL – hmhm und haben dort hmhm (ghnt) hmhm diskutiert hmhm nee irgend jemanden noch getroffen nen gemeinsamen Bekannten aber ich weiß nich wer es war kçnnte Willi wieder gewesen sein das war jemand großes auch den da getroffen und haben – irgendwie noch mal kurz ber diese Pil- ber die Pilze geredet aber ich weiß auch nicht was da inhaltlich jetzt war – und dann haben wir uns getrennt und ich hab dann im HL und ich hab berlegt wie dieser komische Ball noch mal hieß wo ich da hin soll – in dem Moment fiel mir dann ein so ein Wiener – Opern und – Ballettball oder so so ein Doppelnamen der aber nicht so ganz logisch war also – und inzwischen stand der Gert glaub ich mit dem andern Typen da in einer Schlange an das war so ne ziemlich riesige Schlange im HL waren an zwei oder drei Kassen ganz lange Schlangen – die standen da an und plçtzlich fiel mir eben ein dass der wirklich irgendwie Opern und Musicalball oder so was hieß der richtige Name fiel mir dann plçtzlich direkt ein dann bin ich dann bei vorbei auch vorbei gelaufen und hab ihnen das gesagt ich wr jetzt drauf gekommen so und so – (3. Nacht, Weckung aus REM-IV, Traum).
Direkt angesprochen in diesem Traum wird die Festaktivitt »Opernball«. Neben dieser direkten Wiederkehr lassen sich auch die Getrnke, das Rezept, Lebensmittel, die vielen Menschen an der Kasse, die Paarsituation, die Suchaktivitt nach dem Namen, das Einfallen des richtigen Namens, mit dem Stimulus in Zusammenhang bringen. Zu diesem Traum malte der Proband das folgende Bild (Abb. 6): Auffallend ist hier, dass die Zeichnung erst unter Hinzunahme des Textes den Zusammenhang mit dem Stimulus offenbart. Die Zeichnung insgesamt wirkt sprlich, wenig elaboriert in der Ausfhrung und ist auch im Original in Schwarzweiß. Fr eine genauere Darstellung der Phnomene und Merkmale bei der zeichnerischen Darstellung von Trumen und Freien Imaginationen (vgl. Hau, 2004). Ein weiteres Beispiel fr die Effekte in Versuch drei ist der folgende REM-Traum aus der zweiten Nacht, Weckung aus REM-III: P: mh – oh je – mh – ich war grade im Traum irgendwie geistig abwesend—/ auf einer obskuren Party – mh und da war ein riesiges Buffet – und ich glaub die meisten Zeit haben wir haben die Gste und ich an diesem Buffet gestanden und gegessen und dort gequatscht es gab ganz leckeren Kuchen verschiedenster Sorte
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Abbildung 6: Schloss-Stimulus, Dreisatz, Stimulation in S4, 1. Nacht; Abruf: REM-IV, 3. Nacht. – und hm – ich weiß wenn man da rausging dass hm links dann die Kche war aber in dem Haus ((das heißt)) das hab ich mir berhaupt nicht angeguckt ich hab eigentlich diese ganze Zeit an diesem Buffet verbracht mit etlichen Leuten und hab ja / / ber die andern ((Zirkusse)) (P und V lcheln kurz) – das war wirklich lustig hach verschiedenste Kuchen ich weiß dass ich zuletzt noch mit einem Kirschenmichel aufgehçrt hab Salate und so was halt noch verschiedenster Sorte Fleischbllchen und so hach irgendwie hatten die sich da saublçd angestellt was war das nur – / mit einem Freund von mir hab ich mich dauernd um den Kuchen geprgelt (P lchelt kurz) was hat denn dieser eine gesagt ich weiß es gar nich mehr aber es war unsglich – und dann musste ich halt meist was dazu sagen es war einfach doof wahrscheinlich wenn ich’s jetzt wsste fnd ich’s vçllig banal hm ich weiß es nich mehr ich weiß es nich mehr – ich weiß nur dass es grad ne richtige Schlacht um diesen Kuchen gab um diesen verschiedenen Kuchen war ja nicht nur einer waren aber viele Leute – das war ein ganz komischer Raum und irgendwelche Party / / wenn man bei denen dann drei hm fnf Stunden an dem Buffet befindet sind fr mich nicht normal (P lchelt kurz) (V: hm) – das war nur dieser eine Raum da – mehr hatten die gar nicht – und die Kche aber die hab ich nie zu sehen bekommen ich weiß nur wo die war aber ich war nie drin – drumrum ja die Fensterfront aber da war sonst nichts – da war sonst nichts – warn auch keine Bilder an den Wnden oder so das sah aus als htten sie irgendwie’n Wohnraum vçllig leer gerumt halt extra dafr (V: hm) nur bis auf den Teppich und so –
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Zu diesem Traum wurde die folgende Zeichnung angefertigt (Abb. 7):
Abbildung 7: Schloss-Stimulus, Dreisatz, Stimulation in REM-II, 1. Nacht, Abruf: REM-III, 2. Nacht. »Auf einer obskuren Party, ein riesengroßes Buffet, rechts Tr nach draußen, daneben ist ein großer Tisch mit den Nachspeisen, Kuchen, Mousse etc. Oben ist ein großer Tisch wie ein Tapeziertisch mit dem restlichen Essen. Links eine Fensterfront, viele Leute, Partygewhl, ich stehe an der Tr, zwei Freunde stehen in der Nhe, mit denen ich gelstert habe.«
Hier ist das Phnomen zu beobachten, dass die Zeichnung fr sich genommen nicht so eindrucksvoll erscheint, wie in Verbindung mit dem dazugehçrigen Text. Zum Abschluss der Darstellung der Ergebnisse von Versuch drei hier noch einige Zeichnungen (Abb. 8, 9, 10), in denen die Wiederkehr von Stimuluseffekten besonders evident erscheint. Dies betrifft nicht nur die Schloss-Treffer, auch nach dem Berg-Stimulus zeigten sich einige eindrucksvolle Effekte. »Eine Gruppe von dreißig Leuten an einer Burg.« Die Probandin spricht dauernd von einem »Innenhof«, zeichnet die Gruppe jedoch vor der Burg. (Die
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Abbildung 8: Schloss-Stimulus, Dreisatz, Stimulation in REM-II, 3. Nacht; Abruf: REM-IV, 3. Nacht.
Bezeichnung Schloss streicht die Probandin wieder, das sei »falsch«.) Sie spricht ihre Bekannte an, welche mit ihrem Freund telefoniert. Sie sagt, sie habe sich »die Haare abgeschnitten« (Abb. 8).
Auch fr den Berg-Stimulus fanden sich eindrucksvolle Effekte. Beispiele fr eine recht vollstndige Wiederkehr des Stimulusinhaltes finden sich in den Texten und folgenden Zeichnungen. »Auf einem Bergplateau, Weg nach oben, oben steht ein Tisch mit aufgeschlagenen dicken Bchern. Daneben auch noch ein Bcherstapel. Rechts eine Brcke, im Hintergrund ein Bergmassiv. Ich stehe mit anderen auf einem Plateau, es zieht ein Unwetter auf, in der Ferne hçrt man Grollen. Regen kommt scharf von der Seite, die anderen bringen sich in Sicherheit. Mich trifft der Regen nicht, aber die Bcher werden nass. Ich schtze mich mit einer Decke, in die ich mich einwickele.« (Abb. 9) »Ein Boot kommt zu einer Insel, circa dreißig Meter hohe runde Felsen. Spter gehe ich von der Herberge aus spazieren, ich gehe zu den Klippen. An einem Seil pendele ich in die Tiefe. Ein Militrboot kommt und fhrt vorbei. Ich lasse mich in die Tiefe fallen, es ist ziemlich tief und ich denke, ich darf nicht ohnmchtig werden. Ein Fischer oder Bauer sagt, das sei verboten. Ich klettere die Klippen
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Abbildung 9: Berg-Stimulus, Dreisatz, Stimulation in REM-II; Abruf: Morgentraum.
wieder hinauf. Oben helfen mir Einheimische weiter, weil ich nicht vor noch zurck weiß. Sie bringen mich in die Stadt.« (Abb. 10)
Berechnungen ber alle Versuche Die bisherigen Auswertungen beschrnkten sich grçßtenteils auf Fragestellungen, die mit dem Material, das im jeweiligen Versuch erhoben wurde, beantwortet werden konnten. Die allgemeinen Berechnungen von Effekten, Abrufarten, Stimulationszeitpunkten etc.,
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Abbildung 10: Berg-Stimulus, Dreisatz, Stimulation in S4, 1. Nacht; Abruf: Morgentraum, 2. Nacht.
ber alle Versuche zusammengenommen, sollten Hinweise auf die Beantwortung der Frage nach dem generellen Ablauf der Bearbeitung und dem Prozess der Wiederkehr des Stimulusmaterials erbringen. Hierzu wurde das Datenmaterial aus den verschiedenen Versuchen zusammengefasst. Im folgenden Abschnitt sind die Ergebnisse der allgemeinen Fragestellungen aufgefhrt.
Allgemeine Effekte Wertete man die Daten der Probanden ber alle Abrufe hinweg aus und prfte die Unterschiede der mittleren Rnge der Auswertungsvariablen (Berg- beziehungsweise Schloss-Treffer) nach Stimulusbeziehungsweise ohne Stimulus-Vorgabe (Adaptationsdurchgang), so zeigten sich nach beiden Stimuli hochsignifikante Unterschiede (pSchloss =,0029; pBerg =,0000). Nach der Darbietung der Stimuli trat eine hçhere Evidenz an Berg- beziehungsweise Schloss-Themen auf als in Nchten ohne Stimulation (Adaptationsnacht). Wie schon bei den Auswertungen der einzelnen Versuche, interessierte in diesem Zusammenhang die Frage nach Reihenfolgeeffekten. Im Vergleich zu unstimulierten Abrufen (Adap-
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tation), gab es signifikante Effekte in allen Versuchsdurchgngen nach Stimulation. Fr jeden Stimulus ergaben sich somit direkte Treffer und spte Treffer, die beim zweiten Versuchsdurchgang, nach der jeweiligen Stimulusprsentation, beobachtet wurden. Verglich man nun die einzelnen Stimuli hinsichtlich ihrer direkten beziehungsweise spten Retrieval-Kapazitten, so zeigte sich ein in der obigen Tabelle 3 dargestellte Unterschied zwischen direkten Treffern und spten Treffern: Direkt nach Berg-Stimulation trat signifikant hufiger evidentes Stimulusmaterial auf als in der darauf folgenden Nacht (pBerg =,0318). Beim Schloss-Stimulus wirkte der Stimulus »direkt« und »spt« in gleicher Strke, hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Ob der Unterschied auf den spezifischen Berg-Stimulusinhalt zurckzufhren ist, der eine schnellere Bearbeitung des Stimulusmaterials erzwang? Denkbar wre, dass ein unlustvoller Stimulusinhalt mçglichst schnell abgearbeitet wird, hingegen ein potentiell lustvoller Stimulus lnger in der Bearbeitung bleibt. Zwar ließen sich insgesamt signifikante Effekte nach subliminaler Stimulation nachweisen, die Probanden trumten beziehungsweise assoziierten nach Stimulusprsentation mehr von Berg- beziehungsweise Schloss-Themen als unstimuliert, dies beantwortete aber noch nicht die weitere in diesem Zusammenhang wichtige Frage, wie schnell die Stimuli nach der Stimulation wirkten. Die Datenauswertung ergab, dass sich unmittelbar nach der Stimulation, in den Freien Imaginationen am Abend, Effekte nachweisen ließen. Fr die unmittelbaren Abrufe nach Stimulation nachts, in S4 beziehungsweise in REM-II ließen sich keine signifikanten Unterschiede im Auftreten evidenter Treffer im Vergleich zu Treffern aus Abrufen aus unstimulierten Nchten feststellen. Der eben festgestellte Unterschied in der Wiederkehr von Stimulusmaterial in Abrufen unmittelbar nach einer Stimulation, legte eine weitere berlegung nahe, und zwar, ob sich die zu verschiedenen Abrufzeitpunkten berichteten Einflle und Traumerinnerungen in ihren Trefferhufigkeiten unterschieden, wenn jeweils getrennt nach wach-stimulierten Versuchsdurchgngen und nach nchtlichen Stimulationen ausgewertet wurde. Zu unterscheiden waren hier also diejenigen Abrufe nach Stimulierung im wachen Zustand (Versuche eins und zwei) – und nach Stimulierung in S4 beziehungsweise REM-
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II – (Versuch drei), wobei der Vergleich jeweils zu unstimulierten Abrufen gerechnet wurde. Hier zeigte sich, dass in den Freien Imaginationen am Abend (FIA) – unmittelbar nach Stimulierung – hochsignifikant (pBerg =,0022) beziehungsweise signifikant (pSchloss =,0251) mehr evidentes Stimulusmaterial auftrat als in den unstimulierten Abrufen. Am nchsten Morgen berichteten die Probanden von ihren Trumen, an die sie sich erinnerten. In den Morgentraum-Erinnerungen (MT) nach BergStimulation tauchte hochsignifikant (pBerg =,0000) beziehungsweise nach Schloss-Stimulierung signifikant (pSchloss =,0116) mehr evidentes Stimulusmaterial auf als nach unstimulierten Abrufen. In den Freien Imaginationen am Morgen (FIM) zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen stimulierten und unstimulierten Abrufen lediglich nach Berg-Stimulierung (pBerg =,0143). In der zweiten Nacht nach Stimulierung unterschieden sich die beiden Stimuli insofern, als dass sich lediglich in den MorgenTraumberichten hochsignifikant mehr evidentes Stimulusmaterial nachweisen ließ (pBerg =,0004; pSchloss =,0003). Nach Berg-Stimulierung tauchte darber hinaus in den Freien Imaginationen abends hochsignifikant mehr evidentes Stimulusmaterial auf als in unstimulierten Abrufen (pBerg =,0002). Es lsst sich zusammenfassend festhalten, dass im Verlauf der Abrufe nach Berg-Stimulierung, sich bis zu den Morgen-Traumberichten direkt nach der Stimulation beziehungsweise auch in den Freien Imaginationen abends und den Morgentraum-Berichten der zweiten Nacht (Spteffekte), hochsignifikante und signifikante Stimuluseffekte nachweisen ließen. Nach Schloss-Stimulierung zeigten sich hochsignifikante Effekte in FIA direkt nach Stimulierung und signifikante Ergebnisse in den Morgen-Traumberichten im Anschluss. Es tauchten dann erst wieder hochsignifikante Effekte in den MorgenTraumberichten der zweiten Nacht auf.
Stimulierung whrend des Schlafes Hierzu erfolgte die gleiche Auswertung, nun jedoch bezogen auf Abrufe aus Versuch drei, in denen die Probanden in der Nacht, whrend des Schlafes, in S4 oder in REM-II stimuliert wurden. Die Ergebnisse sind getrennt fr Freie Imaginationen am Abend, REM-
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Traumberichte in der Nacht und fr die Freien Imaginationen am Morgen aufgefhrt. Wie die Auswertungen der Stimulierung whrend des Schlafes zeigten, erschien der Schloss-Stimulus »traumgngiger«, das heißt, Stimuluseffekte nach Schloss-Prsentation tauchten direkt und dann eher in nchtlichen Abrufen auf als in Freien Imaginationen im Wachzustand. Die Ergebnisse aus Versuch drei wiesen in die gleiche Richtung, auch hier fanden sich vermehrt Schlossinhalte in den REMTraumberichten. Das Fazit aus diesen Untersuchungen lautet: Schloss-Themen traten eher vermehrt in REM-Traumberichten und FIM auf, whrend Berg-Themen hingegen seltener in FIA wiederkehrten, wenn subliminal whrend des Schlafes stimuliert wurde. Fr die Unterschiedlichkeit des nachfolgenden Stimulus-Retrievals schien somit einerseits der Schlafzustand ausschlaggebend zu sein, andererseits wann und in welcher Reihenfolge stimuliert wurde. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass ein vermehrtes Auftauchen von Berg-Themen in Freien Imaginationen am Abend dann beobachtet werden konnte, wenn subliminal wach stimuliert wurde. Offen musste letztlich bleiben, ob Schlossinhalte eher in REM-Traumberichten nach nchtlicher Stimulation als nach Wach-Stimulation auftauchten, da hier die durchgefhrten Versuchsreihen keine eindeutige Antwort zuließ.37 Abschließend einige wichtige Befunde in der Zusammenfassung : – Vergleicht man die einzelnen Abrufarten untereinander, also unabhngig von den prsentierten Stimuli, so lassen sich signifikante beziehungsweise hochsignifikante Unterschiede bezglich der Wiederkehr von Stimulusinhalten in Traumberichten und Freien Imaginationen feststellen. Wurde im Wachzustand stimuliert, so fand sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Freien Imaginationen am Morgen und den Morgentrumen zugunsten der MT (pFIM =,0232). Wir wissen bereits, dass beide Stimuli, im Vergleich zu unstimulierten Versuchsdurchgngen, wirkten. Hier zeigte sich nun, dass der Abruf der Morgentrume 37
Es konnten lediglich REM-Traumberichte nach nchtlicher Stimulation mit MT-Berichten nach Wach-Stimulation verglichen werden.
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signifikant mehr Inhalte wiederbrachte, als die – jeweils kurz danach abgerufenen – FIM. Der Vergleich der FIM mit den FIA erbrachte ebenso wenig signifikante Unterschiede wie der Vergleich zwischen FIA und MT. Bei einer Stimulation whrend des Schlafes fanden sich hochsignifikante Unterschiede sowohl bei Vergleichen zwischen den REM-Trumen einerseits und den Freien Imaginationen am Abend beziehungsweise am Morgen andererseits (pFIA/FIM =,0000). Hier erschienen zu den Wach-Abrufzeiten weniger Stimulusinhalte in den Freien Imaginationen. Es deutete sich somit an, dass der Traum (nach Stimulation im Schlaf ) die Wiederkehr von Stimulusinhalten, im Gegensatz zu Freien Imaginationen im Wachzustand, eher befçrderte. Es ließen sich auch Unterschiede in der Wiederkehr von Stimulusinhalten in Traumberichten und Freien Imaginationen bezglich der unterschiedlichen Stimuli »Berg« oder »Schloss« fr die Stimulationen im Wachzustand finden. Hier wurde ein signifikanter Unterschied in den Abrufen zugunsten des Berg-StimulusThemas festgestellt. Bezglich der Stimulationszeitpunkte whrend des Schlafes war gefragt worden, ob es Unterschiede in der Wiederkehr von Stimulusinhalten in den REM-Traumberichten je nach Stimulation in REM-II oder S4 gibt. Es zeigte sich folgendes Ergebnis: Inhalte des Berg-Stimulus kehrten in den Abrufen dann signifikant hufiger wieder, wenn zuvor in S4 stimuliert worden war. Dies war aber nur dann der Fall, wenn in der Nacht zuvor bereits in REM-II (der Schloss-Stimulus) stimuliert wurde. Bei der signifikant hufigeren Wiederkehr von Inhalten des Schloss-Stimulus war die Situation umgekehrt. Sie tauchten dann hufiger in den Abrufen wieder auf, wenn der Schloss-Stimulus in REM-II prsentiert und in der Nacht zuvor bereits der Berg-Stimulus in S4 vorgespielt wurde. Was die Frage eines mçglichen Einflusses der Geschlechtsverteilung von Versuchsleiter und Proband auf die Stimuluseffektivitt betraf, so ließ sich folgendes feststellen: sowohl in den einzelnen Versuchen als auch bei einer zusammengefassten Berechnung ber alle Versuche, ließen sich keine Unterschiede in der Wiederkehr von Stimulusinhalten in Trumen und Freien Imaginationen in
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Abhngigkeit von der Geschlechtsverteilung (von Versuchsleiter und Probanden) feststellen.
Einzelfalldarstellung Es wurden bei der Darstellung der Versuche bereits Beispiele fr die Wiederkehr von Stimulusmaterial aufgefhrt, und zwar sowohl Textbeispiele als auch Bildbeispiele von (Traum-)Zeichnungen aus unterschiedlichen Abrufzeitpunkten beziehungsweise nach unterschiedlichen Stimulationen. Im Gegensatz zu diesen Illustrationen soll nun, anhand eines ausfhrlichen Einzelfallbeispiels eines vollstndigen Traums, abschließend die Wiederkehr von Stimulusmaterial dargestellt werden. Die Probandin bekam am Abend, bevor sie ihren Traum berichtete, den Schloss-Stimulus in seiner Geschichtsform38 vorgespielt. Sie verbrachte die Nacht zu Hause und kam am nchsten Morgen wieder ins Labor. Sie berichtete an diesem Morgen insgesamt fnf Trume. Der spontane Bericht hatte bereits fast eine halbe Stunde gedauert und die Probandin hatte großen Wert auf eine genaue Darstellung ihrer bis dahin berichteten vier Trume gelegt. Schließlich erwhnte sie wie beilufig, dass sie noch einen fnften Traum erinnere. Hier setzt das Transkript ein. Es handelt sich dabei um den Spontanbericht. Probandin und Versuchsleiter saßen sich an einem Tisch gegenber. Der Versuchsleiter (V) sagte nichts Inhaltliches zum Traumbericht und fragte auch nicht nach. Die mehr oder weniger offensichtlich mit dem 38 Stimulustext: »Das weiße Barockschloss ist festlich geschmckt. Im Ballsaal ist heute Tanz. An den Wnden hngen prunkvolle Hirschgeweihe und die Gemlde der Ahnengalerie. Alle Gste sind festlich gekleidet und in guter Stimmung. berall sieht man Diener in blauen Uniformen mit goldenen Knçpfen. Kçnig und Kçnigin sitzen auf einem goldenen Thron. Zwçlf Musiker spielen Walzer. Ein Buffet ist angerichtet, mit einem Truthahn in der Mitte, vielen Salaten und Obst in Silberschalen. Sektglser klirren. Da sprhen Funken aus dem Kaminfeuer. An den schweren, samtenen Vorhngen zngeln die Flammen empor. Die junge Prinzessin schreit auf. Prinz Bodo reißt die Vorhnge herab und tritt das Feuer aus. Plçtzlich ist alles ganz still. Man hçrt nur noch die Wanduhr ticken.«
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Stimulus in Zusammenhang stehenden Traumelemente sind kursiv gedruckt. P: / / okay. Dann hatt ich noch hm noch einen, das ist jetzt auch das letzte woran ich mich so erinnern kann! Und das war auch wieder ein bisschen was Lngeres! und das ging um ein Konzert! oder= um= eine eine Oper, also – das muss so was wie ein Musical gewesen sein, was mich an der Veranstaltung fasziniert hat und das Ganze war ein= ganz großes beeindruckendes altes verschnçrkeltes Barock oder sonst wie Gebude! –
Hier wurde, wie auch im Stimulus, zu Beginn der Ort benannt, an dem das Geschehen sich abspielte. Das Wort »Barock« tauchte wçrtlich wieder auf und das Musical, die Veranstaltung, lsst sich gut mit dem Ballsaal in Zusammenhang bringen. Die Probandin bemerkte im weiteren Verlauf, dass sie »in dieser Veranstaltung schon mal drin gewesen« sei, eine mçgliche unbewusste Anspielung auf die Prsentation des Stimulus am vorigen Abend. (V: hmhm) und ich wusste, ich war in dieser Veranstaltung schon mal drin gewesen, und die hat mich total begeistert, und es war eine ganz faszinierende, wo man schon hm – ich glaub eine Stunde vorher kann man dahin gehen so ungefhr! – und wird dann hm kann dann dort essen, bekommt Champagner; ist alles h im Preis mit inbegriffen! (V: hmhm) und hm – das hatte ich schon mal gemacht. Und ich hatte das schon mal gesehen; und ich wusste= hm das war auch noch nicht so lange her! so vielleicht ein paar Tage eine Woche (V: hmhm) und ich wollte da auf jeden Fall noch mal hin. Und hatte auch Karten. – Noch mal bekommen fr= die gleiche Veranstaltung. –
Erneut schien die Probandin hier auch von der Versuchssituation zu sprechen. Nachdem das Thema »Essen« benannt wurde, mit einer Verwandlung der Sektglser des Stimulustextes in »Champagner«, beschftigte die Probandin im weiteren Verlauf, dass sie die Veranstaltung gerne wieder besuchen mçchte, der Zugang aber verhindert war (s.u.: Suchen nach Eintrittskarten). Hier entstand ein Bild, als ob der Probandin der Zugang, der Zugriff zu dem bereits Erlebten versperrt war, hnlich dem nicht gelungenen bewussten Zugriff auf die subliminal dargebotenen Inhalte. Im weiteren Verlauf tauchten die einzelnen Elemente des Stimulus nach und nach auf: die Diener in blauen Uniformen, das Buffet beziehungsweise das Essen, der Truthahn (als Papagei?!) und so weiter.
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Und hm – die Karten hm da hatte ich eine fr mich behalten und eine hatte ich einem Freund von mir gegeben, mit dem ich da nmlich hin wollte. Also ich hatte nicht beide Karten behalten! und wir hatten uns= verabredet auch noch mit zwei andern Personen, aber mit denen sollten wir nicht zusammensitzen, weil da hatte ich nmlich keine Lust dazu, also wir hatten uns zwar mit denen verabredet, die wollten auch dahin, aber ich hatte schon sichergestellt, dass die nicht dabei sitzen wrden und dann sind wir da hm= wir wollten uns auch genau wir wollten uns auch bei der Oper erst treffen am Eingang! und= dann bin ich ruhig hm= waren auch so ein bisschen verschmuddelte Straßen! hmhm= ich hab in der Nhe gewohnt, hab ein Zimmer ziemlich nah an der Oper gehabt; da waren – hmm war nur so aus ein paar Nebenstraßen raus ber die Hauptstraße drber auf so ein klein bisschen Hgel hoch, und da war dieses große wunderbare wunderschçne Gebude! und im Hintergrund natrlich das Meer (lacht) – und hm – bin dann also hin! und ich wusste hm, es ist mit der Zeit genau richtig, also ich bin so ein klein bisschen frher da als wie ich da sein msste! – und hab aber unterwegs noch irgend jemand getroffen. Den ich schon sehr! lange nicht mehr gesehen hatte, und hab mich unheimlich! gefreut und hab ein bisschen mit ihm geplaudert – hmm, und dabei ist die Zeit ganz rasend schnell vergangen, also viel! zu schnell, und ich hab gemerkt ›oh das Essen und den Champagner, den hab ich jetzt schon fast verpasst, also mir bleibt nur noch ungefhr so eine Viertelstunde, zehn Minuten, und ich muss mich jetzt ganz doll beeilen, um dahin zu kommen.‹ Und bin dann auch noch dahin gekommen! – hm= hab dann allerdings= vor dem Eingang festgestellt, hm, mein Bekannter hatte da noch gewartet auf mich! er hatte seine Karte – bloß ich hatte meine nicht. Und wir sind in= in der Schlange nach oben gegangen bis zum Eingang, und ich hab immer wieder in meiner Tasche meine Karte gesucht= hab sie aber nicht gefunden. – Und da letztendlich sind alle Leute an uns vorbeigezogen und ich hab immer noch nach meiner Karte gesucht und hab mich dann= hm= letztendlich irgendwo mal irgendwo hingesetzt auf den Boden! direkt neben dem Eingang, also rechts neben mir war so die Tr! und da stand dieser Trsteher drin, h= links weiter ging es noch nach oben mit so ein paar Treppen! (V: hmhm) und ich hab mich da so= hm= auf diese anderen Treppenstufen oder= oder davor auf den Boden gesetzt und hab meine Tasche ausgeleert und hab zu meinem zu meinem Freund gesagt, er kçnnte ruhig schon mal reingehen, hm= sich hinsetzen und= sollte mir auf jeden Fall eine Flasche Champagner h= noch mal da mitbestellen, weil whrend der Auffhrung gibt’s nichts, da gibt’s nur vorher. Und hm= hab nun versucht diese Karte zu finden und es war nicht unbedingt viel in meiner Tasche drin! aber es war alles sehr durcheinander. Also es waren hm unheimlich viele Dinge und – hm= die so= so= als Kleinkrams plçtzlich so zum Vorschein kamen so wie ganze viele Zettel, die sich plçtzlich aus meinem Portemonnaie in die Tasche vorb- hm ausgebreitet hatten, wo normalerweise eigentlich nur das Portemonnaie da ist wo= so ziemlich alles drinnen ist. Und das
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hatte ich also alles auf dem Boden ausgebreitet und habe nach dieser Karte gesucht und zwischendrin hat dann – der Trsteher versucht mit mir zu plaudern und hat gemeint, ach das wre doch gar nicht schlimm wenn ich keine Karte htte, hm, ich sollte doch mal gucken hier so neben mir da wre ne ganz tolle Glasvitrine mit unheimlich viel Silberschmuck, und das wre alles furchtbar billig und ich kçnnte mir da was aussuchen. Und sollte doch einfach jetzt was was kaufen, weil das wre sowieso jetzt die letzte Vorstellung! (V: hmhm) und die wrden jetzt alles verkaufen – und hm das waren ganz viele tolle Silbersachen und hm, da kçnnt ich mir doch eigentlich was draus mitnehmen und ich hab hm= so ein= bin bisschen darauf eingegangen, habe aber gleichzeitig nach meiner Karte gesucht, hm immer noch weiter in diesem Chaoshaufen, und er hat nun wieder versucht als er gemerkt hat mit dem Silberschmuck kann er mich nicht kçdern, hm= mich auf die andern Dinge hinzuweisen, die sie verkaufen. Da war nmlich dann grade!aus an der Wand – hm hingen auch noch ziemlich viele Dinge! (V: hmhm) und er hat mir nun= hm= gezeigt, also diesen Silberschmuck den hab ich gar nicht so im Detail beobachtet (V: ja) aber das andere dann, das hab ich dann sehr= sehr intensiv auch gesehen, an dieser Wand da hingen ein großes hm= unter anderem ein großes Bild, hm= war in Braun gehalten, war ein Kopf, (V: hmhm) hm und das war so= halb von vorne halb im Profil. Und das hat mich an Van Gogh erinnert, h, obwohl ich nicht genau weiß wie Van Gogh malt! aber ich dachte irgendwie das kçnnte Van Gogh sein! (V: hmhm) weil es halt so= n bisschen durcheinander war= also nicht so nicht so schçn gemalt sondern mehr so mit so groben Strichen und hm, daran hatte mich das erinnert, das war wohl hm= ja= war in Braun eben. Rechts daneben war auch noch was Großes – ich weiß nicht ob das ein Bild war, ob das ein Kopf war, was auch immer das war= kann ich mich nicht mehr erinnern, aber das war grau. (V: hmhm) hm=, dann war noch irgendwas blaues Rundes an dieser Wand – und hm das war das war wesentlich kleiner und das war irgendwie so= deplaziert so halb oben irgendwo! und unter diesem da war nur der eine Kopf groß braun! und dieses andere graue Groß (V: ja ja) hm= da waren zwei Tiere. Also – auch so schrg und hm an das eine Tier mit dem Grau kann ich mich nicht erinnern, aber das unter dem Braunen das war ein ganz wunderschçner ganz toller Papagei unheimlich farbig. Mit sehr vielen bunten Federn und hm der so auch sehr lebensnah! so halb im Flug getroffen war. Also hat mich hat mich unheimlich fasziniert. – Und da hab ich sehr lange drauf geguckt. (V: ja) auf diese h, auf diese Bilder und hab mir die also sehr= sehr lange auch angeguckt. Und= hm – so lang kann es aber nicht gewesen sein, weil= ich habe ja dann irgendwann einmal gemerkt: ›okay jetzt fngt die Vorstellung gleich an‹, und habe dann gedacht: gut, wenn die Karte nicht in dieser Tasche ist, dann ist sie in einer von meinen zwei andern Taschen, die ich / irgendwohin mitnehme, und dann habe ich es mal wieder irgendwann nicht geschafft, h, sie richtig zu organisieren, das kenne ich ja auch schon und wusste genau, dann ist die Karte in der! anderen
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Tasche. Dann hab ich sie da raus (V: hmhm) und hab das irgendwann mal vergessen, das heißt ich muss! jetzt noch mal schnell zurck zu meinem Hotel oder zu meinem Zimmer; das war kein Hotel, nee, das war ein Zimmer / da musste ich hm= die hatten das in dem Haus und die hatten das irgendwie aufgeteilt und ich kannte bloß eine Person, aber es waren alles so Personen in meinem Alter. Und wir hatten da mehrere Zimmer in diesem Haus. Da musste ich jetzt ganz schnell noch mal hin, ich hatte noch vier! Minuten Zeit – bis zum Vorstellungsbeginn (lacht) ist erstaunlich wie ich das weiß, ne? hm= h wann und dann= bin ich ganz schnell losgerannt! ber die Strae rber, hm= kam an= dem Haus an, bin die Treppe hoch und habe schon links durch das Zimmer gesehen, das war nicht mein Zimmer, hm, war ein anderes, so mit weiß-grn war das alles irgendwie gehalten, und das Fenster! war un- war sperrangelweit auf, also war nach außen auf, als ich so zur Eingangstr hin wollte, und ich hab mich schon gewundert, weil eigentlich kann dann jeder rein nmlich durch dieses! Fenster, durch das! Zimmer in das Haus hinein aber die Tr war ja ganz normal doppelt abgeschlossen, und ich hatte weder die Zeit noch die Lust mich mit diesen Menschen, die in dem Haus sein kçnnten, auseinanderzusetzen; das war mir einfach hm= zu unwichtig (V: hmhm) ich wollt jetzt nur gern an die Karten ran und wollte gerne zu der Vorstellung hin! habe aufgeschlossen, bin= ganz direkt in= mein Zimmer rein! Es waren sind eigentlich zwei Zimmer gewesen, eins was so normal geradeaus geht und dann noch so eine kleine Ecke hinein kleines Eckhinterzimmer, in diesem kleinen Eckhinterzimmer war lag auch wie erwartet meine Tasche – und hm, da habe ich dann auch nachdem ich die also ausgeleert hatte, habe ich dann die Karten gefunden, (V: hmhm) habe die schon genommen gehabt, habe dann noch mal geguckt, weil ich wusste da sind auch noch andere Karten drin! Und richtig das waren wieder die falschen Karten; habe dann noch mal ein bisschen gesucht und gewhlt und habe dann die richtigen Karten entdeckt! – war nmlich nur eine! und – habe die ganz schnell gepackt, hab meine Tasche wieder genommen und bin – ganz schnell wieder zur= (V: hmhm) zur Oper hin – und hab schon von= hm= als ich noch – ein Stck unter der Treppe war so hundert-zweihundert Meter hab ich schon die Anfangsmusik gehçrt! (V: hmhm) Und ich wusste ich komm jetzt grade noch rechtzeitig dahin und dann= – ja= ich glaube, das war es dann auch. Ja, den Champagner habe ich dann wohl verpasst (lacht) – ja!
Es handelt sich hier um ein eindrucksvolles Beispiel, wie der 2,5-fach beschleunigte Stimulus, wenn auch nicht bewusst verstanden, so doch wahrgenommen, dann in einen Traum eingebaut und schließlich innerhalb einer einzelnen Traumerzhlung, ohne dass es der Probandin bewusst war, zur Darstellung gebracht wurde. Die im Anschluss an die Erzhlung von der Probandin angefertigten Zeich-
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nungen wirkten fr sich genommen nicht so eindrucksvoll, wie die Traumerzhlung.
2.5 Theoretische berlegungen und Perspektiven von Experimenten zur berprfung psychoanalytischer Konzepte39 In der vorgestellten Untersuchung zeigte sich auch, dass eine bis zu 1,5-fach ber die normale Sprechgeschwindigkeit hinaus beschleunigte Rede in der Regel recht gut zu verstehen war und im Gedchtnis behalten werden konnte. Erhçhte man die Prsentationsgeschwindigkeit auf das 1,8- bis 2,2-Fache, was in einigen Vorversuchen der Fall war, um die Grenze zum Nichtverstehen herauszufinden, so war zu beobachten, dass sich bewusstes Verstehen und Behalten des Textes voneinander trennten. Ein ultrakurzes Verstehen war mçglich, der Sinn des Textes konnte jedoch nicht behalten werden. Diese »Dissoziation« ist allerdings von jener abzugrenzen, die im Fall optischer Stimulationen beschrieben werden kann (vgl. Leuschner u. Hau, 1992). Hier diente der Begriff »Dissoziation« der Beschreibung des Zerfalls des inhaltlichen Zusammenhanges eines Stimulus und nicht der Auflçsung einer Verknpfung von »sofortiger Inhaltserkennung und bewusster Erinnerbarkeit«. Eine Ausnahme war aber dadurch mçglich, dass sich die Versuchsperson einer Erinnerungstechnik bediente, die Schauspieler anwenden, um ihre Texte zu behalten. Wenn die Versuchsperson im Moment des ultrakurzen Verstehens versuchte, das Verstandene unmittelbar in Bilder zu bersetzen, dann war ein lngeres, sinngemßes Behalten mçglich. Bei einer weiteren Beschleunigung auf das 2,5-Fache konnte ein lngerer Text grundstzlich nicht mehr bewusst verstanden und behalten werden. Dennoch blieb dabei ein vorbewusstes Wahrnehmen und Erinnern mçglich. Das kann als bewiesen gelten, weil die Probanden nach einer tachyakustischen Stimulation statistisch signifi39
Nachfolgender Text zuerst erschienen in: Leuschner, Hau u. Fischmann, 2000, S. 145 – 156.
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kant hufiger von den Stimulusinhalten trumten oder diese in Freien Assoziationen anfhrten als ohne Stimulation. Die in den Versuchen eingesetzte Beschleunigungsprozedur enthllte, dass sich das Textverstndnis aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Aufgrund der Beobachtungen lsst sich sagen, dass die Einheit von Wahrnehmen, Verstehen und Behalten entlang vorhandener, natrlicher »Sollbruchstellen« zerfllt. Bei dem hçchsten Beschleunigungsgrad, der Tachyakusie im eigentlichen Sinne, gab es kein bewusstes Verstehen und keine bewusste Erinnerung mehr, jedoch ein vorbewusstes Verstehen und ein vorbewusstes Erinnern. Offenbar sind Menschen in der Lage, ultraschnell prsentierte Texte wie in einer Zeitlupe zu strecken und dann weiter zu bearbeiten, das heißt, Textelemente untereinander und mit anderen Erinnerungen zu verknpfen und sie dann in Trumen und Freien Assoziationen darzustellen. Aufgrund einer detaillierteren Analyse des Stimulusprozessierens kçnnen bestimmte Bearbeitungsschritte postuliert werden, denen gemß die vorbewusste Bearbeitung der Stimulus-Gehalte gestaltet wird: – Die beim optischen Prozessieren erkennbare Dissoziation von zusammen hngenden Inhalten (Dissoziation kohrenter Bilder) hat im Fall des Prozessierens akustischer Stimuli eine Entsprechung. Hier fhrt sie zur Zerlegung des Textes in Satzteile und Einzelwçrter. Hierin liegt eine mçgliche Bedingung fr subliminales Verstehen. Wie die Untersuchungen zeigten, kçnnen bei 2,5facher Beschleunigung sinnvolle Einzelwçrter, im Gegensatz zu den lngeren Texten, gelegentlich bewusst noch verstanden werden; mit anderen Worten: Einzelwçrter kçnnen noch »ankommen«. Wenn dann bei gleicher, 2,5-facher Beschleunigung lngere Texte von den Versuchspersonen prinzipiell nicht verstanden wurden, dann musste dies nicht zugleich fr die Einzelwçrter zutreffen. Diese kçnnen weiterhin perzipiert werden. Die lngeren Texte berlagern ihr Verstehen jedoch so, dass eben ein bewusstes Verstehen nicht mehr zustande kommt. Der Text, in den die Einzelwçrter eingebettet sind, fungiert demnach als zustzliche Maske, die alle Wçrter endgltig subliminalisiert, das heißt bewusst unverstndlich macht, ohne das Eindringen einiger weniger Wçrter in den vorbewussten Verstehensprozess zu behindern. Die
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Einbettung von Einzelwçrtern in einen lngeren tachyakustisch prsentierten Text kann also als der eigentliche Subliminalisierungsakt verstanden werden und nicht die tachyakustische Beschleunigung allein. – Im Vorbewussten werden die akustisch inkorporierten Textelemente, hauptschlich die Einzelwçrter, perzipiert. Die Tatsache, dass sie meist nur verwandelt wiederkehren, spricht dafr, dass nicht sie selbst, sondern ihre Bedeutungshçfe eine wichtige Rolle spielen mssen. Tauchen die Inhalte in Trumen als Freie Assoziationen auf, muss der konzise Sinn verstellt und (in der Regel) eben durch andere nahe liegende Bedeutungen ersetzt oder substituiert worden sein. Ein Auftauchen von Assoziationen heißt, dass zu den Einzelwçrtern Assoziationsketten oder Assoziationsnetze aktiviert worden sind, an denen entlang metonyme, metaphorische und/oder klangliche Verschiebungen stattgefunden haben mssen. Der manifesten Wiederkehr des hnlichen, der Verschiebung, gehen also eine Hemmung der genauen Bedeutung der Einzelwçrter und eine Aktivierung von Assoziationskomplexen voraus, beides zusammen ermçglicht die Wiederkehr von Substituten. Hartmann (1998) hat dies als »lateral spread« beschrieben. Die Analogie zu dem, was Freud (1950c, S. 417) als einen der zentralen psychodynamischen Prozesse der neurotischen Symptombildung beschrieben hat, ist berraschend. Einer »Hemmung fr den Quantittsablauf« folgt eine »Seitenbesetzung« und dies fhrt zu einer Ersetzung durch Assoziationen, was einem Retrieval gleicht, wie man es bei paraphasischen Umschreibungen eines Gegenstandes findet. – Die Stimulationseffekte bestanden aber hçchst selten nur aus einzelnen Ersatzwçrtern. Es war das Allgemeinthema, der allgemeine Sinn der Story eines Stimulus, der signifikant hufiger wiederkehrte. Dies erfordert die Annahme eines dritten Bearbeitungsschrittes, nmlich die Annahme eines Reassoziierungsfaktors. Aufgrund der Untersuchungen mit optischen Stimuli musste in Betracht gezogen werden, dass Reassoziierung durch kohsive und/ oder durch adhsive Krfte zustande gebracht sein konnte, das heißt, dass eine Reassoziierung aus sich heraus, aus dem Wissen oder den Hinweisreizen (Schacter, 1996) der Fragmente allein heraus Kohsion erzeugen kçnnte oder aber, dass zustzliche syn-
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taktische Faktoren, im Sinne einer zustzlich adhsiven Leistung, die Reassoziierung zustande bringen kçnnen. Im ersten Fall assoziierten sich nach der Dissoziierung und Substitution die ins Vorbewusste inkorporierten Stimuluselemente zu grçßeren sinnvollen Einheiten, zu so genannten »chunks« (Neisser, 1967). Wie Einzelteile eines Puzzles enthielten sie Hinweise auf das Ganze, das sie dann als Gesamtlandkarte annherungsweise in einem weiteren Schritt entstehen lassen. Die andere Mçglichkeit bestnde darin, dass die Fragmente durch ein relativ unabhngiges, sekundres Synthesewissen, das als »Syntax« bezeichnet werden kann, zusammengefgt werden. Reassoziierung hieße dann, Verbinden der identischen oder entstellten Stimulusfragmente erst untereinander und dann zu neuen Zusammenhngen, entsprechend einer syntaktischen Ordnung. – Es ist aus den Untersuchungen nicht sicher erkennbar, wie dieser adhsive syntaktische Faktor Bedeutung erlangt. Vielleicht bildet er einen autonomen Teil des Stimulustextes, der dann tachyakustisch separat ins »Vorbewusste Processing System« introjiziert wird. Dass dieser unabhngige Faktor tatschlich existiert, dafr spricht, dass Stimulusfragmente in ziemlich neuen Zusammenhngen wieder auftauchen. Die Syntax ist das Traum- beziehungsweise Imaginationsskript fr das, was die Versuchspersonen erzhlen. Im Fall einer Erzeugung bloß aus den Fragmenten, aus sich heraus, bliebe dieser Vorgang unerklrt. – Als Beleg fr diese Syntax-Hypothese kçnnen Befunde kurioser »Treffer« dienen, die eigentlich keine Treffer waren: Nach der Dreisatz-Stimulation mit dem Schloss-Stimulus tauchten in einigen Berichten sehr ungewçhnliche Einzelwçrter auf. Sie waren im prsentierten Dreisatz-Schloss-Stimulus nicht genannt, jedoch Bestandteil der lngeren Schlossgeschichte, von der die DreisatzKurzversion abgeleitet worden war. So berichtete eine Versuchsperson, die den Dreisatz-Schloss-Stimulus gehçrt hatte, dass sie von einer »Sahnetorte« getrumt hatte; ein Objekt, das, es sei nochmals betont, nur im nicht gehçrten Barockschloss-Story-Stimulus enthalten war. So obskur oder zufllig dies auf den ersten Blick erscheinen mag, denkbar ist, dass es die durch den DreisatzStimulus mitinduzierte Syntax war, die als narrativer Gesamtrahmen diese unpassende Assoziation »Sahnetorte« erzeugte.
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»Sahnetorte« war das Produkt einer syntaktischen Ordnung, die schon die Erfinder der Schloss-Geschichte dazu gebracht hatte, bei der Planung des Stimulusinhaltes eine Sahnetorte auf das Buffet zu stellen und das Wort in die Geschichte einzufgen. Genau diese Syntax wirkte nun wie eine Bahnung fr die Assoziation »Sahnetorte«, auch wenn diese im Stimulus nicht wçrtlich aufgefhrt war. Dieser Vorgang erinnert an das Lçsen von Kreuzwortrtseln. Auch hier kann man aus angrenzenden Buchstaben heraus ein Wort finden, das einem nicht einfllt oder das man berhaupt nicht kennt. – Die Untersuchungen mit der tachyakustischen Methode konzentrierten sich auf die Untersuchung der Wirkung sinnvoller langer Stze. Im Unterschied zu optischen Stimulationen ließen sich dabei Fragmente, den optischen »Radikalen« vergleichbar (Farbe, Form und Konzept), nicht identifizieren. Das heißt, analoge Zerlegungen, zum Beispiel in Konzepte und Klang oder Silben, konnten nicht gefunden werden. Das mag an den angewandten Suchmethoden gelegen haben, aber es hat doch den Anschein, dass die dissoziativen Vorgnge bei tachyakustischer Stimulation von anderer Natur sind. Das beginnt damit, dass tachyakustisch prsentierte Laute oder Klnge, wie Musik, Hustgerusche, Klingeln und anderes mehr, selbst bei weitaus hçheren Beschleunigungen der Abspielgeschwindigkeit als 2,5-fach, sich sehr gut bewusst identifizieren lassen. Wenn schon Pçtzl die subliminale Wahrnehmung sehr eng mit Eigenschaften physiologisch-anatomischer Beschaffenheit der Retina und des hier lokalisierten peripheren Sehens in Verbindung brachte, so ist es nahe liegend, Unterschiede schon deshalb zu vermuten, weil das tachyakustisch vernderte Sprachverstndnis ganz andere Teile des psychischen und des physiologischen Apparates in Anspruch nimmt, und Subliminalisierung von sinnvoller Rede von daher auch von anderen Komponenten des psychischen Apparates zustande gebracht wird. Interessanterweise tauchten Stimulusinhalte bei diesem akustischen Subliminalisierungsverfahren eher in Traumdarstellungen als in Freien Assoziationen auf. Das war im Fall optischer Stimuli anders (vgl. Leuschner u. Hau, 1992): Im Fall tachistoskopischer, also optischer Reizungen, zeigten sich Effekte umgekehrt vermehrt in Darstellungen Freier Assoziationen und weniger in Trumen. Aber diese
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Frage bleibt ungelçst und bedarf weiterer Erforschung der Methode selber. – Die fr das Verhltnis von Kognitionspsychologie und experimentellen berprfungen psychoanalytischer Konzepte so wichtige Frage, in welcher Weise Inhalte und Affekte das »Stimulus-Processing« beeinflussen, dafr ließen sich in der Studie einige bemerkenswerte Befunde erbringen, auch wenn dieser Frage hier nicht systematisch nachgegangen worden ist.40 Stimulierte Trume weisen generell mehr affektive Wçrter auf als unstimulierte. Zwar kçnnte das auch als eine bloße Folge der Stimulation selbst interpretiert werden, der weitere Vergleich zeigt dann aber, dass das auch vom affektiven Gehalt des Stimulus selbst abhngt. Ein inhaltlich unlustvolles Stimulusthema wird nmlich eher wieder dargestellt als ein als angenehm empfundenes Thema. Zu erwhnen ist schließlich, dass sinnlose Stimuli das nachfolgende Prozessieren thematisch sinnvoller Stimuli offenbar »kompetitiv« hemmen kçnnen. Das Prozessieren tachyakustischer Reize hngt also ganz offensichtlich ab von Form, Inhalt und affektivem Gehalt der Stimuli.
Folgerungen zur Traumtheorie: Traumbildung – Ein »paraphasischer« Vorgang Lsst sich das Prozessieren subliminalisierter Stimuli anhand von Traum- und Assoziationsdarstellungen beschreiben, so ist dieser Begrndungsweg aber auch umkehrbar (ein Vorgehen, das Freud immer wieder erfolgreich anwandte, zum Beispiel bei der Erklrung der Traumarbeit durch die Deutungsmethode und umgekehrt), denn das Prozessieren subliminalisierter Stimuli erlaubt andererseits auch Aussagen ber Traum- und Assoziationsvorgnge. 40 Anders als in frheren Untersuchungen, die eine Wechselwirkung vermuten ließen (zum Beispiel Berger, 1963; Cartwright et al., 1969; Bokert, 1968; Goodenough et al., 1975), konnten in einer zustzlichen Auswertung des Materials Interdependenzen statistisch belegt werden (vgl. Hau, Fischmann u. Leuschner, 1999).
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So ist die beobachtbare Substitution tachyakustisch inkorporierter Einzelinhalte ein charakteristischer Vorgang bei jeder Traumbildung. Mehr oder weniger alle Traumquellen unterliegen einer solchen Entstellung. Dies lsst sich anhand des Schicksals natrlicher Tagesreste belegen, und zwar besonders gut im Fall posttraumatischer Trume (Hartmann, 1998). Aus einem real erlebten Feuersturm macht der Trumende im Traum eine »Flutwelle«, aus einem vertrauten Haus der Kindheit im Traum ein »Hotel«. Diese Verwandlungsanalogien sprechen dafr, dass es sich bei den experimentell induzierten Trauminhalten nicht um Artefakte, sondern um Traumerreger handelt, die den natrlichen vçllig gleichgesetzt werden kçnnen. Die Verwandlungen lassen sich mit Hilfe der Experimente nur besser nachweisen und systematisch weiter studieren, denn im Experiment ist der Stimulus genau bekannt. Wenn die Trumer wiederkehrendes Stimulusmaterial aus den Wortbedeutungshçfen schçpften, so heißt dies, dass im Vorbewussten metonyme, metaphorische und/oder klangliche Verschiebungen entlang von Assoziationsketten oder Verzweigungen des Palomboschen Assoziationsbaumes (1992) stattgefunden haben mssen. Die in Trumen manifesten Verschiebungsprodukte sind von den auf seinen »sten« abgelegten und aufgereihten Inhalten erzeugt, den »Nachkommen« der Stimulus-Wçrter. Diese Reihung der Assoziationsketten ist »gelernt«, das heißt durch Erfahrungen und sptere phantasmatische Umschichtungen in eine Folge gebracht, nach symbolischen, generischen, episodischen (Foulkes, 1985) und klanglichen Gesichtspunkten arrangiert. Es sind dies also privat erzeugte Formgebungen. Deshalb sind Assoziationsfolgen nicht objektivierbar, sondern hçchst subjektiv und von anderen nicht zu bestimmen. Aus diesen Verzweigungen schçpfen Traum- und Imaginationsbildungsprozesse ihr Material, das dann im Traum, der Paraphasie vergleichbar, in einer Art von »Drumherumreden« wieder dargestellt wird. Diese Untersuchungen haben frhere Befunde besttigt, wonach sich die Wiederkehr von Stimulus-Gehalten in Trumen einerseits und in Phantasien andererseits qualitativ und quantitativ unterscheiden (Leuschner u. Hau, 1992). Das besttigt die Vermutung, dass die Wahrnehmungs- und Vorstellungsradikale tagsber und nachts nicht in gleicher Weise dissoziieren und reassoziieren. Wahrscheinlich entsteht der Unterschied nicht durch die Wirkung unter-
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schiedlicher Dissoziation, sondern durch unterschiedliche Reassoziierung. Die Unterschiede bei der Wiederkehr von Stimulusmaterial, die allgemein zwischen Phantasien und Trumen einerseits und speziell zwischen REM-Trumen und morgens erinnerten Trumen andererseits zu beobachten sind (Hau, 1999b), sind vermutlich durch den Wachheitsgrad des Ich begrndet (Strauch u. Meier, 1992). Dieser strkt oder schwcht die syntaktischen Krfte der Reassoziierungsleistungen, der syntaktischen Klammern, und weniger das dissoziative Geschehen. Das heißt, die besondere Struktur der Trume, im Vergleich zu jener von Phantasien, kann dann vorrangig durch eine Reassoziierungsschwche erklrt werden. Indem sich fr die Traumbildung in maßgeblicher Weise dieser Mechanismus des Vorbewussten annehmen lsst, stellt dies die von Foulkes (1985) postulierte Existenz eines Traumproduktionsapparates als unabhngige Traumfabrik in Frage.
Folgerungen zur Beschaffenheit des Vorbewussten Betrachtet man die Befunde bei optischen und akustischen Stimulationen zusammen, lassen sich folgende Aussagen zur Beschaffenheit des Vorbewussten treffen: Freud beschrieb in seinem topischen Modell das Vorbewusste auf der einen Seite an das System Bewusstsein (Bw) grenzend, auf der anderen Seite das System Unbewusstes (Ubw). Andererseits scheint es von beiden Systemen nicht so klar trennbar zu sein. Die Freud eher unterstellte, als von ihm behauptete topische Sonderung, die Zuordnung von Funktionen zu seelischen Subsystemen, muss neu konzipiert werden, denn durch Befunde der Subliminalittsforschung und besonders aufgrund Befunde zum Dissoziierungs-Reassoziierungs-Geschehen muss man vielmehr davon ausgehen, dass die Grenzen durchlssig und fließend sind. Schon der einfache Entzug der Aufmerksamkeit von bewussten Wahrnehmungen setzt diese einem vorbewussten Prozessieren aus, obwohl sie dadurch nicht zu unbewussten Wahrnehmungen geworden sind. Das Vorbewusste Prozessieren reicht somit in das System Bw und in das System Ubw. Das System Vbw ist daher besser durch seine spezifischen Arbeitsleistungen zu definieren und nicht durch Raummetaphern. Sein
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zentraler Arbeitsmechanismus ist die Dissoziierung-Reassoziierung. Diese kçnnen als gleichzeitig stattfindende Vorgnge betrachtet werden, die in einem dynamischen Wechselspiel aufeinander bezogen konzipiert werden kçnnen. Sie sind einander entgegengesetzte Tendenzen eines einzigen Vorganges und befinden sich miteinander in einem Fliessgleichgewicht. Zum Bewusstsein hin stellt dieser Mechanismus zunehmend feste, der Logik gemße Verbindungen her (endgltige Verknpfung von Sach- und Wortvorstellungen), whrend er zum Unbewussten hin die Verbindungen seiner Inhalte lockert, so dass diese dann vermutlich bis auf die Grçße von Radikalen aufgelçst werden. Aus der Perspektive des Bewusstseins hat das Vorbewusste »verflssigende« Wirkung, es macht Perzepte frei gleitend. Aus der Perspektive des Systems Ubw geht es im System Vbw um das Einbinden und das Verfestigen von Fragmenten. Prototyp hierfr ist die Verknpfung von Sach- und Wortvorstellungen. Topisch formuliert sind die Grenzen fließend. Der Sekundrvorgang kann, aus der Perspektive der Subliminalittsforschung, auch als Reassoziierungsvorgang beschrieben werden. Wenn Freud (1916 – 1917 f, S. 418) die freie Verschiebbarkeit, zusammen mit den Verdichtungsfhigkeiten, als typische Merkmale des Primrvorganges beschrieben hat, dann ließe sich nun ergnzen, dass Primrvorgnge durch Dissoziierungsaktivitten definierbar sind. Diese kçnnen als Leistungen des Vorbewussten betrachtet werden, und somit wre diese Funktion auch hier zu verorten, selbst wenn dies nicht in gleichem Ausmaße wie im System Ubw der Fall ist. Primrund Sekundrprozess wren nicht qualitativ, sondern nur quantitativ zu unterscheiden, Pole eines dynamischen Feldes, in dem der eine, das Es, keine Synthese mehr kennt. Wenn man die im System Vbw stattfindenden kognitiven Operationen als entscheidendes Charakteristikum des Vorbewussten ansieht, kann man es auch als »Vorbewusstes Processing System« (VPS) bezeichnen. Das Vorbewusste ist jedoch mehr als ein Assoziationssystem und mehr als eine kognitive Relaisstation. Es verfgt, wie das System Bewusstsein, ber einen eigenen Wahrnehmungs-Eingang und einen separaten Zugang zur Motilitt. Dies gilt nicht fr das Unbewusste. Die motorischen Fhigkeiten des Vorbewussten liegen unter anderem in der Kapazitt zu unwillkrlichen motorischen Darstellungen der
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unbewussten Wahrnehmungen. Deren Darstellungen erfolgen unabhngig vom Bewusstsein und werden in der Folge, wie in einem zweiten Bearbeitungsschritt, sekundr rationalisiert. Das Vorbewusste ist ein eigenstndiges, dem Bewusstsein und dem Unbewussten gegenber ebenbrtiges System des psychischen Apparates. System Bw und VPS kooperieren, sie beeinflussen sich wechselseitig, hemmen und aktivieren sich und vermitteln erst zusammen und in Verbindung mit dem System Ubw die volle Bedeutung einer Wahrnehmung. Alle drei Systeme zusammen sind an der Bildung von Trumen, Phantasien und Erinnerungen beteiligt. Im Gegensatz zum bewussten Ich bleibt das VPS, wie Fechner (1860) schon vermutete, im Schlaf jedoch arbeitsfhig. Dafr fanden sich nach den Stimulationen im Schlaf (in REM-II beziehungsweise S4) eindeutige Nachweise. Das VPS registriert whrend des Schlafes nicht nur Reize aus der inneren Welt, sondern Stimuli, die von außen, aus der Realitt, das schlafende Subjekt erreichen. Der Trumer bleibt im Schlaf aktiv am Sortieren von verstndlichen oder unverstndlichen inneren und ußeren Signalen. Dies in ein permanent ablaufender Prozess, mit anderen Worten: Das Vorbewusste schlft nicht. Auch das spricht fr seine Autonomie und steht einer Konzeptualisierung als »implizites« System vçllig entgegen. Auch wenn aus einer experimentellen Perspektive die Leistungen des VPS als »primr autonome« Eigenschaften beschrieben werden kçnnen, wie sie die Ich-Psychologie definiert hatte, so schließt dies die Inanspruchnahme durch Abwehrbedrfnisse nicht aus. Die Mechanismen des Vorbewussten sind zwar als »autonome« Operationsmodi beschreibbar, aber diese werden in den Dienst der Abwehr genommen, zum Beispiel fr die Zensur, welche die unbewussten Wnsche und Erinnerungen (im »Vorbewussten Processing System«) einer stereotypen »eingefahrenen« Bearbeitungsweise unterwirft, wie es die Traumarbeit mit den latenten Traumgedanken vornimmt. Im Fall der Abwehr bringen vorbewusste Operationen das Verpçnte auf weniger gngige assoziative Bahnen, die eine korrekte Rekonstruktion verhindern. Und an diesem Punkt entsteht wieder ein »limen«, eine Schranke, die aber jetzt dynamisch definiert ist. Das VPS prozessiert unscharfe Wahrnehmungen mit vielschichtigen Bedeutungen, gewissermaßen die Bedeutungshçfe oder Bedeutungsschatten bewusster Wahrnehmungen, whrend fr die eindeuti-
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gen Inhalte das Bewusstsein (als Steuerungssystem fr willkrliche Handlungen) zustndig ist. Im Vergleich zu den vorbewussten sind die bewussten, aufmerksamkeitsbesetzten Wahrnehmungen und Vorstellungen konzise, aber bedeutungsflach. Das Vorbewusste bernimmt gewissermaßen das integrative Assoziieren von unscharfen Wahrnehmungen und ihren Nebenaspekten. Damit sind vielschichtige, latente und leise Signale aus dem Kçrper, aus der Seele und aus der Außenwelt gemeint (vgl. Fiss, 1993). Wenn das Vorbewusste dazu eine besondere Affinitt hat, eine besondere Signalentdeckungsfhigkeit besitzt, so wissen wir bis heute nicht, warum das so ist. Man kçnnte diese Selektivitt durch Filterwirkungen an der Eingangsseite des Systems zu erklren versuchen. Damit wre aber nicht viel gewonnen, wenn man die Filterleistungen nicht genauer beschreiben kann. Zu vermuten ist, im Fall experimenteller Entstellungen, dass die Methoden das Wahrnehmungsmaterial besonders herrichten, wie im Fall der Subliminalisierung. Solches Material gelangt bevorzugt in dieses System, kann leichter in dieses System eingeschleust werden, weil durch genau diese Entstellung dem Vorbewussten ein oben beschriebener Arbeitsschritt abgenommen, erspart wird: die Dissoziation des Wahrnehmungsmaterials ist eine Leistung, die das VPS im Fall bewusster, natrlicher Reize selbst durchfhren muss. Es ist anzunehmen, dass diese spezielle Zustndigkeit des Vorbewussten fr das vielschichtige Latente einen psychologischen Zweck hat. Das nicht Verstandene, soll auf diese Weise aus dem Strom der vielen Informationen, die an das Ich von Außen und von Innen Tag und Nacht heranrauschen, herausgefiltert werden. Diese Wahrnehmungen aus der Außenwelt, aus dem eigenen Kçrper und der eigenen Seele, bekommen den Status eines »unerledigten Restes« verliehen, um weiter bearbeitet zu werden. Der Titel »unerledigt« weckt den Drang nach Verstndnis. Im Fall geringerer Wichtigkeit fhrt das Verstehen nicht zur Bewusstwerdung. Das so Verstandene wird dann vielmehr in seelischen Leistungen zum Ausdruck gebracht, die man als Umwege bezeichnen kçnnte, die aber Sinn haben, weil sie dem Ich die anstrengende, energieaufwendige Bewusstmachung (im Fall von nchtlichen Stçrreizen das Erwachen), ersparen. Es ußert sich in Trumen, Witzen, Symptomen, Symbolen, Fehlleistungen, Gesten und anderen, weil das Material hier vorbewusst erledigt werden kann. Diese Aktivitt des Vorbewussten versucht also, das Bewusstsein zu entlasten. Ist das Unerledigte jedoch zu wichtig, erzwingt es Bewusstheit.
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Vorbewusstes und Gedchtnis Die tachyakustischen Untersuchungen entsprechen Befunden anderer Autoren, dass das im Vorbewussten Perzipierte fr lngere Zeit, mindestens fr mehrere Tage, prozessiert, das heißt behalten und (auf indirekte Weise) erinnert werden kann. Es ist also nicht so, dass ultrakurz Prsentiertes nur in das Kurzzeitgedchtnis »eingelesen« wird, sondern auch in so genannte »Langzeitspeicher«.41 Diese sind topisch nicht an irgendeinem anderen Ort, sondern vermutlich im Vorbewussten selbst zu lokalisieren. Im Fall der Tachyakusie schçpfen Traum und Imaginationen ihr Material aus den experimentell aktivierten Assoziationsnetzwerken; Netzwerke, die episodisch, biographisch und generisch oder durch Lernen im Leben eines Trumers zustande gekommen sind. Diese Assoziationen sind Gedchtnis und 41
In den letzten Jahren setzte sich, im Rahmen der Gedchtnisforschung, eine vçllig neue Konzeption von Gedchtnis durch, welche die alten Speichermodelle ersetzte. War Gedchtnis frher analog der Funktionsweise eines Computers gedacht, bei dem die Informationen, einem Bibliotheksmodell vergleichbar, an festen Orten unverndert aufbewahrt werden, sind die Gedchtnis- und Erinnerungsprozesse in den neueren Modellen als dynamisch und vernderbar konzipiert. Grundlegend sind hier die Arbeiten von Edelman (1989, 1992), in denen Erinnern als in der Gegenwart konstruierte Vergangenheit angesehen wird, wobei die Erinnerungs- beziehungsweise Konstruktionsprozesse im Gehirn einem »neuronalen Darwinismus«, also evolutionren Gesetzen unterliegen. Wenn in dieser Arbeit von Gedchtnis die Rede ist, dann im Hinblick auf dynamisch-konstruktivistische Prozesse und nicht im Sinne der veralteten Speicherkonzepte. In dem von Koukkou, Leuzinger-Bohleber und Mertens (1998) herausgegebenen Band »Erinnerungen von Wirklichkeiten« findet sich eine hervorragende Zusammenstellung von Arbeiten, die sich mit dem interdisziplinren Forschungsfeld »Psychoanalyse und Neurowissenschaften« befassen und die einen berblick ber das Feld der Gedchtnisforschung geben. Verwiesen sei auch auf die Zeitschrift »Neuro-Psychoanalysis«, die sich speziell mit diesen beiden Forschungsfeldern auseinandersetzt. Weitere Verçffentlichungen, die in engerem oder weiteren Zusammenhang zum Thema Gedchtnis und Gehirn stehen, stammen von Rosenfield (1988), Clancey (1993), Schore (1994), Bucci (1997), Solms (1997b), Leuzinger-Bohleber und Pfeifer (1998c, 2002), Machleidt (1998) oder Mancia (2007).
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von daher ist es folgerichtig, dem Vorbewussten selbst Gedchtniseigenschaften zuzuschreiben. Kognitionspsychologen wie Foulkes (1985) haben Recht, wenn sie das Traumprozessieren als ntzliches Fenster fr ein Verstndnis von Gedchtnis- und Verhaltensstrukturen betrachten. Eine Weiterung der bisherigen berlegungen erçffnet eine interessante Perspektive. Es liegt nmlich nahe, das bei der Untersuchung vorbewussten Prozessierens sichtbar gewordene Dissoziierungs-Reassoziierungs-Geschehen auch auf Gedchtnis- beziehungsweise Erinnerungsvorgnge anzuwenden und hier als basalen Mechanismus anzunehmen. Damit ließen sich Befunde aus der Alltagspsychologie und der Klinik zum Vergessen und zur Frage des ungenauen Erinnerns besser erklren. Das Dissoziierungs-Reassoziierungs-Modell kçnnte die Erklrungsversuche von Gedchtnisforschern sttzen und ergnzen, wonach Erinnern nicht Abruf abbildgetreu gespeicherter Wahrnehmungen ist, sondern Rekonstruktion aus Fragmenten (Neisser, 1967; Schacter, 1996). Wiederdarstellung von Wahrnehmungen in Erinnerungen, Freien Assoziationen und in Trumen wre demnach aktuelle Reassoziation von zerfallenen Engrammen. Mit Hilfe dieses Mechanismus lsst sich die Frage besser beantworten, warum es so schwierig ist, korrekt zu erinnern oder richtig zu bestimmen, ob ein erinnertes Ereignis Phantasie oder Wirklichkeit war. Dies lsst sich zum Beispiel auch an der Zeichnung des »Wolfsmannes« ausfhren (s. Kapitel 5, vgl. Leuschner u. Hau, 1995). Viele Phnomene, welche die Kognitionspsychologie unter dem Stichwort »Dissoziation« und die Psychoanalyse unter dem Stichwort »Abwehr« und »Spaltung« fhrt, lassen sich so als Resultat eines Wechselspiels von Dissoziation und Reassoziierung verstehen. Der Dissoziierungs-ReassoziierungsMechanismus kçnnte schließlich eine psychologische Erklrung jener verschiedenen neuen Gedchtnistypen ermçglichen, die in den letzten Jahrzehnten von den Neurologen postuliert worden sind. Untersuchten Kognitionspsychologen die Beschaffenheit des Gedchtnisses, dann taten sie dies lange Zeit ausschließlich anhand von Prfungen bewusster Erinnerungen im psychologischen Labor. Obwohl zahlreiche Untersuchungen, inklusive die Pçtzls, die Existenz unbewusster Prozesse immer wieder belegt hatten. Durch neurologische Befunde zum so genannten »prozeduralen« Gedchtnis sahen sich schließlich Kognitionspsychologen, Neurobiologen und sogar
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Psychoanalytiker veranlasst, von einem »impliziten« Gedchtnis zu sprechen (Schacter, 1996). Aber diese Bezeichnung wird dem, was Gedchtnis ist, nicht gerecht, sondern ist letztlich Ausdruck eines absichtsvollen Missverstehens, insbesondere der psychoanalytischen Entdeckungen. Die Befunde zu den Gedchtnisleistungen des Vorbewussten haben gezeigt, wie unabhngig und ausgedehnt vorbewusste Leistungen prinzipiell sind. Zwischen dem System Bw und dem System Vbw besteht fr die Wahrnehmungs- und Denkttigkeit am Tage Synergie, whrend nachts das System Vbw unabhngig arbeitet. Die Prozesse, die hier zu beobachten sind, kçnnen nun gerade nicht mit Eigenschaften wie »inbegriffen«, »eingeschlossen«, »mit enthalten« oder »mit gemeint« bezeichnet werden. Das Konzept »implizit« der Kognitionspsychologie impliziert eine ungerechtfertigte Degradierung des Vorbewussten. Die motorischen Fhigkeiten des Vorbewussten liegen, wie beschrieben, in der Kapazitt zu unwillkrlichen motorischen Darstellungsakten der unbewussten Wahrnehmungen. Deren Darstellungen erfolgen am Bewusstsein vorbei und werden rationalisiert. Sie sind also eigenartige »prozedurale« Erinnerungsakte, sie erinnern Unbewusstes und sie erinnern selbst unbewusst, aber sie sind auch wieder nicht als »implizit« zu bezeichnen. Es ist nicht zu erkennen, in was sie eingeschlossen sind, außer eben in Rationalisierungen, die sie dem Bewusstsein aufzwingen. Das haben die Probanden immer wieder demonstriert. Bekannt ist dieses Phnomen von posthypnotischen Auftrgen. Dabei sind durch vorbewusste Erinnerungen gestaltete motorische Handlungen, Gesten, Versprecher, Malereien und anderes mehr gestaltungsmchtig, und zwar als Erzeuger von Reassoziationsakten, unwillkrlichen »gestengngigen« Erinnerungsakten (vgl. Leuschner u. Hau, 1995), die dissoziierte Wahrnehmungen und Erinnerungen an das Bewusstsein nher »heranbringen«. Sie nehmen vorbewusstes Wissen ins Gestische auf und bauen dies in umfassendere Darstellungen ein. Dadurch wird es dann tendenziell bewusstseinsfhig oder wie Mahl (1977) es beschrieb: Vorbewusstes Wissen wird selber ein Stimulus, der Bewusstwerdung anstrebt.
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Methodologische berlegungen zu experimentellen berprfungen psychoanalytischer Konstrukte Die dargelegten Befunde und Schlussfolgerungen sollten zeigen, wie fruchtbar die Subliminalisierungsexperimente sind und – anders als zum Beispiel bei der hypnotischen Trauminduktion – differenziertere Untersuchungen verschiedenster, psychoanalytisch relevanter Phnomene und Prozesse ermçglichen. Subliminalisierungsverfahren machen spezifische Strukturen des kognitiv-affektiven Unbewussten, des vorbewussten Prozessierens sichtbar. Es geht darum, die Phnomene unbewusster Wahrnehmungen, die im Alltag oder in einer klinischen Situation nur schwer oder gar nicht einzugrenzen und zu beobachten sind, genauer zu beschreiben. Dazu werden sie aus dem klinischen Kontext herausgelçst und mit neuen, anderen Methoden im Labor untersucht. Dabei wird Zusammenhngendes zerlegt und Schnelles verlangsamt. Durch die Anwendung von experimentellen Methoden werden Teilvorgnge und Einzelfaktoren sichtbar, wie unter einem Mikroskop oder in Zeitlupe. Die infolge des Subliminalisierungsverfahrens beobachtbaren isolierten Elemente erscheinen unterschiedlich groß, zum Teil finden sich sogar »Elementarteilchen«, die als »Radikale« bezeichnet wurden (Leuschner, 1995, 1999; Leuschner u. Hau, 1992). Diese Radikale erscheinen noch viel kleiner als jene Bruchstcke, in die der Text eines Traumes in der Analyse von Analytiker und Analysand zerlegt wird. Subliminalisierungsverfahren provozieren im Vorbewussten das Aufbrechen von natrlich Zusammenhngendem. Assoziative Verknpfungen, zwischen verschiedenen semantischen und pictoralen Reprsentanzen, fallen auseinander. Dieser Befund deckt sich mit Annahmen von Kihlstrom (1984), der den Traum in ein System paralleler Gedankenstrçme eingeordnet sieht und, anders als Foulkes, als ein Ergebnis von Dissoziation, des Auseinanderfallens assoziativer Verknpfungen zwischen verschiedenen semantischen Reprsentanzen interpretiert. Um psychoanalytisch relevante Phnomene und Prozesse im Labor zu untersuchen, mssen sie aus dem klinischen Kontext herausgelçst und operationalisiert werden. Hierbei werden diese Konzepte auch nach wissenschaftslogischen Geltungskriterien empirisch berprft und dadurch auf ihre wissenschaftliche Brauchbarkeit hin untersucht.
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Die dabei entstehenden Probleme einer »erfahrungswissenschaftlichen Theorieprfung« sind bekannt und ausfhrlich beschrieben worden (vgl. Naatz, 1997). Kann diese Forschung aber noch als »psychoanalytisch« bezeichnet werden? Im Labor gibt es keine Patienten mehr, keine Behandlung, kein Hier-und-Jetzt gemeinsamer Erkenntnis. Es gibt den Psychoanalytiker nicht mehr als Detektiv oder als Archologen. Es gibt keine Hermeneutik, bertragungsprozesse, Verstehen und Sinn gelten zunchst nichts. Die Durchfhrung der wissenschaftlich-experimentellen Arbeit erfolgt im Kollektiv, die Kooperation gleicht hier den Herstellungsbedingungen des Films. Bei der subliminalen Stimulation inkorporiert eine Maschinerie unbekannte Inhalte ins psychische »Gewebe« und setzt damit nicht wahrnehmbare Bearbeitungsmechanismen in Gang. Das Erlebte reproduzieren die Versuchspersonen nur entstellt, bruchstckweise und unwillentlich, sie kçnnen nur »Agieren«. Allein die Versuchsleiter kçnnen wissen, was real war, dann im Traum enthalten und schließlich Reproduziertes geworden ist. Dennoch kçnnen diese experimentellen Untersuchungen in Anspruch nehmen, psychoanalytisch Konzepte zu untersuchen, und zwar aus folgenden Grnden: Die experimentell erzeugten Elemente sind keine Artefakte, kein Erzeugnis der tachistoskopischen und tachyakustischen Prsentation. Das belegt der im Traum beobachtbare natrliche Zerfall von Tagesresten, insbesondere im Falle posttraumatischer Trume. Das Experiment macht nur besser sichtbar, was auch ohne Experiment stattfindet. Der Zerfall erfolgt weder zufllig, noch an beliebiger Stelle, sondern an vorhandenen »Sollbruchstellen«, zum Beispiel an jenen, die Freud beim Sach-Wort-Vorstellungskomplex beschrieben hat. Dabei haben die Bruchstcke logischerweise einen weniger komplexen Organisationsgrad als die von ihnen gebildeten Aggregate, sie behalten jedoch unverndert ihren psychologischen Status bei. Das, was das Experiment dissoziativ erzeugt, ist nicht so weit weg von dem, was die Analyse als Bruchstcke aus einem gegltteten Kontinuum herauslçst, zum Beispiel dann, wenn sie den Traum in Teile zerlegt, um dadurch an das Latente heranzukommen. Laplanche (1995) nennt das »Entbindung«. Es ist allerdings zu vermuten, dass die Fhrte der kleinsten »Elementarteilchen« auch zu einem physikalischen Anteil fhrt. Dann bçte die psychoanalytische Laborfor-
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schung den Neurophysiologen genau das, was deren vergeblicher Scharfsinn heute im Hirn zu finden hofft. Fr die Wahrnehmung haben speziell die Radikale kein Wirklichkeitszeichen, sind ihr so fremd wie dem Betrachter die Gegenstnde auf den Leinwnden der Surrealisten. Der Untersuchungsgegenstand solcher Experimente bleibt das Unbewusste, und zwar sowohl das dynamisch Unbewusste wie das deskriptiv Unbewusste, also das Vorbewusste. Nicht nur die Inhalte von Wahrnehmen, Denken, Erinnern und Handeln, sondern auch die ihnen innewohnenden kognitiven Prozesse werden dabei als fortlaufende Transformationen affektiver Erfahrungen und des ihnen zugrunde liegenden Triebgeschehens verstanden. Experimentelle berprfungen psychoanalytischer Konstrukte haben somit zum Ziel, diese Transformationen weiter zu erforschen, soweit sie sich dabei jenseits der Couch untersuchen lassen. Die verschiedenen Methoden, die dabei zur Anwendung kommen, verschaffen dafr systematische Beobachtungsmçglichkeiten. Das heißt, sie heben »knstlich« kognitive Aspekte hervor, so dass oftmals, besser als bei »natrlichen« Vorgngen, Bearbeitungen und Einflussnahmen durch Trieb und Abwehr sichtbar gemacht werden kçnnen. Im Labor kçnnen sie unter gleich bleibenden Bedingungen und systematischer als in der Behandlungssituation erfasst werden. In diesen experimentellen Untersuchungen wird auf Freuds frhe kognitionspsychologische Orientierung zurckgegriffen, wie sie in seiner Aphasie-Studie (Freud, 1891b) und dann in Kapitel VII der »Traumdeutung« dargestellt ist. Sie untersuchen Vorgnge wie Ersetzung, Verschiebung, Verdichtung und Konzepte, wie den SachWort-Vorstellungskomplex, die noch einen klassisch-psychologischen Status haben und fr empirische Forschungen zugnglich geblieben sind. Die Beobachtung unbewusster Kognitionen und Inhalte erfolgt, auch unter den kontrollierten Laborbedingungen, mit Hilfe klassisch psychoanalytischer Darstellungsmittel: der Freien Assoziation und durch den Traum. Im Rahmen eines solchen Forschungsansatzes wird es dann mçglich, auch experimentelle Untersuchungen durchzufhren, um so unsere Kenntnisse ber den psychischen Apparat und seine Funktionsweisen zu erweitern.
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Es kann dabei nicht darum gehen, die verschiedenen Seiten gegeneinander auszuspielen. Durch den Einsatz verschiedener Methoden, durch den Dialog zwischen den verschiedenen Praxisfeldern, kann ein fruchtbarer Erkenntniszuwachs erreicht werden. In der Erarbeitung spezifischer Untersuchungsbedingungen und der kritischen Diskussion der Ergebnisse, vor dem Hintergrund der psychoanalytischen Theorie, liegt meines Erachtens der große Gewinn, den eine experimentelle (Traum-)Forschung zu psychoanalytischen Fragestellungen auch in Zukunft fr die Weiterentwicklung der psychoanalytischen (Traum-)Theorie haben wird.
2.6 Traumdatenbank Im Sigmund-Freud-Institut (SFI) wurden, im Laufe der vielen Jahre experimenteller Forschungen, hunderte von Traumberichten und Traumzeichnungen erhoben. Sie stellen ein einmaliges Material dar, denn die Erhebungszusammenhnge waren kontrolliert und lassen sich genau angeben. So lag die berlegung nahe, diese im experimentellen Kontext erhobenen Trume fr weitere (psychoanalytische) Forschungen zu nutzen. Zu diesem Zweck mussten sie aber systematisiert und fr eine erneute Auswertung zugnglich gemacht werden. Eine Traumdatenbank sollte dies ermçglichen. Ein eingehendes Studium von Traumprozessen ist nicht nur auf die Erweiterung der Erkenntnisse ber den Traum beschrnkt, sondern kann wichtige Beitrge zu Fragen ber unbewusste und bewusste Wahrnehmungsvorgnge, ber Denkoperationen, Erinnerungsleistungen, ber Affekt- und Handlungssteuerung, ber die Stabilitt von Ich-Strukturen beziehungsweise ber kreative Fhigkeiten leisten. Traumforschung kann als Erforschung wichtiger Bedingungen seelischer und kçrperlicher Gesundheit und Krankheit verstanden werden. Bei systematisch-kontrollierten Untersuchungen, die seit 1985 im Labor fr experimentelle Traum- und Gedchtnisforschung durchgefhrt werden, sind bisher viele hundert Trume verschriftet worden. Zusammen mit Trumen aus psychoanalytischen Behandlungen, die im Rahmen der SFI-Ambulanz durchgefhrt werden, bilden sie einen Grundstock, der systematisch durch Traumtexte aus anderen Erhe-
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bungskontexten erweitert werden kann. Dazu kçnnen auch Trume aus anderen Sammlungen und aus Traumtagebchern kommen. Mit der Traumdatenbank-Konzeption besteht eine Mçglichkeit, automatisiert numerische Daten und inhaltliche Kriterien bei der Auswertung von Traumtexten zu kombinieren. Außerdem wird es durch die Erfassung der Trume, vor dem Hintergrund der Kontexte, aus denen die Trume stammen, mçglich, Trume vergleichend zu untersuchen. Das archivierte Traummaterial wird dazu jeweils neu gruppiert, fr die spezifischen Untersuchungen und Berechnungen bereitgestellt, und zwar unabhngig davon, ob inhaltsanalytische Fragestellungen untersucht werden sollen oder ob sich die Untersuchungsfragen auf quantifizierbare Daten formaler Traumeigenschaften richten. Die konzipierte Datenbank soll sich durch Flexibilitt bei der Bearbeitung der Daten und durch die Trennschrfe der Erhebungskontexte der Daten auszeichnen, wobei sowohl Untersuchungen von Einzelfllen als auch gruppenstatistische Vergleiche mçglich werden. Fr die Durchfhrung dieser Aufgaben ist ein Bearbeitungsprogramm, das Adaptive Traum-/Textanalyse System (ATAS), entwickelt worden.42 Die Einrichtung der Traumdatenbank schafft Voraussetzungen fr die Untersuchungen verschiedenster Fragestellungen, die im Rahmen einzelner Projekte bearbeitet werden kçnnen. Beispiele hierfr wren: die Untersuchung phnomenologischer Ereignisse im Traum, wie etwa Unterschiede in Trumen zwischen Mnnern und Frauen oder auch Selbstbilder im Traum, beides vor dem Hintergrund mçglicher transkultureller Unterschiede; die Unterschiede in Trumen bei verschiedenen Altersgruppen; die Unterschiede in Trumen bei Angehçrigen verschiedener Berufsgruppen; Trume und politische und/ oder soziale Ereignisse; Traum und Werbung; Trume von Minoritten; Trume in Ausnahmesituationen. Besonders interessant sind natrlich Untersuchungen im Bereich Traum und Klinik/Therapie. Hier kçnnten Trume bei bestimmten organischen und seelischen Krankheiten von Interesse sein; Trume in Krisensituationen; Trume bei Traumaopfern; Trume aus psychotherapeutischen Behandlungen; Verlaufsbeobachtungen, also Tru42
Ich danke besonders Herrn Dipl.-Ing. Jrgen Redmer, der die Programmierarbeiten durchfhrt.
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me aus unterschiedlichen Behandlungsphasen; Trume von Therapeuten. Bisher nur unzureichend untersucht sind auch Trume aus entwicklungspsychologischer Perspektive: Kindertrume verschiedener Altersgruppen; Trume alter Menschen; Trume in Schwellensituationen (zum Beispiel aus der Adoleszenz, der Schulzeit, dem Studium, im Umfeld der Geburt der Kinder, in Bezug auf die Partnerschaft). Untersuchungen, die sich mit Traumkognition befassen, kçnnten die Wahrnehmung im Traum (optisch, akustisch, olfaktorisch, haptisch, taktil), das Denken und Handeln im Traum, die Affekte sowie Visualisierungen (inklusive der Quellen des visualisierten Materials) weiter erforschen. Als weitere wichtige Forschungsfelder gelten Traum und Gedchtnis, Traum und vorbewusste/unbewusste Informationsverarbeitung sowie Sprache und Traum. Schließlich wren Untersuchungen von Bedeutung im Bereich Traum und Schlaf: Trume im Nachtverlauf (1. Drittel, 2. Drittel, 3. Drittel); Trume aus REM-Phasen und aus NREM-Phasen; Trume und REM-Density; Trume und Bewegungsrichtung in REM; Traumserien, Travelling, Carry-over-Effekte etc. Letztlich kçnnten sich ergnzende Untersuchungen ergeben zur Beantwortung von Fragestellungen, die im Kontext anderer Forschungsprojekte entstehen. Bei der Verschriftung der Trume und der weiteren Datenaufbereitung ist von folgenden berlegungen auszugehen: Bei der Untersuchung von Trumen ist man in erster Linie auf die Sprache als Datenquelle angewiesen, auch wenn damit immer nur ein Teil der Gesamtdatenmenge dessen erfasst und untersucht wird, was bei einem Traum wahrgenommen, erinnert und schließlich kommuniziert wird. So stellen die Traumtexte nur eine Untermenge von Wahrnehmungen der Traumerlebnisse in der Nacht dar. Diese Texte bringen vornehmlich visuell wahrgenommenes beziehungsweise erlebtes Material in eine sprachlich kodierte Form, in eine Traumerzhlung und sind außerdem mehrfach transformiert und berarbeitet. Die Transformation in eine Erzhlung ist insofern von Bedeutung, als sie eine Vernderung der Intention bedeutet, weil der Traum nun verçffentlicht, einem Empfnger mitgeteilt, kommuniziert wird. Dies wiederum beeinflusst die Erzhlung selbst. Um so wichtiger ist es daher, Zeitpunkt und Umstnde der Traumerzhlung, also den Erhe-
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bungskontext detailliert festzuhalten und gengend Begleitinformationen so gut als mçglich zu erfassen, etwa die Grçße der Zeitspannen zwischen Traumerleben und Traumreproduktion. Auf diese Weise lsst sich der Einfluss, den der Bewusstseinszustand auf Gedchtnisund Reproduktionsprozesse beim Erinnern eines Traumes hat, besser einschtzen (Labor, Lebensereignisse). Der Zeitpunkt der Traumerzhlung scheint fr die sinnvolle Verwendung von Traummaterial von großer Bedeutung zu sein, wobei Umarbeitungsprozesse beziehungsweise die Besonderheiten der Situation bei der Traumreproduktion fr die jeweiligen Untersuchungen zu bercksichtigen sind. Nicht zuletzt die experimentellen Schlaflaboruntersuchungen haben immer wieder gezeigt, welche Bedeutung der Erhebungszeitpunkt bei der Traumreproduktion hat (Cipolli 1982, Fischer 1988, Strauch und Meier 1992, Leuschner und Hau 1992). Fr alle Datenstze ist also vorgesehen, eine mçglichst genaue und detaillierte Beschreibung ber Erhebungszeitraum, Probandenanzahl, Alter, Geschlecht und anderes mehr aufzunehmen, um so eine Vergleichbarkeit mit anderen Daten innerhalb der Traumdatenbank anzustreben. Erst dann kçnnen die verschiedenen Texteinheiten einer ersten systematischen Untersuchung hinsichtlich formaler oder inhaltlicher Kriterien unterzogen werden. Da es sich bei den verschrifteten Trumen beziehungsweise bei den Traumtagebchern um natrliches Sprachmaterial handelt, kann auch der Versuch unternommen werden, dieses sprachliche Material mit anderen Untersuchungsinstrumenten zu beforschen, wie zum Beispiel mit Hilfe von Fragebogenuntersuchungen oder Rating-Verfahren (Hall und van de Castle 1966, Domhoff 1995), mit denen Trauminhalte aber auch die Traumaffektivitt, zeitliche Verlufe, die Struktur sozialer Interaktionen in Trumen usw. untersucht werden kçnnen. Weiterhin wren klinische Einschtzungen, Beurteilung von Trumen hinsichtlich verschiedener theoretischer Konzepte mçglich, wie dies Kchele (1981) vorgeschlagen hat. Mit der Datenbank wird es mçglich, eine beliebige Kombination von Suchkriterien zu whlen (sowohl fr Variablen wie beispielsweise Alter, Geschlecht oder Zeitpunkt der Traumaufzeichnung, um nur einige Beispiele zu nennen, als auch fr inhaltliche Kriterien), die immer wieder neu gruppiert, ergnzt, verkrzt, kurz stndig angepasst und verndert werden kçnnen.
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Die Datenbank stellt ein Instrument dar, mit dessen Hilfe auch andere an Trumen interessierte Forscher spezifische Fragestellungen untersuchen kçnnen; sie ist als ein Angebot zu verstehen, interdisziplinr zum Thema Traum zu forschen. Die am Sigmund-Freud-Institut angestrebte PC-Lçsung strebt eine einfache Verwaltung und Bearbeitung der Traumtexte an, andererseits flexible Recherchemçglichkeiten. Es besteht eine Arbeitsgruppe am Sigmund-Freud-Institut, welche die Konzeptualisierung der Datenbank vorantreibt. Die Programmierarbeiten werden von einem Diplom-Informatiker durchgefhrt (vormals Mitarbeiter am Zentrum fr graphische Datenverarbeitung der Universitt Darmstadt beziehungsweise am Fraunhofer Institut fr graphische Datenverarbeitung, Darmstadt). Die Datenbank ist zunchst als SingleUser-Version konzipiert. Mit der ersten Version von ATAS, dem Adaptiven Traum-/Textanalyse-System, wurde sich auf Trume beschrnkt, die aus experimentellen Untersuchungen stammen. ATAS ist zurzeit in fnf Archive unterteilt: das Textdaten-Archiv, das Abfragen-Archiv, das Ergebnis-Archiv, das Versuchsleiter-Archiv und das Probanden-Archiv. Bevor mit den einzelnen Archiven gearbeitet werden kann, mssen bestimmte Definitionen vorgenommen werden, je nach Fragestellung und Untersuchungszusammenhang. Deshalb bietet ATAS Mçglichkeiten der Systemvoreinstellung, die ber zwei Pulldown-Mens vorgenommen werden kçnnen: Abfragedefinitionen: Suchbegriffe, Begriffsgruppen, Textstruktur. Unter dieser berschrift kçnnen verschiedene Definitionen vorgenommen werden, die es ermçglichen, die spezifische Begriffswelt eines Anwenders zu bestimmen und die Arbeit mit ATAS an die jeweiligen Bedrfnisse des Anwenders anzupassen. Mit der Definition der Abfrage kçnnen neue Suchbegriffe, aber auch ganze Begriffsgruppen definiert werden. Hier kann auch die zu untersuchende Textstruktur festgelegt beziehungsweise definiert werden. Definition von Suchbegriffen: Dieser Schalter çffnet ein Segment, mit dem spezifische Textelemente definiert und bearbeitet werden kçnnen (z. B. Sprecher, Interviewer, Proband, gleichzeitig Gesprochenes und vieles mehr). Diese stehen dem Benutzer bei der Anwendung (Textanalyse) als feststehende Textelemente zur Verfgung. Textelemente kçnnen beliebig angezeigt, verndert, kopiert, gelçscht
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oder hinzufgt werden. Die Textelemente orientieren sich in der Regel nach den jeweiligen Transkriptionsvorschriften, die in einem Transkript verwendet wurden. ATAS ermçglicht die Definition beliebiger Suchbegriffe oder Begriffsgruppen, die eine grçßere Anzahl von synonymen Wçrtern enthalten und die als Oberbegriffe die Textdurchsuche erleichtern (vergleichbar mit Thesaurus). Zum Beispiel enthlt die Begriffsgruppe »Natur« nur Wçrter, die mit »Natur« zu tun haben (Wald, Baum, Blume, Bach, Flsse etc.). Die Begriffsgruppe »Technik« enthlt dementsprechend nur Technik-Wçrter). Die Begriffsgruppen werden vom jeweiligen Anwender individuell definiert und kçnnen jederzeit angezeigt, ergnzt, gendert, kopiert, neu angelegt oder gelçscht werden. Auch die zu untersuchende Textstruktur lsst sich definieren und die einzelnen Elemente der jeweiligen Textstruktur, die fr eine Durchsuchung beziehungsweise Berechnung bençtigt werden, kçnnen jederzeit weiter bearbeitet oder neue Textblçcke hinzugefgt werden. Nachdem die Systemeinstellung und Abfragedefinitionen vorgenommen wurden, bietet ATAS die Mçglichkeit, mit fnf verschiedenen Archiven zu arbeiten. Das Textdatenarchiv ist das zentrale Archiv von ATAS. Hier werden alle Textdateien verwaltet. Die Auswahl und die Bearbeitung von Textdateien erfolgt unabhngig von personenbezogenen Daten. Aus dem Textdatenarchiv stellt ATAS die fr die jeweilige Untersuchung und in Abhngigkeit der spezifischen Definitionen und Filtereinstellungen, die fr die Auswertung bençtigten Textdateien. Diese werden auf korrekte Syntax berprft und bei der Aufnahme in ATAS chiffriert. Neben der Anonymisierung der Trume ist dies der zweite Schritt, die Personen, von denen das Material stammt, und die Texte selbst vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu schtzen. Eine Dechiffrierung kann nur in ATAS vorgenommen werden. Im Ergebnis-Archiv sind alle Ergebnisse von Berechnungen gespeichert und kçnnen jederzeit wieder aufgerufen und weiter bearbeitet werden, zum Beispiel fr den Export in ein anderes Programm. Im Versuchsleiter-Archiv sind die einzelnen Versuchsleiter festgehalten, mit Nummern kodiert und mit allen relevanten Angaben zu den jeweiligen Versuchen verbunden. Die wichtigen Angaben ber
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die Probanden befinden sich im hnlich aufgebauten ProbandenArchiv. Es besteht eine »Querverbindung« zwischen den Archiven von Versuchsleiter und Probanden, die bei der Zusammenstellung von zu untersuchenden Texten spezifische Kombinationen von Versuchsleitern und Probanden erlaubt. Das wichtigste Archiv fr die Auswertungsarbeit mit ATAS ist das Abfragen-Archiv. Unter diesem Archiv werden die einzelnen Durchsuchungen und Berechnungen der vorher definierten Texte vorgenommen. Bereits definierte Abfragen kçnnen jederzeit wieder ausgefhrt, aber auch wieder verndert, weiter kopiert oder gelçscht werden. Die Standardversion der Abfrage bercksichtigt alle Texteinheitern. ATAS bietet die Mçglichkeit, jederzeit spezifische Suchaktionen zu definieren. Dabei kçnnen ber vorgeschaltete Filterprozesse Eingrenzungen der zu durchsuchenden Texteinheiten vorgenommen werden (bestimmte Probanden, Versuchsleiter usw.), es kçnnen jedoch auch in den Texteinheiten selber ausgewhlte Textelemente fr die Bearbeitung festgelegt werden (z. B. welcher Sprecher; bestimmte Textblçcke: Nacht, Trume, Freie Imaginationen, REM, NREM, abends, nachts). Die Definitionen kçnnen als Einschlusskriterium oder Ausschlusskriterien festgelegt werden. Neben der quantitativen Auswertung erlaubt ATAS auch die Erstellung von Wortlisten mit allen in einem durchsuchten Text oder definiertem Teiltext gefundenen Wçrtern. ATAS listet die Wçrter alphabetisch auf und gibt darber hinaus die Hufigkeit an, mit der ein Wort in einem durchsuchten Text gefunden wurde. Noch ein Wort zum Datenschutz: Alle Daten (Texte und Personendaten) werden bei der Aufnahme anonymisiert und Passwortgeschtzt in der Datenbank aufbewahrt. Nur der Datenbankverwalter hat den Hauptzugriff zu allen Bereichen und kann eingeschrnkte Zugriffsrechte erteilen. In der eigentlichen Datenbank werden die Berechnungen und Bearbeitungsschritte der Texte in einem eigenen Bereich durchgefhrt. Die Datenbank soll sich als Instrument fr weitere Forschungen erweisen, eine Art Mosaikstein im Feld der vielfltigen Mçglichkeiten, Trume zu erforschen.
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Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen in einer Psychoanalyse
In diesem Kapitel soll gezeigt werden, inwieweit fr die psychoanalytische Forschung relevante Ergebnisse mit Hilfe einer systematischen, quantifizierenden Psychotherapieforschung erarbeitet werden kçnnen. Dabei kann es nicht darum gehen, klinische Erkenntnisse, die im Rahmen der direkten Beziehungserfahrung zwischen Patient und Psychoanalytiker gewonnen werden, und solche Ergebnisse, die im Rahmen systematischer Forschungen mit Hilfe von Transkripten ber Verlauf und Interaktion in Therapiestunden oder ber den Prozess von Psychoanalysen gewonnen werden, konkurrierend gegenberzustellen, um etwa die berlegenheit einer der beiden Forschungsanstze zu demonstrieren. Vielmehr soll, am Beispiel der Untersuchung einer Psychoanalyse mit dem ZBKT-Verfahren diskutiert werden, wie sich beide Erkenntnismçglichkeiten gegenseitig ergnzen kçnnen, aber auch welche Begrenzungen bestehen und welche Fragen offen bleiben. In den letzten Jahren wird die psychoanalytische Psychotherapieforschung auch von vielen Psychoanalytikern mehr und mehr anerkannt, ihre Befunde werden auf den Kongressen der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung diskutiert und eine jhrliche Forschungskonferenz in London beschftigt sich mit entsprechenden Forschungsproblemen.1 1 In Deutschland ist die Geschichte der psychoanalytischen Therapieforschung von Beginn an unter anderem mit den Namen A. E. Meyer, H. Kchele oder H. Thomae verbunden. Mit der seit ber 25 Jahren jhrlich stattfindenden »Ulmer Werkstatt« existiert ein besonders innovatives Diskussionsforum, auf dem die neuesten Verfahren und Befunde vorgestellt werden. Auch die Beteili-
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Kchele (1992) pldierte, im Rahmen seiner Zusammenfassung der Geschichte der psychoanalytischen Therapieforschung, fr eine Weiterentwicklung der klinischen Forschung hin zu einer »systematisierten empirischen Forschung« (Kchele, 1992, S. 262). Bezug nehmend auf Freud (1933a), der die Entwicklung einer psychoanalytischen Theorie aus dem Zusammenfgen »gehufter Eindrcke« aus der klinischen Behandlungssituation ableitete und nur so die Entstehung und Weiterentwicklung psychoanalytischer Theorien begrndet sah, glaubt Kchele beide Seiten in einer konstruktiven Wechselbeziehung. Zwar sei es »von der dyadenspezifischen Wahrheit bis zur nomothetischen Aussage […] ein weiter Weg« (Kchele, 1992, S. 262), die produktive Unterscheidung von Moser (1991) zwischen »Online«- und »Offline«-Forschung in der Psychoanalyse weist aber den Weg zu einer wechselseitigen Anregung und Befruchtung. So drfe man die »Offline«-Forschung, die dann beginne, wenn der Patient die Behandlungsstunde verlassen hat, nicht allein als »hermeneutisches Unternehmen« verstehen. Die Situation nach der Behandlungsstunde, wenn der Psychoanalytiker die Eindrcke und Erlebnisse zu bearbeiten beginnt, sei mit der Situation des Ethnologen vergleichbar, der, aus dem Feld zurckkommend, seine Daten und Erkenntnisse berarbeite. Hier kann es nicht darum gehen, die Geschichte der Psychotherapieforschung nachzuzeichnen, was den Rahmen dieses Buches sprengen wrde. Verwiesen sei zu diesem Zweck auf die einschlgigen bersichtswerke, so zum Beispiel das »Handbook of psychotherapy and behavior change« (Bergin u. Garfield, 1994; Lambert, 2004) oder die Zeitschrift der »Society for Psychotherapy Research«. Um die im Folgenden dargestellte Untersuchung mit Hilfe des ZBKT-Verfahrens jedoch besser einordnen zu kçnnen, wird die hilfreiche Einteilung der Geschichte der Psychotherapieforschung in einzelne, sich berlappende Phasen kurz skizziert (vgl. Kchele, 1992, 2006) und jeweils einige wichtige Arbeiten beispielhaft benannt. »Die erste Phase – beginnend in den dreißiger Jahren, dominierend in den Jahren 1950 – 1970 – ist am Ergebnis zu Legitimationszwecken gung von Psychoanalytikern an den Kongressen und Verçffentlichungen in der Zeitschrift der »Society for Psychotherapy Research« hat zur innovativen Entwicklung neuer Forschungsperspektiven beigetragen.
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interessiert. Ihre typische Frage lautete: Ntzt Psychotherapie beziehungsweise Psychoanalyse berhaupt?« (Kchele, 1992, S. 265). Die Psychotherapieforscher fragen in dieser Phase vor allem nach dem Ergebnis psychotherapeutischer Behandlungen. Dazu liegen zahlreiche Arbeiten vor, angefangen von den ersten katamnestischen Untersuchungen, etwa am Berliner Psychoanalytischen Instituts (Fenichel, 1930) oder an der London Clinic of Psychoanalysis (Jones, 1936), bis hin zu der einflussreichen Untersuchung von Dhrssen und Jorswieck (1962), aufgrund deren Ergebnisse die Aufnahme der psychoanalytischen Therapie in den Leistungskatalog der Krankenkassen erfolgte. Insgesamt war die Befundlage jedoch keinesfalls zufrieden stellend. Die Diagnose und der allgemeine Zustand der Patienten zu Beginn der Behandlungen wiesen nur mßige Korrelationen zu den Befunden am Ende der Behandlungen auf. Daraus konnte gefolgert werden, »dass der Behandlungsprozess die entscheidenden Weichen stellt« (Kchele, 1992, S. 268). »Die zweite Phase, dominierend von 1960 bis 1980, fokussiert auf den Zusammenhang zwischen Verlauf und Ergebnis, wie er schon 1937 auf dem Marienbader Kongress von Bibring gefordert wurde. Eine typische Frage lautet hier: Was muss im Verlauf geschehen, dass am Ende ein positives Ergebnis erwartet werden kann?« (Kchele, 1992, S. 265). Auf die Forderung nach einer Kombination von Verlaufs- und Ergebnisstudien wird beispielhaft in der wohl umfangreichsten und komplexesten Untersuchung psychoanalytischer Behandlungsverlufe eingegangen, die hierzu bisher durchgefhrt wurde (vgl. Wallerstein, 1986). 42 Patienten wurde ber viele Jahre auf ihrem Weg in den psychoanalytischen Behandlungen begleitet. Die sorgfltige Untersuchung einzelner Therapieverlufe erbrachte wichtige Erkenntnisse ber die Relevanz der vorhandenen Ich-Strke der Patienten, fr das Profitieren von unterschiedlichen therapeutischen Techniken oder fr das Vorhandensein supportiver Techniken in einer psychoanalytischen Behandlung. Aber auch schulenvergleichende Untersuchungen gehçren zu dieser Phase, wobei sich als ein generelles Problem die Schwierigkeit der Vergleichbarkeit lngerfristiger psychoanalytischer Behandlungen mit anderen Verfahren herausstellte. So wurden oft nur krze Behandlungen, in Form von psychoanalytisch orientierten Kurzthera-
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pien mit anderen Verfahren verglichen (Sloane et al., 1975; Meyer, 1981b; Brutigam et al., 1980). »Die dritte Phase […] zieht die Konsequenzen aus der gesicherten Komplexitt des Therapiegeschehens und intensiviert die Untersuchung der prozessualen Vorgnge. Ihre leitende Frage lautet: Welche mikroprozessuralen Vorgnge konstituieren die klinisch konzipierten Makroprozesse« (Kchele, 1992, S. 265). Hier stehen nun przise Untersuchungen von Vernderungsprozessen, die »Mikrodynamik des Prozessgeschehens« (Leuzinger-Bohleber, 1995, S. 435) im Mittelpunkt. Wie schon die Studie von Wallerstein (1986), die an einer naturalistischen Vorgehensweise festhielt, so zeichnen die Anstze, die der dritten Phase der Psychotherapieforschung zuzurechnen sind, sich ebenfalls durch diesen naturalistischen Forschungsansatz aus. Dabei wurde versucht, prozessuale Aspekte des therapeutischen Geschehens mçglichst systematisch zu kontrollieren. Hierbei interessierte aus psychoanalytischer Perspektive natrlich besonders das bertragungsgeschehen. So verçffentlichte zum Beispiel 1994 die Zeitschrift »Psychotherapy Research« den Versuch, bis zu dieser Zeit entwickelte Verfahren zur Untersuchung des Prozessgeschehens innerhalb von Psychotherapien, auf bertragungsprozesse anzuwenden. Dabei wurden unter anderem Methoden wie das »Core Conflictual Relationship Theme« (Luborsky u. Crits-Christoph, 1990), die Konfigurationsanalyse (Horowitz, 1987), die Weiterentwicklung des SASB-Modells (Benjamin, 1974) zum SASB-CMP (Schacht u. Binder, 1982, zit. nach Luborsky et al., 1994) oder der FRAMES-Methode (Teller u. Dahl, 1981; Dahl, 1988) vorgestellt. Ausgehend von ermutigenden Ergebnissen mit der ZBKT-Methode, wurde eine reliable Operationalisierung von bertragungsprozessen versucht und anhand einer Beispielstunde die Tauglichkeit der einzelnen Untersuchungsinstrumente fr diesen Zweck getestet. Dabei unterschieden sich die einzelnen Verfahren hinsichtlich der Untersuchungseinheiten (ganze Sitzungen, Narrative, Gedankeneinheiten), der verwendeten zu beurteilenden Kategorien und hinsichtlich der Formalisierung der erzielten Ergebnisse, zum Teil betrchtlich. Mit der Konfigurationsanalyse lassen sich individuelle Fallbeschreibungen erstellen, in denen vor allem auf maladaptive Interaktionsmuster geachtet wird. Aus den Beschreibungen zum Beispiel von
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Symptomen wird auf vorhandene »states of mind« geschlossen, aber auch auf Konflikte, Abwehrprozesse und persçnliche Schemata. Aus Modellen so genannter »Rollen-Beziehungsmuster«, welche die Beschreibungseinheit innerhalb der Konfigurationsanalyse darstellen, kann auf unterschiedliche Selbstkonzepte geschlossen werden, die, im Rahmen von Abwehrprozessen eingesetzt, spezifisch aktiviert werden, etwa um Erwnschtes zu erreichen oder Gefrchtetes zu vermeiden. bertragung stellt sich aus dieser Perspektive als ein mehrschichtiger Prozess dar, der Wnsche, ngste, aber auch Abwehrreaktionen umfasst und hauptschlich zwischen erwnschten, gefrchteten und abgewehrten Zustnden unterscheiden lsst. Der gesamte Erfassungsund Auswertungsprozess der Konfigurationsanalyse umfasst zehn Schritte, ausgehend von der Beschreibung der zu erklrenden Phnomene, zum Beispiel sich wiederholende, maladaptive Interaktionsmuster, der Beschreibung der Psychodynamik der Rollen-Beziehungsmodelle eines Patienten zu Beginn, im Verlauf und am Ende einer Therapie, der Herausarbeitung der dabei entstehenden Konflikte und der Abwehr- und Kontrolloperationen, bis hin zu Kennzeichnung von Konfliktlçsungen und dem Erlernen neuer Kontrollmçglichkeiten (vgl. Horowitz, 1987, 1994). Auch die »Strukturelle Analyse Sozialen Verhaltens« (SASB, Benjamin, 1974, 1993) setzt auf sich wiederholende interpersonelle Muster in den Beziehungsschilderungen zur anschließenden Erfassung von bertragungsphnomenen. Mit dem SASB-CMP-Verfahren (CMP: cyclic maladaptive pattern) soll eine systematische Erforschung dieser Interaktionsmuster ermçglicht werden. Ist das SASB-Modell theorieneutral, bezieht sich die Integration mit dem CMP-Modell vor allem auf die psychotherapeutischen Beziehungsschilderungen. Dabei werden interpersonelle Handlungen und Reaktionen, internalisierte Reaktionen, die sich auf das Selbst beziehen und Phantasien oder Erwartungen, die als intrapersonelle Prozesse verstanden werden, erfasst. Dies sind auch jene Elemente, die Therapeuten in bertragungsdeutungen aufgreifen (vgl. Schacht, Binder u. Strupp, 1984). Das auf dem SASB-Verfahren aufbauende CMPModell versucht, die natrliche Sprache und Ausdrucksweise von Therapeut und Patient in eine systematisierte und damit untersuchbare Form zu transformieren. Auf diese Weise lassen sich dann Vernderungsprozesse in den Interaktionsmustern eines Patienten im
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Laufe einer Therapie und im Rahmen der bertragungsprozesse beschreiben. Dies geschieht letztlich aufgrund kausaler Hypothesen, durch die Konstruktion und Beschreibung von miteinander verbundenen (zyklischen) interpersonellen Mustern. Ein weiteres Verfahren, mit dem sich Psychopathologie, Therapieverlauf und Outcome untersuchen lassen, ist die FRAMES-Methode (Fundamental Repetitive And Maladaptive Emotion Structures; Dahl, 1990; Dahl u. Teller, 1994). Ein FRAME wird dabei als eine sich »wiederholende, strukturierte Sequenz von Ereignissen« (Dahl u. Teller, 1994, S. 254) verstanden, welche bedeutsame Wnsche und berzeugungen einer Person enthalten und die sich in »Handlungen, Gedanken, Wahrnehmungen und/oder Emotionen« (Dahl u. Teller, 1994, S. 254) manifestieren. Im adaptiven Verhalten spiegelt sich dabei die Interaktion mit der Umgebung wider. Als maladaptives Verhalten kann bezeichnet werden, wenn ein gezeigtes Verhalten nicht den Anforderungen und Notwendigkeiten der Umgebung entspricht. Vielmehr verweist es auf die innere Gedchtnisstruktur einer Person oder besser gesagt auf die Spezifitt der Erinnerungsstruktur. Diese sich wiederholenden maladaptiven Beziehungsmuster zeigen sich aber nicht automatisch, sie sind unbewusst und manifestieren sich erst im Rahmen einer Beziehung, also zum Beispiel der bertragungsbeziehung im Rahmen einer psychoanalytischen Behandlung. Es existieren mehrere Methoden, um FRAMES etwa aus transkribierten Psychoanalysestunden zu identifizieren. Dahl (1988) definiert FRAMES: »1. reprsentiert in der Erinnerung als nonverbaler Code, in einem »dual code system« von mentalen Reprsentanzen (Bucci, 1985), 2. besonders als strukturierte Sequenzen von Emotionen und Abwehrmechanismen (Dahl, 1978, 1979, 1991; Dahl u. Stengel, 1978), 3. sie sind Reste frher Objektbeziehungen (Gedo, 1979), 4. sie haben ber die Zeit Bestand und 5. auch ber Konflikte, Objekte und Situationen, außerdem kçnnen sie 6. miteinander interagieren; 7. sie kçnnen fr ein großes Spektrum von repetitivem, neurotischem und maladaptivem Verhalten verantwortlich sein und vielleicht auch fr einiges adaptives Verhalten; 8. sie erlauben spezifische Vorhersagen von Wnschen und berzeugungen und 9. bilden den Rahmen fr eine Theorie der Vernderung, unabhngig von irgendeiner spezifischen Theorie, wie Vernderungen
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erreicht werden kçnnten (Dahl, 1991)« (Dahl u. Teller, 1994, S. 255, bers.: S. H.). Mit der FRAMES-Methode steht ein differenziertes Auswertungsverfahren fr komplexe intrapsychische Prozesse zur Verfgung. Jedoch erscheint es nicht mçglich, zwischen Bewusstheit und Unbewusstheit von mentalen Reprsentationen und deren Verarbeitungen gengend deutlich zu differenzieren. Mit der FRAMES-Methode wird hochspezifisches Material untersucht, nmlich die Manifestationen von Erlebnissen und Verarbeitungen frher Interaktionsmodi und deren Widerspiegelung im bertragungsprozessgeschehen. Somit stellt die FRAMES-Methode ein spezifisches Instrument zur Beschreibung von maladaptiven Mustern, von Verlaufsanalysen ber die therapeutischen Interventionen und von Outcome-Evaluierung der Vernderungen nach einer Therapie dar. Obschon die FRAMES-Methode eine Untersuchung nonverbalen Verhaltens ber Beobachtungen ermçglicht und somit Erinnerungsfragmente erfasst, die nicht verbal »gespeichert« sind, und die Methode kein vorgefertigtes Kategoriensystem bençtigt, sondern auf den idiographischen Manifestationen individuellen Verhaltens aufbaut und spezifische, berprfbare Voraussagen erlaubt, bleibt als ein Nachteil die seltene Anwendung der Methode und die sich daraus ergebenden Generalisierungsprobleme (vgl. Dahl u. Teller, 1994, S. 266). Die FRAMES-Methode wurde hier ausfhrlicher dargestellt, um zu verdeutlichen, dass die Untersuchung von komplexen intra- und interpersonellen kognitiven und affektiven Prozessen einer besonderen Perspektive bedarf. Genau betrachtet handelt es sich bei der Erforschung von bertragungsprozessen immer um Einzelfallforschung, denn jede Patient-Psychoanalytiker-Dyade ist hochspezifisch und individuell von beiden gestaltet. Hiermit ist gleichzeitig ein wichtiger Kritikpunkt, vor allem an Verfahren wie dem ZBKT und dem darin angewendeten bertragungskonzept angesprochen. Mit der Annahme einer schlichten Wiederholung, im Sinne eines eingefahrenen Musters von frhen Interaktionserfahrungen im Rahmen der aktuellen Behandlungssituation durch den Patienten als Manifestation des bertragungsgeschehens, ist man weit von einer aktuellen, mehr dynamischen Sichtweise entfernt, nmlich dass beide, Psychoanalytiker wie Patient aktiv an der Ausgestaltung des ber-
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tragungs-Gegenbertragungsgeschehens teilnehmen. Das, was sich im Rahmen dieser Prozesse an bertragung herausbildet und erkennbar wird, ist von beiden mitgestaltet und somit auch durch beide Interaktionsteilnehmer begrenzt beziehungsweise eingeschrnkt. Doch die interpersonelle Ausgestaltung der bertragung wird bei dem Versuch, strukturelle Aspekte der bertragung zu untersuchen, nicht erfasst (vgl. Dreher, 1998). Nimmt man diese Einwnde ernst, dann bekommt die Untersuchung des Einzelfalls bei der Erforschung psychoanalytischer Fragestellungen erneut besondere Bedeutung. In der Psychoanalyse ist immer wieder demonstriert worden, welche Erkenntnisfortschritte sich aufgrund von sorgfltig durchgefhrten Einzelfalluntersuchungen erzielen lassen, wozu bereits Freud zahlreiche Beispiele lieferte. Das Pro und Kontra bezglich dieser Form der Erkenntnisgewinnung ist von Leuzinger-Bohleber (1995) ausfhrlich diskutiert und herausgearbeitet worden. Untersttzt wird diese Sichtweise einer zunehmenden Bedeutung von Einzelfallstudien nicht nur in den Sozialwissenschaften auch durch die Fortschritte bei der Entwicklung neuer qualitativer Forschungsmethoden (vgl. Flick, 1990). LeuzingerBohleber demonstriert, ausgehend von einem Instantiierungsmodell, unterschiedliche Forschungssituationen (»Psychoanalytische Situation, Empirische Studien, Computersimulation«, Leuzinger-Bohleber, 1995, S. 449), also »Online«- und »Offline«-Forschungsbedingungen und zeigt, wie der Einzelfall als Grundlage fr immer komplexere, allgemeinere Forschungsfragen verwendet werden kann, wobei die Kunst darin besteht, die Verbindung zum »Ausgangsmaterial« durch fortwhrende Instantiierung (»Rckfhrung theoretischer Modelle beziehungsweise Konzepte auf die Praxissituation [beziehungsweise Experimente, Computersimulation]«, Leuzinger-Bohleber, 1995, S. 450) nicht abreißen zu lassen. Psychoanalytiker kçnnen, mit ihrer langjhrigen Forschungstradition, so fhrt Leuzinger-Bohleber aus, auf die verschiedensten Versuche der Evaluierung von Einzelfllen zurckgreifen, sei dies in Form von klinischen Falldiskussionen oder Behandlungsberichten und deren interdisziplinre Evaluierung. Aber auch die »empirische Einzelfallstudie«, wie sie im Rahmen von Offline-Forschungen durchgefhrt wird, ergnzt die klinische Perspektive (vgl. Fischer,
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1989; Hohage, 1986; Stuhr u. Deneke, 1994; Leuzinger-Bohleber et al., 2001). Wie klinische und »extraklinische« Forschung sich produktiv miteinander verknpfen lassen, hat ebenfalls Leuzinger-Bohleber (1989) demonstriert. In ihrem systematischen Vergleich von Vernderungsprozessen in fnf Psychoanalysen zeigte sie, »worin sich ›gut gelungene‹ von ›weniger gut gelungenen‹ und von ›nicht gelungenen‹ Psychoanalysen unterscheiden« (Leuzinger-Bohleber, 1995, S. 463). Dabei ging es auch um die Darstellung der Vernderung von »kognitiv-affektiven Problemlçsungsprozessen im Umgang mit Unbewusstem«. Neben den Fragen, wie sich kognitive Vernderungsprozesse im Rahmen von Prozessuntersuchungen darstellen lassen, hat von Beginn an auch die Evaluierung von bertragungsprozessen interessiert. Hierzu wurden, wie oben bereits angesprochen, mehrere Untersuchungsinstrumente getestet. Das bisher am hufigsten eingesetzte und am Besten untersuchte Verfahren ist die ZBKT-Methode von Lester Luborsky. Bevor eine eigene Untersuchung der bertragungsprozesse beschrieben wird, einschließlich der Kritik an der fehlenden interaktiven Perspektive des ZBKT, wird das Verfahren nun, mitsamt wichtigen Forschungsbefunden, kurz vorgestellt.
3.1
Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas (ZBKT)
Das ZBKT-Verfahren ist ein gut eingefhrtes Untersuchungsinstrument, ber das mittlerweile zahlreiche Verçffentlichungen vorliegen. Einen umfassenden berblick ber die Vorgehensweise findet man im deutschsprachigen Manual zur ZBKT-Methode (Luborsky et al., 1991) beziehungsweise in einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Weiterentwicklungen der ZBKT-Methode.2 ber die 2 A guide to the CCRT’s methods, discoveries and future by L. Luborsky, L. Diguer, H. Kchele, R. Dahlbender, R. Waldinger, S. Freni, R. Krause, G. Frevert, W. Bucci, M.-S. Drouin, T. Fischmann, A. Seganti, T. Wischmann, S. Hori, P. Azzone, D. Pokorny, H. Staats, H. Zobel, B. Grenyer, S. Soldz, T. Anstadt, H. Schauenburg, D. Benninghoven, M. Stigler und I. Tchesnova, http://sip.medizin.uni-ulm.de/abteilung/projekte/CCRT/ccrtmain.html.
Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas
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umfangreichen Ergebnisse berichten auch Luborsky und CritsChristoph (1990) in ihrem Buch »Understanding Transference – The Core Conflictual Relationship Theme Method«. Bei Luborsky et al. (1993) wird das ZBKT-Verfahren in den Kontext verschiedener anderer Verfahren gestellt, die Beziehungsmuster erfassen sollen. Aufgrund des klinischen Eindrucks, dass die Erzhlungen von Patienten, wenn sie von Interaktionen mit Anderen berichten, immer wiederkehrende Muster aufweisen, entwickelte Luborsky ein Verfahren, mit dem es mçglich sein sollte, bertragungsaspekte, die in diesen Erzhlungen der Patienten enthalten waren, systematisch zu erfassen. Zwar gab es im Laufe der Zeit einige Erweiterungen, das Grundverfahren blieb jedoch dasselbe (Luborsky, 1997). Luborsky sieht sich dabei in bereinstimmung mit Freuds bertragungskonzept (Freud, 1912). Die einzelnen, wiederkehrenden Elemente der von den Patienten geschilderten Narrative bestanden dabei aus Wnschen gegenber einem Objekt, den Reaktionen des Objektes auf diese Wnsche und den sich darauf beziehenden anschließenden Reaktionen der Patienten (des »Selbst«). Genau dieses Muster war bereits in der Fallgeschichte der Dora von Freud beschrieben worden (Freud, 1905): »a wish for love from her father (and from Herr K.); followed by her experience of the response from the other person (her father) of seeing that her father’s love was for Frau K. but not for her; followed by her responses from herself of feeling rejected, rejecting men, and experiencing dissociative symptoms« (Luborsky et al., 1994, S. 173). Eine weitere Untersttzung fr dieses Konzept sieht Luborsky in der Tatsache, dass genau diese Komponenten auch von Klinikern in der Therapie bei der Formulierung von bertragungsmustern verwendet werden. Grundlage fr die Anwendung der ZBKT-Methode bilden somit vom Patienten mitgeteilte Narrative, in denen Beziehungserlebnisse enthalten sind. In diesen Narrativen muss eine andere Person deutlich sein, mit der die Interaktion stattfindet. Dies kann auch das eigene Selbst oder der Therapeut sein. Diese Narrative werden als Beziehungsepisoden (BE) von den Untersuchern abgegrenzt. Durch die weiteren Schritte des Verfahrens soll ein Beziehungsmuster identifizierbar werden, das eine grçßere Zahl von Beziehungsschilderungen durchdringt (pervasive relationship-pattern). Dieses wiederkehrende Beziehungsmuster wird als Zentrales Beziehungskonfliktthema
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(ZBKT) formuliert und besteht aus drei Komponententypen: Wnsche beziehungsweise Bedrfnisse/Absichten (W), Reaktionen des Objekts (RO) und Reaktionen des Subjekts (RS). Der erste Auswertungsschritt erfolgt durch das Auffinden und Abgrenzen der Beziehungsepisoden. Diese werden hinsichtlich ihrer Vollstndigkeit, dem Zeitpunkt des Geschehens und bezglich der an der Interaktion beteiligten Personen beurteilt. Stehen die Beziehungsepisoden durch die vorgenommene Abgrenzung fest, werden diese in einem zweiten Schritt ausgewertet. Hierzu werden die Komponenten in den zuvor abgegrenzten Beziehungsepisoden gesucht, gekennzeichnet und kodiert. Die kodierten Komponenten werden differenziert hinsichtlich positiver und negativer Valenzen, explizit oder implizit geußerter Wnsche, erwarteter beziehungsweise tatschlich erfolgter Reaktionen der Objekte sowie ausgefhrter oder nicht ausgefhrter Reaktionen des Selbst. Inhaltlich werden die Komponenten mit Hilfe von so genannten Kategorien differenziert. Bei der Bildung dieser »Kategorien« wird auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen gearbeitet. Zum einen geschieht dies inhaltlich textnah, an den Formulierungen des Patienten orientiert, wie sie im Transkript enthalten sind. Hierdurch lassen sich »maßgeschneiderte« (»tailor made«) Kategorien formulieren. Zum anderen kçnnen die ußerungen des Patienten auch mit Hilfe der im Manual aufgelisteten Standardkategorien kodiert und abstrahiert werden. Dies erleichtert die berprfung der bereinstimmung zwischen den Beurteilern und ermçglicht Vergleiche mit anderem Untersuchungsmaterial, hat aber den Nachteil, dass mit den Standardkategorien nicht dieselbe Komplexitt in der Abbildung des Gesagten erreicht wird wie mit den Tailor-made-Formulierungen. Um diesen Einschrnkungen entgegenzuwirken, wurde die Anzahl der Standard-Kategorien erweitert (Luborsky, 1985, 1998) oder es wurden andere Verfahren hinzugezogen wie zum Beispiel SASB-Kategorien (Benjamin, 1974) beziehungsweise das CMP (Schacht, Binder u. Strupp, 1984) oder die QUAINT-Kategorien (Crits-Christoph, Demorest u. Connolly, 1990). Eine andere Mçglichkeit bietet die kombinierte Verwendung sowohl von Standardkategorien als auch von Tailor-made-Formulierungen. Insgesamt jedoch zeigte sich in Reliabilittsstudien, dass es Klinikern gut gelang, das ZBKT aufgrund von Transkripten oder
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direkt von Videoaufzeichnungen aus zu formulieren (vgl. Luborsky u. Diguer, 1998). Weiterhin wurde versucht, die Auswertungsmethode selbst zu verbessern, etwa durch die Beschrnkung auf die zwei passendsten Standardkategorien oder durch die Verbesserung der Auswertungsprozedur (vgl. Luborsky u. Diguer, 1998; Dahlbender et al., 1995) aber auch mit Hilfe eines Fragebogens (Central Relationship Questionnaire; Crits-Christoph, 1986; Barber, Foltz u. Weinryb, 1998).3 Den Abschluss dieses Auswertungsschrittes bildet die Erstellung des ZBKT. Dazu werden die Kodierungen auf Auswertungsbçgen festgehalten, zunchst fr jede Beziehungsepisode getrennt, dann auf einem zusammenfassenden Auswertungsbogen als Beziehungskonfliktthema einer bestimmten Stunde.4 Das ZBKT kann auf verschiedenen Ebenen abgebildet werden. Neben dem in Standardkategorien formulierten ZBKT, bei dem die ber alle Beziehungsepisoden hinweg hufigsten Standardkategorien das ZBKT bilden, kann auch eine Clusterversion erstellt werden. In die im Manual fr W, RO und RS jeweils angegebenen 8 verschiedenen Cluster gehen mehrere, thematisch zusammengehçrende Standardkategorien ein. Das resultierende ZBKT ist weniger spezifisch, erfasst andererseits aber ein breiteres Spektrum von Standardkategorien. Außerdem erwies es sich als sinnvoll, die verschiedenen Beziehungsepisoden-Typen auch getrennt voneinander auszuwerten (zum Beispiel BE-Selbst vs. BE-Andere). Die angestellten Vergleiche sind natrlich von der jeweiligen Fragestellung abhngig. Fr die Untersuchung einer transkribierten Analysestunde sind vor allem die Beziehungsepisoden mit dem Therapeuten von Bedeutung. Beziehungsepisoden-Typen mit dem Therapeuten kçnnen in zweierlei Versionen auftauchen: Zum einen kçnnen sie erzhlte Interak3
Ebenfalls eine Weiterentwicklung stellt das Relationship Anecdote Paradigm (RAP) Interview dar, indem Narrative im Rahmen eines Interviews gezielt erhoben werden (vgl. Luborsky u. Diguer, 1998). 4 Weitere Ausdifferenzierungen fr die Datenauswertung sind mçglich, etwa durch die Erfassung der Sequenz, in der die Komponenten erzhlt werden oder durch die Bercksichtigung zustzlicher Daten wie Zeitpunkt der Erzhlung, auftauchende Personen u. a. (Fr die Details der Auswertung und weitere fakultative Auswertungsschritte siehe Luborsky et al., 1991.)
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tionen beinhalten (BE-Therapeut, Typ A – analog dem BE-Typ »andere Personen«), zum anderen aber auch whrend der Stunde stattfindende Interaktionen zwischen Patient und Therapeut (Typ B). Die im Manual angegebenen Beispiele beziehen sich jedoch auf »untherapeutische« Interaktionen, in denen der therapeutische Dialog quasi entgleist. Die spezifische Interaktion zwischen Patient und Psychoanalytiker, die sich zum Beispiel nach einer Deutung entwickeln kann, wird durch diese beiden Versionen jedoch nicht bercksichtigt. Es erschien somit sinnvoll und notwendig, einen weiteren Beziehungsepisodentyp, der sich auf den Therapeuten/Psychoanalytiker bezieht, einzufhren, der solche Dialoge erfasst, in denen der Therapeut seiner Rolle entsprechend klrend, konfrontierend und deutend auftritt. Dieser Beziehungsepisoden-Typ, auf den noch eingegangen wird, wurde als Therapeut »Typ X« bezeichnet. Neben einer rein quantitativen Auszhlung der einzelnen Komponenten, ermçglicht die ZBKT-Auswertung auch jene W-, RO- und RS-Komponenten einer Beziehungsepisode zusammenzufassen, die psychologisch sinnvoll zusammengehçren und einen wichtigen, bedeutsamen Konflikt beschreiben. Die Zusammenziehung der Komponenten zum bedeutsamsten Konflikt einer Beziehungsepisode wird »A-Level Kodierung« genannt (vgl. Dahlbender et al., 1993). Die ZBKT-Methode nimmt, was die Auswertung betrifft, im Vergleich mit anderen Verfahren (PERT, SASB u. a.) eine gnstige Mittelstellung ein, das heißt, sie verbindet die Inhaltsanalyse mit regelgeleiteten (und damit »kontrollierten«) Interpretationsprozessen der Forschungsbeurteiler (vgl. Schauenburg u. Cierpka, 1994); sie erscheint auch in ihrer Konstruktion (den Komponenten und ihrer sukzessiven Zusammenfgung) grundlegenden Konzepten der psychoanalytischen Praxis, vor allem dem Konfliktmodell und dem bertragungskonzept (Luborsky u. Crits-Christoph, 1990; Freud, 1912b) ausreichend nahe; sie lsst sich gut erweitern und mit anderen Methoden kombinieren, wie zum Beispiel mit dem von Herold (1995) beschriebenen Verfahren »BIP« (»Beziehungserleben in Psychoanalysen«, einer Modifikation des PERT von Gill und Hoffman, 1982, vgl. dazu Kchele, Luborsky und Thom, 1988). Mit der Anwendung der ZBKT-Methode wurde eine Reihe von Untersuchungen durchgefhrt, welche die Psychotherapieforschung insgesamt voranbrachten. Dass sich Narrative als Datenbasis fr die
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systematische Auswertung von Beziehungsschilderungen eignen, wurde mit Hilfe der ZBKT-Methode entdeckt (vgl. Luborsky, 1977). Dennoch bleibt die Frage offen, ob sich Abschnitte innerhalb einer Therapiesitzung, die keine Narrative aufweisen, von solchen Abschnitten, in denen Narrative aufzufinden sind, unterscheiden. Letztlich stellt die Verwendung von Narrativen eine çkonomische Auswertungsmçglichkeit von umfangreichen Therapietranskripten dar. Freud hatte vermutet, dass es hauptschlich ein vorherrschendes bertragungsmuster gebe (Freud, 1912, 1958a), auch wenn er sich dabei letztlich nicht sicher war, wenn er zum Beispiel verschiedene Prototypen wie »Vater-« oder »Mutterimagines« vermutete. Es gibt Hinweise darauf, dass auch unterschiedliche ZBKTs fr verschiedene Personen existieren, wenn man die Beziehungsepisoden hinsichtlich der verschiedenen Personen getrennt auswertet (vgl. Crits-Christoph et al., 1990). Dies deckt sich mit Befunden dieser Untersuchung, in der ebenfalls unterschiedliche ZBKTs ausgewertet wurden, in Abhngigkeit von Selbst- oder Objekt-Beziehungsepisoden. Fr die meisten Bemerkungen Freuds bezglich seines bertragungskonzeptes sind, im Rahmen der ZBKT-Forschungen, besttigende Befunde erarbeitet worden. Aus diesen bereinstimmungen folgern die Autoren der Anleitung zur ZBKT-Methode (Luborsky et al., 1991), dass diese eine operationalisierte Mçglichkeit biete, um bertragungsprozesse darzustellen. Eine weitere wichtige Frage, welche die Forscher beschftigte, betraf die bereinstimmung der Inhalte von Deutungen mit den Inhalten des ZBKT. Die Methode ermçglicht die berprfung einer mçglichen bereinstimmung. Hintergrund dieser Frage ist die Idee, dass eine Deutung umso effizienter sein kçnnte, wenn sie die unbewussten Komponenten des ZBKT eines Patienten mçglichst genau erfasse. Hierdurch ließen sich, so die Vermutung, bessere OutcomeResultate erzielen (vgl. Auerbach u. Luborsky, 1968; Chrits-Christoph, Cooper u. Luborsky, 1988). Da diese ersten Ergebnisse bedeutsame klinische Auswirkungen haben kçnnten, mssten hier noch weitere Untersuchungen durchgefhrt werden. Der Zusammenhang zwischen der Genauigkeit, mit der ein Analytiker in seinen Deutungen Wnsche des Patienten und RO-Komponenten formuliert, und
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den stattfindenden Vernderungen im Laufe einer Behandlung, wurde bereits von Crits-Cristoph et al. (1993) beschrieben. In einer eigenen Untersuchung wurde ebenfalls versucht, bertragungsphnomene, im Rahmen eines psychoanalytischen Prozesses, mit Hilfe der ZBKT-Methode zu erfassen.
Fragestellung Die hier beschriebenen Ergebnisse sind Bestandteil einer umfangreichen systematischen Fallstudie.5 Es wurde nach einem handhabbaren Forschungsinstrument gesucht, mit dem auch Rckschlsse auf den bertragungsprozess mçglich sein wrden. Dazu bot sich das ZBKT-Verfahren an. Hierdurch sollen die zentralen Konflikte und mçgliche Vernderungen in der Konfliktkonstellation des Patienten als erfassbares Untersuchungsdatum verwendbar werden. Der aus der klinischen Beurteilung und dem Ergebnis der Katamnese als erfolgreich zu beurteilende Verlauf der Analyse msste auch auf der Ebene des ZBKT oder der ZBM sichtbar werden. In der Fallstudie wurde vor allem das bertragungsgeschehen untersucht und der Frage nachgegangen, ob die Deutungen des Analytikers einen Einfluss auf die Ausgestaltung und die mçgliche Vernderung des zentralen Beziehungskonflikts haben. Diese und weitere Fragen konnten jedoch erst nach Auswertung mehrerer Stunden aus der Analyse beantwortet werden. Gibt es ein spezifisches depressives Beziehungskonfliktthema, das sich im ZBKT niederschlgt? Wenn ja, wie ausgeprgt stellt sich dieses Thema in verschiedenen Stunden dar? Gibt es berhaupt ein alle Beziehungsschilderungen und alle Stunden durchdringendes Konfliktthema oder gibt es (eventuell auch in Abhngigkeit von Beziehungsepisoden-Typ und Personen) eher unterschiedliche Muster? Falls sich die Konfliktthemen verndern, wann geschieht dies und unter welchen Bedingungen? Welche »Hypothesen« zum Konfliktthema finden sich in den Deutungen? Werden die Deutungen im 5
Dazu gehçren weitere klinische berlegungen im Rahmen eines klassischen Fallberichtes, die den Ergebnissen der systematischen Untersuchung der Transkripte gegenbergestellt werden (vgl. Deserno, 1995b, 1999).
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Verlauf der Analyse, was den zentralen Beziehungskonflikt betrifft, vollstndiger und prziser? Lassen sich Traumerzhlungen mit der ZBKT-Methode untersuchen und welche Hinweise ergeben sich unter Umstnden daraus auf den therapeutischen Prozess?
Material Die Untersuchung sttzt sich auf die Dokumentation einer erfolgreich abgeschlossenen Psychoanalyse eines Patienten mit neurotischer Depression, die fast sechs Jahre dauerte (Gesamtstundenzahl 763, bei vier Stunden in der Woche). Alle Analysestunden wurden auf Tonband aufgenommen und von jeder vierten Stunde wurde ein Transkript nach den Regeln der Ulmer Textbank angefertigt (vgl. Mergenthaler, 1986). Zustzlich zu diesen regelmßigen Transkripten wurden auch alle Stunden verschriftet, die Traumerzhlungen oder besondere Ereignisse, im Sinne von »critical events« enthielten (zum Beispiel verschiedene Formen des Agierens).6 Mit einer rein quantitativen Auswertung lassen sich sicherlich nicht alle relevanten Fragen beantworten. Deshalb wurde in mehreren Auswertungsschritten vorgegangen mit unterschiedlichen Abstraktionsgraden. Dargestellt sind hier zunchst die Ergebnisse der formalen Auswertung der Beziehungsepisoden mit Hilfe von Standardkategorien und Clustern. Bei diesem Auswertungsschritt wird dann nach verschiedenen Arten von Beziehungsepisoden differenziert, wobei sich ein unterschiedliches ZBKT abzeichnet. Den nchsten Schritt bildet dann die Differenzierung auf der Ebene des klinischen Materials, den »Tailor-made-Kategorien«. 6
Neben den Transkripten liegt weiteres Datenmaterial vor: die vor Beginn der Analyse durchgefhrten Interviews, ergnzt von Protokollen einer Rorschach-/ORT-Untersuchung; Kassenantrge; handschriftliche Notizen des Analytikers zu den einzelnen Stunden sowie Kommentare zu ausgewhlten Behandlungsabschnitten ; eine Katamnese, die vor allem aus einem mehrstndigen gemeinsamen Rckblick von Analytiker und Patient auf die hier untersuchte Stunde besteht. Danach hlt die positive Entwicklung des Patienten auch drei Jahre nach der Behandlung an, was unter anderem in seinen Beziehungen und seiner beruflichen Entwicklung deutlich wird.
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
In der hier beschriebenen Untersuchung sind zunchst Daten aus der Auswertung der 290. Stunde aufgefhrt. Mittlerweile sind weitere Stunden ausgewertet worden. Schließlich wird die Therapeut-TypX-Beziehungsepisode vorgestellt, zunchst wieder anhand der 290. Stunde und danach fr die weiteren ausgewerteten Stunden. Eine detaillierte Analyse der Sukzession der Inhalte in diesem Beziehungsepisoden-Typ schließt sich an. Ziel der systematischen Fallstudie sollte es auch sein, die Entwicklung des analytischen Prozesses, vor allem die Vernderungen des Patienten zu untersuchen. Dabei interessierte insbesondere der bertragungsprozess. Neben den eben aufgefhrten allgemeinen Fragen ergeben sich fr die 290. Stunde auch spezifische Fragen: Gibt es in dieser Stunde ein ZBKT im Sinne eines »pervasive pattern« oder gibt es mehrere zentrale Beziehungsmuster? Steht oder stehen das oder die Muster in Zusammenhang mit der Diagnose einer neurotischen Depression oder zeigen sich darin Hinweise auf die aus klinischer Sicht vorherrschende Zuspitzung der suizidalen Krise des Patienten? Lassen sich im ZBKT Hinweise auf Vernderungsprozesse schon im Verlauf der Stunde finden? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem/den zentralen Beziehungsmuster/n und den therapeutischen Interventionen? Wie ließe sich dieser mit der Methode des ZBKT erfassen? Wie sehen die Trume aus und die Beziehungsepisoden, die in Trumen vorkommen? Lsst sich auch hier ein ZBKT formulieren und wenn ja, unterscheidet es sich von dem ZBKT aus dem Rest der Stunde?
Ein spezifisches Merkmal der Psychoanalyse: bertragung und bertragungsneurose Mit einer Analyse, bei der ber einen lngeren Zeitraum hinweg, regelmßig und in kurzen Abstnden, mehrere aufeinander folgende Stunden im Liegen stattfinden, verbindet sich eine bestimmte Modellvorstellung: Es entsteht »eine psychologische Situation eigener Art«, die psychoanalytische Situation, die methodisch erwnscht ist und gefçrdert wird (vgl. Lewin, 1955; Stone, 1961; Neyraut, 1974, McWilliams, 2004). Sie kann dadurch charakterisiert werden, dass
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immer mehr bertragungsreaktionen sich zu einem Beziehungsmuster zusammenfgen, das sich um den Analytiker – weiter gefasst: um die Analysesituation selbst – organisiert. Diese »organisierte« Form der bertragung wird als bertragungsneurose bezeichnet (Freud, 1916 – 1917a; Loewald, 1971). Wie in der neueren Literatur beschrieben, wird der Analytiker in diese Neuauflage der Neurose nicht nur passiv einbezogen, sondern er beteiligt sich auch an ihrer Ausgestaltung (vgl. Thom, 1981; Gill, 1982, Altmeyer u. Thomae, 2006). Die bertragungsneurose ist als neue Kompromissbildung zu sehen, die sich – bei gnstigem Behandlungsverlauf – in vernderbarer Gestalt zeigt. Der Kompromiss – insofern ist bertragungsneurose ein »operativer« Begriff – bildet sich aus der Erwachsenenneurose, wie sie vor der Behandlung bestand, den Abkçmmlingen einer eventuellen Kindheits- oder Jugendlichenneurose, der in der Analyse stattfindenden Regression auf infantile Erlebnisweisen, der ußeren Lebenssituation und den Einflssen der analytischen Situation, die Deutungen eingeschlossen. Bei der Vernderung, Abschwchung oder Auflçsung der bertragungsneurose spielen die Mçglichkeiten von Analysand und Analytiker eng zusammen. Diese Vorbemerkung zur bertragungsneurose scheint fr den Zugang und die Auswertung der 290. Stunde wichtig. Die Stunde ist herausgelçst aus einem komplexen Prozessgeschehen. Hier wird auch deutlich, warum klinisches, genauer: neurosenpsychologisches Wissen alleine nicht ausreicht, um verstndlich zu machen, warum man den Text einer einzelnen Stunde, in diesem Fall der 290. Stunde, nur schwer und auch nur mit viel Zeitaufwand verstehen kann. Immerhin muss man bedenken, dass der vorliegenden Stunde 289 (!) Stunden vorausgingen. In ihnen hat sich ein spezifischer Dialog unter bestimmten Bedingungen eingespielt. Die Besonderheit dieses Dialogs liegt darin, dass er sich zwar notwendig auf Regeln der Alltagskommunikation, auf Konventionen sttzt, diese Konventionen in methodischer Absicht jedoch zeitweise außer Kraft setzt (vgl. Deserno, 1990). In die so entstehenden Spielrume hinein kann sich das neurotische Geschehen auf aktuelle Weise, als bertragungsgeschehen, gleichsam zeitlich und rumlich ausdehnen. Der Untersucher der vorliegenden Stunde versteht entweder nur wenig oder er muss ersatzweise auf andere Art das vorausgegangene Geschehen nachvollziehen, um nicht nur ber die Stunde nachzudenken, sondern auch in
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
ihr etwas nachvollziehen zu kçnnen. Hinzu kommt, was aber fr die Arbeit mit Transkripten immer gilt, dass er sich seinen Zugang zu den emotionalen Vorgngen, die nicht unmittelbar im manifesten Text deutlich werden, selbst verschaffen muss. Ein Problem, das bei der Bearbeitung von Transkripten immer entsteht, ist der Informationsverlust, der mit der Tonbandaufzeichnung und der Verschriftung einhergeht. Nichtgesagtes, nur Gedachtes taucht nicht auf, ebenso wenig die emotionalen Reaktionen und Gefhlserlebnisse, die im unmittelbaren Kontakt mit dem Patienten entstehen. Die Kçrpersprache, Bewegungen des Patienten, seine Haltung auf der Couch sind ebenso wenig enthalten wie zum Beispiel die Intonationen der Sprache. Insofern hat man es bei tonbandverschrifteten Stunden immer mit einem reduzierten Datensatz zu tun.
Die Auswertung der 290. Stunde Es wurde versucht, die eben umrissenen Probleme im Umgang mit dem transkribierten Material zu bercksichtigen. In der Phase, in der sich die Beurteiler die Stunde wiederholt lesend aneigneten, stellte sich die notwendige subjektive Beteiligung des Untersuchers (vgl. Overbeck, 1993) in der Arbeitsgruppe erst allmhlich her. Als geeigneter Zugang erwies sich die freie Diskussion der Stunde, im Sinne einer Falldiskussion, deren verschiedene Aspekte protokolliert und zusammengefasst wurden. In diesen Protokollen wurden Spiegelungsphnomene festgehalten, die sich bei der Arbeit mit dem Text einstellten wie zum Beispiel ein plçtzlich auftauchendes Nichtverstehen, rger, Verwirrung, aber auch ein Nicht-mehr-locker-lassenWollen. Auch schrieb jedes Mitglied der Forschungsgruppe eine Kurzfassung des Stundenablaufs nieder. Erst in einem darauf folgenden zweiten Schritt wurden die Beziehungsepisoden abgegrenzt. Auch dies lsst sich als weiterer Schritt der Textaneignung oder der subjektiven Textvergewisserung auffassen. Es zeigte sich, dass im Text nicht, wie blich, wenige diskrete Beziehungsepisoden zu finden waren, sondern fast der gesamte Text der Stunde von Beziehungs- und Konfliktschilderungen durchzogen erschien.
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Fr die Ergebnisse der ZBKT-Standardauswertung gilt demnach, dass sie sich auf ungefhr zwei Drittel des Gesamttextes der 290. Stunde beziehen. Ein Drittel der 290. Stunde, genauer: Die Textteile mit aktueller Interaktion zwischen Analytiker und Patient blieben vorlufig unausgewertet, obwohl diese Teile des Textes fr wichtiges Material erachtet wurden. In diesen Textpassagen findet eine intensive Auseinandersetzung zwischen Patient und Analytiker statt, die sich auch als Verhandeln der Bedeutung einzelner Interventionen charakterisieren lsst (vgl. die Ausfhrungen ber den Beziehungsepisoden-Typ »Therapeut Typ X«).
Ergebnisse Die zunchst sprlich erscheinenden Schilderungen von konkreten Interaktionserlebnissen mit anderen Objekten htten vorschnell zu dem Schluss fhren kçnnen, dass die 290. Stunde fr die Auswertung mit dem ZBKT-Verfahren ungeeignet ist7. Auf den ersten Blick ließen sich kaum verwertbare Interaktionsschilderungen finden. Dies hing mit den Schwierigkeiten im Zugang zu diesem Text zusammen, den anfnglichen Problemen, bis die Art des Patienten, Beziehungen zu schildern, verstanden und erfasst werden konnte. Nachdem es gelang, einen klinischen Zugang zur Stunde zu erreichen, ergab sich, ber die Abgrenzung der Beziehungsepisoden, fast die ganze Stunde als Datengrundlage. Es wurden also nicht, wie blicherweise vorgesehen, große Teile des Textes, durch die Abgrenzung von Beziehungsepisoden, von der Auswertung mit dem ZBKT-Verfahren ausgeschlossen. In der 290. Stunde fgte sich gewissermaßen Beziehungsepisode an Beziehungsepisode; die eigentliche Datenreduktion erfolgte somit erst bei der Kategorienbeurteilung und nicht schon bei der Abgrenzung der Episoden. 7 Die formalen Merkmale der 290. Stunde: Die Stunde fand an einem Donnerstag statt und hatte eine Dauer von 50 Minuten. Dies entspricht insgesamt 41 Redebeitrgen. Die Wortanzahl des Patienten betrgt 4112, die des Analytikers 797. Dabei entfallen circa 75 % der Wçrter, die der Analytiker spricht, auf die zweite Hlfte der Stunde.
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Entgegen dem sonst blichen Verfahren, wurde die Beurteilergruppe fr die Abgrenzung der Beziehungsepisoden und deren Auswertung nicht geteilt. So wurde gewhrleistet, dass alle Gruppenmitglieder denselben Aneignungs- und Auswertungsprozess durchliefen und somit auf einem ungefhr gleichen Erkenntnisstand waren. Bei einem Vergleich der Abgrenzungs- und Auswertungsergebnisse zeigten sich meist zufrieden stellende bereinstimmungen. Lediglich bei 3 % der Abgrenzungsurteile kam es zu Abweichungen, also zu Zeilenabgrenzungen, die mehr als plus/minus eine Zeile vom Anfang oder Ende einer Beziehungsepisode abwichen, wie sie von der Mehrheit der Beurteiler abgegrenzt worden war. In diesen wenigen Fllen wurden die Textstellen in der Gesamtgruppe diskutiert und anschließend die BE-Grenzen konsensuell festgelegt. Parallel zu diesen Abgrenzungen erfolgte die Bestimmung des Beziehungsepisoden-Typs, das Vollstndigkeits-Rating, die zeitliche Zuordnung und die Festlegung der Beziehungsepisoden-Art.8 Abbildung 11 (»Redebeitrge«) verdeutlicht den Aufbau der Stunde. Sie lsst sich leicht in grçßere Abschnitte unterteilen: Langen Monologen des Patienten (1P, 11P, 19P und 27P) folgen jeweils Interaktionssequenzen. Die Lnge der Redebeitrge bezieht sich auf die Zeilenzahl im Transkript. Durch die Abgrenzung der Beziehungsepisoden wurde der Gesamttext nahezu vollstndig erfasst. Insgesamt wurden zwanzig Episoden abgegrenzt (vgl. Abb. 12). Acht davon waren Selbst-Beziehungsepisoden, in neun Beziehungsepisoden ging es um Interaktion mit dem Therapeuten und lediglich bei 8
Es gibt drei verschiedene Beziehungsepisoden-Typen: Episoden, bei denen das Selbst, der Therapeut oder ein anderes Objekt im Mittelpunkt steht. Die Beurteiler erzielten hier eine vollstndige bereinstimmung. Die »Vollstndigkeit« einer Beziehungsepisode wiederum wird auf einer Skala zwischen eins (sehr unvollstndig) bis fnf (ußerst detailliert) eingestuft. Nur Beziehungsepisoden mit einer Einstufung von 2,5 und hçher, werden in die sptere Auswertung aufgenommen (vgl. Luborsky et al., 1991, S. 6). 11 % der Beurteilungen wichen um mehr als 1,0 Punkte voneinander ab. Die insgesamt sechs abweichenden Urteile waren auf zwei Beurteiler beschrnkt. Die zeitliche Zuordnung unterscheidet gegenwrtige und vergangene Episoden (vgl. Luborsky et al., 1991, S. 6). Bewhrt haben sich genaue Jahresangaben. Die Beurteiler stimmten vollstndig bei ihren zeitlichen Zuordnungen berein.
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Abbildung 11
Abbildung 12
drei Episoden waren andere Objekte angesprochen (je einmal Mutter, Vater und Supervisor). In die ZBKT-Auswertung gingen letztlich dreizehn Episoden ein: sechs BE-Selbst, vier BE-Therapeut Typ A und die drei Beziehungsepisoden mit anderem Objekt. Nicht bercksichtigt wurden zwei BE-Selbst. Fnf Beziehungsepisoden, als »BE-Therapeut Typ X« bezeichnet, wurden bei der hier geschilderten Standardauswertung noch nicht mitbercksichtigt.9
9
Die Stunde enthlt zwei Traumerzhlungen, die jeweils als Fragmente in verschiedenen Beziehungsepisoden enthalten sind. Diese beiden Traumerzh-
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Zunchst fllt die geringe Anzahl von Objekten in den Beziehungsschilderungen des Patienten auf. Nur zwei der dreizehn Beziehungsepisoden wurden von den Beurteilern der Vergangenheit (Pubertt) zugeordnet, alle anderen Episoden hatten die Gegenwart als zeitlichen Bezug. Fr die 290. Stunde galt hinsichtlich der EpisodenArten, dass vier Beziehungsepisoden als »zusammenschauende Interaktionserfahrung« und neun Beziehungsepisoden als »konkrete, erlebte Interaktion« eingestuft wurden.10 Es ergaben sich fr die einzelnen Beurteiler die folgenden Clusterversionen des ZBKT fr die 290. Stunde (Tab. 4). Die Clusterversion lieferte ein ber alle Beurteiler ziemlich kohrentes Stunden-ZBKT. Die Abweichungen bei Beurteiler drei und vier in der RO- beziehungsweise W-Komponente passten in das allgemeine Bild. Die Wnsche, die in der Stunde auftauchten, waren dadurch charakterisiert, »anderen nahe sein« und »verstehen« zu wollen. Die Objekte wurden in ihren Reaktionen hauptschlich »kontrollierend« und »dominant« erlebt, womit besonders der Therapeut gemeint war (4 von 7 Beziehungsepisoden mit RO-Komponenten sind Therapeutenepisoden). Hier stellte das Cluster fnf (»weisen zurck und sind gegen mich«) eine Erweiterung, im Sinne einer Variante des in Cluster zwei enthaltenen »Kontrolliert-Werdens« lungen wurden anfangs separat mit ausgewertet, um sie mit dem brigen Material zu vergleichen. Sie erwiesen sich aber als zu unvollstndig und wurden spter bei der Beurteilung und Auswertung nicht weiter bercksichtigt. 10 Die Urteilsbereinstimmung fr die W-, RO- und RS-Komponenten der einzelnen Episoden wurde fr die sechs Beurteiler mittels Konkordanzanalyse (Fleiss, 1971) berprft. Alle auftretenden Diskordanzen wurden dabei als gleichwertig betrachtet. Dabei ergaben sich zufrieden stellende bis gute Konkordanzen (fr die Wunsch-Kategorie: k6 = .46, fr die RO-Kategorie: k6 = .72 und fr die RS-Kategorie: k6 = .67). Zu diesen Ergebnissen sei angemerkt, dass die einzigen »Anhaltspunkte« bei der Kodierung der W-, RO- und RS-Komponenten, fr die Beurteiler in den Abgrenzungen der Beziehungsepisoden bestanden. Es wurden keine Textstellen und keine Komponenten vor der Formulierung der Kategorien markiert, auf die sich alle Urteiler gemeinsam bei der Kategorienvergabe htten beziehen kçnnen. Auch wurden Probleme, die bei der Kodierung auftauchten, nur global diskutiert und lediglich stichprobenartig am konkreten Beispiel einzelner Beziehungsepisoden aus der Stunde besprochen.
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Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas Tabelle 4: Clusterversion des ZBK-Themas der 290. Stunde W
RO
RS
Beurteiler 1
5 (anderen) nahe sein und verstehen
2 kontrollieren
6 hilflos
Beurteiler 2
5
2
6
Beurteiler 3
5
5 weisen zurck und sind gegen mich
6
Beurteiler 4
6 geliebt und verstanden werden
2
6
Beurteiler 5
5
2
6
Beurteiler 6
5
2
6
dar. Die vom Patienten hauptschlich geschilderte Reaktion des Selbst auf diese Konstellation war das Gefhl von Hilflosigkeit, was sich in Unsicherheits- und Ambivalenzgefhlen ausdrckte. Eine erste, allgemeine Konfliktbeschreibung aus dieser Cluster-Version konnte somit lauten: Die Versuche, anderen nahe zu sein und zu verstehen/verstanden zu werden, scheitern. Die Objekte gehen nicht auf die Bedrfnisse ein, sind stattdessen kontrollierend, dominant und/oder weisen zurck. Die Reaktion auf diese Zurckweisung ist das Gefhl von Hilflosigkeit. Vieles sprach dafr, dass die Verarbeitung des Erlebens von Kontrolle und Zurckweisung nicht interaktiv in Beziehungen geschah, sondern auf der »inneren Bhne« des Patienten stattfand. Um diesen allgemeinen Eindruck zu differenzieren, konnten die Ergebnisse auf der Ebene der Standardkategorien herangezogen werden. Der Wunsch des Patienten, anderen nahe zu sein, sttzte sich vor allem auf die Standardkategorie W09: »Kommunikation mit anderen; offen sein; sich ausdrcken kçnnen.« Hier spiegelte sich vermutlich das Bedrfnis wider, vor allem in der analytischen Situation etwas von sich mitzuteilen, zu berichten, Gefhlszustnde zu beschreiben, um verstanden zu werden und vom Therapeuten Untersttzung zu bekommen. Die Reaktionen der Objekte wurden von allen Beurteilern bereinstimmend mit einer einzigen Standardkategorie erfasst: RO20
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
»sind beherrschend; sind dominant; schchtern mich ein; sind aggressiv; bernehmen das Kommando«. Auch bei den RS-Komponente stimmten die Beurteiler vçllig berein und beschrieben die Reaktionen des Selbst mit den Standardkategorien RS02 (»verstehe nicht; bin verwirrt; bin berrascht; verstehe mich selbst nicht«), RS17 (»bin unfhig; bin inkompetent; bin hilflos«) und RS19 (»bin unsicher; bin ambivalent; fhle mich hin- und hergerissen«). Hier wurde deutlich, dass sich die »Hilflosigkeit« als Reaktion des Selbst, wie sie sich aus der Clusterversion ergab, differenzierter beschreiben ließ, nmlich zusammengesetzt aus Gefhlen von Inkompetenz und Unsicherheit, Hilflosigkeit und Ambivalenz, mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung. Insgesamt ergab sich durch die Standardkategorien-Version aber kein wesentlicher Informationsgewinn, im Sinne einer Differenzierung der einzelnen Komponenten. In der bisherigen Darstellung der Ergebnisse wurden die am hufigsten auftauchenden Komponenten der W, RO und RS nebeneinander dargestellt. Dabei entstand unter Umstnden der Eindruck eines Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Komponenten, der aber nicht notwendigerweise besteht, durch die Darstellung der Ergebnisse der Auswertung jedoch nahe gelegt wurde (die Hufigkeiten wurden fr die jeweiligen Komponenten unabhngig voneinander ermittelt). Es war daher sinnvoll, die Auswertung dahingehend weiter zu differenzieren und zu ergnzen, dass das vorherrschende Beziehungsmuster ausgehend von den »A-Level-Kodierungen« ermittelt wurde, die jeweils den »psycho-logisch« bedeutsamsten Konflikt innerhalb einer Beziehungsepisode beschrieben. Da die Selbst-Beziehungsepisoden der 290. Stunde fast die Hlfte der ausgewerteten Episoden ausmachten, wurden diese mit den restlichen Episoden verglichen. Fr die Selbst-Beziehungsepisoden ergab sich das in Tabelle 5 dargestellte dominierende Konfliktmuster. Tabelle 5: A-Level-Kodierung (Standardkategorien/Selbst-BE) W:
09 Kommunikation mit anderen
27 wie der andere sein
RS:
19 bin unsicher
08 spreche mich aus
In den Objekt-BEs (inklusive Beziehungsepisode Therapeut Typ A) zeigte sich ein anderes vorherrschendes Muster (Tab. 6).
Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas
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Beim Vergleich der beiden Beziehungsepisoden-Typen lassen sich zwei verschiedene Interaktionsmuster erkennen. Sie weisen darauf hin, dass es Unterschiede gab zwischen dem Erleben des Patienten in den Selbst-Beziehungsepisoden und dem Erleben in den Beziehungen mit anderen Objekten. Der Wunsch nach Kommunikation und Kontaktaufnahme ist in beiden Mustern vorhanden, nur erscheinen die Interaktionen mit anderen auch von Wnschen nach Kontrolle und Macht durchsetzt. Auf die negativen Reaktionen der Objekte reagierte der Patient mit einer Mischung aus rger, Hilflosigkeit, Scham und Unverstndnis. Demgegenber war sein Selbsterleben bestimmt durch den Wunsch nach Identifikation und Kommunikation, gekoppelt mit Unsicherheit und Rckzug (Nicht-Aussprechen). Tabelle 6: A-Level-Kodierung (Standardkategorien/BE Objekt andere) W:
19 ber andere Kontrolle/ Macht haben 09 Kommunikation mit anderen
RO: 20 sind beherrschend; sind dominant; schchtern ein; sind aggressiv; bernehmen das Kommando
(13 sind hilfsbereit; untersttzen; geben mir; erklren)
RS:
(18 fhle mich selbstsicher)
21 fhle mich verrgert, 17 bin unfhig; inkompetent; hilflos, 02 verstehe nicht, 26 schme mich
Es deutete sich aber auch noch ein anderes hufiges Interaktionsmuster an: Wie sich aus den in Klammern stehenden Kategorien ergibt, scheint es auch Situationen zu geben, in denen der Patient Hilfe und Untersttzung bekam und sein Selbstwertgefhl als positiv beeinflusst erlebte. Dieses weitere, deutlich positiv gefrbte Beziehungsmuster ging auf die Auswertung von drei der sechs Beurteiler zurck. Es stellte eine Variation des bisher gefundenen Interaktionsmusters dar, denn die Standardkategorien entstammen auch anderen Clustern11 (Tab. 7). Es gab also durchaus Situationen, die der Patient so erlebte, dass er seine Ansprche und Wnsche, etwas zu erreichen, kompetent zu 11
Anzumerken ist hier noch, dass die drei Auswertungen, die zu diesem »zweiten Beziehungsmuster« fhrten, ausschließlich von den Frauen der Beurteilungsgruppe stammten.
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Tabelle 7: Zweites Interaktionsmuster (Cluster) W:
08 (Erfolg, Leistung) erreichen und anderen helfen
RO:
06 hilfreich
RS:
05 Selbstkontrolle und Selbstvertrauen
sein, verwirklichen beziehungsweise einlçsen konnte. Die Objekte verhielten sich keinesfalls immer nur negativ, dominant und ablehnend, sondern durchaus auch helfend und untersttzend. (Dies ließ sich auch an einzelnen Beziehungsepisoden belegen.) Hier wre zu berlegen, wie bedeutsam diese Erfahrungen fr den Patienten tatschlich sind, mit anderen Worten, ob die positiven Erfahrungen zu dieser Zeit der Analyse in der Vielzahl der negativ erlebten Interaktionserfahrungen untergingen beziehungsweise nicht gesehen werden konnten. Bei der quantitativen Zusammenzhlung der Standardkategorien und bei deren Verrechnung zu einer Clusterversion standen somit nicht weiter reduzierbare neben differenzierteren, spezifischeren Beziehungskomponenten, was letztlich zu einem verzerrten oder irrefhrenden Bild ber die Ausgestaltung des zentralen Beziehungsmusters fhren konnte. Allgemein kann gesagt werden, dass es oft sehr schwer ist, bei der Beurteilung »passende« Standardkategorien fr einzelne Komponenten zu vergeben. Fraglich dabei ist, ob die spezifischen Merkmale des vom Patienten berichteten Geschehens durch die Standardkategorien adquat beschrieben und wiedergegeben werden. Kompliziert wird die Zuordnung durch die Tatsache, dass der Vergabeprozess einer Standardkategorie mit einem inferentiellen Geschehen vergleichbar ist, dessen Bewertungs- und Beurteilungsgrundlagen nicht eindeutig nachvollziehbar und beschreibbar erscheinen. Nach welchen Kriterien entscheidet sich der Beurteiler beispielsweise fr die Standardkategorie RO12: »sind distanziert« versus RO14: »sind nicht hilfsbereit«? Diese Unsicherheiten in der Zuordnung entstehen auch dadurch, dass einzelne Standardkategorien keine eindeutige Abgrenzung untereinander aufweisen. Deshalb empfiehlt es sich, nach einer Auswertung der vorgegebenen formalen Kategorien, in einem zweiten Auswertungsdurchgang unbedingt auch die »Tailor-made-Formulierung« des ZBKT zu bercksichtigen und durchaus auch als Validierungsmçglichkeit zu be-
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nutzen. Sie kçnnen auch Hinweise auf in den Standardkategorien oder Clustern »untergegangene« Beziehungsaspekte enthalten. Lassen sich solche Beziehungsmerkmale finden, kçnnen diese als Ausgangspunkte fr weitere Auswertungsschritte auf der formalen Ebene genommen werden. So gelangt man letztlich, wie oben gezeigt, zu differenzierteren Aussagen ber das ZBKT. In den Tailor-made-Formulierungen zur 290. Stunde (basierend auf den A-Level-Kodierungen) fanden sich auch Hinweise auf die beiden unterschiedlichen Beziehungsmuster, wie sie bei der Auswertung von Selbst- und Objekt-Beziehungsepisoden in den Standardkategorien zum Ausdruck kamen. Insgesamt betrachtet wichen die Tailor-made-Formulierungen der einzelnen Beurteiler inhaltlich kaum voneinander ab. Es gab lediglich leichte Unterschiede in den Akzentuierungen der Komponenten. Deshalb sei hier ein BeurteilerBeispiel stellvertretend wiedergegeben, um einen Eindruck von der Differenziertheit dieser ZBKT-Version zu vermitteln: W: Er mçchte sich verstehen und sich anderen verstndlich machen; er mçchte sich und andere strker kontrollieren kçnnen; er will ein potenter und kompetenter Mann sein. RO: Er meint, dass er zu wenig Untersttzung bekommen hat, dass die Eltern beziehungsweise der Therapeut seine Entwicklung behinderten; er erfhrt aber auch Hilfestellung, seine Gedanken und Erlebnisse zu verstehen und fhlt sich ermuntert, Selbstvertrauen in seine Fhigkeiten zu haben. RS: Er reagiert oft irritiert, vergisst vieles und fhlt sich nicht tatkrftig, sondern gehemmt; er vermeidet Risiken und ist frustriert; er identifiziert sich aber auch mit den guten Seiten des Vaters beziehungsweise des Therapeuten und fhlt sich dann strker, potenter und kompetent in der Arbeit. In diesem Tailor-made-ZBKT finden sich alle bei den oben dargestellten Auswertungen angesprochenen Aspekte des Beziehungsgeschehens wieder.
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Zusammenfassung und klinische Diskussion der bisherigen Ergebnisse Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Stunden-ZBKT der 290. Stunde, trotz anfnglicher Schwierigkeiten mit dem Material, beschrieben werden konnte. Es eignet sich zur Hypothesengenerierung und als Ausgangspunkt fr die weitere Untersuchung dieser Psychoanalyse. Aus der klinischen Skizze ist bekannt, dass der Patient sich in einer Krise befand: Er war so deprimiert, wie er es offenbar vor der Analyse war, als ihm klar wurde, dass er eine Behandlung brauchte. Er hatte Suizidgedanken und fhlte sich verlassen. Verschrfend kam hinzu, dass ihm die Analyseunterbrechung durch die Sommerferien bevorstand, was fr ihn einen Objektverlust bedrohlichen Ausmaßes bedeutete. Das oben aufgefhrte Ergebnis, dass es neben den Selbst-Beziehungsepisoden in der ganzen Stunde nur drei Beziehungsepisoden mit anderen Objekten (je einmal Mutter, Vater, Supervisor), hingegen neun Beziehungsepisoden mit dem Therapeuten als Objekt gab, kann auf eine gut ausgebildete bertragungsneurose hinweisen. In dieser Situation der Analyse bestand ein starker Widerstand gegen die Auflçsung der bertragung, so dass der erwhnte Objektverlust nicht allein durch konkrete Abwesenheit des Analytikers drohte (Ferienunterbrechung), sondern auch durch eine progressive Entwicklung des Patienten hin zu mehr Kompetenz und Autonomie. Die dargestellten Ergebnisse der ZBKT-Auswertung lassen sich gut zu einem typisch depressiven Konfliktverarbeitungsmuster ins Verhltnis setzen, wie es unter anderem von Mentzos (1982) dargestellt wurde. Mentzos beschreibt die depressive Psychodynamik durch drei circuli vitiosi: Ich-Hemmung und Rckzug; Aggression und Autoaggression; Introjektion des ambivalenten Objekts (in das Ich und das ber-Ich). Der Wunsch nach Kontakt, nach Kommunikation mit anderen, endete fr den Patienten in der Erfahrung des Kontrolliert-Werdens, in einer hilflos-passiven Position. Dieses Erleben war begleitet von Inkompetenzgefhlen, Unsicherheit und Hilflosigkeit. Der Patient fhlte sich hin- und hergerissen und diese Ambivalenz deutete auf ein inneres Erleben hin, im Sinne eines Rckzuges von den Interaktionen
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mit den Objekten. Die erlebten Reaktionen der Objekte auf die Annherungswnsche des Patienten waren Dominanz, Einschchterung, Aggression und Beherrschung. Sie verloren in diesen Situationen alle untersttzenden Funktionen und Merkmale. In der 290. Stunde galt dies natrlich vor allem fr den Analytiker, der so erlebt wurde, als ob von seiner Seite keine Anerkennung, Aufwertung oder liebevolle Zuwendung zu erwarten wre. Die »guten« inneren Objekte gingen in solchen Beziehungserfahrungen verloren. Es ist bekannt, dass depressive Patienten, was die Angst vor Verlust von Anerkennung und Zuwendung durch wichtige Bezugspersonen betrifft, eine lange Vorgeschichte haben. Der Versuch, sich die gewnschte Zuwendung dennoch zu sichern, fhrt dazu, dass chronisch ein »Geflle« vom bedeutsamen Objekt zum Selbst (vgl. Jacobson, 1971) aufrechterhalten werden muss. Das Objekt wird illusionr von den Wnschen des Selbst her aufgewertet. Das Festhalten an der Position der Kleinheit, Unterlegenheit etc. stellt sowohl einen Appell an das berhçhte Objekt dar, befriedigt aber auch Wnsche nach passiver Unterwerfung. Durch die getrennte Auswertung von Beziehungsepisoden mit Objekten (einschließlich dem Analytiker) und Selbst-Beziehungsepisoden zeigte sich innerhalb des Gesamt-ZBKT eine Differenzierung zwischen einem vorherrschenden und einem weniger deutlichen Beziehungsmuster. Diese Differenzierung entsprach auch dem klinischen Eindruck, dass es in der 290. Stunde zwei unterschiedliche Beziehungskonstellationen zwischen Patient und Analytiker gab. Vom Analytiker wurden sie in der Stunde selbst als unterschiedliche Zuordnungen von aktiv und passiv (und entsprechenden psychosexuellen Positionen) gedeutet. In der vorherrschenden Konstellation der Stunde wnschte sich der Patient einen aktiven Analytiker und mochte selbst in einer passiven Position bleiben. In der weniger deutlichen Konstellation wollte der Patient selbst aktiv sein, fhlte sich aber von einem Analytiker, der ihn »festhlt« (bindet) eingeschrnkt. In der Sprache der Standardkategorien des ZBKT ausgedrckt: die dominante Konstellation war durch ein Geflle vom eher aktiven (»kontrollierenden« und »dominanten«) Analytiker zum eher passiven (»hilflosen«, »unsicheren« und »zwiespltigen«) Patienten charakterisiert. In der zweiten Konstellation wollte der Patient selber aktiv sein, im Sinne von »Macht haben« und »kontrollieren«, whrend
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der Analytiker als »aggressiv«, »einschchternd« und »beherrschend« erlebt wurde. Hierauf reagierte der Patient nicht nur wie bisher mit »Unsicherheit«, sondern auch mit »rger« und »Selbstsicherheit«. Offenbar wurde durch die konsequente Bearbeitung der ersten Konstellation die zweite, bisher latent gebliebene, aktiviert und ansatzweise konturiert. In der »Kampfsituation« der zweiten Konstellation wurde der Beziehungsrckzug des Patienten wenigstens teilweise aufgehoben, die Autoaggression somit wieder in Aggression verwandelt und die Ich-Hemmung verringert. Im zweiten ZBKT-Cluster wurde auch deutlich, dass die Wnsche nach Erfolg und Leistung nicht von allen Objekten zurckgewiesen, sondern durchaus auch hilfreich beantwortet wurden. Dies fhrte zu Selbstvertrauen und Selbstkontrolle, die aber nicht deutlich gezeigt werden durften, htte dies doch die Gefahr neuerlicher Beherrschung, Kontrolle und Dominanz durch Andere nach sich gezogen, verbunden mit den entsprechenden negativen Selbstwertgefhlen. Aus prognostischer Sicht kann das zweite, weniger deutliche Beziehungsmuster als Hinweis auf die Mçglichkeit positiver Beziehungserfahrungen genommen werden, die aus dem in der 290. Stunde noch vorherrschenden negativ-hilflosen Beziehungsmuster herausfhren. Im Stundenverlauf des Transkripts wird deutlich, dass sich die positiven Beziehungserfahrungen nicht mit dem Analytiker, sondern mit dem Supervisor, als Nebenbertragungsfigur abzeichneten. Im Anschluss an die Auswertung der 290. Stunde wurden weitere Stunden untersucht. Dabei wurde, in dieser explorativen Forschungsphase, zunchst das Datenmaterial durch die Auswahl einzelner Stunden zur detaillierten Untersuchung reduziert. Der behandelnde Analytiker hatte die Analyse in seiner Dokumentation in Behandlungsphasen unterteilt, die zeitlich jeweils etwa ein Jahr umfassten. Die Forschergruppe suchte Stunden mit dem Ziel, aus jeder als klinisch relevant eingestuften Phase mindestens eine Stunde zu untersuchen. Hierzu wurde zweiseitig vorgegangen. Der behandelnde Analytiker suchte aus einer Behandlungsphase auf der Grundlage seiner Kommentierungen mehrere Stunden aus, die nach klinischen Kriterien typisch und wichtig erschienen (zum Beispiel »Trennung« nach Unterbrechung, Verlusterfahrung, suizidale Krise, berwindung der Krise usw.). Um eine einheitliche Bedingung herzustellen,
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stammen die ausgewhlten Stunden alle aus Phasen kurz vor Unterbrechungen der Analyse aufgrund von bevorstehenden Ferien. Mçglicherweise ließen sich so, aus dem sich verndernden Umgang des Patienten mit Trennungserlebnissen, Hinweise auf Prozessverlufe und auf bertragungsphnomene im Vergleich der einzelnen Stunden untereinander besser untersuchen. Die Ratergruppe whlte aus den vorgeschlagenen Stunden eine aus, wobei auch das Vorhandensein von Beziehungsepisoden wichtig war. Die 290. Stunde war allerdings, aufgrund des angestrebten Methodenvergleiches fr die Ulmer Werkstatt, vorgegeben. Bisher wurden fnf Stunden aus vier Behandlungsphasen ausgewhlt und untersucht. Die Bearbeitung der weiteren Stunden erfolgte wie bei der Auswertung der 290. Stunde. Alle Rater grenzten unabhngig voneinander die Beziehungsepisoden ab und ordneten sie einem Typ zu. Bei Nichtbereinstimmung wurden die Abgrenzungen diskutiert und konsensuell Einigung erzielt. Danach extrahierten die Rater unabhngig voneinander aus den Beziehungsepisoden die Komponenten und kodierten diese. Schwierige Kodierungen wurden auch dabei wieder diskutiert und geklrt. Probleme resultierten meist aus den Besonderheiten des analytischen Settings und sicher auch aus patientenspezifischen Faktoren, die den Verstndniszugang erschwerten. Zunchst zur bersicht die Ergebnisse der Clusterversionen der jeweiligen Stunden-ZBKTs aus den ausgewerteten Stunden 38, 290, 365, 533 und 534:
Stunde 38 W: 1 mich behaupten und unabhngig sein; RO: 1 stark; RS: 6 hilflos, 4 Abstand haben und Auseinandersetzung vermeiden, 3 keine Verantwortung haben.
Stunde 290 W: 5 (anderen) nahe sein und annehmen; RO: 2 kontrollieren; RS: 6 hilflos
Stunde 365 W: 8 (Erfolg, Leistung) erreichen; RO: 5 weisen zurck; RS: 6 hilflos und sind gegen mich
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
Stunden 533/534 W: 3 kontrolliert werden; RO: 5 weisen zurck; RS: 6 hilflos und keine Verantwortung haben und sind gegen mich (vor allem W13: Hilfe/Beistand bekommen) Als deutliches Ergebnis zeigte sich, anders als meist in der Literatur beschrieben, eine Vernderung des Wunsches, was auf eine strukturelle Vernderung des Patienten hinweisen kçnnte. Diese Vermutung erscheint zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch spekulativ, da erst wenige Stunden ausgewertet wurden. Die RS-Komponenten dagegen blieben auf der Clusterebene auffallend konstant. Betrachtet man die 38. Stunde, so ließen sich erste Hinweise auf ein vorherrschendes depressives Muster finden: Der Patient mçchte sich behaupten kçnnen und unabhngig sein, dabei Abstand von anderen haben und Auseinandersetzungen vermeiden. Dabei sind oder erlebt er die anderen als stark, whrend er selbst sich hilflos fhlt. Dies erinnert in seiner Gesamtheit an ein depressives Muster, bei dem berhçhte Forderungen an sich und andere nicht erfllt werden kçnnen, so dass Hilflosigkeit und Entwertung die Folgen sind, die wiederum mit Rckzugstendenzen und Aggressionshemmungen nach außen einhergehen. Somit erscheint die Bewltigung weiterer Forderungen immer unmçglicher, eine maligne zirkulre Entwicklung, die ihren Hçhepunkt in der suizidalen Krise erfhrt. In den spteren Stunden vernderte sich dieses Muster und in den beiden letzten ausgewerteten Stunden kann man erkennen, dass das Bedrfnis nach Hilfe und Kontrolle, bei gleichzeitigem Wunsch, unabhngig zu sein, vorherrscht, whrend die Objekte als zurckweisend erlebt werden und – wiederum – Hilflosigkeit die Folge ist. Ohne Zuhilfenahme weiterer Daten, wre eine Interpretation an dieser Stelle spekulativ, deshalb sind nun die Ergebnisse fr dieselben Stunden, aber auf Ebene der Standardkategorien aufgefhrt, die dem Ergebnis auf der Clusterebene entsprechen, dabei aber differenziertere Schlsse zulassen.
Stunde 38 W: 10 Abstand von anderen haben, 21 Selbstkontrolle haben; RO: 23 sind unabhngig, 24 sind stark; sind berlegen; sind verantwortlich, RS:17 bin hilflos, 19 bin unsicher, (20) fhle mich enttuscht; fhle mich verstimmt
Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas
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Stunde 290 W: 09 Offenheit von anderen; RO: 20 sind beherrschend; sind dominant; RS: 02 verstehe nicht; bin verwirrt, 17 bin hilflos, 19 bin unsicher
Stunde 365 (ohne Verlngerung) W: 22 Erfolg haben; kompetent sein; RO: 13 sind hilfreich; untersttzen; erklren, 19 sind unzuverlssig; außerhalb meiner Kontrolle; RS: 17 bin hilflos, 27 fhle mich ngstlich
Stunden 533 und 534 W: 13 Hilfe/Beistand bekommen; Untersttzung bekommen; beschtzt werden, 19 meine Vorstellungen durchsetzen, dominieren (ber andere Kontrolle/Macht haben); RO: 13 sind hilfreich; untersttzen; erklren, 12 sind distanziert; sind nicht verfgbar; RS: 19 bin unsicher, 17 bin hilflos, 01 habe Verstndnis; erkenne; (verstehe)
Zu den beiden Stunden 533/534 Vergleicht man die verschiedenen Wnsche, Reaktionen der Objekte und Reaktionen des Selbst aus den einzelnen Stunden miteinander, dann zeichnen sich erste Verlaufshypothesen ab. Auf der Wunschebene erscheint eindrcklich, dass der Patient erst in der 533./534. Stunde den Wunsch 13, nach Hilfe, Untersttzung formuliert und sich mit diesem Wunsch an den Analytiker aber auch an andere Objekte wendet (der Wunsch 09 in der 290. Stunde markiert demgegenber eher den Versuch, aus der Isolation auszutreten, sich berhaupt çffnen zu kçnnen). Daneben erscheint das Bedrfnis, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, vorherrschend. Auch die Objektreaktionen sind nun differenzierter, einerseits distanziert, andererseits jedoch hilfreich und untersttzend. Auch bei den Subjektreaktionen taucht in diesem Behandlungsabschnitt zum ersten Mal eine positive Reaktion auf, der Patient hat das Gefhl, etwas zu erkennen, zu verstehen. Verglichen mit dem depressiven Muster aus der 38. Stunde kçnnte man vermuten, dass es dem Patienten zumindest partiell gelungen ist, seine Rckzugstendenzen aufzugeben. Der Wunsch nach Hilfe lsst auf eine positive Entwicklung hin zu anderen Objekten schließen und
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
die Objekte werden teilweise auch untersttzend erlebt. Die positive Selbstreaktion vervollstndigt die Tendenz des Patienten, das am Anfang vorherrschende depressive Muster nun partiell aufgeben zu kçnnen. In der 290. Stunde hatte sich ja ein zweites Muster angedeutet, das hier, in der 533. und 534. Stunde nicht verschwunden, sondern verstrkt deutlich wird. Neben den in fast allen Stunden wiederkehrenden RS 17 und 19, (fhle mich unfhig und unsicher) erscheint jedoch noch eine weitere Reaktion, die aber je nach ausgewhlter Stunde variiert (Stunde 38: ENRS 20: fhle mich enttuscht; fhle mich verstimmt, Stunde 290: ENRS 02: verstehe nicht, Stunde 365: ENRS 27: fhle mich ngstlich, Stunden 533/534: EPRS 01: habe Verstndnis; erkenne). Die Akzentuierung der jeweils als hilflos empfundenen RS verndert sich somit. Nach der anfnglichen Zurckgezogenheit (02, 20) entwickelt der Patient, auf dem Hçhepunkt der suizidalen Krise (Stunde 365), vor allem starke Angst und in den Stunden 533/534 ist immer noch Hilflosigkeit vorherrschend, jedoch tritt dieser negativen Selbstreaktion zum ersten mal deutlich eine positive Reaktion des Selbst hinzu, die in die Zukunft weist (01, verstehe, erkenne etwas). Eine Kritik an der ZBKT-Methode besteht darin, dass die Auswertungen auf Hufigkeiten der einzelnen Kategorien basieren. Es erscheinen also nur die hufigsten Cluster beziehungsweise Standardkategorien der W-, RO- und RS-Komponenten im ZBKT zusammengefasst. Die einzelnen Komponenten kçnnen dabei aus unterschiedlichen Phasen der Stunde(n) stammen. Da der Zusammenhang zwischen Menge und Qualitt, hier zwischen Hufigkeit und Bedeutung weiterhin offen ist, wurde fr die in den Stunden enthaltenen Beziehungsepisoden immer zustzlich eine »A-Level-Kodierung« vergeben, dass heißt, es wurden in jeder erzhlten Episode die Komponenten herausgesucht, die in einem psychologischen Zusammenhang stehen und daher in qualitativer Hinsicht fr die Beziehungsepisode von Bedeutung waren. Diese wurden am Ende jeweils in einer Tailor-made-Formulierung zusammengefasst. So wurde der mehr quantitativen Auswertung eine qualitative zur Seite gestellt und diese wurden miteinander verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Tailor-
Die Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas
205
made-Formulierungen die quantitativen Ergebnisse im Wesentlichen untermauern.12 Hier zur Anschauung die Tailor-made-Formulierungen der ausgewerteten Stunden13 :
Stunde 38 W: Ich mçchte meine Arbeit beenden. Alles soll fertig werden. Nachher mçchte ich die Zeit haben, um auszuruhen und um mich mit mir ohne Druck oder Anforderungen beschftigen zu kçnnen. Ich mçchte in der Lage sein, die Dinge zu berdenken. RO: Die anderen sind stark und erfolgreich. Sie sind erfolgreich, whrend ich es nur versuche. RS: Diese Situationen setzen mich unter Druck und ich fhle mich schuldig. Nie schaffe ich meine Aufgaben, weil ich mir immer zuviel auflade. Ich habe damit schon immer ein Problem gehabt und fhle mich enttuscht und depressiv.
Stunde 290 W: Ich mçchte mich verstehen und mich anderen verstndlich machen. Ich mçchte mich mehr beherrschen kçnnen, aber auch andere beherrschen. Ich mçchte ein kompetenter und einflussreicher Mann werden. RO: Die anderen untersttzen mich wenig. Meine Eltern und der Analytiker verhindern meine Entwicklung. Andererseits habe ich Hilfe erhalten, um meine Gedanken und Erfahrungen zu verstehen. Ich fhle mich ermutigt, meinen Fhigkeiten zu trauen. RS: Oft bin ich verwirrt. Ich vergesse viel und fhle mich nicht schwungvoll, sondern behindert. Ich vermeide jegliches Risiko und 12
Wichtige Differenzierungen, vor allem fr den spteren Verlauf der Analyse, kçnnen sich zum Beispiel durch die getrennte Auswertung der Objekt- und Selbst-Beziehungsepisoden ergeben oder durch die Unterscheidung zwischen mnnlichen und weiblichen Objekten, Therapeuten-Beziehungsepisoden und Beziehungsepisoden mit anderen Objekten, auf die jedoch hier verzichtet werden musste. 13 Dieser Auswertungsschritt wurde in der Arbeitsgruppe unter der Leitung von E. Brech durchgefhrt, so auch die wesentlichen Kodierungen.
206
3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
ich bin frustriert. Ich identifiziere mich mit den guten Seiten der Persçnlichkeit meines Vaters, besonders mit denen meines Analytikers. Dann fhle ich mich strker, potenter und kompetenter bei meiner Arbeit.
Stunde 365 (regulre Stunde): W: Ich mçchte meine Hemmungen (Depressionen) loswerden. Ich mçchte nicht mehr leiden. Ich mçchte unabhngig sein und arbeitsfhig. Ich mçchte verstehen und die Dinge so sehen, wie sie sind. RO: Wenn ich anderen nahe sein mçchte und um Hilfe suche, werde ich nicht untersttzt, sondern stattdessen zurckgewiesen. Die Anderen sehen mich nicht richtig und/oder haben etwas zu verbergen. RS: Dann werde ich grenzenlos wtend, bin verzweifelt und fhle mich unfhig. Ich habe Angst, das alles nicht auszuhalten.
Stunde 533/534 W: Ich mçchte mich entwickeln, mich fr meine Sachen interessieren und profilieren wie ich es gerne htte. Ich will mich durchsetzen, meine Sexualitt ausleben, potent und kompetent sein, Dabei verstehe ich aber vieles noch nicht und wnsche mir dafr Anleitung und Hilfe, Untersttzung und Ermunterung. RO: Die anderen schweigen und reagieren oft nicht oder sind bevormundend und beschimpfen mich. Andererseits werde ich auch untersttzt und fr meine Anstrengungen gelobt. RS: Oft bin ich irritiert und unsicher. Wenn ich keine Untersttzung bekomme, bin ich unzufrieden und enttuscht. Wenn ich aggressiv war, bin ich danach blockiert und schme mich und werde unsicher. Andererseits beginne ich auch zu verstehen und weiß, wie es sein msste. Die bisher ausschnitthaft dargestellten Ergebnisse kçnnen zum jetzigen Zeitpunkt als erste Tendenzen gedeutet werden und es bleibt der Untersuchung weiterer Stunden und einer genauen statistischen berprfung vorbehalten, diese, wenn mçglich, zu sttzen. Die bisherigen Ergebnisse werfen eine Frage auf, die besonders fr die Verwendung des ZBKT in einer Langzeit-Analyse von Bedeutung ist: Mit der blichen Standardauswertung des ZBKT-Verfahrens lassen sich in der Mikroanalyse einer Stunde durchaus verschiedene
Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«
207
Beziehungsepisoden-Muster identifizieren. Es wre jedoch wnschenswert, wenn vernderungsrelevante Prozesse ebenfalls erfasst werden kçnnten. Die ZBKT-Methode bietet dazu bisher keine Mçglichkeit. Vor allem ließen sich bisher keinerlei Hinweise dafr finden, wie vernderte Beziehungsmuster als Hinweise auf strukturelle Vernderung zustande kommen kçnnten. Dies hngt auch damit zusammen, dass das dem ZBKT zugrunde liegende bertragungskonzept auf Wiederholung basiert und den Beziehungsaspekt vernachlssigt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bisher ein Drittel der 290. Stunde bei der Auswertung vçllig unbercksichtigt blieb. Dabei handelte es sich um hochbedeutsame Passagen, in denen Analytiker und Patient miteinander interagierten. Nicht zuletzt aufgrund des klinischen Materials lassen sich diese Phasen, die sich an lange Monologe des Patienten anschließen, als vernderungsrelevant einstufen. In einem weiteren Auswertungsschritt wurde deshalb der Versuch unternommen, diese Interaktionssequenzen – die eine Art »interaktive dialogische Lcke« darstellen – der ZBKT-Auswertung zugnglich zu machen. Diese Textteile wurden als »Beziehungsepisoden Therapeut Typ X« gekennzeichnet. Sie kçnnen als Ankerpunkte in der Stunde angesehen werden, im Sinne bedeutsamer Ereignisse, von denen ausgehend das Prozessgeschehen untersucht werden kann. Dieser Beziehungepisoden-Typ kann als eine wichtige Textkomponente angesehen werden, mit deren Hilfe, etwa unter Bercksichtigung unterschiedlicher Deutungsstile (Fokus auf Abwehr/Widerstand oder auf Wnsche), die Patientenreaktionen untersucht werden kçnnen (zum Beispiel wie der Patient mit Deutungen des Analytikers umgeht und wie er diese Interventionen verarbeitet).
3.2
Eine sinnvolle Ergnzung der Verfahrens: Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«
Als es in der Darstellung der psychoanalytischen Technik noch darum ging, eine »basic model technique« gegen die sich ausbreitende psychodynamische Psychotherapie zu setzen (Eissler versus Alexander/ French), war der Blick verstellt fr Interaktionen, die aus konflikt-
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
haften und deutenden Anteilen zugleich bestehen. Die Anerkennung der Gegenbertragung als Erkenntnismittel, die Verschrnkung von bertragung und Gegenbertragung und das Konzept des »Szenischen Verstehens« haben es ermçglicht, den Doppelcharakter des Deutens zwischen Verstehen und Handeln zu erfassen. Eine bertragungssituation besitzt gerade dadurch klinische Evidenz, dass in ihr das zu deutende Muster zugleich inszeniert wird und die Reflexion erst allmhlich einsetzt. Diese Auffassung ist heute wohl allgemein anerkannt. Diese Entwicklung rechtfertigt es, in die knftigen ZBKTAuswertungen mit der Beziehungsepisode Therapeut Typ X einen Beziehungsepisoden-Typus aufzunehmen, der das gemeinsame Aushandeln einer Deutung der aktuellen Szene erfasst.14 Wie Abbildung 11 verdeutlichte, lsst sich die 290. Stunde in monologische und dialogische Phasen unterteilen. Die dialogischen Sequenzen machen ungefhr ein Drittel der Stunde aus. Eine Untersuchung dieser Interaktionssequenzen macht jedoch eine Vernderung des Auswertungsverfahrens nçtig. Dies wirft, im Rahmen der bisher vorgeschlagenen Auswertungsmçglichkeiten, erhebliche methodische Probleme auf. Deshalb wurde versucht, einen neuen Beziehungsepisoden-Typ zu entwickeln. Diese BE-Therapeut-Variante ist im Folgenden von den im Manual beschriebenen Therapeut-»Typ A«- und Therapeut-»Typ B«-Beziehungsepisoden abgegrenzt. In einer Beziehungsepisode Therapeut Typ A erzhlt der Patient »ber eine vergangene oder gegenwrtige Interaktion mit dem Therapeuten. Da diese Form von Beziehungsepisode eine Erzhlung ist, wird sie wie eine bliche »BE-Andere Personen« betrachtet« (Luborsky et al., 1991, S. 4). Bei einer Beziehungsepisode Therapeut Typ B »lassen sich Patient und Therapeut whrend der Sitzung auf eine konflikthafte (Hervorh. d. Verf.) Interaktion ein. Dabei handelt es sich um aktuelle Interaktionen, anders als die blichen Erzhlungen von Interaktionen« (Luborsky et al., 1991, S. 4). In der Regel werden diese Erzhlungen vom Patienten mit einer herausfordernden Frage ein14 Vgl. hierzu das szenische Verstehen und die szenische Funktion des Ich bei Argelander (1973); den »Handlungsdialog« bei Klwer (1983, 1995); die Unterscheidung bei Kçrner (1989), von Arbeit an der bertragung und Arbeit in der bertragung; die »symbolic actualization« bei Modell (1990); die »imitative elaboration« bei Mahoney (1987).
Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«
209
geleitet, auf die der Therapeut »untherapeutisch« antwortet. Der hier vorgeschlagene Typ X erfasst ebenfalls einen aktuellen Beziehungsverlauf, jedoch im Unterschied zu Typ B eine »therapeutische« oder »analysegemße«, also in der Regel eine deutende Interaktion. Whrend Typ B meistens vom Patienten initiiert wird und der Therapeut den angebotenen Konflikt nicht abwartend und/oder deutend, sondern »agierend« beantwortet, wird Typ X in der Regel vom Therapeuten mit einer Intervention eingeleitet. Hier gibt der Analytiker Deutungen ber zuvor Gehçrtes und ußert seine Annahmen ber die inneren Konflikte des Patienten. Die entstehende Interaktion ist dann durch ein »Aushandeln« und gemeinsames »Bearbeiten« dieser Deutungen charakterisiert. Denkbar ist aber auch, wie an der Beziehungsepidose zwçlf der Auswertung noch gezeigt wird, dass der Patient selbst auf eine ußerung oder Deutung des Analytikers zu sprechen kommt, indem er eine Intervention des Therapeuten erneut aufgreift. Fr die 290. Stunde gilt, dass diese Interaktionssequenzen meistens von lngeren Monologen des Patienten abgelçst werden, in denen er weiteres Material berichtet. Durch die Erweiterung der Auswertung um Therapeut-Typ-XEpisoden, zustzlich zur zeitstabilen, repetitiven Form der bertragung (als Wiederholung in den verschiedensten Beziehungen), lassen sich auch die spezifischen Aktualisierungen der bertragung in der analytischen Situation einbeziehen. In den Beziehungsepisoden Therapeut Typ X geht es also um ein gemeinsames Verhandeln zwischen Patient und Analytiker ber Deutungen, die der Analytiker gegeben hat. Vermutlich haben diese Interaktionsphasen fr die Stunde und fr die Analyse Vernderungsrelevanz. Es liegt daher nahe, die ZBKT-Komponenten dieses Beziehungsepisoden-Typs mit denen der brigen Beziehungsepisoden zu vergleichen. Hierbei entstehen jedoch methodische Schwierigkeiten. Zum einen ist die Datenbasis, auf die man zurckgreift, bezogen auf den Gesamttext, geringer als bei den brigen »normalen« Beziehungsepisoden, mit denen ja zeitstabile Muster ausgearbeitet werden sollen. Die Intention, Vernderungen innerhalb der Beziehungsepisode Therapeut Typ X erfassen zu wollen, hat eine Beschrnkung auf einen relativ kurzen Textabschnitt zur Folge, was somit der Grundidee des ZBKT widerspricht. Um endgltige Aussagen darber machen zu kçnnen, ob solche kurzen Textpassagen
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
doch verwendet werden kçnnen, liegt aber noch nicht gengend ausgewertetes Material vor. Grundstzlich msste man sich auch fragen, ob nicht von vornherein bestimmte Deutungen voneinander unterschieden und getrennt ausgewertet werden mssten. Ein mçgliches Unterscheidungskriterium wre, ob der Analytiker eher die Widerstands- und Abwehrseite in seiner Deutung betont oder sich hauptschlich mit den Wnschen des Patienten befasst. Hier kçnnte es auch interessant sein, ber den zeitlichen Verlauf einer Analyse, die Hufigkeit der jeweiligen Fokussierungen in den Deutungen zu erfassen. Aber auch die Vernderungen im Deutungsstil innerhalb einzelner Stunden kçnnten von Interesse sein. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der aktiven Rolle des Therapeuten innerhalb dieser Typ-X-Beziehungsepisode. Der Analytiker formuliert in seinen Deutungen Wnsche und Reaktionen des Subjekts, die somit nicht vom Patienten geußert werden, diesem aber, im Sinne der Auswertungslogik, zugerechnet werden mssten. Es wurde versucht, dieses Problem so zu lçsen, dass die Wnsche des Patienten, die der Analytiker am Anfang einer Beziehungsepisode Therapeut Typ X ußerte, als implizite Wnsche des Patienten aufgefasst wurden. Dies geschah aber nur dann, wenn sich in den anschließenden ußerungen des Patienten, Hinweise auf eine Besttigung fr diese vermuteten Wnsche finden ließ. Ein weiteres Auswertungsproblem stellt die RO-Komponente in diesen Beziehungsepisoden Therapeut Typ X dar. Wenn man die inhaltlichen ußerungen des Analytikers als implizit dem Patienten zugehçrig verrechnet, bleibt nur noch die formale, behandlungstechnische Ebene fr eine Signierung der RO-Komponenten. Das wrde heißen, dass als Reaktionen des Objekts »Analytiker« immer signiert wrde: RO: »deutet«, »konfrontiert« usw. Fr die inhaltliche Auswertung der Typ X-Beziehungsepisoden bliebe es dann bei einer W-RS-Gegenberstellung. Unter diesen Vorbehalten wurden die Beziehungsepisoden Therapeut Typ X zunchst nur kursorisch ausgewertet. Was sich dabei zeigte, war vor allem in der W-Komponente eine ausgeprgte Vielfalt der Wnsche, wobei kein Wunsch besonders zu dominieren schien. Im Verlauf der fnf Beziehungsepisoden Therapeut Typ X wurden die folgenden Wnsche bestimmt (Tab. 8):
211
Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X« Tabelle 8: Wnsche in den Beziehungsepisoden Therapeut Typ X SK Tailor-made
BENr.
10 ich will etwas verbergen (I)
08
09 ich will etwas sagen, auf etwas zurckkommen (E)
12
33 ich will „erotische Nhe“ zur Kollegin (I)
12
16 ich will das Bcherregal vom Therapeuten durcheinander brin- 14 gen (E) 19 ich will den Therapeuten in Fahrt bringen, damit er in mich eindringt (I)
14
22 ich will mnnlich sein (I)
14
27 ich will (auf der Phantasieebene) das Geschlecht wechseln (I)
14
01 Therapeut soll zuschauen, supervidieren, besttigen dass ich heterosexuellen Verkehr habe (I)
18
17 ich will mich entschuldigen (I)
18
18 ich will mich nicht entschuldigen (E)
18
09 ich will etwas mitteilen (E)
20
23 ich will selbst behandeln (I)
20
(E = explizit, vom Patienten geußert; I = implizit, vom Therapeuten formuliert)
Nur drei von insgesamt elf Wnschen wurden vom Patienten direkt geußert. Die anderen Wnsche sind vom Analytiker in seinen Deutungen verbalisiert worden. Man kçnnte an dieser Stelle vermuten, dass sich hierin eine wichtige therapeutische Funktion des Analytikers widerspiegelt. Seine Aufgabe ist es, das Nicht-Gesagte, das, was außen vor bleibt, beziehungsweise die unbewussten Anteile, die der Analytiker beim Patienten wahrnimmt, zu verbalisieren und so in die therapeutische Arbeit mit einzubeziehen. Hier muss allerdings einschrnkend gesagt werden, dass es durchaus fraglich ist, alles das, was der Patient »will«, auch als »Wunsch« zu deklarieren. Ruft man sich an dieser Stelle die vorgeschlagene Unterscheidung der Fokussierung einer Deutung in Erinnerung (auf die Abwehrseite oder auf die Wunschseite), so konzentriert sich der Analytiker am Anfang der 290. Stunde in seinen Deutungen mehr auf Widerstands- und Abwehraspekte und hlt sich
212
3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
mit Deutungen, die auf die Wnsche zielen, eher zurck. Im Verlauf der Stunde kommt es zu einer gegenlufigen Bewegung. Immer mehr rcken die Wunschvorstellungen des Patienten in den Mittelpunkt der Deutungsarbeit. So gesehen ist es eher wahrscheinlich, dass es sich bei den in den Deutungen zu Anfang der Stunde angesprochenen »Wnschen« des Patienten eigentlich um Reaktionen des Selbst, im Sinne einer Abwehrbewegung handelt, die tiefer liegende, verpçnte, nicht tolerierbare Wnsche verdecken helfen. Nun zu den Typ-X-Kategorien und einer kurzen Beschreibung der RS-Komponenten, also den Reaktionen des Patienten auf die Therapeutenußerungen: Im Gegensatz zu der Vielfalt der »Wnsche« deutet sich bei den RS-Komponenten eine starke Ausprgung von drei Kategorien an (Tab. 9). Tabelle 9: RS-Komponenten in den Beziehungsepisoden Therapeut Typ X SK
Tailor-made
BE-Nr.
02
Ich verstehe nicht
08, 12, 14, 18
11
das kann ich nicht akzeptieren, ich widerspreche
08, 12, 14, 18
19
ich bin unsicher, fhle mich hin- und hergerissen
08, 12, 14, 18
In diesen RS-Komponenten drckt sich auf den ersten Blick eine stark ablehnende Reaktion aus. Man ist geneigt zu vermuten, dass sie den Deutungen des Analytikers gilt. Diese scheinen den Patienten sehr zu verunsichern, unverstndlich zu sein. Um dies zu berprfen, kann man direkt zum Transkript zurckkehren und den Text verfolgen. Die Deutungen scheinen den Patienten zwar zu irritieren und zu verwirren, auf der anderen Seite beschftigen sie ihn jedoch sehr und lassen ihn nicht mehr los. Ein gutes Beispiel hierfr ist die Beziehungsepisode zwçlf Therapeut Typ X. Sie wird vom Patienten initiiert, indem er auf eine Deutung des Analytikers zurckkommt, die ihn sehr verwirrt und weiter beschftigt hat, an die er sich aber jetzt nicht mehr richtig erinnern kann.
Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«
213
BE 12 (Therapeut Typ X) 11 P: […] ich weiß nicht mir kommt das jetzt durch diesen Traum irgendwie alles verklausulierter vor das hm das mag schon stimmen mit Schachtel gepackt, also ich weiß nicht= irgendwie ich wollt noch mal zurckkommen auf das vom, also da Ende der letzten Stunde? wo Sie diese diese wie so’n so’n= so ne so ne Trennlinie durch diesen Traum gezogen haben wo ich sagte irgendwie ›Sie wollen da jetzt= auf Freitag wieder hinaus und‹; n- na dann kam nicht mehr viel und dann war auch Schluss was war! das wie war das denn bloß, -
Der Analytiker wiederholt die Deutung, fokussiert auf den Widerstand (Trennlinie), aber auch auf die versteckte Wunschseite des Traums (nchtliche Onanie, an den Analytiker gerichtet).
12 T: (spricht leise) die Trennlinie= luft doch entlang? der beiden Aspekte! die Sie erleben= entlang dem Mnnlichen und dem Weiblichen,— 13 P: hmhm= wieso mnnlich und weiblich jetzt also= 14 T: (spricht leise) ich denke auf der bewussten Ebene? ist diese= nchtliche Onanie? an die Kollegin, gerichtet gewesen= und unbewusst an mich. und deswegen die Trennlinie, –
Der Patient ist verwirrt, widerspricht, versteht nicht, kann mit der Deutung scheinbar nichts anfangen. 15 P: / also versteh ich nicht h weil ich h hab gesagt? ich hab den die das= das Onanieren als die Fortsetzung von dem Traum erlebt also’s= das kann ich erzhln das weiß ich= 16 T: ja 17 P: aber das; ich versteh jetzt nicht? also wie Sie dazu kommen! das so zu sagen, warum an Sie gerichtet. 18 T: (spricht leise) Sie haben es doch erraten, in Fortsetzung? der Analyse der Wochenendsituation. – / Dreiersituation, – die ja letztlich fr Sie erlebnismßig heißt= wem geb ich was wem geb ich wieviel ja? es zieht Sie nach der Seite und es zieht Sie nach der andern Seite,—und die= heterosexuelle Seite ist nicht so anstçßig,—-
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
Die Verwirrung setzt sich auch zu Anfang der Beziehungsepisode dreizehn fort. Diese unterscheidet sich jedoch deutlich von allen brigen Beziehungsepisoden der Stunde. Sie stellt so etwas wie einen Wendepunkt im Verlauf des Stundenprozesses dar. Die Erzhlung des Patienten ist mit mehr als zwanzig verschiedenen Reaktionen des Selbst durchsetzt. Es sprudelt fçrmlich aus ihm hervor und dabei konturiert sich ein vielschichtiges Erlebensgefge. Der Patient beschreibt, wie in einer Zusammenschau, alle bisherigen, oft nur angedeuteten oder nicht klar konturierten Selbst-Reaktionskomponenten. Er kann Verwirrung und Schamgefhle, Ambivalenz, Verrgerung, Kontrollverlust, Hemmungen benennen, aber auch Wnsche und Forderungen dem Therapeuten gegenber, er kann widersprechen oder aggressive Impulse ußern. Alles das ist in dieser einen Beziehungsepisode versammelt. Das Entscheidende ist nun, dass in jeder der nun folgenden Episoden, bis zum Ende der Stunde, Wnsche nach »Erfolg haben« auftauchen und nach »Kompetenz besitzen«. Diese konturieren das schon erwhnte positive Beziehungsmuster, das sich bei den drei Beurteilerinnen deutlicher in deren Ergebnissen zeigte. Gleichzeitig tauchen vermehrt Rivalittsthemen in Bezug auf den Analytiker auf (selbst therapieren wollen, eigene Patienten haben). In dem Maße, in dem es dem Patienten gelingt, eigene Vorstellungen von Kompetenz und Erfolgreich-Sein zu entwickeln und zu verbalisieren, tritt er auch in Widerspruch zum Analytiker, kann sich deutlicher widersetzen und abgrenzen. Es wrde an dieser Stelle zu weit fhren, den genauen Verlauf dieses Vernderungsprozesses auf einer Mikroebene zu analysieren. Die formale Aufflligkeit der Beziehungsepisode dreizehn mit ihren vielen RS-Komponenten ist jedoch alleine schon Hinweis darauf, dass zuvor etwas in Bewegung geraten sein muss. Die oben nur angedeuteten Hinweise legen den Schluss nahe, dass diese Vernderungsprozesse maßgeblich in dieser oder den vorangegangenen Beziehungsepisoden Therapeut Typ X initiiert wurden. Soweit die Darstellung der Ergebnisse, die aus der Untersuchung dieser einen Stunde mit Hilfe der ZBKT-Methode gewonnen wurden. Das Ergebnis der Clusterversion des ZBKT ließ sich, durch die getrennte Auswertung von Selbst-Beziehungsepisoden und von Episoden mit anderen Objekten, weiter differenzieren und erbrachte unterschiedliche Komponentenzusammensetzungen. Nicht zuletzt durch
Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«
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die Hinzuziehung der Tailor-made-Formulierungen des ZBKT ließ sich ein zweites, jedoch nicht so vorherrschendes Beziehungsmuster beschreiben, das deutlich positive Merkmale beinhaltete. Die Ergebnisse wurden diskutiert und mit dem klinischen Bild der Depression in Verbindung gesetzt. So gesehen erscheint die Auswertung jener Episoden, in denen Patient und Therapeut gemeinsam eine aktuelle Szene beziehungsweise Deutung verhandeln, ein viel versprechender Ansatz zu sein, um vernderungsrelevante Prozesse und Interaktionen genauer beschreiben zu kçnnen. Die Konstruktion einer Beziehungsepisode Therapeut Typ X ist ein Ansatz innerhalb der Auswertungsmçglichkeiten, die das ZBKT-Verfahren bereithlt, der es erlaubt, solche Interaktionsprozesse systematisch zu erfassen. Ziel war es, die Datenbasis zu erweitern, also weiteres Material aus anderen Analysestunden heranzuziehen und auch dort, zustzlich zu der Standardauswertung, die jeweiligen Therapeut-Typ-X-Episoden auszuwerten. Davon kann man sich eine Erweiterung des etablierten ZBKT-Verfahrens erhoffen und einen differenzierteren Einblick in vernderungsrelevante Prozesse in Psychoanalysen. Letztlich bleibt die Frage offen, ob mit dem ZBKT auch die spezifischen Merkmale der therapeutischen und psychoanalytischen Interaktion erfasst werden kçnnen, oder, wie Kçrner (1989) es ausgedrckt hat, die Arbeit »an« und »in« der bertragung. Leider konzentriert sich das ZBKT nur auf die Merkmale der bertragung, wie sie sich als Auftauchen unangemessener repetitiver Beziehungsmuster zeigt (vgl. Freud, 1912), whrend andere Aspekte der bertragung, wie zum Beispiel die Funktion der Aktualisierung und Erzeugung von frheren Beziehungserfahrungen (in einem konstruktiven Sinne; vgl. Gill, 1994; Deserno, 1995a), vollstndig ausgeblendet wird. Vor diesem Hintergrund wurde versucht, die ZBKT-Auswertungsmethode weiterzuentwickeln, in dem dieser letztgenannte Aspekt des bertragungsgeschehens bercksichtigt wurde. Mit dem neuen Beziehungsepisodentyp Therapeut Typ X kann es gelingen, besondere Momente und entscheidende Vernderungen in der vorherrschenden Konfliktkonstellation zu erfassen. Die Frage, ob die Vorgehensweise bei der Konstruktion der Therapeut-Typ-X-Beziehungsepisode in der 290. Stunde angemessen war, wurde an weiteren Stunden untersucht. An einem zweiten Bei-
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
spiel sei das Vorgehen nochmals dargestellt. Im Verlauf dieser Auswertungen wurde ein weiteres Phnomen deutlich: Der Beziehungsepisodentyp Therapeut Typ X taucht in den Stunden zwar nur relativ selten auf, keineswegs so hufig wie die anderen BE-Arten, dafr scheint er aber, wie unter einem Brennglas, die in den anderen Beziehungsepisoden verstreuten Komponenten zu versammeln und zu fokussieren. Sollte sich dieser Befund auch in den weiteren Untersuchungen besttigen, dann wre eine zeitsparende Methode verfgbar, die jeweils bedeutsamen Beziehungskonfliktmuster anhand der Interaktionssequenzen in den Stunden aus dem umfangreichen Transkriptmaterial herauszufiltern. Jedenfalls deutet sich an, dass in diesen Phasen der direkten Auseinandersetzung zwischen Patient und Analytiker, in der Folge einer Intervention, bertragungsmaterial auftaucht. Die beiden untersuchten Stunden 533 und 534 enthalten insgesamt drei Typ-X-Beziehungsepisoden. Hier zunchst die Ergebnisse als Cluster- und als Standardkategorien-Version:
Typ-X-Cluster-Stunden 533/534 W: 1 mich behaupten und unabhngig sein; 3 kontrolliert und verletzt werden und keine Verantwortung haben RO: 6 hilfreich; 5 weisen zurck und sind gegen mich RS: 2 unempfnglich und unaufgeschlossen; 6 hilflos; 1 hilfreich
Typ-X-Standardkategorien-Stunden 533/534 W: 2 angenommen/akzeptiert werden; 13 Hilfe/Beistand bekommen; 23 unabhngig sein; 29 nicht verpflichtet oder verantwortlich sein RO: 13 sind hilfsbereit RS: 1 habe Verstndnis; 2 verstehe nicht; 16 bin abhngig; 17 bin unfhig Die Ergebnisse auf Cluster- und Standardkategorienebene kçnnen nur, wegen der geringen Auftretenshufigkeit der Beziehungsepisoden-Art Typ X (dreimal in den untersuchten Stunden), als Tendenzen aufgefasst werden. Dennoch sei kurz beschrieben, wie diese drei Beziehungsepisoden, im Verlauf betrachtet, eine Vernderung des vor-
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herrschenden Beziehungsmusters des Patienten andeuten, das auf andere Weise nicht erfasst werden konnte.
1.) BE 18 (gegen Ende der Stunde 533), »Sicht des Patienten« Ich mçchte den Analytiker dazu bringen, mich zu lenken und zu besttigen, er soll ordnend eingreifen und mir helfen, mich zu definieren. Der Analytiker ist hilfreich und spricht Gefhlsaspekte an, die ich bisher nicht wahrgenommen habe, er versteht meine Schwierigkeiten, aber zweifelt meine Wnsche auch an, sieht sie anders. Das bringt mich sehr durcheinander und ich fhle mich blockiert, andererseits werde ich auch wtend und mçchte mir nicht gefallen lassen, was er sagt.
2.) BE 5 (Mitte der Stunde 534) Ich mçchte mich lieber mit mir beschftigen, meine eigenen Phantasien entwickeln und in die Realitt umsetzen, dabei nicht an den Analytiker oder andere denken mssen. Der Analytiker verweist mich auf meine eigenen Gedanken und ermuntert mich, weiterzumachen, er will mir verknpfend helfen. Wieder fhle ich mich blockiert und ich fhle mich auch schuldig fr meine Wnsche, ich beginne aber auch zu verstehen, dass er mich zum Nachdenken bringt und dadurch meine Leere irgendwie ausfllt.
3.) BE 9 (gegen Ende der Stunde 534) Das Problem lsst mich nicht mehr los, ich will es weiter verfolgen und lçsen, mçchte mehr Selbstvertrauen haben und dieses Gefhl, stndig etwas einklagen zu wollen, loswerden. Der Analytiker ermuntert mich weiterzudenken und zeigt mir Zusammenhnge auf. Ich habe das Gefhl, mich im Kreis zu drehen, und fhle mich deprimiert, weil ich merke, dass ich auf das Einklagen verzichten muss. Obwohl ich das Thema lieber beiseite legen wrde, lsst es mich auch nicht los und mir fllt einiges dazu ein. Die detaillierte Untersuchung einiger weniger Stunden wurde an den Anfang des Projektes gestellt, da sich im Laufe der Auswertung interessante Fragen und Schwierigkeiten ergaben, die nur in einer ge-
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nauen Analyse erkennbar werden und den weiteren Fortgang der Untersuchung auch bestimmen.
Herausarbeitung der Beziehungsepisode »Therapeut Typ X« Schon bei der Bearbeitung der ersten ausgewhlten Stunde (290) der Analyse stellte sich heraus, dass zwischen den monologischen, vom Patienten gesprochenen Abschnitten, fr die erst ein Zugang von den Auswertern gefunden werden musste, um Beziehungsepisoden herauszufiltern, noch ein relativ großer Teil (in der Stunde 290 etwa ein Drittel) des gesprochenen Textes unbearbeitet geblieben war. Dies waren genau die dialogischen Sequenzen, in denen der Analytiker intervenierend und deutend das Gesprch mitgestaltete. In der Auseinandersetzung mit der Auswertung der Typ-X-Beziehungsepisoden aus der 290. Stunde sollte einerseits das aktuelle Prozessgeschehen zwischen Analytiker und Patient relativ differenziert festgehalten werden, andererseits die Auswertung im Rahmen des ZBKT handhabbar bleiben. So wurde aus den als relevant abgegrenzten Dialogpassagen eine fiktive Nacherzhlung aus der Sicht des Patienten erstellt, das heißt, jeder Auswerter paraphrasierte regelgeleitet die betreffenden Textstellen so, als erzhlte der Patient einer dritten Person nach der Stunde, welche Episode sich zwischen ihm und dem Analytiker ereignet hatte. Ein Vergleich zwischen den Beurteilern zeigte sehr große inhaltliche bereinstimmungen. Die wichtigste Regel war dabei, die Dialogsequenz wirklich konsequent aus der Sicht des Patienten darzustellen. Nehmen wir an, der Analytiker deutete aus der klinischen Beurteilung heraus treffend und stimmig, der Patient konnte damit aber zunchst nichts anfangen und machte dies auch deutlich, in dem er sagte, der Analytiker sei so »bestimmend« gewesen, er habe an ihm »herumgezerrt«. In der Paraphrasierung werden nun alle Hinweise verwendet, die Aufschluss darber geben, wie der Patient den Analytiker als Gegenber erlebte (»Sie sind …), um eine RO zu formulieren. Das hat zur Folge, dass viele der inhaltlichen Aussagen des Analytikers, also die Inhalte der Deutungen, auf diesem Wege verloren gehen, denn im Sinne des Prozessgeschehens kann in den Paraphrasierungen meist nur festgehalten werden, wie kommuniziert beziehungsweise aufeinander ein-
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gegangen wird, nicht aber, was kommuniziert wird. Dies ist jedoch ganz im Sinne des ZBKT. Diese Paraphrasierungen wurden wie Beziehungsepisoden behandelt, aus denen sich wiederum Komponenten extrahieren ließen, woraus dann das ZBKT formulierbar wurde: Hier nun die bisherigen Ergebnisse. Es wurde zwar fr die jeweiligen Stunden ebenfalls eine Clusterversion erstellt, da die Anzahl dieser Beziehungsepisoden aber in den einzelnen Stunden nicht hoch ist, wie die der normalen Beziehungsepisoden, erscheint eine Darstellung auf Tailor-made- beziehungsweise Standardkategorienebene sinnvoller.
Typ-X-Auswertung auf der Ebene der Standardkategorien fr die Stunden 38, 290, 365, 533/53415 Stunde 38 W: Ich mçchte verstanden und angenommen werden. RO: A erklrt (und hilft), ist dabei aber kritisch, dominant und bestimmend. RS: Ich verstehe nicht, fhle mich hilflos, unsicher und ngstlich.
Stunde 290 W: Ich mçchte kommunizieren und offen sein, aber auch konkurrieren und erfolgreich sein. RO: A erklrt, untersttzt und hat Verstndnis, ist dabei aber auch dominant, bestimmend und stark. RS: Ich fhle mich verrgert und verstehe nicht (bin verwirrt), ich fhle mich abhngig, aber erkenne auch einiges und versuche, Dinge anzusprechen.
Stunde 365 W: Ich mçchte konkurrieren und mich durchsetzen, dabei aber von A auch Verstndnis und Offenheit entgegengebracht bekommen, ihm nahe sein. 15
Raterin: E. Brech.
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RO: A ist offen und hilfsbereit, er hat Interesse an mir und nimmt mich an, bleibt dabei aber kritisch und dominant. RS: Ich schwanke zwischen verschiedenen Gefhlen, meist fhle ich mich deprimiert, enttuscht, auch verwirrt und verrgert. Ich merke aber auch, dass ich mich zum Teil selbstsicherer und unabhngiger fhle.
Stunde 533/534 W: Ich mçchte Selbstvertrauen und Sicherheit haben, gesund werden und bei dem, was ich tue, Besttigung erhalten. RO: A ist untersttzend, er mag und respektiert mich. Dabei bleibt er aber kritisch, stark und beherrschend. RS: Ich fhle mich abhngig und inkompetent, ich bin enttuscht und verstehe nicht. Ich beginne aber auch, Zusammenhnge zu erkennen, und fhle mich angenommen. Vergleicht man nun die Ergebnisse dieser Typ-X-Beziehungsepisoden mit den normalen Beziehungsepisoden, so kann man feststellen, wie schon in den anderen Beziehungsepisoden, dass sich in den Typ-XBeziehungsepisoden die Wunschseite am deutlichsten verndert. In jeder der untersuchten Stunden zeigt sich ein anderer Wunsch in den Beziehungsepisoden. Hingegen bleiben die RO-Kategorien in allen Stunden relativ konstant. Der Analytiker wird einerseits als hilfreich, andererseits als kontrollierend und dominant wahrgenommen. Fhlt sich der Patient zu Beginn noch ausschließlich hilflos,16 taucht erst in der 290. Stunde ein weiteres Muster auf, in dem der Patient sich in der Lage zeigt, auch Dinge zu erkennen. Dieses eher »positiv« getçnte Muster ist bis zum Schluss der Analyse vorhanden. Beim Vergleich mit den Standardkategorien fllt wiederum die große bereinstimmung in den RO- und RS-Komponenten auf. Lediglich bei den Wnschen gibt es Abweichungen (zum Beispiel Stunde 38), wobei auch hier die Frage zu diskutieren wre, ob darin nicht Varianten, im Sinne von Ambivalenzen, eines grundstzlichen (depressiven) Themas zu sehen sind. 16
Der Befund, dass sich der Patient zu Beginn der Analyse in seinen RSKomponenten ausschließlich hilflos fhlt, hat sich auch in den mittlerweile ausgewerteten Stunden 112 und 207 besttigt.
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Im Folgenden ist erneut ein Ausschnitt aus einem Transkript (533. Stunde) wiedergegeben, als Beispiel von relevantem Interaktionsmaterial einer Stunde, das gewçhnlich bei den Auswertungen zum ZBKTunbercksichtigt bleibt.17 Daran lsst sich die Entwicklung der Interaktion zwischen Analytiker und Patient und das Auftauchen und Erfassen von bertragungsphnomenen besser nachvollziehen.
Transkription der Beziehungsepisode 18 (Auszug) 18 P: aber da ist doch wieder dieses Bild von pr f voriger Woche einer Stunde? wo ich so: also fr mich mal mehr entwickelt hab= au- also das ist ja en homosexuelles! Bild aber dass das auch was Aggressives und dann mir fehlt irgendwie es war noch! was also= hat= also was= was ist das fr’n Zusammenspiel oder ist das berhaupt’n Zusammenspiel= ist das nicht auch’n Gegenander also ich= das= sind so Dinge= die krieg ich nicht= h gefhlsmßig nicht ausenander! also= (gibt ein schnalzendes Gerusch von sich) hm, – oder die Frage wohin fhrt dieses= oder dieser Wunsch nach diesem Zusammenspiel ist das jetzt= ne Attacke auf Sie oder ist das ist das= – hmhm will ich Ihre Zuneigung oder will ich auch ne Attacke von Ihnen damit ich Sie attackieren kann? also= ich= h= kçnnt eigentlich vielleicht wr das zu einfach! aber sagen= ist das jetzt Homosexualitt oder ist das= Homosexualitt als Basis fr Auseinandersetzung oder ist das; ja? also= 19 A: das ist Bisexualitt= 20 P: hm, 21 A: da ist ja beides drin= und= Sie haben was fr mich aufgehoben ja? also das ist doch; Sie h= waren mit der zusammen? dann haben Sie geschlafen? dann haben Sie im Traum Ihre Erregung gesprt? Sie sagen eine zweite Portion Erregung? und: h: der Traum ist= deutlich geblieben? die Erregung= hielt an? und: jetzt= dringen Sie mit diesem Traum ja wie mit einem Glied in mich ein? und= das soll mich erregen und dann soll ich erregt= ein: ordnedne- ordnendes Wort sagen ja? und= wenn Sie das dann alles zusammen nehmen? Sie sagen es sei so durcheinander heute= h hm dann gibt es: gibt es sozusagen alles! bei der Bisexualitt ist das so, es gibt sozusagen alle Positionen? und: Sie ha- kommen nicht in Konflikte ja? dass sie etwa= h hm= also Sie haben sozusagen gerecht 17
Transkribiert nach den Regeln der Ulmer Textbank (vgl. Mergenthaler, 1996).
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halbiert= Sie haben fr mich auch noch Erregung brig= und Sie haben mir auch noch was zu bieten= 22 P: na ja das= das trifft so so’n so ein so’n Gefhlsaspekt da den ich irgendwie auch nicht aussprechen und ausdrcken konnte= aber irgendwie packt mich der Unwillen! wenn ich hçr Bisexualitt also= h vielleicht steht dafr ich hab das mal so= aufgeschnappt in irgend nem Seminar wie der mal gesagt hat das gbe es nicht, da hat er noch da paar Sachen dazu gesagt ich erinner das nicht mehr so= gesagt das gbe es nicht= also ich bin= muss sagen theoretisch oder= von der Literatur her da nicht bewandert ich weiß! das nicht also ich ich les! es immer wieder es gbe es und= ja ich weiß nicht vorstellen ja und nein ich h; ja aber Unwillen meint ich jetzt also fr mich! Unwillen das gibt’s nicht also= irgendwie will ich das= entscheiden! ja ich will das= ((aber)) vielleicht auch das was ich mit dem ordnenden Wort! da meine oder so= -wegen fand ich ja dieses Bild mit dem Schwert ganz faszinierend weil das heißt doch fr mich= sagen! Sie mal was sagen Sie mal was ich will mal sehn ob ich da was dagegen sagen kann,— – 23 A: aber Sie haben doch im Traum= das h= Problem? der Bisexualitt das Sie jetzt mit dem Hinweis auf = h= erwhnen= frappierend gelçst ja= (P lacht etwas) also h diese Frau liegt auf dem Bauch? und hat an der Stelle= wo die Scheide ist hat sie ein Glied und das Glied zeigt auf Sie, und Sie? haben Ihr Glied und Sie dringen damit= in das Glied der Frau ein? na ja= also damit ist doch= 24 P: +hmhm 25 A: auf+ der Traumebene! ja? auf der Ebene des Traumerlebnisses? ist doch die Bisexualitt realisiert, 26 P: hmhm 27 A: klar Sie k- bekommen Schwierigkeiten wenn Sie jetzt= im Wachzustand in eine Diskussion gingen? und: wrden ber Bisexualitt diskutieren sollen? da wssten Sie nicht so recht was Sie von Ihrer eigenen Traumlçsung halten sollten ja= 28 P: +hmhm 29 A: da+ wird’s schwierig! die Worte zu bersetzen= – aber im Traum? haben Sie dafr eine ganz klare Phantasielçsung gefunden= die Frau hat auch einen Penis= und in den Penis kann man eindringen,—(P atmet hçrbar ein und aus whrend der Pause)
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30 P: ich ich; also= ich weiß nicht vielleicht= nehm ich das bertrieben wahr aber ich ich= ich hçr Sie sprechen? auch den Inhalt= und ich werd irgendwie= wtend jetzt ist das was weiß ich ist das ne Abwehr das anzunehmen? ich sag mir so= das klingt so= also nur mal was wie Sie das sagen, so= bezeichnend urteilshaft endgltig und Sie= sprechen also nicht so mit F- also sie wirken auf mich= ich sag das vielleicht ist das bertriebene Wahrnehmung irgendwie mde= und denk so= also dabei bleibt’s nicht Punkt! so das; (gibt ein schnalzendes Gerusch von sich) hm, ich weiß nicht wie ich das wie ich d- ich mçcht da= ich hab das Gefhl ich hab noch was andres dazu zu sagen aber= hm:—ja und ich ich ich denk ei- ei- bei einem hm natrlich Sie haben Recht? aber zum andern= denk ich mir paßt’s! nicht jetzt frag ich mich ist das Abwehr oder ist das eigener Wille oder= eigener Weg aber ich komm mir auch so= hm: (gibt ein schnalzendes Gerusch von sich) – unfhig blockiert! oder so hnlich vor=— (ghnt whrend der Pause) warum fllt mir das Wort Erlaubnis! jetzt ein= h; hm, – irgendwie / ich / na gut Sie mssen mich besttigen ((Sie mssen)) mich besttigen? und dann mit Erlaubnis! – pf= 31 A: haben Sie eine Idee was ich Ihnen erlauben soll? – 32 P: »nee«= eher hm= dass sie mich besttigen sollen dabei also ich mein real jetzt die Situation kçnnen Sie gar nicht weil ich da Gedanken im Moment hab? […]
Jede der Dialogsequenzen wurde von jedem unabhngigen Rater durch Paraphrasierung in ein »fiktives« Narrativ umgewandelt, erzhlt aus der Sicht des Patienten. Hierzu folgendes Beispiel.
Paraphrasierung der Beziehungsepisode 18 (Auszug)18 Ich denke immer noch an das homosexuelle Bild, das ich letzte Woche hatte. Ich denke, alles hngt mit diesem Bild zusammen, aber trotzdem fehlt mir noch etwas. Ich glaube nicht, dass mich der Analytiker richtig versteht. Es ist berhaupt kein Zusammenspiel. Ich denke, es ist eher ein Angriff als ein Zusammenspiel. Wie auch immer, ich kann diese beiden Sichtweisen nicht auseinander halten. Heißt das wirklich, dass ich ein homosexuelles Zusammenspiel mit meinem Psychoanalytiker will? Ich frage mich, ob die Homosexualitt nicht der Grund fr eine Auseinandersetzung ist. 18
Paraphrasierung von E. Brech.
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Der Analytiker sagt nur, dass es beides enthlt. Er entgegnet mir nur knapp, dass es Bisexualitt sei. Er schließt daraus, dass ich etwas fr ihn zurckgehalten htte, nachdem ich mit meiner Freundin zusammen war. Der Analytiker erwhnt, ein zweiter Betrag an Erregung bleibt aus dem Traum brig, in dem ich in ihn eindrang, um ihn zu erregen, so als wre es ein Penis. Er meint, ich wollte, dass er erregt sei, so dass er die Dinge gerade rcken kann. Auf diese Art wrde ich nicht in Konflikt geraten, weil ich das in gleiche Hlften zerteilt htte und wegen der verschiedenen Positionen in der Bisexualitt htte ich sogar etwas fr ihn zu bieten. Was er mir andererseits sagt, benennt einen emotionalen Aspekt, den ich bisher nicht ausdrcken konnte. Aber andererseits rgere ich mich ber all dieses dumme Gerede ber Bisexualitt. Ich hatte von Prof. X gehçrt, dass es Bisexualitt sowieso gar nicht gibt! Obwohl ich nicht viel darber weiß, werde ich wtend, denn ich will dieses Problem endlich gelçst haben. Der Analytiker sollte mir mit einem ordnenden Wort helfen oder einem ordnenden Schwert! Wenn er etwas sagt, dann kann ich prfen, ob ich dem nicht zustimme. Der Analytiker besteht auf diesem Punkt und sagt immer wieder, dass ich das Problem der Bisexualitt im Traum bereits gelçst htte. Er meint, ich htte eine Frau erschaffen, die einen Penis hat, in den ich mit meinem Penis eindringen kçnne. Er versteht das als mein Bild von Bisexualitt. Whrend er redet, hçre ich nur schweigend zu. Weiter meint der Analytiker, dass ich offensichtlich mit meiner Traum-Lçsung Schwierigkeiten im Wachzustand htte. Es wre zu schwer, die Phantasielçsung zu bernehmen, aber mit dem Traum htte ich eine bersetzung gefunden. Der Analytiker sagt das alles in einer beurteilenden, endgltigen Art und Weise. Aber irgendwie scheint der Analytiker mde zu sein, whrend er redet. Ich kann eine zeitlang berhaupt nichts sagen, aber ich merke, wie ich immer rgerlicher werde. Vielleicht akzeptiere ich nicht alles, was er sagt. Aber ich will mich damit nicht abfinden, denn ich glaube, ich kann auch etwas dazu sagen. Natrlich hat der Analytiker irgendwo recht, aber ich mag das nicht. Obwohl, ich weiß wirklich nicht, ob mein rger ein Zeichen fr Abwehr ist oder meinen eigenen Willen zeigt. Am Ende fhle ich mich vçllig blockiert und unfhig. Ich denke nur, er sollte mich besttigen und mir die Erlaubnis geben.
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Er fragt mich, was er mir genau erlauben soll. Aber ich habe keine Ahnung. Alles was ich weiß ist, dass er mich in meiner jetzigen Situation besttigen soll, was unmçglich ist. Die so paraphrasierte Beziehungsepisode kann, wie die anderen Beziehungsepisoden auch, mit der ZBKT-Methode ausgewertet werden. In dem obigen Beispiel sind die ZBKT-Komponenten kursiviert. Dabei mssen die vom Analytiker formulierten Inhalte, vor allem die Inhalte der Deutungen, unbercksichtigt bleiben. Sie sind weder als RO kodierbar, noch enthalten sie Informationen, auf welche Art und Weise der Analytiker (als ein Objekt) mit dem Patienten interagiert, noch lassen sie sich als RS kodieren, weil sie nur die Annahmen des Analytikers ber den Patienten enthalten. RO-Komponenten kçnnen nur dann identifiziert werden, wenn der Patient sich darauf bezieht, wie er den Analytiker wahrgenommen hat (zum Beispiel: der Analytiker ist mde). Dies gilt auch dann, wenn die Art der Therapeuten ROs als eine Interaktion gesehen werden kann, die sich aus dem Transkript erschließen lsst (zum Beispiel »das ist Bisexualitt«). Aus dem Verlauf der Stunden 533 und 534 wurden drei Interaktionssequenzen mit dem Analytiker identifiziert. Diese Narrationen wurden dann, wie oben gezeigt, paraphrasiert. Zuletzt wurden sie, wie die anderen Beziehungsepisoden, nach den Kriterien des ZBKT analysiert. Zustzlich zu den Interaktionssequenzen enthielten die beiden Stunden 533 und 534 aber auch 28 »normale« Beziehungsepisoden. In Tabelle 10 sind die hufigsten Cluster und Standardkategorien der Typ-X-Beziehungsepisoden dargestellt. Diese Ergebnisse wurden dann mit jenen verglichen, die aus den »normalen« Beziehungsepisoden stammten. Wenn man die Ergebnisse der Therapeut-Typ-X-Beziehungsepisoden mit den Resultaten aus allen brigen Beziehungsepisoden vergleicht, dann ist es bemerkenswert, dass die Ergebnisse aus den Typ-X-Beziehungsepisoden zum grçßten Teil mit denen aus den normalen Beziehungsepisoden identisch sind. In den Typ-X-Beziehungsepisoden sind zumeist die bedeutsamsten Komponenten, mit denen die Auswerter auch schon bei der Beschftigung mit der quantitativen Erfassung des vorherrschenden Beziehungsthemas befasst waren, enthalten. Im Verlauf der Auswertung fanden sich auch Abweichungen davon, Ergnzungen oder Widersprche. Die festge-
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Tabelle 10: Die hufigsten Cluster und Standardkategorien der Typ-X-Beziehungsepisoden Therapeut-Typ-X-Cluster (Stunden 533/534):
Cluster der 28 Bes (Stunden 533/534):
W:
mich behaupten und unabhngig sein kontrolliert und verletzt werden, keine Verantwortung haben
3
kontrolliert und verletzt werden und keine Verantwortung haben
RO: 6 5
hilfreich weisen zurck und sind gegen mich
5
weisen zurck und sind gegen mich
RS:
unempfnglich hilflos hilfreich
6
hilflos
1 3
2 6 1
Therapeut-Typ-XStandardkategorien (Stunden 533/534): W:
Standardkategorien der 28 Bes (Stunden 533/534):
02 akzeptiert werden 13 Hilfe/Beistand bekommen 13 Hilfe/Beistand bekommen 19 Meine Vorstellungen durchsetzen; dominieren (ber andere Kontrolle haben; Macht haben) 23 unabhngig sein 29 nicht verpflichtet oder verantwortlich sein
RO: 13 sind hilfsbereit
13 sind hilfsbereit 12 sind distanziert
RS:
19 bin unsicher 17 bin unfhig 01 habe Verstndnis
01 02 16 17
habe Verstndnis verstehe nicht bin abhngig bin unfhig
stellten Abweichungen kçnnten auch aufgrund der geringen Anzahl der Therapeut-Typ-X-Beziehungsepisoden entstanden sein. Hier wird ein methodisches Problem deutlich. Auch wenn es hier nicht mçglich ist, die Abweichungen im Detail zu untersuchen, so legen die
Die Beziehungsepisode »Therapeut Typ X«
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ersten Ergebnisse doch nahe, dass die Abweichungen nicht zufllig zustande gekommen sind. Sie lassen sich innerhalb des Kontextes der anderen Ergebnisse erklren. (So bezieht sich zum Beispiel das Cluster 06 fr die Typ-X-BE auf das therapeutische Verhalten des Analytikers; auch kann der Gegensatz, der in den Standardkategorien RS 01/ 02 vs. RS 19 gefunden wurde, weniger fr einen Kontrast in strengem Sinne verstanden werden, sondern eher als eine abweichende Haltung von Ambivalenz). Bezglich dieses Phnomens ergaben sich in jeder der bisher untersuchten Stunden hnliche Resultate wie in den Stunden 533 und 534: nmlich in Bezug auf die bereinstimmung der meisten der gefundenen Komponenten und einigen Abweichungen mit dem ZBKT aus den brigen Beziehungsepisoden. Diese Ergebnisse erlaubten die Formulierung der Hypothese, dass die Therapeut-Typ-X-Beziehungsepisode eine sinnvolle Ergnzung der klassischen ZBKT-Methode darstellt. Weitere Untersuchungsschritte schließen sich an. Um die Resultate in einer verstndlicheren Art und Weise zu zeigen, sollen die Tailormade-Kategorien aus allen »normalen« Beziehungsepisoden dargestellt werden, um sie dann mit den Tailor-made-Kategorien der drei (Therapeut-Typ-X-)Beziehungsepisoden, die sich im Kontext der zwei Stunden zeigten, zu vergleichen. Dabei wird das Beziehungsmuster in den Tailor-made-Kategorien der »normalen« ZBKT Beziehungsepisoden durch die Therapeut-Typ-XEpisoden in seiner dynamischen Entwicklung erfasst und dargestellt. Entscheidende Punkte und Vernderungen der Konfliktkonstellationen werden deutlich durch die Therapeut-Typ-X-Episoden angezeigt. Sie deuten schließlich auf die Anzeichen des bertragungsprozesses hin, wie er innerhalb der Beziehung zum Analytiker auftaucht.
Tailor-made-Kategorien von allen »normalen« BEs in den Stunden 533 und 534 W: Ich mçchte mich entwickeln, mich fr meine Sorgen interessieren und mich unterscheiden. Ich mçchte die Dinge so haben, wie es mir gefllt. Ich mçchte meine Sexualitt genießen, potent und kompetent sein. Zurzeit gibt es viele Dinge, die ich nicht verstehe. Dann wnsche ich mir, dass ich geleitet werde, Hilfe, Untersttzung und Ermutigung bekomme.
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RO: Die anderen schweigen, reagieren oft nicht. Sie sind gçnnerhaft und beleidigen mich. Manchmal bekomme ich Untersttzung und Lob fr meine Anstrengungen. RS: Oft bin ich irritiert und unsicher. Wenn ich keine Untersttzung bekomme, bin ich enttuscht und unzufrieden. Nachdem ich aggressiv war, fhle ich mich blockiert und dann schme ich mich. Ich werde unsicher. Andererseits fange ich an, zu verstehen und ich weiß, wie es sein sollte. In dieser Tailor made Version, die auf den Kodierungen aller 28 Beziehungsepisoden basiert, die nach den ZBKT-Kriterien ausgewertet wurden, sind die wichtigsten Komponenten der Stunden 533 und 534 in dem vorherrschenden Beziehungsmuster zusammengefasst. Hingegen unterscheiden sich die Inhalte innerhalb der einzelnen Komponenten oft erheblich. In dieser Form bleiben die Inhalte relativ unverbunden zueinander. Ein mçglicher psychodynamischer Kontext kann nicht erschlossen werden. Betrachtet man jedoch die Abfolge der Tailor-made-Kategorien der Therapeut-Typ-X-Beziehungsepisode genauer, dann wird deutlich, dass diese Kategorien alle bedeutsamen Inhalte in einer konzentrierten Form adquat widerspiegeln. Zustzlich erlaubt aber der Entwicklungsverlauf, die sukzessive Darstellung dieser Art der Beziehungsepisoden, ein besseres Verstndnis der psychodynamischen Grundlage der vorherrschenden Konfliktmuster. Als Resultat ergibt sich, dass zustzliche Informationen ber den bertragungsprozess zugnglich werden:
BE 1819 – Therapeut Typ X (gegen Ende der 533. Stunde) aus der Sicht des Patienten W: Ich mçchte den Analytiker dazu bewegen, dass er mir Anweisungen gibt und mich besttigt. Er sollte sich einmischen, um meine Angelegenheiten zu regeln. Es sollte mir dabei helfen, mich selbst zu bestimmen. RO: Der Analytiker ist hilfreich und benennt Gefhle, derer ich mir nicht bewusst war. Einerseits versteht er und weiß um meine Pro19
Die Zahl ergibt sich aus der fortlaufenden Nummerierung aller Beziehungsepisoden einer Stunde.
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bleme, andererseits bleibt er skeptisch in Bezug auf meine geußerten Wnsche und er hat einen anderen Standpunkt. RS: Ich werde verwirrt und ich fhle mich blockiert. Ich werde rgerlich und ich werde mir das nicht gefallen lassen, was mir der Analytiker sagt. Zu Beginn von Beziehungsepisode 18 ist der am hufigsten geußerte Wunsch des Patienten, Hilfe und Anleitung durch den Therapeuten zu bekommen. Dieser Wunsch schlgt sich in Cluster drei nieder, sowohl in der Standardkategorie W13 als auch in den Tailor-madeKategorien der gewçhnlichen ZBKT-Auswertung. Die Reaktion des Analytikers wird vom Patienten als ambivalent beschrieben (und auch so erlebt). Daher fhlt sich der Patient blockiert und wird rgerlich. Er lehnt die Sichtweise des Analytikers konsequent ab. Somit erklrt die Reaktion des Patienten auch seinen geußerten Wunsch in der nchsten Typ-X-Beziehungsepisode:
RE 5 – Therapeut Typ X (gegen Mitte der 534. Stunde) W: Ich wrde mich lieber mit meinen eigenen Problemen beschftigen. Ich mçchte meine eigenen Phantasien entwickeln und versuchen, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn mir das gelingt, mçchte ich nicht an den Analytiker oder an andere Leute denken. RO: Der Analytiker lenkt meine Aufmerksamkeit auf meine eigenen Gedanken und ermutigt mich, fortzufahren. Er mçchte mir helfen, indem er unterschiedliche Einflle verbindet. RS: Ich fhle mich wieder blockiert. Zustzlich fhle ich mich wegen meiner Wnsche schuldig. Ich fange an zu verstehen, dass der Analytiker mçchte, dass ich ber meine Schwierigkeiten nachdenke, und ich merke, dass meine innere Leere sich mit seinen Gedanken fllt. Der hier vom Patienten ausgedrckte Wunsch korrespondiert mit dem zweiten vorherrschenden Muster, das wiederum in den Clustern, den Standardkategorien und den Tailor-made-Kategorien enthalten ist. Als Ergebnis der ersten Interaktion, versucht sich der Patient vom Analytiker und von anderen Objekten zurckzuziehen. Er mçchte sich ausschließlich mit seinen eigenen Wnschen und Problemen beschftigen. Trotz der vom Analytiker zur Verfgung gestellten Hilfe und dessen Erklrungen fhlt er sich erneut blockiert und entwickelt,
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als Ergebnis seiner egoistischen und aggressiven Wnsche, Schuldgefhle. Er beginnt auch zu begreifen, dass die Hilfe und Anleitung, die er vom Analytiker erwartet, seine von ihm wahrgenommene innere Leere fllt. Diese berlegungen zu den im Typ X enthaltenen Interaktionsablufen kçnnen als Beispiel dafr angesehen werden, wie die Arbeit in oder an der bertragung sich vollzieht und wie dies die weitere Verarbeitung dieser ersten Interaktion ermçglicht.
BE 9 – Therapeut Typ X (gegen Ende der 534. Stunde) W: Ich kann nicht aufhçren, ber dieses Problem nachzudenken. Ich will dran bleiben und es lçsen. Ich mçchte selbstsicher sein. Schließlich mçchte ich den permanenten, zwanghaften Wunsch loswerden, etwas mit Gewalt zu erreichen. RO: Der Analytiker ermuntert mich, meinen Gedanken nachzugehen und weist auf Verbindungen hin. RS: Ich habe das Gefhl, als ob ich mich im Kreis bewege. Wenn ich merke, dass ich den Wunsch, etwas mit Gewalt zu erreichen, aufgeben muss, werde ich depressiv. Dennoch mçchte ich mich dieses Themas entledigen, ich fhle mich damit permanent beschftigt. Ich habe sogar einige Einflle, was dieses Thema betrifft. In diesem abschließenden Beispiel drckt der Patient empathisch seinen Wunsch aus, seine Probleme zu lçsen und Vertrauen zu gewinnen. Auch mçchte er sich von seinem drngenden Wunsch befreien, auf die Hilfe des Analytikers zu bestehen (vgl. BE 18). Mit anderen Worten, er mçchte seine innere Leere auf andere Art und Weise fllen. Der Patient bezieht sich auf beide Wnsche und erkennt (was in den RS-Komponenten beobachtet werden kann), dass er Wunsch Nummer 13 (Hilfe/Beistand bekommen) aufgeben muss, da er diesen als permanenten Zwang erlebt. Am Ende der beiden Stunden beginnt der Patient sowohl zu bemerken, wie diese beiden Wnsche miteinander verbunden sind und wie sie im Widerspruch zueinander stehen. Dies fhrt auch zu der Situation, in welcher der Patient, trotz der Untersttzung des Analytikers, das Gefhl hat, sich im Kreis zu drehen. Einerseits fhlt er sich depressiv, andererseits ist er aber auch in der Lage, seine Gefhle mit der beginnenden Einsicht zu verbinden, dass er seinen andauernden Wunsch, auf Anleitungen sich ver-
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lassen zu wollen, aufgeben muss. Schließlich fhlt er seine wachsende Strke und Kreativitt. Somit ist in dieser letzten Beziehungsepisode eine Vernderung des frheren illusionren Wunsches zu einem realistischeren Wunsch enthalten. Dies kann als Ergebnis eines Durcharbeitungsprozesses innerhalb der therapeutischen Beziehung angesehen werden.
Schlussfolgerungen Mit diesen Beispielen der Therapeut-Typ X-Beziehungsepisoden sollten die Vorteile dieser Auswertungsmethode deutlich gemacht werden: Insgesamt kann, aufgrund der oben dargestellten Befunde, gesagt werden, dass es nicht unmçglich ist, bertragungsaspekte einer Psychoanalyse, im Rahmen eines systematischen »Offline«-Forschungsansatzes zu erfassen, auch wenn deutlich geworden sein drfte, wie aufwendig eine solche Untersuchung ist. Neben der oft jahrelangen Datenerfassung, also der Aufzeichnung und Verschriftung der Behandlungsstunden, ist eine umfangreiche Einarbeitung in die Komplexitt des klinischen Materials nçtig, um psychoanalytische Theorien und Hypothesen mit nichtpsychoanalytischen Methoden adquat berprfen zu kçnnen. Die ZBKT-Methode hat zwar einerseits den Vorteil, durch die Fokussierung auf wiederkehrende Muster im Interaktionsverhalten, eine handhabbare Auswertungsmçglichkeit fr die Abbildung von Beziehungsstrukturen, wie sie vom Patienten erlebt werden, zu bieten, dennoch werden hier auch die Grenzen und Beschrnkungen deutlich. Wie dargelegt, kann es heute nicht mehr durchgehen, fr eine angemessene bertragungserfassung mit veralteten Konzepten zu arbeiten. Neuere bertragungskonzepte, welche die interaktiven Aspekte beim Zustandekommen der bertragung betonen, zwingen zu einer neuerlichen Auseinandersetzung mit der Frage, ob die verwendete Methode angemessen ist. In diesem Fall fhrte dies zur Weiterentwicklung der Beziehungsepisoden, zur Beziehungsepisode Therapeut Typ X. Durch diesen neuen Episodentyp wurde es mçglich, die bertragungsaspekte in den angebotenen Beziehungsmustern des Patienten darzustellen.
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
Zwar ist der Auswertungsweg komplexer und es besteht zurzeit weiterer Bedarf der berprfung (zum Beispiel durch andere Auswertergruppen beziehungsweise an weiteren Stunden dieses oder eines anderen Falles), dennoch zeigt sich hier meines Erachtens ein angemessener Weg, wie komplexe psychoanalytische Konstrukte untersucht werden kçnnen, ohne die psychoanalytische Perspektive zu verlassen beziehungsweise gerade mit Hilfe psychoanalytischer Techniken und Sichtweisen besser zu erfassen. Ein Vorteil liegt somit sicherlich auch im Rckbezug auf das klinische Material und auf Experteneinschtzungen. Zustzlich zu den blichen ZBKT-Beurteilungen, ist es mit der Typ-X-Beziehungsepisode mçglich, zu einer komprimierten Zusammenfassung der Ergebnisse aus anderen Beziehungsepisoden zu gelangen. Anhand eines grçßeren Datensatzes ausgewerteter Stunden wre zu klren, ob in Zukunft Typ-X-Episoden ausschließlich dazu verwendet werden kçnnten, das ZBKTund den Vernderungsprozess zu erfassen. Dies wrde schließlich zu einer Reduktion des Materials beitragen, dass zu bearbeiten wre. Besonders angesichts der Tatsache einer großen Anzahl psychoanalytischer Sitzungen wre dies ein nicht zu unterschtzender Vorteil. Man kçnnte meinen, die ZBKT-Methode sei damit auf den Kopf gestellt, wenn man sich auf das blicherweise weggelassene Material konzentriert. Andererseits erlaubt dieses Vorgehen, den bertragungsprozess, wie er entsteht und sich innerhalb der Beziehung zwischen Analytiker und Patient entfaltet, zu untersuchen. Somit helfen die Typ-X-Episoden dabei, Deutungen dieses Materials zu entwickeln. Auch vereinfachen sie das Verstndnis, wie die anderen ZBKTResultate dynamisch miteinander verbunden sind und wie sie interpretiert werden kçnnen. Abschließend sei gesagt, dass die Resultate darauf hinweisen, dass mit Hilfe der ZBKT-Methode das »core conflictual relationship theme« effektiv untersucht werden kann, zumindest von Patienten, die an einer Langzeit-Psychoanalyse teilnehmen. Trotz der entstehenden Probleme und Schwierigkeiten, mit denen man sich bei der Auseinandersetzung mit diesem Problem gegenbersieht, erlaubt die Methode, neue Hypothesen zu entwickeln, die dann, im Rahmen zuknftiger Forschungen, weiter untersucht werden kçnnen, um unser klinisches Wissen zu erweitern und das Verstndnis fr bewusste
ZBKT und Trume
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und unbewusste Interaktionen zwischen Patient und Analytiker zu vertiefen.
3.3
ZBKT und Trume
Es gibt in den Therapiestunden weiteres Material, das bisher mit der ZBKT-Methode nicht zufrieden stellend ausgewertet werden konnte: die Trume. Dies liegt zum einen daran, dass bisher nur wenige Untersuchungen vorgelegt wurden, in denen mit dem ZBKT versucht wurde, Traumtexte zu untersuchen, zum anderen an den spezifischen Problemen, auf die man generell stçßt, wenn man manifeste Traumtexte systematisch untersuchen mçchte. Fr die dargestellte Fallstudie wre es natrlich von großem Vorteil gewesen, wenn die Trume in die Untersuchung mit htten einbezogen werden kçnnen. Der Zusammenhang von Traum und bertragung gilt als gesichert und ist, anhand von klinischem Material auch mehrfach dokumentiert (vgl. Deserno, 1995b, 1999, 2007a, 2007b; Moser, 1999; Ermann 2005). Aus dieser Perspektive drften die Trume auch als weiteres Validierungskriterium von Interesse sein, mssten sich in ihnen doch dieselben ZBKT-Muster beobachten lassen, wie in den brigen Beziehungsepisoden, die vom Patienten geschildert werden. Die erste Mitteilung ber Parallelen zwischen dem ZBKT von Traumberichten und Narrativen stammt von Popp et al. (1990), wobei die Autoren jedoch nur auf drei Flle zurckgreifen konnten. Eine Replikationsstudie, nun mit umfangreicherem Datenmaterial, erbrachte hnliche Ergebnisse. Einerseits ließen sich die Standardkategorien der ZBKT-Auswertungen auch auf Traumerzhlungen anwenden, andererseits ergaben sich hnlichkeiten zwischen den ZBKT-Ergebnissen aus Trumen und denen aus Narrativen (Popp et al., 1998). Auch eine Studie ber Tagtrume (Stigler u. Pokorny, 1995) erbrachte entsprechende Ergebnisse. Im Widerspruch dazu stehen Befunde von Albani et al. (2001). In der sorgfltig kontrollierten Studie wurden Unterschiede zwischen den Beziehungsepisoden in Traumnarrativen und denen aus Beziehungsschilderungen in den jeweiligen Stunden gefunden, die im Umfeld der jeweiligen Traumberichte erzhlt wurden. »In den Tru-
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
men werden Wnsche offener ausgedrckt, und die hufigsten Reaktionen des Objekts und des Subjekts kennzeichnen Wunscherfllung und befriedigende Beziehungserfahrungen. Die narrativen Episoden dagegen werden von distanzierten, versagenden Objekten bestimmt« (Albani et al., 2001, S. 287), whrend in den meisten anderen erzhlten Episoden Gefhle von ngstlichkeit, Besorgtheit und Nervositt vorherrschten. Stimmten die Clusterversionen noch im Wesentlichen berein, traten in den Standardkategorien die (qualitativen) Unterschiede zutage. Die zentralen Beziehungsmuster in Trumen und Narrativen wiesen Unterschiede auf. Nun hngt die Frage einer psychoanalytischen Untersuchung von Traumtexten sehr davon ab, auf welcher Ebene die Auswertung ansetzt. Zwar hat nicht zuletzt seit Eriksons Arbeit ber das Traummuster der Psychoanalyse (1954) der manifeste Traumtext seine Bedeutung und Wrdigung erhalten, doch im Zusammenhang mit der Frage nach bertragungsprozessen spielen sicherlich gerade die latenten Traumgedanken eine wesentliche Rolle, die als bedeutender Gestaltungsfaktor fr die Ausbildung bestimmter Interaktions- und Beziehungsmuster gesehen werden kçnnen. Man kçnnte sich zwar dahingehend einigen, dass man sich auf den manifesten Traumtext beschrnkt, aber es gibt noch eine weitere Schwierigkeit, die zum Beispiel in dem Fall der hier zur Untersuchung vorliegenden Behandlung eines depressiven Patienten, eine Auswertung verunmçglicht. Dies soll an einem Auszug aus dem Transkript der 290. Stunde, die ja auch eine Traumerzhlung enthlt, verdeutlicht werden. Abgesehen davon, dass der Patient im Laufe der Behandlung insgesamt nur sehr wenige Traumerzhlungen schilderte, was als nicht untypisch fr depressive Patienten angesehen werden kann, erzhlte dieser Patient auch auf eine besondere Art und Weise, was im nachfolgenden Ausschnitt des Transkripts deutlich wird. Es ist der Beginn der Stunde, der erste Redebeitrag des Patienten. P1: (Trenschließen, raschelnde Gerusche)—(ruspert sich)—grad noch mal so nachgedacht drber= irgendwie grade als ich hergekommen bin: ich= gemerkt: oder= jetzt mçcht ich gern: beschreiben= das= und das ist gar nicht so einfach f hmhm wie mir zumute ist also= hm jetzt= dacht ich grade so= ja irgendwie ”h geht’s schon? Drunter-und-drber ist en bissel stark ausgedrckt aber= irgendwie= merk ich so spr ich so in mir so= ja ich kçnnt das schon; also
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da hab ich so gesagt angespannt das letzte Mal= ja: jetzt bin ich total entspannt oder gelassen im Moment aber= n’ja mir fllt’s Wort lebhaft so ein und irgendwie ziemlich viel in Bewegung? aber grade so im Vergleich zu der Dienstagstunde? find ich das angenehmer, also so= – ja, und vorher noch also= (spricht leise) ich kann= kann ich so=(spricht wieder lauter) wollt ich so das= na= bisschen ordnen auch, von der letzten Stunde noch so hab so drber nachgedacht wie war das was Sie gesagt haben? da war so= also ziemlich zum Schluss? also so= hab ich das jedenfalls in Erinnerung= dass Sie das mal= dass Sie sagten= ‘na also halten wir das doch mal fest,‹ so, und jetzt ist das halt weder so? dass ich das nicht genau erinnern kann also ich kann= ich hab sonst eigentlich en ganz gutes Gedchtnis so: ”h= ist auch so was jemand gesagt hat= ziemlich genau wiedergeben kann, hm: – also grade diese= diesen Moment wo Sie sagten ›halten wir mal fest?‹ das ist so und so so so= sag ich jetzt mal? und dann wo dann wie so in nem zweiten Schritt kam noch da war die Stunde halt sehr schnell vorbei= wo Sie noch mal auf das mit dem Traum? kamen? und auf was heraus wollten= also da hab ich so gemerkt irgendwie bin ich en bisschen unter Zeitdruck oder hab so gemerkt die Stunde muss gleich vorbei sein? dann hab ich aber was= dann war ich ds nicht ganz einverstanden das wrd ich jetzt gerne mal so an mir vorbeilaufen lassen= – also es war doch so? diese: – na= fehlt das Wort jetzt= also bisschen wie so ne so ne= also fr meine= Geschichte da hm klassische oder fast paradigmatische Situation in dem Zimmer. und mit dem= also woran ich so anknpfen= kçnnte= wollte= – also was ich mir so gemerkt hab? dies= in der Situation mich so= zurckzunehmen also gut das Wort kastrieren geht mir nicht aus’m Kopf= das Depressive= so als eigentlich das Verhalten? wobei am am wenigsten passiern konnte also wo ich sag Bezug auf meine Mutter Bezug auf meinen Vater= wechselseitig. zu mir= in der Beziehung, und das ist such was obwohl ich das im Moment gar nicht so klar formuliern kann was mir ziemlich eingeleuchtet hat, – dann hatt ich eben das Gefhl? als htt ich= dies mit dem Trumen mit dem Traum da mit diesem; hmhm: Montag auf Dienstag war das ja, nicht ganz richtig oder so klar erklrt wie ich’s= htte tun kçnnen? – und was bei mir so hngen geblieben ist= ich hab getrumt? ich hab eben diese= erotische= Szene da getrumt= und das auch so wie so als Ersatz fr= weil das ja in einer der Nchte vorher und auch çfters mal passiert ist= also von wegen diesem= Jucken da diesem Dammsymptom= (lacht etwas) – na ja und dann kam aber dann pf= sagten Sie oder fragten Sie= also dass das wie so geteilt gewesen wre, das ist mir jetzt so nicht ganz klar im Moment also= ich hab doch erzhlt? ich hab= diese Szene mit dieser Kollegin? getrumt dann bin ich aufgewacht= und wollte oder musste= onanieren mit der entsprechend Phantasie die mir dann so die= hm Fortsetzung oder Vervollstndigung dieses= Traumes also wo das angefangen hat= so= ja so war das. ja und dann haben Sie was gesagt (lacht etwas) ((wo)) ich noch erinnere= also mir kommt das so vor? dass Sie das irgendwie hnlich= sehen machen= wie das was
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3 Die Untersuchung von bertragungsprozessen und Trumen
ich am Freitag in Bezug auf die Phantasie mit der X. erzhlt habe. und das= bring ich jetzt im Moment nicht ganz zusammen nicht mehr zusammen,—und weil’s mir jetzt also grade einfllt h= ich dacht irgendwie ich msst das spter (lacht etwas) erzhlen? ich hab heut Nacht wieder was getrumt? Moment jetzt bin ich mir nicht sicher ”nee” heut Nacht war das nicht es war gestern, gestern? verteufelt ich weiß es nicht, wieder! so dass ich das nicht genau! erinnern kann aber ich mçcht’s einfach nicht verschweigen? ich hab auch die ganze Zeit nachgedacht und es ist immer so als wrd man en bisschen mehr? kommt mir en bisschen mehr in Erinnerung dann ist wieder weg? also ich will’s zumindest sagen soweit= en Traum? – (atmet hçrbar aus) bin ich denn blçde also= – ich bild mir ein das war so, ich hab getrumt dass! ich getrumt hab, also verstehn Sie? Traum im Traum! – und ds war was= mit onanieren? aber das war nicht ich! aber wer war das, ich kann sicher sagen dass ich nicht weiß wer es gewesen ist, aber= derjenige der das war= also kann ich nur im Moment sagen= kenn ich nicht oder also hab ich noch nicht gesehn ich kann also niemand= nennen,—also im Moment denk ich= – es (lacht etwas) war jemand? es hat was mit Ihnen zu tun es hat was mit meinem Vater zu tun= vielleicht hat’s auch aber also am allerwenigsten! noch im Moment denk ich mit mir! zu tun also= Kopf Gesicht Figur= kann ich nicht sagen, und ds war noch! irgendwas es war noch irgendwas in dem Traum? und das weiß ich nicht mehr das kann ich nicht mehr sagen ich kann nur sagen ich weiß dass es wahr ist es ist= das ist also wirklich verrckt das,
Wie aus diesem Ausschnitt aus dem Transkript der 290. Stunde deutlich geworden sein drfte, ist eine Auswertung dieser »Traumerzhlung« mit der ZBKT-Methode nicht mçglich. Eine kohrente Traumerzhlung lsst sich als Auswertungsgrundlage nicht herstellen. Der Patient redet noch mehrere Minuten auf diese Art und Weise weiter. Hier wird deutlich, dass die relevante Information auch weniger im manifesten Trauminhalt zu suchen ist, sondern eher in der Art, wie der Patient seinen Traum »erzhlt«, ihn eher versteckt, »verschachtelt« als den Traum kohrent zu berichten. Diese Form der Erzhlung selbst kann als Symptom verstanden werden, als Resultat eines Konfliktes, der zwar in den Inhalten, die versteckt werden sollen, fundiert ist, aber durch die Eigenschaften der Erzhlstruktur fast vollstndig berlagert ist. Hier stellt sich somit das Problem der Auswertung hinsichtlich manifester oder latenter Trauminhalte erst gar nicht. Nicht eingegangen wird deshalb auf das Problem der Nachtrglichkeit von Traumerzhlungen, die fehlende Reflexionsfhigkeit des Ich whrend des Traumerlebens und die Implikationen fr die Aus-
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wertung einer Traumerzhlung. Wie auch von Traumerzhlungen aus Laboruntersuchungen bekannt, sind die nchtlichen Erzhlungen keineswegs kohrente Narrationen. Die Probanden haben eher große Schwierigkeiten, kohrent zu berichten (vgl. Hau, 1995). Die verschachtelte Erzhlweise, welche auch der Psychoanalytiker in seiner Deutung aufgreift, der Stil der Traumerzhlung erinnert an Phnomene, die Ermann (1983) ber das Traumerleben depressiver Patienten berichtete. Hier wird eine Grenze der ZBKT-Methode mehr als deutlich, die auch nicht durch elaborierte Auswertungsstrategien bewltigbar erscheint. Damit ist nicht gesagt, dass es nicht mçglich ist, solche Texte mit anderen Methoden zu untersuchen. Dies ist, fr einen anderen Traum desselben Patienten von Moser (1999) mit seiner Methode, den getrumten Traum zu erschließen, demonstriert worden. Was die Erfassung des bertragungsgeschehens betrifft, so hat sich in der Auswertung gezeigt, dass die Interaktionssequenzen nach Interventionen des Analytikers besondere Bedeutung besitzen (»Brennglas-Zusammenfassung«). Sie fassen sonst verstreut vorkommende Wnsche, RO- und RS-Komponenten zusammen. Deutlich wurde, dass der Patient versucht, von anderen Hilfe und Anleitung zu bekommen, die Objekte zu erreichen, ihnen nahe zu sein und verstanden zu werden. Doch in seinem Erleben erweisen sich die Objekte als wenig zugnglich. Im Gegenteil, sie sind zurckweisend und dominierend. Der Patient zeigt daraufhin keinen offenen rger, er widerspricht auch nicht, sondern fhlt und erlebt sich hilflos (Hinweis auf depressiven Modus der Konfliktverarbeitung). So aussagekrftig die verschiedenen Auswertungen der Selbst- und Objekt-BEs und der Interaktionssequenzen mit ihren verschiedenen Differenzierungsgrade fr die Erfassung von bertragungsmerkmalen auch sind, mit dem Versuch, auch die Traumerzhlungen mit der ZBKT-Methode zu erfassen, um Aussagen ber unbewusste Interaktions- und bertragungsprozesse treffen zu kçnnen, stçßt das ZBKT-Verfahren an eine Grenzen.
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Neurophysiologische Untersuchungen von Gehirnaktivitt und Traumerleben
Ein alter Traum, der bereits von Anfang an psychoanalytische Forschungen begleitete, war die berfhrung der klinisch-psychologischen Erlebnisbeobachtungen auf ihre (neuro-)physiologische Basis. Zwar hatte Freud seinen Versuch aufgegeben, dieses Vorhaben mit dem »Entwurf einer Psychologie« (1950c) einzulçsen, wohl aber nicht die Vorstellung, dass es eines Tages doch mçglich sein wrde, die beiden seit Descartes getrennt beforschten Bereiche von Psyche und Soma wieder zusammenzubringen. In den letzten Jahren ist zu beobachten, wie bei Psychoanalytikern die Hoffnung und das Interesse wachsen, dass dieser Traum vielleicht doch in Erfllung geht. Angesichts der großen Fortschritte der neurophysiologischen Hirnforschung, vor allem was die Leistungsfhigkeit der bildgebenden Verfahren betrifft, wird dieses Interesse verstndlich. Obwohl sich auch immer deutlicher abzeichnet, wie komplex die physiologischen Prozesse im Gehirn zusammenspielen, sind vermehrt Versuche zu verzeichnen, aufgrund der erarbeiteten Befunde und Erkenntnisse ber die Architektur des Gehirns und ber die Erregungsablufe in einzelnen Teilbereichen, das Bestehen der oben erwhnten Kluft zu relativieren (vgl. Roth, 2001). Zwar mag man auch skeptisch fragen, ob es grundstzlich mçglich ist, psychisches Erleben kausal mit einzelnen Erregungsablufen im Gewebe des Gehirns zu erklren (vgl. Leuschner, 1997), dennoch erscheint eine interdisziplinre Forschung zwischen Psychoanalyse und Neurowissenschaften lohnenswert und hat in den letzten Jahren auch einen beachtlichen Aufschwung erlebt. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass in den Neurowissenschaften neue Methoden entwickelt wurden, wodurch die Mçglichkeiten verbessert wurden, die physio-
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logischen Korrelate psychologischer Prozesse im Gehirn zu untersuchen. Mark Solms hat dies als historische Chance fr Psychoanalytiker auf interdisziplinre Forschung mit den Neurowissenschaften bezeichnet. Kandel (1998) sieht darin sogar eine zuknftige berlebenschance fr die Psychoanalyse. Die technischen Fortschritte wurden aber auch fr psychoanalytisch denkende Traumforscher interessant. Endlich schien es mçglich, die Freud’sche Traumtheorie nachhaltig zu berprfen. So entwickelten zum Beispiel Kaplan-Solms und Solms (1999) eine Reihe differenzierter Hypothesen ber die Entstehung und Generierung von Trumen. In ihrer Arbeit machten sie deutlich, warum die Freud’sche Traumtheorie von vielen experimentell arbeitenden Traumforschern abgelehnt wurde. Die frhen elektrophysiologischen Untersuchungen des Gehirns whrend der Nacht offenbarten regelmßig wiederkehrende Aktivierungsmuster und fhrten zu der Annahme, dass das Gehirn trume, um dabei die (sinnlosen) Erregungsimpulse zu einigermaßen kohrenten psychischen Erlebnissen zu kombinieren. Diese AktivierungsSynthetisierungshypothese beherrschte die wissenschaftliche Diskussion ber Trume und Traumprozesse die letzten dreißig Jahre (vgl. McCarley u. Hobson, 1977; Hobson, 1988, 1999). Solms (vgl. Kaplan-Solms u. Solms, 1999; Solms, 1999) legte Befunde vor, gewonnen durch syndromanalytische Untersuchungen an hirngeschdigten Patienten, mit denen er nachweisen konnte, dass REM-Aktivitt und Traumaktivitt keine kausal miteinander verknpften Prozesse darstellen, sondern vielmehr als korrelative Phnomene aufzufassen sind. Solms behauptete zudem das Gegenteil von dem, was die Aktivierungs-Synthetisierungshypothese nahe legte: Freuds Traumtheorie scheint nicht etwa widerlegt und berholt, sondern vielmehr in bereinstimmung zu bringen zu sein mit den neuesten Befunden moderner Hirnforschung. Solms sieht den Traumprozess zunchst durch einen Erregungsimpuls aktiviert, wobei dieser nicht nur aus der Pons-Region des Hirnstammes kommen muss, also aus jener Region, deren Impulse fr die REM-Aktivitt verantwortlich zu sein scheinen. Wenn die Erregung stark genug ist oder lange genug anhlt, werden motivationale Prozesse im Gehirn in Gang gesetzt, welche normalerweise fr die Entstehung und Durchfhrung zielgerichteten Handelns notwendig
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4 Untersuchungen von Gehirnaktivitt und Traumerleben
sind. Erst nach der Aktivierung dieser motivationalen Mechanismen beginnt der eigentliche Traumprozess. Nun ist whrend des Schlafes die Ausfhrung willentlicher Handlungen blockiert, der Muskeltonus ist gerade whrend der REM-Phasen, also whrend des aufgrund seiner hnlichkeit mit dem Wach-EEG so bezeichneten »paradoxen Schlafes«, extrem herabgesetzt. Dadurch sei eine Umsetzung der Erregungsimpulse in Handlungen nicht mçglich. Die Erregung nehme somit einen regressiven Verlauf, vermutet Solms. In zwei Schritten wrden zunchst die hçher organisierten Teile des Wahrnehmungsapparates aktiviert, welche vor allem dem Gedchtnis und dem abstrakten Denken dienten, anschließend die weniger hoch entwickelten Bereiche, welche am Zustandekommen konkreter Wahrnehmungsbilder beteiligt seien. Da das reflexive Denken ebenfalls außer Kraft gesetzt wre, kçnne der Trumer diesen regressiven Prozess, in dem er zwar »wahrnimmt, aber nicht handelt, nicht von der tatschlichen (ußeren) Realitt unterscheiden. Durch die Hemmung der frontalen Region des limbischen Systems werde das imaginierte Geschehen unkritisch akzeptiert und fr reale Wahrnehmung gehalten. Ob bestimmte Bereiche des Gehirns aktiv oder inaktiv sind, werde aus den Auswirkungen erschlossen, die nach bestimmten, umschriebenen Verletzungen des Hirngewebes hinsichtlich der subjektiv berichteten Traumerinnerungen auftreten. Die empirische Grundlage hierfr sind umfangreiche neuropsychologische Untersuchungen von Menschen mit fokalen Hirnlsionen, die nach dem Prinzip der »dynamischen Lokalisation« von Luria (1973) erfolgen. Lurias Methode beruht auf einem zweistufigen Ansatz. Zunchst ist danach zu suchen, bei welchen Lsionen des Gehirns berhaupt irgendwelche Stçrungen (hier: des Traumerlebens) klinisch beobachtet werden kçnnen. Danach erfolgt die genaue Analyse der vielfltigen Stçrungsbeschreibungen, die mit den verschiedenen Lsions-Lokalisationen korrelieren. Mit dem gemeinsamen psychologischen Nenner der Stçrungen, die bei gleichartigen klinischen Fllen mit Lsionen in einer bestimmten Hirnstruktur herauszuarbeiten sind, kann die betrachtete neuroanatomische Struktur funktionell beschrieben und die gemeinsame Stçrung »funktionell lokalisiert« werden. Diese systematische Vorgehensweise fhrte zu sechs »Syndromanalysen« von
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Traumstçrungen, der sechs unterschiedliche Lsionstypen auf hirnstruktureller Ebene zugeordnet wurden: Kaplan-Solms und Solms berichten von sechs Syndromen, die zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Traumttigkeit fhrten. Lagen die Verletzungen im rechten oder linken Parietalbereich des Kortex oder bilateral im weißen Marklager in der ventromesialen Region, fhrte dies zu einem vçlligen Verlust der Traumttigkeit.1 Bei Verletzungen der ventromesialen occipito-temporalen Region berichteten die Patienten nichtvisuelle Trume, hingegen fhrte eine Verletzung des Hirngewebes in frontalen limbischen Region zu Schwierigkeiten in der Unterscheidung zwischen Traum und Realitt (Verlust der Realittsprfung), bei Verletzungen der temporalen limbischen Region jedoch tauchten wiederholt Alptrume auf. Fr Solms sind diese Befunde heutiger neurowissenschaftlicher Untersuchungen kompatibel mit verschiedenen Annahmen Freuds ber die Traumentstehung. Freuds Modell kçnne somit als Grundlage beziehungsweise Hypothesenlieferant fr weitere neurowissenschaftliche Forschungen dienen. Mit einer eigenen Untersuchung, wird genau jenes Ziel verfolgt: die Inbezugsetzung von Freuds Traumtheorie zu dem Traumgenerierungsmodell von Solms, aufgrund von Daten, die mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie von Aktivierungsprozessen im Gehirn whrend des Schlafens und Trumens erhoben werden. Aufbauend auf den Methoden der Positronenemissionstomographie (PET) soll mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (FMRT), die mit hçherer rumlich-zeitlicher Auflçsung kontinuierliche Messungen zulsst, zunchst untersucht werden, ob und wie sich der Wachzustand vom Schlafzustand unterscheidet und wie sich unterschiedliche Schlafstadien abbilden. Differenziert und neurophysiologisch abgrenzt werden sollen Schlafphasen mit und ohne Traumerinnerung sowie REM-Schlafphasen (Rapid Eye Movement) von anderen Schlafphasen (mit und ohne Traumerinnerung). Neben der strukturellen Bildgebung ermçglichen Verfahren der Magnet1
Zumindest konnten sich die Patienten nicht mehr an mçgliche Trume erinnern.
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resonanztomographie (MRT) auch funktionelle Untersuchungen zerebraler neuronaler Aktivierung. Weil Schlafende nicht in der Lage sind, psychische Zustnde kontrolliert herzustellen, wird als objektive Kontrolle fr das (passive) Eintreten der quasi-experimentellen Bedingungen whrend der FMRT-Messungen gleichzeitig der Schlafverlauf polygraphisch (EEG, EMG, EOG) aufgezeichnet. Durch systematisches Wecken und unmittelbares Befragen werden das Vorhandensein und die psychologische Qualitt eines Traumes auf der subjektiven Ebene gesichert. Ziel ist es, neurophysiologische Erkenntnisse ber die Traumentstehung zu gewinnen und zu prfen, ob sich die von Kaplan-Solms und Solms (2000) entworfenen neuropsychologischen Modellvorstellungen zur Traumdynamik (und damit wesentliche Aspekte der psychoanalytischen Traumtheorie von Freud) mit den Befunden vereinbaren lassen. In dem »Aktivierungs-Synthese-Modell« von McCarley und Hobson (1975, 1977, 1988, 1999) wurde die Auffassung, Trume seien sinnvolle psychische Prozesse, fundamental in Frage gestellt. ber drei Jahrzehnte lang dominierte diese Theorie die wissenschaftlichen Diskussionen in diesem Feld. Darin wird postuliert, dass der REM-Schlaf und die Traumaktivitt durch Zellaktivitten in der Ponsregion determiniert sind. Bedeutungslose Aktivierungen wrden von den hçheren Hirnregionen in zuflliger Weise interpretiert. Trume seien daher »the best of a bad job from the noisy signals sent up from the brain stem« (Hobson u. McCarley, 1977, S. 1347). Durch diese Theorie schien die Freud’sche Traumdeutung eindeutig widerlegt. Inzwischen hat Hobson selbst seine Auffassung revidiert und die Bedeutung von Trumen fr tiefenpsychologische Vorgnge anerkannt (Hobson et al., 1998). Wenn in Trumen ein Sinn oder ein Plan aufscheine, so deshalb, weil den chaotischen neuronalen Signalen eine Ordnung aufgezwungen worden sei, in der sich die persçnliche Sicht der Welt des betreffenden Individuums spiegele, die in Zusammenhang stehe mit »fernen Erinnerungen«. Ein weiteres, alternatives Erklrungsmodell, das ebenfalls die Freud’sche Traumtheorie in Frage stellte, wurde von Crick und Mitchison (1983) vorgelegt. Verkrzt zusammengefasst postulierten sie, Trumen sei »umgekehrtes Lernen«, oder anders formuliert: sortiertes Vergessen. Wie Hobson und McCarley nahmen sie an, dass der
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Neocortex einem ›Zufallsbombardement‹ von PGO Wellen (pontogeniculo-occipital waves) ausgesetzt sei. Dadurch wrde die Speicherung relevanter Gedchtnisinhalte gefhrdet. Nach Crick und Mitchison diene der REM-Schlaf dazu, »unechte Assoziationen«, die durch die Reizberflutung im Kortex evoziert wrden, regelmßig zu lçschen und dadurch zu einem geordneten Umgang mit Gedchtnisinhalten beizutragen. Trume seien Ausdruck von solchen stçrenden, »parasitischen« Gedankenverbindungen, von denen sich das Gedchtnis unbedingt wieder befreien msse. Auch Crick und Mitchison (1986) haben inzwischen ihre These eingeschrnkt: sie gelte nur fr bizarre Trume. Allerdings legten sie keine alternative Erklrung fr »sinnvolle Trume« vor. Doch trugen sie durch ihre vermehrte Vorsicht dazu bei, dass auch die experimentelle Traumforschung sich wieder den Inhalten von Trumen und deren mçglicher Bedeutung zugewendet hat. Gegen das »Aktivierungs-Synthese-Modell« wurden von Solms (2000) wesentliche Argumente vorgebracht, die mit empirischen Befunden aus der Forschung im Schlaflabor und durch neuropsychologische Beobachtungen begrndet werden. Die Gleichsetzung von REM mit Traum muss hinterfragt werden. Zwar berichten Versuchspersonen in 70 bis 95 % der REM-Weckungen Trume und nur in 5 bis 10 %, wenn sie in NREM-Schlaf (Non Rapid Eye Movement) aufgeweckt werden, doch stellte schon Foulkes (1962) fest, dass 50 % der Versuchspersonen traumhnliche Berichte nach NREM-Weckungen erzhlten, falls sie gefragt wurden: »Was ging Ihnen gerade durch den Kopf« und nicht: »Haben Sie getrumt?«. Daher liegt nahe, dass nicht dichotom zwischen Traumttigkeit whrend REM und fehlendem Trumen in NREM unterschieden werden kann, sondern von einer Variablitt in und zwischen den verschiedenen Schlafphasen auszugehen ist (vgl. dazu unter anderem Cavallero et al., 1992, S. 56). Es erscheint heute fraglich, exakt definierte bio-physiologische Zustnde des Gehirns anzunehmen, die mit entsprechenden neurokognitiven Prozessen einhergehen (vgl. Nielsen 2003). Stattdessen kann man annehmen, dass es sich bei NREM- oder REM-Schlaf nicht um scharf abgrenzbare Funktionszustnde im Gehirn handelt, sondern dass man es bei den einzelnen Schlafphasen mit einem Kontinuum im Sinne eines Mehr oder Weniger zu tun hat, also auch im NREMSchlaf REM-Merkmale vorkommen kçnnen. Folgt man Nielsen,
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kçnnen unterschiedliche Hirnstrukturen unterschiedliche Merkmale zum Traumgeschehen beitragen. Dass das Traumerleben in verschiedenen Schlafstadien qualitativ dieselben Eigenschaften aufweisen soll, erwiese sich vor diesem Hintergrund als ein Uniformittsmythos. Nielsen (2003) hat verdeckte REM-Aktivitt auch im NREM-Schlaf als Erklrung fr Traumaktivitt whrend des gesamten Schlafes vorgeschlagen, und auch Vertes und Eastman (2003) gehen von einer generellen mentalen Aktivitt whrend des Schlafes aus, die als Trume erfahren werden kann. Modelle, welche Trume und REM-Schlaf als getrennt konzeptualisieren, erscheinen angesichts dieser Befunde als unterkomplex. Dies wird durch weitere Befunde gesttzt. So berichten 50 bis 70 % der Versuchspersonen Traumberichte, wenn sie wenige Minuten nach Schlafbeginn aufgeweckt werden (Foulkes u. Vogel, 1965; Foulkes et al., 1966; Vogel et al., 1972). Kondo et al. (1989) konnten feststellen, dass NREM-Trume bezglich Lnge und Hufigkeit kurz vor dem morgendlichen Aufwachen zunehmen, was auf spezifische Traumgenerierungsmechanismen im NREM-Schlaf hinweist. Die Hypothese, dass REM-Schlaf und Traum durch Aktivitten in unterschiedlichen Hirnregionen determiniert werden, kann neuropsychologisch durch Lsionsstudien berprft werden. Es ist bekannt, dass die Zerstçrung der Pons-Region bei niederen Sugetieren zu einem Verschwinden von REM fhrt (Jones, 1979). Obwohl solche Experimente bei Menschen nicht durchgefhrt werden kçnnen und Tiere keine Aussagen machen, ob und was sie trumen, erlaubt die Untersuchung der Folgen zerebraler Lsionen hier weitere Erkenntnisse. Solms (2000) berichtet von 26 Patienten, die schwere Lsionen in der Pons-Region erlitten, mit der Folge eines fast vollstndigen Verlustes des REM-Schlafes. Auffallenderweise berichtete nur einer der 26 Patienten, dass er nicht mehr trume (Feldman, 1971). Im Gegensatz dazu sind in der Literatur2 110 Patienten dokumentiert, die einen totalen Verlust des Trumens berichteten, keine Schdigungen in der Pons-Region, sondern in der tiefen vetromesialen Frontalregion aufwiesen aber weiterhin ber REM-Schlaf verfgten. Diese Befunde lassen den Schluss zu, dass REM-Schlaf und Traum durch unterschiedliche Hirnregionen de2
Fr eine umfangreiche Bibliographie siehe Solms 1997.
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terminiert sind. Nach Solms (2000) lsst sich diese Tatsache gut mit Freuds Traumtheorie in bereinstimmung bringen. So bleiben Trume vollstndig aus, wenn Schdigungen in der ventromesialen Frontalregion vorliegen, einer Region, die normalerweise die Funktion hat, das zielgerichtete, appetitive Interaktionsverhalten des Organismus mit seiner Umwelt zu organisieren. Sie ist zustndig fr die Suche nach einem ußeren Objekt, das innere biologische Bedrfnisse des Individuums befriedigen kçnnte (analog zum Freud’schen libidinçsen Triebwunsch, vgl. Panksepp, 1985, S. 273, 1998). Aufgrund der syndromanalytischen Befunde bei spezifischen Hirnlsionen entwickelte Solms ein Prozessmodell eines dynamischen Systems der Traumentstehung, an dem verschiedene Hirnregionen beteiligt seien. Ausgangspunkt fr das Trumen ist ein erregender Reiz, der zum Beispiel im ventralen Mittelhirn oder in der temporal-limbischen Region seinen Ursprung haben kann. Eine wahrscheinliche Trigger-Region ist auch die Pons-Region, die den REM-Schlaf generiert, der mit starker Traumttigkeit gekoppelt ist. Alle Reize, die das schlafende Gehirn erregen, kçnnen potentiell einen Traum auslçsen. Die Tatsache, dass nur tiefe bi-fronto-ventromesiale Marklagerlsionen zu einem vçlligen Ausfall des Trumens fhren, lsst vermuten, dass diese Region, die zum Motivationssystem gehçrt, eine Zentralfunktion im Traum-System hat. Erregende Reize whrend des Schlafes fhren wahrscheinlich nur dann zu Trumen, wenn sie das motivationale System aktivieren kçnnen, das auch fr die Initiierung von Aktivitt im Wachzustand zustndig ist. Da die motorische Umsetzung der Aktivitt im Schlaf nicht mçglich ist (Hemmung der »output channels« und der entsprechenden frontalen Bereiche, die Planung und willentliche Handlung bestimmen), mndet die nun motivierte Aktivitt ersatzweise in einen »Wahrnehmungsprozess«, der sich in der visuell-rumlichen Modalitt entfaltet und zu Traumbildern fhrt. Da im Schlaf die Realittsprfung eingeschrnkt ist (frontal-limbisch), kann der Traum nicht als Trugwahrnehmung erkannt werden. Durch rckwrtige Projektionen auf den Bereich des primren visuellen Systems endet der Prozess in einem vermeintlich konkreten Wahrnehmungserlebnis. Dieses dynamische Modell der zerebralen Traumgenerierung kann als Bindeglied zwischen psychologischen
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und neurophysiologischen Denkweisen dienen und erscheint auch geeignet, um die Grundannahmen der psychoanalytischen Traumtheorie angemessen in eine neurodynamische Sprache zu bersetzen. Es ermçglicht die Bildung von Hypothesen, die empirisch mittels FMRT berprft werden sollen. In einer ersten explorativen Untersuchungsserie ohne EEG-Ableitung gelang es, dass vier von sechs Versuchspersonen unter den Bedingungen des FMRT einschliefen, um nach der gezielten Weckung einen Traum zu berichten. Der bergang vom Wachzustand zum Schlaf wurde durch eine kontinuierliche manuelle motorische Aufgabe sowie durch Befragung nach dem Versuchsende kontrolliert. Die aus diesen Vorversuchen gewonnenen Ergebnisse werden in einem exemplarischen Beispiel (Abb. 13) zu heuristischen Zwecken dargestellt.
Abbildung 13: FMRT-Signalverlaufskurve (rechte Abb.) in einer rechtsparietalen »Region of Interest« (links, heller Rahmen). Der Proband war bei Messung 68 eingeschlafen. Das Signal fllt vor dem Einschlafen ab Messung 41 langsam ab. Unmittelbar nach dem Einschlafen ist ein starker Anstieg zu verzeichnen. – Das in Abbildung 13 dargestellte Bild und die FMRT-Auswertungen wurden von Dr. M.-O. Russ, Klinik fr Neurologie, Klinikum der J.W. Goethe-Universitt, Frankfurt/Main angefertigt.
Zu fragen wre, ob in diesem langsamen Abfall und in dem abrupten, starken Anstieg ein typischer Signalverlauf fr den bergang vom Wachzustand in den Schlafzustand gesehen werden kann. Auch in den anderen drei Fllen ergaben sich hnliche Verlaufsbilder. Eine ent-
Versuchsplanung und experimentelles Design
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sprechende Hypothese wird Gegenstand des geplanten Programms sein. In der geplanten Untersuchung sollen die folgenden Fragestellungen untersucht werden: 1. Wie unterscheiden sich Wach- und Schlafzustand im FMRTAktivierungsbild? 2. Lassen sich unterschiedliche Schlafstadien im FMRT-Aktivierungsbild unterscheiden, wobei die verschiedenen Schlafstadien im co-registrierten EEG identifiziert werden? 3. Welche raum-zeitlichen zerebralen Aktivittsverteilungen gehen mit Traumaktivitt einher im Vergleich zu zerebralen Aktivittsverteilungen im Schlaf ohne Traum? 4. Finden sich Unterschiede in der raum-zeitlichen zerebralen Aktivittsverteilung bei trumenden Versuchspersonen im REMSchlaf und NREM-Schlaf ? 5. Sttzen oder widerlegen die FMRT-Befunde das Modell von Kaplan-Solms und Solms (2000) zur neurodynamischen Lokalisation des Traumprozesses und damit auch Basisannahmen der Traumtheorie von Sigmund Freud?
4.1
Versuchsplanung und experimentelles Design
Bei der Versuchsplanung gab es bestimmte Besonderheiten, welche das Design beeinflussten. Diese hingen mit dem Schlaf-Setting, der eingeschrnkten Bewegungsmçglichkeit im Scanner, der Bedingungskontrolle, der Scanner-Technik und mit den Auswertungs-Algorithmen (Software) der erhobenen Daten zusammen. Nach ersten Erfahrungen mit Probanden, die versuchten, im Scanner einzuschlafen, sind Schlafzeiten von ber einer Stunde nur schwer zu realisieren. Deshalb wurde die Untersuchungszeit auf sechzig Minuten begrenzt. Der Scanner (Siemens Magnetom Vison) erlaubt mit der EPI-Mosaic-Sequenz (Matrix 64x64) und durch Speicher-Limitierungen auf etwa 1000 kontinuierliche Messungen (mit 26 Schichten, die das ganze Großhirn und den Hirnstamm abdecken) nur eine begrenzte Messdauer. Bei einer Messwiederho-
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lungsfrequenz (TR) von fnf Sekunden bençtigt die Bildakquisition zwei Sekunden. In sechzig Minuten erfolgen somit 3600/5 = 720 Messungen mit je 26 Bildern (= 18.720 Bilder pro Session). Es wurden folgende experimentelle Bedingungen, deren Einfluss auf das raum-zeitlich sich ber sechzig Minuten verndernde MRTSignal (abhngige Variable) geprft werden soll, definiert: – Wachzustand (entspanntes, schlafbereites Liegen im Scanner), – Einschlafen (bergangsphase vom Wachen zum Schlafen, EEG/ Polygraphie), – Schlafen mit subjektiv besttigter Traumaktivitt nach Weckung aus REM, – Schlafen mit subjektiv besttigter Traumaktivitt nach Weckung aus NREM, – Schlafen ohne subjektiv besttigte Traumaktivitt nach Weckung, – REM-Schlaf (Nachweis von Rapid Eye Movements, EEG / Polygraphie), – NREM-Schlaf (Schlafen ohne REM, EEG/Polygraphie). Durch die Begrenzung der Messzeit im Scanner auf sechzig Minuten, betrachteten wir die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der quasi-experimentellen Bedingungen (bestimmtes Schlafstadium) whrend dieser Zeit als relativ gering. Auch war davon auszugehen, dass das Einschlafen nur bei einem Teil der Versuchspersonen unter Scannerbedingungen eintreten wrde. Somit wird die Versuchsanordnung nur dann sinnvoll, wenn durch geeignete Vorbereitung der Versuchspersonen die Eintretenswahrscheinlichkeiten des Einschlafens deutlich erhçht werden kann. Dies sollte durch einfachen Schlafentzug, die Gewçhnung an das Setting (mit Scanner-Gerusch und Lagerungshilfen) und durch gezielten REM-Schlaf-Entzug erreicht werden. Erst wenn die verschiedenen Schlaf- und Traumbedingungen in den notwendigen Hufigkeiten, die fr eine Gruppen-Statistik notwendig sind, tatschlich auftreten, waren folgende Hypothesen in Gruppenvergleichen zu prfen: Kommt es zu einem Wechsel vom Wach- zum Schlafzustand (Kontrast: Wachzustand versus Schlaf ) dann kçnnte dieser Wechsel mit einer signifikanten nderung des Aktivierungsmusters verbunden sein. Falls sich die Probanden nach der Weckung an einen Traum erinnern, dann kçnnte deren gemitteltes »Schlafmuster« sich signifi-
Versuchsplanung und experimentelles Design
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kant vom Schlafmuster der Probanden unterscheiden, die nach der Weckung keinen Traum erinnern kçnnen (Kontrast: Schlaf mit Traum [REM beziehungsweise NREM] versus Schlaf ohne Traum). Neben den Vergleichen der Muster zwischen Wach- und Schlafzustand, interessieren auch die Vergleiche zwischen REM-Schlaf und NREM-Schlaf. Unterscheiden sich hier die Aktivierungsmuster signifikant voneinander (Kontrast: REM-Schlaf versus NREMSchlaf )? Auch hier ist eine Differenzierung nach Schlafphasen mit und ohne anschließende Traumerinnerung mçglich. Ein Vergleich soll zeigen, ob sich die Aktivierungsmuster bei REM-Schlaf-Traum (Traumbericht bei Weckung in REM) und NREM-Traum (Traumbericht bei Weckung in NREM) signifikant unterscheiden (Kontrast: REM-Traum versus NREM-Traum). Schließlich soll geprft werden, ob die von Kaplan-Solms und Solms (2000) aufgestellte »neurodynamische« Traumtheorie mit den Befunden zu vereinbaren ist, die sich in der FMRT-Analyse der mit Schlafphasen und Trumen korrelierten zerebralen Aktivittsnderungen ergeben. Diese Theorie beschreibt, wie oben dargestellt, im Wesentlichen eine raum-zeitliche Abfolge von zerebraler Erregung im System der am Trumen beteiligten Hirnstrukturen. Um eine solche Theorie zu prfen, sind Verlaufsgestalten von Erregungsmustern darzustellen, wie sie mit der zeitlichen Entfaltung eines Traumprozesses einhergehen. Ob dies auf der Grundlage von gemittelten Gruppendaten mçglich ist, soll erkundet werden. Teilfragen der Theorieprfung sind mit den obigen Hypothesen bereits miterfasst, vor allem die Frage, ob die von den Autoren beschriebenen Strukturen (Systemteile) tatschlich im Aktivierungsbild der Traumbedingungen prgnant beteiligt sind. Hier kann auch zwischen qualitativen Merkmalen der Trume unterschiedlich ausgewertet werden. So kçnnen Aktivierungsbilder nach eher gedanklichen Traumerinnerungen mit solchen nach eher bildhaften Traumerinnerungen verglichen werden. Ebenfalls bietet sich dieser Vergleich fr bizarre versus geordnete Traumerinnerungen an. Schließlich lsst sich ber den zeitlichen Verlauf einer Messreihe fragen, ob sich bei wiederholten Traumphasen die Aktivierungsmuster der unterschiedlichen Traumphasen voneinander differenzieren lassen.
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4.2
4 Untersuchungen von Gehirnaktivitt und Traumerleben
Versuchsplan fr die Gruppen- und Einzelfallanalysen
Der experimentelle Versuchsplan ist hier, nicht zuletzt aufgrund des nicht kontrollierbaren Eintritts der abhngigen Variable, als »QuasiExperiment« zu bezeichnen (vgl. Winer, 1972). Dies bedeutet nicht, dass die Untersuchung nicht als wissenschaftlich zu bezeichnen wre. Es gibt zahlreiche Fragestellungen in den Naturwissenschaften, die sich nur auf diesem Wege untersuchen lassen (zum Beispiel: Meteorologie, Erdbebenforschung, Astronomie). Auf die geplanten Untersuchungen bezogen bedeutet quasi-experimentell, dass erstens die Bedingungen nicht willkrlich herzustellen sind und dass zweitens eine Zuordnung der Versuchspersonen zu den Bedingungen und Vergleichsgruppen nicht randomisiert, sondern nur post-hoc erfolgen kann. Es werden insgesamt sieben Vergleichsgruppen gebildet, die den sieben definierten Bedingungen entsprechen. Die Hypothesen werden jeweils als Vergleich zwischen zwei dieser Gruppen und in einem mehrfaktoriellen Design (MANOVA) auf der Ebene von »Regions-of-Interest« statistisch geprft. Bei einer relativ großen Anzahl (n > 100) von Personen soll folgendermaßen vorgegangen werden, um die Gruppen im notwendigen Umfang gewinnen zu kçnnen: Die Versuchspersonen werden unter anderem durch Schlafentzug so vorbereitet, dass sie, trotz des lauten Messgerusches in der Scannerrçhre, wahrscheinlich einschlafen werden, was auch die Mçglichkeit erhçht, dass die oben genannten sieben Bedingungen innerhalb der Untersuchungszeit von einer Stunde bei ihnen eintreten. Nicht-Schlafen fhrt zum Ausschluss der Versuchsperson. Durch die parallel zur FMRT-Messung stattfindenden EEG-Ableitungen kann simultan das Schlafstadium bestimmt und durch anschließende Weckung und Befragung geprft werden, ob eine oder mehrere der Bedingungen tatschlich eingetreten sind. Jede Versuchsperson wird post-hoc der Gruppe zugeordnet, die durch das gemeinsame Merkmal einer bestimmten Bedingung (Schlaf, Wach, NREM etc.) gebildet wird. Hierbei sind Zuordnungen zu mehreren Bedingungen mçglich. So wird zum Beispiel eine Versuchsperson, die eingeschlafen ist und nach der Weckung eine
Ablauf der Untersuchungen
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Traumerinnerung berichtet, ohne jedoch nach EEG-Monitoring in eine REM-Phase gekommen zu sein, in die Gruppen »Eingeschlafen« und »NREM-Traum« eingeordnet. Andere Kriterien gelten fr die Prfung der Hypothesen, die eine genaue Beobachtung von Einzelfllen erfordern. Fr diesen Teil der Untersuchung werden »Experten-Versuchspersonen« eingesetzt, die sich professionell mit der Erfassung und Analyse von Trumen beschftigen und die bereit sind, sich mehrfach in die Experimentalsituation zu begeben. Es sollen etwa 10 Versuchspersonen dieser Gruppe untersucht werden, die fr lngere Zeiten (bis zu 2 Stunden) im Scanner liegen und whrend des fortlaufenden Schlafes wiederholt geweckt und befragt werden sollen.
4.3
Ablauf der Untersuchungen
Bei jeder Versuchsperson werden folgende Daten erhoben: Alter, Geschlecht, Beruf, Traumerinnerungsfhigkeit im Alltag, das Polygraphie-Protokoll (Versuchsbeginn, Sleep-Onset, Schlafstadien, Weckzeitpunkt) und das Traumprotokoll (Traumzeiten, Interview, Traumtexte, Beurteilung des Interviews). Der Versuchsleiter erstellt eine ausfhrliche Dokumentation der Versuchsdurchfhrung, in der Besonderheiten aller Art (Gerusche, technische Probleme, Unterbrechungen usw.), aber auch persçnliche Eindrcke, etwa ber die Interaktion mit den Probanden, festgehalten werden. In der Zeit zwischen 22 bis 24 Uhr erfolgen die FMRT-Untersuchungen im Institut fr Neuroradiologie. Zuvor sind die Vorbereitungen fr das EEG (EOG, EMG) notwendig, das whrend der Messungen aufgezeichnet werden soll.3 3
Die Signalbertragung zwischen dem Vorverstrker, der sich direkt am Kopf der Versuchsperson im Scanner befindet, und dem EEG-Rechner im Vorraum erfolgt ber Lichtwellenleiter. Die 32 Elektroden sind in einer Haube zusammengefasst, und die von den Elektroden abgehenden Drhte sind verdrillt, um Pulsationsartefakte zu minimieren. Nach dem Aufsetzen der Haube werden fr alle Elektroden die Impedanzen optimiert. Zustzlich werden die Elektroden fr das EOG und das EMG angebracht, bevor die Versuchsperson in den Scanner gefahren wird. Dies erfolgt erst, nachdem der Kopf ausgerichtet ist.
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4 Untersuchungen von Gehirnaktivitt und Traumerleben
Nach Abschluss der Vorarbeiten fr die Polygraphie-Aufzeichnung, beginnen die Vorbereitungen fr die FMRT-Messungen. Aus den Vorversuchen sind Probleme bekannt, die sich aus Bewegungen ergeben, die im Einschlafmoment und whrend des Schlafes physiologisch unvermeidbar sind. Es sind deshalb zustzliche Vorkehrungen notwendig, um den Kopf zuverlssiger zu stabilisieren. Zu diesem Zweck wird jedem Probanden eine individuelle Kopfschale angepasst. Nach Optimierung der Lagerung wird die Messposition im Scanner angesteuert, und das EEG (nun im Magneten aufgenommen) kann berprft werden. Die Raumbeleuchtung wird reduziert, und nach einigen Minuten der Ruhe beginnt die Messung, die fortlaufend bis zu maximal eine Stunde luft. Gegen den Lrm des Scanners schtzen Ohrstçpsel. Am EEG-Monitor wird verfolgt, ob die Versuchsperson berhaupt einschlft und in welchem Schlafstadium sie sich im positiven Fall befindet, bevor eine Weckung erfolgen kann. Den beschriebenen experimentellen Bedingungen werden folgende Polygraphie-Indikatoren zugeordnet (vgl. Rechtschaffen u. Kales, 1968), bei deren Vorliegen die gezielte Weckung erfolgen wird: – Wachzustand, entspanntes, schlafbereites Liegen im Scanner: Rhythmische, charakteristische Alpha-Aktivitt im EEG (8 – 13 Ausschlge pro Sekunde). – Einschlafen, bergangsphase vom Wachzustand zu Schlafstadium: S1 – Auftauchen von vertex sharp waves (3 bis 7 Ausschlge pro Sekunde); langsame, rollende Augenbewegungen im EOG. – Schlafen mit/ohne Traumbericht nach Weckung aus S2 (NREM): Sicherer Indikator fr Sleep-Onset ist das Erreichen von Schlafstadium S2. Da die Hintergrundaktivitt im EEG in S2 der in S1 oft hnelt, werden zwei charakteristische Merkmale fr das Vorhandensein von S2 vorausgesetzt : das Auftauchen von Schlafspindeln und K-Komplexen. – Schlafen mit/ohne Traumbericht nach Weckung aus REM : Nach dem Durchlaufen von Schlafstadium S3 und S4 (Vorhandensein von hochamplitudigen [> 75 Mikrovolt] und langsamen Frequenzmustern [2 Ausschlge pro Sekunde oder langsamer, Dann werden die Kabel an den Vorverstrker angeschlossen, der sich in Kopfnhe befindet. Damit sind die Voraussetzungen fr die EEG-Aufzeichnung geschaffen, und das Kurvenbild kann am Monitor kontrolliert werden.
Ablauf der Untersuchungen
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Delta-Aktivitt] in 20 – 50 % [S3] beziehungsweise in mehr als 50 % [S4] einer Epoche) ist mit dem Auftauchen von REMSchlaf zu rechnen. Die Indikatoren hierfr sind : Verminderung des Muskeltonus im EMG bei gleichzeitigem desynchronisiertem EEG (geringe Amplituden bei gleichzeitig hoher Frequenz) und vor allem dem Auftauchen von schnellen Augenbewegungen im EOG. Lsst sich im EEG einer der Indikatoren ber lngere Zeit (zehn Minuten) sicher identifizieren, wird die Messung beendet, die Versuchsperson geweckt und aus der Rçhre herausgefahren. Noch am MR-Gert liegend, wird die Versuchsperson gebeten, erinnerbare Schlafmentationen zu berichten (Tonbandaufzeichnung). Weitere Explorationen zu den erhaltenen Traumprotokollen kçnnen im Anschluss erfolgen. Bei den Einzelfallstudien ndert sich der Ablauf wie folgt: Hier werden die Versuchspersonen zwar in der gleichen Weise vorbereitet (Polygraphie und Lagerungshilfen), sie sollen dann aber ber einen Zeitraum von bis zu zwei Stunden im Scanner schlafen (kontinuierliche Messungen und Polygraphie-Aufzeichnung). Je nach Versuchsbedingung werden Weckungen und Traumbefragungen (nach REM oder NREM) erfolgen; nach der Schlafunterbrechung werden diese Personen aber versuchen wieder einzuschlafen. Auf diese Weise sollen einige Einzelfall-Schlafverlufe im MR-Scanner aufgezeichnet werden, um unterschiedliche Schlaf- und Traumphasen in der zeitlichen Abfolge kontinuierlich abzubilden. Diese Vorgehensweise mit Schlafunterbrechungen enthlt das methodische Problem, dass Bedingungseffekte mit Sessionseffekten kontaminiert und letztlich mit statistischen Mitteln nicht trennbar sind. Zu heuristischen Zwecken erscheint dieser Ansatz bei einer Teilgruppe von Untersuchungen jedoch Erfolg versprechend. In den ersten Vorversuchen ist es mehreren Probanden gelungen, trotz der starken Lrmbelstigung durch das Scanner-Messgerusch einzuschlafen. In den ersten Versuchen wurde das Eintreten des Schlafzustandes durch eine leicht durchzufhrende manuelle Aufgabe kontrolliert. Die Versuchspersonen sollten die Spitze eines Glasfaserstabs kontinuierlich drehen, wodurch eine Cursorbewegung auf einem Kontrollmonitor ausgelçst wurde. Schliefen die Probanden
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ein, entglitt ihnen durch den verringerten Muskeltonus der Stab, wodurch die Cursorbewegungen aufhçrten. Bei einer Probandin war dies im Laufe der Messungen sechsmal der Fall. Sie berichtete nach Beendigung der Messungen im Interview, dass sie das Gefhl hatte, mehrfach eingeschlafen zu sein. Sie konnte sich an mehrere Trume erinnern, von denen drei hier exemplarisch wiedergegeben sind. Traum 3: Eine Landschaft mit Bumen, lauter bizarre Formationen. Traum 4: Ich bin in einer Raumkapsel. Es sieht aus wie bei Astronauten in Raketen. Traum 5: Eine Maschine, die Schmuck herstellt. Die hat so Goldzacken getackert und oben drauf waren Rubine.
Die hier aufgefhrten Trume und noch zwei weitere wurden alle innerhalb von zwanzig Minuten getrumt. Die Probandin berichtete von »fnf-sechs Sequenzen« in der zweiten Hlfte der Untersuchung, in denen sie das subjektive Gefhl hatte, eingeschlafen zu sein. Diese Angaben stimmen auch zeitlich mit dem Ausbleiben der Cursorbewegungen berein. Wenn man davon ausgeht, dass es sich hier um Trume nach dem Einschlafen handelt, dann fllt auf, dass sie sehr kurz sind. Dies kann natrlich am stçrenden Scannergerusch liegen, das sich immer wieder bemerkbar machte und fr das Aufwachen sorgte, so dass sich das Traumgeschehen nicht entwickeln konnte. Die Probandin berichtete auch, dass die Bilder immer wieder die Gerusche »weggedrngt« htten. Andererseits sind Einschlaftrume typischerweise nur kurz, sie bestehen aus wenigen, nicht storyhaft miteinander verknpften Bildern, erscheinen oft wie Assoziationen, die einen Eindruck aus dem Wachzustand aufnehmen und wieder darstellen. Eine wichtige Aufgabe des Traums, belastende Situationen zu verarbeiten, spiegelt sich auch in den Trauminhalten der Einschlaftrume wider (was auch fr die ersten beiden hier nicht berichteten Trume der Probandin zutrifft). Die Probandin setzt sich, so kçnnte man vermuten, mit der »bizarren«, unvertrauten Untersuchungssituation auseinander. Ihre Position im Scanner kçnnte, als Raum-
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fahrerbild verwandelt, im Traum dargestellt sein. Zum Schluss gelingt der Probandin, mit dem Bild der Maschine, die den Schmuck herstellt (tackert), eine Verbindung zwischen Messgerusch und einem angenehmen, mçglicherweise attraktiven Vorstellungsbild (Schmuck mit Rubinen). Wie sehr die Untersuchungssituation und vor allem das ScannerGerusch die Probanden beeinflussten, zeigt das folgende Beispiel. Ein Proband trumte, whrend er im Scanner lag: »Ich lag am Strand unter einer Palme. Ich konnte meine Zehenspitzen und das blaue Meer und den blauen Himmel sehen. Es war warm und das Meer war ruhig.«
Zunchst erscheint dies als ein wunderbarer Urlaubstraum und es ist wenig deutlich, was der Traum mit der Laborsituation zu tun hat. Aber die liegende Position, in der sich der Trumer im Traum befindet und der Blick auf die Zehenspitzen, verweisen auf die Versuchssituation, denn dies war przise die Liegeposition, welche die Probanden whrend des Versuchs einnahmen. ber einen Spiegel, der vor dem Gesicht angebracht war, konnten sie aus der Scanner-Rçhre hinaus schauen. Am unteren Spiegel-Bildrand konnten die Probanden ihre Fße wahrnehmen. Der Trauminhalt zeigt ein Bild von Ruhe und Erholung, im Grunde das genaue Gegenteil der Versuchssituation. Das hmmernde Scannergerusch, alle fnf Sekunden um zwei Sekunden unterbrochen, der wegen der Aufnahmeschrfe fixierte Kopf des Probanden, das Still-Liegen fr mehr als eine Stunde in einer engen Tunnelrçhre, die EEG-Elektroden, die Erwartung der Versuchsleiter, dass der Proband einschlft und eventuell trumt, all das hat wenig mit der Traumbild-Atmosphre zu tun. Man kann annehmen, dass es sich hier um eine spontane Ver- und Umarbeitung der psychischen Situation des Probanden handelt. Das traumsteuernde Ich htte dafr gesorgt, dass, trotz der stressreichen Versuchssituation, der Proband einen Ausweg fand, mit dem Traumbild eine beruhigende und entspannende Situation zu schaffen, die der intrusiven Versuchsanordnung entgegenwirkt. Dass die Versuchssituation dennoch ihre Spuren hinterlassen hatte, berichtete der Proband nachtrglich. Zu Hause, in der gleichen Nacht, hatte der Proband folgenden Traum:
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»Es war Krieg. Ich hatte Angst. Man konnte aus der Ferne die Kampfhandlungen hçren. Es war wie Maschinengewehrgeknatter. Die Schsse waren von jenseits des Mains zu hçren« (aus dem Stadtteil, in dem die Untersuchung stattgefunden hatte).
Nachtrglich, gewissermaßen in Sicherheit, bearbeitete der Proband in einem anderen Traum das intrusive Ereignis des FMRT-Erlebnisses im Scanner. Nun ist der Traum alles andere als friedlich und beruhigend. Der Angstaffekt wird direkt benannt, das Maschinengewehrgeknatter ist als eine Abwandlung des Scannergerusches zu verstehen. Dass sich der Proband nicht mehr vor Ort befindet, sondern aus der Ferne die Kampfhandlungen hçrte, ist ein weiterer Distanzierungsversuch. Bemerkenswert erscheint die Heftigkeit, mit der das Erlebnis assoziiert wird: Krieg. Es ging faktisch um das berleben. Vor diesem Hintergrund ist der erste Traum mit dem Urlaubsbild umso bemerkenswerter als direkter Bewltigungsversuch – eine Art erste Hilfe Aktion, in der schlicht das Gegenteil der bedrngenden Situation erzeugt wird. Dass dies letztlich aber keine Bewltigung – im Sinne eines Durcharbeitens« war, zeigt der nachtrglich berichtete Traum. Der Proband greift die Situation noch einmal auf. Nun, aus sicherer Distanz, gewissermaßen im eigenen Bett, gelingt es, sich mit den unangenehmen Seiten des Erlebten auseinanderzusetzen. Das Experiment gewhrt hier gewissermaßen direkten Einblick in unbewusste psychische Verarbeitungsprozesse. Eine extraklinische, systematische Untersuchung kognitiver und affektiver unbewusster Bearbeitungsprozesse wird damit mçglich. Ein extra-klinisches Setting ist auch deshalb von Vorteil, weil hier normalgesunde Probanden und deren psychische Verarbeitungsprozesse untersucht werden kçnnen. Ohne weiter in die Traumauswertungen einzusteigen, kann an dieser Stelle auch gesagt werden, die Untersuchung von Traumerleben und die gleichzeitige Aufzeichnung von EEG-Ableitungen und von FMRT-Messungen sind mçglich. Die weiteren Untersuchungen werden zeigen, ob sich die unterschiedlichen Messungen und Erhebungen von physiologischen und psychologischen Daten verbinden lassen.
Abschließende Bemerkungen
4.4
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Abschließende Bemerkungen
Zum Schluss noch einige allgemeine Bemerkungen zur Frage der Verknpfung von neurophysiologischen und psychoanalytischen Forschungen. Die Frage, ob sich die Kluft zwischen neurophysiologischer Forschungen und psychoanalytischer Forschungen berwinden lsst, versuchen wir in einer eigenen Untersuchung nachzugehen. So ist Mancia (1999) skeptisch, wenn er zu seinem Fazit kommt, dass Psychoanalytiker an der Bedeutung von Trumen interessiert seien, und zwar im Zusammenhang mit bertragungsprozessen und der affektiven Geschichte des Patienten. Die Frage, welche Neurowissenschaftler interessiert, nmlich welche Strukturen des Gehirns bei der Generierung von Trumen beziehungsweise bei deren Erleben beteiligt sind, seien fr dieses Verstndnis nicht von Bedeutung. Eine solche Skepsis ist nicht neu, denn viele Hoffnungen, die Psychologen und Psychoanalytiker heute auf die Neuro-Wissenschaften setzen, erscheinen verfrht. Die Kenntnisse »vom Bau des Gehirns und unsere vielfltigen Spekulationen ber sein Funktionieren liefern uns bis heute keinerlei Wissen und auch keinerlei einigermaßen verlssliche Meinung, ob (und gegebenenfalls wie) die Architektonik des Gehirns und die Architektonik eines ›Seelenlebens‹ miteinander verknpft sein mçgen. Durch Erfahrung und Wissenschaft gesichert ist lediglich, dass das komplizierte Gehirnorgan insgesamt fr unser ›Seelenleben‹ (und damit Leben) ebenso kçrperliche Bedingung ist, wie die (Mehrzahl der) Sinnesorgane und das versorgende Herz-Kreislauf-System einschließlich Atemapparat und sauerund nhrstoffhaltigem Blut« (Lickint, 1996, S. 42). Auch die Hoffnungen auf die Erkenntnismçglichkeiten verschiedener neuer bildgebender Verfahren, sollten vorsichtig beurteilt werden, denn die Bilder kçnnten nur die anatomischen Durchgangsorte, so genannte »Flaschenhalsstrukturen« jener organischen und dann auch psychischen Vorgnge darstellen, die Levin (1988) und andere hier unkritisch schon »basiert« sehen. Unklar ist bis heute auch, mit welchen spezifischen psychischen Vorgngen die gemessenen Potentiale und Abstrahlungen korreliert sind. Selbst in Bezug auf die rein physiologischen und anatomischen Gegebenheiten sind die Erfassungsraster dieser Untersuchungsinstrumente unfertig, jeweils
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zeitlich und anatomisch begrenzt (Rçsler, 1997). Bei der Positronenemissionstomographie zum Beispiel, die Vorgnge im Minutenbereich erfasst, kann bis heute nicht gesagt werden, ob der gemessene erhçhter Energiebedarf durch verstrkte exzitatorische oder durch verstrkte inhibitorische synaptische Aktivitt zustande kommt (Rçsler, 1997). Psychische Prozesse nun in der Anatomie des Gehirns verorten zu wollen, erscheint zumindest aus dieser Perspektive zweifelhaft. Auch der Gedanke, wonach Psychisches als etwas kategorial Eigenes, etwas »Eigenursprngliches« (Lickint, 1996) anzusehen ist, ist nur schwer zu integrieren. Andererseits ist klar, so eigenursprnglich das Seelenleben ist, Physisches und Psychisches stehen aber in einem Wechselverhltnis zueinander und deshalb sind Untersuchungen ihrer Beziehungen auch fr die psychoanalytische Theorie und Praxis notwendig und fruchtbar. Aber fr die Fortentwicklung der psychoanalytischen Theorie sind physiologische Prozesse eher dazu geeignet, als Indikatoren oder Marker fr spezielle seelische Vorgnge zu dienen. Untersuchungen von Machleidt et al. (1989) oder von Shevrin et al. (1997) zeigen, wie gewinntrchtig solche korrelativen Vorgehensweisen sind. Aber die Physiologie allein war und ist nicht in der Lage, aus sich heraus neues Wissen ber seelische Strukturen und Prozesse zu generieren. Wann immer sich Neurowissenschaftler erfolgreich mit Korrelationen von physiologischen und psychologischen Prozessen befasst haben, untersuchten sie bewusste psychische Vorgnge. Solms (1995, 1998; Kaplan-Solms u. Solms, 2000) schlgt vor, der Neuro-Psychologie eine »Neuro-Psychoanalyse« zur Seite zu stellen, bei der Patienten mit zerebralen Schdigungen psychoanalytisch behandelt werden. Dabei geht es ihm darum, in Lsions-Symptomen nun auch unbewusste seelische Strukturen und Prozesse sichtbar zu machen. Diese Vorgehensweise verspricht große Gewinne. Zu beachten ist dabei allerdings Schilders (1925, S. 124) Erkenntnis, dass »jede organische Hirnerkrankung […] eine Abnderung der psychischen Verlufe setzt«. Das heißt, durch zerebrale Blutungen, Ischmien, Tumore oder auch operative Eingriffe entstehen psychologische Mischbilder, die sich aus organischen Folgen, deren psychischen Nachwirkungen, Ich-Defekt-Symptomen und Primrprozess-Enthemmungs-Symptomen zusammensetzen. Symptome dieser Art
Abschließende Bemerkungen
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kçnnen also nicht allein einem pathoplastischen Faktor zugeschrieben werden. Es erscheint fraglich, ob die von Solms bei einer seiner Patientinnen beobachtete zeitliche Desorientiertheit der primrprozesshaften »Zeitlosigkeit« zugerechnet werden kann. Diese Stçrung des Zeitgefhls ist ein Defektsymptom, eine organisch ausgelçste Stçrung von Ich-Funktionen und nicht das Ergebnis einer Enthemmung eines nun berbordenden primrprozesshaften Zeiterlebens. Lsionspsychologie erlaubt es auch nicht, unmittelbar auf normale Teilfunktionen des psychischen Apparates zu schließen, wie Solms das speziell im Fall der Traumbildung versucht. Organische Lsionen beeintrchtigen den psychischen Apparat als Ganzen und bewirken, wie Freud schon beobachtet hatte, dass der psychische Apparat als ein Ganzes »solidarisch« reagiert und als Ganzer die manifesten Stçrungsbilder generiert. Anders gesagt: Lsionspsychologie wre dann keine Ausfallspsychologie, sie ist Restitutionspsychologie. Festzuhalten ist, dass neuro-psychoanalytische Forschungen interessante und bedeutende Befunde erarbeitet haben. So konnte Solms aufzeigen, dass eine gute Objektbeziehung passagere Besserungen von Symptomen nach sich zieht. Dies betrifft unter anderem die Milderung von ngsten, kohrenteres Denken, die Erinnerungsleistungen sowie zeitliche und çrtliche Orientierungsfhigkeiten. Mit anderen Worten: bestimmtes Verhalten einer anderen Person in der Außenwelt vermag Funktionsausflle infolge von umschriebenen anatomischen Großhirndefekten in gewissem Umfang wieder rckgngig zu machen. Dies sind Hinweise darauf, dass psychisches Erleben nicht nur als eine Leistung des Gehirns anzusehen ist, sondern dass dazu auch Faktoren gehçren, die zur Außenwelt, zu Beziehungen und Interaktionen mit anderen Objekten verweisen.
5 Der Traum des Wolfsmannes – Forschungsund Erkenntnisperspektiven auf einen psychischen Beobachtungsgegenstand
In diesem Kapitel soll der Versuch unternommen werden, ausgehend von einem einzigen Traum, nochmals unterschiedliche Methoden an einen Untersuchungsgegenstand anzulegen, um herauszuarbeiten, welche Erkenntnisse sich gewinnen lassen, wie ein Phnomen, hier: ein Traum, durch die verschiedenen Perspektiven und Anstze und die unterschiedlichen Ergebnisse, gewissermaßen an »Schrfe« und »Dimensionalitt« gewinnt. Deshalb sollen nun einer bereits ausfhrlich diskutierten klinischen Perspektive auf den Wolfsmann-Traum und neben der Auswertung mittels des Traumgenerierungsmodells noch zwei weitere Perspektiven hinzugefgt werden, die den Wolfsmann-Traum unterschiedlich beleuchten. Zum Abschluss folgt dann der Versuch einer Bilanz. ber die Behandlung des Wolfmannes (Freud, 1918b) sind im Laufe der letzten Jahrzehnte zahlreiche psychoanalytische Arbeiten verçffentlicht worden, ohne dass das Rtsel, das in dem bekannten Traum der im Baum sitzenden Wçlfe steckt und den Freud zur Namensgebung seiner Fallgeschichte verwendete, umfassend gelçst erscheint. In den Arbeiten werden immer wieder Deutungsversuche unternommen, welche zum Ziel haben, die Fallgeschichte und Freuds Interpretationsvorschlag zu evaluieren (vgl. zum Beispiel Freud, 1918b; Brunswick, 1928; Eissler, 1953; Gardiner, 1971; Kanzer, 1980; Kanzer u. Glenn, 1980; Obholzer, 1980; Langs, 1980; Deserno, 1993; Gekle, 1993). Freud hatte versucht, die Entstehungsbedingungen neurotischer Erkrankungen im Erwachsenenalter im Kontext frhkindlicher Traumatisierungen anhand dieses Falles zu verdeutlichen. Dabei stand
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der »umgekehrte, passive dipuskomplex« im Mittelpunkt seiner berlegungen. Damit verknpft ist auch die Frage, ob der Wolfsmann-Traum als Indikator fr eine Verknpfung der aktuellen neurotischen Erkrankung mit der Beobachtung der Urszene gelten kann, denn die Abwehr von ngsten und Schrecken im Aufwachen sieht Freud als zentrale Merkmale fr die Neurose an. Ihm ging es somit auch um den Nachweis der Elemente der frhkindlichen Neurose im Traum. Es soll hier nicht versucht werden, den zahlreichen psychoanalytischen Deutungsversuchen einen weiteren zur Seite zu stellen. Und deshalb wird an dieser Stelle auch nicht auf die klinischen Aspekte der Behandlung und auf Freuds Absichten, die er mit der Verçffentlichung dieser Fallgeschichte verfolgte, weiter eingegangen. Im Folgenden soll stattdessen versucht werden, durch die Kontrastierung von Ergebnissen aus der experimentellen Traumforschung, der Entwicklungspsychologie sowie aus Untersuchungen ber die Ontogenese des Kindertraumes, ein multiperspektivisches Bild vom Wolfsmann-Traum zu entwerfen. Die einzelnen Forschungsmethoden setzen dabei auf unterschiedlichen Ebenen an und versuchen, verschiedenste Aspekte desselben Geschehens beziehungsweise desselben Materials zu erfassen. Fr den Forscher entsteht beim Vergleich der unterschiedlichen Ergebnisse ein kontrastreicher Eindruck des interessierenden Phnomens. Gleichzeitig sollen aber auch die Vorteile und die Grenzen der einzelnen Untersuchungsmethoden erkennbar werden. Die Anwendung verschiedenster Deutungs- und Auswertungsanstze trgt meines Erachtens auch zur Verbesserung und Weiterentwicklung psychoanalytischer Erkenntnisse bei und die Untersuchung des Wolfsmann-Traumes steht somit als Beispiel fr den mit dieser Arbeit vertretenen Ansatz einer multiperspektivischen, interdisziplinren psychoanalytischen Forschung. Eine wichtige Tatsache fr die Frage der Auswertung und Interpretation des Traumgeschehens ist die, dass Trume immer erst zu einem spteren Zeitpunkt in der Behandlung erzhlt werden. Im Fall des Wolfsmann-Traumes ist dies besonders deutlich, denn der Traum wurde erst 18 Jahre nach dem Traumgeschehen im Laufe der Behandlung erzhlt. Bei Trumen, die am Morgen erinnert und dann im Laufe des Tages in der Analyse erzhlt werden, handelt es sich somit streng genommen um Erinnerungen, was bei der Wolfsmann-
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Traumerzhlung besonders evident wird. Man kçnnte somit zu Recht in Zweifel ziehen, ob es sich hier tatschlich um eine Erinnerung an einen Traum handelt und nicht etwa um eine Erinnerung an eine Phantasie oder an eine Freie Imagination. Beim Traum des Wolfsmannes liegt die Besonderheit vor, dass als Datenquelle nicht nur der manifeste Traumtext zur Verfgung steht, wie er von Freud (1918b) in seiner Fallgeschichte wiedergegeben wird, sondern, neben den umfangreichen biographischen Informationen ber den mittlerweile identifizierten Patienten, auch eine Zeichnung des Traumbildes existiert. Diese Zeichnung imponiert unter anderem durch ihren statischen Eindruck. Wie weiter unten noch dargelegt wird, ist aus eigenen Untersuchungen zu Zeichnungen von Trumen und Freien Imaginationen Erwachsener bekannt, dass der statische Eindruck einer Zeichnung auch daher rhren kann, dass die Vorlage fr die Zeichnung eine Freie Imagination war. In einer eigenen Untersuchung von Traumzeichnungen und Freien Imaginationszeichnungen erwiesen sich Letztere als eher statisch, mit weniger »Menschdarstellungen«. Auch beziehen sich Freie Imaginationszeichnungen meist auf einen einzigen Einfall oder visuellen Eindruck (vgl. Hau, 1999b, 2004). Auf die zeichnerische Auswertung von Trumen, vor allem auch auf die Mçglichkeit der zeichnerischen Darstellung von Traumbildern und die sich daraus ergebenden Implikationen fr den Wolfsmann-Traum, wird ebenfalls noch eingegangen. Zunchst soll jedoch der vorliegende Traumtext Gegenstand der berlegungen sein. Was lsst sich aus der Erzhlung (dem Beobachtungsgegenstand) ber den Traum, ber seine Qualitten und Eigenschaften und ber die psychischen Bedingungen und Prozesse, die zu seiner Entstehung fhrten, aussagen?
5.1 Das Traumgenerierungsmodell von Moser und von Zeppelin Einen komplexen und differenzierten Ansatz der Auswertung von manifesten Traumberichten entwickelten Moser und von Zeppelin (1996). Ausgehend von langjhrigen Forschungen und der Entwicklung von Simulationsmodellen fr psychoanalytische Konzepte
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(vgl. Moser, Pfeifer, Schneider, von Zeppelin, 1987, 1991), stellten die beiden Psychoanalytiker 1996 das bisher umfassendste und anspruchsvollste Auswertungssystem von Trumen vor. Durch die Analyse der Struktur des erzhlten Traumtextes, so der Anspruch, kann auf den getrumten Traum geschlossen werden. Moser und von Zeppelin fassen den Traum dabei als den Entwurf einer Mikrowelt auf, die sich formalisiert beschreiben lsst uns zwar anhand des manifesten Traumtextes, so, wie er in der Stunde erzhlt wird. Eine ausfhrliche Darstellung dieses komplexen Systems wrde den Rahmen dieser Arbeit sprengen (vgl. Moser u. von Zeppelin, 1996; Moser, 1999), dennoch seien einige Grundannahmen zumindest kurz umschrieben, damit der Ansatz in seiner Grundkonzeption verstndlich wird. Zunchst handelt es sich nicht um ein Interpretationsmodell des Traumes, sondern um ein Generierungsmodell. Bei der individuellen Interpretation von Trumen wird oft amplifikatorisch versucht, die vorhandenen Informationen eines Traumes in einen Sinnzusammenhang zu stellen, etwa aufgrund einer Konfliktidee. »Ein Generierungsmodell hingegen enthlt eine Verlaufsstruktur, die erklren muss, wie und welche Inhalte in welcher Situation produziert werden« (Moser, 1999, S. 49). Mit einer solchen Konzeption wird eher nach den Bedingungen der Traumentstehung gefragt, letztlich »Wie steht die Welt eines Traumes (… Mikrowelt) zur gesamten mentalen Organisation?« (Moser, 1999, S. 49). Deshalb unterscheiden Moser und von Zeppelin zwischen getrumtem, erinnertem und erzhltem Traum. Auch wenn es niemals gelingen kann, den getrumten Traum vollstndig zu »rekonstruieren«, so ist doch zumindest eine Annherung mçglich. Dazu sind zwei Hypothesen und ein Postulat Grundvoraussetzung, die auch fr die Auseinandersetzung mit dem Wolfsmann-Traum, sei es mit dem Text oder mit der Zeichnung, eine Rolle spielen: »Wir postulieren, dass der getrumte Traum in seiner Struktur sensuell, zum grçßten Teil bildhaft ist, in einer Sequenz von Situationen verluft, gelegentlich auf eine Ebene des verbalen Geschehens gert und auch kognitive Denkprozesse enthlt. Das Traumerleben ist primr konkret und prsentisch« (Moser, 1999, S. 50).
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Hinzu kommen die beiden folgenden Hypothesen: »Es sind dies die Konsistenz-Verzerrungs-Hypothese und die Hypothese des Differenzierungsniveaus. Die erste Hypothese nimmt an, dass trotz aller erinnerungsmßigen und erzhlbedingten Verzerrungen und Auslassungen eine strukturelle Identitt vom getrumten und aufbereiteten Traum bestehen bleibt. Die zweite Hypothese geht von der Erfahrung aus, dass Ereignisse im Traum sehr abstrakt oder sehr detailliert geschildert werden. Es wird angenommen, dass das Auftauchen von Details die Fokussierung der Aufmerksamkeit des Trumers widerspiegelt. Das Differenzierungsniveau einer Traumsituation entspricht dem Informationsverarbeitungsvermçgen des Trumers in Bezug auf den im Traume zu bearbeitenden Komplex« (Moser, 1999, S. 50).
Der Traum wird insofern als Simulation, als eine innere Mikrowelt verstanden, die aus mindestens einer Situation besteht. Die Mikrowelt Traum spiegelt eine phantasierte Welt wider, in der Konflikte und Affekte in Form von Beziehungsentwrfen ausgestaltet und ausprobiert werden. Im Laufe eines Traumes, wenn verschiedene Situationen vorhanden sind, kommt es zu bergngen oder Abbrchen zwischen den Situationen, welche mit der Affektregulierung in Zusammenhang stehen. In der von Moser und von Zeppelin vorgeschlagenen Auswertung des erlebnisnah (»prsentisch«) formulierten Traumablaufes wird zwischen verschiedenen Bereichen unterschieden, dem »Positionsfeld« (PF), der »Loco Time Motion« (LTM) und dem »Interaktionsfeld« (IAF). Unter Positionsfeld wird ein rumliches Beziehungsgefge verstanden, in dem alle den Trumer beschftigenden Gegenstnde, Gedanken, Subjekte, Orte etc. angeordnet sind. Mit Loco Time Motion ist ein rumlich-zeitlicher Vernderungsprozess gemeint, der keine Interaktionskomponenten enthlt, aber zu einem neuen Ort (PLACE) fhrt, womçglich auch zu einem Interaktionsfeld. Im Interaktionsfeld schließlich sind die Beziehungen und Interaktionen zwischen Gegenstnden und zwischen einzelnen Objekten angeordnet und beschrieben. Dies bedeutet, es handelt sich um die affektiv mehr oder weniger bedeutsamen Relationen zu anderen Personen oder Gegenstnden. Zwei Regulierungsprinzipien sind von Bedeutung, die meist zusammen, ineinander verwoben auftauchen: die Sicherheitsregulierung und die Involvementregulierung. Erstere ist bei der Auswahl der Gegenstnde und Objekte fr das Positionsfeld maßgeblich beteiligt.
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Nur solche Elemente werden zugelassen, welche die Mikrowelt nicht grundstzlich bedrohen. Letztere ist fr das Ausmaß mitbestimmend, zu dem der Trumer in den Interaktionen affektiv beteiligt ist. Mit einem hochkomplexen Kategoriensystem beanspruchen Moser und von Zeppelin nun, aufgrund des manifesten Traumtextes, auf den getrumten Traum schließen zu kçnnen. Es gelingt ihnen, in den zahlreichen Kodierbeispielen, die sie auch von bereits in anderen Kontexten verçffentlichten und beforschten Trumen geben, zu zeigen, wie weit man mit dieser Untersuchungsmethode gelangen kann. Auch der Traum des Wolfsmannes, wie er von Freud in seiner Fallgeschichte (1918b) wiedergegeben wurde, ist unter diesen ausgewerteten Traumbeispielen. Moser und von Zeppelin interessiert bei ihrer Analyse nur der geschriebene Traumtext, das dazugehçrige Bild, die Zeichnung, die der Wolfsmann mit in die Analysestunde brachte, wird bei ihren Auswertungen nicht bercksichtigt. Dies liegt in ihrem Verfahren begrndet, wobei gerade beim Wolfsmann-Traum sich die Traumzeichnung als zustzliche Informationsquelle anbietet. Doch Moser und von Zeppelin geht es um eine andere Perspektive. Sie sehen den Traum des Wolfsmannes als Deckerinnerung an. Ob dies als eine Art Vorgriff auf die, im Vergleich zu den anderen Trumen hier nicht so ergiebige Auswertung geschieht, mag dahingestellt bleiben. Tatsache ist jedoch, dass sich Moser und von Zeppelin jeglicher Vermutungen bei ihren Auswertungen enthalten, die sich nicht mit einem Element aus dem manifesten Traumtext belegen ließe. Die Auswertung ist ganz am manifesten Text orientiert und lsst keine weiteren Erklrungsmuster aufgrund von anderweitigen Informationsquellen zu. Die Deckerinnerung biete, so Moser und von Zeppelin, der Neurosenentstehung einen Schutz vor der Aufhebung der ihr innewohnenden Amnesie, obgleich die Deckerinnerung alle Informationen enthlt, die fr die Neurosenentstehung relevant gewesen sein mçgen (vgl. Freud, 1899a). Als Beleg fr die Berechtigung, den Wolfsmann-Traum als Deckerinnerung zu betrachten, kçnnen die vielen inhaltlichen Verweise auf Mrchen angesehen werden, die sich aus dem Wolfsmann-Traum ableiten lassen. Deckerinnerungen haben, so Moser und von Zeppelin, hnliche Funktionen wie Mrchen, denn auch Mrchen stellen ihrer Funktion nach Deckerinnerungen dar. An das von ihnen zur Verfgung gestellte Material heften sich die individuell unterschied-
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lichen konflikthaften Affekte und Erlebnisse und kçnnen so, im Mrchen untergebracht, »ver-« beziehungsweise »bearbeitet« werden. Dabei weisen Trume als Deckerinnerungen, im Vergleich zu Mrchen, große strukturelle hnlichkeiten auf. Moser und von Zeppelin listen die folgenden Eigenschaften auf: »Trume als Deckerinnerungen haben große hnlichkeit in ihrer Struktur: Sie enden mit einer expliziten affektiven Reaktion, zumeist beim Aufwachen (insofern sind sie Angsttrume). Sie sind kurz und enthalten wenige Situationen (das heißt die Mikrowelt entwickelt sich nicht). Das mag damit zusammenhngen, dass es Kindertrume sind. Es fehlen Loco Time Motion Situationen (LTM). Interaktions-Relationen (IR.) sind beschrnkt, zumeist ist ein Prozessor mit einer CEU verknpft. (Das beeindruckt als ›wenig Bewegung und Dynamik‹.) Der Subjektprozessor ist Trger einer Verschiebung (IR.D), zumeist eines ›naiven perzeptuellen Reportes‹ (NPR)« (Moser u. von Zeppelin, 1996, S. 148). Das Resultat dieser Merkmale besteht in einer geringen Affektualisierung. Moser und von Zeppelin gehen davon aus, dass bei einem Deckerinnerungstraum die Vermeidung schmerzlicher Wiederholung gegenber den blicherweise stattfindenden Konfliktlçsungsversuchen im Traum dominiert. Dennoch enthlt der Decktraum den signifikanten latenten Inhalt. Im Fall des Wolfsmannes kçnnte dies im Sinne einer Struktur verstanden werden, im permanenten Versuch, die Bedeutung des Traumes aufzudecken, was fast schon einem Wiederholungszwang gleichkommt (vgl. Leuschner u. Hau, 1995). Es lassen sich, wie auch Moser und von Zeppelin beschreiben, grundstzlich zwei Methoden der Trauminterpretation unterscheiden. Einerseits der von Freud vielfach benutzte Weg der Amplifikation (in Gestalt der Hinzunahme eigener Assoziationen und Hypothesen beziehungsweise aller verfgbaren Informationen zur Deutung eines Traumes, wie zum Beispiel auch Mrchen). Manchmal erscheint dem Rezipienten diese Art der Traumdeutung wenig angemessen, ist sie doch oft stark subjektiv geprgt und entfernt sich von den Trauminformationen des manifesten Trauminhaltes.1 1
Weitere Beispiele fr Amplifikationsstudien sind die Arbeiten von Mitscherlich (1972) oder von LeSoldat (1993), die sich beide mit Kekuls Traum beschftigen.
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Die andere Methode, mit der Trume untersucht und gedeutet werden kçnnen, kann mit Hilfe des Traumgenerierungsmodells erfolgen, das beansprucht, die Struktur des getrumten Traumes nachzuzeichnen, was allerdings im Falle von Deckerinnerungstrumen wenig ergiebig sein kann. Moser und von Zeppelin orientieren sich in ihrer Kodierung des Wolfsmann-Traumes (vgl. 1996, S. 150) streng an den vorhandenen Informationen des manifesten Traumtextes, weshalb die Interpretation stark eingeschrnkt erscheint. Andererseits hat dies den Vorteil, dass sie sich der blichen Flle von Spekulationen ber den Wolfsmann enthalten und eher zurckhaltend vorgehen. Drei Hauptbefunde fallen ins Auge, die sich mit der Einteilung der Kodierung des Traumes in drei Szenen decken: Zunchst sind die Kriterien eines Angst-Decktraumes voll erfllt. Das, was Moser und von Zeppelin in ihrer bersicht als Kriterien diese Art Trume auffhrten, lsst sich plausibel auf den Wolfsmann-Traum anwenden. Die erste Szene (S1: »Es ist Nacht und ich liege in meinem Bett«2) ist die Darstellung der Schlafsituation. Sie folgt dem Sicherheitsprinzip und ermçglicht dem Trumer eine Positionierung. Hervorzuheben ist, dass keine negativen Affekte auftauchen. Stattdessen kçnnte ein Gefhl der Geborgenheit als gegeben angenommen werden. In der zweiten Szene (S2: »Plçtzlich geht das Fenster von selbst auf«) fllt eine dynamische Vernderung auf. Es ist und bleibt die einzige im Traum. Hier findet eine Verschiebung statt, im Sinne einer Selbstvernderung (CEU): das Fenster geht auf. Im weiteren Verlauf der Auswertung diskutieren Moser und von Zeppelin ausschließlich assoziative »morphologische Features«, zum Beispiel zum Nussbaum oder zu den Wçlfen, die sich im WolfsmannTraum aneinanderreihen. Hier wird der Unterschied zu Freuds Methode der Traumdeutung mittels Amplifikation besonders deutlich. In der dritten Szene (S3: »Ich sehe, dass auf dem großen Nussbaum vor dem Fenster ein paar weiße Wçlfe sind, ganz weiß. Sie sehen aus wie Fchse oder Schferhunde, denn sie haben große Schwnze wie 2
Um einen Traum kodieren zu kçnnen, muss er »prsentisch« gemacht werden. Die Zitate beziehen sich auf den »prsentisch« umformulierten Traumtext, der nicht mit der von Freud wiedergegebenen Version identisch ist (vgl. Moser u. v. Zeppelin, 1996).
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Fchse und ihre Ohren sind aufgestellt wie bei Hunden, wenn sie auf etwas aufpassen«) wird die Verschiebungsrelation (IR.D) evident. Es besteht kein primres Interaktionsfeld mehr, aber es findet auch keine Affektualisierung statt. Vielmehr kommt es zum Abbruch des Traumes. Die Angst erscheint aber erst im kognitiven Kommentar (CC: »Unter großer Angst, offenbar, von den Wçlfen aufgefressen zu werden, schreie ich auf und erwache«)3 zum Traum. Erst durch den im Moment des Aufwachens hinzukommenden Affekt wird der Traum zum Angsttraum. Der Traum selbst bleibt affektlos, ungefhrlich. Moser und von Zeppelin sehen die Vervielfltigung der Objekte, der Wçlfe, als bedeutsam an und interpretieren diese als Beleg fr multiple Objektprozessoren. Diese Maßnahme diene nicht etwa der Spezifizierung, sondern der Verschleierung. Auch die zahlreichen Attribute kçnnten gewissermaßen als Spuren oder Indikatoren fr vielfltige Interaktionen aufgefasst werden. Allen weiteren Interpretationen, die Freud vorschlgt, wollen die Autoren nicht folgen, denn sie stammen nicht aus den ersten Assoziationen des Trumers zu seinem Traum. Zusammengefasst kommen Moser und von Zeppelin zu der These, dass der Traum der Vermeidung der gezielten Interaktion des Sehens und Hçrens dient. Damit sind sie nicht mehr weit entfernt von der Argumentation Freuds, der Traum stehe in Zusammenhang mit der Beobachtung der Urszene. Die Umkehrung der heftigen Bewegungen beim Koitus, verkehrt in die absolute Regungslosigkeit und Starre der im Baum sitzenden Wçlfe, enthlt denselben Mechanismus der Verarbeitung, wie ihn Moser und von Zeppelin aufgrund ihrer am manifesten Traum orientierten Auswertung der Mikrowelt Traum herausarbeiten. Fr sie ist die Abwehr im Falle dieses Traumes besonders »dicht«, vor allem die Abwehr der Affekte. Alles erscheint regungslos. In ihren Schlussfolgerungen deuten die Autoren an, dass sie Freuds Interpretation (der Traum als die Verarbeitung der Beobachtung der Urszene) folgen kçnnen. Als Anhaltspunkte dafr dienen die Verschiebung auf ein sekundres Interaktionsfeld, das in der ersten Szene deutlich werdende Sicherheitsprinzip (im Bett liegen), das aber
3
Alle Zitate zum prsentisch formulierten Traum stammen aus Moser u. v. Zeppelin, 1996, S. 149).
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nicht trgt, und die morphologischen Features bei der Beschreibung der Szene, des Baumes und der Wçlfe. Aufgrund dieser »Beschrnkungen« erscheint die Auslegung des Traumes mit Hilfe des Traumgenerierungsmodells »begrenzt«. Was diese Enthaltsamkeit jedoch attraktiv macht, ist das Fehlen von »wilden« Deutungen. Moser und von Zeppelin halten sich stattdessen an die vorhandenen Informationen. Ihr Fazit lautet: Aufgrund der Informationen des Decktraumes sei ein Entscheid ber die dem Traum zugrunde liegende primre Phantasie nicht mçglich. Vieles spreche jedoch fr die Freud’sche Hypothese eines frhkindlichen neurotischen Konfliktes (hier: aufgrund der Beobachtung der Urszene) als Disposition fr die sptere Entstehung der Neurose. Moser und von Zeppelin wrden Freud zumindest nicht widersprechen wollen, auch wenn sie letztlich zur Umsicht beim Umgang mit dem fr die Schlussfolgerungen zur Verfgung stehenden Material mahnen. Ein erstes Fazit kçnnte lauten: Die oben nachgezeichnete Auswertung und Gegenberstellung der Freud’schen und der Moser’schen Auswertung hat bereits gezeigt, welche Unterschiede in der Handhabung des Traummaterials bestehen, aber auch welche bereinstimmungen und hnlichkeiten sich bei den Schlussfolgerungen ergeben. Moser und von Zeppelin gehen zwar nicht so weit wie Freud und postulieren einen Zusammenhang mit der Beobachtung der Urszene, sie lassen aber keinen Zweifel daran, dass es sich tatschlich um einen Traum handelt, welcher der Vermeidung der gezielten Interaktion des Sehens und Hçrens dient. Beim Wolfsmann-Traum liegt jedoch, wie bekannt, noch eine Zeichnung vor. Auch sie kann Gegenstand der Forschungen sein und ist es auch in vielfacher Hinsicht gewesen. Durch die Zeichnung bietet sich glcklicherweise noch eine weitere Auswertungsmçglichkeit des Traumes. Die Zeichnung lsst sich als weitere Perspektive auf den Wolfsmann-Traum verstehen und mit verschiedenen Methoden untersuchen. Zwei weitere Forschungsperspektiven bieten sich hier zur Untersuchung an: die empirische beziehungsweise experimentelle Traumforschung, die sich auch mit der Untersuchung von Traumzeichnungen beschftigt hat und die Entwicklungspsychologie mit ihren Erkenntnissen aus systematischen Untersuchungen der Kindertraumentwicklung.
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5.2 Der Wolfsmann-Traum und die experimentelle Traumforschung4 Bis in die fnfziger Jahre hatte die Psychoanalyse der zeichnerischen Darstellung von Trumen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In der psychoanalytischen Kindertherapie werden Zeichnungen zwar hufig verwendet, es existiert dazu eine reichhaltige Literatur. Hinsichtlich der Therapie Erwachsener sieht es jedoch vçllig anders aus. Nur einige wenige Analytiker befassten sich vereinzelt mit (Traum-)Zeichnungen und deren mçglichen Nutzen fr die Therapie. Die Arbeiten erscheinen jedoch eher unsystematisch und kursorisch. So beschrieb Auerbach in seiner 1950 verçffentlichten Arbeit Kritzelzeichnungen, die neurotische Patienten whrend der Analysestunden angefertigt hatten. Slap (1976) berichtete, dass es zeitweise sinnvoll sein kçnne, Patienten einen Traum zeichnen zu lassen, wenn sie ihn nicht verbal beschreiben kçnnten, ohne jedoch przisere Angaben ber die jeweiligen Kriterien zu machen, wann ein solches Vorgehen sinnvoll erscheint. In einer weiteren Arbeit zu diesem Thema vertritt Brakel (1993) die Ansicht, dass durch die zeichnerische Darstellung von Trumen whrend der Analysestunden Inhalte zugnglich werden, die eher visuell bestimmt sind beziehungsweise aus vorsprachlichen Lebensphasen stammen. Konsequent hat sie daher beansprucht, die zeichnerische Darstellung systematisch in die psychoanalytische Technik zu integrieren; die methodischen Essentials wrden durch die Anfertigung von Zeichnungen whrend der Analysestunden auch nicht in Frage gestellt. Genau an diesem Punkt bestehen Einwnde, die von der Eigenart des psychoanalytischen Verfahrens her plausibel erscheinen. Denn dieses Verfahren weist dem Patienten ja eine nicht handelnde Rolle zu und definiert die Rolle des Analytikers als eine zunchst zuhçrende (vgl. Freud, 1904, S. 55 f.).5
4
Wesentliche Teile dieses Kapitels sind entnommen aus: Leuschner und Hau (1995, S. 609 – 613). 5 Alles Unbewusste soll sich in Sprache abbilden. Das Mitbringen von Zeichnungen und das Zeichnenlassen in der Analyse stellt auf jeden Fall eine
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Lsst man die Methodenfrage zunchst einmal beiseite, so erscheint die Verwendung von Traumzeichnungen in der Analyse verlockend. Die Zeichnungen kçnnten die bildlichen Traumszenen der Nacht besonders adquat und direkt vermitteln, da ein bersetzungsschritt in Sprachliches hier wegzufallen scheint. Optisch Perzipiertes kçnnte dann durch die Zeichnung wieder bildhaft wahrgenommen werden. Dafr spricht ein Experiment mit der WolfsmannZeichnung: 25 Studenten wurde die ihnen unbekannte WolfsmannZeichnung vorlegt und sie wurden gebeten, dazu einen passenden »Traum« zu erfinden. Fast alle erfundenen Berichte hnelten dem Wolfsmann-Traumtext. Generell betrafen die hnlichkeiten nicht nur Inhalte (»Beobachten« kam bei 19 Probanden vor, bei 18 Probanden spielte »Angst« eine große Rolle), sondern auch formale Aspekte (kaum Szenenwechsel, die Erzhlungen hatten fast die gleiche Lnge wie der Wolfsmann-Bericht).6 Solche »nacherfundenen« Traumberichte zeigen, dass eine Traumzeichnung das manifest Getrumte relativ przise wiederzugeben vermag. Es lsst sich aber vermuten, dass die WolfsmannZeichnung etwas Besonderes ist. Sie hat Eigenschaften, die es erlauben, den Traumtext aus der Zeichnung fast originalgetreu zu rekonstruieren. Und das liegt an den bemerkenswerten Besonderheiten des Wolfsmann-Traumes selber. Hier fehlen nmlich die fr die Mehrzahl aller Trume typischen Merkmale: Story, Bewegungen, Dialoge und thematische Sprnge. Der Wolfsmann-Traum ist ausgesprochen statisch aufgebaut. Hall und van de Castle (1966) ermittelten in ihrer inhaltsanalytischen Untersuchung von tausend Trumen durchschnittlich fnf Aktivitten pro Traum. Der Wolfsmann-Traum lsst diese vermissen, ist selbst statisch wie ein Standfoto und ermçglicht von daher mehr als sonst eine korrekte Wiedergabe. Aus den eben dargestellten Befunden wird deutlich, dass es sich bei der Wolfsmann-Traumzeichnung um eine Mischung aus beiden methodische nderung dar und birgt von daher notwendigerweise die Gefahr von Agieren und Mitagieren. 6 Dazu ein Beispiel: »Nachts. Mondschein. Vollmond. Man sieht fast alles. In der Natur, nur der weiße Schein des Mondes. Stille. Plçtzlich sah ich einen großen Baum. Unter dem Baum liefenb die Wçlfe. Sie schauten mich an. Ich dachte, sie wollten mich zerreißen. Angst hatte ich und dann wurde ich wach.«
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handeln kçnnte. Sie weist sowohl Merkmale von Freien Imaginationen als auch von Traumzeichnungen auf. Der zeitliche Abstand, mit dem der Traum in der Analyse berichtet wurde, kçnnte fr Umarbeitung und die vorhandenen Merkmale der Freien Imaginationen sprechen sowie das Fehlen von Menschdarstellungen. Traumcharakter haben eher die flchige Ausfhrung der Zeichnung, die fehlende Perspektive und die fehlende Farbe, die Schwarzweiß-Darstellung. Ein weiterer Hinweis fr eine Freie Imagination ist der statische Charakter der Zeichnung, der eher an eine einzelne Szene erinnert, als an eine Handlungssequenz. Dies wiederum ist typisch fr die Vorgnge bei Freien Imaginationen, die nur einzelne Szenen umfassen und von daher leichter abzubilden sind als Traumzeichnungen (vgl. Hau, 1999b, 2004). Eine weitere Hypothese, die bereits angesprochen wurde, ist die, dass es sich bei dem Traum des Wolfsmannes um die Zeichnung eines NREM-Traums handeln kçnnte. NREM-Trume zeichnen sich, wie durch die Untersuchungen der experimentell arbeitenden Traumforscher bekannt, durch das Fehlen von handlungs- und sequenzreichen Traumgeschichten aus. Sie wirken eher statisch, gedankenhnlich, bildarm und werden meist nicht von Affekten begleitet. Alle diese Merkmale (bis auf die fehlenden Affekte) lassen sich im Wolfsmann-Traum beziehungsweise in der Zeichnung desselben wieder finden. So gesehen gibt es zwei neue Hypothesen: Teile der Eigenschaften der Wolfsmann-Traumzeichnung weisen auf eine Freie Imagination hin. Dies sind vor allem die zeichnerischen Eigenschaften und Merkmale, wie sie sich bei der Untersuchung von Traumzeichnungen und Zeichnungen Freier Imaginationen ergaben. Zum anderen ist die Wolfsmann-Traumzeichnung eher als Hinweis fr einen zugrunde liegenden NREM-Traum anzusehen. Diese Hypothese basiert auf formalen hnlichkeiten der Traumerzhlung und der Zeichnung mit den Ergebnissen der experimentellen Traumforschung und den dabei erhobenen Daten und Differenzierungen ber unterschiedliche qualitative Eigenschaften von Traumerlebnissen in der Nacht. Dass es schwieriger ist, Sequenzen abzubilden, wie sie sich zum Beispiel aus Trumen erinnern lassen, wurde in einem weiteren Experiment zu untermauern versucht, in dem dreißig Studenten ein kurzer Film mit fnf Ausschnitten aus insgesamt drei Filmen vorge-
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fhrt wurde. Eine Hlfte der Gruppe musste die visuellen Eindrcke aus der Erinnerung aufschreiben, die andere Hlfte sollte den Film malen. Die Frage, welche Darstellungsform die Filmbilder besser wiedergab, ließ sich anschließend klar beantworten: Story-Linien, Inhalte und vor allem motorische und psychische Ablufe, Affekte und Beziehungen, Namen der Personen und zeitliche Verhltnisse waren in den schriftlichen Berichten gut wiedergegeben. Sequenzwechsel waren durch Abstze markiert oder durch Wçrter wie »plçtzlich« oder »dann« eingeleitet und damit »sichtbar« gemacht. In den regelmßig flchtig hingekritzelten Zeichnungen war dies alles nur sehr schwer zu erkennen. Story-Linien, psychologische Themen oder zeitliche Relationen blieben unklar. In den Zeichnungen herrschten Verkehrungen, Verdichtungen, Zustze, Ironisierungen und Vereinfachungen vor. Nur in einer Hinsicht waren die Erinnerungszeichnungen, zumindest in einigen Fllen, den verbalen Berichten berlegen: in Bezug auf die Darstellung formaler rumlicher Verhltnisse, und zwar von Perspektiven, manchen Formen, bei Mengenangaben und bei der Darstellung scheinbar nebenschlicher bildlicher Details. Aber der Wert dieser formalen Przision blieb recht gering, weil man beim Betrachten der Zeichnungen allein nie wissen konnte, ob die vielen, in den Zeichnungen dargestellten Details zum Filminhalt gehçrten oder nicht. Was unsicher war, htte man ohne Nachbetrachtung des Films nicht als dessen Bestandteil identifizieren kçnnen. Bezogen auf Traumbild-Malereien hieße das: Was die Traumzeichnung an sicherer Wiederbringefhigkeit besitzt, ließe sich nur mittels einer »Nachbetrachtung« des ursprnglichen Traums feststellen. Der Informationswert zumindest blicher Traumzeichnungen als konkreter Wiederbringer manifester Traumbilder ist, abgesehen von manchen Details, scheinbar eingeschrnkt. Die Grnde fr diese »informative Armut« liegen sicherlich darin, dass die zeichnerische Wiedergabe von bewegten Bildern eben nicht einfach eine analoge Darstellung ist, sondern Gesetzen einer Sprache von Bild-Zeichen folgt, die bei ihrer Ausfhrung sequentialisiert werden mssen. Sobald die Zeichnung dann Mitteilungsfunktion bekommen soll, stellt sich das Problem, dass die in ihr enthaltenen Zeichen nicht mit Sprachelementen gleichzusetzen sind. Vielmehr ist die Bedeutung einzelner Zeichen von mehreren Faktoren abhngig, so
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etwa vom Kontext, vom Typ der Zeichnung und letztendlich vom individuellen Zeichner. Man hat es hier gewissermaßen mit bildhaften Idiolekten zu tun, einer individuell-bildhaften Ausdrucksweise, wobei die einzelnen Zeichen mehr oder weniger gut erkennbar und verstehbar sind, je nachdem, wie allgemein oder individuell die verwendeten Codes bei der Darstellung sind. Vergegenwrtigt man sich Traumzeichnungen, so scheint in ihnen der Versuch erkennbar, differenzierte, sinnvolle Ablufe und Szenen in statische Formen zu fgen und zusammenzuziehen. Eine ausfhrliche Darstellung dieser Prozesse ist hier nicht mçglich (vgl. Hau, 1999b, 2004). Eines kann aber festgehalten werden: Die perzeptuelle Qualitt des Traumes lsst sich nicht direkt in Zeichnungen hinein projizieren. Der optische Ausdruck des Traumes wird erst ber viele nichtoptische Zwischenschritte und Transformationsprozesse in der Zeichnung wieder sichtbar, neu konstruiert und verdichtet. Diese Art von Problemen, die bei der Untersuchung von Traumzeichnungen entstehen, sind aber nicht nur bei deren Auswertung relevant. Sie entstehen bei jeglicher Auswertung von Trumen, egal ob Text oder Zeichnung. Hier werden wieder all jene Probleme bedeutsam, die sich bei der Durchfhrung von experimentellen Untersuchungen ergeben (Interpretationsschritte bei der Operationalisierung und Datenauswertung, Einfluss des Beobachters, wenn Trume einem Dritten berichtet werden: nderung der Darstellungsintention, nderung des Bewusstseinszustandes, Transformationen beim Erinnern, Erzhlen und Zeichnen von Trumen und anderes mehr). Eigene empirische Untersuchungen zu Traumzeichnungen (vgl. Hau, 1999b, 2002, 2004) zeigen, dass Zeichnungen von Trumen Erwachsener mehr »regressive« Elemente kindlichen Zeichenstils enthalten als Zeichnungen von Wachphantasien. Vergleicht man die Zeichnung des Wolfsmannes mit den Befunden ber Unterschiede zwischen REM-Traumzeichnungen und Zeichnungen freier Assoziationen Erwachsener, dann gibt es einige Merkmale in der Zeichnung des Wolfsmannes, die tatschlich fr eine Traumzeichnung sprechen (wenig Perspektive, keine »Boden-« oder »Himmelslinien«, wenig Bewegungsdarstellungen, wenig Farben). Aber es gibt auch andere Merkmale, die eher auf die Zeichnung als Darstellung eines
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freien Einfalls verweisen (Verstndlichkeit der Zeichnung, Ausfllung des Zeichenblattes, keine Verwendung von Ikonen, Zeichen oder Schrift auf dem Bild, keine Menschdarstellungen). Der zeitliche Abstand, mit dem der Traum in der Analyse berichtet wurde, kçnnte fr nachtrgliche Umarbeitung und fr die vorhandenen Merkmale, welche denen bei freien Assoziationen entsprechen, verantwortlich sein. Aufgrund dieser Befundlage lsst sich keine eindeutige Zuordnungsentscheidung treffen. Bei den Vergleichen zwischen REM-Traumzeichnungen, die nach Weckungen im Labor whrend der Nacht angefertigt wurden und freien Assoziationen, gab es aber noch einen dritten Zeichnungstyp, der eine Zwischenstellung zwischen den beiden bisher aufgefhrten Gruppen einnahm. Dabei handelte es sich um Zeichnungen so genannter »Morgentrume«, also Trume, die morgens, unmittelbar nach dem Aufwachen erinnert, erzhlt und gezeichnet wurden. Sie erwiesen sich in ihren Merkmalen als eine Art Mischgebilde zwischen freien Assoziationen und REM-Traumzeichnungen, enthielten Merkmale aus beiden Kategorien. Die Gestaltungsmerkmale, welche die Wolfsmann-Traumzeichnung aufweist, zeigen in vielerlei Hinsicht bereinstimmungen zu den Gestaltungsmerkmalen von Morgentraumzeichnungen. Somit ließe sich, aufgrund der Laborbefunde zu den Merkmalen von Traumzeichnungen annehmen, dass es sich bei der Zeichnung des Wolfsmannes tatschlich um eine Traumzeichnung handelt, und zwar um die Zeichnung eines (am Morgen) nach dem Aufwachen erinnerten Traumes. Freud hatte allerdings in seinen Rekonstruktionsversuchen den Traum auf den Nachmittag verortet (vgl. Freud, 1918b). Dies ist jedoch kein Widerspruch zum eben dargestellten Befund, wenn man nicht von der Zeit des Aufwachens, sondern vom Bewusstseinszustand und den dabei zur Verfgung stehenden Ich-Funktionen ausgeht. Dann wrde es sich in beiden Fllen um einen Zeitpunkt handeln, in dem ein hohes Maß an wachen Ich-Anteilen beteiligt war (vgl. Federns Konzept der Orthriogenese«, des allmhlichen Wiedereinsetzen der Ich-Funktionen in der Phase des Erwachens, 1934, S. 109). Der Befund aus den Untersuchungen ber Traumzeichnungen Erwachsener sttzt somit die Annahme Freuds, die Erzhlung und die Zeichnung als Traumdarstellung anzusehen und entsprechend zu verwenden.
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Wie bereits erwhnt, zeichnen sich auch NREM-Trume durch ihre statischen Eigenschaften aus. Sie sind eher handlungs- und sequenzarm, gedanklich orientiert und werden meist nicht von Affekten begleitet. Diese Merkmale treffen auch auf den Wolfsmann-Traum zu. Der Wolfsmann hatte erst im Aufwachen, also nicht im Traum selber, den starken Angstaffekt versprt. Der Traum selbst besteht aus nur einem Bild, es kommen keine Handlungen vor, keine Interaktionen mit anderen Personen. Nachdem die Art der Zeichnung bereits auf einen Morgentraum hindeutete, kçnnte man aufgrund der eben dargestellten Befunde vermuten, dass es sich dabei um einen NREMTraum handelte.
5.3 Die Traumzeichnung im Widerspruch zum Traumtext7 Nicht nur bei dem Nachphantasier-Experiment fanden sich Widersprche zwischen Traumtext und Zeichnungen, auch bei tatschlichen Traumzeichnungen wichen diese oft vom erzhlten Traum ab. Mal wurde etwas hinzugefgt, mal weggelassen, oft fand sich auch beides in den Zeichnungen, Auslassungen und weiteres Material, von dem im Traumtext nicht die Rede war. Wenn die zeichnerische Variante eines Traums Abweichungen vom verbalen Text offenbart, so liegt es nahe, eine solche Differenz analytisch zu nutzen. Freud hat das beim Wolfsmann nicht nur beilufig versucht, sondern genau mit dieser zeichnerischen Besonderheit entscheidende Ereignisse bei der Urszene rekonstruiert. Die Anzahl der fnf Wçlfe in der Zeichnung interpretierte er als Darstellung der Uhrzeit, zu welcher der Wolfsmann, genau am 24. 12. 1889, einen Malaria-Fieberanfall gehabt haben soll, davon erwachte, um anschließend das »Nachmittagsschlfchen« der Eltern zu erleben. Mehr Bedeutung kann man einer solchen Einzelheit wohl kaum zumessen. Gerade dies aber, das speziell aus der Zeichnung Abgeleitete, erscheint dem Leser oft sehr bemht, an den Haaren herbeigezogen und stellt mehr als alles andere eine Zumutung fr unsere Bereitschaft dar, uns vom Wert von Traumzeichnungen berzeugen zu lassen. 7
Wesentliche Teile dieses Kapitels sind entnommen aus: Leuschner und Hau (1995, S. 613 – 616).
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Enthielte die Zeichnung aber exklusiv unbewusstes Material, das von blichen assoziativen Darstellungsmitteln nicht ans Tageslicht gebracht werden kann – wie Fisher behauptete –, so bekme diese Darstellungsweise ein besonderes Gewicht bei der Erarbeitung unbewusster Erinnerungen. Dass Traumzeichnungen unbewusstes Material enthalten, war bereits seit 1912 bekannt. Damals, noch vor der Verçffentlichung der Wolfsmann-Arbeit, publizierte Marcinowski eine Untersuchung »ber gezeichnete Trume«, die fr die Beantwortung dieser Frage entscheidende Hinweise gibt. Marcinowski wies nach, dass in whrend der Analyse angefertigten Malereien, oftmals Landschaften und rtlichkeiten abgebildet werden, die zugleich Darstellungen bildhafter sexueller Vorstellungen sind. Wenn Analysanden ihre Trume zeichnen, malen sie gewissermaßen Kippfiguren beziehungsweise Vexierbilder: In manifesten zeichnerischen Darstellungen von Gebuden, Grundrissen, Natur und anderen Inhalten, die im Traum vorkamen, gestalten sie zugleich und ungewollt mnnliche und weibliche Kçrper, Sexualorgane sowie sexuelle Akte. Landschaften und rtlichkeiten in Trumen sind nach Marcinowski unbewusste Wiedergaben von »Mutterleibs- und Vaterleibs-Phantasien«, auf die wir das »erotische Erleben« spterer Jahre »draufgepackt« haben (S. 490). Auch anhand eines Falles einer Probandin aus dem Schlaflabor, die fr einen subliminalen Stimulationsversuch untersucht wurde, lsst sich dies gut illustrieren Die Probandin trumte von einer Landschaft mit Bergen. Sie malte dann ein Bild von ihrem Traum, das unbersehbar einen weiblichen Unterleib darstellte. Die Probandin entdeckte dies allerdings sofort selbst und erklrte: »Dies ist mein Geschlecht.« Bemerkenswert ist nun, dass Freud Marcinowskis Verçffentlichung, obwohl sie ihm damals bekannt war, in der Wolfsmann-Abhandlung mit keinem Wort erwhnte oder bercksichtigte. Es ist klar, dass Marcinowskis Verstndnis von Traumzeichnungen und sein Umgang damit die Zeichnung des Wolfsmannes in einem anderen Licht erscheinen lassen muss. Demgemß ist sie dann nicht nur eine Darstellung eines manifesten Kindertraumes, sondern enthielte, als Erinnerungserzeugnis eines erwachsenen Mannes, wie auch immer »Draufgepacktes«, Hinzugefgtes. Das hier Gemalte ist dann zweideutig: die Darstellung eines Kindertraum-Bildes und zugleich die
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Darstellung aktueller Psychologie, aktueller unbewusster Konfliktsituationen.
5.4 Die Traumzeichnung als Medium fr »Carry-Back«-Akte8 In den im Sigmund-Freud-Institut durchgefhrten experimentellen Untersuchungen im Schlaflabor hat sich jedoch immer wieder gezeigt, dass die Unterscheidung zwischen »Assoziationen« motorisch-gestischer und quasi-verbaler Herkunft berechtigt ist. Das verwendete Verfahren der tachistoskopisch-subliminalen Stimulation von Bildern fhrte dazu, dass die Probanden auf diese Weise prsentiertes Material nicht bewusst erkennen konnten. Anschließend ließ man die Probanden die von ihnen erinnerten Trume und Freien Imaginationen zeichnen. Durch die spezifische Stimulusgestaltung war es dann mçglich, Wiederdarstellungen des Stimulusmaterials aufzufinden. Von dem auf diese Weise induzierten Bild »malt« der Traum so manches »ab«, das in den Traumzeichnungen wiedererkennbar ist. Weil diese »Treffer«, also wiederkehrende gemalte Stimulusobjekte, hufig versteckt und schwer zu identifizieren sind, wurden spezielle Stimuli entwickelt, die es erlaubten, diese Effekte besser nachzuweisen. Zum Beispiel waren in einem Stimulusbild alle dargestellten Objekte in dreieckiger Form gehalten. Der große Vorteil dieser Variation des Pçtzl’schen Verfahrens besteht vor allem darin, dass nun auch bisher nicht erfassbare, kaschierte Treffer, statistisch und ber lngere Zeitrume hinweg nachgewiesen werden konnten. Anhand von Einzelfallanalysen ließen sich verschiedene Entstellungsmodi herausarbeiten, die das Stimulusmaterial, der Prsentation folgend, bis zu dessen zeichnerischer Darstellung erfhrt. Die wichtigsten seien hier nochmals aufgefhrt (vgl. Leuschner u. Hau, 1992): Stimulusidentische Wiederkehr (von Einzelobjekten). Verrealisierte Effekte: Stimulusobjekte kehrten dabei wieder, deren ursprngliche Form wurde jedoch beseitigt und durch eine realistische Gestalt ersetzt. 8
Wesentliche Teile dieses Kapitels sind entnommen aus: Leuschner und Hau (1995, S. 617 – 630).
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Erhalt der Form: Die ursprngliche Form wurde erhalten, jedoch auf passende, reale Objekte verschoben. Darstellung neuer Dreiecksobjekte: Durch Verschiebung der Form auf neue, in der Realitt existierende Ersatzobjekte (bewahrte Form, neue Konzepte). Verzçgerte beziehungsweise separate Darstellung der Farbe.
Diese Vernderungsmodi lassen sich nun dadurch charakterisieren, dass hier die Einzelobjektaspekte Form, Konzept und Farbe kurzzeitig voneinander dissoziiert und teilweise isoliert prozessiert worden sein mussten, bevor sie dann in neuen Zusammenhngen wieder, in Traum und Traumzeichnungen in reassoziierter Gestalt, dargestellt wurden. Dieses Wechselspiel zwischen Zerlegung und Wiederzusammenschluss zu ursprnglichen oder neuen Objekten in den Zeichnungen ließ sich als Dissoziierungs-Reassoziierungs-Prozess beschreiben. Sowohl spontane Kommentare der Probanden als auch Befragungen durch die Versuchsleiter zu den einzelnen Zeichnungen ergaben unbersehbar, dass sich die Probanden nur in Ausnahmefllen bewusst an das Vorhandensein der spezifisch geformten Objekte in ihren originren Traumbildern erinnern konnten. Ganz im Gegensatz zu den Befunden in den Zeichnungen waren stimulusidentische Objekte und Ersatzobjekte in den erinnerten Traumszenen kaum vorhanden. Das ist nun ein interessanter Befund zum Thema »Hinzugefgtes« von Marcinowski. Von daher kçnnte man nmlich versucht sein abzuleiten, dass die Stimulusanteile grundstzlich nicht in den Trumen selbst, sondern eben nur in ihren Darstellungen auftauchen. Traumzeichnungen und nicht die Trume wren dann die Fangnetze fr tachistoskopisch prsentiertes Material. Fertige Traumgebilde wrden als »screen« fr einen Vorgang fungieren, den Fiss (1986) als »carry-over« beschrieben hat. Sie wrden ein Medium fr eine sekundre bertragung von Stimulusgehalten – insbesondere von Formaspekten – darstellen. Das entsprche dem von Marcinowski beschriebenen »Draufpacken«. In den Zeichnungen von Trumen und Freien Imaginationen aus Laboruntersuchungen fanden sich fr diese Annahme Belege, und
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zwar sowohl hinsichtlich der quantitativen, kaschierten Effekte als auch in Bezug auf direkt erkennbare Treffer. Insbesondere bei der Darstellung der REM-Trume fiel auf, dass hier die Formaspekte hufig separat den gezeichneten Traumbildern hinzugefgt worden waren. Wie eine Auswertung der Video-Aufzeichnungen der nchtlichen Zeichenakte ergab, schien die Darstellung dieser Formen (hier: Dreiecke) oft unwillkrlich und wie automatisch zu erfolgen. Die Malenden selbst erlebten dies oftmals als unpassend und fremdartig. Manchmal wurden diese Formen (Dreiecke) nur mit großem Zçgern in den gezeichneten Dream-Plot integriert oder auf kuriose Weise rationalisiert, ein Phnomen, das an die Verhaltensweisen bei posthypnotischen Auftrgen erinnert. Dieses Geschehen lsst sich, in Anlehnung an den vor allem von Andr Masson entwickelten Zeichenstil, als »peinture automatique« bezeichnen. Der Prozess ließe sich etwa wie folgt beschreiben: Das Stimulusobjekt wird zunchst isoliert, dann in Form-, Farb-, Klang- und Konzeptradikale zerlegt. Das Konzept dissoziiert sich von der originalen Form und Farbe und dem Wortklang. Es verschafft sich dann eine realistische bildliche Version, die in den Traumbildern dargestellt wird. Die spter im Wachzustand angefertigte Traumzeichnung holt sich – zumindest teilweise – die originalen Farb- und Formradikale zurck, als ob die ursprngliche Kohsion der Stimulusobjekteigenschaften immer noch lebendig ist und durch den Traumzustand nur vorbergehend weiter gelockert war. Da sie diese nicht immer wieder finden, drngen sie sich – jedenfalls die Formradikale – als kaschierte Treffer in andere Objektdarstellungen. Entsprechende Befunde ließen sich auch mit tachyakustisch prsentierten (also akustischen subliminalen) Stimuli erzielen (vgl. Kap. 2). Bei der optischen subliminalen Stimulation ist die Wiederkehr manchmal winzigster Details und Spezifika des Stimulusmaterials allerdings deutlicher nachweisbar. Was hier stattgefunden hatte war ein multiples, separates Prozessieren von Stimulusuntereigenschaften oder -merkmalen (die an verschiedenen Gedchtnisorten untergebracht worden waren) und eine unterschiedliche Wiederdarstellung in Traumbild beziehungsweise Traumzeichnung. Die abgekoppelten originren Komponenten tauchen wieder auf und werden sptestens beim Zeichnen wieder mit ihren originren Zusammenhngen verbunden.
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Von daher betrachtet stellen unwillkrliche Zeichenbewegungen selbst gestische, »motorische« Rckverwandlungen der Stimulusobjekteigenschaften dar. Motorische Handlungen beim Zeichnen der REM-Trume korrigieren sekundr eine bei der Traumbildung zunchst vorgenommene Beseitigung der Stimulusform. Fiss (1986) variierend kçnnte man sagen, dass diese automatischen Malereien dann »Carry-Back-Akte« sind, bei denen dissoziierte, frei flottierende Formradikale den – zwischenzeitlich verrealisierten – Stimulusobjekten zumindest teilweise zurckgegeben werden. Das Zeichnen kann damit ebenfalls als ein mehr oder weniger gelungener Reassoziationsakt bezeichnet werden, der zugleich die Herkunft des Traummaterials wie eine Signatur zu erkennen gibt. Diese eben beschriebenen »motorischen« Rekonstruktionen sind theoretisch deshalb interessant, weil sie in die Debatte ber die Nachtrglichkeit (vgl. zum Beispiel Gekle, 1989, 1993 ; KerzRhling, 1993) einen neuen Gesichtspunkt einbringen. Das Experiment beweist, dass sich unbewusste Erlebnisspuren – hier eine Wahrnehmung, die knstlich ins Unbewusste abgedrngt worden ist – zur Gnze rekonstruieren lassen. Das Prozessieren der Erlebnisperzepte ist allerdings anders, als es von Freud unter anderem bisher dargestellt worden ist. Das beginnt beim Verdrngungsvorgang, den Freud (1891b) dadurch charakterisierte, dass Erinnerungen an ein Erlebnis »in verschiedenen Lebensepochen« nicht wie blich »umgeschrieben« werden ; Verdrngung entstehe, wenn solche »Umschreibungen« beziehungsweise »bersetzungen« misslingen. Die verdrngten Inhalte lokalisierte Freud an einem einzigen psychischen Gedchtnisort (Freud, 1891b). Nach dem eben beschriebenen Modell entsteht Nichterinnerbarkeit dadurch, dass Erlebnisse bei ihrer Speicherung im Gedchtnis in Erlebnisradikale dissoziieren und dann an verschiedenen psychischen Orten gespeichert und weiter prozessiert werden. Freuds monotopisch-zeitliche Auffassung lsst sich somit durch die Annahme multipler Teilkodierungen ergnzen. Dabei kann zwischen sprachgngigen und gestengngigen Erinnerungsfragmenten unterschieden werden.
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So betrachtet sind motorisch-gestische, motorisch-szenische und auch phonetische (lautes Reden) Darstellungs-»Akte« prinzipiell unentbehrlich, um vergessene Erlebnisse ans Tageslicht zu bringen. Das beinhaltet jedoch nicht, dass das psychoanalytische Verfahren gendert werden msste. Bei den Untersuchungen war immer wieder erkennbar, dass sich die motorisch-gestischen Erinnerungen dadurch auszeichnen, dass sie sich in jede nur mçgliche motorische Aktivitt regelrecht hineindrngen. Mahl (1977) hat das anhand von Gesten und agierten Szenen aus eigenen Analysen genauer konzeptualisiert. Demnach bringt eine motorische Aktion (»A«) den in Aktionsprogrammen gebundenen Erinnerungsanteil nach außen, in die Realitt. In der Folge stimuliert die (afferente) Wahrnehmung dieser Handlung die komplementren sprachgngigen Erlebnisbestandteile und schließt sich mit diesen (bei »B«) wieder zusammen. Mahl nannte das »A-B-Sequenz«. Bedingung fr diesen Zusammenschluss ist, dass die Aktion vom Analytiker zunchst nicht gedeutet und oder durch Einfhrung von Parametern »geschluckt« wird, sondern als unerledigter Rest – der dann selber eine Art subliminaler Stimulus wird – sich die sprachgngigen Erlebniskomponenten heranholt. Auch die gelebte interpersonelle bertragung (Deserno, 1992) und das szenische Geschehen von Argelander (1970) kçnnen als Fangnetze fr motorische Erinnerungen verstanden werden, haben die Eigenschaften einer »peinture automatique« im weiteren Sinn. Der Analytiker hat dann nur noch die – allerdings entscheidende – Aufgabe, die Rationalisierungen des szenisch blind Agierten in Frage zu stellen. So betrachtet heißt das auch: Rekonstruktionen wrden sich nachtrglich weitgehend selbst erzeugen und es wrde sich dabei um unbewusste kognitive Operationen handeln. Auch die Traumzeichnung des Wolfsmannes enthielte solche Rekonstruktionen. Die besondere Wirkung dieser Zeichnung entsteht jedoch dadurch, dass alternative Ausdeutungen zwar mçglich sein kçnnten, aber letztlich gerade unbestimmt bleiben. Die auf den zweiten Blick sich ergebende Unklarheit der Zeichnung scheint auch ihr Zweck zu sein. Es entsteht, wie bei einem ORT-Bild, eine Schattenhaftigkeit der Figuren, die Projektionen und – davon abgeleitet – eine unbewusste Szene hervorzurufen vermochte. Es mag die Ver-
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unklarung von Bedrohlichem sein, die diese Zeichnung faszinierend macht. Und hierin liegt dann, so scheint es, etwas allgemein Gltiges, was eine szenische Potenz von Traumzeichnungen generell ausmacht. Vor dem Hintergrund der dargestellten Befunde aus experimentellen Untersuchungen drfte deutlich geworden sein, wie unterschiedlich sich ein Traum im jeweiligen Forschungskontext darstellt. Zusammengefasst ergibt sich dabei ein differenziertes Bild. Die Befunde und Hinweise lassen die Annahmen zu, dass der WolfsmannTraum ein NREM-Traum war, der kurz vor dem Aufwachen getrumt und danach erinnert wurde. Wahrscheinlich ist der Traum auch mehrfach und umfassend berarbeitet worden. Aus den Laborbefunden ber die nachtrgliche Hinzufgung von unbewusst gebliebenem Stimulusmaterial, aus den Beschreibungen der Prozessierungsablufe im Rahmen der Dissoziierung und Reassoziierung von unbewussten Gedchtnisinhalten und Wahrnehmungen, zusammen mit den Befunden von Marcinowski, lsst sich annehmen, dass auch die Zeichnung des Wolfsmannes unbewusstes, hinzugefgtes Material enthlt. Diese Befunde haben Auswirkungen auf die psychoanalytische Theorie, insbesondere auf die psychoanalytischen Konzepte der Verdrngung, der Nachtrglichkeit aber auch der bertragung. Sie lassen sich auch anhand von Dissoziierungs- und Reassoziierungsprozessen beschreiben.
5.5 Kindertrume und der Wolfsmann-Traum Im Rahmen der experimentellen Traumforschung der letzten Jahrzehnte hat sich ein weiterer Forschungszweig entwickelt, der auch zur Untersuchung der Wolfsmann-Zeichnung Wesentliches beitragen kann. Es geht dabei um die przise Erforschung der Fhigkeit zu Trumen aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive. Um es vorwegzunehmen: Die Befunde sttzen ebenfalls die Angaben Freuds ber den Wolfsmann-Traum. Lngsschnittuntersuchungen haben gezeigt, dass die Fhigkeit zu Trumen erst nach elf bis dreizehn Jahren voll entwickelt ist (vgl. Foulkes, 1999). Im Alter von drei bis fnf Jahren haben die Kindertrume eine spezifische Qualitt: Fast immer fehlen soziale Interaktionen, das Selbst des Trumers ist nicht aktiv in die Traumhand-
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lungen verwickelt (zwei typische Merkmale fr die Trume Erwachsener) und es kommen fast keine Bewegungen vor. Als Trauminhalte dominieren Tiere. Vergleicht man nun diese Merkmale mit dem Wolfsmann-Traum, so lassen sich große bereinstimmungen zu den fr 3- bis 5-jhrige Kinder typischen Traummerkmalen feststellen. Es besteht durchaus Anlass anzunehmen, dass der Traum des Wolfsmannes aus diesem Lebensalter stammt, Freuds Angaben somit stimmen. Neben den zahlreichen Arbeiten, die sich mit Kindertrumen aus behandlungstechnischer Perspektive auseinander setzen (vgl. unter anderem Freud, 1927; Klein, 1932; Winnicott, 1945; Despert, 1949; Fraiberg, 1950; Rangell, 1950; Niederland, 1957; Mack, 1965; Garma, 1970; Lebovici, 1982; Medici de Steiner, 1995), wurden Kindertrume auch im Rahmen empirischer Traumforschungen untersucht (vgl. Ames, 1964; Berger, 1969; Van de Castle, 1970; Green, 1971; Perzy, 1978; Fahrig u. Horn, 1983; Domhoff, 1995; Strauch et al., 1997; Endtinger-Stckmann, 2006). Vor allem in den umfangreichen Lngsschnittuntersuchungen von Foulkes (Foulkes et al. , 1967, 1969 ; Foulkes, 1967, 1982, 1999) wurde deutlich, dass Trumen nicht davon abhngig ist, wie die Lebenswelt wahrgenommen wird, sondern wie die Lebenswelt reprsentiert, wie sie gedacht wird. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil dadurch Trumen zu einem autonomen, zu einem psychisch gesteuerten Prozess wird. Hierfr sprechen auch zahlreiche Untersuchungen, die Trumen und Wahrnehmungserlebnisse im Wachzustand miteinander verglichen und zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es sich um zwei voneinander unabhngige Prozesse handelt (vgl. Hau, 1999b, 2004). Trumen ist eher als Form der Imagination zu betrachten und nicht als Wahrnehmungsprozess, wie dies zum Beispiel fr den Wachzustand charakteristisch ist. Damit wird aber auch klar, dass Trumen kein autonomer Prozess sein kann, der von Beginn des Lebens an funktioniert, sondern der an bildliches Vorstellungs- und an sprachliches Ausdrucksvermçgen gekoppelt ist. Dies bedeutet aber ebenfalls, dass 2- bis 3-jhrige Kinder noch nicht den erforderlichen Entwicklungsstand erreicht haben, um trumen zu kçnnen. In kontrollierten Lngsschnittstudien wurden Kinder ber einen Zeitraum von maximal sechs Jahren zu drei verschiedenen Messzeit-
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punkten im Labor, unter verschiedenen Abrufbedingungen, nach ihren Trumen befragt. Die Ergebnisse sind die umfassendsten, die zum Kindertraum in seiner Entwicklung erarbeitet wurden. Hauptergebnis war, dass Trumen eine Fhigkeit ist, die sich in einem langen Prozess erst nach und nach entwickelt, und dass die Entwicklung dieser Fhigkeit sich in enger Verschrnktheit zur brigen kognitiven und emotionalen Entwicklung vollzieht. So haben 3bis 5-Jhrige nur kurze, gefhlsneutrale Erinnerungen an »statische« Trume, in denen keine Handlungssequenzen auftauchen. Diese Trume sind am hufigsten mit Tieren bevçlkert (40 %) und nur zu einem Fnftel mit Personen. In den meisten Trumen ist kein TraumIch anwesend. Im Laufe der Zeit werden die Traumberichte belebter, vereinzelt tauchen Szenen auf (5- bis 7-Jhrige), wobei die Handlungen meist noch von anderen Personen ausgefhrt werden. Erst im Alter zwischen sieben bis neun Jahren wird das Traum-Ich aktiver, komplexere Narrative werden im Traum »filmisch« dargestellt und es dauert weitere zwei bis drei Jahre, bis der aktive Anteil des Traum-Ich am Traumgeschehen dem bei Erwachsenen entspricht. Im Alter zwischen elf und dreizehn Jahren wird der Einfluss der sozialen Umgebung deutlich. Bezieht man nun die Ergebnisse der empirischen Traumforschung ber Kindertrume auf den Traum des Wolfsmannes, dann ergeben sich verblffende bereinstimmungen dahingehend, dass der Traum mit den Wçlfen im Baum viele Merkmalen von Kindertrumen fr das Entwicklungsalter zwischen drei und fnf Jahren aufweist. Die Kindertrume aus diesem Alter sind sehr kurz, es kommen fast nie soziale Interaktionen vor (was ein Hauptmerkmal der Trume Erwachsener darstellt, das Selbst des Trumers ist nicht aktiv in die Traumhandlung verwickelt (ein weiteres typisches Merkmal fr die Trume Erwachsener). Kinder im Alter von drei bis fnf Jahren trumen hauptschlich von Tieren und von Referenzen auf den eigenen Kçrper. Die Trume haben keine narrative Qualitt, sie wirken eher wie ein Diabild, eine Momentaufnahme. Foulkes ist der Ansicht, dass die Tiere, die im Traum auftauchen als Identifikationsobjekte fr die Kinder dienen, in denen eigene Sorgen und Anteile untergebracht sind. Es besteht eine Kontinuitt zu den Imaginationen im Wachzustand, denn die Tiere im Traum sind keine exotischen Tiere, sondern Tiere aus dem Alltagserleben. Foulkes fand
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auch Hinweise, dass Selbst-Reprsentanzen im Traum durch die Tiere dargestellt werden. Der Traum stellt den ersten Versuch dar, im Schauen auf ein (Selbst-)Objekt, eine Dezentralisierung der Perspektive zu erreichen, also eine berwindung des Stadiums, das Piaget und Inhelder (1969) als »Egozentrismus« beschrieben haben. Diese Ansicht wird von weiteren Daten untersttzt: Erst im nchsten Stadium (fnf bis sieben Jahre) fangen die Kinder an, mehr von Interaktionen mit anderen zu trumen, was die Fhigkeit einschließt, die Perspektive des anderen zu bernehmen. Insgesamt wird bei den Untersuchungen zum Kindertraum deutlich, dass Trumen ein hochkomplexer Denkakt ist, der zahlreiche, komplizierte mentale Voraussetzungen hat und der nicht nur davon abhngt, wie gut jemand die Welt um sich herum wahrnehmen kann, sondern wie gut er diese Welt mental wieder erzeugen, simulieren beziehungsweise generieren kann. In diesen Aussagen finden sich Untersttzungen der Befunde von Moser und von Zeppelin. Zudem entsprechen die Eigenschaften des verbalen Traumberichts des Wolfsmann-Traumes dem Entwicklungsalter fr Kindertrume, aus dem der Traum auch erinnert wurde. Die statische Eigenschaft, das Fehlen eines Narrativs, einer Handlung, das Fehlen eines aktiven Traum-Ich, das Auftauchen von Tieren (vielleicht sogar der Wçlfe des Bildes, mit denen die Schwester des Wolfsmannes ihn gerne erschreckte), all das spricht fr einen ganz normalen Kindertraum, den der Wolfsmann trumte, seinem damaligen Entwicklungsalter entsprechend und insgesamt unauffllig in seinen Komponenten.
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In dieser Arbeit wurde versucht, psychoanalytische Forschungspraxis in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei lag die Betonung besonders auf den Schwierigkeiten und (auch praktischen) Problemen bei der tatschlichen Umsetzung psychoanalytischer Forschung. Bei den Bemhungen um Erkenntnisfortschritt wurde ein Ansatz vertreten, in dem unterschiedliche Forschungsmethoden und Instrumente bei der Untersuchung desselben Forschungsgegenstandes verwendet werden, im Sinne einer multiperspektivischen Vorgehensweise. Es wurden unterschiedliche Bereiche vorgestellt, in denen Psychoanalytiker an Forschungen beteiligt sind und durch die verschiedene Aspekte und Inhalte psychoanalytischer Forschungen zum Ausdruck kommen. So interessant die einzelnen Forschungsthemen auch erscheinen mçgen, im Rahmen der Darstellung der Forschungspraxis sind auch Probleme und Schwierigkeiten sichtbar geworden, die nicht nur durch das grundlegende psychoanalytische Forschungsthema – die Erforschung unbewusster Prozesse – entstehen, sondern durch den Versuch einer interdisziplinren Forschung selbst bedingt sind. Am Beispiel der experimentellen Traumforschung lsst sich dies besonders gut verdeutlichen. Fr Psychoanalytiker mag es unbefriedigend erscheinen, sich »nur« mit dem manifesten Traum zu beschftigen. Sie kçnnten argumentieren, dass dieser fr die klinische Praxis nicht von Bedeutung ist, denn erst ber die Assoziationen des Patienten zu den Traumdetails kçnne auf den latenten Traum geschlossen werden. Nur so gelange man zu Einblicken in den relevanten Teil des Traum- beziehungsweise unbewussten Geschehens. Dies mag aus einer behandlungstechnischen Perspektive verstndlich
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sein. Geht es jedoch um die Untersuchung von Wahrnehmungs-, Gedchtnis- und Erinnerungsprozessen oder – allgemeiner – um die Frage nach der Beschaffenheit des psychischen Apparates, dann stellt sich das Problem, ob hierzu eine klinische Perspektive allein ausreichen kann. Der Traum bietet sich als Beobachtungsgegenstand, als »Kçnigsweg« zum Studium unbewusster Prozesse geradezu an, um ihn, auch auf seiner manifesten Ebene, mit anderen Mitteln zu erforschen. Dabei geht es aber um viel mehr, nicht nur um Traumforschung im engeren Sinn. Hier geht es um Fragen der Funktionsweise des psychischen Erlebens allgemein. Traumforschung ist zugleich immer auch Gedchtnisforschung oder Wahrnehmungsforschung. Dann stellen sich Fragen wie nach der unbewussten Bearbeitung von Wahrnehmungen. Wie werden Trume generiert? Nach welchen Kriterien werden (Traum-)Inhalte ausgewhlt, zusammengestellt und erinnert? Lassen sich fundamentale Unterschiede in den psychischen Mechanismen der Verarbeitung in unterschiedlichen Bewusstseinszustnden beschreiben? Oder finden sich eher Hinweise auf fließende bergnge zwischen den verschiedenen Funktionsweisen des psychischen Erlebens und Verarbeitens? Was htte dies fr Auswirkungen auf die Konzeption des psychischen Apparates? Welche Rolle spielen dabei Affekte und Motivation? In dem ausgefhrten Forschungsbeispiel konzentrierten sich die Untersuchungen vor allem auf die Verarbeitungsschritte formaler Aspekte unbewusster Wahrnehmungen. Wichtige Fragen wie etwa nach der Bedeutung von Affektivitt und Motivation wurden dabei nicht bercksichtigt und sind zuknftigen Forschungen vorbehalten. Welche Rolle spielen Abwehrleistungen im Kontext der Darstellung und Manifestation von Triebimpulsen? Wie werden Wahrnehmungsleistungen einerseits und Erinnerungsprozesse andererseits von Gefhlen und Triebimpulsen beeinflusst? Auf die Befunde der dissoziativen und reassoziativen Bearbeitungsschritte von unbewussten Wahrnehmungen angewandt hieße dass, ob sich die Prozesse auch so beschreiben lassen, wenn starke Angst empfunden wird oder große Erregung. Die bisher durchgefhrten Versuche zeigten jedenfalls deutlich, wie es gelingen kann, mit Hilfe der weiterentwickelten Subliminalisierungstechnik, Aussagen ber unbewusste Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse zu machen.
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Die genaue phnomenologische Beschreibung der Dissoziierungsund Reassoziierungsprozesse, basierend auf den Beobachtungen am manifesten Traummaterial, erlaubt genauere Aussagen ber die Beschaffenheit des Vorbewussten. Diese Schlussfolgerungen setzen zunchst auf einer theoretischen Ebene an (Aufbau und Mechanismen des psychischen Apparates), lassen sich aber auch auf klinische Fragen erweitern, etwa in Zusammenhang mit der Frage nach der Komplexitt von Dissoziierungs- und Verdrngungsphnomenen. Lsst sich das Unbewusst-Bleiben von Erlebnismaterial als Produkt einer aktiven Verdrngungsleistung verstehen oder ist es das Resultat einer Reassoziierungsschwche, also der Unmçglichkeit, die bis auf kleinste »Radikale« zerlegten ursprnglichen Wahrnehmungs- oder Erlebniseindrcke wieder zusammenzufgen, zu reassoziieren, um sie bewusst erlebbar und mitteilbar zu machen? Diese andere Konzeption htte Auswirkungen auf das Erleben und Beurteilen der klinischen Situation, auf bertragungs- und Gegenbertragungsprozesse. In dieser Arbeit ging es nicht darum, die Auseinandersetzung fortzufhren, ob die Psychoanalyse eine Wissenschaft darstellt oder nicht. Zwei stark voneinander abweichende Positionen sind im ersten Kapitel kurz skizziert worden. Klar ist, dass es die Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Psychoanalyse schon seit ihrer Entstehung gegeben hat, und dies drfte wohl auch in Zukunft so sein. Neben einer oft polemischen Kritik gibt es aber auch immer wieder Fragen, die man ernst nehmen muss, wenn man sich mit einem Forschungsverstndnis bei der Untersuchung unbewusster Prozesse auseinandersetzt. Dies betrifft die Wissenschaftlichkeit psychoanalytischer Forschung. Ist es die fehlende Verbindung mit empirischen Methoden, welche der psychoanalytischen Forschung Probleme bereitet, als Wissenschaft anerkannt zu werden? Oder sind es die uneindeutigen Begriffe und Konzepte, mit denen man es in psychoanalytischen Theorien und Konzepten zu tun bekommt? In der »Open Door Review« sind die kontrren Positionen von Fonagy beziehungsweise von Perron klar und deutlich formuliert worden. Aber zu fragen bleibt auch, ob sich beide Sichtweisen tatschlich ausschließen, als ob es nicht mçglich wre, mit einer psychoanalytischen Haltung, zwei Hte auf dem Kopf zu tragen, zwischen Couch und Labor zu pendeln, wie dies ja viele Psychoanalytiker, die experimentelle Traumforschung betrieben haben, demonstrierten.
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In dieser Arbeit ging es in erster Linie darum, durch die Diskussion von Beispielen praktischer Forschung zu zeigen, auf welche Schwierigkeiten und Probleme man in den verschiedenen Forschungsfeldern stçßt, wenn man unbewusste Prozesse erforscht, aber auch welche Erkenntnismçglichkeiten und welcher Gewinn in solchen Untersuchungen liegen. Die Schwierigkeiten und Chancen betreffen dabei verschiedene Ebenen. Zum einen geht es um die Auseinandersetzungen innerhalb der Psychoanalyse um die Frage der Angemessenheit von psychoanalytischer Forschung, zum anderen geht es um den interdisziplinren Dialog mit den an die Psychoanalyse angrenzenden Wissenschaften. Psychoanalytische Forschung befindet sich bei ihrer Umsetzung somit immer in mindestens zwei Spannungsfeldern. Beide sind auszuhalten und kreativ zu nutzen. Neben den Schwierigkeiten nach innen, auf die man in diesem Zusammenhang trifft, ergeben sich aber auch nach außen Probleme, die vor allem mit den verschiedenen Theorie- und Begriffssprachen zu tun haben, die in den unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen verwendet werden. Hier mssen zum Teil schwierige Verstndnisprobleme gelçst werden, wie das Beispiel neurophysiologischer Hirnforschung zeigt. Ein weiteres Problem kommt noch hinzu, und das betrifft die Vielfalt der zu untersuchenden Phnomene. Wenn vom Unbewussten als Forschungsgegenstand die Rede ist, dann wird dabei berhaupt nicht der Vielfalt der Manifestationen unbewusster Prozesse Rechnung getragen. Dies betrifft unmittelbar die große Verschiedenheit wissenschaftliche Erfahrung, die in den jeweiligen Forschungsfeldern gemacht werden kçnnen. Auch dies wurde versucht mit dieser Arbeit zu skizzieren. Die Vielfalt ungelçster Fragen und Probleme im Rahmen psychoanalytischer Forschung sollte durch die Auswahl der Forschungsbeispiele zumindest angedeutet werden (vgl. die Kritik am vereinheitlichenden wissenschaftlichen Erkenntnisbegriff von Hampe u. Lottner, 2000). Die experimentelle Traumforschung, orientiert an psychoanalytischen Hypothesen, kann als Anwendungsbeispiel besonders gut die Probleme interdisziplinrer Forschung aufzeigen. Von Beginn an arbeiteten hier Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen am gleichen Thema. Neurophysiologen, Kognitionspsychologen, Entwicklungspsychologen, Mediziner und nicht zuletzt auch Psychoanalytiker, sie alle waren an der reichhaltigen Welt des Traumes mit dem Ziel in-
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teressiert, mehr ber unbewusste Verarbeitungsprozesse zu erfahren. Dabei blieb es nicht aus, dass sich mit dem Forschungsinstrumentarium jeder Disziplin nur ein Teilaspekt des komplexen Geschehens przise erfassen lsst. Fr Psychoanalytiker kann diese andere Art von Traumforschung deshalb attraktiv sein, weil auch hier der »Kçnigsweg« zum Unbewussten durch die jetzt allerdings kontrolliert-experimentelle Traumforschung beschritten werden kann und gleichzeitig der interdisziplinre Austausch mçglich wird. Allerdings wird dabei deutlich, dass auch umgekehrt Vorbehalte und Widerstnde existieren. So nahm Haskell (1986) auf die Konzeption von dynamischunbewussten Widerstnden und das psychoanalytische Triebkonzept Bezug und sprach von einer »Maginot-Linie«, welche experimentell arbeitende Traumforscher und Psychoanalytiker trenne. Freuds Traumdeutung habe sich eher als hinderlich fr die psychologische Traumforschung des zwanzigsten Jahrhunderts erwiesen. Hier wird kritisiert, dass Psychoanalytiker an psychodynamischen Prozessen interessiert sind, dass sie Gehirn und Psyche nicht als bloße Informationsverarbeitungsmaschinen ansehen. Umso wichtiger erscheint es, dass sich Psychoanalytiker an diesen Diskussionen und Forschungen beteiligen, damit wesentliche Aspekte wie zum Beispiel Motivation, Affektivitt und die Perspektive auf das dynamische Unbewusste nicht verloren gehen. Auch an der nçtigen Differenzierung beziehungsweise Trennung zwischen physiologischen Prozessen und Erlebnisprozessen (vgl. Fiss, 1993), von der bei manchen neurophysiologischen Untersuchungen der Eindruck entsteht, dass das Leib-Seele-Problem bereits berwunden sei, wird von Psychoanalytikern festgehalten beziehungsweise die Unterschiede deutlich herausgearbeitet (vgl. Leuschner, 1997). Angesichts der Komplexitt theoretischer Diskussionen erscheinen die Forschungspraxis und deren Befunde oft wenig spektakulr. Das Forschungsbeispiel der tachyakustischen Stimulation von Trumen hatte zum Ziel, zu zeigen, wie es aufgrund der speziellen Operationalisierung gelingen kann, Ergebnisse zu erzielen, die Aussagen ber unbewusste Verarbeitungsprozesse erlauben. Das Phnomen der kompetitiven Hemmung, um nur einen Befund herauszugreifen, mag auf den ersten Blick banal erscheinen. Die Probanden versuchten, den sinnlosen Stimulus zu verarbeiten und zu verstehen. Dabei zeigte sich, dass sie in der Folge auch sinnvolle Stimuli, die sonst zu signifikanten
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Effekten bei der Wiederdarstellung fhrten, kaum in der Lage waren, zu verarbeiten. Es schien, als ob die Beschftigung mit dem sinnlosen Material die nachfolgende Verarbeitung von sinnhaftem Stimulusmaterial hemmte. Dabei handelte es sich um einen affektiv neutralen Stimulus, die Untersuchung zielte auf die formalen Gestaltungsmittel bei der Verarbeitung. Der Befund der selteneren Wiederkehr von Stimulusinhalten im Rahmen der »kompetitiven Hemmung« kçnnte aber auch viel weitergehend verstanden und interpretiert werden. Generell kçnnte hier ein Mechanismus erkennbar werden, der es Menschen schwer macht, mit neuen Informationen oder (psychischen) Inhalten umzugehen, wenn sie stattdessen mit (oft vergeblichen) intensiven Auseinandersetzungen mit (nicht lçsbaren) Aufgaben zu tun haben. Hier stellt sich die Frage, ob dies nicht nur fr formale, sondern auch fr konflikthafte Inhalte gelten kçnnte? Die wiederholte Auseinandersetzung mit ungelçsten Konflikten, welche psychische Verarbeitungskapazitt in Anspruch nimmt, die fr die »Lçsung« anderer Probleme und Konflikte nicht mehr zur Verfgung steht, fhrte dann zu »neurotischen«, im Alltag sich als hinderlich erweisenden Situationen und Erlebniszustnden. Im Experiment wre, auf einer formalen Ebene, ein komplexes psychisches Dilemma sichtbar geworden, welches die Menschen in viel umfassenderer Weise hemmen kann, als es in der umschriebenen Situation des Versuches bei der Abarbeitung des induzierten Stimulusmaterials der Fall war. Dies ist natrlich weit reichend gedacht, aber es ließen sich leicht weitere Hypothesen formulieren, aus denen die nchsten Untersuchungen konzipierbar wren, um diese Fragen zu untersuchen. Denkbar wre eine Untersuchung mit Hilfe einer gezielten psychodynamischen Aktivierung durch die subliminale Prsentation von konfliktreichen Situationen. Natrlich bedarf es dazu einer sorgfltigen Auswahl der Probanden fr diese Aufgabe, wenn es um die Frage geht, inwieweit und wie schnell es gelingt, auch belastendes Material durch- und abzuarbeiten. Aus der Art und Weise, wie dies geschieht, ließen sich dann weitere Schlussfolgerungen, nun nicht nur im Hinblick auf die formalen Verarbeitungsweisen der menschlichen Psyche schließen, sondern auch im Hinblick auf Abwehrverlufe und Konflikte im Rahmen von versuchten Triebbefriedigungen. Wie schnell werden Abwehrprozesse aktiviert? Wie sehen diese aus? Lassen sich hnliche Prozesse beschreiben, wie sie bei projektiven Tests
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sichtbar werden? Mit diesen Fragen wre erneut eine Anbindung an psychoanalytische Forschungen und Erkenntnisse, wie sie im Laufe der Zeit im Hinblick auf Diagnostik in Untersuchungen mit Rorschach und TAT erarbeitet wurden, gegeben. Diese wenigen berlegungen zeigen, wie dicht und vernetzt die Fragestellungen sind, die angesprochen werden, wenn man sich mit Traumforschung auseinandersetzt, die dann auch Forschung zu Wahrnehmung, Gedchtnis, Erinnerung, Affektregulation, Motivation etc. ist. Ein weiters Beispiel fr »Offline«-Forschung wurde mit den ZBKT-Untersuchungen von Psychoanalysestunden im Rahmen der Psychotherapie-Forschung beschrieben. Auch hier werden die Schwierigkeiten einer psychoanalytischen Forschung besonders deutlich. Dies fngt bei Problemen wie der Frage an, ob psychoanalytische Behandlungsstunden berhaupt tonbandaufgezeichnet werden sollen. Beantwortet man die Frage mit ja, taucht als nchstes Problem auf, wie sich die Menge des erhobenen Materials bewltigen lsst, wenn 500 bis 700 Behandlungsstunden gesichtet und fr eine Auswertung handhabbar gemacht werden mssen. Dabei geht es nicht nur um praktische Entscheidungen (zum Beispiel nur jede vierte Stunde zu verschriften), sondern auch um konzeptuell zu begrndende, etwa als klinisch relevant eingestufte Stunden zustzlich zu verschriften oder sich auf die Stunden vor Urlaubsunterbrechungen besonders zu konzentrieren. Psychoanalytische Behandlungen zeichnen sich, im Vergleich zu sonst in der Psychotherapieforschung untersuchten Behandlungsformen, durch eine Reihe von Besonderheiten aus, die unter anderem zentrale psychoanalytische Konzepte wie bertragung und Widerstandsphnomene betreffen. Wie lassen sich diese beforschen? Welche Untersuchungsinstrumente kçnnen verwendet werden, um Phnomene wie bertragung zu »operationalisieren« und mit extraklinischen Methoden untersuchbar zu machen? Im Laufe der langen Tradition der Psychotherapieforschung sind zahlreiche Instrumente und Untersuchungsanstze hierfr entwickelt worden, wobei sich ein interdisziplinres Feld entfaltet, auf dem die Psychoanalytiker nur einen Teil der Forschungsaktivitten durchfhren. Das Beispiel sollte zeigen, wie es mçglich ist, sich in eine bestehende, zum Teil auch selbst mitgestaltete Forschungstradition erneut
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einzufdeln, ohne dabei vorhandene Anstze unkritisch zu bernehmen oder etwa Uniformittsmythen zu unterliegen. Mit dem ZBKT wurde ein breit eingefhrtes und allgemein akzeptiertes Untersuchungsinstrument angewendet, was jedoch, wie dargelegt, auf einem veralteten bertragungskonzept basiert. Das Instrument dann weiterzuentwickeln, um es fr die psychoanalytische Fragstellung und das psychoanalytische Material angemessen nutzbar zu machen, dies war ein Teil der psychoanalytischen Forschungsarbeit. Durch die Entwicklung des Beziehungsepisodentyps Therapeut Typ X ließen sich nicht nur interaktive Sequenzen in den Behandlungsstunden besser untersuchen, es deutet sich dadurch auch eine erhebliche Reduktion des Auswertungsumfanges an, wenn es mçglich wird, sich auf solche Interaktionssequenzen bei der Auswertung beschrnken zu kçnnen. Dann werden nicht nur die Deutungen, die der Analytiker gibt, plçtzlich in ihrem Stellenwert aufgewertet, sondern vor allem das gemeinsame Aushandeln in deren Folge. Weitere Fragen schließen sich an: Wie gestalten sich diese Prozesse des Aushandelns? Sind sie von der »Vollstndigkeit« einer Deutung abhngig, also davon, ob der Analytiker den Konflikt mçglichst umfassend angesprochen und formuliert hat? Sind sie von der Fokussierung der Deutung abhngig (Abwehrseite oder Triebseite)? Wie verndert sich das Interaktionsgeschehen im Laufe der Behandlung? Ist es stçrungsspezifisch oder lassen sich allgemeine Entwicklungsverlufe beschreiben, die auch fr andere Stçrungsbilder gelten? Aus etwaigen unterschiedlichen Prozessen beim Aushandeln von Bedeutung einer Intervention kçnnten sich wichtige Hinweise fr die Behandlungstechnik ergeben, die so jenseits der klinischen Intuition und Erfahrung gewonnen werden. Auch hinsichtlich der Forderung, im Rahmen der Gesundheitsversorgung Effektivittsnachweise gegenber den Krankenkassen zu erbringen, ergeben sich aus solchen Forschungen Hinweise. Zum einen wird fr Außenstehende nachvollziehbar, wie sich psychoanalytische Behandlungsverlufe entfalten, zum anderen – und das ist zugegeben eine gewagte These – kçnnten Hinweise dafr gewonnen werden, wie sich psychoanalytische Behandlungsverlufe effektiver gestalten und somit unter Umstnden verkrzen lassen, etwa in Abhngigkeit von der konzisen Formulierung von Deutungen und dem anschließenden Verhandeln.
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Ein roter Faden, der sich durch die Anwendungsbeispiele psychoanalytischer Forschung zieht, ist der Traum. Gerade bei der Untersuchung mittels des ZBKTwurden dabei jedoch auch die Grenzen der Traumforschung deutlich. Mit Hilfe des ZBKT-Verfahrens ließen sich bei dieser Analyse keine Untersuchungen durchfhren, etwa um die Frage zu klren, ob sich Aspekte des bertragungsgeschehens, also wie der Analytiker beim Aushandeln vom Patienten erlebt und erfahren wurde, auch in den Traumerlebnissen wieder finden. Entsprechende Befunde htten als Hinweis genommen werden kçnnen, um den postulierten Zusammenhang von Traum und bertragung mit anderen Instrumenten zu untersuchen. Leider ist dies im vorliegenden Fall nicht mçglich gewesen, wobei noch zu klren wre, ob dies nicht auch am spezifischen Stçrungsbild der Depression lag. Es ist ja bekannt, dass sich depressive Patienten vor allem im Traum durch eine Art Minus-Funktion auszeichnen (vgl. Ermann, 1983). Die auch von Freud Zeit seines Lebens nicht aufgegebene Hoffnung einer berwindung der Lcke zwischen psychischem Erleben und gleichzeitigen neurophysiologischen Prozessen, wird im Rahmen der heutigen Hirnforschung wieder aktuell. Dabei erscheint das Bild des Gehirns, welches durch die neuesten neurowissenschaftlichen Befunde entstanden ist, wenn man der Auffassung Solms folgt, mit den von Freud entworfenen psychologischen Theorien im Großen und Ganzen kompatibel zu sein. In der vorgestellten, sich noch in der Anfangsphase befindlichen Studie wurde der weit reichende Anspruch formuliert, Freuds Traumtheorie zu »testen«. Im Gegensatz zu der Methode, mit der die Befunde fr die neurodynamische Traumentstehungstheorie von Solms erhoben wurden und die auf Syndromanalysen von hirngeschdigten Patienten beruhen, soll in der geplanten Untersuchung ein anderer methodischer Ansatz verfolgt werden. FMRT-Untersuchungen ermçglichen, so die Hoffnung, eine przise zeitlich-rumliche Erfassung der Hirnaktivitt, wenn sie mit EEG-Untersuchungen kombiniert werden. Dabei entstehen erhebliche technische Probleme. Sind diese aber gelçst, dann erçffnet sich die faszinierende Mçglichkeit, nicht nur Wach- und Schlafaktivitt, sondern in Kombination hierzu auch das Traumerleben und die entsprechenden zeitgleichen Erregungsmuster im Gehirn genauer zu untersuchen. Dies wrde eine vçllig neue Dimension der (psychoanalytischen) Traumforschung erçffnen.
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Dann kçnnte, mit Hilfe dieser neuen Methoden des »Neuroimaging«, der Traum von Sigmund Freud doch noch wahr werden, dass psychoanalytische Befunde durch Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften gesttzt werden. Viele Psychoanalytiker, nicht zuletzt die Mitglieder der eigenen Forschungsgruppe, sind bemht, die Chance der zurzeit bestehenden Mçglichkeiten fr interdisziplinre Forschungen mit Neurowissenschaftlern zu nutzen. Neben den praktischen ergeben sich natrlich auch erhebliche wissenschaftstheoretische Probleme und Bedenken (vgl. dazu Leuzinger-Bohleber, 2000; Pauen u. Roth, 2001). Diese Art interdisziplinrer Forschung macht die Gratwanderung, auf die sich Psychoanalytiker dabei begeben, besonders deutlich. Einerseits erscheint es fr die Ergebnisse psychoanalytischer Forschung notwendig, dass sie nicht im Widerspruch zu anerkannten Befunden aus anderen Wissenschaften stehen (vgl. Strengers Kriterium der »externen Kohrenz«, 1991), andererseits besteht fr die Psychoanalyse natrlich auch die Gefahr einer voreiligen Anpassung an kulturell und »wissenschaftlich« akzeptierte, aber der Psychoanalyse fremde Sichtweisen. Dabei geht es nicht darum, die klinische Forschung als Herzstck psychoanalytischer Forschung durch andere Forschungsanstze zu ersetzen. Dennoch kann die interdisziplinre beziehungsweise empirische Forschung wichtige Dimensionen fr das Verstndnis komplexer unbewusster Prozesse und unbewusster psychischer Funktionen liefern. Man denke nur an Verdrngungs- oder Erinnerungsprozesse. Deshalb sollten offene und kontroverse Diskussionen gefhrt werden, sowohl innerhalb der Psychoanalyse als auch mit den anderen Wissenschaftsdisziplinenen.1 1 Neben den aufgefhrten Forschungsbeispielen, das sei noch kurz erwhnt, gab es andere, die nicht in die Arbeit aufgenommen wurden, obwohl auch sie sicherlich zur Veranschaulichung der Probleme und Chancen interdisziplinrer Forschungen beigetragen htten. So wurde eine psychoanalytische Untersuchung ber die Auswirkungen von traumatischen Kriegserfahrungen, die sich in seit ber 50 Jahren regelmßig wiederkehrenden Alptrumen beziehungsweise re-enactments ußerten ebenso wenig bercksichtigt wie die systematische Auswertung von Interviews von Augenzeugen 60 Jahre nach der Zerstçrung einer Synagoge in Frankfurt am Main in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Die unterschiedlichen Erinnerungen der Augenzeugen, die verschiedenen Bedeutungen,
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Viel war von interdisziplinrer Forschung die Rede. Dabei kann es ebenso wenig darum gehen, sich anderen Disziplinen voreilig anzupassen oder andere Sichtweisen unkritisch zu bernehmen. Mit der Identitt als Psychoanalytiker ausgerstet, kann eine offene Auseinandersetzung mit den angrenzenden Wissenschaften gelingen. In diesen Diskussionen kann die Psychoanalyse keine besondere Position beanspruchen, sie ist eine Wissenschaft unter anderen, die versucht, menschliches Erleben und die Phnomene, die sich dabei vorfinden lassen, verstehbar zu machen. Deshalb geht es meines Erachtens in erster Linie um einen unvoreingenommenen Dialog, in dem es zunchst auch auf die Fhigkeit ankommt, zuhçren zu kçnnen. Oft ist es nicht einfach, die unterschiedlichen Sprachen, die in den jeweiligen Disziplinen gesprochen werden und die ungewohnten Bedeutungen, um die es bei der Interpretation der Phnomene geht, fr die jeweils andere Seite verstehbar zu machen. Das beste Beispiel hierfr liefert gerade die interdisziplinre Zusammenarbeit in der Hirnforschung. Ein Dialog kann dabei in ernchternde Erfahrungen mnden und Zweifel aufkommen lassen, ob eine Zusammenarbeit wirklich mçglich ist. Diese Schwierigkeiten mssen aber zwangslufig entstehen, wenn ber lange Zeitrume kein Austausch beziehungsweise keine Zusammenarbeit stattgefunden hat, so dass man sich in dem jeweils eigenen Forschungsfeld einrichten konnte und jeweils fr sich Fragestellungen und Methoden entwickelte beziehungsweise spezifische Begriffe und Methoden anwendete, die fr andere zunchst nicht nachvollziehbar sind. Um diese Schwierigkeiten zu berwinden wird, wie bereits mehrfach betont, fr die psychoanalytische Forschung und die Bemhungen um Erkenntnisfortschritt ein Ansatz vertreten, bei dem, im Sinne einer multiperspektivischen Vorgehensweise, mit unterwelche dieser Ort und das Geschehen fr sie gehabt haben, ließen sich kontrastieren mit dem »offiziellen« Umgang mit Geschichte und Erinnerung, denn an der Stelle der zerstçrten Synagoge wurde von den Nationalsozialisten ein Hochbunker errichtet, der bis heute steht und als ABC-Schutzraum dienen sollte. Die Initiative 9. November bemht sich um einen anderen Umgang mit der Erinnerung und der Geschichte dieses Ortes. Wie individuelle und kollektive Erinnerungen ineinander greifen, auch dies ist ein psychoanalytisch interessantes, interdisziplinres Thema.
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schiedlichen Forschungsmethoden auf denselben Forschungsgegenstand geblickt wird. Der Wolfsmann-Traum wurde mit Hilfe verschiedener Untersuchungsmethoden betrachtet. Die zahlreichen psychoanalytischen Deutungsversuche wurden hier nicht bercksichtigt. Vor dem Hintergrund der dargestellten Befunde aus experimentellen Untersuchungen drfte deutlich geworden sein, wie unterschiedlich sich ein Traum im jeweiligen Forschungskontext darstellt. Zusammengefasst ergibt sich dabei ein differenziertes Bild. Die Befunde und Hinweise lassen die Annahmen zu, dass der WolfsmannTraum ein NREM-Traum war, der kurz vor dem Aufwachen getrumt und danach erinnert wurde. Er enthlt typische Merkmale von Kindertrumen aus der Altersphase zwischen drei bis fnf Jahren. Diese Befunde untersttzen die Annahme, den von Freud wiedergegebenen Text als Traum anzusehen. Die Untersuchung des manifesten Traumtextes mit dem Traumgenerierungsmodell von Moser und von Zeppelin erlaubt die Rekonstruktion des getrumten Traums und es lassen sich auch inhaltlich untersttzende Erkenntnisse hinsichtlich der von Freud dargelegten Verarbeitung eines frhkindlichen neurotischen Konfliktes als Disposition fr die sptere Neurose gewinnen. Zusammen mit den Befunden aus fnfzig Jahren experimenteller Traumforschung wird deutlich, dass sich Trume in vielfltigen Variationen und unterschiedlichen Kontexten manifestieren. Dieser komplexen Vielfalt mssen die Untersuchungen zu Trumen Rechnung tragen. Nicht zuletzt dies belegt die Notwendigkeit und den Nutzen einer interdisziplinren psychoanalytischen Forschung. Gelingt dies, dann wird die Psychoanalyse eine Zukunft haben, als kreative klinische Theorie wie auch als lebendige, innovative Wissenschaft.
Dank
Die in diesem Band vorgestellten Forschungsarbeiten sind von einer Person alleine nicht durchfhrbar, sondern nur im Team arbeitsteilig leistbar. Ich mçchte mich vor allem bei Wolfgang Leuschner bedanken, der das Traumforschungslabor am Sigmund-Freud-Institut grndete und eine erfolgreich arbeitende Traumforschungsgruppe aufbaute und der mit seiner unermdlichen Energie und seinem scharfsichtigen Denken in vielen langen Diskussionen mich mit seinem Wissen fr die Traumforschung begeisterte, mich immer untersttzte und berhaupt am nachhaltigsten in meinem Denken und meinen Forschungsinteressen beeinflusst hat. Mein Dank gilt auch Tamara Fischmann und allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Traumforschungsgruppe fr die langen Jahre gemeinsamer Wegstrecke, die so viel Freude am Entdecken, Nachdenken und Diskutieren bereithielten. Heinrich Deserno gilt der Dank fr viele einsichtsvolle, zum Nachdenken anregende klinische Diskussionen, nicht nur im Zusammenhang mit der ZBKT-Forschungsgruppe. Bedanken mçchte ich mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sigmund-Freud-Instituts fr alle Untersttzung, Hilfe und kritischen Anregungen in den Monaten und Jahren gemeinsamer Arbeit. Schließlich mçchte ich mich bei Marianne Leuzinger-Bohleber bedanken fr ihre nachhaltige Untersttzung und fr viele ermutigende Diskussionen, in denen sie immer wieder die wunderbare Fhigkeit bewies, scheinbar Unzusammenhngendes zu verbinden, Brcken zu schlagen und den Blick fr das Wesentliche nicht zu verlieren.
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